Language of document : ECLI:EU:T:2018:890

URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)

7. Dezember 2018(*)

„Staatliche Beihilfen – Beihilfe Belgiens zugunsten der Finanzgenossenschaftsgesellschaften der ARCO-Gruppe – Garantieregelung zum Schutz der Anteile privater Anteilseigner an diesen Genossenschaften – Entscheidung, die Beihilfe mit dem Binnenmarkt für unvereinbar zu erklären und die Zahlungen von garantierten Beträgen an die Anteilseigner zu verbieten – Streitgegenstand – Rückforderung – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache T‑664/14,

Königreich Belgien, vertreten durch C. Pochet und J.‑C. Halleux als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt J. Meyers, avocat,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch L. Flynn und B. Stromsky als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Art. 2 Abs. 4 des Beschlusses 2014/686/EU der Kommission vom 3. Juli 2014 über die staatliche Beihilfe SA.33927 (12/C) (ex 11/NN) Belgiens – Garantieregelung zum Schutz der Anteile privater Anteilseigner an Finanzgenossenschaften (ABl. 2014, L 284, S. 53)

erlässt

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Frimodt Nielsen (Berichterstatter) sowie der Richter V. Kreuschitz und I. S. Forrester, der Richterin N. Półtorak und des Richters E. Perillo,

Kanzler: G. Predonzani, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2017

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

 ARCO-Gruppe

1        Arcofin SCRL, Arcopar SCRL und Arcoplus (im Folgenden: ARCO-Gruppe) sind Finanzgenossenschaftsgesellschaften mit beschränkter Haftung (im Folgenden: Finanzgenossenschaften), die dem belgischen Recht unterliegen. Diese Gesellschaften, die sich alle drei in Liquidation befinden, wurden in den 1930er Jahren gegründet, um die Tätigkeiten des Mouvement ouvrier chrétien (Christliche Arbeiterbewegung) und des Algemeen Christelijk Werknemersverbond (Allgemeiner Christlicher Arbeitnehmerverband) zu koordinieren und diese Aktivitäten finanziell zu unterstützen, indem sie sich insbesondere für Aufgaben im sozialen Bereich einsetzen.

2        Die ARCO-Gruppe zählt mehr als 800 000 Anteilseigner, von denen 99 % natürliche Personen sind (im Folgenden: Anteilseigner). Das Königreich Belgien trägt vor, die durchschnittliche Beteiligung von Anteilseignern betrage 2 000 Euro.

3        Arcofin wurde im Jahr 2001 Hauptaktionär von Dexia SA, an deren Kapital sie zu 15 % beteiligt war. Am 3. Oktober 2008 beteiligte sie sich an dem Programm zur Rettung von Dexia, indem sie in Höhe von 350 Mio. Euro eine Kapitalerhöhung zeichnete, die sich auf insgesamt 6 Mrd. Euro belief. Seit 2008 hat die ARCO-Gruppe keine neuen Anteile ausgegeben. Zwischen 2008 und 2011 verlor sie 7 % ihrer Anteilseigner.

4        Am 8. Dezember 2011 billigten die Hauptversammlungen der ARCO-Gruppe die Eröffnung ihrer freiwilligen Liquidation.

 Streitige Maßnahme

5        Am 10. Oktober 2008 teilte die belgische Regierung in einer Pressemitteilung des Sekretariats des Ministers der Finanzen ihre Absicht mit, die damals zugunsten der Einleger in den Kreditinstituten bestehende Garantieregelung auf Versicherungsgesellschaften und Finanzgenossenschaften auszuweiten und die Garantie auf 100 000 Euro anzuheben. Es war damals vorgesehen, dass die Beteiligung dieser neuen Einrichtungen an einem Garantiefonds auf freiwilliger Basis erfolgen sollte. Diese Absicht wurde dem belgischen Parlament am 14. Oktober 2008 in einem Gesetzentwurf vorgelegt, der aufgrund von Dringlichkeit am folgenden Tag angenommen wurde (Gesetz vom 15. Oktober 2008 zur Festlegung von Maßnahmen zur Förderung der Finanzstabilität und insbesondere zur Einführung einer Staatsgarantie für gewährte Kredite und sonstige Transaktionen im Rahmen der finanziellen Stabilität, Moniteur belge vom 17. Oktober 2008, S. 55634).

6        Am 21. Januar 2009 bestätigten der belgische Ministerpräsident und der Minister der Finanzen in einer gemeinsamen Pressemitteilung die von der vorherigen Regierung gemachte Zusage, nicht institutionellen Anteilseignern von Finanzgenossenschaften eine Garantieregelung anzubieten. Diese Regelung sollte u. a. folgende Elemente enthalten:

–        die Zahlung einer Bürgschaftsprämie durch die betroffenen Gesellschaften;

–        die Zusage der institutionellen Anteilseigner, ihre Beteiligung während der gesamten Laufzeit der Garantie aufrechtzuerhalten;

–        eine Begrenzung der „jährlichen Vergütung“ der Anteilseigner, sowohl der privaten (genossenschaftlichen) als auch der institutionellen;

–        einen zusätzlichen finanziellen Beitrag, der von den betreffenden Gesellschaften gezahlt werden sollte, falls die eingenommenen Dividenden eine Mindestschwelle überschreiten;

–        auszuarbeitende Modalitäten, die es den Behörden ermöglichen sollten, im Fall der Rücknahme der Garantieregelung an den Wertzuwächsen beteiligt zu werden.

7        Das belgische Parlament erließ daraufhin das Gesetz vom 14. April 2009 zur Änderung des Gesetzes vom 2. August 2002 über die Aufsicht über den Finanzsektor und die Finanzdienstleistungen (Moniteur belge vom 21. April 2009, S. 32106), um es der Regierung zu ermöglichen, ein Garantiesystem einzurichten, das insbesondere die Anteilseigner der anerkannten Genossenschaften begünstigt, die der Aufsicht der belgischen Nationalbank unterliegen oder mindestens die Hälfte ihrer Vermögenswerte in eine Einrichtung investiert haben, die einer solchen Aufsicht unterliegt, was bei Finanzgenossenschaften wie der ARCO-Gruppe der Fall ist.

8        Diese Bestimmungen wurden in Art. 36/24 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes vom 22. Februar 1998 zur Festlegung des Grundlagenstatuts der Belgischen Nationalbank (in der geänderten Fassung) aufgenommen. Der auf der Grundlage dieses Artikels verabschiedete Königliche Erlass vom 10. Oktober 2011 zur Änderung des Königlichen Erlasses vom 14. November 2008 zur Durchführung des Gesetzes vom 15. Oktober 2008 und zur Änderung des Gesetzes vom 2. August 2002 (Moniteur belge vom 12. Oktober 2011, S. 62641) ermöglichte es den Finanzgenossenschaften, die dies wünschten, einen Antrag auf Mitgliedschaft in der von den vorhergehenden Maßnahmen vorgesehenen Garantieregelung zu stellen. Die Gesellschaften, die entschieden, dieser Regelung beizutreten, mussten zugunsten des Sonderschutzfonds für Einlagen, Lebensversicherungen und das Kapital zugelassener Genossenschaftsgesellschaften (im Folgenden: Sondervermögen), der durch den Königlichen Erlass vom 14. November 2008 zur Durchführung des Gesetzes vom 15. Oktober 2008 und zur Änderung des Gesetzes vom 2. August 2002 über die Aufsicht über den Finanzsektor und die Finanzdienstleistungen errichtet wurden (Moniteur belge vom 17. November 2008, S. 4088) geschaffen worden war, einen Jahresbeitrag in Höhe von 0,15 % des garantierten Gesamtbetrags sowie Eintrittsgebühren in Höhe von 0,1 % dieses Betrags entrichten. Die Garantie durfte nur im Falle einer Insolvenz der Gesellschaft oder eines durch die belgische Finanzaufsichtsbehörde festgestellten Fehlers ausgeübt werden. Nur von natürlichen Personen vor Inkrafttreten des Königlichen Erlasses vom 10. Oktober 2011 gezeichnetes Kapital fiel unter die Garantie in Höhe von bis zu 100 000 Euro für jede natürliche Person. Die Auszahlung der Garantie sollte durch das Sondervermögen und im Fall einer Erschöpfung der verfügbaren finanziellen Mittel des Fonds durch die Kasse für die Hinterlegung öffentlicher Gelder (Caisse des dépôts et consignations) (Belgien) erfolgen.

9        Die ARCO-Gruppe stellte am 13. Oktober 2011 einen Antrag auf Beitritt zur Garantieregelung. Dieser Antrag wurde vom belgischen Ministerrat am 15. Oktober 2011 genehmigt und diese Genehmigung wurde am selben Tag veröffentlicht. Der Beitrittsantrag der ARCO-Gruppe wurde durch den Königlichen Erlass vom 7. November 2011 zur Gewährung einer Garantie zum Schutz des Kapitals zugelassener Genossenschaftsgesellschaften (Moniteur belge vom 18. November 2011, S. 68640), der am 14. Oktober 2011 gemäß seinem Art. 3 in Kraft trat (im Folgenden: Garantie oder fragliche Maßnahme) formal angenommen. Keine andere Finanzgenossenschaft stellte einen Antrag auf Beitritt zur Garantieregelung.

10      Die ARCO-Gruppe überwies daraufhin dem Sondervermögen die vorgesehenen Beträge. Ihr Beitritt zur Garantieregelung war an eine Reihe von Bedingungen geknüpft, insbesondere dass keine neuen öffentlichen Angebote neuer Anteile an natürliche Personen erfolgen, die Begrenzung des Zinssatzes auf die investierten Mittel und die Zusage der institutionellen Anteilseigner, das von ihnen investierte Kapital nicht zurückzuziehen. Der Königliche Erlass vom 7. November 2011 wies außerdem darauf hin, dass das Sondervermögen Anteilseigner erst entschädigen müsse, wenn die gegebenenfalls von der Hauptversammlung der ARCO-Gruppe genehmigte abschließende Liquidationsanweisung hinterlegt worden sei.

11      Wie oben in Rn. 4 ausgeführt, trat die ARCO-Gruppe am 8. Dezember 2011 in die freiwillige Liquidation ein.

 Verwaltungsverfahren

12      Am 7. November 2011 meldete das Königreich Belgien die Garantie bei der Europäischen Kommission an.

13      Mit Schreiben vom 6. Dezember 2011 teilte die Kommission dem Königreich Belgien mit, dass die Garantie möglicherweise eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare rechtswidrige staatliche Beihilfe darstelle, und forderte dieses auf, von weiteren Maßnahmen zur Durchführung abzusehen. Die belgischen Behörden antworteten auf dieses Schreiben mit Schreiben vom 22. Dezember 2011.

14      Mit Beschluss vom 3. April 2012 entschied die Kommission, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV in Bezug auf die Garantie zu eröffnen (im Folgenden: Eröffnungsbeschluss). Am 19. Juli 2012 wurde der Eröffnungsbeschluss mit dem Titel „Staatliche Beihilfe SA.33927 (2012/C) (ex 2011/NN) – Garantieregelung zum Schutz der Anteile privater Aktionäre von Finanzgenossenschaften – Aufforderung zur Stellungnahme nach Art. 108 Abs. 2 AEUV“ im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (ABl. 2012, C 213, S. 64). In dem genannten Beschluss gab die Kommission dem Königreich Belgien gemäß Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1) im Übrigen auf, von der Umsetzung der fraglichen Maßnahme weiterhin abzusehen, bis sie eine Entscheidung über deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt getroffen habe.

15      Das Königreich Belgien übermittelte am 18. Juni 2012 eine Stellungnahme zum Eröffnungsbeschluss. Es antwortete mit Schreiben vom 5. Dezember 2012 und vom 20. September 2013 auf Fragen der Kommission.

16      Am 17. August 2012 legte auch die ARCO-Gruppe der Kommission ihre Stellungnahme vor. Die Kommission leitete diese Stellungnahme an das Königreich Belgien weiter, das der Kommission mit Schreiben vom 16. Oktober 2012 mitteilte, dass es keinen Anlass sehe, sich hierzu zu äußern.

 Angefochtener Beschluss

17      Am 3. Juli 2014 erließ die Kommission den Beschluss 2014/686/EU über die staatliche Beihilfe SA.33927 (12/C) (ex 11/NN) Belgiens – Garantieregelung zum Schutz der Anteile privater Anteilseigner an Finanzgenossenschaften (ABl. 2014, L 284, S. 53, im Folgenden: angefochtener Beschluss). Sie kam darin zu dem Schluss, dass die Garantie eine der ARCO-Gruppe gewährte staatliche Beihilfe darstelle, die vom Königreich Belgien rechtswidrig durchgeführt worden und mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei (Art. 1 des angefochtenen Beschlusses).

18      In dem angefochtenen Beschluss ging die Kommission davon aus, dass die ARCO-Gruppe der tatsächliche Empfänger der fraglichen Beihilfe sei und die Beihilfe aus einem Bündel von Maßnahmen bestehe, nämlich der Ankündigung vom 10. Oktober 2008 (siehe oben, Rn. 5), der Pressemitteilung vom 21. Januar 2009 (siehe oben, Rn. 6) sowie dem Beitritt der ARCO-Gruppe zur Garantieregelung (Erwägungsgründe 80 bis 90 des angefochtenen Beschlusses).

19      In diesem Zusammenhang stellte die Kommission fest, dass die Garantie der ARCO-Gruppe einen selektiven Vorteil verschafft habe, indem sie es ihr ermöglicht habe, Kapital zu gewinnen oder zu behalten. Die Selektivität dieses Vorteils werde im Übrigen dadurch belegt, dass nur die Finanzgenossenschaften für die Garantie in Betracht gekommen seien. In jedem Fall sei die Garantie, die den Anlegern, die Anteile der ARCO-Gruppe erworben hätten, gewährt worden sei, insofern, als sie sich auf alle von ihnen investierten Mittel bezogen habe, unverhältnismäßig, was jede Rechtfertigung der fraglichen Maßnahme anhand der Kriterien für die Beurteilung des Vorliegens von Vorteilen, die mit Sinn und Zweck des Steuersystems begründet werden könnten, ausschließe, selbst wenn diese Kriterien im vorliegenden Fall anwendbar wären (Erwägungsgründe 100 bis 107 des angefochtenen Beschlusses). Nachdem die Kommission die anderen Kriterien nach Art. 107 Abs. 1 AEUV geprüft hatte, gelangte sie daher zu dem Schluss, dass die Garantie eine staatliche Beihilfe im Sinne dieser Bestimmung darstelle (110. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

20      Darüber hinaus vertrat die Kommission in Bezug auf die Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt die Auffassung, dass als einzige im vorliegenden Fall anwendbare Rechtsgrundlage Art. 107 Abs. 3 AEUV in Betracht komme. Die fragliche Maßnahme sei jedoch weder geeignet noch erforderlich noch stehe sie im Verhältnis zum Ziel der Behebung einer beträchtlichen Störung des belgischen Wirtschaftslebens. Sie könne daher nicht als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden (Erwägungsgründe 111 bis 129 des angefochtenen Beschlusses).

21      Schließlich definierte die Kommission eine Methode zur Ermittlung des Betrags des von der ARCO-Gruppe zurückzufordernden Vorteils und forderte das Königreich Belgien auf, ihr die erforderlichen Daten zu übermitteln. Sie wies außerdem darauf hin, dass sie nach Art. 108 Abs. 3 AEUV berechtigt sei, Belgien anzuweisen, von allen weiteren Zahlungen an Anteilseigner im Rahmen der Garantie Abstand zu nehmen (Erwägungsgründe 130 bis 142 des angefochtenen Beschlusses).

22      Folglich gab die Kommission dem Königreich Belgien in des angefochtenen Beschlusses die Rückforderung des ungerechtfertigten Vorteils von der ARCO-Gruppe auf, den diese nach ihrer Ansicht erhalten hatte (Art. 2 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses). Darüber hinaus gab die Kommission dem Königreich Belgien auf, die Gesetze und Verordnungen, auf die sich die Garantie stützte, zurückzuziehen (143. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), und untersagte ihm deren Umsetzung zugunsten der Anteilseigner (Art. 2 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses).

 Nationale Verfahren und Vorabentscheidungsersuchen zur Beurteilung der Gültigkeit des angefochtenen Beschlusses

 Anfechtung der Garantie vor dem nationalen Gericht

23      Im Dezember 2011 und im Januar 2012 wurden drei Klagen von natürlichen Personen, vom Organisme voor de financiering van pensioenen Ogeo Fund (Vereinigung zur Finanzierung von Pensionen Ogeo Fund) und von der Gemeente Schaarbeek (Gemeinde Schaerbeek, Belgien) beim Conseil d’État (Staatsrat, Belgien) eingereicht. Diese Klagen waren auf Nichtigerklärung der Königlichen Erlasse vom 10. Oktober 2011 (siehe oben, Rn. 8) und vom 7. November 2011 (siehe oben, Rn. 9) gerichtet. Zu diesem Zweck machten die Kläger im Wesentlichen geltend, dass diese Königlichen Erlasse den in der belgischen Verfassung verankerten Grundsatz der Gleichheit verletzten, da sie eine Ungleichbehandlung vorsähen zwischen den Anteilseignern, die die insbesondere durch die genannten Königlichen Erlasse eingeführte Garantieregelung in Anspruch nehmen könnten, und natürlichen Personen, die Anteilseigner von anderen dem Finanzsektor nahestehenden Gesellschaften seien, die von dieser Regelung ausgeschlossen seien.

24      Der Conseil d’État (Staatsrat) stellte fest, dass die Königlichen Erlasse vom 10. Oktober 2011 und vom 7. November 2011 ihre Grundlage in Art. 36/24 des Gesetzes vom 22. Februar 1998 hätten (siehe oben, Rn. 8), dass sie daher zu den Begrenzungen zählten, die der belgische Gesetzgeber selbst eingeführt habe, und dass die gerügte Ungleichbehandlung auf einer gesetzlichen Vorschrift beruhe, und legte dem Verfassungsgerichtshof (Belgien) deshalb mehrere Fragen zur Vereinbarkeit dieses Artikels mit der belgischen Verfassung zur Vorabentscheidung vor.

25      Um über diese Fragen entscheiden zu können, hielt es der Verfassungsgerichtshof für erforderlich, vorab die Vereinbarkeit von Art. 36/24 des Gesetzes vom 22. Februar 1998 mit dem Recht der Europäischen Union zu klären. Zu diesem Zweck legte es dem Gerichtshof in der Rechtssache C‑76/15 sechs Fragen zur Vorabentscheidung vor, von denen fünf die Gültigkeit des angefochtenen Beschlusses sowie die sich im vorliegenden Fall für das Königreich Belgien aus Art. 108 Abs. 3 AEUV ergebenden Verpflichtungen betrafen.

 Urteil vom 21. Dezember 2016, Vervloet u. a. (C76/15)

26      Gegenstand der ersten dem Gerichtshof gestellten Vorlagefrage war die Beurteilung der Vereinbarkeit der Garantie im Hinblick auf die Art. 2 und 3 der Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme (ABl. 1994, L 135, S. 5), geändert durch die Richtlinie 2005/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2005 zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 85/611/EWG, 91/675/EWG, 92/49/EWG und 93/6/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/19, 98/78/EG, 2000/12/EG, 2001/34/EG, 2002/83/EG und 2002/87/EG zur Schaffung einer neuen Ausschussstruktur im Finanzdienstleistungsbereich (ABl. 2005, L 79, S. 9). Die zweite Vorlagefrage betraf die Gültigkeit des angefochtenen Beschlusses. Die restlichen vier Fragen bezogen sich ihrerseits auf die Vereinbarkeit der Garantie mit den Verpflichtungen, die sich für die Mitgliedstaaten aus Art. 108 Abs. 3 AEUV ergeben.

27      In Beantwortung der Fragen der Cour constitutionnelle (Verfassungsgerichtshof) hat der Gerichtshof das Urteil vom 21. Dezember 2016, Vervloet u. a. (C‑76/15, EU:C:2016:975), erlassen, dessen Tenor wie folgt lautet:

„1.      Die Art. 2 und 3 der Richtlinie [94/19] sind dahin auszulegen, dass sie weder den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auferlegen, eine Garantieregelung für die Anteile an [Finanzgenossenschaften] wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zu erlassen, noch dem entgegenstehen, dass ein Mitgliedstaat eine solche Regelung erlässt, soweit diese Regelung die praktische Wirksamkeit der Einlagensicherungsregelung, die einzuführen diese Richtlinie den Mitgliedstaaten vorschreibt, nicht beeinträchtigt, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, und sie mit dem AEU‑Vertrag, namentlich den Art. 107 und 108 AEUV, in Einklang steht.

2.      Die Prüfung der … zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit des [angefochtenen] Beschlusses … beeinträchtigen könnte.

3.      Art. 108 Abs. 3 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Garantieregelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, soweit diese unter Verstoß gegen die sich aus dieser Vorschrift ergebenden Verpflichtungen durchgeführt wurde.“

 Fortgang nach nationalem Recht

28      Mit Urteil vom 15. Juni 2017 stellte die Cour constitutionnelle (Verfassungsgerichtshof) die Verfassungswidrigkeit des Art. 36/24 des Gesetzes vom 22. Februar 1998 fest. Der Verfassungsgerichtshof stützte seine Entscheidung u. a. auf die Feststellung durch den Gerichtshof, dass die fragliche Maßnahme eine rechtswidrige staatliche Beihilfe darstelle.

29      Mit Urteil vom 6. März 2018 hob der Conseil d’État (Staatsrat) die Königlichen Erlasse vom 10. Oktober 2011 (siehe oben, Rn. 8) und vom 7. November 2011 (siehe oben, Rn. 9) auf.

 Rechtssache T711/14

30      Mit Klageschrift, die am 7. Oktober 2014 bei der Kanzlei des Gerichts einging (Rechtssache T‑711/14), erhob die ARCO-Gruppe Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses. Im Rahmen ihrer Klage widersprach die ARCO-Gruppe insbesondere sowohl der Auffassung der Kommission, dass die fragliche Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstelle, deren Empfängerin sie sei, als auch der Ansicht, dass die fragliche Beihilfe nicht als mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden könne. Die ARCO-Gruppe widersprach auch dem an das Königreich Belgien gerichteten Verbot, den Anteilseignern die garantierten Beträge zu zahlen, das Gegenstand der vorliegenden Klage ist.

31      Mit Beschluss vom 9. Februar 2018, Arcofin u. a./Kommission (T‑711/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:80), wies das Gericht die Klage als teils offensichtlich unzulässig und teils jeglicher rechtlichen Grundlage entbehrend ab. Insbesondere wurde die Klage der ARCO-Gruppe, soweit mit ihr das an das Königreich Belgien gerichtete Verbot gerügt wurde, nach Abschluss der Liquidation die garantierten Beiträge an die Anteilseigner zu zahlen, in Ermangelung eines Interesses dieser Gruppe an der Anfechtung der durch das Königreich Belgien in der vorliegenden Klage beanstandeten Vorschrift als offensichtlich unzulässig abgewiesen.

 Verfahren und Anträge der Parteien

 Schriftliches Verfahren

32      Mit Klageschrift, die am 15. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Königreich Belgien die vorliegende Klage erhoben.

33      Mit Beschluss vom 12. Oktober 2015, der in Anwendung des Art. 69 Buchst. a der Verfahrensordnung des Gerichts erlassen wurde, hat der Präsident der Sechsten Kammer des Gerichts nach Anhörung der Parteien gemäß Art. 70 Abs. 1 der Verfahrensordnung das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache bis zur Verkündung des Urteils des Gerichtshofs ausgesetzt, weil die vom Verfassungsgerichtshof in der Rechtssache C‑76/15 eingereichte Vorlagefrage (siehe oben, Rn. 23 bis 26) die Gültigkeit des angefochtenen Beschlusses betraf und der Gerichtshof mit ihr aufgefordert war, einen wesentlichen Teil der von der ARCO-Gruppe in der Rechtssache T‑711/14 vorgebrachten Argumente zu prüfen, und weil die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits vom Ausgang der von diesen Gesellschaften erhobenen Klage abhängen konnte.

34      Diese Aussetzung endete mit der Verkündung des Urteils vom 21. Dezember 2016, Vervloet u. a. (C‑76/15, EU:C:2016:975) (siehe oben, Rn. 27).

35      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Dritten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

36      Am selben Tag hat das Gericht (Dritte Kammer) die Parteien gemäß Art. 89 Abs. 3 Buchst. a der Verfahrensordnung aufgefordert, sich zu den Schlussfolgerungen zu äußern, die nach ihrer Ansicht für die vorliegende Rechtssache aus dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil vom 21. Dezember 2016, Vervloet u. a. (C‑76/15, EU:C:2016:975), gezogen werden sollten.

37      Die Parteien sind diesen prozessleitenden Maßnahmen innerhalb der ihnen gesetzten Frist nachgekommen.

38      Mit prozessleitender Maßnahme vom 26. Juni 2017, die in Anwendung des Art. 89 Abs. 3 Buchst. a der Verfahrensordnung erlassen wurde, hat das Gericht (Dritte Kammer) die Parteien aufgefordert, insbesondere anzugeben,

–        welche Konsequenzen ihrer Ansicht nach im nationalen Recht aus der Ungültigerklärung des Art. 36/24 des Gesetzes vom 22. Februar 1998 durch den Verfassungsgerichtshof gezogen werden müssen;

–        welche Auswirkungen in Anbetracht der Antwort auf die vorstehende Frage eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses durch das Gericht haben kann.

39      Die Parteien haben diese Fragen innerhalb der ihnen gesetzten Fristen beantwortet.

40      Mit prozessleitender Maßnahme vom 12. September 2017, erlassen in Anwendung des Art. 89 Abs. 3 Buchst. a der Verfahrensordnung, hat das Gericht (Dritte Kammer) u. a.

–        das Königreich Belgien aufgefordert, zu bestimmten Teilen der Antworten der Kommission auf die oben in Rn. 38 genannten Fragen Stellung zu nehmen;

–        das Königreich Belgien erneut zu den Rechtsfolgen und dem Vorteil einer etwaigen Nichtigerklärung des Art. 2 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses durch das Gericht unter Berücksichtigung der Ungültigkeitserklärung von Art. 36/24 des Gesetzes vom 22. Februar 1998 durch den Verfassungsgerichtshof befragt.

41      Das Königreich Belgien hat auf diese Fragen innerhalb der gesetzten Fristen geantwortet, und der Kommission ist Gelegenheit gegeben worden, zu diesen Antworten Stellung zu nehmen.

42      Auf Vorschlag der Dritten Kammer hat das Gericht gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung entschieden, die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

 Mündliches Verfahren

43      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte erweiterte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen.

44      In der Sitzung vom 22. November 2017 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

45      Mit Schreiben vom 13. März 2018 hat das Königreich Belgien dem Gericht die Verkündung des oben in Rn. 29 genannten Urteils des Conseil d’État (Staatsrat) vom 6. März 2018 mitgeteilt.

46      Mit Schriftsatz, der am 14. März 2018 eingegangen ist, hat die Kommission beantragt, die Hauptsache für erledigt zu erklären.

47      Durch Beschluss der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts vom 23. März 2018 ist das mündliche Verfahren wiedereröffnet worden. In der Folge sind die oben unter Rn. 45 und 46 genannten Dokumente zu den Akten genommen und die Parteien aufgefordert worden, gegebenenfalls Stellungnahmen zu diesen Dokumenten abzugeben. Im Wege einer prozessleitenden Maßnahme gemäß Art. 89 Abs. 3 Buchst. b der Verfahrensordnung ist die Kommission gebeten worden, zu einigen vom Königreich Belgien in seinem Schreiben vom 13. März 2018 vorgebrachten Argumenten Stellung zu nehmen (siehe oben, Rn. 45).

48      Die Parteien haben ihre Stellungnahmen und Antworten auf die Fragen innerhalb der ihnen gesetzten Fristen übermittelt.

49      Mit prozessleitender Maßnahme vom 20. April 2018, erlassen in Anwendung des Art. 89 Abs. 3 Buchst. b der Verfahrensordnung ist die Kommission gebeten worden, zu einigen Argumenten Stellung zu nehmen, die das Königreich Belgien in seiner Stellungnahme zu dem Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache (siehe oben, Rn. 46) vorgebracht hatte.

50      Die Kommission ist dieser prozessleitenden Maßnahme fristgemäß nachgekommen.

51      Spontan durch das Königreich Belgien auf die Antworten der Kommission vorgebrachte Entgegnungen sind zu den Akten genommen worden.

52      Das mündliche Verfahren ist am 15. Mai 2018 abgeschlossen worden.

 Anträge der Parteien

53      Das Königreich Belgien beantragt,

–        Art. 2 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

54      Die Kommission beantragt im Wesentlichen,

–        festzustellen, dass der Rechtsstreit gegenstandslos geworden und daher in der Hauptsache für erledigt zu erklären ist;

–        hilfsweise, die Klage abzuweisen;

–        jedenfalls dem Königreich Belgien die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zum Streitgegenstand

55      Nach Auffassung der Kommission nimmt die Nichtigerklärung der Königlichen Erlasse vom 10. Oktober 2011 (siehe oben, Rn. 8) und vom 7. November 2011 (siehe oben, Rn. 9) durch den Conseil d’État (Staatsrat) in seinem oben in Rn. 29 angeführten Urteil vom 6. März 2018 der etwaigen Nichtigerklärung des Art. 2 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses jede rechtliche Wirkung. Denn dass das Königreich Belgien die garantierten Beträge nicht an die Anteilseigner auszahlen könne, folge nicht mehr aus dem in der angefochtenen Bestimmung enthaltenen Verbot, sondern aus dem rückwirkenden Wegfall der Rechtsakte, die die Rechtsgrundlage für diese Zahlung darstellten, in der belgischen Rechtsordnung. Die Kommission folgert daraus, dass der vorliegende Rechtsstreit gegenstandslos geworden sei, und beantragt daher, festzustellen, dass die Hauptsache erledigt ist.

56      Das Königreich Belgien wendet sich gegen diesen Antrag.

57      Die Bedingungen, unter denen der Unionsrichter ein Rechtsmittel, mit dem er befasst wird, für gegenstandslos zu erklären hat, und demgemäß festzustellen hat, dass sich die Hauptsache erledigt hat, wurden im Urteil vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission (C‑362/05 P, EU:C:2007:322‚ Rn. 41 bis 45 und 47 bis 53), präzisiert. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Streitgegenstand bis zum Erlass der gerichtlichen Entscheidung weiter vorliegen muss – andernfalls ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt –, was voraussetzt, dass die Klage der Partei, die sie erhoben hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. Urteil vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission, C‑362/05 P, EU:C:2007:322, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). So macht das Königreich Belgien zwar zu Recht geltend, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, nachzuweisen, dass sie ein Rechtsschutzinteresse an der Klage gegen die Bestimmungen haben, deren Nichtigerklärung sie beantragen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Unionsrichter, selbst wenn er von einem Mitgliedstaat befasst wird, festzustellen hat, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, wenn die beantragte Nichtigerklärung nicht geeignet ist, Rechtswirkungen zu erzeugen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. November 2005, Italien/Kommission, C‑138/03, C‑324/03 und C‑431/03, EU:C:2005:714, Rn. 25).

58      Insoweit hat der Gerichtshof klargestellt, dass eine Klage gegen einen von seinem Urheber im Laufe des Verfahrens zurückgezogenen Rechtsakt gegenstandslos wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission, C‑362/05 P, EU:C:2007:322, Rn. 47 und 48). Andererseits hingegen hat der Gerichtshof auch klargestellt, dass eine Klage gegen einen Rechtsakt, der mit einem Rechtsfehler behaftet ist, der sich in Zukunft unter von dem Einzelfall unabhängigen Umständen wiederholen kann, ihren Gegenstand behält (Urteil vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission, C‑362/05 P, EU:C:2007:322‚ Rn. 52).

59      Erstens ist festzustellen, dass Art. 2 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses nicht zurückgezogen worden und daher nicht rückwirkend weggefallen ist. Daraus folgt, dass, wenn das Gericht den Wegfall des Streitgegenstands feststellen und die Hauptsache für erledigt erklären würde, weil die Nichtigerklärung dieser Bestimmung ohne Rechtswirkungen bliebe, Art. 2 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses dennoch in der Rechtsordnung der Union verbliebe.

60      Zweitens hat, wie die Kommission zu Recht geltend macht, ohne dass dieser Punkt seitens des Königreichs Belgien bestritten wird, die Nichtigerklärung der Königlichen Erlasse vom 10. Oktober 2011 und vom 7. November 2011 durch den Conseil d’État (Staatsrat) die Umsetzung der Garantie, die in diesen Rechtsakten vorgesehen gewesen war, unmöglich gemacht, und zwar unabhängig von dem in Art. 2 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses ausgesprochenen Verbot. Daraus folgt, dass die Kommission zu Recht geltend macht, dass die Nichtigerklärung von Art. 2 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses es dem Königreich Belgien nicht erlauben würde, die Garantie so umzusetzen, wie sie in den Königlichen Erlassen vom 10. Oktober 2011 und vom 7. November 2011, die ihre Rechtsgrundlage darstellten, vorgesehen war.

61      Drittens macht das Königreich Belgien hingegen zu Recht geltend, dass die Weitergeltung des Art. 2 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses in der Rechtsordnung der Union nicht ohne Bedeutung ist. Eine eventuelle Nichtigerklärung dieser Vorschrift hätte daher nicht mit Sicherheit keinerlei rechtliche Wirkung.

62      Hierzu geht aus dem zwischen den Parteien nach der mündlichen Verhandlung erfolgten Austausch hervor, dass das Königreich Belgien mit der Kommission Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie die streitige Garantie prüft, um die Folgen der Liquidation der betreffenden Gesellschaften für die Anteilseigner abzumildern. Obwohl die Kommission erklärt, dass sie nicht grundsätzlich alle Entschädigungsmechanismen ablehne und dass es andere Gründe für ihre Ablehnung der Maßnahmen gebe, die ihr vorgelegt worden seien und zu denen informelle Verhandlungen eingeleitet worden seien, bleibt es dabei, dass sie in ihrer Antwort vom 7. Mai 2018 auf die Gefahr einer „Umgehung des angefochtenen Beschlusses“ verwiesen hat. Folglich kann nicht ausgeschlossen werden, dass der angefochtene Beschluss weiterhin Rechtswirkungen entfaltet.

63      Außerdem ist daran zu erinnern, dass die loyale Durchführung von Entscheidungen der Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen durch die Mitgliedstaaten eine Anwendung des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV darstellt und voraussetzt, dass die Mitgliedstaaten unter vollständiger Beachtung der Bestimmungen des Vertrags, insbesondere derjenigen über die Beihilfen, die notwendigen Anstrengungen zur Überwindung etwaiger Schwierigkeiten vollbringen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Mai 2005, Saxonia Edelmetalle und ZEMAG/Kommission, T‑111/01 und T‑133/01, EU:T:2005:166, Rn. 124 und die dort angeführte Rechtsprechung). Unabhängig von der Gefahr eines Vertragsverletzungsverfahrens, dem sich das Königreich Belgien nach eigenen Angaben für den Fall ausgesetzt sieht, dass die Kommission zu der Ansicht gelangt, dass die Maßnahmen, die es zugunsten der ehemaligen Anteilseigner der ARCO-Gruppe hätte umsetzen können, eine Umgehung des Verbots in Art. 2 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses darstellt, folgt aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, dass dieser Mitgliedstaat von sich aus jedes Verhalten unterlassen sollte, das eine solche Umgehung darstellen kann, wenn die streitige Bestimmung in Kraft bliebe. Daraus folgt, dass die Nichtigerklärung dieser Bestimmung für den Fall, dass die vorliegende Klage begründet wäre, nicht ohne Rechtswirkungen wäre.

64      Schließlich ist festzustellen, dass die Kommission im 140. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses sowie in den Ausführungen in der Sache, mit denen sie die Rechtmäßigkeit von Art. 2 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses belegen will, geltend macht, dass schon die Feststellung der Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt ausreiche, um den Mitgliedstaat zur Aufhebung der fraglichen Maßnahme zu verpflichten. Die Kommission hat somit zu dieser Frage eine allgemeine und abstrakte Haltung eingenommen, deren Begründung unabhängig von den Umständen des Einzelfalls ist. Daraus folgt, dass für den Fall, dass das Gericht zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass eine solche Verpflichtung rechtswidrig ist, über den vorliegenden Rechtsstreit zu entscheiden wäre, um zu vermeiden, dass sich ein ähnlicher Rechtsverstoß in Zukunft wiederholt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission, C‑362/05 P, EU:C:2007:322, Rn. 50 bis 52).

65      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass es keineswegs erwiesen ist, dass die Nichtigerklärung von Art. 2 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses ohne jede Rechtswirkung wäre, und dass die Kommission daher nicht mit Erfolg geltend machen kann, dass die vorliegende Klage gegenstandslos geworden ist. Folglich ist ihr Antrag, das Gericht möge feststellen, dass die Hauptsache erledigt ist, zurückzuweisen.

 Zur Rechtmäßigkeit von Art. 2 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses

66      Nach Art. 2 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses darf das Königreich Belgien mit dem Tag der Bekanntgabe dieses Beschlusses keine Zahlungen mehr im Rahmen der Garantieregelung leisten. Dieses endgültige Verbot muss im Kontext des Schreibens vom 6. Dezember 2011 (siehe oben, Rn. 13) und des Eröffnungsbeschlusses (siehe oben, Rn. 14) gelesen werden, die beide in Erwartung des angefochtenen Beschlusses ein vorläufiges Verbot von ähnlicher Tragweite enthielten. Im Übrigen stellte die Kommission im 143. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fest, dass die Rückforderung der fraglichen Beihilfe die Aufhebung der Gesetze und Verordnungen, die die Rechtsgrundlage der Garantie darstellten, durch das Königreich Belgien voraussetze.

67      Nach Ansicht des Königreichs Belgien kommt ein Zahlungsverbot wie das, für das die Kommission sich in Art. 2 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses entschieden habe, nur in zwei Fällen in Betracht. Entweder müssten die Empfänger der Zahlungen im Rahmen der Garantie, d. h. die Anteilseigner, als Empfänger der für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärten staatlichen Beihilfe identifiziert worden sein, was hier nicht der Fall sei. Oder es könne nur mit dem Verbot der Zahlung der Garantiebeträge das Ziel erreicht werden, die Auswirkungen der als mit dem Binnenmarkt unvereinbar erkannten staatlichen Beihilfen zu beseitigen.

68      Das Königreich Belgien macht geltend, dass die Kommission, indem sie die Zahlung der Garantie an die Anteilseigner grundsätzlich verboten und nicht geprüft habe, ob dieses Verbot notwendig war, um die Wirkungen der Beihilfe zu beseitigen, von der die ARCO-Gruppe profitiert habe, die Aufhebung des eingeräumten selektiven Vorteils gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV mit der Aufhebung des Rechtsakts, auf dessen Grundlage der in Rede stehende Vorteil gewährt worden sei, verwechselt habe. Die Aufhebung des Rechtsakts, auf dessen Grundlage der ungerechtfertigte Vorteil gewährt werde, sei aber nur in den Fällen gerechtfertigt, in denen sie erforderlich sei, um Verfälschungen des Wettbewerbs durch die rechtswidrige oder unvereinbare Beihilfe zu beseitigen. Die von der Kommission auferlegte Verpflichtung sei daher unverhältnismäßig.

69      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

70      Gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV beschließt die Kommission, wenn sie, nachdem sie den Beteiligten eine Frist zur Äußerung gesetzt hat, feststellt, dass eine von einem Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe mit dem Binnenmarkt nach Art. 107 AEUV unvereinbar ist oder dass sie missbräuchlich angewandt wird, dass der betreffende Staat sie binnen einer von ihr bestimmten Frist aufzuheben oder umzugestalten hat.

71      Nach ständiger Rechtsprechung ist die logische Folge der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Beihilfe daher deren Aufhebung durch Rückforderung, um die frühere Lage wiederherzustellen (vgl. Urteil vom 8. Dezember 2011, Residex Capital IV, C‑275/10, EU:C:2011:814, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Das Hauptziel der Rückforderung einer zu Unrecht gezahlten staatlichen Beihilfe besteht nämlich darin, die Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen, die durch den mit einer solchen Beihilfe verschafften Wettbewerbsvorteil verursacht wurde. So verliert der Empfänger durch die Rückzahlung der Beihilfe den Vorteil, den er auf dem Markt gegenüber seinen Mitbewerbern besessen hat, und die Lage vor der Zahlung der Beihilfe wird wiederhergestellt (vgl. Urteil vom 8. Dezember 2011, Residex Capital IV, C‑275/10, EU:C:2011:814, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Im vorliegenden Fall streiten die Parteien über die Frage, ob die Rückforderung des Vorteils, aus dem die ARCO-Gruppe zu Unrecht Nutzen gezogen hat, die Aufhebung der Garantie bedingt, d. h. das Verbot jeglicher Zahlung an die Anteilseigner für den Fall, dass das Liquidationsverfahren, das vor Erlass des angefochtenen Beschlusses eröffnet wurde, auf den gänzlichen oder teilweisen Verlust ihrer Beteiligungswerte hinausliefe.

74      Es ist daher angebracht, sich in einem ersten Schritt die Merkmale der rechtswidrigen staatlichen Beihilfe, die die Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellt hat, und anschließend die von der Kommission angeordneten Maßnahmen zu ihrer Rückforderung zu vergegenwärtigen. In einem zweiten Schritt ist zu beurteilen, ob die Argumente, mit denen das Königreich Belgien begründet, dass das Verbot der Zahlung der garantierten Beträge an die Anteilseigner unverhältnismäßig sei, und das Vorbringen, mit dem die Kommission dieses Verbot begründet, stichhaltig sind.

 Zu der in dem angefochtenen Beschluss festgestellten staatlichen Beihilfe

75      Vorab ist daran zu erinnern, dass es sich bei der im angefochtenen Beschluss untersuchten Maßnahme um eine Garantie für die Investitionen von Privatpersonen in das Kapital der Gesellschaften der ARCO-Gruppe handelt. Seitdem diese Gesellschaften dem von der belgischen Regierung eingeführten Mechanismus beigetreten waren (siehe oben, Rn. 9), wurden die durch die privaten Anteilseigner in ihr Kapital investierten Beträge bis zu 100 000 Euro garantiert (siehe oben, Rn. 8). Nach dem eingerichteten Mechanismus musste der Garantiefonds nach Beendigung der Liquidation eingreifen, falls das verbleibende Kapital es nicht jedem Anteilseigner erlaubte, die investierten Mittel in Höhe von bis zu 100 000 Euro zurückzuerlangen.

76      Es sei ferner darauf hingewiesen, dass die ARCO-Gruppe sich am 8. Dezember 2011 in freiwillige Liquidation begab, d. h. zu Beginn des Verwaltungsverfahrens, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses führte.

77      Im angefochtenen Beschluss stellte die Kommission fest, dass die fragliche Maßnahme ein Element einer staatlichen Beihilfe zugunsten der ARCO-Gruppe enthalte. Nach Ansicht der Kommission hat die Garantie ihrer Beteiligungen nämlich die Anteilseigner veranlasst, ihre Investitionen in das Kapital dieser Gruppe nicht zurückzuziehen. Diese habe unter diesen Umständen einen selektiven, aus öffentlichen Mitteln finanzierten Vorteil erhalten. Die fragliche Maßnahme habe alle Kriterien einer staatlichen Beihilfe erfüllt und könne nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie eine beträchtliche Störung des belgischen Wirtschaftslebens beheben solle, da sie weder geeignet noch erforderlich sei noch im Verhältnis zu diesem Ziel stehe.

78      Darüber hinaus stellte die Kommission fest, dass diese Beihilfe umgesetzt worden sei, bevor sie über ihre Qualifizierung und ihre mögliche Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt entschieden habe, und daher rechtswidrig sei. Diese Analyse wurde vom Gerichtshof im Urteil vom 21. Dezember 2016, Vervloet u. a. (C‑76/15, EU:C:2016:975), bestätigt (siehe oben, Rn. 27).

79      Da die Klage der ARCO-Gruppe gegen den angefochtenen Beschluss mit Beschluss vom 9. Februar 2018, Arcofin u. a./Kommission (T‑711/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:80), zurückgewiesen (siehe oben, Rn. 30 und 31) und gegen den zuletzt genannten Beschluss kein Rechtsmittel eingelegt wurde, ist davon auszugehen, dass die oben in den Rn. 77 und 78 wiedergegebenen Feststellungen im angefochtenen Beschluss in Rechtskraft erwachsen sind.

80      Daher hat die Kommission dem Königreich Belgien zu Recht aufgegeben, die Rückforderung der Beihilfe durchzuführen, nachdem sie zum einen festgestellt hatte, dass die fragliche Maßnahme ein Element staatlicher Beihilfe enthalte, deren Empfängerin die ARCO-Gruppe sei, und zum anderen, dass diese Beihilfe mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei und gewährt worden sei, bevor sie ihre vorherige Prüfung habe vornehmen können.

81      Deshalb sind die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgeschriebenen Maßnahmen in Erinnerung zu rufen, allerdings mit der Maßgabe, dass nur das Verbot der Zahlung der garantierten Beträge an die Anteilseigner, d. h. die natürlichen Personen, die Gesellschafter der ARCO-Gruppe sind, beanstandet wird (siehe oben, Rn. 2).

 Zu den vorgeschriebenen Maßnahmen für die Rückforderung der in Rede stehenden Beihilfe

82      Es ist darauf hinzuweisen, dass, wie oben in Rn. 22 ausgeführt wurde, die Kommission zwei Maßnahmen vorschrieb, um die Rückforderung der im angefochtenen Beschluss festgestellten rechtswidrigen und mit dem Binnenmarkt unvereinbaren Beihilfe sicherzustellen.

83      Erstens verpflichtete die Kommission das Königreich Belgien, mittels einer Berechnungsformel, deren Grundsätze sie festlegte, die Höhe des Vorteils, von dem die ARCO-Gruppe profitierte, zu bewerten und eine Forderung in dieser Höhe in die Passiva der Liquidation dieser Gruppe einzutragen. Diese Modalität der Rückforderung der fraglichen Beihilfe wird vom Königreich Belgien nicht beanstandet, das diese Maßnahme für ausreichend erachtet, um die Wiederherstellung des Wettbewerbs sicherzustellen.

84      Zweitens verpflichtete die Kommission das Königreich Belgien ferner, keine garantierten Beträge mehr an die Anteilseigner auszuzahlen. In diesem Zusammenhang streiten die Parteien über die Frage, ob die Kommission berechtigt war, diese Anordnung an das Königreich Belgien zu richten.

85      Aus der oben in den Rn. 71 und 72 angeführten Rechtsprechung ergibt sich, dass die Antwort auf diese Frage davon abhängt, ob diese Anordnung im Hinblick auf das Ziel der Rückforderung rechtswidriger und mit dem Binnenmarkt unvereinbarer Beihilfen verhältnismäßig war. Mit anderen Worten geht es darum, festzustellen, ob diese Anordnung geeignet und erforderlich war, um die frühere Wettbewerbssituation wiederherzustellen, d. h. um den im angefochtenen Beschluss festgestellten Wettbewerbsvorteil für die darin von der Kommission identifizierten Empfänger zu neutralisieren.

 Zur Verhältnismäßigkeit des Verbots, die garantierten Beträge an die Anteilseigner zu zahlen

86      Erstens ist daran zu erinnern, dass als Empfänger der fraglichen Beihilfe im angefochtenen Beschluss nur die ARCO-Gruppe identifiziert wurde. Der Wettbewerbsvorteil, den sie erhielt, wurde als eine Beihilfe zur Erhaltung des vorhandenen Kapitals beurteilt. Dieser Vorteil lag dem angefochtenen Beschluss zufolge darin, dass die Anteilseigner aufgrund der Existenz der Garantie selbst einen Anreiz hatten, ihre Kapitalbeteiligungen an dieser Gruppe nicht zurückzuziehen. Hingegen steht fest, dass die Anteilseigner selbst im angefochtenen Beschluss nicht als Empfänger einer staatlichen Beihilfe angesehen wurden.

87      Unter diesen Umständen macht das Königreich Belgien zu Recht geltend, dass die Eintragung einer Forderung auf der Passivseite der Liquidation der ARCO-Gruppe in Höhe des einzigen von der Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellten und bezifferten Vorteils gemäß Art. 2 Abs. 1 dieses Beschlusses genügte, um diesen Vorteil zu neutralisieren und im Anschluss die Wettbewerbssituation, die durch die Gewährung der in Rede stehenden Beihilfe verfälscht worden war, wiederherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Juli 2002, Kommission/Spanien, C‑499/99, EU:C:2002:408, Rn. 37 und 38).

88      Zweitens ist, wie oben bereits ausgeführt, festzustellen, dass das einzige durch die Kommission im angefochtenen Beschluss identifizierte Element einer staatlichen Beihilfe der Wettbewerbsvorteil ist, den die Garantie der ARCO-Gruppe verschafft hat. Dagegen hat die Kommission nicht die Auffassung vertreten, dass die Anteilseigner selbst Empfänger einer staatlichen Beihilfe seien, und die Garantie, soweit sie den Anteilseignern einen Vorteil verschaffte, nicht als Beihilfe definiert. Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass das an das Königreich Belgien gerichtete Verbot, die von der Garantie vorgesehenen Zahlungen vorzunehmen, unmittelbar das Ziel verfolgt, eine staatliche Beihilfe von ihren Empfängern zurückzufordern.

89      Als Drittes ist festzustellen, dass die Garantie seit der Eröffnung des Liquidationsverfahrens keine Anreizwirkung mehr auf die Anteilseigner der ARCO-Gruppe ausübte, so dass diese Gruppe seitdem nicht mehr von dem im angefochtenen Beschluss festgestellten Vorteil aufgrund des Bestehens der Garantie profitiert. Denn wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben, konnten die Anteilseigner aufgrund der Eröffnung des Liquidationsverfahrens ihre Anteile nicht mehr zurückziehen. Zudem hat hierzu die Kommission selbst, als sie die Formel zur Bezifferung des Vorteils der ARCO-Gruppe definierte, den Vorteil nur bis zur Eröffnung des Liquidationsverfahrens kalkuliert, was im Übrigen den Marktaustritt dieser Gruppe nach sich zieht. Daraus folgt, dass die Aufhebung der Garantie, die die Kommission vom Königreich Belgien verlangt hat, ohne Auswirkung auf die Wettbewerbssituation der Gesellschaften bleiben musste, die als Empfänger der fraglichen Beihilfe identifiziert wurden, und nicht zur Wiederherstellung der früheren Lage beitragen konnte.

90      Aus alledem ergibt sich somit, dass das Verbot, die garantierten Beträge an die Anteilseigner auszuzahlen, keine geeignete Maßnahme ist, um das Ziel der Wiederherstellung der Wettbewerbslage zu erreichen, die durch die Gewährung der im vorliegenden Fall im angefochtenen Beschluss festgestellten staatlichen Beihilfe verfälscht wurde.

91      Keine der Begründungen, die die Kommission im angefochtenen Beschluss oder im Verfahren vor dem Gericht vorgebracht hat, ist geeignet, diese Beurteilung in Frage zu stellen.

 Zu den von der Kommission vorgebrachten Begründungen

92      Erstens begründete die Kommission das Verbot der Zahlung der garantierten Beträge in den Erwägungsgründen 137 bis 142 des angefochtenen Beschlusses mit der Notwendigkeit, die sich ihrer Ansicht nach aus Art. 108 Abs. 2 AEUV ergibt, jede Maßnahme, die ein Element staatlicher Beihilfe enthält, das mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, zu untersagen. Außerdem hat die Kommission in ihren Schriftsätzen auf systemische Erwägungen hingewiesen, die bedingten, einen Mitgliedstaat, der, wie im vorliegenden Fall, die streitige Maßnahme vor ihrer Durchführung nicht notifiziert habe, nicht weniger streng zu behandeln als einen Mitgliedstaat, der sich an seine Pflicht zur vorherigen Anmeldung aller Maßnahmen gehalten habe, die ein Beihilfeelement enthalten könnten.

93      In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die von der Kommission vertretene These auf einer Verwechslung zwischen dem Begriff der staatlichen Beihilfe, der keinen formalen Charakter hat, sondern sich anhand der Kriterien nach Art. 107 Abs. 1 AEUV bestimmt, und der Rechtsvorschrift, die hierfür die Rechtsgrundlage bildet und ihn vermittelt, zu beruhen scheint. Denn nach ständiger Rechtsprechung definiert Art. 107 AEUV staatliche Beihilfen anhand ihrer Wirkungen (vgl. Urteil vom 13. Februar 2003, Spanien/Kommission, C-409/00, EU:C:2003:92, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

94      Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass, wie Generalanwältin Kokott in Nr. 28 ihrer Schlussanträge in der Rechtssache, die zu dem Urteil vom 8. Dezember 2011, Residex Capital IV (C‑275/10, EU:C:2011:814), geführt hat, ausgeführt hat, im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Kartellbestimmungen in Art. 101 Abs. 2 AEUV die Bestimmungen der Unionsverträge über die staatlichen Beihilfen nicht ausdrücklich vorsehen, welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen die Anmeldepflicht und das Durchführungsverbot für Beihilfen nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV für die Gültigkeit der Rechtsakte haben. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass der Wegfall der Maßnahme, mit der eine staatliche Beihilfe gewährt wird, in der Regel das beste Instrument zur Neutralisierung des gewährten Wettbewerbsvorteils ist. In den Fällen, in denen wie hier der als staatliche Beihilfe identifizierte Wettbewerbsvorteil einem – in Bezug auf die unmittelbar durch die streitige Maßnahme Begünstigten (die Anteilseigner) – Dritten zugutekommt (der ARCO-Gruppe), kann der Wegfall der Maßnahme selbst aber nur gerechtfertigt werden, wenn er zur Wiederherstellung der Wettbewerbslage erforderlich ist, die ohne die staatliche Beihilfe, die dieser Dritte erhalten hat, geherrscht hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2011, Residex Capital IV, C‑275/10, EU:C:2011:814, Rn. 44 und 45). Im vorliegenden Fall ist jedoch, wie oben in Rn. 90 ausgeführt worden ist, das Verbot der Zahlung der garantierten Beträge an die Anteilseigner keine geeignete Maßnahme zur Erreichung des Ziels der Wiederherstellung der Wettbewerbslage, die durch die Gewährung der im vorliegenden Fall im angefochtenen Beschluss festgestellten Beihilfe verfälscht worden ist.

95      Zweitens macht die Kommission geltend, dass die Anteilseigner im Verhältnis zur ARCO-Gruppe nicht als Dritte angesehen werden könnten. Dieses Vorbringen überzeugt jedoch nicht.

96      Erstens ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss die Anteilseigner keineswegs als Empfänger der fraglichen Beihilfe angesehen hat. So geht aus Nr. 4.1 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die einzige „echte Begünstigte“ die ARCO-Gruppe ist und die in Rn. 4.3 dieses Beschlusses festgestellte staatliche Beihilfe ausschließlich aus dem Wettbewerbsvorteil besteht, von dem diese Gruppe profitiert hat.

97      Zweitens ist unstreitig, dass es sich bei der ARCO-Gruppe um Gesellschaften mit beschränkter Haftung handelt, so dass weder ihr Vermögen noch ihr Gesellschaftszweck mit den Interessen ihrer Gesellschafter verwechselt werden darf. Im Übrigen hat das Gericht im Beschluss vom 9. Februar 2018, Arcofin u. a./Kommission (T‑711/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:80), der Einrede der Unzulässigkeit, die die Kommission im Hinblick auf den fünften Klagegrund geltend machte, stattgegeben, weil es der Ansicht war, dass das Rechtsschutzinteresse der ARCO-Gruppe und das der Anteilseigner verschieden seien. Deshalb kann die Kommission nicht mit Erfolg geltend machen, dass ihre bloße Eigenschaft als Gesellschafter der von der fraglichen Beihilfe begünstigten Gruppe es rechtfertigen könne, den Vorteil, den diese Gruppe erhalten habe und dessen Rückforderung gemäß Art. 2 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses durch die Eintragung einer Forderung in den Passiva der Liquidation erfolgt sei, darüber hinaus von den Anteilseignern zurückzufordern.

98      Drittens kann sich die Kommission auch nicht auf das Argument aus dem Urteil vom 10. November 2011, Elliniki Nafpigokataskevastiki u. a./Kommission (T‑384/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:650), berufen, das keinen vergleichbaren Präzedenzfall für die vorliegende Rechtssache darstellt. Erstens hat sich die Kommission nämlich in der fraglichen Rechtssache darauf beschränkt, die Abschaffung der streitigen Garantie anzuordnen, ohne, wie hier, den Vorteil zu beziffern und dessen Rückforderung anzuordnen (Urteil vom 10. November 2011, Elliniki Nafpigokataskevastiki u. a./Kommission, T‑384/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:650‚ Rn. 133 und 135). Zweitens zielte die fragliche Garantie in dieser anderen Rechtssache darauf ab, den Begünstigten vor dem Risiko der Rückzahlung rechtswidrig gewährter staatlicher Beihilfen an ein Unternehmen zu schützen, das der von der Garantie Begünstigte erwerben wollte. Unmittelbarer Gegenstand dieser Garantie war es daher, der Rückforderung staatlicher Beihilfen dadurch zu begegnen, dass die Erstattung jeder gegebenenfalls zurückgeforderten Beihilfe an den Erwerber vorgesehen war. Im vorliegenden Fall bleibt, wie u. a. aus Rn. 89 des vorliegenden Urteils hervorgeht, das Verbot, die garantierten Beträge an die Anteilseigner zu zahlen, hingegen ohne Einfluss auf die Rückforderung des im angefochtenen Beschluss festgestellten Vorteils, die durch die Aufnahme einer Forderung des belgischen Staates auf der Passivseite der Liquidation der ARCO-Gruppe erfolgte.

99      Aus alledem folgt, dass die Kommission mit der Anordnung an das Königreich Belgien, im Rahmen der Garantie keine Zahlungen mehr an die Anteilseigner zu leisten, obwohl sie außerdem die Rückforderung des im angefochtenen Beschluss festgestellten Vorteils durch die Aufnahme einer Forderung auf der Passivseite der Liquidation der ARCO-Gruppe, die als Empfänger der in Rede stehenden Beihilfe angesehen wurde, angeordnet hatte, dem Königreich Belgien im vorliegenden Fall eine unverhältnismäßige Verpflichtung auferlegt und ihre Befugnisse aus Art. 108 Abs. 2 AEUV überschritten hat.

100    Daraus folgt, dass das Königreich Belgien zu Recht geltend gemacht hat, dass Art. 2 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses rechtswidrig sei und daher für nichtig erklärt werden müsse.

 Kosten

101    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Königreichs Belgien die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Art. 2 Abs. 4 des Beschlusses 2014/686/EU der Kommission vom 3. Juli 2014 über die staatliche Beihilfe SA.33927 (12/C) (ex 11/NN) Belgiens – Garantieregelung zum Schutz der Anteile privater Anteilseigner an Finanzgenossenschaften wird für nichtig erklärt.

2.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Frimodt Nielsen

Kreuschitz

Forrester

Półtorak

 

Perillo

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Dezember 2018.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.