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URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

20. Juni 2018(*)

„Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Beschluss, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird – Verhältnismäßigkeit – Fehlen von Willkür – Begründungspflicht – Hinreichend ernsthafte Indizien – Rechtssicherheit – Vertrauensschutz – Recht auf Achtung des Privatlebens – Verteidigungsrechte“

In der Rechtssache T‑325/16,

České dráhy, a.s. mit Sitz in Prag (Tschechische Republik), vertreten durch die Rechtsanwälte K. Muzikář, J. Kindl und V. Kuča,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch P. Rossi, A. Biolan, G. Meessen, P. Němečková und M. Šimerdová als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen einer Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2016) 2417 final der Kommission vom 18. April 2016 in einem Verfahren nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, der sich an České dráhy sowie an alle von dieser direkt oder indirekt kontrollierten Gesellschaften richtet und mit dem ihnen die Duldung einer Nachprüfung aufgegeben wird (Sache AT.40156 – Falcon),

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. M. Collins sowie der Richter R. Barents und J. Passer (Berichterstatter),

Kanzler: L. Grzegorczyk, Verwaltungsrat,

auf das schriftliche Verfahren und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2017

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die České dráhy, a.s., ist eine Aktiengesellschaft. Sie ist der nationale tschechische Frachtführer im Schienenverkehr und steht im Eigentum des tschechischen Staates. Sie hat vor allem auf den Märkten für die Bereitstellung von Personenbeförderungsdiensten und für die Bereitstellung von Leistungen der Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur in der Tschechischen Republik eine beherrschende Stellung.

 Verfahren vor der tschechischen Wettbewerbsbehörde

2        In den Jahren 2011 und 2012 begannen zwei andere Frachtführer, die RegioJet a.s. und die LEO Express a.s., Beförderungsdienste für den Schienenpersonenverkehr auf der Strecke zwischen Prag (Tschechische Republik) und Ostrava, einer Stadt im Nordosten der Tschechischen Republik, anzubieten.

3        Seit 2011 ist das Verhalten der Klägerin, die unter dem Verdacht steht, ihre beherrschende Stellung zu missbrauchen, indem sie auf der Strecke Prag–Ostrava Beförderungsleistungen für den Schienenpersonenverkehr zu Verdrängungspreisen mit Verlust anbietet, Gegenstand einer Untersuchung durch die tschechische Wettbewerbsbehörde, das Úřad pro ochranu hospodářské soutěže (Amt für den Schutz des Wettbewerbs, Tschechische Republik).

4        Am 24. Januar 2012 eröffnete die tschechische Wettbewerbsbehörde nach einer Voruntersuchung gegen die Klägerin ein Verwaltungsverfahren nach Art. 11 Abs. 1 des Zákon č. 143/2001 Sb., o ochraně hospodářské soutěže (Gesetz Nr. 143/2001 über den Schutz des Wettbewerbs).

5        Am 25. Januar 2012 führte die tschechische Wettbewerbsbehörde in den Geschäftsräumen der Klägerin eine Nachprüfung durch.

6        Die von der tschechischen Wettbewerbsbehörde durchgeführte Untersuchung war noch im Gange, als der Beschluss erlassen wurde, der Gegenstand der vorliegenden Klage ist.

 Verfahren vor den tschechischen Gerichten

7        Zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt erhoben die beiden Mitbewerberinnen der Klägerin, RegioJet und LEO Express, bei den tschechischen Gerichten Klagen gegen Letztere, um den Ersatz des Schadens zu verlangen, der ihnen aufgrund des angeblich wettbewerbswidrigen Verhaltens der Klägerin auf der Strecke Prag‑Ostrava entstanden sein soll.

8        Mit Urteil vom 10. Dezember 2015 wies das Městský soud v Praze (Stadtgericht Prag, Tschechische Republik) die Klage von Leo Express ab. Diese legte gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim Vrchní soud v Praze (Obergericht Prag, Tschechische Republik) ein. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses, der Gegenstand der vorliegenden Klage ist, war dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen.

9        Zu diesem Zeitpunkt hatte auch das Městský soud v Praze (Stadtgericht Prag) noch nicht über die Klage der RegioJet entschieden.

 Untersuchung der Kommission

10      Am 18. April 2016 erließ die Europäische Kommission den Beschluss C(2016) 2417 final in einem Verfahren nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, der sich an die Klägerin sowie an alle von dieser direkt oder indirekt kontrollierten Gesellschaften richtet und mit dem ihnen die Duldung einer Nachprüfung aufgegeben wird (Sache AT.40156 – Falcon) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

11      In den Erwägungsgründen 2 bis 9 des angefochtenen Beschlusses heißt es:

„(2)      Die Europäische Kommission (im Folgenden: Kommission) hat Informationen erhalten, aus denen hervorgeht, dass [die Klägerin] unter anderem auf den Märkten für die Bereitstellung von Personenbeförderungsdiensten und für die Bereitstellung von Leistungen der Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur in der Tschechischen Republik marktbeherrschend in Sinne von Art. 102 AEUV ist.

(3)      Die Kommission verfügt über Informationen, die darauf schließen lassen, dass [die Klägerin] für bestimmte Eisenbahnstrecken, insbesondere (aber nicht nur) für die Strecke Prag-Ostrava, Preise unter den Gestehungskosten anbieten kann (predatory pricing [Verdrängungspreise]). Dieses Verhalten könnte Teil einer Strategie der [Klägerin] sein, die im Widerspruch zu den Wettbewerbsregeln steht, um ihre Stellung auf dem Markt für die Bereitstellung von Personenbeförderungsdiensten zu schützen und die Entwicklung des Wettbewerbs auf dem Markt zu beschränken.

(4)      Die Kommission hat Informationen erhalten, die darauf schließen lassen, dass diese angebliche Zuwiderhandlung zumindest seit 2011 begangen worden sein musste, als eine private Mitbewerberin begann, Dienstleistungen auf der Strecke Prag-Ostrava anzubieten, oder sogar früher, und dass dieses Verhalten noch andauern muss.

(5)      Das oben genannte Verhalten würde eine oder mehrere Zuwiderhandlungen gegen Art. 102 AEUV darstellen, wenn es nachgewiesen wird.

(6)      Diese behaupteten Zuwiderhandlungen würden unter strenger Geheimhaltung begangen. Die vorhandenen Unterlagen über die behaupteten Zuwiderhandlungen seien auf ein Minimum begrenzt und würden an Orten und in einer Form aufbewahrt, die ihre Verheimlichung, ihre Aufbewahrung oder ihre Vernichtung im Fall eines Auskunftsverlangens oder angekündigter Kontrollen erleichtere.

(7)      Damit die Kommission alle relevanten Umstände in Bezug auf mögliche Zuwiderhandlungen und den Zusammenhang, in dem sie stattfinden, feststellen kann, ist eine Nachprüfung in den Geschäftsräumen der [Klägerin] in Anwendung von Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 vorzunehmen. Um die Wirksamkeit dieser Nachprüfung zu gewährleisten, ist es notwendig, dass sie bei dem der Zuwiderhandlung verdächtigten Unternehmen ohne Vorwarnung durchgeführt wird.

(8)      Deshalb ist ein Beschluss nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 zu fällen, mit dem die [Klägerin] aufgefordert wird, eine Nachprüfung zu dulden, und ist dieser Beschluss unmittelbar vor der Nachprüfung bekannt zu geben.

(9)      Die Kommission ist sich der Tatsache bewusst, dass die zuständige Wettbewerbsbehörde des Mitgliedstaats, das Úřad pro ochranu hospodářské soutěže (im Folgenden: ÚOHS), ein Verwaltungsverfahren über dieselbe Zuwiderhandlung eröffnet hat und im Jahr 2012 eine Nachprüfung in den Geschäftsräumen [der Klägerin] vorgenommen hat. Die Kommission hat die entsprechenden Unterlagen des ÚOHS geprüft.“

12      Art. 1 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses sieht vor:

„Mit dem vorliegenden Beschluss werden [die Klägerin] sowie alle von ihr direkt oder indirekt kontrollierten Gesellschaften aufgefordert, eine Nachprüfung betreffend ihre mögliche Beteiligung an einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV auf dem Gebiet der Bereitstellung von Diensten für den Schienenpersonenverkehr in der Tschechischen Republik zu dulden. Die Zuwiderhandlung umfasst insbesondere die Praxis von Preisen unter den Gestehungskosten, die geeignet sind, den Zugang von Dritten zum Markt oder ihre Entwicklung auf dem Markt der Beförderungsdienste für den Schienenpersonenverkehr zu beschränken sowie alle Strategien mit gleicher Wirkung.“

13      Nach Art. 2 des angefochtenen Beschlusses „[sollte d]ie Nachprüfung … am 26. April 2016 oder kurz danach beginnen“.

14      Art. 3 des angefochtenen Beschlusses bestimmt, dass „[d]er vorliegende Beschluss … an die Klägerin sowie alle von ihr direkt oder indirekt kontrollierten Gesellschaften gerichtet [ist und dass] der Beschluss [der Klägerin] gemäß Art. 297 Abs. 2 AEUV unmittelbar vor der Nachprüfung bekannt gegeben [wird]“.

15      Die Nachprüfung fand vom 26. bis 29. April 2016 statt.

 Verfahren und Anträge der Beteiligten

16      Mit Klageschrift, die am 24. Juni 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

17      Gemäß Art. 89 seiner Verfahrensordnung hat das Gericht die Kommission aufgefordert, bestimmte Unterlagen vorzulegen. Die Kommission ist dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

18      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

19      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

20      Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin folgende sechs Klagegründe geltend:

–        willkürlicher und unverhältnismäßiger Charakter des angefochtenen Beschlusses und der fraglichen Nachprüfung (erster Klagegrund);

–        Verstoß gegen die Begründungspflicht (zweiter Klagegrund);

–        Fehlen hinreichend ernsthafter Anhaltspunkte, die den Erlass des angefochtenen Beschlusses und die Durchführung einer Nachprüfung rechtfertigen könnten (dritter Klagegrund);

–        fehlende Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten und fehlende beherrschende Stellung der Klägerin auf dem Binnenmarkt oder einem erheblichen Teil desselben (vierter Klagegrund);

–        Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (fünfter Klagegrund);

–        Verstoß gegen die durch die Art. 7 und 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und durch die Art. 6 und 8 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) gewährleisteten Rechte (sechster Klagegrund).

21      Vorab ist festzustellen, dass der mit der vorliegenden Klage angefochtene Rechtsakt zwar der Beschluss ist, mit dem die fragliche Nachprüfung angeordnet wird, und dass alle von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe nur auf die Aufhebung dieses Beschlusses abzielen, dass jedoch bestimmte im Rahmen des schriftlichen Verfahrens von der Klägerin vorgetragene Anmerkungen und Argumente auf den Ablauf der Nachprüfung Bezug nehmen, die die Kommission in Durchführung dieses Beschlusses vorgenommen hat. Darauf deutet im Übrigen auch die Art hin, wie die Klägerin den ersten und dritten Klagegrund betitelt hat.

22      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Art und Weise der Durchführung eines Beschlusses, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird, keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des die Nachprüfung anordnenden Beschlusses hat (vgl. Urteil vom 6. September 2013, Deutsche Bahn u. a./Kommission, T‑289/11, T‑290/11 und T‑521/11, EU:T:2013:404, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung) und dass sich daher ein Unternehmen zur Stützung seiner Nichtigkeitsanträge gegen die Entscheidung, auf deren Grundlage die Kommission diese Nachprüfung vorgenommen hat, nicht auf die angebliche Rechtswidrigkeit des Ablaufs des Nachprüfungsverfahrens berufen kann (vgl. Urteil vom 17. September 2007, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission, T‑125/03 und T‑253/03, EU:T:2007:287, Rn. 55 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, sie habe nicht versucht, sich zur Stützung ihrer Anträge auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung auf die mutmaßliche Rechtswidrigkeit des Ablaufs des Nachprüfungsverfahrens zu berufen. Die Anmerkungen und Argumente betreffend den Ablauf der fraglichen Nachprüfung seien ausschließlich als „Auslegungshilfe“ für das dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegende Ziel gedacht.

24      Bei der Prüfung der Gründe für die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses sind diese Anmerkungen und Argumente daher unter diesem Gesichtspunkt zu würdigen.

25      Darüber hinaus ist diese Prüfung mit der Untersuchung des zweiten und des dritten Klagegrundes zu beginnen, da sich diese Analyse auf die Analyse der übrigen Klagegründe auswirken kann.

 Zum zweiten und zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht und Fehlen hinreichend ernsthafter Indizien für den Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln

26      Mit dem dritten Klagegrund wirft die Klägerin der Kommission zunächst vor, im angefochtenen Beschluss keine Beweise für den Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln angeführt zu haben.

27      Jedenfalls ist die Klägerin überzeugt, dass die Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses keine (auch nur mittelbaren) ernsthaften Beweise für den Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln haben konnte. Vielmehr sprächen die im Rahmen des Verfahrens vor der tschechischen Wettbewerbsbehörde gesammelten Beweise, darunter das Gutachten von Herrn Krabec vom 16. Dezember 2013 und jenes der Univerzita Pardubice (Universität Pardubice, Tschechische Republik) vom 25. August 2015 dafür, dass sich die Klägerin nicht wettbewerbswidrig verhalten habe. Zudem zeigten die gleichen Beweise, dass die Preise der Klägerin im Durchschnitt höher als jene ihrer Mitbewerberinnen geblieben seien und dass ihre Einnahmen auf der Strecke Prag–Ostrava stets höher als die variablen Kosten gewesen seien. Das Fehlen hinreichend ernsthafter Indizien werde durch die Entwicklung auf der Strecke Prag–Ostrava untermauert, die durch ein hohes Maß an Wettbewerb gekennzeichnet sei. Es sei daher sehr wahrscheinlich, dass der angefochtene Beschluss nur auf einer Beschwerde beruhe, die von einem konkurrierenden Transportunternehmen eingereicht worden sei, und nicht auf einer angemessenen Überprüfung der tatsächlichen Gegebenheiten.

28      Insoweit ersucht die Klägerin das Gericht um eine inhaltliche Überprüfung der Indizien, über die die Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses verfügte, und um eine Beurteilung, inwiefern sie die Akten der tschechischen Wettbewerbsbehörde geprüft hat.

29      Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Klägerin geltend, der angefochtene Beschluss sei unzureichend begründet und fasse den Gegenstand und den Zweck der Nachprüfung zu weit, indem er praktisch auf jedes Verhalten der Klägerin auf dem Gebiet des Schienenpersonenverkehrs in der Tschechischen Republik abziele.

30      Der Zweck der Nachprüfung sei aus räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Sicht zu weit gefasst. Aus räumlicher Sicht ziele der dritte Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf eine mögliche Zuwiderhandlung insbesondere auf der Strecke Prag–Ostrava ab, beschränke sich aber nicht darauf. Was die zeitliche Abgrenzung angehe, so beziehe sich die verwendete Formulierung zwar auf den Beginn des untersuchten Verhaltens im Jahr 2011, schließe jedoch eine Prüfung früherer Zeiträume und des gesamten nachfolgenden Zeitraums durch die Kommission nicht aus. In materieller Hinsicht sehe der angefochtene Beschluss vor, dass es bei der vermuteten Zuwiderhandlung „unter anderem“ um die Praxis von Preisen unter den Gestehungskosten gehe, womit auch alle anderen Formen von Zuwiderhandlungen gegen Art. 102 AEUV umfasst seien. Darüber hinaus grenze die Kommission den fraglichen Markt nicht ab.

31      Zudem würden im angefochtenen Beschluss die Tatsachen und Vermutungen nicht konkret beschrieben, die die Kommission zu prüfen beabsichtigt habe, und würden dort auch keine Indizien angeführt, die ihren Verdacht gerechtfertigt hätten (zu dieser letztgenannten Rüge vgl. oben, Rn. 26).

32      So habe es der angefochtene Beschluss der Kommission ermöglicht, „Daten auszuforschen“, und sich nicht nur für die Unterlagen betreffend den Einstieg von konkurrierenden Transportunternehmen auf der Strecke Prag–Ostrava zu interessieren, sondern auch für andere Unterlagen. Auf diese Unterlagen, die bei der betreffenden Nachprüfung (Falcon) sichergestellt worden seien, die jedoch keinen Bezug zur Strecke Prag–Ostrava hätten, habe sich die Kommission gestützt, als sie eine zweite Nachprüfung (Twins) angeordnet habe, die Gegenstand der unter dem Aktenzeichen T‑621/16, České dráhy/Kommission, eingetragenen Rechtssache sei.

33      Die Kommission beantragt die Zurückweisung dieser beiden Klagegründe.

34      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis eines Schutzes vor willkürlichen oder unverhältnismäßigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung einer natürlichen oder juristischen Person einen allgemeinen Grundsatz des Rechts der Europäischen Union darstellt (vgl. Urteil vom 25. November 2014, Orange/Kommission, T‑402/13, EU:T:2014:991, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Zur Wahrung dieses allgemeinen Grundsatzes muss daher eine Nachprüfungsmaßnahme auf die Erlangung von Unterlagen gerichtet sein, die erforderlich sind, um die Richtigkeit und die Tragweite einer bestimmten Sach- und Rechtslage zu prüfen, in Bezug auf die die Kommission bereits über Erkenntnisse verfügt, die hinreichend ernsthafte Indizien beinhalten, die für den Verdacht eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln ausreichen (vgl. Urteil vom 25. November 2014, Orange/Kommission, T‑402/13, EU:T:2014:991, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Mit anderen Worten ist der Besitz hinreichend ernsthafter Indizien, die für den Verdacht eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln ausreichen, eine conditio sine qua non, damit die Kommission eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) anordnen kann.

37      Ebenso darf der Wortlaut eines Beschlusses, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird, stets unter Wahrung dieses allgemeinen Grundsatzes, nicht über den Umfang der Zuwiderhandlung, die aufgrund solcher Indizien vermutet werden kann, hinausgehen.

38      Zwar braucht die Kommission grundsätzlich dem Adressaten eines solchen Beschlusses weder alle Informationen zu geben, über die sie im Zusammenhang mit vermuteten Zuwiderhandlungen verfügt, noch den relevanten Markt genau abzugrenzen, eine exakte rechtliche Qualifizierung der Zuwiderhandlungen vorzunehmen oder den Zeitraum ihrer mutmaßlichen Begehung anzugeben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2013, Deutsche Bahn u. a./Kommission, T‑289/11, T‑290/11 und T‑521/11, EU:T:2013:404, Rn. 170 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Dagegen muss sie möglichst genau angeben, welche Verdachtsmomente sie erhärten will, d. h., wonach gesucht wird und auf welche Punkte sich die Nachprüfung beziehen soll. Zu diesem Zweck muss die Kommission in einem Nachprüfungsbeschluss außerdem die wesentlichen Merkmale der behaupteten Zuwiderhandlung beschreiben, indem sie den ihrer Ansicht nach relevanten Markt und die Natur der behaupteten Wettbewerbsbeschränkungen bezeichnet, indem sie erläutert, wie das von der Nachprüfung betroffene Unternehmen in die Zuwiderhandlung verwickelt sein soll, und indem sie angibt, welche Befugnisse die Prüfer der Union haben (vgl. Urteil vom 6. September 2013, Deutsche Bahn u. a./Kommission, T‑289/11, T‑290/11 und T‑521/11, EU:T:2013:404, Rn. 170 und 171 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Eine äußerst knappe, vage und allgemein gehaltene sowie in mancher Hinsicht mehrdeutige Begründung kann im Übrigen nicht den Begründungserfordernissen genügen, unter denen nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 ein Auskunftsverlangen gerechtfertigt ist, das mehr als zwei Jahre nach den ersten Nachprüfungen ergangen ist, nachdem die Kommission bereits mehrere Auskunftsverlangen an die der Teilnahme an einer Zuwiderhandlung verdächtigten Unternehmen gerichtet hatte und mehrere Monate nach dem Beschluss über die Einleitung des Verfahrens, und der betreffende Beschluss wurde daher erlassen, als die Kommission bereits über Informationen verfügte, die es ihr ermöglicht hätten, die Verdachtsmomente für eine Zuwiderhandlung der betreffenden Unternehmen mit größerer Bestimmtheit zu formulieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. März 2016, HeidelbergCement/Kommission, C‑247/14 P, EU:C:2016:149, Rn. 39).

41      Soweit die Begründung eines Nachprüfungsbeschlusses die den Kommissionsbediensteten verliehenen Befugnisse eingrenzt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2015, Deutsche Bahn u. a./Kommission, C‑583/13 P, EU:C:2015:404, Rn. 60), steht der oben in Rn. 34 genannte allgemeine Grundsatz jedenfalls Formulierungen in einem Nachprüfungsbeschluss entgegen, die diese Befugnisse über das hinaus erweitern, was sich aus den hinreichend ernsthaften Indizien ergibt, über die die Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses eines solchen Beschlusses verfügt.

42      In Anwendung dieses allgemeinen Grundsatzes hat das Gericht den fraglichen Beschluss in der Rechtssache, in der das Urteil vom 14. November 2012, Nexans France und Nexans/Kommission (T‑135/09, EU:T:2012:596), ergangen ist, für nichtig erklärt, soweit er andere Stromkabel als Hochspannungssee‑ und ‑erdkabel und das zu diesen anderen Kabeln gehörende Material betraf, nachdem es festgestellt hatte, dass die Kommission zwar zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Beschlusses über hinreichend ernsthafte Indizien verfügte, um eine Nachprüfung über die Hochspannungssee‑ und ‑erdkabel und das dazugehörige Material anzuordnen, dass sie jedoch nicht über hinreichend ernsthafte Indizien verfügte, um eine Nachprüfung über die Gesamtheit der Stromkabel und das dazugehörige Material anzuordnen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 2012, Nexans France und Nexans/Kommission, T‑135/09, EU:T:2012:596, Rn. 91 bis 94).

43      Im vorliegenden Fall ist daher zum einen zu prüfen, ob die Kommission über hinreichend ernsthafte Indizien verfügte, die den Verdacht eines Verstoßes der Klägerin gegen die Wettbewerbsregeln zuließen, und zum anderen, ob sich die im angefochtenen Beschluss eingegrenzte Nachprüfung auf die Zuwiderhandlung beschränkte, die die Kommission aufgrund solcher Indizien vermuten durfte.

44      Insoweit wirft die Klägerin der Kommission vor allem vor, im angefochtenen Beschluss keinen konkreten Beweis angeführt zu haben, auf den sich der Verdacht des ihr vorgeworfenen wettbewerbswidrigen Verhaltens gründen konnte.

45      Doch auch wenn die Kommission, um darzutun, dass die Nachprüfung gerechtfertigt ist, in dem Beschluss, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird, substantiiert darlegen muss, dass sie über ernsthafte Informationen und Hinweise verfügt, aufgrund deren sie das von der Nachprüfung betroffene Unternehmen der vermuteten Zuwiderhandlung verdächtigt (vgl. Urteil vom 6. September 2013, Deutsche Bahn u. a./Kommission, T‑289/11, T‑290/11 und T‑521/11, EU:T:2013:404, Rn. 172 sowie die dort angeführte Rechtsprechung), kann von ihr nicht verlangt werden, im Stadium des Abschnitts der Voruntersuchung außer den mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, denen sie nachzugehen beabsichtigt, auch die Indizien anzugeben, d. h. die Gesichtspunkte, aufgrund deren sie die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 102 AEUV in Betracht zieht. Eine solche Verpflichtung würde nämlich das durch die Rechtsprechung geschaffene Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Wirksamkeit der Untersuchung und dem Schutz der Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens in Frage stellen (Urteil vom 25. November 2014, Orange/Kommission, T‑402/13, EU:T:2014:991, Rn. 81).

46      Zum einen beginnt der Abschnitt der Voruntersuchung, wenn die Kommission in Ausübung der ihr durch die Art. 18 und 20 der Verordnung Nr. 1/2003 verliehenen Befugnisse Maßnahmen trifft, die mit dem Vorwurf verbunden sind, eine Zuwiderhandlung begangen zu haben, und erhebliche Auswirkungen auf die Situation der unter Verdacht stehenden Unternehmen haben. Zum anderen wird das betroffene Unternehmen erst zu Beginn des kontradiktorischen Abschnitts des Verwaltungsverfahrens durch die Mitteilung der Beschwerdepunkte über alle wesentlichen Gesichtspunkte informiert, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, und dass es zur Sicherstellung der wirksamen Ausübung seiner Verteidigungsrechte über ein Recht auf Zugang zu den Akten verfügt. Folglich kann das betroffene Unternehmen seine Verteidigungsrechte erst nach Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte umfassend geltend machen. Durch die Erstreckung dieser Rechte auf den Zeitraum vor Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte würde nämlich die Effizienz der von der Kommission geführten Untersuchung beeinträchtigt, da das betroffene Unternehmen schon im Abschnitt der Voruntersuchung erfahren würde, welche Informationen der Kommission bekannt sind und welche mithin noch vor ihr verborgen werden können (Urteil vom 25. November 2014, Orange/Kommission, T‑402/13, EU:T:2014:991, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Daher kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, im angefochtenen Beschluss schlicht festgestellt zu haben, dass sie über Informationen verfüge, die darauf schließen ließen, „dass [die Klägerin] … für bestimmte Eisenbahnstrecken, insbesondere (aber nicht nur) für die Strecke Prag–Ostrava, Preise unter den Gestehungskosten anbieten kann (predatory pricing [Verdrängungspreise]),“ und „dass diese angebliche Zuwiderhandlung zumindest seit 2011 begangen worden sein musste, als eine private Mitbewerberin begann, Dienstleistungen auf der Strecke Prag–Ostrava anzubieten, oder sogar früher, und dass dieses Verhalten noch andauern muss“.

48      Wenn der Unionsrichter, wie im vorliegenden Fall, eine Kontrolle des Nachprüfungsbeschlusses vornimmt, um zu prüfen, ob dieser nicht willkürlich erlassen worden ist, muss er sich vergewissern, dass ernsthafte Indizien vorliegen, die für den Verdacht eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln durch das betroffene Unternehmen ausreichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 2012, Nexans France und Nexans/Kommission, T‑135/09, EU:T:2012:596, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass, zumindest wenn die Unternehmen, an die eine Entscheidung nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 ergeht, bestimmte Umstände darlegen, welche die hinreichende Ernsthaftigkeit der Indizien, die der Kommission für den Erlass der Entscheidung vorlagen, in Frage stellen, der Unionsrichter diese Indizien untersuchen und prüfen muss, ob sie hinreichend ernsthaft sind (Urteil vom 14. November 2012, Nexans France und Nexans/Kommission, T‑135/09, EU:T:2012:596, Rn. 72).

50      Jedoch stellt die Überprüfung, ob die Kommission im Besitz hinreichend ernsthafter Indizien war, die es erlaubten, vor dem Erlass eines Nachprüfungsbeschlusses eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln zu vermuten, nicht das einzige Mittel dar, das es dem Gericht ermöglicht, sich zu vergewissern, dass diese Entscheidung nicht willkürlich ist (Urteil vom 25. November 2014, Orange/Kommission, T‑402/13, EU:T:2014:991, Rn. 87).

51      Die Kontrolle der Begründung eines Beschlusses erlaubt es dem Richter nämlich auch, über die Beachtung des Grundsatzes des Schutzes vor willkürlichen und unverhältnismäßigen Maßnahmen zu wachen, indem sie es ermöglicht, die Berechtigung des beabsichtigten Eingriffs in den betroffenen Unternehmen aufzuzeigen (vgl. Urteil vom 25. November 2014, Orange/Kommission, T‑402/13, EU:T:2014:991, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Gericht kann auf das Fehlen von Willkür bei einem Nachprüfungsbeschluss schließen, ohne dass es erforderlich ist, die zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Nachprüfungsbeschlusses im Besitz der Kommission befindlichen Indizien inhaltlich zu überprüfen, wenn es feststellt, dass die Vermutungen, denen die Kommission nachzugehen beabsichtigt, und die Punkte, auf die sich die Nachprüfung beziehen soll, hinreichend genau bestimmt sind (Urteil vom 25. November 2014, Orange/Kommission, T‑402/13, EU:T:2014:991, Rn. 91).

52      Im vorliegenden Fall hat die Kommission im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass

–        sie erstens im Besitz von „Informationen [ist], die darauf schließen lassen, dass die Klägerin … für bestimmte Eisenbahnstrecken, insbesondere (aber nicht nur) für die Strecke Prag–Ostrava, Preise unter den Gestehungskosten anbieten kann (predatory pricing [Verdrängungspreise])“ (dritter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses);

–        sie zweitens „Informationen erhalten [hat], die darauf schließen lassen, dass diese angebliche Zuwiderhandlung zumindest seit 2011 begangen worden sein musste, als eine private Mitbewerberin begann, Dienstleistungen auf der Strecke Prag–Ostrava anzubieten, oder sogar früher“ (vierter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses);

–        drittens die im angefochtenen Beschluss angesprochene Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV „… insbesondere die Praxis von Preisen unter den Gestehungskosten, die geeignet sind, den Zugang von Dritten zum Markt oder ihre Entwicklung auf dem Markt der Beförderungsdienste für den Schienenpersonenverkehr zu beschränken sowie alle Strategien mit gleicher Wirkung [umfasst]“ (Art. 1 des angefochtenen Beschlusses).

53      Somit bezieht der angefochtene Beschluss in die Nachprüfung nicht nur einen möglichen Verstoß gegen Art. 102 AEUV mit ein, der darin besteht, auf der Strecke Prag–Ostrava seit 2011 Verdrängungspreise anzubieten, sondern auch andere Formen von Zuwiderhandlungen gegen Art. 102 AEUV, andere Strecken in der Tschechischen Republik als die Strecke Prag–Ostrava und den Zeitraum vor 2011.

54      Die Begründung des angefochtenen Beschlusses liefert als solche keinen Grund für die Annahme, dass die Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Beschlusses tatsächlich über hinreichend ernsthafte Indizien für den Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV der oben in Rn. 53 beschriebenen Art verfügte.

55      Unter diesen Umständen ist als Erstes und in Ansehung anderer relevanter Faktoren zu prüfen, ob die Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses über hinreichend ernsthafte Indizien verfügte, die für den Verdacht einer im Anbieten von Verdrängungspreisen auf der Strecke Prag–Ostrava seit 2011 bestehenden Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV ausreichten.

56      Als Zweites ist zu prüfen, ob die Kommission zum selben Zeitpunkt auch über hinreichend ernsthafte Indizien für andere Formen von Zuwiderhandlungen gegen Art. 102 AEUV auf anderen Strecken und für den Zeitraum vor 2011 verfügte.

 Zur angeblichen Praxis von Verdrängungspreisen auf der Strecke Prag–Ostrava seit 2011

57      In ihrer Erwiderung hat die Kommission drei Arten von Informationen angeführt, aufgrund deren sie den angefochtenen Beschluss erlassen habe: vom Beschwerdeführer erhaltene Informationen, Informationen von öffentlich zugänglichen Quellen und die Akte der tschechischen Wettbewerbsbehörde, darunter das Gutachten der Universität Pardubice.

58      Hinsichtlich der dritten Art von Informationen hat die Kommission insbesondere die Rn. 128 bis 130 und 155 bis 157 des Gutachtens der Universität Pardubice zitiert. Aus diesen Randnummern des Gutachtens sei insbesondere hervorgegangen, dass die vorgelegten Informationen (vgl. Rn. 3 des Gutachtens) nicht den Schluss zuließen, dass die Zahlen in Bezug auf die betreffenden Kosten die Situation angemessen widerspiegelten. Das Gutachten habe auch die Aufmerksamkeit auf die Möglichkeit einer Verfälschung der Daten der Klägerin gelenkt.

59      Zu den von der Kommission zitierten Randnummern des Gutachtens der Universität Pardubice macht die Klägerin vor allem geltend, die darin enthaltenen Vorbehalte seien nur marginal. Es handle sich um gängige Formulierungen, mit denen die Sachverständigen für gewöhnlich sicherstellen wollten, dass ihr Gutachten nicht angreifbar sei und dass ihre mögliche Haftung ausgeschlossen werde.

60      Vorab ist festzustellen, dass sich aus der Akte des vorliegenden Falles ergibt, dass die tschechische Wettbewerbsbehörde eine Untersuchung über eine mögliche Praxis von Verdrängungspreisen durch die Klägerin auf der Strecke Prag–Ostrava seit 2011 durchführt, also über dasselbe Verhalten, um das es im angefochtenen Beschluss in erster Linie geht.

61      Aus dieser Akte ergibt sich auch, dass die tschechische Wettbewerbsbehörde im Lauf dieser Untersuchung Tausende von Seiten von Beweisen gesammelt hat, die vor allem von der Klägerin und den konkurrierenden Transportunternehmen (RegioJet und LEO Express) stammen.

62      Was das Gutachten der Universität Pardubice anbelangt, ist erstens festzustellen, dass in den von der Kommission angeführten Rn. 128 bis 130 dieses Gutachtens unter der Überschrift „Kostentransfer zwischen den verschiedenen Auftraggebern im öffentlichen Schienenverkehr“ wie folgt argumentiert wird:

–        „[vertraulich]“,

–        „[vertraulich]“,

–        „[vertraulich]“.

63      Zweitens heißt es in den von der Kommission auch angeführten Rn. 155 bis 157 des Gutachtens der Universität Pardubice unter der Überschrift „Feststellung bestimmter Widersprüche in den Ausführungen der [Klägerin]“:

–        „[vertraulich]“,

–        „[vertraulich]“; insoweit wird im Gutachten folgendes Zitat wiedergegeben: „[vertraulich]“.

64      Drittens heißt es in den Rn. 158 bis 161 des Gutachtens der Universität Pardubice unter der Überschrift „Widersprüche in den Ausführungen der [Klägerin] zum Anteil der variablen Kosten und der Fixkosten“, dass „[vertraulich]“ und „[vertraulich]“.

65      Es ist festzustellen, dass die obigen Anmerkungen entgegen dem Vorbringen der Klägerin, wonach sie nur übliche Formulierungen seien, mit denen die Sachverständigen sicherstellen wollten, dass ihr Gutachten nicht angreifbar sei und dass ihre mögliche Haftung ausgeschlossen werde, zeigen, wenn auch nur mittelbar, dass die Kommission gute Gründe für den Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV durch die Klägerin hatte und dass sie daher berechtigt war, die fragliche Nachprüfung anzuordnen.

66      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es für die Rechtfertigung von Überprüfungen nicht erforderlich ist, dass die der Kommission zur Verfügung stehenden Informationen so beschaffen sind, dass das Vorliegen der in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung damit ohne jeden vernünftigen Zweifel bewiesen werden konnte. Ein solches Beweisniveau ist nämlich bei Entscheidungen der Kommission erforderlich, in denen sie das Vorliegen einer Zuwiderhandlung feststellt und Geldbußen verhängt. Hingegen reicht es für den Erlass einer Nachprüfungsentscheidung nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 aus, dass sie über ernsthafte Informationen und Hinweise verfügt, die bei ihr den Verdacht begründen, dass eine Zuwiderhandlung vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. März 2014, Cementos Portland Valderrivas/Kommission, T‑296/11, EU:T:2014:121, Rn. 43, und vom 29. Februar 2016, EGL u. a./Kommission, T‑251/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:114, Rn. 149).

67      Angesichts der vorstehenden Ausführungen hat die Kommission ersichtlich über solche Indizien verfügt.

68      Im Übrigen genügt selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass das Vorbringen der Klägerin, wonach die von der tschechischen Wettbewerbsbehörde gesammelten Beweise zeigten, dass ihre Einnahmen auf der Strecke Prag–Ostrava stets höher als die variablen Kosten gewesen seien, begründet ist, der Hinweis, dass nach der Rechtsprechung auch Preise, die unter den durchschnittlichen Gesamtkosten – das heißt Fixkosten plus variable Kosten –, jedoch über den durchschnittlichen variablen Kosten liegen, mit Art. 102 AEUV unvereinbar sind, wenn sie im Rahmen eines Plans festgesetzt wurden, der die Ausschaltung eines Konkurrenten zum Ziel hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Juli 1991, AKZO/Kommission, C‑62/86, EU:C:1991:286, Rn. 72).

69      Zum Vorbringen der Klägerin, wonach das Fehlen von hinreichend ernsthaften Indizien auch durch die Entwicklung der Lage auf der Strecke Prag–Ostrava untermauert werde, die durch ein hohes Maß an Wettbewerb gekennzeichnet sei, merkt die Kommission zu Recht an, dass die Tatsache, dass die Strategie eines Unternehmens mit einer beherrschenden Stellung nicht den erwarteten Erfolg gebracht habe, nicht bedeute, dass die Verdrängungspraxis zu keiner Wettbewerbsverzerrung geführt habe.

70      Nach alledem ist die Rüge des Fehlens hinreichend ernsthafter Indizien für den Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV durch die Klägerin, die im Anbieten von Verdrängungspreisen auf der Strecke Prag–Ostrava seit 2011 bestand, zurückzuweisen.

71      Da sich jedoch die von der tschechischen Wettbewerbsbehörde durchgeführte Untersuchung nur auf die angebliche Praxis von Verdrängungspreisen auf der Strecke Prag–Ostrava seit 2011 bezieht, kann diese Schlussfolgerung auf dieser alleinigen Grundlage nicht auf andere Formen von Zuwiderhandlungen gegen Art. 102 AEUV, andere Strecken als die Strecke Prag–Ostrava und den Zeitraum vor 2011 übertragen werden.

72      Folglich sind nunmehr die Indizien zu prüfen, über die die Kommission in diesem Zusammenhang verfügte, und ist dabei ihre Antwort auf die prozessleitenden Maßnahmen zu berücksichtigen.

 Andere Formen von Zuwiderhandlungen gegen Art. 102 AEUV, andere Strecken als die Strecke Prag–Ostrava und der Zeitraum vor 2011

–       Zu anderen Formen von Zuwiderhandlungen gegen Art. 102 AEUV

73      Erstens hat die Kommission in ihrer Antwort auf die vorgenannten prozessleitenden Maßnahmen zugegeben, dass sie über keine Indizien für den Verdacht anderer Formen von Zuwiderhandlungen gegen Art. 102 AEUV verfügte.

74      Zweitens hat sie betont, dass sie nach ständiger Rechtsprechung im Fall einer Anwendung von Art. 102 AEUV die Geschäftsstrategie der Gesellschaft prüfen müsse, die Gegenstand der Untersuchung sei, möglicherweise für das Bestehen einer Absicht oder eines Plans zum Ausschluss des Wettbewerbs aufschlussreich sei.

75      In ihrer Stellungnahme zur Antwort der Kommission auf die prozessleitenden Maßnahmen ist die Klägerin letzterer Argumentation entgegengetreten. Die Tatsache, dass die Kommission ihre Geschäftsstrategie prüfen müsse, könne jedenfalls nicht die Ausdehnung des Gegenstands der fraglichen Nachprüfung auf Formen von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln rechtfertigen, für die sie über keine hinreichend ernsthaften Indizien verfüge.

76      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass zur Beurteilung der Zulässigkeit der von einem beherrschenden Unternehmen angewandten Preispolitik grundsätzlich auf Preiskriterien abzustellen ist, die sich auf die dem beherrschenden Unternehmen entstandenen Kosten und seine Strategie stützen (vgl. Urteil vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige, C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Ebenso geht aus der Rechtsprechung hervor, dass auch Preise, die unter den durchschnittlichen Gesamtkosten – das heißt Fixkosten plus variable Kosten –, jedoch über den durchschnittlichen variablen Kosten liegen, mit Art. 102 AEUV unvereinbar sind, wenn sie im Rahmen eines Plans festgesetzt wurden, der die Ausschaltung eines Konkurrenten zum Ziel hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Juli 1991, AKZO/Kommission, C‑62/86, EU:C:1991:286, Rn. 72).

78      Wenn die Kommission daher über hinreichend ernsthafte Indizien für den Verdacht einer im Anbieten von Verdrängungspreisen bestehenden Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV verfügt, kann im Rahmen ihrer Untersuchung die Strategie des betreffenden Unternehmens geprüft werden. Im Übrigen folgt die Kommission am Ende von Art. 1 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses dieser Argumentation, wenn sie ausführt, dass abgesehen von der Praxis von Preisen unter den Gestehungskosten, die geeignet seien, den Zugang von Dritten zum Markt oder ihre Entwicklung auf dem Markt der Beförderungsdienste für den Schienenpersonenverkehr zu beschränken, in die Nachprüfung auch „alle Strategien mit gleicher Wirkung“ einbezogen würden. Dies wurde übrigens von der Klägerin niemals in Frage gestellt.

79      Hingegen macht die Klägerin zu Recht geltend, dass diese Argumentation keinen triftigen Grund für die Erweiterung des Gegenstands der fraglichen Nachprüfung auf andere Formen von Zuwiderhandlungen darstelle.

80      Angesichts des oben in Rn. 34 angeführten allgemeinen Grundsatzes kann mit dieser Argumentation nämlich nicht der Wortlaut von Art. 1 des angefochtenen Beschlusses gerechtfertigt werden, wonach die Zuwiderhandlung „insbesondere“ die Praxis von Preisen unter den Gestehungskosten „umfasst“, wodurch in die betreffende Nachprüfung auch jede andere Form von Zuwiderhandlungen gegen Art. 102 AEUV einbezogen werden konnte, obwohl die Kommission insoweit über keine Indizien verfügte.

–       Zu anderen Strecken als der Strecke Prag–Ostrava

81      Insoweit hat die Kommission zum einen in ihrer Antwort auf die prozessleitenden Maßnahmen des Gerichts zwei an sie gerichtete Beschwerden der LEO Express vom 17. Oktober 2014 bzw. vom 1. März 2016 vorgelegt.

82      Die beiden Beschwerden enthielten Indizien betreffend die Strecke Prag-Košice, eine im Osten der Slowakischen Republik liegende Stadt. Zudem enthielt die Beschwerde vom 1. März 2016 Indizien betreffend zwei andere Strecken im Inland, nämlich Ostrava-Kolín und Olomouc-Kolín.

83      Zum anderen hat die Kommission darauf hingewiesen, dass auch Unterlagen, die sich nicht auf die Strecke Prag–Ostrava bezögen, nützliche Hinweise für die Untersuchung wettbewerbswidriger Praktiken betreffend letztere Strecke enthielten, weil sie die Frage der Kosten auf anderen Eisenbahnstrecken behandelten und daher einen Maßstab für die gewöhnliche Aufteilung der Kosten auf die verschiedenen Strecken darstellten.

84      In ihrer Stellungnahme zur Antwort der Kommission auf die prozessleitenden Maßnahmen hat die Klägerin diese Anhaltspunkte beanstandet. Ihrer Ansicht nach enthalten die von der Kommission vorgelegten Dokumente keine Indizien für den Verdacht eines wettbewerbswidrigen Verhaltens ihrerseits auf der Strecke Prag-Košice. Zu den Strecken Ostrava-Kolín und Olomouc-Kolín macht sie geltend, dass diese Strecken in Wirklichkeit ein integraler Bestandteil der Strecke Prag–Ostrava seien.

85      Erstens ist festzustellen, dass die beiden Beschwerden zwar Informationen über die Strecke Prag-Košice enthalten, dass diese Informationen jedoch keine hinreichend ernsthaften Indizien für den Verdacht einer Praxis von Verdrängungspreisen auch auf dieser Strecke darstellen. Es wird dort nur angegeben, die Klägerin habe ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht, als sie beschlossen habe, ihre Züge SC Pendolino als Reaktion auf entsprechende Absichten der LEO Express auf dieser Strecke wieder einzuführen, obwohl sie den Betrieb dieser Züge auf ebendieser Strecke aufgrund von schwacher Auslastung eingestellt gehabt habe.

86      Insoweit ist darauf zu verweisen, dass die Kommission eingeräumt hat, dass sie nur über Indizien für den Verdacht eines Verstoßes verfügt habe, der darin bestanden habe, Verdrängungspreise anzubieten.

87      Selbst wenn man davon ausgeht, dass die fraglichen Informationen mittelbar ein Hinweis auf die Praxis von Verdrängungspreisen auch auf der Strecke Prag-Košice sein können, ist die Aufnahme dieser Strecke in den Gegenstand der Nachprüfung Falcon jedenfalls mit Art. 1 dieses Beschlusses unvereinbar, der seinen Gegenstand auf das Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik beschränkt.

88      Zweitens reicht es hinsichtlich der Strecken Ostrava-Kolín und Olomouc-Kolín, mit der Klägerin darauf hinzuweisen, dass diese ein integraler Bestandteil der Strecke Prag–Ostrava sind. Die Städte Kolín und Olomouc befinden sich auf der Strecke Prag–Ostrava, zwischen diesen beiden Städten. Daraus folgt, dass die Strecken Ostrava-Kolín und Olomouc-Kolín bereits vom Wortlaut des angefochtenen Beschlusses erfasst sind, der sich ausdrücklich auf die Strecke Prag–Ostrava bezieht.

89      Daher ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission nicht über hinreichend ernsthafte Indizien für den Verdacht verfügte, dass die Klägerin auf anderen Strecken als der Strecke Prag–Ostrava Verdrängungspreise anbiete.

90      Im Übrigen bestätigt die Kommission diese Schlussfolgerung selbst, zumindest implizit, wenn sie die Wichtigkeit der Informationen über andere Strecken für die Prüfung des Falles der Strecke Prag–Ostrava betont.

91      Jedenfalls ermöglicht es letztere Argumentation, auch wenn man davon ausgeht, dass sie begründet ist, der Kommission nicht, im angefochtenen Beschluss zu behaupten, dass sie über Informationen verfügt habe, wonach die Klägerin „für bestimmte Eisenbahnstrecken, insbesondere (aber nicht nur) für die Strecke Prag–Ostrava“, Verdrängungspreise angeboten habe, obwohl sie nur für letztere Strecke über hinreichend ernsthafte Indizien verfügte.

–       Zum Zeitraum vor 2011

92      Insoweit ergibt sich aus der Akte, dass die wichtigste Mitbewerberin der Klägerin, RegioJet, erst im September 2011 begonnen hat, die Strecke Prag–Ostrava zu bedienen und dass die tschechische Wettbewerbsbehörde erst seit diesem Zeitpunkt das angeblich missbräuchliche Verhalten der Klägerin auf dieser Strecke prüft.

93      Gleichwohl hat die Kommission in ihrer Antwort auf die prozessleitenden Maßnahmen des Gerichts ein mit dem 4. Oktober 2010 datiertes Dokument vorgelegt.

94      Nach Ansicht der Klägerin enthält dieses Dokument, nämlich eine Beschwerde der RegioJet, nichts Relevantes. Es handle sich bloß um Spekulationen Letzterer.

95      Es ist jedoch festzustellen, dass das von der Kommission vorgelegte Dokument zwar nur eine von einer Mitbewerberin der Klägerin eingelegte Beschwerde ist, dass es jedoch kohärent formuliert ist und für den Zeitraum vor 2011 das gleiche Verhalten rügt, für das die Kommission für den Zeitraum ab 2011 über hinreichend ernsthafte Indizien verfügte.

96      Wenngleich es im Übrigen zutrifft, dass die wichtigste Mitbewerberin der Klägerin, RegioJet, erst 2011 begann, die Strecke Prag–Ostrava zu befahren, und die zweite, LEO Express, erst im Jahr 2012, schließt dies an sich die Möglichkeit eines missbräuchlichen Verhaltens der Klägerin vor diesem Zeitpunkt nicht aus. Es kann nämlich vernünftigerweise davon ausgegangen werden, dass ein Unternehmen in beherrschender Stellung, um gegen neue Mitbewerber gewappnet zu sein, nicht auf den Eintritt des Mitbewerbers auf den fraglichen Markt wartet, sondern vor diesem Eintritt tätig wird, um dies zu verhindern oder zu erschweren.

97      Unter diesen Umständen konnte die Kommission im angefochtenen Beschluss den Zeitraum „zumindest seit 2011“ als wahrscheinlichen Zeitraum der mutmaßlichen Zuwiderhandlung anführen.

–       Zwischenergebnis

98      Nach alledem ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses nicht über hinreichend ernsthafte Indizien für den Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV durch die Klägerin verfügte, die in einer Form erfolgte, die nichts mit der angeblichen Praxis von Verdrängungspreisen zu tun hatte, oder die andere Strecken als die Strecke Prag–Ostrava betraf. Hingegen führte sie zu Recht als wahrscheinlichen Zeitraum für die fragliche Zuwiderhandlung den Zeitraum an, der „zumindest“ im Jahr 2011 begann.

 Ergebnis betreffend den zweiten und den dritten Klagegrund

99      Unter diesen Umständen ist dem zweiten und den dritten Klagegrund der vorliegenden Klage teilweise stattzugeben und der angefochtene Beschluss für nichtig zu erklären, soweit die behauptete Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV auf anderen Strecken als der Strecke Prag–Ostrava und andere Formen der Zuwiderhandlung als die mutmaßliche Praxis von Verdrängungspreisen betrifft.

100    Im Licht dieses Ergebnisses sind nun die anderen Klagegründe zu prüfen.

 Zum ersten Klagegrund: Willkürlicher und unverhältnismäßiger Charakter des angefochtenen Beschlusses

101    Die Klägerin macht geltend, der angefochtene Beschluss stelle einen willkürlichen und unverhältnismäßigen Eingriff dar.

102    Die Kommission habe mehrere Tausend Seiten von Beweisen aus dem Verfahren vor der tschechischen Wettbewerbsbehörde zur Verfügung gehabt. Zudem habe diese bereits selbst eine überraschende Nachprüfung am Sitz der Klägerin durchgeführt. Im Übrigen habe die Klägerin mit dieser Behörde während des von ihr durchgeführten Verwaltungsverfahrens bestmöglich zusammengearbeitet. Folglich sei die für die Untersuchung der Kommission entscheidende Sachlage detailliert in der Akte dieser Behörde protokolliert und habe die Kommission nicht erwarten können, bei der fraglichen Nachprüfung zusätzliche relevante Beweise zu finden.

103    Sodann sei es der Klägerin möglich gewesen, das gleiche Ergebnis auf weniger einschneidende Art und Weise zu erreichen, beispielsweise durch ein Auskunftsverlangen.

104    Darüber hinaus sei das fragliche Verhalten bereits Gegenstand zweier von den beiden Mitbewerberinnen RegioJet und LEO Express eingeleiteter Gerichtsverfahren.

105    Schließlich verletze der angefochtene Beschluss den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da der Gegenstand der Nachprüfung zu weit gefasst sei.

106    Die Kommission beantragt, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

107    Der erste Teil dieses Klagegrundes, mit dem der willkürliche Charakter des angefochtenen Beschlusses gerügt wird, ist von vornherein zurückzuweisen.

108    Aus der Rechtsprechung ergibt sich nämlich, dass ein Nachprüfungsbeschluss nur willkürlich ist, wenn er ohne Vorliegen von Tatsachen, die eine Nachprüfung rechtfertigen könnten, erlassen worden ist. Dies ist nicht der Fall, wenn er auf die Erlangung von Unterlagen gerichtet ist, die erforderlich sind, um die Richtigkeit und die Tragweite einer bestimmten Sach- und Rechtslage zu überprüfen, in Bezug auf die die Kommission bereits über hinreichend ernsthafte Indizien für den Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 2012, Nexans France und Nexans/Kommission, T‑135/09, EU:T:2012:596, Rn. 43 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

109    Allerdings ergibt sich aus der Prüfung des zweiten und des dritten Klagegrundes, dass die Kommission zum einen über hinreichend ernsthafte Indizien für den Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV verfügte, die in der Praxis von Verdrängungspreisen auf der Strecke Prag–Ostrava zumindest seit 2011 bestand, und dass zum anderen der angefochtene Beschluss insoweit für nichtig zu erklären ist, als er andere Formen von Zuwiderhandlungen gegen Art. 102 AEUV und andere Strecken betrifft, da insoweit hinreichend ernsthafte Indizien fehlten.

110    Unter diesen Umständen hat der angefochtene Beschluss keinen willkürlichen Charakter.

111    Der erste Teil des ersten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

112    Was den zweiten Teil des ersten Klagegrundes angeht, mit dem die Unverhältnismäßigkeit des angefochtenen Beschlusses gerügt wird, ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinausgehen dürfen (Art. 5 Abs. 4 EUV).

113    Daher dürfen nach diesem Grundsatz die Handlungen der Unionsorgane nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (vgl. Urteil vom 6. September 2013, Deutsche Bahn u. a./Kommission, T‑289/11, T‑290/11 und T‑521/11, EU:T:2013:404, Rn. 192 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

114    Die von der Kommission zu treffende Wahl zwischen einer Nachprüfung durch schlichten Auftrag oder Auskunftsverlangen und einer durch Beschluss angeordneten Nachprüfung hängt allerdings nicht von Umständen wie dem besonderen Ernst der Lage, der außerordentlichen Dringlichkeit oder der Notwendigkeit absoluter Geheimhaltung ab, sondern von den Erfordernissen einer den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Untersuchung. Folglich verletzt ein Nachprüfungsbeschluss nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn er es der Kommission nur erlauben soll, die nötigen Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage einer Verletzung des Vertrags zusammenzutragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2013, Deutsche Bahn u. a./Kommission, T‑289/11, T‑290/11 und T‑521/11, EU:T:2013:404, Rn. 193 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

115    Es ist grundsätzlich Sache der Kommission, zu beurteilen, ob eine Auskunft zur Ermittlung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln erforderlich ist; selbst wenn ihr hierfür bereits Indizien oder gar Beweise vorliegen, kann sie daher zu der Annahme berechtigt sein, dass die Anordnung zusätzlicher Nachprüfungen erforderlich ist, um es ihr zu ermöglichen, die Zuwiderhandlung oder ihre Dauer genauer zu bestimmen (vgl. Urteil vom 6. September 2013, Deutsche Bahn u. a./Kommission, T‑289/11, T‑290/11 und T‑521/11, EU:T:2013:404, Rn. 194 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

116    Daher kann das Argument der Klägerin nicht greifen, wonach die Kommission unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit weniger einschneidende Mittel, wie ein Auskunftsverlangen nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003, hätte anwenden müssen, und zwar umso weniger, als unter den Umständen des vorliegenden Falles die Beurteilung des Verhaltens der Klägerin offensichtlich von Informationen abhängt, die der Kommission sicherlich nicht freiwillig übermittelt worden wären und die sie sich daher nicht anders als durch eine Nachprüfung verschaffen konnte (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. März 2007, France Télécom/Kommission, T‑340/04, EU:T:2007:81, Rn. 150 und 153, sowie vom 12. Juli 2007, CB/Kommission, T‑266/03, nicht veröffentlicht, EU:T:2007:223, Rn. 65).

117    Soweit der angefochtene Beschluss zum Teil auf Informationen beruht, die in der Akte der tschechischen Wettbewerbsbehörde enthalten sind, die das gleiche Verhalten der Klägerin untersucht und an sie mehrere Auskunftsverlangen gestellt hatte, ist es im Übrigen wahrscheinlich, dass die Akte dieser Behörde bereits alle Informationen enthielt, die auf diesem Wege erlangt werden konnten.

118    Im Licht der insbesondere oben in Rn. 115 angeführten Rechtsprechung kann auch das Vorbringen der Klägerin nicht greifen, wonach sich die Kommission mit den Informationen hätte zufriedengeben müssen, die in der Akte der tschechischen Wettbewerbsbehörde enthalten sind.

119    Was das Argument angeht, dass das gleiche Verhalten der Klägerin bereits Gegenstand einer Verwaltungsuntersuchung und zweier Gerichtsverfahren auf nationaler Ebene sei, genügt der Hinweis, dass sich nach der Rechtsprechung aus den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1/2003 nicht herleiten lässt, dass der bloße Umstand, dass eine nationale Wettbewerbsbehörde Ermittlungen über besondere Tatsachen eingeleitet hat, die Kommission unmittelbar daran hindert, in dem betreffenden Fall tätig zu werden oder sich im Anfangsstadium dafür zu interessieren. Ganz im Gegenteil können diese beiden Behörden zumindest im Anfangsstadium wie bei den Ermittlungen nebeneinander tätig werden und behält die Kommission die Möglichkeit, ein Verfahren zum Erlass eines Beschlusses einzuleiten, selbst wenn eine nationale Behörde bereits in dem Fall tätig ist. Erst recht muss die Kommission in der Lage sein, eine Nachprüfung vorzunehmen, da eine Entscheidung, durch die eine Nachprüfung angeordnet wird, nur eine Handlung zur Vorbereitung der Sachbehandlung des Falles ist, die keine förmliche Einleitung des Verfahrens im Sinne von Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. März 2007, France Télécom/Kommission, T‑340/04, EU:T:2007:81, Rn. 129 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieser Grundsatz wurde in Fällen anerkannt, in denen die nationale Wettbewerbsbehörde die Art. 101 oder 102 AEUV angewandt hat. Er gilt erst recht in Fällen, in denen die von der nationalen Wettbewerbsbehörde durchgeführte Untersuchung nur auf nationalem Recht beruht. Genau dies trifft hier zu.

120    Ebenso ergibt sich aus einer ständigen Rechtsprechung, dass die Kommission bei der Erfüllung der ihr durch den Vertrag zugewiesenen Aufgabe nicht an eine Entscheidung gebunden sein kann, die ein nationales Gericht in Anwendung der Art. 101 Abs. 1 und Art. 102 AEUV erlässt. Sie ist somit befugt, jederzeit Einzelentscheidungen zur Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV zu treffen, auch wenn eine Vereinbarung oder Verhaltensweise bereits Gegenstand einer Entscheidung eines nationalen Gerichts ist und der von der Kommission ins Auge gefasste Beschluss dazu im Widerspruch steht (vgl. Urteil vom 6. September 2013, Deutsche Bahn u. a./Kommission, T‑289/11, T‑290/11 und T‑521/11, EU:T:2013:404, Rn. 200 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

121    Folglich können auch die laufenden Verfahren vor den tschechischen Gerichten die Kommission nicht daran hindern, eine überraschende Nachprüfung durchzuführen, wie jene, die mit dem angefochtenen Beschluss angeordnet wird.

122    Im Übrigen ist hinsichtlich der oben in Rn. 8 erwähnten Entscheidung des Městský soud v Praze (Stadtgericht Prag) vom 10. Dezember 2015 festzustellen, dass der angefochtene Beschluss nicht im Widerspruch zu dieser Entscheidung steht. Mit seiner Entscheidung hat der Městský soud v Praze (Stadtgericht Prag) die Schadensersatzklage der LEO Express gegen die Klägerin mit der Begründung abgewiesen, dass LEO Express den Kausalzusammenhang zwischen dem erlittenen Schaden und dem angeblich wettbewerbswidrigen Verhalten der Klägerin nicht nachgewiesen habe. Jedoch war es nach dieser Feststellung nicht mehr notwendig, die Frage des wettbewerbswidrigen Charakters des Verhaltens Letzterer zu behandeln und daher hat der Městský soud v Praze (Stadtgericht Prag) dies auch nicht getan.

123    Was das Vorbringen der Klägerin zum Urteil vom 25. November 2014, Orange/Kommission (T‑402/13, EU:T:2014:991), angeht, in dem das Gericht festgestellt hat, dass die Untersuchung der im Besitz der Behörde befindlichen Akte keine Alternative zum Rückgriff auf eine Nachprüfungsmaßnahme darstellte, weil die Behörde keine Nachprüfung in den Räumlichkeiten des betreffenden Unternehmens durchgeführt hatte und weil ihre Entscheidung somit nur auf der Grundlage von Informationen getroffen worden war, die von der Klägerin freiwillig herausgegeben worden waren, ist anzumerken, dass das Gericht diese Überlegung angestellt hat, um darüber hinwegzukommen, dass sich die Kommission in dieser Rechtssache für eine Nachprüfungsmaßnahme entschieden hatte, ohne vorher die Auskünfte zu überprüfen, die die nationale Wettbewerbsbehörde im Hinblick auf ähnliche Verhaltensweisen hatte einholen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. November 2014, Orange/Kommission, T‑402/13, EU:T:2014:991, Rn. 55 und 56). Im vorliegenden Fall stellt das Gericht jedoch fest, dass die Kommission Einsicht in die Akten der tschechischen Wettbewerbsbehörde genommen und erst danach den angefochtenen Beschluss erlassen hat.

124    Was schließlich die Rüge betrifft, dass der Gegenstand der fraglichen Nachprüfung im angefochtenen Beschluss zu weit gefasst gewesen sei, ist anzumerken, dass dies bereits im Rahmen des zweiten und dritten Klagegrundes geprüft worden ist und dass nach Abschluss dieser Prüfung der Schluss gezogen worden ist, dass der angefochtene Beschluss insoweit für nichtig zu erklären ist, als er andere Strecken als die Strecke Prag–Ostrava und ein anderes Verhalten als die angebliche Praxis von Verdrängungspreisen betrifft.

125    Was hingegen den Wortlaut des angefochtenen Beschlusses betrifft, wonach der Zeitraum, im Laufe dessen die Zuwiderhandlung begangen worden sei, der „zumindest seit 2011“ gewesen sei, hat das Gericht im Rahmen der Prüfung des zweiten und dritten Klagegrundes festgestellt, dass die Kommission über Indizien nicht nur für den Zeitraum ab 2011, sondern auch für den Zeitraum vor 2011 verfügte.

126    Im Übrigen ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Kommission nicht verpflichtet ist, den Zeitraum anzugeben, in dem die Zuwiderhandlung begangen worden sein soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2013, Deutsche Bahn u. a./Kommission, T‑289/11, T‑290/11 und T‑521/11, EU:T:2013:404, Rn. 170 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

127    Unter diesen Umständen kann der angefochtene Beschluss nicht mit der Begründung als unverhältnismäßig angesehen werden, dass der Gegenstand der Nachprüfung zu weit gefasst sei.

128    Folglich ist auch der zweite Teil des ersten Klagegrundes und somit dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Fehlende Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten und fehlende beherrschende Stellung der Klägerin auf dem Binnenmarkt oder einem erheblichen Teil desselben

129    Nach Ansicht der Klägerin war die Kommission zum Erlass des angefochtenen Beschlusses und zur Durchführung der Nachprüfung nicht befugt. Da die Strecke Prag–Ostrava mit einer Länge von 356 Kilometern auf der Ebene des europäischen Eisenbahnnetzes vernachlässigbar sei, sei das angeblich wettbewerbswidrige Verhalten der Klägerin nicht geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen. Zudem habe die Klägerin keine beherrschende Stellung auf dem Binnenmarkt oder einem wesentlichen Teil desselben. Angesichts seiner marginalen Bedeutung auf europäischer Ebene könne der Eisenbahnverkehr auf der Strecke Prag–Ostrava nicht als wesentlicher Teil des Binnenmarkts angesehen werden.

130    Die Klägerin fügt hinzu, dass dieser Klagegrund den zweiten Klagegrund vervollständige und umgekehrt, insbesondere was die geografische Tragweite der fraglichen Nachprüfung betreffe.

131    Die Kommission beantragt, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

132    Nach Art. 102 AEUV ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten.

133    Insoweit ist vorab darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzung, wonach eine Vereinbarung oder eine wettbewerbswidrige Praxis nur dann verboten ist, wenn sie geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, den Geltungsbereich des Unionsrechts von dem des Rechts der Mitgliedstaaten abgrenzen soll. Nur soweit eine Vereinbarung oder eine Praxis den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen vermag, unterliegt die durch sie hervorgerufene Wettbewerbsstörung den unionsrechtlichen Verboten; andernfalls fällt sie nicht darunter (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 1966, Consten und Grundig/Kommission, 56/64 und 58/64, EU:C:1966:41, S. 389).

134    Insbesondere geht schon aus dem Titel der Verordnung Nr. 1/2003 hervor, dass die Befugnisse, die der Kommission durch die Verordnung übertragen werden, die Durchführung der in den Art. 101 und 102 AEUV niedergelegten Wettbewerbsregeln zum Gegenstand haben. Diese beiden Artikel untersagen bestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen, soweit sie geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und sofern sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt bezwecken oder bewirken. Daher kann die Kommission ihre Nachprüfungsbefugnisse nur für die Aufdeckung solcher Verhaltensweisen einsetzen (Urteil vom 14. November 2012, Nexans France und Nexans/Kommission, T‑135/09, EU:T:2012:596, Rn. 99).

135    Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung behauptet die Kommission zu Unrecht, dass die Voraussetzung, wonach eine Vereinbarung oder eine wettbewerbswidrige Praxis nur dann verboten sei, wenn sie geeignet sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, nur Sachaspekte betreffe, nämlich die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines möglichen endgültigen Beschlusses der Kommission, und dass sie daher nicht für eine gerichtliche Überprüfung des angefochtenen Beschlusses in Betracht komme.

136    Mithin ist zu prüfen, ob diese Voraussetzung (im Folgenden: erste Voraussetzung) in Bezug auf die vermutete Zuwiderhandlung erfüllt ist, und zwar unter Berücksichtigung der Feststellung im Rahmen der Prüfung des zweiten und dritten Klagegrundes, wonach die Kommission nicht über hinreichend ernsthafte Indizien für den Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln auf anderen Strecken als der Strecke Prag–Ostrava verfügte.

137    Zudem ist angesichts der Tatsache, dass es sich bei der von der Kommission im vorliegenden Fall vermuteten Zuwiderhandlung um eine Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV handelt, auch die Voraussetzung zu prüfen, wonach die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder einem wesentlichen Teil desselben verboten ist (im Folgenden: zweite Voraussetzung).

138    Zur ersten Voraussetzung ist vorab darauf hinzuweisen, dass zwar Verhaltensweisen, deren Auswirkungen sich auf das Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats beschränken, unter den Geltungsbereich der nationalen Rechtsordnung und nicht unter den Geltungsbereich des Unionsrechts fallen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Mai 1979, Hugin Kassaregister und Hugin Cash Registers/Kommission, 22/78, EU:C:1979:138, Rn. 17), dass jedoch dann, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen Konkurrenten den Zugang zum Markt verwehrt, der Umstand, dass sich dieses Verhalten auf das Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats beschränkt, keine Rolle spielt, wenn es Auswirkungen auf die Handelsströme und auf den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts haben kann (Urteil vom 9. November 1983, Nederlandsche Banden‑Industrie-Michelin/Kommission, 322/81, EU:C:1983:313, Rn. 103).

139    Im Übrigen verlangt Art. 102 AEUV nicht den Nachweis, dass das missbräuchliche Verhalten den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar beeinträchtigt hat, sondern den Nachweis, dass dieses Verhalten geeignet ist, eine derartige Wirkung zu entfalten (Urteil vom 9. November 1983, Nederlandsche Banden‑Industrie-Michelin/Kommission, 322/81, EU:C:1983:313, Rn. 104).

140    Ein Beschluss, eine Vereinbarung oder eine Verhaltensweise kann den Handel zwischen Mitgliedstaaten nur dann beeinträchtigen, wenn sich anhand einer Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell die Handelsströme zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflussen, die die Verwirklichung eines einheitlichen Marktes zwischen den Mitgliedstaaten hemmen könnte (vgl. Urteil vom 16. April 2015, Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej und Telefonia Dialog, C‑3/14, EU:C:2015:232, Rn. 51 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

141    Im vorliegenden Fall ist es zwischen den Parteien erstens unstreitig, dass die Strecke Prag–Ostrava als eine der wichtigsten Strecken der Tschechischen Republik gilt, insbesondere deshalb, weil es keine direkte Autobahn zwischen Prag und Ostrava, einer Stadt, die etwa zehn Kilometer von der polnischen Grenze und einige Dutzend Kilometer von der slowakischen Grenze entfernt liegt, gibt, und zweitens, dass die konkurrierenden Transportunternehmen auf der Strecke Prag–Ostrava auch in anderen Mitgliedstaaten, vor allem in der Slowakischen Republik, tätig sind, und drittens, dass die Strecke Prag–Ostrava insbesondere zu den in diesen Mitgliedstaat führenden Strecken konkurrierender Transportunternehmen gehört.

142    Es ist festzustellen, dass in einem solchen Zusammenhang ein wettbewerbswidriges Verhalten wie jenes, das die Kommission im vorliegenden Fall vermutet, offensichtlich geeignet ist, Auswirkungen auf die Handelsströme und auf den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts zu haben. Ein solcher Missbrauch kann nämlich die wirtschaftliche Stellung von konkurrierenden Transportunternehmen, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, beeinträchtigen und daher den Wettbewerb nicht nur auf der Strecke Prag–Ostrava in der Tschechischen Republik, sondern zumindest indirekt auch auf breiterer Ebene in Mitteleuropa, insbesondere in der Slowakei, beeinträchtigen.

143    Zwar wäre, wäre die mutmaßliche Zuwiderhandlung, wie die Klägerin vorträgt, auf den fünf Kilometer langen Abschnitt begrenzt, der Choceň (Tschechische Republik) mit Brandýs nad Orlicí (Tschechische Republik) verbindet und Teil der Strecke Prag–Ostrava ist, ihre Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten wahrscheinlich gering. Die vermeintliche Zuwiderhandlung ist jedoch nicht auf diesen Abschnitt begrenzt. Sie erstreckt sich auf die gesamte Strecke Prag–Ostrava mit einer Länge von 356 Kilometern.

144    Daraus folgt, dass die erste Voraussetzung erfüllt ist.

145    Was die zweite Voraussetzung angeht, genügt der Hinweis, dass es zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Klägerin insbesondere auf den Märkten für die Bereitstellung von Personenbeförderungsdiensten und für die Bereitstellung von Leistungen der Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur in der Tschechischen Republik eine beherrschende Stellung hat (zweiter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

146    In der Rechtsprechung wird die zweite Voraussetzung auch dann als erfüllt angesehen, wenn sich die beherrschende Stellung des betreffenden Unternehmens auf ein Gebiet innerhalb eines Mitgliedstaats (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2001, Ambulanz Glöckner, C‑475/99, EU:C:2001:577, Rn. 38) oder auf einen Hafen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Dezember 1991, Merci convenzionali porto di Genova, C‑179/90, EU:C:1991:464, Rn. 15) beschränkt.

147    Diese Voraussetzung ist erst recht als erfüllt anzusehen, wenn sich die beherrschende Stellung des betreffenden Unternehmens auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats wie die Tschechische Republik erstreckt.

148    Im Übrigen irrt die Klägerin, wenn sie davon ausgeht, dass der Schienenverkehr auf der Strecke Prag–Ostrava einen wesentlichen Teil des Binnenmarkts ausmachen müsse. Für die Anwendbarkeit von Art. 102 AEUV müssen nämlich zwei verschiedene Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Zum einen muss das missbräuchliche Verhalten geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Zum anderen muss der Urheber des missbräuchlichen Verhaltens eine beherrschende Stellung auf dem Binnenmarkt oder einem wesentlichen Teil desselben haben. Daraus folgt, dass Art. 102 AEUV auch dann anwendbar ist, wenn ein Unternehmen, das eine beherrschende Stellung auf dem Binnenmarkt oder einem wesentlichen Teil desselben hat, diese beherrschende Stellung nur auf einem Segment des Marktes missbräuchlich ausübt, das keinen wesentlichen Teil des Binnenmarkts darstellt, jedoch unter der Voraussetzung, dass dieser Missbrauch geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass letztere Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt ist.

149    Die zweite Voraussetzung ist daher auch erfüllt.

150    Daher ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum fünften Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes

151    Die Klägerin macht geltend, die Tatsache, dass die tschechische Wettbewerbsbehörde das gleiche Verhalten seit 2011 untersuche, habe bei ihr ein berechtigtes Vertrauen entstehen lassen, dass die Untersuchung von dieser Behörde geführt werde.

152    Dieses berechtigte Vertrauen sei durch den Wortlaut der Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden (ABl. 2004, C 101, S. 43) und durch die Tatsache verstärkt worden, dass die Kommission zwischen 2013, dem Zeitpunkt, zu dem sie die Beschwerde erhalten habe, aufgrund deren sie den angefochtenen Beschluss erlassen habe, und 2016, dem Zeitpunkt der Durchführung der fraglichen Nachprüfung, völlig untätig gewesen sei.

153    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

154    Insoweit kann aus den Vorschriften der Verordnung Nr. 1/2003 nicht abgeleitet werden, dass die Kommission unmittelbar daran gehindert ist, in einem Fall tätig zu werden oder sich im Anfangsstadium dafür zu interessieren, in dem eine nationale Wettbewerbsbehörde Ermittlungen über einen besonderen Sachverhalt eingeleitet hat. Ganz im Gegenteil können diese beiden Behörden zumindest im Anfangsstadium wie bei den Ermittlungen nebeneinander tätig werden und behält die Kommission die Möglichkeit, ein Verfahren zum Erlass eines Beschlusses einzuleiten, auch wenn eine nationale Behörde bereits in dem Fall tätig ist. Erst recht muss die Kommission in der Lage sein, eine Nachprüfung vorzunehmen, da ein Beschluss, durch den eine Nachprüfung angeordnet wird, nur eine Handlung zur Vorbereitung der Sachbehandlung des Falles ist, die keine förmliche Einleitung des Verfahrens im Sinne von Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. März 2007, France Télécom/Kommission, T‑340/04, EU:T:2007:81, Rn. 129 und die dort angeführte Rechtsprechung).

155    Zudem kann die Kommission nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht an eine Entscheidung gebunden sein, die ein nationales Gericht oder eine nationale Behörde in Anwendung der Art. 101 Abs. 1 und Art. 102 AEUV erlässt. Sie ist somit befugt, jederzeit Einzelentscheidungen zur Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV zu treffen, auch wenn eine Vereinbarung oder Verhaltensweise bereits Gegenstand einer Entscheidung eines nationalen Gerichts ist und der von der Kommission ins Auge gefasste Beschluss dazu im Widerspruch steht (vgl. Urteil vom 25. November 2014, Orange/Kommission, T‑402/13, EU:T:2014:991, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

156    Folglich kann die von der tschechischen Wettbewerbsbehörde durchgeführte Untersuchung jedenfalls bei der Klägerin kein legitimes Vertrauen entstehen lassen, dass die Kommission nicht tätig werden würde.

157    Zudem ist festzustellen, dass die tschechische Wettbewerbsbehörde ihre Untersuchung nicht auf der Grundlage des Unionsrechts, sondern auf der Grundlage des nationalen Rechts durchführt.

158    Die Tatsache, dass die Kommission den angefochtenen Beschluss erst im Jahr 2016 erlassen hat, während die tschechische Wettbewerbsbehörde ihre Untersuchung seit 2011 durchgeführt hat, und dass die Kommission eine Beschwerde über das Verhalten der Klägerin im Jahr 2013 erhalten hat, entkräftet nicht die Schlussfolgerung, dass die Klägerin sich im vorliegenden Fall nicht auf ein berechtigtes Vertrauen berufen kann.

159    Insoweit genügt der Hinweis, dass die Kommission das Recht hat, den ihr vorliegenden Beschwerden unterschiedliche Priorität zuzuweisen (vgl. Urteil vom 14. September 2016, Trajektna luka Split/Kommission, T‑57/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:470, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

160    Was die Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden betrifft, so ist mit der Kommission anzumerken, dass sie nur dann anwendbar ist, wenn die nationale Wettbewerbsbehörde Art. 101 oder 102 AEUV anwendet. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Daher konnte auch diese Bekanntmachung bei der Klägerin kein berechtigtes Vertrauen entstehen lassen.

161    Daraus folgt, dass der fünfte Klagegrund zurückzuweisen ist.

 Zum sechsten Klagegrund: Verletzung des Rechts auf Achtung der Privatsphäre und der Verteidigungsrechte

162    Nach Ansicht der Klägerin ist keine der drei Voraussetzungen erfüllt, damit der Eingriff in das durch Art. 7 der Charta und durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht durch den angefochtenen Beschluss als gerechtfertigt angesehen werden kann. So sei der Eingriff gesetzlich nicht vorgesehen, verfolge er keinen legitimen Zweck, insbesondere aufgrund des Fehlens von hinreichend ernsthaften Indizien für den Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln durch die Klägerin, und sei er in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig, insbesondere angesichts der von der tschechischen Wettbewerbsbehörde durchgeführten Untersuchung und der beiden laufenden Gerichtsverfahren.

163    Zudem verletze der angefochtene Beschluss das durch Art. 48 der Charta und durch Art. 6 EMRK gewährleistete Recht, insbesondere das Recht der Klägerin, in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden. Was die Art der Beschuldigung betreffe, sei der angefochtene Beschluss nämlich zu weit gefasst und was den Grund der Beschuldigung betreffe, enthalte er keine konkreten Beweise.

164    Die Kommission beantragt, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum ersten Teil des sechsten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 7 der Charta und gegen Art. 8 EMRK

165    Nach Art. 7 der Charta hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.

166    Insoweit sieht Art. 52 Abs. 1 der Charta vor, dass jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten muss. Zudem dürfen Einschränkungen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

167    In Bezug auf Art. 8 EMRK sieht Art. 52 Abs. 3 der Charta vor: „Soweit diese Charta Rechte enthält, die den durch die [EMRK] garantierten Rechten entsprechen, haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird.“

168    Auch die Erläuterungen zur Charta (ABl. 2007, C 303, S. 17) stellen in Bezug auf Art. 7 der Charta klar:

„Nach Artikel 52 Absatz 3 der Charta haben diese Rechte die gleiche Bedeutung und Tragweite wie die Rechte aus dem entsprechenden Artikel der EMRK. Ihre möglichen legitimen Einschränkungen sind daher diejenigen, die der genannte Artikel 8 gestattet: ‚… 2. Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.‘“

169    Da sich aus der Rechtsprechung ergibt, dass die Ausübung der der Kommission durch Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 übertragenen Nachprüfungsbefugnisse bei einem Unternehmen einen offensichtlichen Eingriff in dessen Recht auf Achtung seiner Privatsphäre, seiner Räumlichkeiten und seiner Korrespondenz darstellt (Urteil vom 6. September 2013, Deutsche Bahn u. a./Kommission, T‑289/11, T‑290/11 und T‑521/11, EU:T:2013:404, Rn. 65), ist daher zu prüfen, ob der angefochtene Beschluss die in Art. 52 Abs. 1 der Charta und in Art. 8 Abs. 2 EMRK festgelegten Bedingungen erfüllt.

170    Nach diesen Bedingungen muss die Einschränkung zunächst gesetzlich vorgesehen sein. Die betreffende Maßnahme muss also eine Rechtsgrundlage haben (vgl. entsprechend Urteil vom 28. Mai 2013, Trabelsi u. a./Rat, T‑187/11, EU:T:2013:273, Rn. 79 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

171    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem angefochtenen Beschluss, dass er auf der Grundlage von Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 erlassen wurde, wobei diese Bestimmung die Befugnis der Kommission zur Anordnung von Nachprüfungen vorsieht, zu deren Duldung die Unternehmen und Unternehmensvereinigungen verpflichtet sind.

172    Die Bedingung, dass jeder Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens „gesetzlich vorgesehen“ sein muss, ist somit erfüllt.

173    Was sodann die Bedingung betrifft, dass unter Achtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Einschränkungen nur vorgenommen werden dürfen, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen, ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die der Kommission in Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 eingeräumten Befugnisse ihr die Erfüllung des ihr in den Verträgen erteilten Auftrags ermöglichen, über die Einhaltung der Wettbewerbsregeln im Binnenmarkt zu wachen. Diese Regeln sollen Wettbewerbsverfälschungen zum Schaden des öffentlichen Interesses, der einzelnen Unternehmen und der Verbraucher vermeiden helfen. Die Ausübung der der Kommission in der Verordnung Nr. 1/2003 übertragenen Befugnisse dient der Aufrechterhaltung der vom Vertrag gewollten Wettbewerbsordnung, die Unternehmen zu achten haben. Somit wird das durch Art. 7 der Charta und Art. 8 EMRK verliehene Recht nicht dadurch gefährdet, dass der Kommission in der Verordnung Nr. 1/2003 Befugnisse zur Durchführung von Nachprüfungen ohne vorherige Mitteilung eingeräumt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Juni 1980, National Panasonic/Kommission, 136/79, EU:C:1980:169, Rn. 20).

174    Unter Berücksichtigung der Analyse der anderen Klagegründe, auf die die Klägerin in diesem Zusammenhang verweist, entspricht der angefochtene Beschluss, der auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1/2003 erlassen wurde, daher auch den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen.

175    Was schließlich die Frage angeht, ob der angefochtene Beschluss über das für die Erreichung des oben in Rn. 173 genannten Ziels erforderliche Maß hinausgeht, genügt der Hinweis, dass diese Frage bereits im Rahmen des ersten Klagegrundes behandelt worden ist. Am Ende dieser Beurteilung wurde der Schluss gezogen, dass der angefochtene Beschluss unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Prüfung des zweiten und dritten Klagegrundes sehr wohl unter Achtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erlassen worden war.

176    Unter diesen Umständen ist der erste Teil des sechsten Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen Art. 7 der Charta und gegen Art. 8 EMRK gerügt wird, zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des sechsten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 48 der Charta und gegen Art. 6 EMRK

177    Nach Art. 48 Abs. 2 der Charta „[wird j]edem Angeklagten die Achtung der Verteidigungsrechte gewährleistet“.

178    In den Erläuterungen zur Charta heißt es in Bezug auf Art. 6 EMRK:

„Artikel 48 entspricht Artikel 6 Absätze 2 und 3 EMRK … Nach Artikel 52 Absatz 3 hat dieses Recht dieselbe Bedeutung und dieselbe Tragweite wie das durch die EMRK garantierte Recht.“

179    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsverfahren nach der Verordnung Nr. 1/2003 vor der Kommission in zwei unterschiedliche, aufeinander folgende Abschnitte unterteilt ist, die jeweils einer eigenen inneren Logik folgen, nämlich einen Abschnitt der Voruntersuchung und einen kontradiktorischen Abschnitt. Der Abschnitt der Voruntersuchung, in dem die Kommission von ihren in der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Untersuchungsbefugnissen Gebrauch macht und der bis zur Mitteilung der Beschwerdepunkte währt, soll es der Kommission ermöglichen, alle relevanten Elemente zusammenzutragen, durch die das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsvorschriften bestätigt oder nicht bestätigt wird, und eine erste Position zur Ausrichtung und zum Gang des Verfahrens einzunehmen. Dagegen hat es der zweite Abschnitt, der sich von der Mitteilung der Beschwerdepunkte bis zum Erlass der abschließenden Entscheidung erstreckt, der Kommission zu ermöglichen, sich abschließend zu der gerügten Zuwiderhandlung zu äußern (vgl. Urteil vom 8. Juli 2008, AC‑Treuhand/Kommission, T‑99/04, EU:T:2008:256, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

180    Was zum einen den Abschnitt der Voruntersuchung anbelangt, hat der Gerichtshof ausgeführt, dass dieser Abschnitt beginnt, wenn die Kommission in Ausübung der ihr durch die Art. 18 und 20 der Verordnung Nr. 1/2003 verliehenen Befugnisse Maßnahmen trifft, die mit dem Vorwurf verbunden sind, eine Zuwiderhandlung begangen zu haben, und erhebliche Auswirkungen auf die Situation der unter Verdacht stehenden Unternehmen haben. Zum anderen ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass das betroffene Unternehmen erst zu Beginn des kontradiktorischen Abschnitts des Verwaltungsverfahrens durch die Mitteilung der Beschwerdepunkte über alle wesentlichen Gesichtspunkte informiert wird, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, und zur Sicherstellung der wirksamen Ausübung seiner Verteidigungsrechte über ein Recht auf Zugang zu den Akten verfügt. Folglich kann das betroffene Unternehmen seine Verteidigungsrechte erst nach Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte umfassend geltend machen. Durch die Erstreckung dieser Rechte auf den Zeitraum vor Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte würde nämlich die Effizienz der von der Kommission geführten Untersuchung beeinträchtigt, da das betroffene Unternehmen schon im Abschnitt der Voruntersuchung erfahren würde, welche Informationen der Kommission bekannt sind und welche damit noch vor ihr verborgen werden können (vgl. Urteil vom 8. Juli 2008, AC‑Treuhand/Kommission, T‑99/04, EU:T:2008:256, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

181    Gewiss implizieren die von der Kommission im Abschnitt der Voruntersuchung ergriffenen Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere die Nachprüfungsmaßnahmen und die Auskunftsverlangen gemäß den Art. 18 und 20 der Verordnung Nr. 1/2003, naturgemäß den Vorwurf einer Zuwiderhandlung und können erhebliche Auswirkungen auf die Situation der unter Verdacht stehenden Unternehmen haben (Urteil vom 8. Juli 2008, AC‑Treuhand/Kommission, T‑99/04, EU:T:2008:256, Rn. 50). Denn auch wenn das betroffene Unternehmen aus formeller Sicht während des Abschnitts der Voruntersuchung nicht den Status eines „Beschuldigten“ hat, lässt sich die Einleitung einer Untersuchung gegen dieses Unternehmen, insbesondere dadurch, dass eine es betreffende Ermittlungsmaßnahme getroffen wird, aus materieller Sicht in aller Regel nicht vom Vorliegen eines Verdachts und damit von einem implizierten Vorwurf trennen, der es rechtfertigt, dass diese Maßnahme getroffen wird (Urteil vom 8. Juli 2008, AC‑Treuhand/Kommission, T‑99/04, EU:T:2008:256, Rn. 52). Folglich muss verhindert werden, dass die Verteidigungsrechte in diesem Abschnitt des Verwaltungsverfahrens in nicht wiedergutzumachender Weise beeinträchtigt werden können, da die getroffenen Ermittlungsmaßnahmen für die Erbringung von Beweisen für rechtswidrige Verhaltensweisen von Unternehmen, die geeignet sind, deren Haftung auszulösen, von entscheidender Bedeutung sein können (Urteil vom 8. Juli 2008, AC‑Treuhand/Kommission, T‑99/04, EU:T:2008:256, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daraus folgt, dass die Kommission verpflichtet ist, das betroffene Unternehmen im Stadium der ersten gegen es ergriffenen Maßnahme über Gegenstand und Zweck der laufenden Ermittlungen zu informieren. Insoweit muss die Begründung das Unternehmen insbesondere in die Lage versetzen, den Zweck und den Gegenstand der Ermittlungen nachzuvollziehen, was voraussetzt, dass die vermutete Zuwiderhandlung benannt und in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen wird, dass das Unternehmen in Bezug auf diese eventuelle Zuwiderhandlung Vorwürfen ausgesetzt sein kann, damit es die Maßnahmen, die es zu seiner Entlastung für sachdienlich hält, ergreifen und somit seine Verteidigung im kontradiktorischen Abschnitt des Verwaltungsverfahrens vorbereiten kann (Urteil vom 8. Juli 2008, AC‑Treuhand/Kommission, T‑99/04, EU:T:2008:256, Rn. 56).

182    Unter Berücksichtigung der Prüfung des zweiten und des dritten Klagegrundes, nach deren Abschluss der Schluss gezogen worden ist, dass der angefochtene Beschluss insoweit für nichtig zu erklären ist, als er andere Strecken als die Strecke Prag–Ostrava und ein anderes Verhalten als die angebliche Praxis von Preisen unter den Gestehungskosten betrifft, ist festzustellen, dass überdies die Begründung des angefochtenen Beschlusses den sich aus der Verordnung Nr. 1/2003 und der Rechtsprechung ergebenden Anforderungen genügt.

183    Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der angefochtene, im Rahmen des Abschnitts der Voruntersuchung des Verwaltungsverfahrens nach der Verordnung Nr. 1/2003 ergangene Beschluss unter Wahrung der Verteidigungsrechte der Klägerin erlassen wurde.

184    Der zweite Teil des sechsten Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen Art. 48 der Charta und gegen Art. 6 EMRK gerügt wird, ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

185    Daher ist der sechste Klagegrund zurückzuweisen.

186    Aus alledem ergibt sich, dass erstens der angefochtene Beschluss insoweit für nichtig zu erklären ist, als er andere Strecken als die Strecke Prag–Ostrava und ein anderes Verhalten als die angebliche Praxis von Preisen unter den Gestehungskosten betrifft, und dass zweitens die Klage im Übrigen abzuweisen ist.

 Kosten

187    Nach Art. 134 Abs. 3 der Verfahrensordnung trägt jede Partei ihre eigenen Kosten, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Das Gericht kann jedoch entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint.

188    Da die angefochtene Entscheidung teilweise aufzuheben ist, ist das Gericht im vorliegenden Fall der Ansicht, dass jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen sind.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der in einem Verfahren nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 erlassene Beschluss C(2016) 2417 final der Kommission vom 18. April 2016, der sich an die České dráhy, a.s. sowie an alle von dieser direkt oder indirekt kontrollierten Gesellschaften richtet und mit dem ihnen die Duldung einer Nachprüfung aufgegeben wird (Sache AT.40156 – Falcon), wird insoweit für nichtig erklärt, als er andere Strecken als die Strecke Prag–Ostrava und ein anderes Verhalten als die angebliche Praxis von Preisen unter den Gestehungskosten betrifft.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Collins

Barents

Passer

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. Juni 2018.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Tschechisch.