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Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Kehl (Deutschland) eingereicht am 28. September 2018 – Strafverfahren gegen UY

(Rechtssache C-615/18)

Verfahrenssprache: Deutsch

Vorlegendes Gericht

Amtsgericht Kehl

Parteien des Ausgangsverfahrens

Staatsanwaltschaft Offenburg

gegen

UY

Vorlagefragen:

Ist das Recht der Europäischen Union, insbesondere die Richtlinie 2012/131 sowie die Artikel 21, 45, 49 und 56 AEUV, dahin auszulegen, dass es einer Regelung eines Mitgliedstaates entgegensteht, die es erlaubt, in einem Strafverfahren, nur weil der Beschuldigte seinen Wohnsitz nicht in diesem, sondern in einem anderen Mitgliedstaat hat, anzuordnen, dass der Beschuldigte für die Zustellung eines an ihn gerichteten Strafbefehls einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen habe, mit der Folge, dass der Strafbefehl rechtskräftig werden und damit die rechtliche Voraussetzung für die Strafbarkeit eines späteren Handelns des Beschuldigten geschaffen wird (Tatbestandswirkung), auch wenn der Beschuldigte von dem Strafbefehl tatsächlich nichts wusste und die tatsächliche Kenntnisnahme des Strafbefehls durch den Beschuldigten nicht in einem vergleichbarem Maße sichergestellt ist, wie es bei einer Zustellung des Strafbefehls der Fall wäre, wenn der Beschuldigte in dem Mitgliedstaat seinen Wohnsitz hätte?

Für den Fall, dass die erste Frage verneint wird: Ist das Recht der Europäischen Union, insbesondere die Richtlinie 2012/13 sowie die Art. 21, 45, 49 und 56 AEUV, dahin auszulegen, dass es einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die es erlaubt, in einem Strafverfahren, nur weil der Beschuldigte seinen Wohnsitz nicht in diesem, sondern in einem anderen Mitgliedstaat hat, anzuordnen, dass der Beschuldigte für die Zustellung eines an ihn gerichteten Strafbefehls einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen habe, mit der Folge, dass der Strafbefehl rechtskräftig werden und damit die rechtliche Voraussetzung für die Strafbarkeit eines späteren Handelns des Beschuldigten geschaffen wird (Tatbestandswirkung) und bei der Verfolgung dieser Straftat dem Beschuldigten in subjektiver Hinsicht höhere Pflichten auferlegt werden, dafür zu sorgen, von dem Strafbefehl tatsächlich Kenntnis zu nehmen, als sie bestehen würden, wenn der Beschuldigte seinen Wohnsitz in dem Mitgliedstaat hätte, so dass eine Strafverfolgung wegen Fahrlässigkeit des Beschuldigten möglich wird?

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1 Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren, ABl. 2012, L 142, S. 1.