Language of document : ECLI:EU:T:2019:144

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

7. März 2019(*)

„REACH – Beschluss der Kommission über die Zulassung der Verwendung von Bleisulfochromatgelb und Bleichromatmolybdatsulfatrot – Art. 60 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 – Prüfung der Nichtverfügbarkeit von Alternativen – Rechtsfehler“

In der Rechtssache T‑837/16

Königreich Schweden, zunächst vertreten durch A. Falk und F. Bergius, sodann durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, H. Shev und J. Lundberg als Bevollmächtigte,

Kläger,

unterstützt durch

Königreich Dänemark, zunächstvertreten durch C. Thorning und M. Wolff, sodann durch M. Wolff und J. Nymann-Lindegren als Bevollmächtigte,

durch

Republik Finnland, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten,

und durch

Europäisches Parlament, vertreten durch A. Neergaard und A. Tamás als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durchR. Lindenthal, K. Mifsud‑Bonnici, K. Simonsson und G. Tolstoy als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Europäische Chemikalienagentur (ECHA), vertreten durch M. Heikkilä, W. Broere und C. Schultheiss als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

wegen eines auf Art. 263 AEUV gestützten Antrags auf Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses C(2016) 5644 final der Kommission vom 7. September 2016 über die Zulassung bestimmter Verwendungen von Bleisulfochromatgelb und Bleichromatmolybdatsulfatrot gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Gratsias, der Richterin I. Labucka und des Richters A. Dittrich (Berichterstatter),

Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2018

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Bei Bleisulfochromatgelb (C. I. Pigment Yellow 34; EG-Nr. 215‑693‑7, CAS-Nr. 1344‑37‑2) und dem als Pigment Red 104 bezeichneten Bleichromatmolybdatsulfatrot (C. I. Pigment Red 104; EG-Nr. 235‑759‑9, CAS-Nr. 12656‑85‑8) (im Folgenden: die streitigen Pigmente oder die streitigen Bleichromate oder die streitigen Stoffe) handelt es sich um Mischungen von Blei- und Chrom‑VI-Elementen.

2        Diese Pigmente werden wegen ihrer Haltbarkeit, ihrer hellen Farbe und ihres Glanzes in Lacken und Anstrichen verwendet, zum Beispiel für Brücken und Eisen- und Stahlkonstruktionen oder wenn der Anstrich eine Signalfunktion hat, zum Beispiel bei Warnschildern. Bleichromate werden ferner für gelbe Straßenmarkierungen benutzt.

3        Die streitigen Pigmente, die unter den Index-Nrn. 082‑009‑00‑X und 082‑010‑00‑5 in der Liste der harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe in der Tabelle 3.1 in Teil 3 des Anhangs VI der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. 2008, L 353, S. 1) aufgeführt sind, wurden namentlich als krebserzeugend und fortpflanzungsgefährdend eingestuft.

4        Durch den Erlass der Verordnung (EU) Nr. 125/2012 vom 14. Februar 2012 zur Änderung des Anhangs XIV der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) (ABl. 2012, L 41, S. 1) nahm die Europäische Kommission die streitigen Pigmente aufgrund ihrer Eigenschaft als krebserzeugende und fortpflanzungsgefährdende Stoffe mit Ablauftermin am 21. Mai 2015 in den Anhang XIV der Verordnung Nr. 1907/2006 auf (Verordnung [EG] Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe [REACH], zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung [EWG] Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung [EG] Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission [ABl. 2006, L 396, S. 1]).

5        Acht Unternehmen, darunter die DCC Maastricht BV, bei der es sich um die Vertreterin eines kanadischen Herstellers dieser Stoffe in der Europäischen Union im Sinne von Art. 8 der Verordnung Nr. 1907/2006 handelt, registrierten Bleichromate gemäß den Bestimmungen des Titels II der Verordnung Nr. 1907/2006.

6        DCC Maastricht, die die streitigen Pigmente an ungefähr 100 nachgeschaltete Anwender in der Union liefert, war das einzige Unternehmen, das – am 19. November 2013 – einen Zulassungsantrag gemäß Art. 62 der Verordnung Nr. 1907/2006 im Hinblick auf das Inverkehrbringen der streitigen Pigmente einreichte. Die Zulassung wurde genauer für folgende, für die beiden Stoffe identische Verwendungen beantragt:

–        für die in einer industriellen Umgebung vorgenommene Verteilung und Vermischung von Pigmentpulver mit Anstrichfarben auf Lösungsmittelbasis, die nicht zur Benutzung durch Verbraucher bestimmt sind;

–        für die industrielle Anwendung von Anstrichfarben auf metallischen Oberflächen (Maschinen, Fahrzeuge, Strukturen, Schilder, Straßenmobiliar, Mehrschichtlackierung usw.);

–        für die (nicht zur Benutzung durch Verbraucher bestimmte) professionelle Anwendung von Anstrichfarben auf metallischen Oberflächen (Maschinen, Fahrzeuge, Strukturen, Schilder, Straßenmobiliar usw.) oder zur Straßenmarkierung;

–        für die in einer industriellen Umgebung vorgenommene Verteilung und Vermischung von Pigmentpulver mit flüssigen oder festen Vormischungen zum Färben von Erzeugnissen aus Plastik oder plastifizierten Erzeugnissen, die nicht zur Benutzung durch Verbraucher bestimmt sind;

–        für die industrielle Verwendung von pigmenthaltigen festen oder flüssigen farbigen Vormischungen und vorgemischten Stoffen zum Färben von Erzeugnissen aus Plastik oder plastifizierten Erzeugnissen, die nicht zur Benutzung durch Verbraucher bestimmt sind;

–        für die professionelle Verwendung von pigmenthaltigen festen oder flüssigen farbigen Vormischungen und vorgemischten Stoffen für thermoplastische Straßenmarkierungen.

7        Der Zulassungsantrag enthält folgende nicht abschließenden Beispiele für Erzeugnisse, die von den darin genannten Verwendungen betroffen sind und die nach Auffassung des Antragstellers die von den Pigmenten erbrachten technischen Leistungen erfordern: Verdeck-Abdeckungen für Kraftfahrzeuge, Warnschilder, Behälter für pharmazeutische Abfälle, Rohre für die petrochemische Industrie, Kräne, landwirtschaftliche Maschinen, Straßenausrüstungen, Stahlbrücken, Tresore und Stahlcontainer.

8        Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) führte gemäß Art. 64 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1907/2006 eine öffentliche Konsultation durch, um interessierten Kreisen Gelegenheit zur Übermittlung von Informationen über alternative Stoffe oder Technologien zu geben. Im Rahmen dieser Konsultation äußerten sich Hersteller aus der Union, nachgeschaltete Anwender der streitigen Pigmente, Branchenorganisationen, Mitgliedstaaten und einige Nichtregierungsorganisationen.

9        Die nachgeschalteten Anwender, die sich anlässlich der Konsultationen äußerten, wiesen darauf hin, dass die Stoffe, die anstelle der streitigen Bleichromate verwendet werden könnten, nicht dieselben Vorzüge hätten und zumeist teurer seien. Die British Coatings Federation, die 90 % der Beschichtungsindustrie des Vereinigten Königreichs vertritt, führte dagegen im Wesentlichen aus, sie teile nicht die Ansicht des Antragstellers, dass Bleichromate unersetzlich seien; derzeit würden in der Farbenindustrie zahlreiche alternative Stoffe verwendet, die kein Blei enthielten. Ebenso trug der Farben- und Beschichtungsproduzent A. vor, dass seit vielen Jahren weltweit geeignete alternative Stoffe im Handel seien, die sicherer seien als die streitigen Bleichromate und die benutzt werden könnten, um die gewünschten Produktmerkmale und Leistungen zu angemessenen Kosten zu erzielen. Schließlich erklärte B., ein anderer Hersteller von chemischen Produkten und Anstrichfarben, dass die Mehrzahl seiner Kunden erfolgreich zu bleifreien alternativen Stoffen übergegangen sei oder bereit sei, dies zu tun. Der Antragsteller entgegnete auf die Ausführungen von B. und A., dass eine Reihe von kleinen und mittleren Unternehmen, die seinen Antrag im Rahmen der Konsultationen unterstützt hätten, die streitigen Pigmente zur Herstellung besonderer Nischenprodukte bräuchten.

10      Am 11. Dezember 2014 gaben der Ausschuss für Risikobeurteilung und der Ausschuss für sozioökonomische Analyse der ECHA zwölf konsolidierte Stellungnahmen zu dem Zulassungsantrag ab, um den sechs Verwendungen, für die hinsichtlich der beiden in Rede stehenden Stoffe Zulassungen beantragt worden waren, Rechnung zu tragen.

11      In diesen Stellungnahmen führte der Ausschuss für Risikobeurteilung aus, dass weder für die krebserzeugenden noch für die fortpflanzungsgefährdenden Eigenschaften der streitigen Pigmente ein DNEL-Wert (Derived No-Effect Level: Grenzwert, unterhalb dessen der Stoff die menschliche Gesundheit nicht beeinträchtigt) gemäß Anhang I Abschnitt 6.4 der Verordnung Nr. 1907/2006 habe ermittelt werden können.

12      Der Ausschuss für sozioökonomische Analyse bemerkte in Punkt 7 der konsolidierten Stellungnahmen (Anlagen E.1, E.4, E.7 und E.10 zum Schriftsatz des Königreichs Schweden vom 21. August 2018) allgemein zur technischen Durchführbarkeit der Alternativen hinsichtlich der ersten und der vierten der oben in Rn. 6 genannten Verwendungen, für die eine Zulassung beantragt wurde, dass der Antragsteller keine Analyse der Alternativen vorgelegt habe. Ferner heißt es in diesen Stellungnahmen, dass die streitigen Pigmente „im Stadium der Zubereitung“ keine Funktion hätten und dass folglich keine aussagekräftige Analyse der Alternativen habe vorgenommen werden können oder müssen.

13      Was die technische Durchführbarkeit der Alternativen für die zweite und die fünfte beantragte Verwendung allgemein betrifft, verwies der Ausschuss für sozioökonomische Analyse in Punkt 7.2.1 der Stellungnahmen (Anlagen E.2, E.5, E.8 und E.11 zum Schriftsatz des Königreichs Schweden vom 21. August 2018) im Wesentlichen auf die Mitteilungen des Antragstellers und der anderen im Rahmen der öffentlichen Konsultation angehörten Interessenvertreter. Diese Mitteilungen widersprachen sich in wesentlichen Punkten.

14      Was die technische Durchführbarkeit von Alternativen für die dritte beantragte Verwendung allgemein angeht, erklärte der Ausschuss für sozioökonomische Analyse in Punkt 7.2.1 der Stellungnahmen (Anlage A.5 zur Klageschrift und Anlage E.3 zum Schriftsatz des Königreichs Schweden vom 21. August 2018) abschließend, er neige dazu, „dem Antragsteller darin beizupflichten, dass es keine Alternative gibt“. Diese Frage mache jedoch angesichts der im Rahmen der öffentlichen Konsultation abgegebenen, einander widersprechenden Stellungnahmen eine zusätzliche Prüfung in Bezug auf die Straßenmarkierung erforderlich. Nach Ansicht des Ausschusses waren die in diesem Punkt bestehenden Ungewissheiten bei der Festsetzung des Überprüfungszeitraums zu berücksichtigen.

15      Was die technische Durchführbarkeit der Alternativen für die sechste oben in Rn. 6 genannte Verwendung allgemein angeht, führte der Ausschuss für sozioökonomische Analyse in Punkt 7.2.1 der konsolidierten Stellungnahmen (Anlagen E.6 und E.12 zum Schriftsatz des Königreichs Schweden vom 21. August 2018) aus, diese Frage mache angesichts der im Rahmen der öffentlichen Konsultation abgegebenen, einander widersprechenden Mitteilungen eine zusätzliche Prüfung in Bezug auf die Straßenmarkierung erforderlich. Außerdem werde „diese Ungewissheit“ bei der Festsetzung des Überprüfungszeitraums berücksichtigt.

16      Schließlich erklärte der Ausschuss für sozioökonomische Analyse in der Einleitung zu allen konsolidierten Stellungnahmen vom 11. Dezember 2014 (siehe S. 4 der Anlage A.5 zur Klageschrift und S. 4 der Anlagen E.1 bis E.10 zum Schriftsatz des Königreichs Schweden vom 21. August 2018), ihm „scheine“, dass es keine „für den Antragsteller“ technisch und wirtschaftlich geeigneten Alternativen gebe.

17      Die zwölf konsolidierten Stellungnahmen gingen am 2. Januar 2015 bei der Kommission ein.

18      Am 7. und 8. Juli 2015, am 22. und 23. September 2015 sowie am 3. und 4. Februar 2016 wurde der Zulassungsantrag auch von dem nach Art. 133 der Verordnung Nr. 1907/2006 geschaffenen Ausschuss (im Folgenden: REACH-Ausschuss) geprüft.

19      In der Diskussion über den Zulassungsantrag im REACH-Ausschuss teilten zwei Mitgliedstaaten und das Königreich Norwegen mit, in ihrem Hoheitsgebiet würden keine Bleichromate als Pigment in den Farben für die gelben Straßenmarkierungen benutzt. In einem dieser Mitgliedstaaten sei die Verwendung von Bleichromaten für die Straßenmarkierung sogar schon vor 20 Jahren verboten worden. Das Königreich Norwegen fügte hinzu, beim Anstrich der Ölbohrplattformen in der Nordsee und der im Eigentum der Erdölgesellschaft S. stehenden Plattformen würden keine Bleichromate benutzt.

20      Die Kommission legte den Mitgliedern des REACH-Ausschusses den Entwurf ihres Beschlusses zur Abstimmung vor. 23 Mitgliedstaaten stimmten für den Entwurf, während drei Mitgliedstaaten, darunter das Königreich Schweden, dagegen stimmten. Zwei Mitgliedstaaten enthielten sich.

21      Am 7. September 2016 erließ die Kommission den Durchführungsbeschluss C(2016) 5644 final über die Zulassung bestimmter Verwendungen von Bleisulfochromatgelb und Bleichromatmolybdatsulfatrot gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

22      Im sechsten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses führte die Kommission aus:

„Der [ECHA-Ausschuss für sozioökonomische Analyse] bestätigte die Auffassung des Antragstellers, dass die [sozioökonomischen] globalen Vorzüge der beantragten Verwendungen die mit diesen verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt überwiegen. Er bestätigte ferner, dass es keine alternativen Stoffe oder Technologien gibt, die unter dem Gesichtspunkt der technischen und wirtschaftlichen Durchführbarkeit für die dem Antragsteller nachgeschalteten Anwender geeignet sind.“

23      Aus den Erwägungsgründen 8 und 9 des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass der ECHA-Ausschuss für sozioökonomische Analyse in seinen Stellungnahmen empfohlen hatte, den in Art. 60 Abs. 9 Buchst. e der Verordnung Nr. 1907/2006 genannten Überprüfungszeitraum für vier beantragte Verwendungen der beiden Stoffe, nämlich für die oben in Rn. 6 erster, zweiter, vierter und fünfter Gedankenstrich angegebenen Verwendungen, auf zwölf Jahre und für die beiden anderen beantragten Verwendungen der beiden Stoffe, nämlich die oben in Rn. 6 dritter und sechster Gedankenstrich genannten Verwendungen, auf sieben Jahre festzusetzen.

24      Aus den Erwägungsgründen 8 und 9 des angefochtenen Beschlusses ergibt sich im Wesentlichen, dass bei der Festsetzung dieser vom Ausschuss für sozioökonomische Analyse empfohlenen Überprüfungszeiträume namentlich berücksichtigt worden sei, dass es für die beantragten Verwendungen unter dem Gesichtspunkt der technischen Durchführbarkeit keine geeigneten Ersatzstoffe für die streitigen Pigmente gebe, ferner die besondere Bedeutung der technischen Eignung der Ersatzstoffe für bestimmte besondere Anwendungen in den Fällen, in denen es auf die Sicherheit ankomme, der Umstand, dass die Verwendung der beiden Stoffe nur sehr geringe Risiken mit sich bringe, und die Tatsache, dass der Nutzen, der sich aus der Verweigerung der Zulassung für die menschliche Gesundheit ergeben könnte, sehr gering sei. Was die in Rn. 6 dritter und sechster Gedankenstrich genannten Verwendungen betrifft, seien bei der Festsetzung des vom Ausschuss für sozioökonomische Analyse empfohlenen Überprüfungszeitraums auch die Ungewissheiten berücksichtigt worden, die mit der Behauptung des Antragstellers, es gebe keine technisch durchführbaren Alternativen für die Straßenmarkierung, verbunden seien.

25      In denselben Erwägungsgründen heißt es, dass nach Ansicht der Kommission wegen der Schwierigkeiten, die Nichtverfügbarkeit technisch durchführbarer Alternativen für alle genannten Verwendungen zweifelsfrei nachzuweisen, die Zulassung zu einem früheren als dem vom Ausschuss für sozioökonomische Analyse empfohlenen Zeitpunkt überprüft werden müsse. Insbesondere habe dem neunten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zufolge ein erneuter Meinungsaustausch mit den Mitgliedstaaten ergeben, dass die Verwendung der streitigen Pigmente bei der Straßenmarkierung in bestimmten Mitgliedstaaten, nicht dagegen in anderen, ersetzt oder verboten worden sei. Angesichts dieser Gegebenheiten war es nach Auffassung der Kommission sinnvoll, den Überprüfungszeitraum für vier beantragte Verwendungen der beiden Stoffe, nämlich die oben in Rn. 6 erster, zweiter, vierter und fünfter Gedankenstrich genannten Verwendungen, auf sieben Jahre und für die beiden übrigen beantragten Verwendungen der beiden Stoffe, nämlich die oben in Rn. 6 dritter und sechster Gedankenstrich genannten Verwendungen, auf vier Jahre festzusetzen.

26      Im zwölften Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses führte die Kommission aus:

„Aufgrund der Schwierigkeiten, die Nichtverfügbarkeit technisch durchführbarer Alternativen für alle im Antrag genannten Verwendungen zweifelsfrei nachzuweisen, müssen die zugelassenen Verwendungen genauer beschrieben werden, was die technisch erforderlichen Leistungsmerkmale der solche Pigmente enthaltenden Vormischungen, Anstrichfarben, Farbzusammenstellungen und Erzeugnisse betrifft, nämlich diejenigen Merkmale der beiden Stoffe, die durch keine anderen geeigneten alternativen Stoffe oder Techniken erreicht werden können. Die Zulassung sollte somit an die Auflage geknüpft werden, dass der Zulassungsinhaber einen Bericht über die Eignung und die Verfügbarkeit von Alternativen für seine nachgeschalteten Anwender abgibt und auf dieser Grundlage die Beschreibung der zugelassenen Verwendungen präzisiert. Ferner muss der Zulassungsinhaber, wenn der Überprüfungsbericht gemäß Art. 61 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1907/2006 vorgelegt wird, die Beschreibung der zugelassenen Verwendungen aufgrund der von den nachgeschalteten Anwendern in seiner Lieferkette gegebenen Informationen präzisieren.“

27      In Art. 1 Abs. 1 und 2 des angefochtenen Beschlusses ließ die Kommission die im Zulassungsantrag beschriebenen Verwendungen (siehe oben, Rn. 6) der streitigen Bleichromate zu, unter der Voraussetzung, dass die Leistungen der die streitigen Stoffe enthaltenden Vormischungen, Anstrichfarben, Farbmischungen und Fertigerzeugnisse hinsichtlich ihrer Funktionalität, Intensität der Farbgebung, Opazität (Dissimulationsfähigkeit), Dispergierbarkeit, Witterungsbeständigkeit, Hitzebeständigkeit, Nichtauswaschbarkeit oder einer Kombination davon nur bei Verwendung dieser Stoffe technisch durchführbar sind und dass diese Leistungen für die beabsichtigte Verwendung notwendig sind.

28      Nach Art. 1 Abs. 3 Buchst. d des angefochtenen Beschlusses wurde die Zulassung aller Verwendungen an die Auflage geknüpft, dass die dem Zulassungsinhaber nachgeschalteten Anwender der ECHA spätestens am 30. Juni 2017 Informationen über die Eignung und die Verfügbarkeit der Alternativen für ihre Verwendung zu geben hatten, wobei sie die Notwendigkeit der Verwendung der streitigen Stoffe im Einzelnen rechtfertigen mussten.

29      Nach Art. 1 Abs. 3 Buchst. e des angefochtenen Beschlusses wurde die Zulassung mit der Auflage erteilt, dass der Zulassungsinhaber der Kommission spätestens am 31. Dezember 2017 einen Bericht mit den in Art. 1 Abs. 3 Buchst. d des Beschlusses genannten Angaben zu übermitteln hatte. In diesem Bericht musste er die Beschreibung der genehmigten Verwendungen aufgrund der von den nachgeschalteten Anwendern gegebenen Informationen über die Alternativen präzisieren.

30      Schließlich heißt es in Art. 1 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses hinsichtlich der Verwendung für Straßenmarkierungen, dass die Zulassung nicht in den Mitgliedstaaten gilt, nach deren Recht die Verwendung von Bleichromaten für die Straßenmarkierung verboten ist.

 Verfahren und Anträge der Parteien

31      Das Königreich Schweden hat mit Klageschrift, die am 28. November 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

32      Das Königreich Dänemark, die Republik Finnland und das Europäische Parlament haben mit Schriftsätzen, die am 10. Februar, am 27. März und am 30. März 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Königreichs Schweden zugelassen zu werden. Der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts hat ihren Streithilfeanträgen mit Beschlüssen vom 24. März und vom 3. Mai 2017 stattgegeben.

33      Am 20. März 2017 hat die ECHA beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Am selben Tag hat ClientEarth, eine gemeinnützige Nichtregierungsorganisation, deren Zweck der Umweltschutz ist, beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Königreichs Schweden zugelassen zu werden.

34      Der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts hat mit Beschluss vom 20. Juli 2017 die ECHA als Streithelferin zugelassen. Dagegen hat er mit Beschluss vom 13. Oktober 2017, Schweden/Kommission (T‑837/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:740), den Streithilfeantrag von ClientEarth zurückgewiesen.

35      Die Klagebeantwortung ist am 7. März 2017 eingegangen.

36      Die Streithilfeschriftsätze des Königreichs Dänemark, des Parlaments, der ECHA und der Republik Finnland sind am 10. Mai, am 29. September, am 4. Oktober und am 5. Oktober 2017 eingegangen.

37      Die Erwiderung des Königreichs Schweden ist am 2. Mai 2017 und die Gegenerwiderung der Kommission am 5. Oktober 2017 eingegangen.

38      Das Königreich Schweden und die Kommission haben am 19. Dezember 2017 Erklärungen zu den Streithilfeschriftsätzen abgegeben.

39      Das Gericht hat das Königreich Schweden mit Schreiben vom 18. Juli 2018 im Wege einer prozessleitenden Maßnahme gemäß Art. 89 Abs. 3 Buchst. c und d seiner Verfahrensordnung aufgefordert, zusätzlich zu der als Anlage A.5 zur Klageschrift eingereichten Stellungnahme betreffend die dritte beantragte Verwendung von Bleisulfochromat die übrigen konsolidierten Stellungnahmen vom 11. Dezember 2014 einzureichen. Das Königreich Schweden ist in demselben Schreiben um Auskünfte über die bei der ECHA laufende Prüfung der Frage ersucht worden, ob die Verwendung von Bleichromaten in Produkten beschränkt werden solle. Das Königreich Schweden hatte diese Prüfung in seiner Klageschrift erwähnt. Schließlich ist die Kommission in demselben Schreiben aufgefordert worden, eine Kopie des Berichts einzureichen, den der Zulassungsinhaber ihr spätestens am 31. Dezember 2017 gemäß Art. 1 Abs. 3 Buchst. e des angefochtenen Beschlusses übermitteln musste.

40      Das Königreich Schweden und die Kommission sind diesen Aufforderungen fristgemäß nachgekommen.

41      Das Königreich Schweden beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

42      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Königreich Schweden die Kosten des Verfahrens vor dem Gericht aufzuerlegen;

–        im Fall der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses dessen Wirkungen bis zu der von ihr mit Hilfe der ECHA vorzunehmenden erneuten Prüfung des Zulassungsantrags aufrechtzuerhalten.

43      Das Königreich Dänemark und das Parlament beantragen, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären. Die Republik Finnland beantragt, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

44      Die ECHA beantragt, die Klage abzuweisen und dem Königreich Schweden die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

45      Das Königreich Schweden, unterstützt durch das Parlament, das Königreich Dänemark und die Republik Finnland, macht drei Klagegründe geltend.

46      Mit dem ersten Klagegrund rügt das Königreich Schweden im Wesentlichen die rechtsfehlerhafte Anwendung von Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 sowie einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht. Mit dem zweiten Klagegrund macht es die Verletzung der der Kommission nach Art. 296 AEUV und Art. 130 der Verordnung Nr. 1907/2006 obliegenden Begründungspflicht sowie des Grundsatzes der guten Verwaltungsführung geltend. Der dritte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen Art. 55 der Verordnung Nr. 1907/2006.

47      Der erste Klagegrund besteht aus drei Teilen: Erstens habe die Kommission keine eigene unabhängige Prüfung der Frage vorgenommen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Zulassung nach Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 erfüllt gewesen seien, sondern die Aufgabe, die Tatbestandsmerkmale dieser Bestimmung zu prüfen, den ECHA-Ausschüssen, nämlich dem Ausschuss für Risikobeurteilung und dem Ausschuss für sozioökonomische Analyse überlassen. Zweitens habe die Kommission Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 dadurch verletzt, dass sie die Zulassung erteilt habe, ohne dass ordnungsgemäß nachgewiesen worden sei, dass es für die in dem Zulassungsantrag angegebenen Verwendungen keine geeigneten alternativen Stoffe oder Technologien zu Bleichromaten gebe. Allein der Umstand, dass sie die Zulassung erteilt habe, ohne dass der Nachweis der Nichtverfügbarkeit von Alternativen erbracht worden sei, rechtfertige die Annahme, dass sie außerdem gegen ihre Sorgfaltspflicht verstoßen habe. Drittens habe die Kommission zu Unrecht versucht, die Mängel der von DCC Maastricht vorgelegten sowie der von ihr selbst gemäß Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 vorgenommenen Analyse der Alternativen dadurch zu beheben, dass sie die Zulassung an bestimmte Auflagen und kurze Überprüfungszeiträume geknüpft habe, ohne dazu befugt zu sein.

48      Zunächst ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes zu prüfen.

 Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: Rechtsirrtum der Kommission bei der Prüfung der Nichtverfügbarkeit von Alternativen und Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht

49      Nach Auffassung des Königreichs Schweden, unterstützt durch das Königreich Dänemark, die Republik Finnland und das Parlament, hat die Kommission dadurch gegen Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 verstoßen, dass sie die Zulassung erteilt habe, ohne dass ordnungsgemäß nachgewiesen worden sei, dass es für die im Zulassungsantrag angegebenen Verwendungen keine geeigneten alternativen Stoffe oder Technologien zu Bleichromaten gebe. Aus der „Entscheidungsgrundlage in dieser Rechtssache“ gehe nicht hervor, dass keine geeigneten alternativen Stoffe oder Technologien verfügbar seien, die anstelle der Bleichromate für die im angefochtenen Beschluss genannten Verwendungen benutzt werden könnten.

50      Erstens habe der Antragsteller nicht den Nachweis dafür erbracht, dass es keine Alternativen gebe. Zweitens sei die von der Kommission selbst vorgenommene Analyse der Alternativen unzureichend gewesen. Tatsächlich ergebe sich aus bestimmten im Zulassungsverfahren zutage getretenen Tatsachen, dass es – zumindest teilweise, zum Beispiel für die Straßenmarkierung – geeignete Alternativen zu den streitigen Bleichromaten gebe. Zu diesem Ergebnis hätte die Kommission kommen müssen, wenn sie die Informationen von Dritten wie der British Coatings Federation, A. und B. (siehe oben, Rn. 9) sowie die von einer Reihe von Mitgliedstaaten und vom Königreich Norwegen erteilten Auskünfte ordnungsgemäß geprüft hätte. Drittens hätte die Kommission angesichts der einander widersprechenden Informationen jedenfalls das Tatbestandsmerkmal der Nichtverfügbarkeit geeigneter Alternativen genauer untersuchen müssen. Angesichts der Informationen, die im Widerspruch zu dem Ergebnis stünden, zu dem der Ausschuss für sozioökonomische Analyse gekommen sei, sei klar, dass die Kommission der Frage ganz einfach nicht auf eine für die Erteilung der Zulassung ausreichende Art und Weise nachgegangen sei.

51      Die Kommission, unterstützt von der ECHA, tritt diesem Vorbringen entgegen.

52      Sie trägt erstens vor, der Ausschuss für sozioökonomische Analyse habe alle Mitteilungen berücksichtigt, die ihm während der öffentlichen Konsultation zugegangen seien. Bei ihrer Prüfung und Befürwortung der Stellungnahmen der ECHA-Ausschüsse habe auch sie den von Dritten gegebenen Informationen Rechnung getragen. Wie aus den Protokollen der Sitzungen des REACH-Ausschusses hervorgehe, habe sie auch alle Mitteilungen Dritter berücksichtigt, die ihr nach der Abgabe der Stellungnahmen der ECHA-Ausschüsse von interessierten Kreisen übermittelt worden seien, und habe geprüft, ob sie zusätzliche oder neue Informationen enthielten. Dies sei nicht der Fall gewesen.

53      Zweitens habe die Kommission auf Fragen einiger Mitgliedstaaten im REACH-Ausschuss durch zusätzliche Analysen untersucht, ob es für die genannten Verwendungen Alternativen gebe. Sie habe nämlich den Antragsteller um Klarstellungen hinsichtlich der im Zulassungsantrag angegebenen Verwendungen gebeten, und der Antragsteller habe Informationen zu den ausschlaggebenden technischen und wirtschaftlichen Faktoren übermittelt, die die Wahl des Stoffes seitens der nachgeschalteten Verwender rechtfertigten. Diese zusätzlichen Informationen seien registriert und den Mitgliedstaaten im Rahmen des REACH-Ausschusses zur Kenntnis gebracht worden (Anlage B.3 zur Klagebeantwortung). Ferner seien die Mitgliedstaaten von der Kommission zu eventuell bestehenden einzelstaatlichen Verpflichtungen oder Verboten bezüglich der für die Straßenmarkierung benutzten Bleipigmente befragt worden. Die erteilten zusätzlichen Antworten hätten das Ergebnis bestätigt, zu dem der Ausschuss für sozioökonomische Analyse gelangt sei, nämlich dass es für die vorgesehenen Verwendungen keine technisch und wirtschaftlich geeigneten Alternativen gebe.

54      Drittens habe die Kommission nach Prüfung der Tatbestandsmerkmale des Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 zwar festgestellt, dass der Antragsteller nicht abschließend nachgewiesen habe, dass es keine technisch und wirtschaftlich geeigneten Alternativen für alle denkbaren von der Beschreibung der Verwendungen umfassten Verwendungen gebe. Sie sei jedoch zu der Auffassung gelangt, dass es an derartigen Alternativen nur für bestimmte unter die im Zulassungsantrag enthaltene Beschreibung fallende Verwendungen fehle.

55      Trotz der Schwierigkeiten, die mit der Feststellung der Nichtverfügbarkeit von Alternativen verbunden seien, habe die Kommission es nicht für angezeigt gehalten, die Zulassung zu verweigern. Es sei nämlich unverhältnismäßig, eine Zulassung zu verweigern, um bestimmte Ungewissheiten zu berücksichtigen, obwohl diesen auf weniger einschneidende Weise, zum Beispiel durch eine Beschränkung der zugelassenen Verwendungen, Rechnung getragen werden könne und alle zweckdienlichen Informationen schon in der Dokumentation enthalten seien.

56      Deshalb sei aus den bei der Prüfung der Nichtverfügbarkeit von Alternativen festgestellten Schwierigkeiten einzig die Konsequenz zu ziehen gewesen, die Zulassung auf diejenigen Verwendungen zu beschränken, für die der Nachweis der Nichtverfügbarkeit von Alternativen erbracht worden sei. Zu diesem Zweck seien in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 und Art. 1 Abs. 2 Satz 1 des angefochtenen Beschlusses für den Antragsteller und die nach Art. 56 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1907/2006 von der Zulassung betroffenen nachgeschalteten Anwender eine Reihe von Einschränkungen gemacht worden, nämlich dass die Leistungen der die streitigen Stoffe enthaltenden Vormischungen, Anstrichfarben, Farbzusammenstellungen oder Fertigerzeugnisse für die vorgesehene Verwendung notwendig sein müssten (siehe oben, Rn. 27).

57      Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen des Königreichs Schweden im zweiten Teil des ersten Klagegrundes die Erläuterung einer Reihe von Aspekten erfordert, ohne die es nicht sachdienlich beantwortet werden kann. Diese Aspekte betreffen erstens die Rechtsgrundlage für die Zulassung der Verwendung eines besonders besorgniserregenden Stoffes (siehe unten, Rn. 58 bis 62). Insoweit ist zu klären, ob die Kommission den angefochtenen Beschluss zutreffend auf Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 gestützt hat (siehe unten, Rn. 63). Zweitens bedarf die Aufgabenverteilung zwischen den am Zulassungsverfahren nach Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 beteiligten Akteuren, nämlich der Kommission einerseits und der ECHA-Ausschüsse andererseits der Klarstellung (siehe unten, Rn. 64 bis 69). Drittens sind gewisse einleitende Klarstellungen zum Begriff „Alternativen“ im Sinne der Verordnung Nr. 1907/2006 erforderlich (siehe unten, Rn. 70 bis 76). Viertens ist in Beantwortung des Vorbringens des Königreichs Schweden die in Art. 60 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 69 der Verordnung Nr. 1907/2006 geregelte Beweislast zu klären (siehe unten, Rn. 77 bis 79). Fünftens ist es zweckmäßig, einige Überlegungen zur Verteilung der in diesen beiden Bestimmungen geregelten Beweislast anzustellen (siehe unten, Rn. 80 bis 85).

58      An erster Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Zulassung der Verwendung eines Stoffes auf zweierlei Weise erteilt werden kann: nach dem Verfahren des „Nachweises der angemessenen Beherrschung“, das in Art. 60 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1907/2006 geregelt ist, oder aber nach dem in Art. 60 Abs. 4 dieser Verordnung vorgesehenen Verfahren der „sozioökonomischen Analyse“.

59      Nach Art. 60 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1907/2006 wird eine Zulassung erteilt, wenn das Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt, das sich aus der Verwendung des Stoffes aufgrund der in Anhang XIV der Verordnung aufgeführten inhärenten Eigenschaften ergibt, ausweislich der in Anhang I Abschnitt 6 der Verordnung Nr. 1907/2006 geregelten Risikobeurteilung angemessen beherrscht wird.

60      Für die Fälle, in denen die Zulassung nach Art. 60 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1907/2006 nicht erteilt werden kann, oder für die in Art. 60 Abs. 3 der Verordnung aufgeführten Stoffe kann eine Zulassung nach Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 nur erteilt werden, wenn nachgewiesen wird, dass der sozioökonomische Nutzen die Risiken überwiegt, die sich aus der Verwendung des Stoffes für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ergeben, und wenn es keine geeigneten Alternativstoffe oder ‑technologien gibt.

61      Diese Entscheidung ist nach Art. 60 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung Nr. 1907/2006 unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der ECHA‑Ausschüsse für Risikobeurteilung und für sozioökonomische Analyse nach Berücksichtigung aller in Art. 60 Abs. 4 Buchst. a bis d der Verordnung aufgeführten Aspekte zu treffen. Dazu gehören namentlich der sozioökonomische Nutzen der Verwendung des Stoffes und die sozioökonomischen Auswirkungen einer Zulassungsversagung (Art. 60 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 1907/2006) sowie eine Analyse der vom Antragsteller nach Art. 62 Abs. 4 Buchst. e der Verordnung vorgelegten Alternativen (Art. 60 Abs. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 1907/2006).

62      Im vorliegenden Fall geht aus den Akten, insbesondere aus der Stellungnahme des ECHA‑Ausschusses für Risikobeurteilung hervor, dass weder für die krebserzeugenden noch für die fortpflanzungsgefährdenden Eigenschaften der streitigen Bleichromate ein DNEL-Wert nach Anhang I Abschnitt 6.4 der Verordnung festgelegt werden konnte, wie in Art. 60 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 1907/2006 vorgesehen.

63      Die Kommission ist also zu Recht davon ausgegangen, dass die einzige Rechtsgrundlage, aufgrund deren der angefochtene Beschluss erlassen werden konnte, Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 war.

64      An zweiter Stelle ist zur Aufgabenverteilung zwischen den am Zulassungsverfahren nach Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 beteiligten Akteuren vorab darauf hinzuweisen, dass allein die Kommission zu prüfen hat, ob die Tatbestandsmerkmale dieser Bestimmung erfüllt sind. Sie ist insoweit verpflichtet, die relevanten Informationen von Amts wegen zu prüfen, denn ihre Rolle ist nicht die eines Schiedsrichters, dessen Befugnisse sich darauf beschränken, anhand der von den am Zulassungsverfahren beteiligten interessierten Kreisen beigebrachten Informationen und Beweise eine Entscheidung zu fällen (vgl. entsprechend Urteil vom 22. März 2012, GLS, C‑338/10, EU:C:2012:158, Rn. 32). Die Kommission muss aufgrund ihrer Verpflichtung, die Tatbestandsmerkmale des Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 von Amts wegen zu prüfen, nach den Grundsätzen einer guten Verwaltungsführung und eingedenk ihrer Sorgfaltspflicht mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zur Aufklärung des rechtserheblichen Sachverhalts beitragen (vgl. entsprechend Urteil vom 13. Juli 1966, Consten und Grundig/Kommission, 56/64 und 58/64, EU:C:1966:41, S. 501).

65      Was insbesondere die technischen und wirtschaftlichen Beurteilungen betrifft, die für eine Analyse der geeigneten Alternativen im Einzelfall notwendig sind, ist die Kommission verpflichtet, die in Art. 64 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1907/2006 genannten Stellungnahmen der ECHA‑Ausschüsse zu berücksichtigen. Zu den Aufgaben des Ausschusses für Risikobeurteilung gehört nach Art. 64 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 1907/2006 u. a. die Beurteilung des Risikos, das aus den Verwendungen des Stoffes entsteht, sowie der Informationen über die Risiken von Alternativstoffen oder ‑technologien für die Gesundheit oder die Umwelt. In ähnlicher Weise gehört nach Art. 64 Abs. 4 Buchst. b dieser Verordnung zu den Aufgaben des Ausschusses für sozioökonomische Analyse die Prüfung des sozioökonomischen Nutzens der Verwendung des Stoffes und der vom Antragsteller oder anderen interessierten Kreisen nachzuweisenden sozioökonomischen Auswirkungen einer Zulassungsversagung sowie die Prüfung der Alternativen oder eines Substitutionsplans und der der ECHA während der öffentlichen Konsultation von einem Dritten übermittelten Beiträge.

66      Die Stellungnahmen des Ausschusses für Risikobeurteilung und des Ausschusses für sozioökonomische Analyse haben den Wert wissenschaftlicher Gutachten. Für diese Auslegung spricht der 102. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1907/2006, wonach die ECHA die Funktion der der Kommission angegliederten wissenschaftlichen Ausschüsse hat. Dem zweiten Satz des 81. Erwägungsgrundes zufolge „sollten“ diese Stellungnahmen von der Kommission bei der Entscheidung über eine Zulassungserteilung berücksichtigt werden. Aus der Verwendung des Wortes „sollten“ ergibt sich, dass die Kommission nicht an diese Stellungnahmen gebunden ist.

67      Allerdings hindert nichts die Kommission daran, die in der Stellungnahme eines der ECHA-Ausschüsse vorgenommenen Beurteilungen teilweise oder ganz zu übernehmen, ohne dass sie im Übrigen verpflichtet wäre, diese jedes Mal wiederzugeben oder an die Stelle ihrer eigenen Begründung zu setzen. Wenn keine Informationen vorliegen, die ernsthafte Zweifel an den Stellungnahmen der genannten ECHA-Ausschüsse aufkommen lassen, kann die Kommission grundsätzlich allein aufgrund der dort vorgenommenen wissenschaftlichen Beurteilung eine Zulassung nach Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 erteilen oder versagen, ohne selbst zusätzliche wissenschaftliche Untersuchungen durchführen zu müssen.

68      Schließt sich die Kommission zur Begründung einer Zulassungsentscheidung der Stellungnahme eines der genannten ECHA‑Ausschüsse an, so muss sie prüfen, ob die darin enthaltene Argumentation vollständig, kohärent und stichhaltig ist (vgl. entsprechend Urteil vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, EU:T:2002:209, Rn. 198). Wenn die fragliche Stellungnahme nicht vollständig oder nicht kohärent oder die Argumentation nicht stichhaltig ist, richtet die Kommission an den Ausschuss Fragen, die es diesem ermöglichen, eventuelle festgestellte Mängel zu beheben.

69      Auch wenn die Kommission nicht an die Stellungnahmen des Ausschusses für Risikobeurteilung und des Ausschusses für sozioökonomische Analyse gebunden ist, muss sie, wenn sie in wesentlichen Punkten davon abweichen oder in technischen oder wirtschaftlichen Fragen ihre Beurteilung an die Stelle derjenigen eines dieser Ausschüsse setzen will, ihre Beurteilung gegenüber der in der Stellungnahme enthaltenen Beurteilung besonders begründen und dabei darlegen, aus welchen Gründen sie von der Stellungnahme abweicht. Das wissenschaftliche Niveau dieser Begründung muss dem der fraglichen Stellungnahme zumindest ebenbürtig sein. In einem solchen Fall kann sich die Kommission entweder auf eine zusätzliche Stellungnahme desselben Ausschusses oder aber auf andere Informationen stützen, deren Beweiskraft der der fraglichen Stellungnahme zumindest ebenbürtig ist. Weicht sie nur teilweise – allerdings in wesentlichen Punkten – von der Stellungnahme ab, so kann sie sich auch auf diejenigen Teile der wissenschaftlichen Argumentation der Stellungnahme stützen, die sie nicht anzweifelt (vgl. entsprechend Urteil vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, EU:T:2002:209, Rn. 199).

70      Was an dritter Stelle den Begriff „Alternativen“ angeht, heißt es in der Verordnung Nr. 1907/2006, namentlich in Art. 55, einer ihrer Zwecke sei die schrittweise Ersetzung der besonders besorgniserregenden Stoffe. Nach Art. 64 Abs. 4, Art. 60 Abs. 5 und dem 69. Erwägungsgrund der Verordnung bestehen „Alternativen“ in „alternativen Stoffen oder Technologien“, wobei diese für das Zulassungsverfahren nach der Verordnung Nr. 1907/2006 nur insoweit relevant sind, als sie „geeignet“ sind. Dieser Begriff wird sowohl in Art. 55 als auch in Art. 60 Abs. 4 der Verordnung verwendet.

71      Zur Erläuterung der oben in Rn. 58 genannten Voraussetzungen heißt es in den „Leitlinien [der ECHA] zur Erstellung eines Zulassungsantrags“ (ABl. 2011, C 28, S. 1), die gemäß dem 31. Erwägungsgrund und Art. 77 Abs. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 1907/2006 ausgearbeitet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, um Leitlinien zur Analyse der Alternativstoffe, zum Substitutionsplan und zu der Art und Weise, wie interessierte Kreise zum einschlägigen Zulassungsverfahren beitragen können, bereitzustellen, in Punkt 3.2:

„Eine Alternative ist ein möglicher Ersatz für einen in Anhang XIV [der Verordnung Nr. 1907/2006] aufgeführten Stoff. Sie sollte die Funktionen des in Anhang XIV aufgeführten Stoffs erfüllen bzw. übernehmen können. Die Alternative kann ein anderer Stoff oder eine Technologie sein (z. B. ein Prozess, Verfahren, Gerät oder eine Modifikation des Endprodukts) oder eine Kombination von Alternativstoffen und ‑technologien. Eine technische Alternative könnte beispielsweise in einem physikalischen Verfahren zur Erfüllung der Funktion bestehen, die der in Anhang XIV aufgeführte Stoff erfüllt; oder die Alternative könnte z. B. in Änderungen bei der Herstellung, im Prozess oder an dem Produkt bestehen, die zur Folge haben, dass sich die Funktion des in Anhang XIV aufgeführten Stoffes vollständig erübrigt.“

72      Der oben in Rn. 70 genannte Begriff „geeignet“ bezweckt, die Anzahl der in Frage kommenden Alternativstoffe auf diejenigen zu beschränken, die im Sinne des 73. Erwägungsgrundes der Verordnung „weniger bedenklich“ sind, d. h. auf Stoffe oder Technologien, von deren Verwendung ein geringeres Risiko ausgeht als von der Verwendung des besonders besorgniserregenden Stoffes. Ferner besagt dieser Begriff, dass die Alternative im Sinne von Art. 55 der Verordnung „wirtschaftlich und technisch tragfähig“ sein muss.

73      Wie sich aus dem Ausdruck „wirtschaftlich und technisch tragfähig“ ergibt, verweist der Begriff „geeignet“ nicht auf eine Alternative, die nur abstrakt, unter Laborbedingungen oder unter außergewöhnlichen Bedingungen existiert, sondern auf die „Verfügbarkeit“ von alternativen Stoffen und Technologien in der Union, die technisch und wirtschaftlich praktikabel sein müssen, was namentlich bedeutet, dass deren Analyse unter dem Gesichtspunkt der Produktionskapazitäten für diese Stoffe und der Durchführbarkeit dieser Technologien sowie unter Berücksichtigung der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für ihr Inverkehrbringen vorgenommen werden muss.

74      Schließlich muss im Rahmen des Verfahrens der „sozioökonomischen Analyse“ nach Art. 60 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1907/2006 des Weiteren festgestellt werden, ob die im Zulassungsverfahren aufgezeigten Alternativen „für den Antragsteller“ technisch und wirtschaftlich durchführbar sind.

75      Die Zulassung ist nicht notwendigerweise nach Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 zu versagen, wenn die in Art. 62 Abs. 4 Buchst. e dieser Verordnung vorgeschriebene Analyse oder vom ECHA-Ausschuss für sozioökonomische Analyse oder von der Kommission eingeholte Informationen, z. B. von Dritten in einer öffentlichen Konsultation gemäß Art. 64 Abs. 2 dieser Verordnung erteilte Auskünfte, oder aber eigene Untersuchungen des Ausschusses für sozioökonomische Analyse oder der Kommission auf die Verfügbarkeit von Alternativen allgemein schließen lassen, diese Alternativen aber für den Antragsteller technisch und wirtschaftlich nicht durchführbar sind.

76      Denn wenn dies der Fall ist und wenn durch die in Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 vorgesehene Analyse nachgewiesen wird, dass der sozioökonomische Nutzen die Risiken überwiegt, die sich aus der Verwendung des Stoffes für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ergeben, kann die Zulassung erteilt werden, wenn der Antragsteller nach Art. 62 Abs. 4 Buchst. f dieser Verordnung einen Substitutionsplan im Sinne des Art. 60 Abs. 4 Buchst. c dieser Verordnung vorlegt. Im Übrigen stellt das subjektive Kriterium in Art. 60 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1907/2006, nämlich der Umstand, dass es zur Zeit des Erlasses der Zulassungsentscheidung keine für den Antragsteller technisch oder wirtschaftlich durchführbaren Alternativen gab, einen der Gesichtspunkte dar, die bei der Aufstellung eines Substitutionsplans zu berücksichtigen sind. Dieser enthält u. a. nach Art. 62 Abs. 4 Buchst. f dieser Verordnung einen Zeitplan für die vom Antragsteller vorgeschlagenen Maßnahmen, einschließlich Informationen über alle Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten und ‑vorhaben des Antragstellers, damit besonders besorgniserregende Stoffe letztendlich durch geeignete alternative Stoffe oder Technologien ersetzt werden können (72. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1907/2006).

77      Was an vierter Stelle die Beweislast betrifft, auf die das Königreich Schweden den zweiten Teil des ersten Klagegrundes stützt, ergibt sich zwar aus Art. 60 Abs. 4 in Verbindung mit dem 69. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1907/2006, dass der Antragsteller im Zulassungsverfahren beweisen muss, dass keine Alternative verfügbar ist.

78      Die Kommission muss jedoch bei der Prüfung der Tatbestandsmerkmale des Art. 60 Abs. 4 und 5 der Verordnung Nr. 1907/2006 ermitteln, ob alle entscheidungserheblichen Tatsachen und ihre technischen und wirtschaftlichen Beurteilungen den Schluss zulassen, dass sie tatsächlich erfüllt sind (vgl. oben, Rn. 64).

79      Aufgrund dieser Prüfungspflicht der Kommission führt die in Art. 60 Abs. 4 in Verbindung mit dem 69. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1907/2006 geregelte Beweislast dazu, dass der Antragsteller gegebenenfalls das Risiko der Unmöglichkeit der Feststellung der Nichtverfügbarkeit von Alternativen trägt. Wenn also trotz der von verschiedenen am Zulassungsverfahren beteiligten Akteuren dargelegten Tatsachen einschließlich solcher, die die Kommission mit eigenen Mitteln herausgefunden hat, weiterhin Ungewissheiten hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Nichtverfügbarkeit von Alternativen bestehen, ist im Ergebnis zu entscheiden, dass der Antragsteller der Beweislast nicht genügt hat und die Zulassung ihm folglich nicht erteilt werden kann. Insoweit ist ferner hervorzuheben, dass weder die am Zulassungsverfahren beteiligten Akteure noch die ECHA oder die Kommission verpflichtet sind, das Gegenteil der Nichtverfügbarkeit, d. h. das tatsächliche Vorhandensein von Alternativen nachzuweisen.

80      An fünfter Stelle ist zu prüfen, wie die Kommission die Verteilung der Beweislast, die der Antragsteller trägt, mit der Art und Weise der Durchführung ihrer eigenen Prüfung der Nichtverfügbarkeit von Alternativen in Einklang bringt.

81      Erstens darf die Kommission eine Zulassung nicht auf der Grundlage bloßer Vermutungen erteilen, die durch die ihr zur Verfügung stehenden Informationen weder bestätigt noch widerlegt werden (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 17. September 2009, Kommission/MTU Friedrichshafen, C‑520/07 P, EU:C:2009:557, Rn. 51 und 52). Wenn am Ende der Prüfung der Nichtverfügbarkeit von Alternativen nur Hypothesen bestehen, sind die besonderen Tatbestandsmerkmale des Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 nicht erfüllt und die Kommission ist nicht befugt, eine – sei es auch an Auflagen geknüpfte – Zulassung zu erteilen.

82      Auf die Gefahr hin, auf ein Argument einzugehen, das eigentlich nicht im zweiten, sondern erst im dritten Teil des ersten Klagegrundes vorgebracht worden ist (siehe oben, Rn. 47), ist wegen des engen Zusammenhangs zwischen diesen beiden Teilen gleichwohl darauf hinzuweisen, dass die gemäß Art. 60 Abs. 8 und 9 Buchst. d und e der Verordnung Nr. 1907/2006 festgesetzten Auflagen – welchen Inhalt sie auch haben – grundsätzlich nicht dazu bestimmt sind, eventuelle Lücken in einem Zulassungsantrag oder einer vom Antragsteller vorgelegten Analyse der Alternativen oder eventuelle Mängel bei der Prüfung der Tatbestandsmerkmale des Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 durch die Kommission zu beheben.

83      Anders ausgedrückt kann die Möglichkeit, eine Zulassung gemäß Art. 60 Abs. 8 und 9 Buchst. d der Verordnung Nr. 1907/2006 unter Auflagen zu erteilen, nicht so verstanden werden, dass die Kommission die Frage, ob die Tatbestandsmerkmale des Art. 60 der Verordnung Nr. 1907/2006 erfüllt sind, offen lassen und auf diese Situation dadurch reagieren kann, dass sie die Zulassung an Auflagen knüpft, durch die eventuelle Mängel oder Lücken bei der ihr nach dieser Bestimmung obliegenden Beurteilung behoben werden sollen.

84      Zweitens muss die Kommission, wie das Königreich Schweden zu Recht bemerkt hat, wenn Angaben, die der Antragsteller in seiner Analyse der Alternativen gemacht hat, im Widerspruch zu Angaben Dritter oder von Mitgliedstaaten stehen, aufgrund ihrer Sorgfaltspflicht die Nichtverfügbarkeit von Alternativen genauer prüfen.

85      Wenn am Ende der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Nichtverfügbarkeit im Sinne von Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 Ungewissheiten bezüglich der wissenschaftlichen Beurteilung fortbestehen, die weder durch die vom Antragsteller auf Verlangen der Kommission oder eines der ECHA‑Ausschüsse gemachten Angaben noch durch die von der Kommission oder den genannten Ausschüssen oder von Dritten oder von Mitgliedstaaten eingeholten Informationen ausgeräumt werden konnten, ist gemäß den Ausführungen in Rn. 81 grundsätzlich davon auszugehen, dass das in Rede stehende Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt und die Kommission nicht befugt ist, eine – sei es auch an Auflagen geknüpfte – Zulassung zu erteilen.

86      Abschließend ist an sechster Stelle in Beantwortung des Vorbringens der Parteien im Rahmen des zweiten Teils des ersten Klagegrundes festzustellen, dass zur Zeit des Erlasses des angefochtenen Beschlusses kein Nachweis der Nichtverfügbarkeit von geeigneten alternativen Stoffen oder Technologien erbracht worden war, die anstelle der streitigen Bleichromate für die im angefochtenen Beschluss genannten Verwendungen hätten benutzt werden können. Die Kommission verfügte zur Zeit des Erlasses dieses Beschlusses sowohl über Informationen, die gegen, als auch über solche, die für das Nichtvorliegen von technisch durchführbaren Alternativen für alle beantragten Verwendungen sprachen, so dass insoweit noch keine klare Schlussfolgerung gezogen werden konnte. Deshalb war die von der Kommission durchgeführte Prüfung des Tatbestandsmerkmals, ob allgemein keine Alternativen verfügbar waren, im Sinne von Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 zu diesem Zeitpunkt noch nicht ordnungsgemäß abgeschlossen. In Wirklichkeit hat die Kommission die Zulassung erteilt, ohne zuvor eine ausreichende Zahl relevanter und verlässlicher Informationen geprüft zu haben, die ihr den Schluss ermöglichten, dass entweder tatsächlich keine Alternativen für alle Verwendungen, für die eine Zulassung beantragt worden war, existierten oder dass die Ungewissheiten, die zur Zeit des Erlasses des angefochtenen Beschlusses insoweit fortbestanden, als unerheblich anzusehen waren. Ohne eine genauere Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals des Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 durfte die in Rede stehende Zulassung nicht erteilt werden.

87      Diese Feststellung ergibt sich erstens aus zahlreichen Dokumenten, die die Parteien zu den Akten gereicht haben.

88      Zwar hatte der Antragsteller in seiner Analyse der Alternativen die Eigenschaften von mehr als dreißig Stoffen mit den Merkmalen der streitigen Bleichromate verglichen und diese anderen Stoffe mit ihren chemischen Bezeichnungen und Grafiken bezeichnet. Er hatte im Wesentlichen geltend gemacht, dass keiner dieser Stoffe die technischen Eigenschaften der streitigen Pigmente besitze. Insbesondere seien diese durch eine hohe technische Leistung und durch „einzigartige Funktionalitäten“ gekennzeichnet, die durch keinen alternativen Stoff erreicht würden. Das Bündel von wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Beweismitteln, das er zur Stützung seines Zulassungsantrags vorgelegt hat, ist sonach entscheidungserheblich und in sich schlüssig.

89      Ein Teil der Mitteilungen der Dritten und der Mitgliedstaaten, die im Zulassungsverfahren angehört wurden, hatten jedoch ernsthafte Zweifel an der Analyse des Antragstellers aufkommen lassen. Tatsächlich weckten diese Mitteilungen zur Zeit des Erlasses des angefochtenen Beschlusses auch ernsthafte Zweifel an den vom Ausschuss für sozioökonomische Analyse in den zwölf konsolidierten Stellungnahmen vom 11. Dezember 2014 vorgenommenen Beurteilungen.

90      Denn anders als die von British Coatings und von A. im öffentlichen Konsultationsverfahren vorgelegten Dokumente, die allerdings, soweit dem Akteninhalt (Anlagen A.11 und A.12 zur Klageschrift) entnommen werden kann, nicht sehr detailliert oder erheblich waren, enthielt das von B. eingereichte Dokument (vgl. Anlage A.13 zur Klageschrift) eine ähnliche Analyse wie die des Antragstellers. Was namentlich die technische Durchführbarkeit der Alternativen für Plastikerzeugnisse betrifft, unterschied B. vier Leistungsniveaus. Des Weiteren nannte dieses Unternehmen die Pigmente, die seiner Meinung nach die streitigen Stoffe ersetzen konnten. Bei diesen alternativen Stoffen handelte es sich um verschiedene organische und anorganische Stoffe. Zur wirtschaftlichen Durchführbarkeit dieser Alternativen trug B. vor, wenn die nachgeschalteten Anwender Kompromisse hinsichtlich der Farbgebung oder der Opazität akzeptieren würden, könnten die Kosten der Verwendung alternativer Stoffe erheblich gesenkt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen wie einem bewussten Verzicht der nachgeschalteten Anwender auf ein bestimmtes Niveau der Leistung und der Funktionalität der Farbgebung könne man zu dem Ergebnis kommen, dass auf dem Markt der Union Alternativen für alle vom Antragsteller in seinem Zulassungsantrag genannten Verwendungen existierten.

91      Zudem war im vorliegenden Fall die Behauptung des Antragstellers, dass es keine Alternativen gebe, schwer mit dem Umstand zu vereinbaren, dass das Königreich Norwegen und mehrere Mitgliedstaaten, darunter das Königreich Schweden, offenkundig auf die streitigen Pigmente in bestimmten Bereichen wie der Straßenmarkierung verzichtet hatten.

92      Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen des Antragstellers und Dritter hatte der Ausschuss für sozioökonomische Analyse seine oben in den Rn. 12 bis 15 wiedergegebenen Schlussfolgerungen betreffend die technische Durchführbarkeit der Alternativen für die hier in Rede stehenden Verwendungen formuliert. Diese Beurteilung des Ausschusses für sozioökonomische Analyse vermag jedoch nicht zu überzeugen.

93      Was zunächst die technische Durchführbarkeit der Alternativen für die zweite und die fünfte Verwendung angeht, beschränkte sich der Ausschuss für sozioökonomische Analyse darauf, die Erwägungen des Antragstellers und der anderen in der öffentlichen Konsultation angehörten Akteure aufzuführen. Aus der Tatsache, dass sich diese Erwägungen in wesentlichen Punkten widersprachen, zog er keine besondere Schlussfolgerung. An dieser Feststellung ändert auch seine Beurteilung in der Einleitung der konsolidierten Stellungnahmen nichts, es „scheine“ ihm, dass es keine technisch und wirtschaftlich geeigneten Alternativen für den Antragsteller gebe. Abgesehen davon, dass diese Beurteilung zeigt, dass der Ausschuss noch erhebliche Bedenken hatte, die einer Erwähnung wert gewesen wären, bezieht sie sich zudem auf die Durchführbarkeit von Alternativen „für den Antragsteller“ im Sinne von Art. 60 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1907/2006 und nicht auf ihre Durchführbarkeit im Allgemeinen (siehe oben, Rn. 86).

94      Ferner wies der Ausschuss hinsichtlich der technischen Durchführbarkeit von Alternativen für die dritte und die sechste beantragte Verwendung im Allgemeinen ausdrücklich darauf hin, dass die Frage, ob es keine Alternativen gebe, für den Bereich der Straßenmarkierung einer zusätzlichen Prüfung bedürfe. Tatsächlich beanspruchte diese Schlussfolgerung angesichts der Beiträge Dritter wie B. Geltung auch für andere Bereiche, und dies umso mehr, als der Antragsteller die Verwendungen, für die eine Zulassung beantragt worden war, nicht einschränkend beschrieben hatte.

95      Schließlich vermag auch die vom Ausschuss für sozioökonomische Analyse hinsichtlich der ersten und der vierten Verwendung vorgenommene Analyse der Alternativen nicht zu überzeugen. Zwar erscheint die Feststellung, eine Analyse der Alternativen könne oder müsse im Hinblick auf die erste und die vierte Verwendung nicht vorgenommen werden (siehe oben, Rn. 12), auf den ersten Blick akzeptabel als logische Folge der Tatsache, dass die streitigen Pigmente im Stadium der Zubereitung der von diesen Verwendungen betroffenen Anstrichfarben noch keine Funktion besitzen, sondern erst im Stadium ihrer konkreten Verwendung eine Funktion erlangen, zum Beispiel im Stadium der Herstellung von metallischen Oberflächen oder von Plastik- oder plastifizierten Erzeugnissen, die Gegenstand der anderen beantragten Verwendungen sind. Auf den zweiten Blick ist jedoch zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall eine funktionelle Interdependenz zwischen der ersten und der vierten Verwendung einerseits und den übrigen beantragten Verwendungen andererseits bestand. Denn die besondere Funktion der streitigen Pigmente, durch die eine Kontrastwirkung erzielt werden kann, spielt zwar im Stadium der Verteilung oder der Vermischung des Pigmentpulvers mit Anstrichfarben auf Lösungsmittelbasis oder flüssigen oder festen Vormischungen in einer industriellen Umgebung (siehe die erste und die vierte Verwendung) noch keine Rolle; diese besondere Funktion tritt aber spätestens im Stadium der Herstellung von metallischen Oberflächen oder von Plastik- oder plastifizierten Produkten (siehe die übrigen Verwendungen) zutage. Aufgrund dieser Interdependenz und angesichts der sehr weit gefassten Beschreibung der ersten und der vierten Verwendung ist in der vorliegenden Rechtssache mangels einer zusätzlichen Erklärung davon auszugehen, dass jedweder Fehler bei der Analyse von Alternativen für die anderen als die erste und die vierte Verwendung zugleich die Analyse der Alternativen für die letztgenannten Verwendungen rechtsfehlerhaft macht.

96      Zweitens ergibt sich die in Rn. 86 vorgenommene Beurteilung aus den Erwägungsgründen 8, 9 und 12 des angefochtenen Beschlusses, aus denen hervorgeht, dass die Kommission zur Zeit des Erlasses dieses Beschlusses selbst noch Zweifel an der Nichtverfügbarkeit von technisch durchführbaren Alternativen für alle im Antrag genannten Verwendungen hatte.

97      Drittens findet die in Rn. 86 angestellte Erwägung eine Stütze in der von der Kommission in Art. 1 Abs. 1 und 2 erster Satz des angefochtenen Beschlusses aufgestellten und von ihr als „Einschränkung“ bezeichneten Auflage (siehe oben, Rn. 56). Denn der Hinweis darauf, dass die Verwendung der streitigen Bleichromate auf die Fälle beschränkt wird, in denen die Leistungen der diese Bleichromate enthaltenden Stoffzusammensetzungen wirklich notwendig sind, läuft darauf hinaus, zu erklären, dass der nachgeschaltete Anwender immer dann, wenn er eine Alternative findet, die streitigen Bleichromate nicht mehr verwenden darf. Diese Erklärung enthält einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Kommission zur Zeit des Erlasses des angefochtenen Beschlusses selbst nicht davon ausging, dass die Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Nichtverfügbarkeit von Alternativen abgeschlossen war.

98      Viertens schließlich findet die oben in Rn. 86 getroffene Feststellung eine Bestätigung in Art. 1 Abs. 3 Buchst. d und e des angefochtenen Beschlusses (siehe oben, Rn. 28 und 29). Die Auflagen, wonach die dem Zulassungsinhaber nachgeschalteten Anwender Informationen zu geeigneten und verfügbaren Alternativen vorlegen mussten, die die Notwendigkeit der Verwendung der streitigen Bleichromate im Einzelnen rechtfertigten, und der Zulassungsinhaber verpflichtet war, einen Bericht abzugeben, in dem er die Beschreibung der genehmigten Verwendungen aufgrund der von den nachgeschalteten Anwendern vorgelegten Alternativen präzisieren musste, weisen ebenfalls darauf hin, dass die Prüfung der Nichtverfügbarkeit von Alternativen durch die Kommission noch nicht abgeschlossen war.

99      An siebter Stelle ist zu bemerken, dass die übrigen Argumente der Kommission die oben in Rn. 86 vorgenommene Beurteilung nicht in Frage stellen.

100    Keinen Erfolg haben kann zum einen das Vorbringen der Kommission, sie habe zusätzliche Analysen durchgeführt, um die Nichtverfügbarkeit von Alternativen zu prüfen (siehe oben, Rn. 53).

101    Grundsätzlich entspricht es zwar guter Praxis, zusätzliche Analysen durchzuführen, um die Nichtverfügbarkeit von Alternativen zu prüfen. Soweit sich aus den Akten ergibt, haben die von der Kommission durchgeführten zusätzlichen Analysen aber hauptsächlich darin bestanden, dass sie den Antragsteller um Informationen gebeten hat. Die von diesem gegebenen zusätzlichen Informationen enthielten jedoch nicht die geringste Klarstellung betreffend die Verwendungen, bei denen es keinen Ersatz für die streitigen Bleichromate gibt. Zwar enthält die Liste, die die Kommission als Anlage B.3 zur Klagebeantwortung eingereicht hat, Beispiele für vom Zulassungsantrag erfasste besondere Verwendungen. Sie beantwortet jedoch nicht die Frage, weshalb die Alternativen, die nach dem Vorbringen des Königreichs Schweden auf dem Markt waren, nicht anstelle der in Rede stehenden Bleichromate für die in der Liste genannten Verwendungen benutzt werden konnten.

102    Zum anderen trifft es zu, dass die Kommission beim Erlass der Zulassungsentscheidungen auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten muss. Die Frage der Verhältnismäßigkeit stellt sich jedoch nicht, wenn die Tatbestandsmerkmale einer Bestimmung der Verordnung Nr. 1907/2006 nicht erfüllt sind.

103    An achter Stelle schließlich braucht nach den bisherigen Ausführungen nicht mehr auf das Vorbringen des Königreichs Schweden eingegangen zu werden, dass die Kommission ihre Sorgfaltspflicht verletzt habe (siehe oben, Rn. 46).

104    Dabei handelt es sich nämlich nicht um ein eigenständiges Argument im Rahmen der vorliegenden Klage, sondern um eine Ergänzung der Rüge des Verstoßes gegen Art. 60 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1907/2006 wegen unzureichender Prüfung der Tatbestandsmerkmale dieser Bestimmung (siehe oben, Rn. 86 bis 102).

105    Aus allen diesen Gründen greift der zweite Teil des ersten Klagegrundes durch.

106    Folglich ist der angefochtene Beschluss für nichtig zu erklären, ohne dass es einer Prüfung des ersten und des dritten Teils des ersten Klagegrundes sowie der übrigen Klagegründe bedarf.

 Zur Aufrechterhaltung der Wirkungen des angefochtenen Beschlusses bis zu seiner Ersetzung durch einen neuen Beschluss

107    Die Kommission hat beantragt, im Fall der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses dessen Wirkungen bis zu der von ihr mit Hilfe der ECHA vorzunehmenden erneuten Prüfung des Zulassungsantrags aufrechtzuerhalten.

108    Dieser Antrag ist zurückzuweisen.

109    Nach Art. 264 Abs. 2 AEUV bezeichnet der Unionsrichter, wenn er dies für notwendig hält, diejenigen Wirkungen einer für nichtig erklärten Handlung, die als fortgeltend zu betrachten sind. Er kann die ihm durch diese Bestimmung verliehene Befugnis ausüben, um die durch die angefochtene Handlung festgesetzten Rechte aufrechtzuerhalten, bis die zuständigen Organe die geeigneten Maßnahmen ergriffen haben (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 20. März 1985, Timex/Rat und Kommission, 264/82, EU:C:1985:119, Rn. 32).

110    Nach ständiger Rechtsprechung muss der Unionsrichter in Ausübung der ihm durch Art. 264 Abs. 2 AEUV übertragenen Befugnis die Wirkungen einer angefochtenen Handlung aufrechterhalten, wenn der Grundsatz der Rechtssicherheit dies fordert (Urteil vom 22. Oktober 2013, Kommission/Rat, C‑137/12, EU:C:2013:675, Rn. 81), wobei dieser unter Berücksichtigung eines anderen Interesses der Union (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Oktober 2013, Kommission/Rat, C‑137/12, EU:C:2013:675, Rn. 80, vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 90 und 91, und vom 6. September 2012, Parlament/Rat, C‑490/10, EU:C:2012:525, Rn. 91) oder des Interesses eines Mitgliedstaats (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Oktober 2007, Kommission/Parlament und Rat, C‑299/05, EU:C:2007:608, Rn. 74) auszulegen ist.

111    Die in Art. 264 Abs. 2 AEUV vorgesehene Befugnis kann auch ausgeübt werden, wenn es sich um private Interessen handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. September 2016, Deutschland/Parlament und Rat, C‑113/14, EU:C:2016:635, Rn. 83), denn aus Gründen der Rechtssicherheit können die Wirkungen einer für nichtig erklärten Handlung insbesondere dann aufrechterhalten werden, wenn die unmittelbaren Auswirkungen ihrer Nichtigerklärung schwerwiegende negative Folgen für die Betroffenen hätten und die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Handlung nicht wegen ihres Ziels oder ihres Inhalts in Abrede gestellt wird, sondern aus Gründen der Unzuständigkeit ihres Urhebers oder der Verletzung wesentlicher Formvorschriften (vgl. Urteil vom 7. September 2016, Deutschland/Parlament und Rat, C‑113/14, EU:C:2016:635, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

112    Im vorliegenden Fall hat die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses mit sofortiger Wirkung zwar schwerwiegende negative Folgen für DCC Maastricht, da dieses Unternehmen die streitigen Pigmente nicht mehr vertreiben kann. Sie beruht jedoch auf Gründen, die mit der materiellen Rechtmäßigkeit des Beschlusses zusammenhängen. Zudem ist daran zu erinnern, dass die Verordnung Nr. 1907/2006 nach Art. 1 Abs. 1 bezweckt, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit sicherzustellen. Mit diesem Zweck wäre die Aufrechterhaltung der Wirkungen des angefochtenen Beschlusses nach den vorstehenden Ausführungen nicht vereinbar.

 Kosten

113    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr außer ihren eigenen Kosten die Kosten des Königreichs Schweden aufzuerlegen.

114    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihr eigenen Kosten. Somit tragen das Königreich Dänemark, die Republik Finnland und das Parlament ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat das

GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Durchführungsbeschluss C(2016) 5644 final der Kommission vom 7. September 2016 über die Zulassung bestimmter Verwendungen von Bleisulfochromatgelb und Bleichromatmolybdatsulfatrot gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 wird für nichtig erklärt.

2.      Der Antrag der Kommission, im Fall der Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses C(2016) 5644 final vom 7. September 2016 dessen Wirkungen bis zu der von ihr vorzunehmenden erneuten Prüfung des Zulassungsantrags aufrechtzuerhalten, wird zurückgewiesen.

3.      Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Königreichs Schweden.

4.      Das Königreich Dänemark, die Republik Finnland und das Europäische Parlament tragen ihre eigenen Kosten.

Gratsias

Labucka

Dittrich

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. März 2019.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Schwedisch.