Language of document : ECLI:EU:C:2019:316

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

11. April 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Struktur und Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren – Richtlinie 2011/64/EU – Art. 4 Abs. 1 Buchst. a – Begriff ‚Zigarren oder Zigarillos‘ – Tabakrollen mit einem äußeren Deckblatt aus natürlichem Tabak, das teilweise von einer zusätzlichen Schicht aus Papier umhüllt ist“

In der Rechtssache C‑638/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht von Litauen) mit Entscheidung vom 2. November 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 15. November 2017, in dem Verfahren auf Betreiben der

Valstybinė mokesčių inspekcija prie Lietuvos Respublikos finansų ministerijos,

Beteiligte:

„Skonis ir kvapas“ UAB,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan (Berichterstatter) sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász, M. Ilešič und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: M. Aleksejev, Abteilungsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der „Skonis ir kvapas“ UAB, vertreten durch P. Markovas und R. Daugėla, advokatai,

–        der litauischen Regierung, vertreten durch D. Stepanienė, R. Krasuckaitė und D. Kriaučiūnas als Bevollmächtigte,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und S. Eisenberg als Bevollmächtigte,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. G. Marrone, avvocato dello Stato,

–        der ungarischen Regierung, vertreten durch G. Koós und M. Z. Fehér als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Perrin und J. Jokubauskaitė als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (ABl. 2011, L 176, S. 24).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines von der Valstybinė mokesčių inspekcija prie Lietuvos Respublikos finansų ministerijos (staatliche Steuerinspektion beim Finanzministerium der Republik Litauen, im Folgenden: staatliche Steuerinspektion) eingeleiteten Verfahrens wegen eines gegen die „Skonis ir kvapas“ UAB ergangenen Bescheids zur Nacherhebung von Steuern auf Tabakerzeugnisse, die von dieser Gesellschaft nach Litauen eingeführt wurden.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 2011/64

3        In den Erwägungsgründen 4 und 8 der Richtlinie 2011/64 heißt es:

„(4)      Die verschiedenen Tabakwarensorten, die sich voneinander durch ihre Merkmale und durch ihren Verwendungszweck unterscheiden, sollten definiert werden.

(8)      Im Interesse einer einheitlichen und gerechten Besteuerung ist die Definition von Zigaretten, Zigarren, Zigarillos und anderem Rauchtabak jeweils dahin gehend anzupassen, dass Tabakstränge, die aufgrund ihrer Länge als zwei Zigaretten oder mehr gelten können, verbrauchsteuerrechtlich als zwei Zigaretten oder mehr behandelt werden, dass eine bestimmte Art von Zigarren, die in vielerlei Hinsicht einer Zigarette ähnelt, verbrauchsteuerrechtlich als Zigarette behandelt wird, dass Rauchtabak, der in vielerlei Hinsicht Feinschnitttabak für selbst gedrehte Zigaretten ähnelt, verbrauchsteuerrechtlich als Feinschnitttabak behandelt wird, und dass Tabakabfälle eindeutig definiert sind. …“

4        Art. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Die vorliegende Richtlinie bestimmt allgemeine Grundsätze für die Harmonisierung der Struktur und der Sätze der Verbrauchsteuern, denen die Tabakwaren in den Mitgliedstaaten unterliegen.“

5        Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie umfasst der Begriff ‚Tabakwaren‘:

a)      Zigaretten;

b)      Zigarren und Zigarillos;

c)      Rauchtabak:

i)      Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten,

ii)      anderen Rauchtabak.“

6        Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2011/64 bestimmt:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie umfasst der Begriff ‚Zigaretten‘:

a)      Tabakstränge, die sich unmittelbar zum Rauchen eignen und nicht Zigarren oder Zigarillos nach Artikel 4 Absatz 1 sind;

…“

7        Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie lautet:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie umfassen die Begriffe ‚Zigarren‘ und ‚Zigarillos‘ – falls sie sich als solche zum Rauchen eignen und aufgrund ihrer Eigenschaften und der normalen Verbrauchererwartungen ausschließlich dafür bestimmt sind:

a)      Tabakrollen, die ein äußeres Deckblatt aus natürlichem Tabak haben;

b)      Tabakrollen, die mit gerissenem Mischtabak gefüllt sind und ein äußeres Deckblatt von normaler Zigarrenfarbe aus rekonstituiertem Tabak aufweisen, das das Erzeugnis vollständig umhüllt – gegebenenfalls auch den Filter, nicht aber das Mundstück bei Zigarren mit Mundstück –, wenn ihr Stückgewicht ohne Filter und ohne Mundstück mindestens 2,3 g und höchstens 10 g und ihr Umfang auf mindestens einem Drittel ihrer Länge 34 mm oder mehr beträgt.

…“

 Erläuterungen zur KN

8        In den Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur der Europäischen Union in geänderter Fassung (ABl. 2013, C 210, S. 3, im Folgenden: Erläuterungen zur KN) zur Unterposition 2402 10 00 „Zigarren (einschließlich Stumpen) und Zigarillos, Tabak enthaltend“ heißt es:

„Zigarren (einschließlich Stumpen) und Zigarillos sind Tabakstränge, die sich zum Rauchen eignen und als solche aufgrund ihrer Eigenschaften ausschließlich zum Rauchen bestimmt sind:

a)      mit einem äußeren Deckblatt aus natürlichem Tabak, das die Ware und gegebenenfalls den Filter (aber ohne weitere, das Deckblatt teilweise umhüllende Schicht), bei Zigarren mit Mundstück jedoch nicht das Mundstück, vollständig umhüllt, …“

 Litauisches Recht

9        Art. 3 Abs. 10 des Lietuvos Respublikos akcizų įstatymas (litauisches Verbrauchsteuergesetz) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Verbrauchsteuergesetz) bestimmt:

„Folgende Erzeugnisse gelten als Zigarren oder Zigarillos:

1.      Tabakstränge, die zum Rauchen bestimmt sind und ein äußeres Deckblatt aus natürlichem Tabak haben;

2.      Tabakstränge, die zum Rauchen bestimmt und mit gerissenem Mischtabak gefüllt sind und ein äußeres Deckblatt von normaler Zigarrenfarbe aus rekonstituiertem Tabak aufweisen, das das Erzeugnis vollständig umhüllt – gegebenenfalls auch den Filter, nicht aber das Mundstück bei Zigarren mit Mundstück –, wenn ihr Stückgewicht ohne Filter und ohne Mundstück mindestens 2,3 g und höchstens 10 g und ihr Umfang auf mindestens einem Drittel ihrer Länge 34 mm oder mehr beträgt.“

10      Art. 3 Abs. 11 des Verbrauchsteuergesetzes sieht vor:

„Folgende Erzeugnisse gelten als Zigaretten:

1.      Tabakstränge, die zum Rauchen bestimmt und nicht Zigarren oder Zigarillos nach Abs. 10 dieses Artikels sind;

…“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

11      Skonis ir kvapas führte vom 1. September 2013 bis 17. April 2015 Tabakerzeugnisse nach Litauen ein, die sie im Verbrauchsteuer‑Informationssystem unter der Kategorie für Zigarillos oder Zigarren anmeldete.

12      Nach einer bei Skonis ir kvapas durchgeführten Steuerprüfung befand die staatliche Steuerinspektion auf der Grundlage von Feststellungen des Zolllabors, dass diese Waren nicht der Definition von Zigarren oder Zigarillos in Art. 3 Abs. 10 des Verbrauchsteuergesetzes entsprächen, sondern als Zigaretten im Sinne von Art. 3 Abs. 11 des Gesetzes anzusehen seien. Nach den Feststellungen des Labors waren diese Erzeugnisse, die aus Dreschtabaksträngen mit einer Länge von 87 mm und einem Durchmesser von 8 mm sowie einem Filter mit einem Deckblatt aus natürlichem Tabak bestanden, auf der Höhe des Filters zusätzlich mit einer Schicht aus Papier umhüllt.

13      Daher nahm die staatliche Steuerinspektion mit Bescheid vom 21. September 2015 bei Skonis ir kvapas eine Nacherhebung von Verbrauchsteuern zuzüglich Verspätungszuschlag vor und verhängte außerdem eine verbrauchsteuerliche Geldbuße.

14      Skonis ir kvapas legte bei der Mokestinių ginčų komisija prie Lietuvos Respublikos Vyriausybės (Kommission für Steuerstreitigkeiten bei der Regierung der Republik Litauen, im Folgenden: Kommission für Steuerstreitigkeiten) Beschwerde gegen diesen Bescheid ein. Die Kommission für Steuerstreitigkeiten gab dieser Beschwerde statt und hob den Bescheid auf.

15      Die Klage der staatlichen Steuerinspektion gegen den Bescheid der Kommission für Steuerstreitigkeiten wurde mit Urteil des Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionales Verwaltungsgericht Vilnius, Litauen) vom 2. Juni 2016 abgewiesen.

16      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts, bei dem die staatliche Steuerinspektion Rechtsmittel eingelegt hat, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2011/64 an. Es möchte insbesondere wissen, ob sich der Umstand, dass das die Tabakrollen umgebende Deckblatt aus natürlichem oder rekonstituiertem Tabak teilweise von einer zusätzlichen Papierschicht umhüllt ist, auf die Einordnung der Tabakrollen in die Kategorie der Zigarren oder Zigarillos im Sinne dieser Bestimmung auswirkt.

17      Da sie vorsehe, dass Tabakrollen in die Kategorie der Zigarren oder Zigarillos fielen, wenn sie von einem Deckblatt aus natürlichem oder rekonstituiertem Tabak umhüllt seien, könnte zum einen angenommen werden, dass sich eine zusätzliche Papierschicht auf diesem Deckblatt nicht auf die Einordnung auswirke.

18      Zum anderen könnte jedoch das Wort „äußeres“, mit dem das Deckblatt in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2011/64 beschrieben werde, die aufgrund der Sichtbarkeit für den Verbraucher grundlegende Bedeutung des Umstands hervorheben, dass dieses Deckblatt die äußere Umhüllung des Tabakerzeugnisses darstelle. Dieser Ansatz werde durch die Formulierung „Deckblatt von normaler Zigarrenfarbe“ in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie gestützt. Daher könnte der Umstand, dass das äußere Deckblatt teilweise von einer Papierschicht umhüllt sei, zur Folge haben, dass die betreffenden Erzeugnisse nicht mehr unter die Kategorie der Zigarren oder Zigarillos fielen, weil sie eines der in der Richtlinie vorgesehenen Merkmale nicht erfüllten.

19      Außerdem unterscheide die Richtlinie 2011/64 nach ihrem vierten Erwägungsgrund zwischen mehreren Tabakwarensorten anhand der verschiedenen Verwendungszwecke, zu denen sie bestimmt seien. Überdies gehe aus dem achten Erwägungsgrund der Richtlinie hervor, dass eine Zigarre, die in vielerlei Hinsicht einer Zigarette ähnele, verbrauchsteuerrechtlich als Zigarette behandelt werde. Da bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnissen das Deckblatt aus natürlichem Tabak auf der Höhe des Filters von einer Papierschicht umhüllt werde, wiesen diese optisch eine Ähnlichkeit mit herkömmlichen Filterzigaretten auf.

20      Überdies sei in den Erläuterungen zur KN ausdrücklich vorgesehen, dass die als Zigarren anerkannten Waren ein äußeres Deckblatt aus natürlichem Tabak haben müssten, das die Ware und gegebenenfalls den Filter – aber ohne weitere, das Deckblatt teilweise umhüllende Schicht – vollständig umhülle.

21      Unter diesen Umständen hat der Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht von Litauen) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2011/64 dahin auszulegen, dass die Begriffe „Zigarren oder Zigarillos“ Tabakrollen mit einem Deckblatt aus natürlichem oder rekonstituiertem Tabak umfassen, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Teil dieses Deckblatts zusätzlich von einer weiteren Schicht (aus Papier) umhüllt ist? Ist für die Beantwortung dieser Frage relevant, dass die Verwendung von Papier als zusätzliche Schicht beim äußeren Deckblatt eines Tabakerzeugnisses (dort, wo sich der Filter befindet) bedeutet, dass es optisch einer Zigarette ähnelt?

 Zur Vorlagefrage

22      Vorab ist daran zu erinnern, dass es Sache des Gerichtshofs ist, aus dem gesamten vom vorlegenden Gericht zur Verfügung gestellten Material, insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Ausgangsrechtsstreits einer Auslegung bedürfen (Urteil vom 19. Dezember 2018, AREX CZ, C‑414/17, EU:C:2018:1027, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2011/64 in ihrem Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und b zwischen Tabakrollen mit einem äußeren Deckblatt aus natürlichem Tabak und Tabakrollen mit einem äußeren Deckblatt aus rekonstituiertem Tabak unterscheidet. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts sind die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse vollständig, auch auf der Höhe des Filters, von einem Deckblatt aus natürlichem Tabak umhüllt.

24      Daher ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner Frage wissen möchte, ob Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass Tabakerzeugnisse wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, bei denen ein Teil des äußeren Deckblatts aus natürlichem Tabak auf der Höhe des Filters zusätzlich von einer weiteren Schicht aus Papier umhüllt ist, die zu einer optischen Ähnlichkeit dieser Erzeugnisse mit Zigaretten führen kann, unter die Kategorie der Zigarren oder Zigarillos im Sinne dieser Vorschrift fallen.

25      Um eine einheitliche Anwendung der Richtlinie 2011/64 zu gewährleisten, sind deren Begriffe, gestützt auf den Wortlaut der fraglichen Bestimmungen sowie die Systematik der Richtlinie und die mit ihr verfolgten Ziele, autonom auszulegen (vgl. entsprechend Urteil vom 30. März 2006, Smits-Koolhoven, C‑495/04, EU:C:2006:218‚ Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Erstens heißt es in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/64 lediglich, dass Zigarren und Zigarillos, falls sie sich als solche zum Rauchen eignen und aufgrund ihrer Eigenschaften und der normalen Verbrauchererwartungen ausschließlich dafür bestimmt sind, Tabakrollen umfassen, die ein äußeres Deckblatt aus natürlichem Tabak haben. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich somit, dass Tabakrollen mit einem solchen äußeren Deckblatt aus natürlichem Tabak grundsätzlich unter die Kategorie der Zigarren oder Zigarillos im Sinne dieser Vorschrift fallen.

27      Zweitens ist zur Systematik dieser Richtlinie festzustellen, dass nach ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Begriff „Zigaretten“ Tabakstränge umfasst, die sich unmittelbar zum Rauchen eignen und nicht Zigarren oder Zigarillos nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie sind. Letzterer erstreckt sich jedoch, wie in Rn. 23 des vorliegenden Urteils ausgeführt, sowohl auf Tabakstränge mit einem äußeren Deckblatt aus natürlichem Tabak als auch auf solche mit einem äußeren Deckblatt aus rekonstituiertem Tabak.

28      Daraus folgt zunächst, dass das Material, aus dem das äußere Deckblatt besteht, das entscheidende Kriterium darstellt, anhand dessen in der Richtlinie 2011/64 zwischen der Kategorie der Zigarren oder Zigarillos und der Kategorie der Zigaretten unterschieden wird.

29      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie für die Einordnung in die Kategorie der Zigarren oder Zigarillos nur ein äußeres Deckblatt aus natürlichem Tabak erwähnt wird, während Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie nicht nur auf ein äußeres Deckblatt aus rekonstituiertem Tabak abstellt, sondern zusätzliche Merkmale vorsieht, die u. a. das Gewicht und den Umfang der Tabakrollen sowie die Farbe des Deckblatts betreffen.

30      Wie die litauische Regierung und die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen sowie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt haben, erklärt die größere optische Ähnlichkeit von Tabakwaren, die von einem Deckblatt aus rekonstituiertem Tabak umhüllt sind, mit Zigaretten, weshalb in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/64 zusätzliche Merkmale vorgesehen sind, die gewährleisten sollen, dass sich die Erzeugnisse, die für die Zwecke ihrer Besteuerung unter diese Bestimmung fallen, hinreichend von Zigaretten unterscheiden.

31      Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie ist folglich im Licht ihrer Systematik so zu verstehen, dass die betreffenden Erzeugnisse aufgrund der Umhüllung mit einem äußeren Deckblatt aus natürlichem Tabak grundsätzlich unter die Kategorie der Zigarren oder Zigarillos fallen.

32      Zu prüfen ist jedoch, ob eine zusätzliche Schicht aus Papier auf der Höhe des Filters eine solche Einordnung für die Zwecke der Richtlinie in Frage zu stellen vermag.

33      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Definition der Kategorie der Zigarren oder Zigarillos in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2011/64 auch vorsieht, dass die betreffenden Erzeugnisse unter diese Kategorie fallen können, wenn sie sich als solche zum Rauchen eignen und aufgrund ihrer Eigenschaften und der normalen Verbrauchererwartungen ausschließlich dafür bestimmt sind.

34      Erzeugnisse wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden könnten somit nicht unter die Kategorie der Zigarren oder Zigarillos im Sinne der Richtlinie fallen, wenn sie zwar aus Tabakrollen mit einem äußeren Deckblatt aus natürlichem Tabak bestehen, aufgrund ihrer Eigenschaften und der normalen Verbrauchererwartungen aber nicht als solche zum Rauchen bestimmt sind.

35      Insoweit geht aus den beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen und den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung hervor, dass für die Verbraucher ein äußeres Deckblatt aus natürlichem Tabak den damit umhüllten Tabakrollen ein Erscheinungsbild, eine Brenngeschwindigkeit und einen Geschmack während des Rauchens verleiht, die sie von Zigaretten unterscheiden.

36      Umhüllt die zusätzliche Papierschicht – wie bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnissen – nur den Filter und erstreckt sich nicht auf den Teil der Erzeugnisse, der konsumiert wird, so ist nicht davon auszugehen, dass durch diese zusätzliche Schicht in Frage gestellt wird, dass derartige Erzeugnisse als solche zum Rauchen bestimmt sind.

37      Eine solche zusätzliche Schicht aus Papier rechtfertigt es also nicht, die Einordnung von Erzeugnissen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden in die Kategorie der Zigarren oder Zigarillos in Frage zu stellen, da sie die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/64 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen.

38      Drittens wird eine solche Auslegung durch die mit der Richtlinie 2011/64 verfolgten Ziele bestätigt. Sie soll nach ihrem Art. 1 allgemeine Grundsätze für die Harmonisierung der Struktur und der Sätze der Verbrauchsteuern bestimmen, denen die Tabakwaren in den Mitgliedstaaten unterliegen. Insoweit wird im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie ausgeführt, dass die verschiedenen Tabakwarensorten, die sich voneinander durch ihre Merkmale und durch ihren Verwendungszweck unterscheiden, definiert werden sollten.

39      Außerdem wird im achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/64 im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass im Interesse einer einheitlichen und gerechten Besteuerung die Definition von Zigaretten, Zigarren, Zigarillos und anderem Rauchtabak jeweils dahin gehend anzupassen ist, dass Erzeugnisse, die in vielerlei Hinsicht den unter die Richtlinie fallenden Waren ähneln, wie diese zu behandeln sind.

40      Zur Erreichung dieser Ziele werden zum einen in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie die Tabakwaren, die Gegenstand der mit ihr bezweckten Harmonisierung sind, in drei Kategorien eingeteilt, und zwar erstens Zigaretten, zweitens Zigarren und Zigarillos sowie drittens Rauchtabak. Zum anderen definiert die Richtlinie in ihren Art. 3 bis 5 die in jede dieser Kategorien fallenden Waren anhand ihrer jeweiligen Eigenschaften.

41      Im vorliegenden Fall geht aus den Angaben des vorlegenden Gerichts hervor, dass die zusätzliche Schicht aus Papier, mit der Waren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden umhüllt sind, zur Folge haben könnte, dass sie optisch Zigaretten ähneln. Die litauische, die deutsche und die italienische Regierung schließen daraus, dass zur Erreichung des im achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/64 genannten Ziels solche Erzeugnisse als Zigaretten im Sinne der Richtlinie anzusehen seien. Einer solchen Auslegung kann nicht gefolgt werden.

42      Zunächst lassen sich zwar dem achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/64, in dem es heißt, dass eine bestimmte Art von Zigarren, die in vielerlei Hinsicht einer Zigarette ähnelt, verbrauchsteuerrechtlich als Zigarette zu behandeln ist, Aufschlüsse zu den in Art. 3 Abs. 1 und in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie vorgesehenen Kriterien zur Unterscheidung der Zigaretten von Zigarren oder Zigarillos entnehmen. Dieser Erwägungsgrund kann es jedoch nicht rechtfertigen, sich über die Definitionen hinwegzusetzen, die der Unionsgesetzgeber für die Einordnung von Erzeugnissen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden vorgesehen hat.

43      Sodann erfordern gemäß den Erwägungsgründen 4 und 8 der Richtlinie die mit ihr verfolgten Ziele, dass die verschiedenen Kategorien von Tabakwaren anhand von Kriterien definiert werden, die auf ihre Merkmale und die Nutzung, für die sie bestimmt sind, abstellen, wie sie für Zigarren oder Zigarillos in den Rn. 26 und 28 des vorliegenden Urteils angeführt werden.

44      Würde auf der Grundlage des achten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2011/64 einer Beurteilung, die ausschließlich auf die optische Ähnlichkeit von Waren wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden mit Zigaretten abstellt, der Vorzug vor den ausdrücklich in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie angeführten Kriterien gegeben, wäre dies daher zwangsläufig der Erreichung der mit der Richtlinie verfolgten Ziele abträglich.

45      Außerdem kann die Einordnung von Erzeugnissen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden in die Kategorie der Zigarren oder Zigarillos für die Zwecke der Richtlinie 2011/64 nicht durch die Erläuterungen zur KN in Frage gestellt werden, die ausdrücklich vorsehen, dass es sich bei Zigarren und Zigarillos um Tabakstränge mit einem äußeren Deckblatt aus natürlichem Tabak handelt, das die Ware (aber ohne weitere, das Deckblatt teilweise umhüllende Schicht) vollständig umhüllt.

46      Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, können diese Erläuterungen zur KN nämlich keinen Einfluss auf die Definition von Zigarren oder Zigarillos im Sinne der Richtlinie 2011/64 haben, da diese – anders als andere für verbrauchsteuerpflichtige Waren geltende Richtlinien wie die Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. 2003, L 283, S. 51) – nicht auf die Codes der KN verweist, um die in ihren Anwendungsbereich fallenden Tabakwaren zu definieren.

47      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/64 dahin auszulegen ist, dass Tabakerzeugnisse wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, bei denen ein Teil des äußeren Deckblatts aus natürlichem Tabak auf der Höhe des Filters zusätzlich von einer weiteren Schicht aus Papier umhüllt ist, die zu einer optischen Ähnlichkeit dieser Erzeugnisse mit Zigaretten führen kann, unter die Kategorie der Zigarren oder Zigarillos im Sinne dieser Vorschrift fallen.

 Kosten

48      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren ist dahin auszulegen, dass Tabakerzeugnisse wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, bei denen ein Teil des äußeren Deckblatts aus natürlichem Tabak auf der Höhe des Filters zusätzlich von einer weiteren Schicht aus Papier umhüllt ist, die zu einer optischen Ähnlichkeit dieser Erzeugnisse mit Zigaretten führen kann, unter die Kategorie der Zigarren oder Zigarillos im Sinne dieser Vorschrift fallen.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Litauisch.