Language of document : ECLI:EU:C:2015:150

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

5. März 2015(*)

„Rechtsmittel – Wettbewerb – Kartelle – Markt für Chloropren-Kautschuk – Aufeinanderfolge von Produktionseinheiten – Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung – Geldbußen − Wiederholungsfall – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung“

In den verbundenen Rechtssachen C‑93/13 P und C‑123/13 P

betreffend zwei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 25. Februar 2013 und 12. März 2013,

Europäische Kommission, vertreten durch V. Di Bucci, G. Conte und R. Striani als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Versalis SpA, vormals Polimeri Europa SpA, mit Sitz in Brindisi (Italien),

Eni SpA mit Sitz in Rom (Italien),

Prozessbevollmächtigte: M. Siragusa, G. M. Roberti, F. Moretti, I. Perego, F. Cannizzaro, A. Bardanzellu, D. Durante und V. Laroccia, avvocati,

Klägerinnen im ersten Rechtszug,

und

Versalis SpA, vormals Polimeri Europa SpA,

Eni SpA,

Prozessbevollmächtigte: M. Siragusa, G. M. Roberti, F. Moretti, I. Perego, F. Cannizzaro, A. Bardanzellu, D. Durante und V. Laroccia, avvocati,

Rechtsmittelführerinnen,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch V. Di Bucci, G. Conte und R. Striani als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter C. Vajda, A. Rosas (Berichterstatter), E. Juhász und D. Šváby,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2014,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Juli 2014

folgendes

Urteil

1        Mit ihren Rechtsmitteln begehren die Europäische Kommission in der Rechtssache C‑93/13 P sowie die Versalis SpA (im Folgenden: Versalis) und die Eni SpA (im Folgenden: Eni) in der Rechtssache C‑123/13 P die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 13. Dezember 2012 (Versalis und Eni/Kommission, T‑103/08, EU:T:2012:686, im Folgenden: angefochtenes Urteil). Gegenstand des angefochtenen Urteils ist eine gemeinsame Klage von Versalis und Eni auf Nichtigerklärung der Entscheidung K (2007) 5910 final der Kommission vom 5. Dezember 2007 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/38629 – Chloropren-Kautschuk) (im Folgenden: streitige Entscheidung) oder, hilfsweise, auf Aufhebung oder Herabsetzung der mit dieser Entscheidung gegen Versalis und Eni gesamtschuldnerisch verhängten Geldbuße.

2        Die Kommission beantragt mit ihrem Rechtsmittel, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Gericht die mit der streitigen Entscheidung gegen Versalis und Eni verhängte Geldbuße auf 106 200 000 Euro herabgesetzt hat. Das Rechtsmittel von Versalis und Eni ist auf die Aufhebung des angefochtenen Urteils gerichtet, soweit das Gericht ihre Klage abgewiesen hat.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung

 Betroffene Unternehmen

3        Eni ist die Dachgesellschaft des gleichnamigen Konzerns. Dieser trat Ende 1992 durch Erwerb des Geschäftszweigs für Chloropren-Kautschuk (chloroprene rubber, im Folgenden: CR) der Unternehmensgruppe Rhône-Poulenc, deren auf CR spezialisierte Gesellschaft „Distugil“ hieß, in den Markt für CR ein. Innerhalb des Eni-Konzerns war vom 13. Mai 1993 bis 31. Oktober 1997 die EniChem Elastomeri Srl (im Folgenden: EniChem Elastomeri) für die Tätigkeiten im Zusammenhang mit CR (im Folgenden: CR-Geschäftsbereich) zuständig. EniChem Elastomeri wird zu 100 % von der EniChem SpA (im Folgenden: EniChem) kontrolliert, die ihrerseits teilweise unmittelbar und teilweise mittelbar zu 99,93 % bis 99,97 % ihres Grundkapitals durch Eni kontrolliert wird. Am 1. November 1997 fusionierte EniChem Elastomeri mit EniChem. Diese übernahm die Zuständigkeit für die früheren Tätigkeiten von EniChem Elastomeri, die aufhörte, als eigenständige juristische Person zu existieren. Am 1. Januar 2002 übertrug EniChem ihren CR-Geschäftsbereich auf ihre 100%ige Tochter Polimeri Europa SpA (im Folgenden: Polimeri Europa). Am 21. Oktober 2002 übernahm Eni die vollständige unmittelbare Kontrolle über Polimeri Europa. Am 30. April 2003 firmierte EniChem in „[vertraulich]“ um. Polimeri Europa firmierte im April 2012 in „Versalis“ um.

 Verfahren vor der Kommission

4        Am 18. Dezember 2002 informierte die Bayer AG (im Folgenden: Bayer) die Kommission der Europäischen Gemeinschaften über das Bestehen eines Kartells auf dem CR-Markt und erklärte sich bereit, mit ihr unter den in ihrer Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002) vorgesehenen Bedingungen zusammenzuarbeiten. Mit Entscheidung vom 27. Januar 2003 gewährte die Kommission Bayer einen bedingten Erlass der Geldbußen.

5        Aufgrund der von Bayer gemachten Angaben nahm die Kommission am 27. März 2003 in den Geschäftsräumen der Dow Deutschland Inc. und am 9. Juli 2003 in den Geschäftsräumen der Denka Chemicals GmbH (im Folgenden: Denka Chemicals) unangekündigte Nachprüfungen vor.

6        Am 15. Juli 2003 stellten die Tosoh Corp. und die Tosoh Europe BV (im Folgenden: Tosoh Europe) und am 21. November 2003 die DuPont Dow Elastomers LLC (im Folgenden: DDE), ein zu gleichen Teilen im Besitz der EI DuPont de Nemours and Company (im Folgenden: EI DuPont) und der The Dow Chemicals Company (im Folgenden: Dow) befindliches Gemeinschaftsunternehmen, Anträge auf Anwendung der Kronzeugenregelung gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002.

7        Im März 2005 richtete die Kommission gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) ihre ersten Auskunftsverlangen an die Adressaten der streitigen Entscheidung.

8        Nach Erhalt des ersten Auskunftsverlangens stellten [vertraulich], vormals EniChem, und Polimeri Europa, jetzt Versalis, am 15. April 2005 Anträge auf Anwendung der Kronzeugenregelung. Im Mai 2005 und November 2006 übermittelte [vertraulich] der Kommission weitere Erklärungen im Rahmen dieses Antrags auf Anwendung der Kronzeugenregelung.

9        Mit Schreiben vom 7. März 2007 teilte die Kommission der Tosoh Corp., Tosoh Europe und DDE ihre vorläufige Schlussfolgerung mit, dass die von ihnen vorgelegten Beweismittel einen erheblichen Mehrwert im Sinne von Rn. 22 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 darstellten, und sie daher beabsichtige, die Geldbuße, die andernfalls verhängt worden wäre, innerhalb einer Bandbreite von 30 % bis 50 % für die Tosoh Corp. und Tosoh Europe bzw. von 20 % bis 30 % für DDE gemäß Rn. 23 Buchst. b Abs. 1 dieser Mitteilung zu ermäßigen. Mit Schreiben vom selben Tag wurden [vertraulich], vormals EniChem, und Polimeri Europa, jetzt Versalis, darüber informiert, dass ihre Anträge nicht die Anforderungen von Rn. 8 Buchst. a und b der Mitteilung erfüllten und ihnen ein bedingter Erlass der Geldbußen gemäß Rn. 15 und 17 der Mitteilung nicht gewährt werde.

10      Am 13. März 2007 leitete die Kommission das Verwaltungsverfahren ein und erließ eine Mitteilung der Beschwerdepunkte wegen Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen), die an zwölf Unternehmen gerichtet war, darunter Eni, Polimeri Europa, jetzt Versalis, und [vertraulich], vormals EniChem. Alle Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte nahmen zu den Beschwerdepunkten der Kommission schriftlich Stellung und machten in einer mündlichen Anhörung, die am 21. Juni 2007 stattfand, von ihrem Recht auf Anhörung Gebrauch.

 Streitige Entscheidung

11      Am 5. Dezember 2007 erließ die Kommission die streitige Entscheidung. Diese wurde Eni am 10. Dezember 2007 und Polimeri Europa, jetzt Versalis, am 11. Dezember 2007 zugestellt. Eine Zusammenfassung der streitigen Entscheidung in der durch die Entscheidung K (2008) 2974 final der Kommission vom 23. Juni 2008 geänderten Fassung wurde im Amtsblatt der Europäischen Union vom 3. Oktober 2008 (ABl. C 251, S. 11) veröffentlicht. Die letztgenannte Entscheidung war nur an EI DuPont, an die DuPont Performance Elastomers SA, an die DuPont Performance Elastomers LLC und an Dow gerichtet.

12      Aus der streitigen Entscheidung geht hervor, dass von 1993 bis 2002 mehrere CR-Hersteller an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens beteiligt waren, die sich auf das gesamte Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) erstreckte und in Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zur Aufteilung und Stabilisierung von Märkten, Marktanteilen und Absatzmengen für CR, der Koordinierung und Festlegung mehrerer Preiserhöhungen, Vereinbarungen über Mindestpreise, der Aufteilung von Kunden und dem Austausch sensibler wettbewerbsrelevanter Informationen bestand. Die Hersteller kamen regelmäßig mehrmals im Jahr zu multilateralen oder bilateralen Treffen zusammen.

13      Die Art. 1 bis 3 der streitigen Entscheidung in der durch die Entscheidung K (2008) 2974 final geänderten Fassung lauten:

Artikel 1

Die folgenden Unternehmen haben in den angegebenen Zeiträumen durch ihre Beteiligung an einer einzigen und fortgesetzten Vereinbarung und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im [CR-Sektor] gegen Artikel 81 [EG] sowie ab 1. Januar 1994 gegen Artikel 53 EWR-Abkommen verstoßen:

a)      Bayer …: vom 13. Mai 1993 bis zum 13. Mai 2002;

b)      [EI DuPont]: vom 13. Mai 1993 bis zum 13. Mai 2002; DuPont Performance Elastomers SA, DuPont Performance Elastomers LLC und [Dow]: vom 1. April 1996 bis zum 13. Mai 2002;

c)      Denki Kagaku Kogyo K.K. [im Folgenden: Denki Kagaku Kogyo] und Denka Chemicals …: vom 13. Mai 1993 bis zum 13. Mai 2002;

d)      Eni … und Polimeri Europa [jetzt Versalis]: vom 13. Mai 1993 bis zum 13. Mai 2002;

e)      Tosoh [Corp.] und Tosoh Europe …: vom 13. Mai 1993 bis zum 13. Mai 2002.

Artikel 2

Für die in Artikel 1 genannte Zuwiderhandlung werden folgende Geldbußen festgesetzt:

a)      Bayer …: 0 [Euro];

b)      [EI DuPont]: 59 250 000 [Euro]; davon gesamtschuldnerisch haftbar mit

i)      DuPont Performance Elastomers SA: 44 250 000 [Euro] und

ii)      DuPont Performance Elastomers LLC: 44 250 000 [Euro] und

iii)      [Dow]: 44 250 000 [Euro];

c)      Denki Kagaku Kogyo … und Denka Chemicals …, gesamtschuldnerisch haftbar: 47 000 000 [Euro];

d)      Eni … und Polimeri Europa[, jetzt Versalis], gesamtschuldnerisch haftbar: 132 160 000 [Euro];

e)      Tosoh [Corp.] und Tosoh Europe …, gesamtschuldnerisch haftbar: 4 800 000 [Euro];

f)      [Dow]: 4 425 000 [Euro].

Artikel 3

Die in Artikel 1 aufgeführten Unternehmen stellen die dort genannten Zuwiderhandlungen unverzüglich ein, soweit dies nicht bereits geschehen ist.

Sie sehen künftig von der Wiederholung der in Artikel 1 genannten Handlungen oder Verhaltensweisen sowie von allen Handlungen oder Verhaltensweisen ab, die denselben oder einen ähnlichen Zweck bzw. dieselbe oder eine ähnliche Wirkung haben.“

14      Bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbußen wandte die Kommission die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) an. Sie berücksichtigte einen bestimmten Anteil des Wertes der CR-Verkäufe jedes beteiligten Unternehmens innerhalb des EWR im Kalenderjahr 2001, dem letzten vollständigen Jahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung, und multiplizierte ihn mit der Anzahl der Jahre der Zuwiderhandlung.

15      Für die Festlegung dieses Anteils ging die Kommission davon aus, dass die horizontalen Absprachen über die Marktaufteilung und die Preisabsprachen ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Wettbewerbsbeschränkungen gehörten. Sie nahm außerdem an, dass sich der gemeinsame Marktanteil der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen innerhalb des EWR auf 100 % belaufen habe und dass die Zuwiderhandlung weltweite Ausmaße gehabt habe und systematisch umgesetzt worden sei.

16      Die Kommission setzte den Anteil des Wertes der CR‑Verkäufe jedes beteiligten Unternehmens, der für die Festlegung des Grundbetrags der zu verhängenden Geldbuße heranzuziehen war, auf 21 % fest.

17      Weil sich EI DuPont, Bayer, Denki Kagaku Kogyo, Denka Chemicals, Eni, Polimeri Europa, jetzt Versalis, sowie die Tosoh Corp. und Tosoh Europe (im Folgenden gemeinsam: Tosoh) neun Jahre lang und die DuPont Performance Elastomers SA, die DuPont Performance Elastomers LLC (im Folgenden gemeinsam: DPE) und Dow sechs Jahre und einen Monat lang an der Zuwiderhandlung beteiligt hatten, multiplizierte die Kommission gemäß Ziff. 24 der Leitlinien von 2006 die anhand der Umsätze ermittelten Grundbeträge mit dem Faktor 9 bei Eni, Polimeri Europa, jetzt Versalis, EI DuPont, Bayer, Denki Kagaku Kogyo, Denka Chemicals und Tosoh und mit dem Faktor 6,5 bei DPE und Dow.

18      Um die betreffenden Unternehmen von der Beteiligung an einer Absprache über die Marktaufteilung oder an horizontalen Preisabsprachen wie denen des vorliegenden Falles abzuschrecken und unter Berücksichtigung insbesondere der in Rn. 15 des vorliegenden Urteils angeführten Gesichtspunkte fügte die Kommission gemäß Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 dem Grundbetrag der Geldbußen einen Aufschlag von 20 % des Umsatzes jedes beteiligten Unternehmens hinzu.

19      Somit wurde der Grundbetrag der gegen Eni und Polimeri Europa, jetzt Versalis, zu verhängenden Geldbuße auf 59 Mio. Euro festgesetzt.

20      Was zum einen die Anpassung des Grundbetrags der Geldbußen wegen erschwerender Umstände anbelangt, wurde die gegen Eni und Versalis zu verhängende Geldbuße um 60 % und die gegen Bayer zu verhängende Geldbuße um 50 % mit der Begründung erhöht, diese Unternehmen seien Wiederholungstäter. Die Kommission nahm den erschwerenden Umstand des Wiederholungsfalls bei Versalis und Eni an, weil die Anic SpA (im Folgenden: Anic) an einem Kartell im Sektor für Polypropylen beteiligt gewesen sei, einer Zuwiderhandlung, die mit ihrer Entscheidung 86/398/EWG vom 23. April 1986 betreffend ein Verfahren nach Artikel [81 EG] (IV/31.149 – Polypropylen) (ABl. L 230, S. 1, im Folgenden: Polypropylen-Entscheidung) festgestellt worden sei, und EniChem an einem Kartell im Sektor für PVC, einer Zuwiderhandlung, die mit ihrer Entscheidung 94/599/EG vom 27. Juli 1994 betreffend ein Verfahren nach Artikel [81 EG] (IV/31.865 – PVC) (ABl. L 239, S. 14, im Folgenden: PVC‑II‑Entscheidung) festgestellt worden sei. Bayer wurde der erschwerende Umstand des Wiederholungsfalls nur wegen einer einzigen vor der streitigen Entscheidung liegenden Zuwiderhandlung angelastet.

21      Zum anderen wurden die Grundbeträge der Geldbußen nicht wegen mildernder Umstände im Sinne von Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 ermäßigt, da die Kommission alle Anträge auf Ermäßigung ablehnte.

22      Die Kommission erhöhte zudem den Grundbetrag der Geldbuße einiger Unternehmen, die Adressaten der streitigen Entscheidung waren, um einen besonderen Aufschlag zur Gewährleistung einer hinreichend abschreckenden Wirkung der Geldbußen. Dabei berücksichtigte sie die besonders hohen Umsätze dieser Unternehmen mit Waren oder Dienstleistungen, die nicht mit der Zuwiderhandlung im Zusammenhang standen. Der Grundbetrag der gegen Polimeri Europa, jetzt Versalis, und Eni zu verhängenden Geldbuße wurde mit dem Faktor 1,4 multipliziert, der Grundbetrag der gegen Dow zu verhängenden Geldbuße mit dem Faktor 1,1.

23      Folglich wurde der Grundbetrag der gegen Eni und Polimeri Europa, jetzt Versalis, zu verhängenden Geldbuße auf 132,16 Mio. Euro erhöht.

24      In Anwendung der Mitteilung über die Zusammenarbeit von 2002 gewährte die Kommission Bayer eine Ermäßigung des Grundbetrags der Geldbuße um 100 %, Tosoh eine Ermäßigung um 50 % sowie EI DuPont, DPE und Dow eine Ermäßigung um 25 %. Die auf der Grundlage dieser Mitteilung von [vertraulich], vormals EniChem, und Polimeri Europa, jetzt Versalis, gestellten Anträge auf Ermäßigung der Grundbeträge lehnte die Kommission ab.

25      Die gegen Eni und Polimeri Europa, jetzt Versalis, gesamtschuldnerisch verhängte Geldbuße wurde daher auf 132,16 Mio. Euro festgesetzt.

 Angefochtenes Urteil

26      Mit Klageschrift, die am 20. Februar 2008 bei der Kanzlei des Gerichts einging, beantragten Polimeri Europa, jetzt Versalis, und Eni die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung, hilfsweise, die Aufhebung oder Herabsetzung der mit dieser Entscheidung gegen sie gesamtschuldnerisch verhängten Geldbuße.

27      Vor dem Gericht trugen Versalis und Eni elf Klagegründe vor, von denen sechs auf die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung gerichtet waren. Sie rügten damit erstens einen Verstoß gegen Art. 81 EG und eine unzulängliche Begründung der streitigen Entscheidung hinsichtlich der Zurechnung der Zuwiderhandlung an Eni, zweitens eine Verletzung der Verteidigungsrechte, da die streitige Entscheidung im Widerspruch zum Schreiben über die Einstellung des Verfahrens gegenüber [vertraulich], vormals EniChem, stehe, drittens einen Verstoß gegen Art. 81 EG und eine unzulängliche Begründung der streitigen Entscheidung hinsichtlich der Zurechnung der Zuwiderhandlung an Polimeri Europa, jetzt Versalis, viertens eine unzulängliche und widersprüchliche Begründung der streitigen Entscheidung, eine mangelhafte Untersuchung und einen Verstoß gegen Art. 81 EG hinsichtlich der Tatsachen- und Beweiswürdigung durch die Kommission, insbesondere in Bezug auf die Beteiligung von [vertraulich], vormals EniChem, und Polimeri Europa, jetzt Versalis, an den Treffen in den Jahren 1993 und 2002, fünftens eine unzulängliche und widersprüchliche Begründung der streitigen Entscheidung, eine mangelhafte Untersuchung und einen Verstoß gegen Art. 81 EG wegen der Einstufung der Zuwiderhandlung als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung sowie sechstens eine unzulängliche Begründung der streitigen Entscheidung und eine mangelhafte Untersuchung hinsichtlich der Berechnung der Dauer der Zuwiderhandlung.

28      Fünf Klagegründe waren auf die Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße gerichtet. Versalis und Eni rügten damit erstens die fehlerhafte Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße, zweitens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und eine unzulängliche Begründung der streitigen Entscheidung hinsichtlich der Anpassungen des Grundbetrags der Geldbuße wegen eines Wiederholungsfalls und mildernder Umstände und zur Gewährleistung der abschreckenden Wirkung, drittens die fehlerhafte Festlegung der Begrenzung auf 10 % der Umsätze, viertens die Nichtberücksichtigung der Zusammenarbeit außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 sowie fünftens die unterlassene Ermäßigung der Geldbuße gemäß dieser Mitteilung.

29      Das Gericht hat die Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidung bis auf die Berücksichtigung des erschwerenden Umstands des Wiederholungsfalls und die Höhe des zu Abschreckungszwecken verwendeten Multiplikators für den Grundbetrag der Geldbuße (Rn. 287 und 386 des angefochtenen Urteils) bestätigt. Es war der Auffassung, dass der erschwerende Umstand des Wiederholungsfalls nicht bei Eni angenommen werden könne, sondern nur bei Versalis, und hat deshalb den Prozentsatz der Erhöhung des Grundbetrags von 60 % auf 50 % herabgesetzt. Es hat zudem den Multiplikator von 1,4 auf 1,2 herabgesetzt. Das Gericht hat daher die gegen Polimeri Europa, jetzt Versalis, und Eni gesamtschuldnerisch verhängte Geldbuße von 132,16 Mio. Euro auf 106,2 Mio. Euro herabgesetzt.

 Anträge der Parteien

 In der Rechtssache C‑93/13 P

30      Die Kommission beantragt,

–      das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit damit die mit der streitigen Entscheidung gegen Versalis und Eni verhängte Geldbuße auf 106 200 000 Euro herabgesetzt wurde;

–      die beim Gericht erhobene Nichtigkeitsklage insgesamt abzuweisen;

–      Versalis und Eni die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.

31      Versalis und Eni beantragen,

–      das Rechtsmittel der Kommission insgesamt zurückzuweisen;

–      der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

 In der Rechtssache C‑123/13 P

32      Versalis und Eni beantragen,

–      das angefochtene Urteil ganz oder teilweise aufzuheben, soweit damit ihre gemeinschaftliche Klage abgewiesen wurde, und folglich:

–        die streitige Entscheidung ganz oder teilweise für nichtig zu erklären,

–        und/oder die mit der Entscheidung gegen sie verhängte Geldbuße aufzuheben oder zumindest herabzusetzen;

–      hilfsweise, das angefochtene Urteil ganz oder teilweise aufzuheben, soweit damit ihre Klage abgewiesen wurde, und die Sache an das Gericht zurückzuverweisen, damit dieses unter Berücksichtigung der Hinweise des Gerichtshofs über die Begründetheit der Klage entscheidet;

–      der Kommission die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.

33      Die Kommission beantragt,

–      das Rechtsmittel zurückzuweisen;

–      Versalis und Eni die Kosten aufzuerlegen.

34      Durch Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 21. Januar 2014 sind die Rechtssachen C‑93/13 P und C‑123/13 P zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

 Zu den Rechtsmitteln

35      Die Rechtsmittelgründe werden in der Reihenfolge der angegriffenen Randnummern des angefochtenen Urteils dargestellt.

 Zum ersten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑123/13 P

 Vorbringen der Parteien

36      Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund, der sich auf die Rn. 53 bis 78 des angefochtenen Urteils bezieht, machen Versalis und Eni geltend, das Gericht sei mit der Zurechnung der Zuwiderhandlung, die von Eni kontrollierte Gesellschaften im CR-Sektor begangen haben sollten, an die Muttergesellschaft Eni unter Verstoß gegen Art. 81 EG von der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs und seinen Begründungpflichten im Rahmen der Würdigung der zur Widerlegung der Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses vorgelegten Beweise in der Weise abgewichen, dass es auch die tragenden Grundsätze der Legalität, der persönlichen kartellrechtlichen Verantwortlichkeit, der Unschuldsvermutung, der Verteidigungsrechte und der beschränkten Haftung von Gesellschaften verletzt habe.

37      Versalis und Eni greifen eine Reihe von Gesichtspunkten auf, die sie vor dem Gericht vorgetragen hatten, darunter, dass Eni nicht an der in Rede stehenden Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei, dass sie noch nie eine Tätigkeit im Chemiesektor, genauer im CR-Sektor, ausgeübt habe, dass es bei den Mitgliedern ihrer Leitungsorgane und derjenigen ihrer Tochtergesellschaften keine Überschneidungen gebe, dass ihre Tochtergesellschaften ihre Entscheidungen selbständig träfen und es auch keinen Informationsfluss („reporting lines“) zwischen den Tochtergesellschaften und ihrer Muttergesellschaft gebe und dass Eni gegenüber ihren Tochtergesellschaften, die in einem weniger wichtigen Sektor als demjenigen tätig seien, in dem sie ihre Haupttätigkeit ausübe und der jedenfalls ein anderer Sektor sei, nur die übliche Rolle einer Holding übernommen habe.

38      Nach Ansicht von Versalis und Eni ist das angefochtene Urteil mit Fehlern behaftet, da das Gericht in nicht kohärenter Weise und ohne sachdienliche Begründung die Auffassung vertreten habe, dass dieser Komplex inhaltlich unbestrittener Gesichtspunkte von keinerlei Interesse sei, obwohl er nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs geeignet sei, zu beweisen, dass Eni nicht tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaften ausgeübt habe. Im Ergebnis laufe die Feststellung des Gerichts darauf hinaus, dass die Vermutung eines tatsächlichen bestimmenden Einflusses unter Missachtung der im Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission (C‑97/08 P, EU:C:2009:536) aufgestellten Grundsätze sowie unter Verletzung der Grundsätze der persönlichen Verantwortlichkeit und Strafe, der Unschuldsvermutung und der Verteidigungsrechte als eine unwiderlegbare Vermutung angesehen werde.

39      Die Kommission vertritt unter Bezugnahme auf das Urteil Eni/Kommission (C‑508/11 P, EU:C:2013:289), in dem der Gerichtshof über einen ähnlichen Rechtsmittelgrund derselben Unternehmen entschieden habe, die Auffassung, dass der erste Rechtsmittelgrund offensichtlich unbegründet sei.

 Würdigung durch den Gerichtshof

40      Der erste Rechtsmittelgrund von Versalis und Eni betrifft die Anwendung der Vermutung eines bestimmenden Einflusses von Muttergesellschaften auf ihre an Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Union beteiligten Tochtergesellschaften auf Eni. Wie der Gerichtshof in Rn. 46 des von der Kommission angeführten Urteils Eni/Kommission (EU:C:2013:289) festgestellt hat, kann nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der Anwendung von Art. 81 EG das Verhalten einer Tochtergesellschaft ihrer Muttergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht eigenständig bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen zwischen den beiden Rechtssubjekten. Da nämlich in einem solchen Fall die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teil ein und derselben wirtschaftlichen Einheit sind und damit ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, kann die Kommission eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft richten, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen wäre.

41      Weiter ist der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entnehmen, dass in dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft das gesamte oder nahezu das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßen hat, eine widerlegbare Vermutung besteht, dass diese Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft ausübt (Urteil Eni/Kommission, EU:C:2013:289, Rn. 47).

42      Bei einer solchen Sachlage kann die Kommission schon dann von der Anwendbarkeit dieser Vermutung ausgehen, wenn sie nachweist, dass die Muttergesellschaft das gesamte oder nahezu das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft hält. Die Kommission kann in der Folge die Muttergesellschaft als Gesamtschuldnerin für die Zahlung der gegen ihre Tochtergesellschaft verhängten Geldbuße in Anspruch nehmen, sofern die Muttergesellschaft, der es obliegt, diese Vermutung zu widerlegen, keine ausreichenden Beweise dafür erbringt, dass ihre Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig auftritt (vgl. Urteile Akzo Nobel u. a./Kommission, EU:C:2009:536, Rn. 61, und Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 57).

43      Außerdem besteht in dem besonderen Fall, dass eine Holdinggesellschaft das gesamte oder nahezu das gesamte Kapital einer Zwischengesellschaft hält, die ihrerseits sämtliche oder nahezu sämtliche Anteile einer Tochtergesellschaft ihres Konzerns besitzt, die eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union begangen hat, ebenfalls eine widerlegbare Vermutung, dass diese Holdinggesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten der Zwischengesellschaft und mittelbar durch diese auch auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil Eni/Kommission, EU:C:2013:289, Rn. 48 und 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Wie das Gericht in Rn. 63 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, ist im vorliegenden Fall unstreitig, dass Eni während der gesamten Dauer der in Rede stehenden Zuwiderhandlung teilweise unmittelbar und teilweise mittelbar 99,93 % bis 100 % des Kapitals der Gesellschaften gehalten hat, die innerhalb ihres Konzerns für den CR-Geschäftsbereich zuständig waren, nämlich nacheinander EniChem Elastomeri, EniChem und Polimeri Europa, jetzt Versalis. Daher ist die in den Rn. 41 und 43 des vorliegenden Urteils angeführte Vermutung auf Eni anwendbar.

45      Die von Versalis und Eni vorgetragenen Gesichtspunkte sind vom Gericht in den Rn. 66 bis 72 des angefochtenen Urteils geprüft worden. Die Gründe dieses Urteils lassen keinen Raum für Zweifel, auf welche Erwägungen das Gericht seine Entscheidung in diesem Punkt gestützt hat, und ermöglichen es daher dem Gerichtshof, seine Kontrolle auszuüben. Folglich weist das angefochtene Urteil insoweit keinen Begründungsmangel auf. Das Gericht ist daher in Rn. 73 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass es Versalis und Eni nicht gelungen sei, die Vermutung eines bestimmenden Einflusses von Eni auf ihre Tochtergesellschaften EniChem Elastomeri, EniChem und Polimeri Europa, jetzt Versalis, zu widerlegen, da sie nicht hinreichend nachgewiesen hätten, dass die Tochtergesellschaften auf dem relevanten Markt eigenständig aufgetreten seien.

46      Entgegen der Auffassung von Versalis und Eni läuft diese Feststellung des Gerichts nicht darauf hinaus, dass die Vermutung eines tatsächlichen bestimmenden Einflusses als eine unwiderlegbare Vermutung angesehen wird. Die Tatsache, dass es schwierig ist, den Beweis des Gegenteils zu erbringen, der notwendig ist, um eine Vermutung zu widerlegen, bedeutet nämlich als solche nicht, dass diese Vermutung tatsächlich unwiderlegbar wäre, vor allem wenn die Einheiten, denen gegenüber die Vermutung greift, am besten in der Lage sind, diesen Nachweis in ihrer eigenen Tätigkeitssphäre zu suchen (vgl. Urteil Elf Aquitaine/Kommission, EU:C:2011:620, Rn. 70).

47      Deshalb greift auch die Rüge nicht durch, dass das Gericht, indem es diese Vermutung als unwiderlegbar angesehen hat, die Grundsätze der persönlichen Verantwortlichkeit und Strafe sowie der Unschuldsvermutung und der Verteidigungsrechte verletzt habe.

48      Der erste Rechtsmittelgrund von Versalis und Eni ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑123/13 P

 Vorbringen der Parteien

49      Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund, der sich auf die Rn. 94, 95 und 97 des angefochtenen Urteils bezieht und mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit geltend gemacht wird, werfen Versalis und Eni dem Gericht vor, bei der Zurechnung der durch [vertraulich], vormals EniChem, begangenen Zuwiderhandlung an Versalis die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs falsch angewandt und die Zurückweisung ihres Vorbringens unzureichend begründet zu haben.

50      Unter Bezugnahme auf die Urteile ETI u. a. (C‑280/06, EU:C:2007:775) und ThyssenKrupp Nirosta/Kommission (C‑352/09 P, EU:C:2011:191) machen Versalis und Eni im Wesentlichen geltend, der Gerichtshof habe ein Abweichen von dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit nur als Ausnahme unter genau bestimmten Voraussetzungen zugelassen, die im vorliegenden Fall nicht vorlägen. In diesem Zusammenhang weisen sie u. a. darauf hin, dass [vertraulich], vormals EniChem, nicht aufgehört habe, rechtlich oder wirtschaftlich zu bestehen. Zudem sei das angefochtene Urteil unzureichend begründet.

51      Nach Ansicht der Kommission handelt es sich bei der in Rn. 95 des angefochtenen Urteils festgestellten Gefahr, dass [vertraulich], vormals EniChem, zu einer „leeren Hülse“ werden könne, um eine Tatsache, die der Gerichtshof nicht überprüfen dürfe. Jedenfalls habe der Gerichtshof die Verantwortlichkeit einer übernehmenden Gesellschaft nicht auf die Fälle beschränkt, in denen die übertragende Gesellschaft jede wirtschaftliche Tätigkeit eingestellt habe. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs in den Urteilen Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6) und ETI u. a. (EU:C:2007:775) sei allein das Bestehen einer „strukturellen Verbindung“ zwischen der übertragenden Gesellschaft und der übernehmenden Gesellschaft, die beide demselben Konzern angehörten, für die Verantwortlichkeit der übernehmenden Gesellschaft ausschlaggebend.

 Würdigung durch den Gerichtshof

52      Der zweite Rechtsmittelgrund von Versalis und Eni in der Rechtssache C‑123/13 P betrifft die Frage der Rechtsnachfolge von Unternehmen. Wie der Gerichtshof in Rn. 51 des Urteils Versalis/Kommission (C‑511/11 P, EU:C:2013:386) festgestellt hat, betrifft das Wettbewerbsrecht der Union nach ständiger Rechtsprechung die Tätigkeit von Unternehmen; der Begriff des Unternehmens umfasst jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Verstößt eine solche Einrichtung gegen die Wettbewerbsregeln, hat sie nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für diese Zuwiderhandlung einzustehen.

53      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass, wenn zwei Einrichtungen eine wirtschaftliche Einheit bilden, der bloße Umstand, dass die Einrichtung, die die Zuwiderhandlung begangen hat, noch besteht, für sich allein nicht daran hindert, der Einrichtung, auf die sie ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten übertragen hat, eine Sanktion aufzuerlegen. Eine solche Ahndung ist insbesondere dann zulässig, wenn diese Einrichtungen der Kontrolle derselben Person unterstanden und sie in Anbetracht der zwischen ihnen sowohl auf wirtschaftlicher als auch auf organisatorischer Ebene bestehenden engen Bindungen im Wesentlichen dieselben geschäftlichen Leitlinien anwandten (vgl. Urteile ETI u. a., EU:C:2007:775, Rn. 48 und 49 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Versalis/Kommission, EU:C:2013:386, Rn. 52).

54      In den Rn. 91 und 92 des angefochtenen Urteils hat das Gericht auf die Bindungen zwischen den Gesellschaften, die innerhalb des Konzerns nacheinander für den CR-Geschäftsbereich zuständig gewesen seien, sowie darauf hingewiesen, dass Eni als Muttergesellschaft unmittelbar oder mittelbar mehr als 99,9 % des Kapitals aller dieser Gesellschaften gehalten habe. In Anbetracht dieser Umstände hat das Gericht in Rn. 93 des angefochtenen Urteils zutreffend den Schluss gezogen, dass zwischen der am Kartell beteiligten übertragenden Gesellschaft, nämlich EniChem, jetzt [vertraulich], und der übernehmenden Gesellschaft, nämlich Polimeri Europa, jetzt Versalis, eine wirtschaftliche Kontinuität bestehe.

55      Das Gericht hat in Rn. 95 des angefochtenen Urteils ferner die Auffassung vertreten, es bestehe die Gefahr, dass die innerhalb des Konzerns ursprünglich für den CR-Geschäftsbereich zuständige Gesellschaft, und zwar EniChem, jetzt [vertraulich], infolge konzerninterner Umstrukturierungen zu einer „leeren Hülse“ werde und die gegen sie verhängte kartellrechtliche Sanktion dann keine Wirkung habe. Hierbei handelt es sich um eine Tatsachenwürdigung, die der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels nicht überprüfen darf.

56      Nach alledem ist dem Gericht kein Rechtsfehler unterlaufen, als es in Rn. 98 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, die Kommission habe jede von EniChem, jetzt [vertraulich], begangene Zuwiderhandlung Polimeri Europa, jetzt Versalis, zurechnen dürfen, obwohl [vertraulich] noch bestanden habe.

57      Diese Feststellung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Gerichtshof in Rn. 144 des Urteils ThyssenKrupp Nirosta/Kommission (EU:C:2011:191) entschieden hat, dass die in Rn. 53 des vorliegenden Urteils dargestellte Möglichkeit auch für den Fall gilt, in dem die Einrichtung, die die Zuwiderhandlung begangen hat, rechtlich oder wirtschaftlich nicht mehr besteht, da eine Sanktion gegen ein Unternehmen, das keine wirtschaftliche Tätigkeit mehr ausübt, unter dem Gesichtspunkt der Abschreckung kaum wirksam wäre, denn dem Urteil ThyssenKrupp Nirosta/Kommission kann gerade nicht entnommen werden, dass die Zurechnung einer Zuwiderhandlung an eine Einrichtung, die diese nicht begangen hat, allein auf die Fälle beschränkt ist, in denen die Verhängung einer Sanktion gegen die Gesellschaft, die die Zuwiderhandlung begangen hat, den Abschreckungszweck verfehlen würde (vgl. Urteil Versalis/Kommission, EU:C:2013:386, Rn. 55).

58      Im Urteil ETI u. a. (EU:C:2007:775), auf das der Gerichtshof in Rn. 144 des Urteils ThyssenKrupp Nirosta/Kommission (EU:C:2011:191) ausdrücklich Bezug genommen hat, hat er nämlich entschieden, dass die Kommission die betreffende Zuwiderhandlung einer Gesellschaft, die nicht die Urheberin der Zuwiderhandlung war, in einem Fall zurechnen durfte, in dem die Einrichtung, die die Zuwiderhandlung begangen hatte, als Wirtschaftsteilnehmer auf anderen Märkten noch bestanden hatte (vgl. Urteil ETI u. a., EU:C:2007:775, Rn. 45). Der Gerichtshof hat diese Beurteilung darauf gestützt, dass sich die betroffenen Gesellschaften während ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens in der Hand derselben öffentlichen Einrichtung befanden (vgl. Urteile ETI u. a., EU:C:2007:775, Rn. 50, und Versalis/Kommission, EU:C:2013:386, Rn. 56).

59      Die Tragweite des Urteils ETI u. a. (EU:C:2007:775) ist entgegen dem Vorbringen von Versalis und Eni nicht auf die Fälle beschränkt, in denen die betroffenen Einrichtungen der Kontrolle durch eine öffentliche Stelle unterstehen. In Rn. 44 dieses Urteils hat der Gerichtshof nämlich deutlich gemacht, dass der Umstand, dass eine Übertragung von Tätigkeiten nicht von Einzelnen, sondern vom Gesetzgeber zwecks Privatisierung beschlossen wurde, ohne Bedeutung ist. Nach Auffassung des Gerichtshofs könnten somit Zweifel an der Zurechenbarkeit einer Zuwiderhandlung an die Einrichtung, die die Rechtsnachfolge angetreten hat, allenfalls dann bestehen, wenn eine öffentliche Stelle die Kontrolle über die beiden betroffenen Einrichtungen ausübt, doch hat er diese Zweifel zerstreut. Kein Zweifel an einer solchen Zurechenbarkeit kann demgegenüber dann bestehen, wenn die Kontrolle – wie im vorliegenden Fall – durch eine privatrechtliche Gesellschaft ausgeübt wird (vgl. Urteil Versalis/Kommission, EU:C:2013:386, Rn. 57).

60      Demnach ist dem Gericht kein Rechtsfehler unterlaufen, als es davon ausgegangen ist, dass die Kommission Versalis das gesamte in Rede stehende wettbewerbswidrige Verhalten zurechnen durfte.

61      Was den behaupteten Begründungsmangel betrifft, hat das Gericht in den Rn. 89 bis 98 des angefochtenen Urteils im Einzelnen ausgeführt, aus welchen Gründen es den im ersten Rechtszug vorgetragenen Klagegrund, mit dem eine Zurechnung dieses Verhaltens an Versalis verhindert werden sollte, für unbegründet gehalten hat. Die Gründe dieses Urteils lassen keinen Raum für Zweifel, auf welche Erwägungen das Gericht seine Entscheidung in diesem Punkt gestützt hat, und ermöglichen es daher dem Gerichtshof, seine Kontrolle auszuüben. Folglich ist das angefochtene Urteil insoweit nicht mit einem Begründungsmangel behaftet.

62      Da keines der zur Stützung des zweiten Rechtsmittelgrundes von Versalis und Eni vorgetragenen Argumente durchgreift, ist dieser Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑123/13 P

 Vorbringen der Parteien

63      Im Rahmen ihres dritten Rechtsmittelgrundes werfen Versalis und Eni dem Gericht vor, den Rechtsprechungsgrundsatz, wonach eine ausdrückliche Distanzierung von einem Kartell erforderlich sei, damit die Zuwiderhandlung nicht zurechenbar sei, falsch und in widersprüchlicher Weise angewandt zu haben sowie gegen den Grundsatz in dubio pro reo verstoßen zu haben, indem es in Rn. 173 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass EniChem, jetzt [vertraulich], an der Sitzung in Florenz vom 12. Juni oder 13. Juni 1993 teilgenommen habe und in Rn. 183, dass die Sitzungen des Jahres 2002, an denen Polimeri Europa, jetzt Versalis, teilgenommen habe, wettbewerbswidrig gewesen seien. Ferner habe das Gericht die Beweise verfälscht, indem es dem Vortrag der Kommission folgend festgestellt habe, dass die beiden Sitzungen des Jahres 2002 wettbewerbswidrig gewesen seien. Folglich habe das Gericht mit seiner Annahme, EniChem und Polimeri Europa seien an dem Kartell während dessen Gesamtdauer, d. h. von Mai 1993 bis Mai 2002, beteiligt gewesen, nicht nur eine fehlerhafte Beurteilung vorgenommen, sondern auch eine inhaltliche gerichtliche Nachprüfung unterlassen.

64      Nach Ansicht der Kommission zielt das Vorbringen von Versalis und Eni darauf, die Tatsachenwürdigung des Gerichts in Frage zu stellen, so dass der Rechtsmittelgrund für unzulässig zu erklären sei.

 Würdigung durch den Gerichtshof

65      Versalis und Eni greifen mit diesem Rechtsmittelgrund Tatsachenfeststellungen und ‑würdigungen an, die, sofern keine Beweise verfälscht werden, keine Rechtsfrage darstellen, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt.

66      Zu der Rüge, die Beweise seien verfälscht worden, ist festzustellen, dass Versalis und Eni nicht vorgetragen haben, das Gericht habe sie offensichtlich verfälscht.

67      Der dritte Rechtsmittelgrund ist daher für unzulässig zu erklären.

 Zum vierten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑123/13 P

 Vorbringen der Parteien

68      Mit dem vierten Rechtsmittelgrund, der sich auf die Rn. 239 ff. des angefochtenen Urteils bezieht, machen Versalis und Eni geltend, das Gericht habe dadurch gegen das Unionsrecht verstoßen, dass es nicht die Fehler festgestellt habe, die der Kommission bei der Ermittlung des Grundbetrags der Geldbuße im Sinne der Leitlinien von 2006 unterlaufen seien.

69      Sie werfen dem Gericht erstens eine mangelhafte Begründung des angefochtenen Urteils vor, die nicht auf die im Verfahren des ersten Rechtszugs erhobenen Rügen eingehe. Das Gericht habe darüber hinaus die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verletzt, indem es unterlassen habe, anhand der ihm unterbreiteten Tatsachen inhaltlich zu prüfen, ob die Kommission bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße nach der Schwere der Zuwiderhandlung und des Zusatzbetrags die Grundsätze der Fairness, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung beachtet habe.

70      Versalis und Eni werfen dem Gericht zweitens vor, es habe die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verletzt, indem es nicht auf ihren in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Klagegrund, dass die Kommission Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 nicht angewandt habe, eingegangen sei.

71      Drittens habe das Gericht für die Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße nicht die Jahre berücksichtigt, die der Dauer der Zuwiderhandlung entsprächen, wie sie sich aus dem Vorbringen im Rahmen des dritten Rechtsmittelgrundes in der Rechtssache C‑123/13 P ergebe.

72      Die Kommission trägt vor, der vierte Rechtsmittelgrund in dieser Rechtssache sei ungenau und wiederhole das Vorbringen im ersten Rechtszug. Außerdem beträfen einige Rügen von Versalis und Eni die Tatsachenwürdigung. Auch sei im ersten Rechtszug kein spezieller Klagegrund zur Anwendung von Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 für die Festsetzung von Geldbußen vorgetragen worden. Hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung könne dem Gericht kein Fehler vorgeworfen werden.

 Würdigung durch den Gerichtshof

73      Wie der Generalanwalt in Nr. 35 seiner Schlussanträge festgestellt hat, ist die erste Rüge von Versalis und Eni unzulässig, da sie damit nicht das angefochtene Urteil beanstanden, sondern auf ihr Vorbringen im ersten Rechtszug verweisen.

74      Auch die zweite Rüge ist unzulässig, weil Versalis und Eni nicht bewiesen haben, dass sie vor dem Gericht einen auf die Nichtanwendung von Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 durch die Kommission gestützten Klagegrund vorgetragen haben.

75      Der dritte Rechtsmittelgrund ist zurückzuweisen, da er voraussetzt, dass der zweite Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑123/13 P durchgreift.

76      Somit ist der vierte Rechtsmittelgrund in dieser Rechtssache für teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zu erklären.

 Zum ersten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑93/13 P

 Vorbringen der Parteien

77      Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund beanstandet die Kommission die Rn. 272 bis 275 des angefochtenen Urteils. Diese lauten:

„272      Im vorliegenden Fall ist jedoch festzustellen, dass die Kommission im Rahmen der Kartellsachen, die in der [streitigen] Entscheidung angeführt worden sind, um das Bestehen eines Wiederholungsfalls bei Eni zu beweisen, nämlich die Kartellsachen, in denen die Polypropylen- und die PVC II‑Entscheidung ergangen sind (vgl. Randnr. 257 [des angefochtenen Urteils]) (vgl. Fn. 517 der [streitigen] Entscheidung), weder behauptet noch nachgewiesen hat, dass die von diesen Entscheidungen betroffenen Unternehmen, nämlich [Anic] und EniChem, ihr Verhalten auf dem relevanten Markt in den festgestellten Zuwiderhandlungszeiträumen nicht eigenständig bestimmt hatten und daher zusammen mit ihrer Muttergesellschaft Eni eine wirtschaftliche Einheit und damit ein Unternehmen im Sinne der Art. 81 EG und 82 EG gebildet hatten. Die Kommission hat nämlich nur eine Zuwiderhandlung dieser Tochtergesellschaften und nicht ihrer Muttergesellschaft festgestellt. Wie die Klägerinnen ausgeführt haben, ohne dass die Kommission dem widersprochen hätte, war Eni im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, das zum Erlass dieser Entscheidungen geführt hatte, nicht angehört worden.

273      Der Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte schließt es jedoch aus, dass eine Entscheidung als rechtmäßig gelten kann, mit der die Kommission gegen ein Unternehmen eine Geldbuße im Bereich des Wettbewerbsrechts verhängt, ohne ihm zuvor die ihm zur Last gelegten Beschwerdepunkte mitgeteilt zu haben. Ebenso muss in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angegeben werden, in welcher Eigenschaft der juristischen Person die behaupteten Tatsachen zur Last gelegt werden (Urteil Papierfabrik August Koehler u. a./Kommission, [C‑322/07 P, C‑327/07 P und C‑338/07 P, EU:C:2009:500], Randnr. 37 und 39, und Urteil [Akzo Nobel u. a./Kommission, EU:C:2009:536], Randnr. 57).

274      Die Kommission durfte somit im Rahmen der Feststellung des erschwerenden Umstands des Wiederholungsfalls bei Eni nicht davon ausgehen, dass Eni für eine frühere Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen werden müsse, für die sie nicht durch eine Entscheidung der Kommission mit einer Sanktion belegt wurde und bei deren Feststellung sie nicht Adressatin einer Mitteilung der Beschwerdepunkte war, so dass ihr keine Gelegenheit gegeben wurde, ihren Standpunkt vorzutragen, um das etwaige Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit zwischen ihr und anderen Unternehmen – hier Anic und EniChem – zum Zeitpunkt der früheren Zuwiderhandlung zu bestreiten.

275      Daher ist die in Art. 1 der [streitigen] Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung in Bezug auf Eni nicht als ein Wiederholungsfall anzusehen.“

78      Die Kommission beanstandet insbesondere die Rn. 273 und 274 des angefochtenen Urteils und wirft dem Gericht dabei vor, die Rechtsgrundsätze zur Ausübung der Verteidigungsrechte dadurch verletzt zu haben, dass es angenommen habe, diese Grundsätze verlangten für die Feststellung des erschwerenden Umstands des Wiederholungsfalls bei Eni, dass diese Adressatin der Mitteilung der Beschwerdepunkte im Zusammenhang mit der ersten Zuwiderhandlung und der Entscheidung, mit der diese Zuwiderhandlung festgestellt worden sei, gewesen sei.

79      Nach Ansicht der Kommission ist den Verteidigungsrechten genüge getan, wenn sie in dem Augenblick, in dem sie ihre Absicht mitteile, einen Wiederholungsfall anzunehmen, den Parteien die Möglichkeit des Nachweises gebe, dass die Voraussetzungen eines Wiederholungsfalls nicht vorlägen. Im vorliegenden Fall habe Eni die Möglichkeit gehabt, die Vermutung der Kontrolle über ihre Tochtergesellschaft zu widerlegen.

80      Im zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes, der insbesondere Rn. 274 des angefochtenen Urteils betrifft, macht die Kommission geltend, eine Einordnung als Wiederholungsfall setze nicht zwangsläufig voraus, dass gegen die Muttergesellschaft eine erste Geldbuße verhängt worden sei, sondern nur, dass eine erste Zuwiderhandlung festgestellt worden sei. Es genüge die Feststellung, dass die Muttergesellschaft mit einer Tochtergesellschaft, die sie nahezu vollständig kontrolliere, ein Unternehmen gebildet habe, das eine neue Zuwiderhandlung begangen habe und bei dem eine Erhöhung wegen eines Wiederholungsfalls gerechtfertigt sei. Für die Beurteilung, ob ein Unternehmen die Konsequenzen aus der ersten Feststellung einer Zuwiderhandlung gezogen habe, sei auf die Neigung dieser Wirtschaftseinheit, eine weitere zu begehen, abzustellen und nicht auf diejenige der einzelnen Gesellschaften, aus denen sie bestehe.

81      Die Begründung des Gerichts berge die Gefahr, die Verfolgung von Zuwiderhandlungen durch die Kommission zu beeinträchtigen, die eine Mitteilung der Beschwerdepunkte systematisch an alle Gesellschaften richten müsste, aus denen das an der ersten Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen bestehe, unabhängig davon, ob gegen sie im betreffenden Fall eine Geldbuße zu verhängen wäre. Zudem könne nicht zugelassen werden, dass der erschwerende Umstand des Wiederholungsfalls auf die ein solches Unternehmen bildenden Gesellschaften nur wegen der Organisationsstruktur des Konzerns, zu dem sie gehörten, nicht anwendbar sei.

82      Nach Ansicht von Versalis und Eni ist der erste Rechtsmittelgrund der Kommission zurückzuweisen. Eni sei in den Verfahren, in denen die Polypropylen- und die PVC II‑Entscheidung ergangen seien, weder angehört worden noch an ihnen beteiligt gewesen. Es treffe nicht zu, dass Eni im Rahmen des Verfahrens vor Erlass der streitigen Entscheidung in der Lage gewesen sei, Tatsachen vorzutragen und Beweise vorzulegen, um die Vermutung ihres bestimmenden Einflusses auf Anic und EniChem, jetzt [vertraulich], für die Zeiträume zu widerlegen, in denen die seit Langem beendeten Verfahren, in denen die Polypropylen- und die PVC II‑Entscheidung ergangen seien, stattgefunden hätten.

83      Der Umstand, dass die Kommission Eni nicht an diesen Verfahren beteiligt habe, zeige außerdem, dass nach Auffassung der Kommission die Kontrolle einer Muttergesellschaft über das gesamte Kapital einer verfahrensbeteiligten Tochtergesellschaft insoweit nicht von Bedeutung gewesen sei. Die 100%ige Beteiligung der Muttergesellschaft am Kapital ihrer Tochtergesellschaft habe daher nicht ausgereicht, um ihren bestimmenden Einfluss zu belegen. Die Kommission hätte vielmehr beweisen müssen, dass Eni tatsächlich einen solchen Einfluss auf Anic und EniChem ausgeübt habe.

84      Versalis und Eni tragen weiter vor, die heutige Eni sei eine völlig andere Gesellschaft als zur Zeit der Polypropylen- und der PVC‑II-Entscheidung, nämlich eine öffentliche Einrichtung, die von der italienischen Regierung kontrolliert und geführt werde, um dem italienischen Staat zu ermöglichen, seine Beteiligungen in bestimmten Sektoren von nationalem Interesse zu verwalten.

85      Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes der Kommission machen Versalis und Eni geltend, dass die Kommission Rn. 274 des angefochtenen Urteils falsch verstehe. Das Gericht nehme nicht auf eine Sanktion im Sinne einer Geldbuße Bezug, sondern vielmehr auf die fehlende Verantwortlichkeit von Eni im Rahmen der Polypropylen- und der PVC‑II-Entscheidung, da sie nicht zu den sanktionierten Unternehmen gehört habe.

 Würdigung durch den Gerichtshof

86      Der erste Rechtsmittelgrund der Kommission betrifft den erschwerenden Umstand des Wiederholungsfalls, der Eni angelastet wurde, weil Anic und EniChem durch die Polypropylen- und die PVC‑II-Entscheidung wegen ihrer Beteiligung an Kartellen mit Sanktionen belegt worden waren.

87      Wie sich aus Ziff. 28 der Leitlinien von 2006 und der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, liegt der erschwerende Umstand des Wiederholungsfalls vor, wenn eine Zuwiderhandlung fortgesetzt oder eine gleichartige oder ähnliche Zuwiderhandlung erneut begangen wird, nachdem die Kommission oder eine einzelstaatliche Wettbewerbsbehörde festgestellt hat, dass das Unternehmen gegen Art. 81 EG oder Art. 82 EG verstoßen hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil Groupe Danone/Kommission, C‑3/06 P, EU:C:2007:88, Rn. 40 und 41).

88      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Wettbewerbsrecht der Union die Tätigkeit von Unternehmen betrifft und dass der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung umfasst (vgl. Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, EU:C:2009:536, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

89      Verstößt eine solche wirtschaftliche Einheit gegen die Wettbewerbsregeln, so hat sie nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für diese Zuwiderhandlung einzustehen. Die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union muss eindeutig einer juristischen Person zugerechnet werden, gegen die Geldbußen festgesetzt werden können, und die Mitteilung der Beschwerdepunkte muss an diese gerichtet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, EU:C:2009:536, Rn. 56 und 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90      Nach der in Rn. 40 des vorliegenden Urteils angeführten ständigen Rechtsprechung kann im Rahmen der Anwendung von Art. 81 EG das Verhalten einer Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft zugerechnet werden, wenn die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teil ein und derselben wirtschaftlichen Einheit sind und ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden.

91      Somit wird für die Feststellung des erschwerenden Umstands des Wiederholungsfalls bei der Muttergesellschaft nicht verlangt, dass gegen sie bereits früher ermittelt wurde und daraufhin eine Mitteilung der Beschwerdepunkte und eine Entscheidung ergingen. Entscheidend ist insoweit insbesondere die frühere Feststellung einer ersten Zuwiderhandlung durch das Verhalten einer Tochtergesellschaft, mit der die an einer zweiten Zuwiderhandlung beteiligte Muttergesellschaft schon zum Zeitpunkt der ersten Zuwiderhandlung ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG gebildet hat.

92      Das Ziel, gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrags verstoßende Verhaltensweisen zu ahnden und ihrer Wiederholung durch abschreckende Sanktionen vorzubeugen (vgl. Urteil ETI u. a., EU:C:2007:775, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung), würde beeinträchtigt, wenn ein Unternehmen, das eine an einer ersten Zuwiderhandlung beteiligte Tochtergesellschaft umfasst, in der Lage wäre, die Sanktionierung des Wiederholungsfalls dadurch unmöglich zu machen oder besonders zu erschweren und damit abzuwenden, dass es seine Rechtsstruktur ändert, indem es neue Tochtergesellschaften gründet, gegen die nicht wegen der ersten Zuwiderhandlung ermittelt werden konnte, die aber an der neuen Zuwiderhandlung beteiligt sind.

93      Zwar sind, wie das Gericht im angefochtenen Urteil entschieden hat, die Verteidigungsrechte der juristischen Person, der der Wiederholungsfall vorgeworfen wird, zu wahren. Jedoch erfordert dies entgegen den irrigen Ausführungen des Gerichts in Rn. 274 des angefochtenen Urteils nicht, dass die juristische Person im Rahmen der Ermittlungen wegen einer ersten Zuwiderhandlung in der Lage gewesen sein muss, zu widerlegen, dass sie mit anderen Einrichtungen, gegen die ebenfalls ermittelt wurde, ein und dieselbe wirtschaftliche Einheit gebildet hat. Es ist nur sicherzustellen, dass sie sich in dem Augenblick verteidigen kann, in dem ihr der Wiederholungsfall vorgeworfen wird.

94      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Beachtung der Verteidigungsrechte in allen Verfahren, die zu Sanktionen, namentlich zu Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können, einen fundamentalen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, der auch in einem Verwaltungsverfahren ausnahmslos eingehalten werden muss (Urteile Hoffmann-La Roche/Kommission, 85/76, EU:C:1979:36, Rn. 9, ARBED/Kommission, C‑176/99 P, EU:C:2003:524, Rn. 19, und Papierfabrik August Koehler u. a./Kommission, EU:C:2009:500, Rn. 34).

95      In einem Verfahren wegen der Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln stellt die Mitteilung der Beschwerdepunkte in dieser Hinsicht die wesentliche Verfahrensgarantie dar (vgl. in diesem Sinne Urteile Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, EU:C:1983:158, Rn. 10, und Papierfabrik August Koehler u. a./Kommission, EU:C:2009:500, Rn. 35).

96      Beabsichtigt die Kommission, einer juristischen Person eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht zuzurechnen und ihr einen Wiederholungsfall anzulasten, muss die Mitteilung der Beschwerdepunkte alle Angaben enthalten, die es dieser juristischen Person ermöglichen, sich zu verteidigen. Handelt es sich bei ihr um eine Muttergesellschaft, der der erschwerende Umstand des Wiederholungsfalls wegen eines von der Kommission festgestellten wettbewerbswidrigen Verhaltens einer ihrer Tochtergesellschaften angelastet wird, war aber in Bezug auf diese Tochtergesellschaft keine Entscheidung, mit der eine erste Zuwiderhandlung festgestellt wurde, gegenüber der Muttergesellschaft ergangen, bevor die Mitteilung der Beschwerdepunkte an sie gerichtet wurde, muss diese die Angaben enthalten, die beweisen, dass die Voraussetzungen eines Wiederholungsfalls erfüllt sind, und insbesondere belegen, dass diese juristische Person zum Zeitpunkt der ersten Zuwiderhandlung mit der Gesellschaft, deren Beteiligung an der ersten Zuwiderhandlung festgestellt wurde, ein einziges Unternehmen gebildet hat. Die Kommission muss insoweit beweisen, dass die an der zweiten Zuwiderhandlung beteiligte juristische Person bereits zum Zeitpunkt der ersten Zuwiderhandlung einen bestimmenden Einfluss auf die an der ersten Zuwiderhandlung beteiligte Tochtergesellschaft ausgeübt hat.

97      Entgegen der Auffassung von Eni verbietet es die Zeit, die zwischen einer ersten Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln und einer zweiten Zuwiderhandlung liegt, grundsätzlich nicht, einer juristischen Person den erschwerenden Umstand des Wiederholungsfalls anzulasten, gegen die nicht im Zusammenhang mit der ersten Zuwiderhandlung ermittelt wurde. Die Kommission muss jedoch bei ihrer Beurteilung der Neigung des Unternehmens zu Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln die Zeit berücksichtigen, die zwischen den beiden Zuwiderhandlungen verstrichen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Lafarge/Kommission, C‑413/08 P, EU:C:2010:346, Rn. 70). Darüber hinaus obliegt es dem Richter der Europäischen Union, wenn er die Einhaltung des Grundsatzes der Wahrung der Verteidigungsrechte kontrolliert, alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die etwaigen Beweisschwierigkeiten, die sich aus der seit der ersten Zuwiderhandlung verstrichenen Zeit ergeben können, die strukturelle Entwicklung des Unternehmens oder die Weiterentwicklung der anwendbaren Wettbewerbsregeln.

98      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission sowohl in der Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch in der Entscheidung das Vorliegen der Voraussetzungen eines Wiederholungsfalls beweisen muss. Folglich muss die Kommission, wenn sie gegen eine Gesellschaft wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Union eine Geldbuße verhängt und bei der Bemessung der Geldbuße einen Multiplikator anwendet, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass diese Gesellschaft bereits früher in eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln verwickelt war, zusammen mit der Entscheidung, mit der die Geldbuße verhängt wird, eine Darstellung abgeben, die den Unionsgerichten und dieser Gesellschaft ermöglicht, zu erkennen, in welcher Eigenschaft und in welchem Umfang die Gesellschaft an der früheren Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sein soll. Insbesondere muss die Kommission, wenn sie davon ausgeht, dass diese Gesellschaft Teil des Unternehmens war, das Adressatin der die frühere Zuwiderhandlung betreffenden Entscheidung war, diese Behauptung rechtlich hinreichend begründen (Urteile Eni/Kommission, EU:C:2013:289, Rn. 129, und Versalis/Kommission, EU:C:2013:386, Rn. 142).

99      Zum erschwerenden Umstand des Wiederholungsfalls, der Eni angelastet wird, genügt, ohne dass eine Prüfung der Mitteilung der Beschwerdepunkte erforderlich wäre, die Feststellung, dass nur im 540. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung der Umstand erwähnt ist, dass bereits frühere Entscheidungen wegen Kartelltätigkeiten an EniChem gerichtet worden seien. In der zugehörigen Fußnote werden die Polypropylen-Entscheidung, „in der festgestellt wurde, dass [Anic], eine Tochtergesellschaft der ENI‑Gruppe, an dem Kartell beteiligt war“, und die PVC‑II-Entscheidung, „in der festgestellt wurde, das [EniChem] an dem Kartell beteiligt war“, zitiert. In diesem Erwägungsgrund wird ohne weitere Erläuterung auch erwähnt, dass es sich bei Eni um eine Wiederholungstäterin handele.

100    Da jedoch die Polypropylen-Entscheidung insbesondere an Anic und die PVC‑II-Entscheidung insbesondere an EniChem gerichtet war, geben die in der vorstehenden Randnummer angeführten Angaben in der streitigen Entscheidung keinen Hinweis darauf, in welcher Eigenschaft und in welchem Umfang Eni, an die weder die Polypropylen-Entscheidung noch die PVC‑II-Entscheidung gerichtet war, an den durch diese Entscheidungen festgestellten Zuwiderhandlungen beteiligt gewesen sein soll.

101    Da die streitige Entscheidung offensichtlich keine Begründung enthält, die es Eni erlaubt, sich zu verteidigen, und dem Unionsrichter, seine Kontrolle auszuüben, ist der erschwerende Umstand des Wiederholungsfalls bei Eni zu verneinen.

102    Nach alledem ist dem Gericht in Rn. 274 des angefochtenen Urteils bei der Darstellung der Voraussetzungen eines Wiederholungsfalls ein Rechtsfehler unterlaufen. Da sich jedoch die Entscheidung des Gerichts in Rn. 275 des angefochtenen Urteils, in Bezug auf Eni den erschwerenden Umstand des Wiederholungsfalls zu verneinen, aus anderen Rechtsgründen als richtig erweist, kann dieser Fehler nicht zur Nichtigerklärung dieser Entscheidung oder zur Aufhebung der Folgen führen, die das Gericht daraus für die Höhe der Geldbuße abgeleitet hat, sondern es ist eine Ersetzung von Gründen vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil FIAMM u. a./Rat und Kommission, C‑120/06 P und C‑121/06 P, EU:C:2008:476, Rn. 187 und die dort angeführte Rechtsprechung).

103    Somit ist der erste Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑93/13 P zurückzuweisen.

 Zum fünften Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑123/13 P

 Vorbringen der Parteien

104    Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund machen Versalis und Eni geltend, das Gericht habe die Regeln des Unionsrechts zum Wiederholungsfall verletzt, indem es in den Rn. 278 bis 280 des angefochtenen Urteils bestätigt habe, dass der erschwerende Umstand des Wiederholungsfalls bei Versalis greife und dadurch gerechtfertigt sei, dass Polimeri Europa wirtschaftlich EniChem, jetzt [vertraulich], nachgefolgt sei, die an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei, um die es in der PVC‑II-Entscheidung gegangen sei. Zudem habe das Gericht in Rn. 276 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen, weil es die gesamtschuldnerische Haftung von Eni für die Zahlung der Geldbuße auch hinsichtlich des auf den erschwerenden Umstand des Wiederholungsfalls bezogenen Teils aufrechterhalten habe.

105    Versalis und Eni rügen erstens eine unzureichende Begründung hinsichtlich der Bindungen zwischen den für die unterschiedlichen Zuwiderhandlungen verantwortlichen Unternehmen. Zweitens wenden sie sich gegen die Anwendung des Kriteriums der wirtschaftlichen Nachfolge. Drittens habe das Gericht seine Kompetenzen überschritten, indem es die Anwendbarkeit des erschwerenden Umstands des Wiederholungsfalls mit einer anderen Begründung als die Kommission bestätigt habe. Viertens machen sie unter Bezugnahme auf die in Rn. 367 des angefochtenen Urteils angeführte Situation von Bayer geltend, das Gericht habe den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt, indem es den Prozentsatz, um den die Erhöhung der Geldbuße wegen des erschwerenden Umstands des Wiederholungsfalls verringert worden sei, auf nur 10 % festgesetzt habe. Fünftens habe das Gericht hinsichtlich der gesamtschuldnerischen Haftung von Eni für die Zahlung dieser Erhöhung seine Begründungspflicht verletzt und sei von der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Urteil Arkema/Kommission (C‑520/09 P, EU:C:2011:619) abgewichen, in dem anerkannt worden sei, dass eine Muttergesellschaft, die eine Unternehmenseinheit mit einer Tochtergesellschaft bilde, die für eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln verantwortlich sei, für den Teil der Geldbuße, der auf den Wiederholungsfall bei der Tochtergesellschaft entfalle, nicht gesamtschuldnerisch hafte, sofern sie mit ihrer Tochtergesellschaft zum Zeitpunkt der Begehung der ersten Zuwiderhandlung keine wirtschaftliche Einheit gebildet habe.

106    Die Kommission hält diese Rügen für unbegründet.

 Würdigung durch den Gerichtshof

107    Der vorliegende Rechtsmittelgrund betrifft den erschwerenden Umstand des Wiederholungsfalls, der Versalis wegen der Sanktionierung von EniChem durch die PVC‑II-Entscheidung angelastet wurde. Das Gericht hat im Rahmen seiner Prüfung des dritten Klagegrundes der Rechtsmittelführerinnen, auf den das Gericht in Rn. 278 des angefochtenen Urteils Bezug nimmt, die Bindungen zwischen den verschiedenen juristischen Personen, denen die Zuwiderhandlungen zugerechnet werden, umfassend beschrieben. Ferner ergibt eine Prüfung des zweiten Rechtsmittelgrundes von Versalis und Eni in der Rechtssache C‑123/13 P, dass bei EniChem, jetzt [vertraulich], und Polimeri Europa, jetzt Versalis, von einer Unternehmenskontinuität ausgegangen werden durfte. Das Gericht hat zudem nicht seine Befugnisse überschritten, sondern seine Auffassung, die Voraussetzungen eines Wiederholungsfalls seien erfüllt, auf die Angaben in der streitigen Entscheidung gestützt. Die ersten drei Rügen sind daher unbegründet.

108    Da der Wiederholungsfall bei Versalis, vormals Polimeri Europa, wegen einer einzigen Zuwiderhandlung vor Erlass der streitigen Entscheidung angenommen wurde, hat das Gericht in Rn. 367 des angefochtenen Urteils zutreffend entschieden, dass die Situation von Versalis und Eni mit derjenigen von Bayer vergleichbar sei, bei der ebenfalls ein Wiederholungsfall wegen einer einzigen Zuwiderhandlung angenommen worden war. Die vierte Rüge ist daher unbegründet.

109    Die fünfte Rüge, mit der die Anwendung der Vermutung des Einflusses der Muttergesellschaft auf ihre an der Zuwiderhandlung beteiligten Tochtergesellschaften auf Eni in Frage gestellt wird, steht mit dem ersten Rechtsmittelgrund von Versalis und Eni im Zusammenhang. Aus den Rn. 40 bis 45 des vorliegenden Urteils ergibt sich jedoch, dass dieser Rechtsmittelgrund zurückgewiesen worden ist. Zum Urteil Arkema/Kommission (EU:C:2011:619) genügt die Feststellung, dass das Vorbringen von Versalis und Eni von einem falschen Verständnis dieses Urteils ausgeht, in dem sich der Gerichtshof darauf beschränkt hat, die Berechnung der Geldbuße auf der Grundlage der von der Kommission getroffenen Entscheidungen zu überprüfen, ohne zu den Voraussetzungen eines Wiederholungsfalls Stellung zu nehmen.

110    Demnach ist der fünfte Rechtsmittelgrund von Versalis und Eni als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑93/13 P

 Vorbringen der Parteien

111    Im Rahmen ihres zweiten Rechtsmittelgrundes, der sich auf die Rn. 316 ff. des angefochtenen Urteils bezieht, beanstandet die Kommission den Vergleich zwischen dem Multiplikator zur Gewährleistung einer hinreichend abschreckenden Wirkung, der für die Festsetzung der gegen Versalis und Eni verhängten Geldbuße herangezogen worden sei, und dem in der streitigen Entscheidung auf Dow angewandten Multiplikator sowie die mit einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung begründete Herabsetzung des auf Versalis und Eni angewandten Multiplikators.

112    Sie macht geltend, das Gericht habe die Grenzen seiner Zuständigkeit überschritten und gegen den Dispositionsgrundsatz, Art. 21 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie Art. 44 § 1 und Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts verstoßen, indem es eine Rechtsfrage zu einem behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung hinsichtlich des bei der Berechnung der Geldbuße zu Abschreckungszwecken angewandten Multiplikators geprüft habe, die nicht von Versalis und Eni in ihrer Klageschrift aufgeworfen worden sei.

113    In dieser Klageschrift hätten Versalis und Eni das Gericht ersucht, die Rechtswidrigkeit der Anwendung des Multiplikators festzustellen, weil die Anwendung aufgrund der Höhe des Multiplikators den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletze. Hilfsweise hätten Versalis und Eni um eine Herabsetzung des Multiplikators ersucht. Erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht hätten sie einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung erwähnt. Das Gericht habe gegen die vorstehenden Bestimmungen verstoßen und insbesondere den Dispositionsgrundsatz verletzt, indem es diesen Klagegrund von Amts wegen aufgegriffen habe.

114    Versalis und Eni treten dem zweiten Rechtsmittelgrund der Kommission entgegen. Sie machen geltend, dass sie auf den Unterschied zwischen den Multiplikatoren, die bei der Berechnung der gegen die verschiedenen beteiligten Unternehmen verhängten Geldbußen zu Abschreckungszwecken angewandt worden seien, zur Stützung ihres Klagegrundes des Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hingewiesen hätten. Der Grundsatz der Gleichbehandlung stehe mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang. Das Gericht habe daher nicht von Amts wegen einen neuen Klagegrund aufgegriffen. Die Kommission habe im Übrigen in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt, dass Versalis und Eni einen neuen Klagegrund eingeführt hätten.

115    Versalis und Eni weisen zudem auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung hin.

 Würdigung durch den Gerichtshof

116    Wie der Generalanwalt in Nr. 101 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, haben Versalis und Eni der Kommission mehrfach, u. a. in ihrer Klageschrift, vorgeworfen, auf sie einen höheren Multiplikator zu Abschreckungszwecken angewandt zu haben als auf andere Unternehmen. Mit dieser Rüge haben Versalis und Eni im Kern den Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung geltend gemacht, den die Parteien somit erörtern konnten. Folglich hat sich das Gericht nicht von Amts wegen zu diesem Klagegrund geäußert.

117    Der zweite Rechtsmittelgrund der Kommission ist daher zurückzuweisen.

 Zum dritten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑93/13 P

 Vorbringen der Parteien

118    Im Rahmen ihres dritten Rechtsmittelgrundes, der sich auf die Rn. 323 bis 325 des angefochtenen Urteils bezieht, macht die Kommission geltend, das Gericht habe bei der Auslegung und Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung hinsichtlich des zu Abschreckungszwecken angewandten Multiplikators der Geldbuße einen Rechtsfehler begangen. Das angefochtene Urteil weise außerdem einen Begründungsmangel auf. Insbesondere habe das Gericht das Ermessen der Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen anhand der maßgeblichen Umstände verkannt und zwinge sie, den auf die Geldbuße von Versalis und Eni anzuwendenden Multiplikator durch eine rein mathematische Berechnung zu ermitteln. Ferner habe das Gericht einen Fehler begangen, indem es verlangt habe, Proportionalität zwischen der Erhöhung der Geldbuße zu Abschreckungszwecken und den Umsätzen der beteiligten Unternehmen und nicht zwischen den Multiplikatoren oder den sich aus der Anwendung der Multiplikatoren ergebenden Geldbußen und dem Gesamtumsatz der Unternehmen herzustellen.

119    Nach Ansicht von Versalis und Eni begehrt die Kommission unter dem Deckmantel ihres dritten Rechtsmittelgrundes vom Gerichtshof eine erneute Beurteilung des zu Abschreckungszwecken angewandten Multiplikators. Daher sei dieser Rechtsmittelgrund unzulässig. Jedenfalls sei er unbegründet. Das Gericht habe nämlich in den Grenzen seiner Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung gehandelt und die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die vom Gericht befürwortete Methode weniger abschreckend sei als die von der Kommission vorgeschlagene Methode, die zu unverhältnismäßigen Ergebnissen führen könne.

 Würdigung durch den Gerichtshof

120    Wie der Generalanwalt in Nr. 105 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, geht es im dritten Rechtsmittelgrund der Kommission nicht um die Notwendigkeit, den Grundsatz der Gleichbehandlung zwischen den verschiedenen an ein und demselben Kartell Beteiligten zu wahren, sondern um die Gesichtspunkte, die für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der verhängten Geldbußen heranzuziehen sind. Das Gericht hat sich insoweit auf die Angaben in der streitigen Entscheidung gestützt, seine Entscheidung genau begründet und keinen Rechtsfehler begangen, als es in Rn. 325 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass die Wahl des Multiplikators 1,4 wegen des Unterschieds zwischen dem Umsatz von Eni und dem von Dow nicht angemessen gewesen sei.

121    Dieser Rechtsmittelgrund ist als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum sechsten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑123/13 P

 Vorbringen der Parteien

122    Im Rahmen ihres sechsten Rechtsmittelgrundes tragen Versalis und Eni vor, das Gericht habe Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 offensichtlich fehlerhaft angewandt, indem es den Höchstbetrag der Geldbuße nicht allein anhand des Umsatzes von [vertraulich], vormals EniChem, ermittelt habe.

123    Nach Ansicht der Kommission deckt sich dieser Rechtsmittelgrund mit dem ersten und dem zweiten Rechtsmittelgrund von Versalis und Eni.

 Würdigung durch den Gerichtshof

124    Dieser Rechtsmittelgrund setzt voraus, dass dem ersten und dem zweiten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑123/13 P stattgegeben wurde. Da diese Rechtsmittelgründe zurückgewiesen worden sind, ist auf den sechsten Rechtsmittelgrund von Versalis und Eni nicht einzugehen.

 Zum siebten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑123/13 P

 Vorbringen der Parteien

125    Im Rahmen ihres siebten Rechtsmittelgrundes beanstanden Versalis und Eni die Zurückweisung ihres zehnten und ihres elften Klagegrundes durch das Gericht, mit denen sie gerügt hatten, dass die Kommission die Zusammenarbeit von [vertraulich] und Versalis außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über die Zusammenarbeit von 2002 nicht berücksichtigt habe und dass die Geldbuße nicht gemäß der Mitteilung über die Zusammenarbeit von 2002 ermäßigt worden sei. Das Gericht habe seine gerichtliche Kontrollaufgabe nicht wahrgenommen und jedenfalls einen Beurteilungsfehler begangen sowie seine Begründungspflicht verletzt, indem es angenommen habe, dass die Kommission bei der Beurteilung dieser Zusammenarbeit nicht gegen die Grundsätze der Fairness, der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes verstoßen habe.

126    Versalis und Eni werfen dem Gericht vor, sich in Rn. 355 des angefochtenen Urteils unter Verweis auf das der Kommission bei der Berechnungsmethode für Geldbußen eingeräumte Ermessen der Würdigung der von Versalis und Eni im Rahmen der Zusammenarbeit vorgelegten Beweise durch die Kommission angeschlossen zu haben. Nach Ansicht von Versalis und Eni hätte das Gericht die Art und Weise kontrollieren müssen, in der die Kommission die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 in anderen Kartellsachen angewandt habe. Ferner habe es nicht den späten Zeitpunkt berücksichtigt, zu dem Versalis und Eni von der Untersuchung erfahren hätten, obwohl dies einen Einfluss auf den Mehrwert der Informationen gehabt hätte, die Versalis und Eni hätten zur Verfügung stellen können. Sie werfen der Kommission zudem vor, nicht schon früher eine Kontrolle durchgeführt zu haben.

127    Das Gericht habe auch einen Rechtsfehler begangen, indem es keinen Verstoß der Kommission gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes festgestellt habe, obwohl die von Versalis und Eni vorgelegten Informationen im Vergleich zu den Informationen, die in anderen Sachen, in denen Entscheidungen der Kommission ergangen seien, vorgelegt worden seien, einen erheblichen Mehrwert gehabt hätten, und Versalis und Eni davon hätten ausgehen dürfen, dass ihre uneingeschränkte, loyale und fortgesetzte Zusammenarbeit angemessen belohnt werde. Rn. 358 des angefochtenen Urteils beanstanden sie als unbegründet.

128    Ferner seien sie gegenüber den anderen Unternehmen, die eine Ermäßigung ihrer Geldbuße beantragt hätten, diskriminiert worden. Deren Aussagen seien inkohärent, ungenau und nicht glaubhaft.

129    Die Kommission hält den siebten Rechtsmittelgrund von Versalis und Eni für unzulässig, da es sich nur um die Wiederholung ihres Vorbringens vor dem Gericht handele und auf eine neue Tatsachenwürdigung hinsichtlich der von [vertraulich], vormals EniChem, der Kommission vorgelegten Informationen ziele.

 Würdigung durch den Gerichtshof

130    Mit ihrem siebten Rechtsmittelgrund beanstanden Versalis und Eni im Wesentlichen die Ausführungen des Gerichts zu ihrem elften Klagegrund. Das Gericht hat nach einem Hinweis in Rn. 354 des angefochtenen Urteils auf den Begriff des erheblichen Mehrwerts, wie er in der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 verwendet wird, die von Versalis und Eni vorgelegten Beweise geprüft, um festzustellen, ob sie gegenüber den bereits im Besitz der Kommission befindlichen Beweismitteln einen erheblichen Mehrwert darstellten.

131    In den Rn. 357 bis 363 des angefochtenen Urteils hat das Gericht eine genaue und begründete Analyse der Beweismittel vorgenommen, die der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels nicht nachzuprüfen hat. In Anbetracht dieser Beurteilung hat das Gericht die verschiedenen Argumente von Versalis und Eni ohne Rechtsfehler zurückgewiesen.

132    Der siebte Rechtsmittelgrund von Versalis und Eni ist daher zurückzuweisen.

 Zum achten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑123/93 P

 Vorbringen der Parteien

133    Im Rahmen ihres achten Rechtsmittelgrundes machen Versalis und Eni geltend, das Gericht habe keine umfassende gerichtliche Kontrolle der Höhe der endgültigen Geldbuße vorgenommen, die ungerecht, unangemessen und unverhältnismäßig sei. Das Gericht habe ihr Vorbringen nicht umfassend geprüft und sich auf eine bloße Kontrolle der Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidung beschränkt.

134    Nach Ansicht der Kommission hat das Gericht das Vorbringen von Versalis und Eni umfassend geprüft. Die beiden versuchten, den Gerichtshof zu einer Überprüfung der Höhe der Geldbuße zu bewegen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

135    Dieser Rechtsmittelgrund bezieht sich auf das gesamte Urteil, und die beanstandeten Randnummern des angefochtenen Urteils werden darin nicht angegeben. Er ist daher zu ungenau und unklar, als dass über ihn entschieden werden könnte.

136    Zudem darf der Gerichtshof bei seiner Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens nicht seine eigene Würdigung aus Gründen der Billigkeit an die Stelle der Würdigung des Gerichts setzen, das in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über die Höhe der gegen Unternehmen wegen Verletzung des Unionsrechts verhängten Geldbußen entscheidet (vgl. u. a. Urteil E.ON Energie/Kommission, C‑89/11 P, EU:C:2012:738, Rn. 125).

137    Daher ist der achte Rechtsmittelgrund von Versalis und Eni als unzulässig zurückzuweisen.

138    Da alle Rechtsmittelgründe sowohl in der Rechtssache C‑93/13 P als auch in der Rechtssache C‑123/13 P zurückgewiesen worden sind, sind die beiden Rechtsmittel zurückzuweisen.

 Kosten

139    Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach Art. 184 Abs. 1 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

140    In der Rechtssache C‑93/13 P ist die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen und daher entsprechend dem Antrag von Versalis und Eni zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

141    In der Rechtssache C‑123/13 P sind Versalis und Eni mit ihrem Vorbringen unterlegen und daher entsprechend dem Antrag der Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Rechtsmittel in den Rechtssachen C‑93/13 P und C‑123/13 P werden zurückgewiesen.

2.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten im Zusammenhang mit dem Rechtsmittel in der Rechtssache C‑93/13 P.

3.      Die Versalis SpA und die Eni SpA tragen die Kosten im Zusammenhang mit dem Rechtsmittel in der Rechtssache C‑123/13 P.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Italienisch.