Language of document : ECLI:EU:C:2019:236

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

21. März 2019(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Verkehr – Richtlinie 96/53/EG – Grenzüberschreitender Verkehr – Fahrzeuge, die den in dieser Richtlinie festgelegten Grenzwerten für Gewichte und Abmessungen entsprechen – Nutzung solcher Fahrzeuge, die in einem Mitgliedstaat zugelassen oder in Betrieb genommen sind, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats – Besonderes Genehmigungssystem – Art. 3 und 7 – Beitrittsakte von 2003 – Übergangsbestimmungen – Anhang XII Kapitel 8 Nr. 3“

In der Rechtssache C‑127/17

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 10. März 2017,

Europäische Kommission, vertreten durch J. Hottiaux und W. Mölls als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna, M. Kamejsza-Kozłowska und J. Sawicka als Bevollmächtigte im Beistand von J. Waszkiewicz, Sachverständiger,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász und C. Vajda (Berichterstatter),

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2018,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. September 2018

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Kommission, festzustellen, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 3 und 7 der Richtlinie 96/53/EG des Rates vom 25. Juli 1996 zur Festlegung der höchstzulässigen Abmessungen für bestimmte Straßenfahrzeuge im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr in der Gemeinschaft sowie zur Festlegung der höchstzulässigen Gewichte im grenzüberschreitenden Verkehr (ABl. 1996, L 235, S. 59) in der durch die Richtlinie (EU) 2015/719 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2015 (ABl. 2015, L 115, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 96/53) in Verbindung mit den Nrn. 3.1 und 3.4 des Anhangs I der Richtlinie 96/53 verstoßen hat, dass sie von Transportunternehmen den Besitz spezieller Genehmigungen für die Benutzung bestimmter öffentlicher Straßen verlangt.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Die Beitrittsakte

2        Art. 2 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 33, im Folgenden: Beitrittsakte von 2003) bestimmt:

„Ab dem Tag des Beitritts sind die ursprünglichen Verträge und die vor dem Beitritt erlassenen Rechtsakte der Organe und der Europäischen Zentralbank für die neuen Mitgliedstaaten verbindlich und gelten in diesen Staaten nach Maßgabe der genannten Verträge und dieser Akte.“

3        Art. 10 der Beitrittsakte von 2003 lautet:

„Für die Anwendung der ursprünglichen Verträge und der Rechtsakte der Organe gelten vorübergehend die in dieser Akte vorgesehenen abweichenden Bestimmungen.“

4        In Art. 24 dieser Beitrittsakte heißt es:

„Die in den Anhängen V, VI, VII, VIII, IX, X, XI, XII, XIII und XIV zu dieser Akte aufgeführten Maßnahmen finden auf die neuen Mitgliedstaaten unter den in diesen Anhängen festgelegten Bedingungen Anwendung.“

5        Anhang XII der Beitrittsakte trägt die Überschrift „Liste nach Artikel 24 der Beitrittsakte: Polen“. Kapitel 8 („Verkehrspolitik“) dieses Anhangs enthält eine Nr. 3, die die Richtlinie 96/53 mit folgender Formulierung für anwendbar erklärt:

„31996 L 0053: Richtlinie [96/53], zuletzt geändert durch:

– 32002 L 0007: Richtlinie 2002/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom [18. Februar 2002] [ABl. 2002, L 67, S. 47].

Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie [96/53], dürfen Kraftfahrzeuge, die den Grenzwerten der Kategorie 3.4 gemäß Anhang 1 jener Richtlinie entsprechen, bis zum 31. Dezember 2010 den nicht ausgebauten Teil des polnischen Straßennetzes nur dann befahren, wenn ihre Einzelachslast den polnischen Grenzwerten entspricht. Ab dem Tag des Beitritts dürfen für die Benutzung der Haupttransitstrecken gemäß Anhang I der Entscheidung [Nr.] 1692/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes [ABl. 1996, L 228, S. 1] durch Fahrzeuge, die den Anforderungen der Richtlinie [96/53] entsprechen, keine Beschränkungen vorgesehen werden.

Polen hält seinen in den nachstehenden Übersichten wiedergegebenen Zeitplan für den Ausbau seines Hauptstraßennetzes gemäß Anhang I der Entscheidung [Nr. 1692/96] ein. Bei jeder Infrastrukturinvestition, in die Mittel aus dem [Unions]haushalt einfließen, muss sichergestellt sein, dass die Hauptverkehrswege für eine Tragfähigkeit von 11,5 Tonnen pro Achse gebaut oder ausgebaut werden.

Im Zuge dieses Ausbaus erfolgt eine schrittweise Öffnung des polnischen Straßennetzes, einschließlich des Netzes gemäß Anhang I der Entscheidung [Nr. 1692/96], für im internationalen Verkehr eingesetzte Fahrzeuge, die den Grenzwerten der Richtlinie entsprechen. Während der gesamten Übergangszeit ist die Benutzung der nicht ausgebauten Teile des Nebenstraßennetzes für die Zwecke des Be- und Entladens erlaubt, soweit dies technisch möglich ist.

…“

6        Der Zeitplan für den Ausbau des polnischen Hauptstraßennetzes gemäß Kapitel 8 Nr. 3 Abs. 3 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 ist in acht Übersichten festgelegt, die den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis 1. Januar 2011 umfassen.

 Die Richtlinie 96/53

7        Mit der Richtlinie 96/53 werden gemeinsame Vorschriften für das Gewicht und die Abmessungen von Nutzkraftfahrzeugen im internationalen Verkehr sowie gemeinsame Vorschriften für die Abmessungen solcher Fahrzeuge im grenzüberschreitenden Verkehr festgelegt.

8        In ihren Erwägungsgründen 3 bis 5, 7, 11 und 12 heißt es:

„(3)      Die Unterschiede zwischen den Vorschriften der Mitgliedstaaten über Gewichte und Abmessungen von Nutzkraftfahrzeugen könnten sich nachteilig auf die Wettbewerbsbedingungen auswirken und den Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten erschweren.

(4)      Nach dem Subsidiaritätsprinzip sind auf Gemeinschaftsebene Maßnahmen zu ergreifen, um solche Hindernisse zu beseitigen.

(5)      Die vorstehend genannten Vorschriften werden sowohl dem rationellen und wirtschaftlichen Einsatz dieser Nutzkraftfahrzeuge als auch den Erfordernissen der Unterhaltung des Straßennetzes, der Verkehrssicherheit und des Schutzes von Umwelt und Lebensbedingungen gerecht.

(7)      Auf die in einem Mitgliedstaat zugelassenen oder in Betrieb genommenen Nutzkraftfahrzeuge können weitere technische Bedingungen im Zusammenhang mit den Gewichten und Abmessungen Anwendung finden. Diese Bedingungen dürfen dem Verkehr der Nutzkraftfahrzeuge zwischen den Mitgliedstaaten nicht entgegenstehen.

(11)      Im Rahmen der Verwirklichung des Binnenmarktes sollte der Geltungsbereich dieser Richtlinie auf den innerstaatlichen Verkehr ausgedehnt werden, soweit Merkmale betroffen sind, die die Wettbewerbsbedingungen im Verkehrsbereich maßgeblich berühren, insbesondere die höchstzulässige Länge und Breite der Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen, die für den Güterverkehr bestimmt sind.

(12)      Was die anderen Merkmale der Fahrzeuge angeht, dürfen die Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet nur für Fahrzeuge, die im innerstaatlichen Verkehr eingesetzt werden, andere Werte als in dieser Richtlinie vorgeschrieben gestatten.“

9        Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 96/53 lautet:

„Diese Richtlinie gilt für

a)      die Abmessungen der Kraftfahrzeuge der Klassen M2 und M3 und ihrer Kraftfahrzeuganhänger der Klasse 0 sowie der Kraftfahrzeuge der Klassen N2 und N3 und ihrer Kraftfahrzeuganhänger der Klassen 03 und 04 im Sinne des Anhangs II der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2007, L 263, S. 1)];

b)      die Gewichte und bestimmte andere technische Merkmale der unter Buchstabe a) bezeichneten und in Anhang I Nummer 2 der vorliegenden Richtlinie im Einzelnen genannten Fahrzeuge.“

10      Art. 2 der Richtlinie 96/53 bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie gilt als

–        ‚höchstzulässiges Gewicht‘ das Höchstgewicht für ein im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetztes beladenes Fahrzeug;

–        ‚höchstzulässige Achslast‘ das Höchstgewicht auf einer belasteten Achse oder Achsgruppe im grenzüberschreitenden Verkehr;

–        ‚unteilbare Ladung‘ eine Ladung, die für die Zwecke der Beförderung auf der Straße nicht ohne unverhältnismäßig hohe Kosten oder Schadensrisiken in zwei oder mehr Einzelladungen geteilt werden kann und die aufgrund ihrer Abmessungen oder Massen nicht von einem Kraftfahrzeug, Anhänger, Lastzug oder Gelenkfahrzeug, das in jeder Hinsicht den Vorschriften dieser Richtlinie entspricht, befördert werden kann;

…“

11      Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten dürfen in ihrem Gebiet den Einsatz von

–        Fahrzeugen, die in einem der Mitgliedstaaten zugelassen oder in Betrieb genommen sind, im grenzüberschreitenden Verkehr nicht aus Gründen, die die Gewichte und Abmessungen betreffen,

–        Fahrzeugen, die in einem der Mitgliedstaaten zugelassen oder in Betrieb genommen sind, im innerstaatlichen Verkehr nicht aus Gründen, die die Abmessungen betreffen,

verweigern oder verbieten, wenn diese Fahrzeuge mit den in Anhang I f[e]stgelegten Grenzwerten übereinstimmen.

Dies gilt auch dann, wenn

a)      die betreffenden Fahrzeuge in Bezug auf bestimmte, in Anhang I nicht aufgeführte Gewichts- und Abmessungsmerkmale nicht den Anforderungen dieses Mitgliedstaats entsprechen;

b)      die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem die Fahrzeuge zugelassen bzw. in Betrieb genommen sind, Grenzwerte zugelassen hat, die in Artikel 4 Absatz 1 nicht genannt sind und die in Anhang I festgelegten Grenzwerte überschreiten.“

12      Art. 7 der Richtlinie lautet:

„Diese Richtlinie steht der Anwendung der einschlägigen einzelstaatlichen Bestimmungen für die Begrenzung des Gewichts und/oder der Abmessungen der Fahrzeuge auf bestimmten Straßen oder Ingenieurbauten – unabhängig vom Land der Zulassung oder Inbetriebnahme derartiger Fahrzeuge – nicht entgegen.

Dies bedeutet auch, dass lokale Beschränkungen erlassen werden können, was die höchstzulässigen Abmessungen und/oder Gewichte von Fahrzeugen betrifft, die in bestimmten Gebieten oder auf bestimmten Straßen mit für lange und schwere Fahrzeuge ungeeigneter Infrastruktur, wie etwa Stadtzentren, kleinen Dörfern oder unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvollen Gebieten, eingesetzt werden dürfen.“

13      Anhang I der Richtlinie 96/53 ist mit „höchstzulässige Gewichte und Abmessungen sowie damit zusammenhängende Merkmale der Fahrzeuge“ überschrieben.

14      Nr. 3 dieses Anhangs trägt die Überschrift „höchstzulässige Achslast für die in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b) genannten Fahrzeuge (in Tonnen)“. In den Nrn. 3.1 und 3.4 heißt es:

„…

3.1.

Einzelachsen

Einzelachse ohne Antrieb


10 t

3.4.

Antriebsachse


3.4.1.

Antriebsachse der Fahrzeuge der Nummern 2.2.1 und 2.2.2

11,5 t

3.4.2.

Antriebsachse der Fahrzeuge der Nummern 2.2.3, 2.2.4, 2.3 und 2.4

11,5 t

…“

 Entscheidung Nr. 1692/96

15      Die Entscheidung Nr. 1692/96 wurde durch den Beschluss Nr. 661/2010/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes (ABl. 2010, L 204, S. 1) ersetzt, der wiederum durch die Verordnung (EU) Nr. 1315/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 661/2010 (ABl. 2013, L 348, S. 1) ersetzt worden ist.

16      Die Entscheidung Nr. 1692/96 sah in ihrem Art. 2 („Ziele“) vor:

„(1)      Das transeuropäische Verkehrsnetz wird schrittweise im Zeithorizont 2010 auf Gemeinschaftsebene durch Integration von Land‑, See- und Luftverkehrsinfrastrukturnetzen entsprechend den Schemata auf den Karten in Anhang I und/oder den Spezifikationen des Anhangs II hergestellt.

(2)      Das Netz soll

a)      in einem Raum ohne Binnengrenzen einen auf Dauer tragbaren Personen- und Güterverkehr unter möglichst sozialverträglichen und sicherheitsorientierten Bedingungen sicherstellen und gleichzeitig zur Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft insbesondere im Bereich des Umweltschutzes und des Wettbewerbs beitragen sowie einen Beitrag zur Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts leisten;

…“

 Polnisches Recht

17      Art. 41 der Ustawa o drogach publicznych (Gesetz über die öffentlichen Straßen, Dz. U. Nr. 14, Pos. 60) vom 21. März 1985 in seiner für das vorliegende Verfahren maßgebenden Fassung (im Folgenden: Gesetz über die öffentlichen Straßen) bestimmt:

„(1)      Auf den öffentlichen Straßen dürfen Fahrzeuge mit einem zulässigen Gewicht von bis zu 11,5 Tonnen pro Einzelantriebsachse vorbehaltlich der Abs. 2 und 3 verkehren.

(2)      Der für Verkehrsangelegenheiten zuständige Minister erstellt im Verordnungsweg das Verzeichnis

1.      der National- und Regionalstraßen, auf denen Fahrzeuge mit einem zulässigen Gewicht von 10 Tonnen pro Einzelachse fahren dürfen,

2.      der Nationalstraßen, auf denen Fahrzeuge mit einem zulässigen Gewicht von 8 Tonnen pro Einzelachse fahren dürfen,

unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, die Straßen zu schützen und den Transitverkehr zu gewährleisten.

(3)      Andere Regionalstraßen als die, die gemäß Abs. 2 Nr. 1 ausgewiesen worden sind, sowie Kreis- und Gemeindestraßen bilden ein Straßennetz, auf dem Fahrzeuge mit einem zulässigen Gewicht von 8 Tonnen pro Einzelachse verkehren dürfen.“

18      Gestützt auf Art. 41 Abs. 2 des Gesetzes über die öffentlichen Straßen erließ der Minister Infrastruktury i Rozwoju (Minister für Infrastruktur und Entwicklung) am 13. Mai 2015 das Rozporządzenie w sprawie wykazu dróg krajowych oraz dróg wojewódzkich, po których mogą poruszać się pojazdy o dopuszczalnym nacisku pojedynczej osi do 10 t, oraz wykazu dróg krajowych, po których mogą poruszać się pojazdy o dopuszczalnym nacisku pojedynczej osi do 8 t (Verordnung über das Verzeichnis der National- und Regionalstraßen, auf denen Fahrzeuge mit einem zulässigen Gewicht von bis zu 10 Tonnen pro Einzelachse fahren dürfen, und das Verzeichnis der National- und Regionalstraßen, auf denen Fahrzeuge mit einem zulässigen Gewicht von bis zu 8 Tonnen pro Einzelachse fahren dürfen; Dz. U. 2015, Pos. 802, im Folgenden: Verordnung vom 13. Mai 2015).

19      Nach Art. 2 Nr. 35a des Prawo o ruchu drogowym (Gesetz über den Straßenverkehr, Dz. U. Nr. 98, Pos. 602) in der für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Fassung ist ein nicht normgerechtes Fahrzeug ein Fahrzeug oder eine Fahrzeugkombination, dessen bzw. deren Achslasten mit oder ohne Ladung höher sind, als für eine bestimmte Straße nach den Bestimmungen über öffentliche Straßen zulässig und vorgesehen ist, oder deren tatsächliche Abmessungen und Gesamtgewicht mit oder ohne Ladung höher sind, als nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zulässig und vorgesehen ist.

20      Nach Art. 2 Nr. 35b des Gesetzes über den Straßenverkehr ist eine unteilbare Ladung eine Ladung, die nicht ohne unverhältnismäßig hohe Kosten oder Schadensrisiken in zwei oder mehrere Ladungen aufgeteilt werden kann.

21      Art. 64 Abs. 1 und 3 dieses Gesetzes sieht vor:

„(1)      Ein nicht normgerechtes Fahrzeug darf unter folgenden Bedingungen verkehren:

1.      Erhalt einer durch Verwaltungsbescheid erteilten Verkehrsgenehmigung für nicht normgerechte Fahrzeuge der entsprechenden Kategorie …;

2.      Einhaltung der Bedingungen für den Verkehr, die in der vorstehenden Nr. 1 genannten Genehmigung festgelegt sind;

3.      Führen des Fahrzeugs durch einen verantwortlichen Fahrzeugführer, wenn dieses mindestens eines der folgenden Werte überschreitet:

a)      Länge: 23 Meter;

b)      Breite: 3,2 Meter;

c)      Höhe: 4,5 Meter;

d)      tatsächliches Gesamtgewicht: 60 Tonnen;

4.      besondere Aufmerksamkeit des Fahrers des nicht normgerechten Fahrzeugs.

(2)      Es ist verboten, mit nicht normgerechten Fahrzeugen andere als unteilbare Ladungen zu befördern; von diesem Verbot ausgenommen sind nicht normgerechte Fahrzeuge, die aufgrund einer Genehmigung der Kategorie I oder II zum Verkehr berechtigt sind.

(3)      Abmessungen, Gewichte und Achslasten nicht normgerechter Fahrzeuge, die aufgrund einer Genehmigung der Kategorie I oder II zum Verkehr berechtigt sind, sowie die Straßen, auf denen diese Fahrzeuge verkehren dürfen, sind in der Tabelle des Anhangs I dieses Gesetzes festgelegt.“

22      In den Art. 64a bis 64d des Gesetzes über den Straßenverkehr ist für jede der sieben Kategorien nicht normgerechter Fahrzeuge das Verfahren für die Beantragung und die Erteilung einer Genehmigung geregelt. In seinem Art. 64f Abs. 1 ist für jede Kategorie die Obergrenze der Gebühr für die Erteilung der Genehmigung festgelegt.

23      Die in Abschnitt 4 des Gesetzes über den Straßenverkehr enthaltenen Art. 140aa ff. sehen Geldbußen für die Fälle vor, in denen nicht normgerechte Fahrzeuge ohne Genehmigung oder unter Verstoß gegen die in der Genehmigung festgelegten Bedingungen verkehren.

 Vorverfahren

24      Infolge von Beschwerden von im polnischen Hoheitsgebiet tätigen Transportunternehmen und der Einholung von Informationen bei der Republik Polen im Rahmen eines „EU-Pilotverfahrens“ sandte die Kommission der Republik Polen am 30. April 2015 ein Aufforderungsschreiben zu.

25      Mit diesem Schreiben machte die Kommission die Republik Polen darauf aufmerksam, dass einige ihrer Rechtsvorschriften ihren Verpflichtungen zuwiderliefen, nämlich zum einen ihren Verpflichtungen aus Art. 3 der Richtlinie 96/53, weil fast 97 % des polnischen Straßennetzes für den Verkehr mit Fahrzeugen, die die in Nr. 3.1 und/oder Nr. 3.4 des Anhangs I dieser Richtlinie genannten Gewichtsgrenzen einhielten, gesperrt seien, sowie zum anderen ihren Verpflichtungen aus Art. 7 dieser Richtlinie, da sich die Republik Polen, auf die in dieser Vorschrift vorgesehenen Ausnahmen berufen habe, ohne zu begründen, weshalb 97 % des polnischen Straßennetzes unter diese Ausnahmen fallen könnten.

26      Außerdem stellte die Kommission mit ihrem Aufforderungsschreiben die besondere Genehmigungsregelung in Frage, die es Fahrzeugen, die die in Nr. 3.1 und/oder Nr. 3.4 des Anhangs I dieser Richtlinie genannten Gewichtsgrenzen einhalten, ermöglicht, auf Straßen zu verkehren, die für diese Fahrzeuge normalerweise gesperrt sind.

27      Die Republik Polen antwortete mit Schreiben vom 29. Juni 2015 auf das Aufforderungsschreiben und wies dabei die Rügen der Kommission zurück.

28      Da die Kommission die Antwort der Republik Polen vom 29. Juni 2015 für unzureichend hielt, erließ sie am 26. Februar 2016 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie die Auffassung vertrat, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 3 und 7 der Richtlinie 96/53 verstoße, dass sie den Verkehr von Kraftfahrzeugen mit einem Höchstgewicht von 11,5 Tonnen pro Einzelantriebsachse auf zum transeuropäischen Verkehrsnetz gehörende Straßen und bestimmte andere Nationalstraßen beschränke und den Verkehr dieser Fahrzeuge auf anderen öffentlichen Straßen einer besonderen Genehmigungsregelung unterworfen habe.

29      Die Republik Polen beantragte am 26. April 2016 bei der Kommission eine Verlängerung der Frist für die Beantwortung der mit Gründen versehenen Stellungnahme. Dieser Antrag wurde von der Kommission mit der Begründung abgelehnt, dass er keine konkreten Angaben zu den Gesetzesänderungen enthalte, die beabsichtigt seien, um der beanstandeten Vertragsverletzung abzuhelfen.

30      In ihrer Antwort vom 30. August 2016 auf die mit Gründen versehene Stellungnahme informierte die Republik Polen die Kommission über ihre Bemühungen, um in erster Linie das Netz der öffentlichen Straßen zu erweitern, auf dem Fahrzeuge mit einer Last von 11,5 Tonnen pro Einzelantriebsachse verkehren dürfen, sowie die einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften mit dem Ziel zu ändern, die Abschnitte der National- und Regionalstraßen zu verringern, auf denen Fahrzeuge Gewichtsbeschränkungen unterliegen. Diese Änderungen sollten der Republik Polen zufolge im Mai 2017 und im Februar 2018 in Kraft treten.

31      Da die Kommission nicht davon überzeugt war, dass die angekündigten Änderungen mit dem Unionsrecht vereinbar sind, und die Frist nicht akzeptierte, innerhalb der die Vorschriften geändert werden sollten, hat sie beschlossen, beim Gerichtshof die vorliegende Klage nach Art. 258 Abs. 2 AEUV zu erheben.

 Zur Klage

32      Die Kommission stützt ihre Klage auf eine einzige Rüge, mit der sie der Republik Polen vorwirft, dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 3 und 7 der Richtlinie 96/53 in Verbindung mit den Nrn. 3.1 und 3.4 ihres Anhangs I verstoßen zu haben, dass sie den Verkehr von Fahrzeugen mit einem Höchstgewicht von 11,5 Tonnen pro Antriebsachse auf einer übermäßig hohen Zahl von öffentlichen Straßen einer besonderen Genehmigungsregelung unterworfen habe.

33      Die Kommission trägt vor, dass sich die Beschränkung des Zugangs zu den öffentlichen Straßen, von der Fahrzeuge und ihre Anhänger betroffen seien, die unter die Richtlinie 96/53 fielen und die höchstzulässige Achslast einhielten, nämlich 10 Tonnen für die Achse ohne Antrieb und 11,5 Tonnen für die Antriebsachse, aus der Kombination von zwei Faktoren ergebe. Der erste Faktor sei, dass nach Art. 41 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über die öffentlichen Straßen nur zum transeuropäischen Verkehrsnetz gehörende Straßen und bestimmte andere Nationalstraßen für den Verkehr von Fahrzeugen mit einem Höchstgewicht von 11,5 Tonnen pro Antriebsachse geöffnet seien, und der zweite, dass gemäß den Art. 64 ff. des Gesetzes über den Straßenverkehr für den Verkehr auf anderen Straßen eine besondere Genehmigung erforderlich sei.

34      Diese beiden Faktoren sind nacheinander zu prüfen.

 Zur Beschränkung des grenzüberschreitenden Verkehrs auf die Straßen des transeuropäischen Verkehrsnetzes und bestimmte Nationalstraßen

35      Die Kommission ist der Ansicht, dass die sich aus dem polnischen Recht ergebende Beschränkung des Zugangs zu öffentlichen Straßen, von der Fahrzeuge und ihre Anhänger betroffen seien, die unter die Richtlinie 96/53 fielen und die in den Nrn. 3.1 und 3.4 ihres Anhangs I festgelegten Gewichtsbegrenzungen pro Achse einhielten, gegen die Bestimmungen der Art. 3 und 7 dieser Richtlinie in Verbindung mit den Nrn. 3.1 und 3.4 ihres Anhangs I verstoße. Sie widerspricht zudem der Auffassung der Republik Polen, der zufolge diese Beschränkung auf die Übergangsbestimmungen in Kapitel 8 Nr. 3 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 gestützt werden könne.

36      Dieser erste Teil der Rüge der Kommission ist anhand der vorgenannten Bestimmungen der Richtlinie 96/53 und des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 zu prüfen.

 Zum geltend gemachten Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/53

–       Vorbringen der Parteien

37      Die Kommission ist der Auffassung, dass die polnischen Rechtsvorschriften, die den Zugang von Fahrzeugen, bei denen das Höchstgewicht pro Einzelachse ohne Antrieb oder pro Antriebsachse den in den Nrn. 3.1 und 3.4 des Anhangs I der Richtlinie 96/53 festgelegten Grenzwerten entspräche, im grenzüberschreitenden Verkehr auf die Straßen des transeuropäischen Verkehrsnetzes und bestimmte Nationalstraßen beschränkten, gegen Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/53 verstießen, die ein System schaffe, in dem diese Fahrzeuge frei verkehren könnten.

38      Sie macht insoweit erstens geltend, dass Art. 41 Abs. 1 des Gesetzes über die öffentlichen Straßen Fahrzeugen mit einem Höchstgewicht von höchstens 11,5 Tonnen pro Antriebsachse zwar erlaube, auf allen öffentlichen Straßen zu verkehren, Art. 41 Abs. 2 und 3 dieses Gesetzes aber Ausnahmen schaffe, die den vorgenannten Art. 41 Abs. 1 inhaltlich leerlaufen ließen.

39      Aufgrund der in Art. 41 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über die öffentlichen Straßen vorgesehenen Ausnahmen dürften auf den National- und Regionalstraßen, die in einem vom Verkehrsminister aufzustellenden Verzeichnis enthalten seien, nur Fahrzeuge mit einem zulässigen Gewicht von 10 Tonnen oder 8 Tonnen pro Einzelachse verkehren und auf den übrigen Regionalstraßen sowie den Kreis- und Gemeindestraßen nur Fahrzeuge mit einem zulässigen Gewicht von 8 Tonnen pro Einzelachse. Die in Art. 41 Abs. 2 des Gesetzes über die öffentlichen Straßen genannten Verzeichnisse seien mit der Verordnung vom 13. Mai 2015 aufgestellt worden und in dieser enthalten.

40      Diese Ausnahmen liefen darauf hinaus, dass Fahrzeuge, die das in Anhang I der Richtlinie 96/53 festgelegte Höchstgewicht von 10 Tonnen für die Nichtantriebsachse und von 11,5 Tonnen für die Antriebsachse einhielten, von 97 % des Straßennetzes ausgeschlossen seien.

41      Zweitens widerspricht die Kommission dem Vorbringen der Republik Polen, dass nur die Straßen, auf denen sich der internationale Verkehr, d. h. der grenzüberschreitende Verkehr im transeuropäischen Straßenverkehrsnetz, konzentriere, den Anforderungen der Richtlinie 96/53 unterliege.

42      Die Kommission bemerkt zum einen, dass sich vom grenzüberschreitenden Verkehr und insbesondere vom Be- und Entladen betroffene Straßenabschnitte, die den Zugang zu wichtigen Städten ermöglichten, außerhalb der Nationalstraßen und des transeuropäischen Verkehrsnetzes befinden könnten und nicht frei zugänglich seien.

43      Zum anderen führt die Kommission aus, dass entgegen der von der Republik Polen vertretenen Auffassung in der Richtlinie 96/53 entsprechend den von dieser Richtlinie seit ihrem Inkrafttreten verfolgten Zielen keine Einschränkung der in ihrem Art. 3 festgelegten Anforderungen enthalten sei und ihr Anwendungsbereich nach der Schaffung des transeuropäischen Verkehrsnetzes durch die Entscheidung Nr. 1692/96 nicht geändert worden sei, obschon diese demselben Ziel diene, nämlich den Warenverkehr zu erleichtern. Art. 2 dieser Richtlinie enthalte zwar keine Definition des grenzüberschreitenden Verkehrs, aus ihren Erwägungsgründen 3 und 7, die auf den Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten abstellten, gehe jedoch unter Berücksichtigung ihres zwölften Erwägungsgrundes hervor, dass dieser Begriff dahin auszulegen sei, dass er den gesamten grenzüberschreitenden Verkehr unabhängig von der Straßenart umfasse. Jede andere Auslegung nähme Art. 7 der Richtlinie 96/53 seinen Sinn.

44      Drittens hält die Kommission dem auf den Zustand der Straßeninfrastruktur gestützten Vorbringen der Republik Polen entgegen, dass mit der Richtlinie 96/53 zwar keine Verpflichtung zur Wiederherstellung aller öffentlichen Straßen aufgestellt werde, die Mitgliedstaaten aber unbeschadet dessen die Kriterien beachten müssten, die in den Nrn. 3.1 und 3.4 des Anhangs I dieser Richtlinie genannt seien.

45      Die Republik Polen könne sich nicht unter Berufung darauf, das vom fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 96/53 angestrebte Gleichgewicht herstellen zu wollen, von der Beachtung der in dieser Richtlinie aufgestellten Normen für die maximal zulässige Achslast freistellen, weil diese Normen Ausfluss dieses Gleichgewichts seien.

46      Die Republik Polen ist der Auffassung, dass der erste Teil der Rüge der Kommission auf einer falschen Auslegung von Art. 3 der Richtlinie 96/53 beruhe.

47      Die Republik Polen macht in erster Linie geltend, dass die Kommission zu Unrecht die Auffassung vertrete, dass mit dem Begriff „grenzüberschreitender Verkehr“ das gesamte Straßennetz der Mitgliedstaaten gemeint sei, obwohl er sich nur auf den Verkehr über die Grenze hinweg und die Straßen, auf die er sich konzentriere, beziehe. Die weite Auslegung des Begriffs „grenzüberschreitender Verkehr“ durch die Kommission, die dazu führe, dass jede Straße, einschließlich der lokalen Straßen, für Fahrzeuge mit einem Höchstgewicht von 11,5 Tonnen pro Antriebsachse geöffnet werde, ergebe sich weder aus irgendeiner Vorschrift noch aus irgendeinem Erwägungsgrund der Richtlinie 96/53 und auch nicht aus den Diskussionen über ihre Änderung. Diese Auslegung nähme Art. 3 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich dieser Richtlinie, der den innerstaatlichen Verkehr aufgrund der Abmessungen der Fahrzeuge beschränke, seinen Sinn und liefe auf eine umgekehrte Diskriminierung von Fahrzeugen hinaus, die in dem betreffenden Mitgliedstaat zugelassen oder in Betrieb genommen seien.

48      Die Republik Polen beruft sich außerdem auf die Notwendigkeit, die Richtlinie 96/53 in Übereinstimmung mit der Entscheidung Nr. 1692/96 auszulegen, deren Ziele sich deckten; diese beiden Rechtstexte seien gleichzeitig bei ihrem Beitritt zur Union verbindlich geworden.

49      Die Republik Polen leitet daraus ab, dass sie nicht gegen Art. 3 der Richtlinie 96/53 verstoße, wenn sie hinsichtlich der Nutzung bestimmter nationaler und lokaler Straßen wie Regional‑, Kreis- und Gemeindestraßen von dem allgemeinen Grundsatz, dass Fahrzeuge mit einem Höchstgewicht von 11,5 Tonnen pro Antriebsachse frei verkehren dürften, abweiche. Die von ihr getroffenen Entscheidungen dienten der Erreichung des im fünften Erwägungsgrund dieser Richtlinie genannten Ziels. Damit habe sie sowohl dem rationellen und wirtschaftlichen Einsatz von Nutzkraftfahrzeugen als auch den Erfordernissen der Unterhaltung des Straßennetzes, der Verkehrssicherheit und des Schutzes von Umwelt und Lebensbedingungen gerecht werden wollen.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

50      Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/53 dürfen die Mitgliedstaaten in ihrem Gebiet den Einsatz von Fahrzeugen, die in einem der Mitgliedstaaten zugelassen oder in Betrieb genommen sind, im grenzüberschreitenden Verkehr nicht aus Gründen, die die Gewichte und Abmessungen betreffen, verweigern oder verbieten, wenn diese Fahrzeuge mit den in Anhang I dieser Richtlinie festgelegten Grenzwerten übereinstimmen. In den Nrn. 3.1 und 3.4 dieses Anhangs wird die höchstzulässige Achslast der betreffenden Fahrzeuge auf 10 Tonnen je Einzelachse oder Einzelachse ohne Antrieb und auf 11,5 Tonnen je Antriebsachse festgelegt.

51      Was speziell den in Art. 3 Abs. 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 96/53 verwendeten Begriff „grenzüberschreitender Verkehr“ betrifft, dessen Auslegung zwischen den Parteien streitig ist, ist in Ermangelung einer Definition in der einschlägigen Regelung auf den üblichen Sinn nach gewöhnlichem Sprachgebrauch abzustellen, wobei der Zusammenhang, in dem der Begriff verwendet wird, und die Ziele, die mit der Regelung verfolgt werden, zu der er gehört, zu berücksichtigen sind (vgl. entsprechend Urteil vom 20. September 2018, Carrefour Hypermarchés u. a., C‑510/16, EU:C:2018:751, Rn. 28 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Nach seinem üblichen Sinn bezieht sich der Begriff „grenzüberschreitender Verkehr“ auf den Verkehr aller Fahrzeuge im Gebiet von mindestens zwei unterschiedlichen Ländern. In Ermangelung zusätzlicher Bestandteile ist er nicht mit einer bestimmten Straßeninfrastruktur konnotiert, auf die sich der Verkehr konzentriert.

53      Für diese Auslegung sprechen auch der Zusammenhang, in dem dieser Begriff verwendet wird, und das Ziel, das im ersten Gedankenstrich von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/53 verfolgt wird. Denn der zweite Gedankenstrich von Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie, der auf den Begriff des „innerstaatlichen Verkehrs“ abstellt, enthält ebenfalls keine Ergänzung in Bezug auf irgendeine Straßeninfrastruktur, auf die der innerstaatliche Verkehr in diesem Sinne beschränkt sein sollte.

54      Was das Ziel der Richtlinie 96/53 angeht, ist darauf hinzuweisen, dass ihr Art. 3 Abs. 1, wie aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 hervorgeht, die Unterschiede zwischen den Vorschriften der Mitgliedstaaten über Gewichte und Abmessungen von Nutzkraftfahrzeugen, die sich nachteilig auf die Wettbewerbsbedingungen auswirken und den Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten erschweren könnten, beseitigen soll. Aus dem siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 96/53 geht ferner hervor, dass auf die in einem Mitgliedstaat zugelassenen oder in Betrieb genommenen Nutzkraftfahrzeuge weitere technische Bedingungen im Zusammenhang mit den Gewichten und Abmessungen Anwendung finden können, sofern diese Bedingungen dem Verkehr der Nutzkraftfahrzeuge zwischen Mitgliedstaaten nicht entgegenstehen. Festzustellen ist, dass in den Erwägungsgründen in Bezug auf dieses Ziel nicht zwischen den Straßenarten unterschieden wird, auf denen der Verkehr zwischen Mitgliedstaaten stattfindet.

55      Falls die mit der Richtlinie 93/56 festgelegten gemeinsamen Vorschriften über die maximale Achslast von Nutzkraftfahrzeugen nur auf bestimmten öffentlichen Straßen gelten würden, selbst wenn es sich bei diesen um die öffentlichen Straßen handeln würde, auf denen grenzüberschreitender Verkehr stattfinden kann, bestünde die Gefahr, dass das Ziel dieser Richtlinie, die Hindernisse für den Verkehr von Nutzkraftfahrzeugen zwischen Mitgliedstaaten zu beseitigen, verfehlt würde.

56      Die von der Republik Polen vorgeschlagene Auslegung hätte nämlich zur Folge, dass, sobald ein Nutzkraftfahrzeug, das im Gebiet von mindestens zwei Mitgliedstaaten verkehrt, das transeuropäische Verkehrsnetz oder die wichtigsten Nationalstraßen eines Mitgliedstaats verlässt, der bis dahin grenzüberschreitende Verkehr diesen Charakter verlöre. Infolgedessen würden die mit der Richtlinie 96/53 festgelegten gemeinsamen Vorschriften zu u. a. den maximalen Achslasten von Nutzkraftfahrzeugen für das betreffende Fahrzeug nicht mehr gelten. Eine solche Auslegung würde, anstatt das Ziel, den Verkehr von Nutzkraftfahrzeugen zwischen Mitgliedstaaten zu erleichtern, zu fördern, dazu führen, dass die Hindernisse für diesen Verkehr aufrechterhalten blieben.

57      Die Republik Polen kann für ihre Auslegung des Begriffs „grenzüberschreitender Verkehr“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 96/53 nicht den fünften Erwägungsgrund dieser Richtlinie anführen, wonach die mit dieser Richtlinie festgelegten gemeinsamen Vorschriften sowohl dem rationellen und wirtschaftlichen Einsatz dieser Nutzkraftfahrzeuge als auch den Erfordernissen der Unterhaltung des Straßennetzes, der Verkehrssicherheit und des Schutzes von Umwelt und Lebensbedingungen gerecht werden. Denn, wie der Generalanwalt in Nr. 78 seiner Schlussanträge sinngemäß ausgeführt hat, will die Richtlinie 96/53 den genannten Anforderungen insbesondere dadurch gerecht werden, dass sie Grenzwerte für die Gewichte und die Abmessungen von Nutzkraftfahrzeugen vorgibt, wie sie in ihrem Anhang I festgelegt sind.

58      Diese Auslegung des Begriffs „grenzüberschreitender Verkehr“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 96/53, wonach dieser Begriff unabhängig von der Art der betreffenden Straße Anwendung findet, lässt sich nicht durch die drei Argumente der Republik Polen in Frage stellen, die auf den Regelungsrahmen abstellen, in dem diese Vorschrift steht.

59      Erstens macht die Republik Polen geltend, die Richtlinie 96/53 müsse im Einklang mit der Entscheidung Nr. 1692/96 ausgelegt werden. Zweitens meint sie, dass mit der in der vorstehenden Randnummer vorgenommenen Auslegung Art. 3 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 96/53 gegenstandslos würde. Drittens ist sie der Ansicht, dass mit dieser Auslegung eine umgekehrte Diskriminierung von Fahrzeugen einhergehe, die in dem betreffenden Mitgliedstaat zugelassen oder in Betrieb genommen seien.

60      Zu dem ersten dieser Argumente ist zu bemerken, dass sowohl die Richtlinie 96/53 als auch die Entscheidung Nr. 1692/96 zwar zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes beitragen, dass die Entscheidung Nr. 1692/96, die dem Ausbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes dient, aber nicht bezweckt, den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/53 einzuschränken, die wiederum durch die Festlegung gemeinsamer Vorschriften über die zulässigen Abmessungen und Gewichte von Straßenfahrzeugen den Verkehr dieser Fahrzeuge in der Union erleichtern soll. Unter diesen Bedingungen und in Anbetracht der Tatsache, dass die Richtlinie 96/53 nirgendwo auf die Entscheidung Nr. 1692/96 oder den Begriff „transeuropäisches Verkehrsnetz“ verweist, kann der Begriff „grenzüberschreitender Verkehr“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 96/53 nicht dahin ausgelegt werden, dass er sich auf den Verkehr zwischen Mitgliedstaaten beschränkt, der sich auf das transeuropäische Verkehrsnetz konzentriert.

61      Was das zweite Argument der Republik Polen betrifft, ist unbestreitbar, dass Art. 3 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 96/53 im Unterschied zu Art. 3 Abs. 1 erster Gedankenstrich dieser Richtlinie von den Mitgliedstaaten nicht verlangt, dass sie im innerstaatlichen Verkehr die mit dieser Richtlinie festgelegten gemeinsamen Vorschriften über die höchstzulässige Achslast auf Fahrzeuge anwenden, die in irgendeinem anderen Mitgliedstaat zugelassen oder in Betrieb genommen sind. Trotzdem hätte eine Auslegung des Begriffs „grenzüberschreitender Verkehr“, wonach dieser Begriff unterschiedslos auf alle Straßen Anwendung findet, auf denen dieser Verkehr stattfindet, nicht zur Folge, dass Art. 3 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 96/53 gegenstandslos würde, da diese Vorschrift anwendbar ist, wenn sich sowohl der Abgangs- als auch der Zielort des Verkehrs in demselben Mitgliedstaat befinden, ohne dass eine Unterscheidung hinsichtlich der befahrenen Straßen gemacht wird, wodurch es einem Mitgliedstaat in diesem Fall ermöglicht wird, den innerstaatlichen Verkehr aus mit dem Gewicht der Fahrzeuge zusammenhängenden Gründen zu beschränken.

62      Zum dritten Argument der Republik Polen, mit dem eine umgekehrte Diskriminierung geltend gemacht wird, ist zu bemerken, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 1 erster bzw. zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 96/53 in Verbindung mit ihrem zwölften Erwägungsgrund zwar für im innerstaatlichen Verkehr eingesetzte Fahrzeuge in ihrem Hoheitsgebiet in Bezug auf die höchstzulässige Achslast andere Werte anwenden dürfen als die, die in dieser Richtlinie für den grenzüberschreitenden Verkehr vorgesehen sind, dieser Artikel sie aber nicht zu dieser Ungleichbehandlung verpflichtet. Zudem geht aus dem elften Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervor, dass die Unterscheidung danach, ob es sich um „grenzüberschreitenden Verkehr“ oder „innerstaatlichen Verkehr“ handelt, durch die unterschiedlichen Auswirkungen gerechtfertigt ist, die sich aus den in ihrem Art. 3 Abs.1 erster bzw. zweiter Gedankenstrich genannten jeweiligen Merkmalen für die Wettbewerbsbedingungen im Verkehrsbereich im Rahmen der Verwirklichung des Binnenmarktes ergeben können.

63      In Anbetracht der vorstehenden Erwägung ist die Begründetheit des ersten Teils der Rüge der Kommission anhand der sich aus den Rn. 50 bis 56 des vorliegenden Urteils ergebenden Hinweise zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 96/53 zu beurteilen.

64      Festzustellen ist, dass Art. 41 Abs. 1 des Gesetzes über die öffentlichen Straßen zwar den Verkehr von Fahrzeugen erlaubt, die das Höchstgewicht von 11,5 Tonnen pro Antriebsachse einhalten, diese Regel jedoch mehreren Einschränkungen unterliegt, die in Art. 41 Abs. 2 und 3 dieses Gesetzes enthalten sind.

65      So geht aus Art. 41 Abs. 2 dieses Gesetzes hervor, dass der Verkehrsminister gemäß Nr. 1 dieser Bestimmung das Verzeichnis der National- und Regionalstraßen erstellt, auf denen Fahrzeuge mit einem zulässigen Gewicht von 10 Tonnen „pro Einzelachse“ fahren dürfen, und gemäß Nr. 2 das Verzeichnis der Nationalstraßen, auf denen Fahrzeuge mit einem zulässigen Gewicht von 8 Tonnen „pro Einzelachse“ fahren dürfen.

66      Die Beschränkungen nach Art. 41 Abs. 2 des Gesetzes über die öffentlichen Straßen betreffen, wie die Republik Polen in ihrer Antwort auf eine Frage des Gerichtshofs bestätigt hat, sowohl die Antriebsachse als auch die Nichtantriebsachse eines Fahrzeugs. Die in Art. 41 Abs. 2 dieses Gesetzes genannten Verzeichnisse sind zudem mit der Verordnung vom 13. Mai 2015 aufgestellt worden und in dieser enthalten.

67      Zum anderen geht aus Art. 41 Abs. 3 des Gesetzes über die öffentlichen Straßen hervor, dass auf anderen Regionalstraßen als denen, die gemäß Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 dieses Gesetzes ausgewiesen worden sind, sowie auf Kreis- und Gemeindestraßen nur Fahrzeuge mit einem zulässigen Gewicht von 8 Tonnen pro Einzelachse verkehren dürfen.

68      Aus Art. 41 des Gesetzes über die öffentlichen Straßen ergibt sich somit, dass Fahrzeuge, die das in Nr. 3.4 des Anhangs I der Richtlinie 96/53 festgelegte Höchstgewicht von 11,5 Tonnen pro Antriebsachse einhalten, in den Anwendungsbereich sämtlicher Einschränkungen fallen, die sich aus Art. 41 Abs. 2 und 3 dieses Gesetzes ergeben, und Fahrzeuge, die das Höchstgewicht von 10 Tonnen pro Einzelachse einhalten, in den Anwendungsbereich der Beschränkungen, die sich aus Art. 41 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 dieses Gesetzes ergeben.

69      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die sich aus dem polnischen Recht ergebenden Beschränkungen des Zugangs zum polnischen Straßennetz, die für Fahrzeuge gelten, die die in den Nrn. 3.1 und 3.4 des Anhangs I der Richtlinie 96/53 festgelegten Grenzwerte pro Achse einhalten, gegen Art. 3 Abs. 1 erster Gedankenstrich dieser Richtlinie in Verbindung mit den Nrn. 3.1 und 3.4 ihres Anhangs I verstoßen.

 Zum geltend gemachten Verstoß gegen Art. 7 der Richtlinie 96/53

–       Vorbringen der Parteien

70      Nach Auffassung der Kommission beruhen die in Art. 41 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über die öffentlichen Straßen vorgesehenen Beschränkungen auf einer falschen Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 96/53, der eine Ausnahme von dem Grundsatz vorsehe, dass Fahrzeuge mit einem Höchstgewicht von 11,5 Tonnen pro Antriebsachse frei verkehren dürften. Die Republik Polen könne nicht geltend machen, dass die streitige Einschränkung Straßen betreffe, auf denen kein grenzüberschreitender Verkehr stattfinde, weil kein Unionsrechtsakt zwischen solchen Straßen und Straßen, die vom grenzüberschreitenden Verkehr betroffen seien, eine Unterscheidung vornehme.

71      Die Kommission weist ferner darauf hin, dass die einzige mögliche Ausnahme vom Grundsatz des freien Verkehrs auf allen Straßen darauf gestützt werden müsse, dass sie für den Verkehr von Fahrzeugen mit einem Höchstgewicht von 11,5 Tonnen pro Antriebsachse ungeeignet seien. Die zu berücksichtigenden Kriterien seien die Sicherheit dieses Verkehrs, die Tragfähigkeit von Ingenieurbauten und die Intensität des Straßenverkehrs. Art. 7 der Richtlinie 96/53, der die Möglichkeit vorsehe, „auf bestimmten Straßen oder Ingenieurbauten“ vom Grundsatz des freien Verkehrs abzuweichen, müsse eng ausgelegt werden. Unter diesen Umständen gäbe es für Ausnahmen, die für 97 % des polnischen Straßennetzes oder speziell sämtliche lokalen Straßen gelten würden, keine Grundlage.

72      Die Kommission bemerkt schließlich, dass die Beschränkungen des Zugangs zu bestimmten öffentlichen polnischen Straßen nicht auf Erwägungen beruhten, die mit dem Zustand der Straßen oder dem bestimmter Straßenabschnitte zusammenhingen, wie sich aus dem System zur Erteilung unbeschränkter Verkehrsgenehmigungen ergebe.

73      Die Republik Polen, die auf diesen Teil der Rüge der Kommission hilfsweise eingeht, macht geltend, diese beruhe auf einer zu engen Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 96/53, die im Widerspruch zu dessen Wortlaut stehe, da zum einen der Anwendungsbereich seines ersten Absatzes die von ihm vorgesehenen Beschränkungen nicht lediglich auf Straßen, die für die betreffenden Fahrzeuge ungeeignet seien, sowie auf „bestimmte Straßenabschnitte“ limitiere und zum anderen die in seinem zweiten Absatz genannten Fälle nur Beispiele seien.

74      Die Republik Polen leitet daraus ab, dass sie den Verkehr nicht nur auf Straßen einschränken dürfe, die für schwere Fahrzeuge ungeeignet seien, sondern auch auf Teilen des Straßennetzes, auf denen wegen ihres Ausbauzustands die Benutzung durch solche Fahrzeuge gefährlich sei, oder auch wegen des Vorhandenseins zahlreicher Brücken, deren geringe Tragfähigkeit mit einer Belastungsgrenze von 20 Tonnen und 30 Tonnen von der Kommission außer Acht gelassen worden sei.

75      Die Republik Polen ist außerdem der Ansicht, dass die Möglichkeit, Beschränkungen für einen kleinen Teil der lokalen Straßen einzuführen, die bereits für den Verkehr von Fahrzeugen geeignet seien, deren zulässiges Gewicht pro Einzelachse 11,5 Tonnen betrage, unter Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 96/53 falle, weil kein praktisches Interesse daran bestehe, ihren Verkehr dort zu erlauben, da es sich im Allgemeinen um Straßenabschnitte handele, die nicht an das übrige Straßensystem angebunden seien und den Verkehrsfluss nicht gewährleisten könnten.

76      Die Republik Polen meint ferner, die Kommission könne nicht behaupten, dass 97 % des polnischen Straßennetzes für den Verkehr von Fahrzeugen geschlossen sei, bei denen das Höchstgewicht pro Antriebsachse 11,5 Tonnen betrage, ohne die Merkmale dieses Straßennetzes zu berücksichtigen. Auf den Nationalstraßen, die 5 % der öffentlichen Straßen ausmachten, finde 60 % des Verkehrs statt. Die übrigen 95 % seien lokale Straßen, von denen 88 % Kreis- und Gemeindestraßen seien. Diese würden für den lokalen Bedarf genutzt und ein Drittel der öffentlichen Straßen seien nicht geteert, wie aus den von der Kommission angeführten Statistiken von Eurostat hervorgehe.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

77      Die Kommission ist der Auffassung, dass die Argumentation der Republik Polen, mit der diese im Wesentlichen das Alter und die Ungeeignetheit der maßgeblichen Straßeninfrastruktur anführe, um die vom nationalen Recht vorgegebenen Zugangsbeschränkungen für Fahrzeuge auf der Grundlage von Art. 7 der Richtlinie 96/53 zu rechtfertigen, die die in den Nrn. 3.1 und 3.4 des Anhangs I dieser Richtlinie festgelegten Grenzwerte einhalten, auf einer falschen Auslegung ihres Art. 7 beruhe.

78      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 96/53 gemäß ihrem Art. 7 Abs. 1 der Anwendung der einschlägigen einzelstaatlichen Bestimmungen für die Begrenzung des Gewichts und/oder der Abmessungen der Fahrzeuge auf bestimmten Straßen oder Ingenieurbauten – unabhängig vom Land der Zulassung oder Inbetriebnahme derartiger Fahrzeuge – nicht entgegensteht.

79      Art. 7 Abs. 2 dieser Richtlinie nennt Beispiele, bei denen die in ihrem Art. 7 Abs. 1 vorgesehenen Beschränkungen verhängt werden dürfen. Somit dürfen u. a. auch lokale Beschränkungen hinsichtlich der höchstzulässigen Abmessungen und/oder Gewichte von Fahrzeugen erlassen werden, die in bestimmten Gebieten oder auf bestimmten Straßen mit für lange und schwere Fahrzeuge ungeeigneter Infrastruktur – wie etwa Stadtzentren, kleinen Dörfern oder unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvollen Gebieten – eingesetzt werden dürfen.

80      Da Art. 7 der Richtlinie 96/53 eine Ausnahme vom Grundsatz des freien Verkehrs von Fahrzeugen darstellt, wie er in ihrem Art. 3 Abs. 1 vorgesehen ist, ist er – wie der Generalanwalt in Nr. 79 seiner Schlussanträge betont hat – eng auszulegen.

81      Außerdem ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Generalanwalts in den Nrn. 93 und 94 seiner Schlussanträge zu bemerken, dass die auf die Ungeeignetheit der Straßeninfrastruktur gestützte Rechtfertigung in Art. 7 der Richtlinie 96/53 für Sonderfälle vorgesehen ist, die durch die verschiedenen Beispiele im zweiten Absatz dieses Artikels veranschaulicht werden.

82      Wie sich aber aus Art. 41 Abs. 2 des Gesetzes über die öffentlichen Straßen ergibt, dürfen Fahrzeuge, die die in den Nrn. 3.1 und 3.4 des Anhangs I der Richtlinie 96/53 festgelegten Gewichtsgrenzen einhalten, auf einer polnischen Nationalstraße nur ausnahmsweise unter der Voraussetzung frei verkehren, dass diese Straße in den in dieser Vorschrift des Gesetzes erwähnten Verzeichnissen aufgeführt ist. Fahrzeuge, die die in Nr. 3.4 des Anhangs I der Richtlinie 96/53 festgelegte Gewichtsgrenze einhalten, dürfen auf einer polnischen Regionalstraße ebenfalls nur ausnahmsweise unter der Voraussetzung frei verkehren, dass die betreffende Straße in diesen Verzeichnissen aufgeführt ist, da der Verkehr auf den anderen Straßen, die nicht in diesen Verzeichnissen aufgeführt sind, ausgeschlossen ist.

83      Darüber hinaus sind nach Art. 41 Abs. 3 des Gesetzes über die öffentlichen Straßen auf sämtlichen anderen Regionalstraßen sowie auf den Kreis- und Gemeindestraßen Fahrzeuge, die die in den Nrn. 3.1 und 3.4 des Anhangs I der Richtlinie 96/53 festgelegten Gewichtsgrenzen pro Achse einhalten, den streitigen Verkehrsbeschränkungen unterworfen.

84      Im Übrigen können die auf Art. 41 dieses Gesetzes beruhenden Beschränkungen des Zugangs zu öffentlichen Straßen – wie der Generalanwalt in Nr. 95 seiner Schlussanträge festgestellt hat – durch die Einholung einer besonderen gebührenpflichtigen Genehmigung aufgehoben werden, die lediglich insoweit eingeschränkt ist, dass sie nicht für teilbare Ladungen gilt und zeitlich befristet ist, und folglich, ohne dass der Zustand der betroffenen Straßen berücksichtigt würde.

85      Wie sich zudem aus den Akten ergibt, haben die auf Art. 41 dieses Gesetzes beruhenden Beschränkungen des Zugangs zu öffentlichen Straßen offenbar einen erheblichen Umfang und gelten nicht nur für „bestimmte“ Straßen oder „bestimmte“ Ingenieurbauten, wie Art. 7 der Richtlinie 96/53 verlangt. Ausweislich der Statistiken für das Jahr 2015, die von der Republik Polen im Vorverfahren vorgelegt bzw. von der Kommission mit der Klageschrift eingereicht und von der Republik Polen nicht bestritten worden sind, waren in diesem Jahr weniger als 40 % des aus den Autobahnen und Nationalstraßen bestehenden polnischen Straßennetzes und weniger als 4 % des aus den Autobahnen, Nationalstraßen und wichtigsten Regionalstraßen bestehenden Straßennetzes ohne Beschränkung für den Verkehr von Fahrzeugen mit einem Höchstgewicht von 11,5 Tonnen pro Antriebsachse zugänglich. Im Übrigen waren ausweislich der Angaben der Republik Polen zu der Situation nach dem Inkrafttreten des Rozporządzenie Ministra Infrastruktury i Budownictwa w sprawie wykazu dróg krajowych oraz dróg wojewódzkich, po których mogą poruszać się pojazdy o dopuszczalnym nacisku pojedynczej osi do 10 t, oraz wykazu dróg krajowych, po których mogą poruszać się pojazdy o dopuszczalnym nacisku pojedynczej osi do 8 t (Verordnung des Ministers für Infrastruktur und Bauwesen über das Verzeichnis der National- und Regionalstraßen, auf denen Fahrzeuge mit einem zulässigen Gewicht von 10 Tonnen pro Einzelantriebsachse verkehren dürfen, und das Verzeichnis der Nationalstraßen, auf denen Fahrzeuge mit einem zulässigen Gewicht von 8 Tonnen pro Einzelantriebsachse verkehren dürfen) vom 21. April 2017, also einem Zeitpunkt nach dem für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Zeitpunkt, lediglich 54,2 % der polnischen Nationalstraßen ohne Beschränkung für den Verkehr von Fahrzeugen mit einem Höchstgewicht von 11,5 Tonnen pro Antriebsachse zugänglich.

86      Könnten die Einschränkungen in Bezug auf die Anwendung der in Art. 3 Abs. 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 96/53 aufgestellten Regel, die wegen ihrer Reichweite und ihres allgemeinen Charakters ebenso weitreichende Auswirkungen auf den Grundsatz des freien Verkehrs von Fahrzeugen haben, nach Art. 7 dieser Richtlinie gerechtfertigt werden, so hätte dies zur Folge, dass die Ausnahme nach Art. 7 der Richtlinie die in ihrem Art. 3 vorgesehene Regel verdrängen würde.

87      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen kann die Republik Polen nicht Art. 7 der Richtlinie 96/53 anführen, um unter Berufung auf einen allgemeinen Grund, der im Wesentlichen auf das Alter und die Ungeeignetheit der Straßeninfrastruktur abstellt, Einschränkungen zu rechtfertigen, die in Abhängigkeit von der Straßenart gelten und sich aus dem polnischen Recht ergeben.

88      Folglich können die sich aus dem polnischen Recht ergebenden Beschränkungen des Zugangs zum polnischen Straßennetz, die für Fahrzeuge gelten, die die in den Nrn. 3.1 und 3.4 des Anhangs I der Richtlinie 96/53 festgelegten Grenzwerte pro Achse einhalten, nicht mit Art. 7 der Richtlinie 96/53 gerechtfertigt werden. Somit ist auch in Anbetracht der Erwägungen in Rn. 69 des vorliegenden Urteils festzustellen, dass diese Beschränkungen gegen die Bestimmungen der Art. 3 und 7 dieser Richtlinie in Verbindung mit den Nrn. 3.1 und 3.4 ihres Anhangs I verstoßen.

 Zur Möglichkeit, sich auf die Übergangsbestimmungen in Kapitel 8 Nr. 3 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 zu berufen

–       Vorbringen der Parteien

89      Die Kommission tritt dem auf Kapitel 8 Nr. 3 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 gestützten Vorbringen der Republik Polen mit dem Argument entgegen, dass der zweite Absatz dieser Bestimmung eindeutig verlange, dass andere Straßen, die nicht Teil des transeuropäischen Verkehrsnetzes seien, zum 31. Dezember 2010 an den internationalen Verkehr angepasst sein müssten, ohne dass der weitere Ausbau des nationalen Straßennetzes abzuwarten sei, wie es im Gegensatz dazu während der Übergangszeit zugelassen worden sei.

90      Seit 2004 seien zudem mehrere tausend Kilometer Straßen, die weder Nationalstraßen noch Teil des transeuropäischen Netzes seien, im Rahmen des nationalen Programms für die Instandsetzung von Ortsstraßen ausgebaut worden, wobei ein Großteil von ihnen mit Unionsmitteln finanziert worden seien. Keine dieser lokalen Straßen sei für den Verkehr von Fahrzeugen geöffnet worden, die das Höchstgewicht von 11,5 Tonnen pro Antriebsachse einhielten, ohne dass nach dem Ausbaustand dieser Straßen unterschieden würde. Da der Verkehr jedoch trotzdem unter der Voraussetzung der Einholung einer gebührenpflichtigen Genehmigung möglich sei, sei das Verteidigungsvorbringen, das sich auf den laufenden Ausbau des Straßennetzes stütze, ohne Grundlage.

91      Die Republik Polen macht hilfsweise die Übergangsbestimmungen in Kapitel 8 Nr. 3 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 geltend, die die mit der Umsetzung der Richtlinie 96/53 und der Entscheidung Nr. 1692/96 zusammenhängenden Fragen regelt. Aus dem dritten und vierten Absatz der Nr. 3 des Kapitels 8 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 gehe hervor, dass ihr keine Frist gesetzt worden sei, um die Straßen, die nicht Teil des transeuropäischen Verkehrsnetzes seien, an den Höchstwert für die Tragfähigkeit anzupassen.

92      Die Republik Polen weist zum einen darauf hin, dass die schrittweise Öffnung des Straßennetzes gemäß dem vierten Absatz der Nr. 3 des Kapitels 8 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 im Zuge des Ausbaus dieses Netzes erfolgen müsse. Sie teilt nicht die Ansicht der Kommission, wonach diese Auslegung zu den Bestimmungen des zweiten Satzes im vierten Absatz der Nr. 3 des Kapitels 8 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 im Widerspruch stehe, der während der gesamten Übergangszeit die Benutzung der nicht ausgebauten Teile des Nebenstraßennetzes für die Zwecke des Be- und Entladens erlaube, und begründet dies damit, dass es sich um eine Ausnahme von einem Grundsatz handele.

93      Zum anderen tritt die Republik Polen dem Vorbringen der Kommission entgegen, dass ihre Auslegung der Übergangsbestimmungen darauf hinausliefe, hinzunehmen, dass die der Richtlinie 96/53 entsprechende Öffnung des polnischen Straßennetzes erst nach mehreren Jahrzehnten stattfände. Sie macht geltend, dass die Ausbaumaßnahmen die geteerten Straßen betreffen müssten und infolge der bereits umgesetzten Maßnahmen 54,2 % der Nationalstraßen für den Verkehr der in Rede stehenden Fahrzeuge geöffnet seien.

94      Die Republik Polen weist zunächst darauf hin, dass ungefähr 91 % ihrer öffentlichen Straßen vor ihrem Beitritt zur Union gebaut worden seien, als auf Nationalstraßen nur Fahrzeuge mit einem Höchstgewicht von 10 Tonnen pro Einzelachse und auf anderen Straßen nur solche mit einem Höchstgewicht von 8 Tonnen pro Einzelachse zugelassen gewesen seien, und dass die polnischen Rechtsvorschriften anschließend geändert worden seien, um die sich aus dem Unionsrecht ergebenden Verpflichtungen einzuhalten.

95      Sodann weist die Republik Polen auf die Merkmale ihres Straßennetzes hin, wie sie in Rn. 76 des vorliegenden Urteils zusammenfassend dargestellt sind.

96      Schließlich führt die Republik Polen die beständigen Anstrengungen an, die sie seit ihrem Beitritt unternommen habe, um neue Nationalstraßen zu eröffnen, wobei die Bedürfnisse des grenzüberschreitenden Verkehrs sowie der Umwelt berücksichtigt worden seien, und verweist auf die langfristige erhebliche finanzielle Belastung, die mit der außerordentlichen Anpassung des gesamten Straßennetzes eines Mitgliedstaats an den Verkehr von Fahrzeugen mit einem Höchstgewicht von 11,5 Tonnen pro Antriebsachse verbunden sei.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

97      Mit ihrem Vorbringen beruft sich die Republik Polen zur Rechtfertigung der vom nationalen Recht vorgegebenen Einschränkungen des Zugangs von Fahrzeugen, die die in den Nrn. 3.1 und 3.4 des Anhangs I der Richtlinie 96/53 festgelegten Grenzwerte einhalten, auf die Übergangsbestimmungen in Kapitel 8 Nr. 3 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003, die es ihr ermöglichten, Straßen, die nicht Teil des transeuropäischen Verkehrsnetzes seien, für den grenzüberschreitenden Verkehr schrittweise mit dem Fortgang ihres Ausbaus zu öffnen, ohne hierfür irgendeine Frist festzusetzen.

98      Es ist daran zu erinnern, dass der zweite Absatz der Nr. 3 des Kapitels 8 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 als Ausnahme von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/53 vorsieht, dass Fahrzeuge, die den in Nr. 3.4 dieser Richtlinie genannten Grenzwerten entsprechen, den nicht ausgebauten Teil des polnischen Straßennetzes nur dann befahren dürfen, wenn ihre Einzelachslast den polnischen Grenzwerten entspricht, und als Endzeitpunkt für diese Ausnahme den 31. Dezember 2010 festgelegt hat, einen Zeitpunkt, der mehr als vier Jahre vor dem Ende der Frist liegt, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgelegt worden ist.

99      Beim Ausbau ihres Hauptstraßennetzes musste die Republik Polen, wie sich aus dem dritten Absatz der Nr. 3 des Kapitels 8 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 ergibt, einen Zeitplan einhalten, der in acht Übersichten festgelegt ist, die den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis 1. Januar 2011 umfassen.

100    Für die Straßen, die nicht zum polnischen Hauptstraßennetz gehören, legt der vierte Absatz der Nr. 3 des Kapitels 8 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 keinen vergleichbaren Zeitplan fest, sieht aber in seinem ersten Satz vor, dass im Zuge des Ausbaus eine schrittweise Öffnung des polnischen Straßennetzes, einschließlich des Netzes gemäß Anhang I der Entscheidung Nr. 1692/96, für im internationalen Verkehr eingesetzte Fahrzeuge erfolgt, die den Grenzwerten der Richtlinie 96/53 entsprechen. Im zweiten Satz des vierten Absatzes der Nr. 3 des Kapitels 8 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 ist vorgesehen, dass die Benutzung der nicht ausgebauten Teile des Nebenstraßennetzes während der gesamten Übergangszeit für die Zwecke des Be- und Entladens erlaubt ist, soweit dies technisch möglich ist.

101    Aus einer Gesamtbetrachtung des zweiten und des vierten Absatzes der Nr. 3 des Kapitels 8 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 ergibt sich, dass die Republik Polen den Ausbau des polnischen Straßennetzes nur während der Übergangszeit und mit bestimmten Einschränkungen als Rechtfertigung dafür anführen kann, dass sie den Zugang von Fahrzeugen, die die in Nr. 3.4 des Anhangs I der Richtlinie 96/53 festgelegten Grenzwerte einhalten, zu ihrem Straßennetz auf der Grundlage von den durch das nationale Recht festgelegten Achslastgrenzen beschränkt.

102    Die Formulierung „im Zuge dieses Ausbaus“ im vierten Absatz der Nr. 3 des Kapitels 8 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 darf nämlich nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss als Festlegung der Umstände verstanden werden, unter denen die im zweiten Absatz der Nr. 3 des Kapitels 8 des Anhangs XII dieser Beitrittsakte vorgesehene Ausnahme von der Bestimmung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/53 nicht mehr gilt. Folglich kann der vierte Absatz der Nr. 3 des Kapitels 8 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 nicht dahin ausgelegt werden, dass er über den im zweiten Absatz der Nr. 3 des Kapitels 8 des Anhangs XII dieser Beitrittsakte festgelegten Endzeitpunkt für die Ausnahme, also den 31. Dezember 2010, hinaus anwendbar ist.

103    Diese Auslegung der Nr. 3 des Kapitels 8 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 wird durch den Kontext, in den sich diese Bestimmung einfügt, bestätigt. Aus den Art. 2 und 10 dieser Beitrittsakte ergibt sich nämlich, dass diese auf dem Grundsatz der sofortigen vollständigen Geltung der Vorschriften des Unionsrechts für die neuen Mitgliedstaaten beruht und die durch die Übergangsvorschriften vorgesehenen Abweichungen nur übergangsweise zulässig sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2010, Kommission/Polen, C‑385/08, nicht veröffentlicht, EU:C:2010:801, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich kann die im dritten Absatz der Nr. 3 des Kapitels 8 des Anhangs XII dieser Beitrittsakte vorgesehene Ausnahmeregelung weitergelten, weil es keine ausdrückliche Vorschrift gibt, die dies anordnet.

104    Diese Auslegung wird auch durch den Zweck der Nr. 3 des Kapitels 8 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 bestätigt, die – wie der Generalanwalt in Nr. 92 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – den Zeitraum vom Beitritt der Republik Polen zur Union bis zum 31. Dezember 2010 so gestalten sollte, dass der in der Richtlinie 96/53 festgelegte Grundsatz nach diesem Zeitraum eingehalten werden kann. Dieser Zweck rechtfertigte im Übrigen den Einsatz von EU-Mitteln zu seiner Verwirklichung.

105    Nach alledem ist das Vorbringen der Republik Polen, das sich auf die in Nr. 3 des Kapitels 8 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 vorgesehenen Übergangsbestimmungen stützt, zurückzuweisen.

106    In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen, insbesondere der Rn. 69 und 88 des vorliegenden Urteils, ist dem ersten Teil der Rüge der Kommission, mit dem die Beschränkung des grenzüberschreitenden Verkehrs auf die zum transeuropäischen Verkehrsnetz gehörenden Straßen beanstandet wird, stattzugeben.

 Zum Erfordernis einer besonderen Genehmigung für das Befahren anderer Straßen

 Vorbringen der Parteien

107    Nach Ansicht der Kommission verstößt die Regelung, wonach Verkehr verboten ist, sofern keine Genehmigung erteilt worden ist, gegen die Richtlinie 96/53, da sie den freien Verkehr von Fahrzeugen einschränkt und behindert.

108    Nach der restriktiven Regelung, die für Regional‑, Kreis- und Gemeindestraßen gelte, müssten gemäß Art. 64 Abs. 1 und 3 des Gesetzes über den Straßenverkehr bei einer zusammenhängenden Fahrt für jede einzelne dieser Straßen Genehmigungen bei verschiedenen Behörden beantragt werden. In Ermangelung einer einzigen Anlaufstelle und wegen der Zeitspanne, die die Erteilung der erforderlichen Genehmigung in Anspruch nehme, sowie der festgelegten Gebühren sei das geschaffene System kostspielig und zeitaufwendig und könne zu einer mittelbaren Diskriminierung nicht gebietsansässiger Transportunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten als der Republik Polen führen. Nach Art. 64 Abs. 2 des Gesetzes über den Straßenverkehr könnten Genehmigungen der Kategorie IV, die Fahrzeugen mit einem Gewicht von 11,5 Tonnen pro Antriebsachse den Verkehr auf Nationalstraßen ermöglichten, nicht für die Beförderung teilbarer Ladungen verwendet werden, obwohl diese den überwiegenden Teil der auf der Straße beförderten Ladungen darstellten. Somit werde die Arbeit der Transportunternehmen durch die Pflicht, eine größere Zahl von Lastwagen zu nutzen, verkompliziert. Außerdem handele es sich um eine schwerwiegende Einschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs auf der Straße.

109    Das Vorbringen der Republik Polen, dass dieses Genehmigungssystem nicht gegen die Richtlinie 96/53 verstoße, da es ohne Einschränkungen oder Diskriminierungen und wohlwollend angewandt werde, gehe nicht nur wegen des in dieser Richtlinie aufgestellten Grundsatzes des freien Verkehrs ins Leere, sondern zeige auch, dass der Schutz der Straßeninfrastruktur und die Kontrolle des Verkehrsaufkommens das vom polnischen Gesetzgeber eingeführte System nicht rechtfertigen könnten.

110    Die von der Republik Polen vorgetragene Tatsache, dass die streitigen Genehmigungen allen Transportunternehmen diskriminierungsfrei erteilt würden, ändere nichts daran, dass diese Genehmigungen einschränkend seien und gegen die Vorschriften der Richtlinie 96/53 verstießen.

111    Die Republik Polen könne nicht behaupten, dass die Transportunternehmen durch die Verpflichtung, eine Genehmigung zu erlangen, veranlasst werden sollten, auf Parallelstrecken zu fahren, die für den Lkw-Verkehr besser geeignet seien, denn diese Rechtfertigung stünde im Widerspruch zu Art. 3 der Richtlinie 96/53.

112    Die Kommission führt ferner als Beispiel an, dass dieses Ziel bei der Nationalstraße DK 92 zwischen Berlin (Deutschland) und Warschau (Polen) auf andere Weise erreicht werde, nämlich durch die Erhebung einer Gebühr für Lastkraftwagen, was im Gegensatz zum Genehmigungssystem eine angemessene Art der Verkehrssteuerung sei. Zudem gebe es bei bestimmten Straßen keine andere Wahl, als eine Genehmigung zu beantragen, um die Be- oder Entladestellen zu erreichen.

113    Die Republik Polen hat zu den Argumenten der Kommission, die sich auf das Erfordernis einer besonderen Genehmigung für das Befahren von Straßen beziehen, die nicht Teil des transeuropäischen Verkehrsnetzes oder bestimmte andere Nationalstraßen seien, Stellung genommen.

114    Ausgehend von dem Grundsatz, dass die Einschränkung der Nutzung des Straßennetzes nicht gegen Art. 3 der Richtlinie 96/53 verstoße, weist die Republik Polen darauf hin, dass gerade durch die finanzielle Beteiligung an der in den Art. 64 ff. des Gesetzes über den Straßenverkehr vorgesehenen Instandhaltung von Straßen, die durch Schwerfahrzeuge geschädigt worden seien, langfristig sichergestellt werde, dass Fahrzeuge, deren Achslast nicht an die technischen Möglichkeiten der betreffenden Straßen angepasst seien, frei verkehren könnten.

115    Die Kommission habe das streitige Genehmigungssystem teilweise falsch dargestellt. Genehmigungen der Kategorie I würden durch den Straßennetzbetreiber und Genehmigungen der Kategorie IV für die betreffenden Nationalstraßen durch den für Nationalstraßen und Autobahnen zuständigen Generaldirektor erteilt. Genehmigungen der Kategorie I würden dem Transportunternehmen antragsgemäß für die Dauer von einem, sechs oder zwölf Monaten ohne Benennung der konkreten Fahrzeuge erteilt. Jede Genehmigung werde innerhalb einer Frist von höchstens sieben Werktagen ab Antragstellung erteilt. Die gleichen Regeln gälten auch für Genehmigungen der Kategorie IV, die allerdings auch für die Dauer von 24 Monaten erteilt werden könnten, und zwar innerhalb einer Frist von höchstens drei Werktagen ab Antragstellung.

116    Um den Betroffenen Rechtssicherheit zu gewährleisten, sei der Höchstbetrag der Gebühr nach Art. 64f Abs. 1 des Gesetzes über den Straßenverkehr für Genehmigungen der Kategorie I auf 240 polnische Zloty (PLN) (ca. 55 Euro) festgelegt worden, während er für Genehmigungen der Kategorie IV bei 3 600 PLN (ca. 850 Euro) liege. Allerdings hänge die tatsächliche Höhe der Gebühr, die durch die Verordnung des Ministers für Verkehr, Bauwesen und Meereswirtschaft über den Betrag der Gebühr für die Genehmigung von nicht normgerechten Fahrzeugen im Verkehr festgelegt sei, von der Gültigkeitsdauer der jeweiligen Genehmigung ab. Nach diesem seit 2012 unveränderten Tarif koste die günstigste Genehmigung der Kategorie I mit einer Gültigkeitsdauer von zwölf Monaten 200 PLN (ca. 47 Euro), während eine Genehmigung der Kategorie IV mit einer Gültigkeitsdauer von zwölf Monaten 2 000 PLN (ca. 470 Euro) und mit einer Gültigkeitsdauer von 24 Monaten 3 000 PLN (ca. 705 Euro) koste.

117    Die Republik Polen trägt hierzu in ihrer Klagebeantwortung vor, sie teile nicht die Auffassung der Kommission, wonach dieses System kostspielig und zeitaufwendig sei, denn es sei transparent und erleichtere Fahrten der Transportunternehmen im gesamten Netz. Sie weist auch das Vorbringen der Kommission zurück, wonach bei fehlender Genehmigung ein Verkehrsverbot bestehe, da es möglich sei, die Strecke zu wählen, über die der grenzüberschreitende Verkehr laufe.

118    In ihrer Gegenerwiderung macht die Republik Polen geltend, dass die Klagegründe, mit denen die Kommission in ihrer Erwiderung eine mittelbare Diskriminierung von Transportunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten und eine Einschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs auf der Straße rügt, als neue Klagegründe unzulässig seien. Jedenfalls seien diese Klagegründe nicht begründet, denn die Genehmigungsanträge könnten ohne Schwierigkeiten über eine Internetseite erlangt werden, die Genehmigungen würden für einen bestimmten Zeitraum unabhängig von der Zahl der Beförderungsvorgänge erteilt und die Kosten für sie seien gemessen an den Bedürfnissen der Transportunternehmen niedrig. Dieses transparente und praktische System entspreche den Erwartungen der Transportunternehmen und sei, bevor die Beschwerden bei der Kommission eingereicht worden seien, nicht beanstandet worden.

 Würdigung durch den Gerichtshof

119    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Gegenstand einer Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV durch die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission festgelegt wird, so dass die Klage auf die gleichen Gründe und das gleiche Vorbringen gestützt sein muss wie diese Stellungnahme (Urteil vom 10. November 2011, Kommission/Portugal, C‑212/09, EU:C:2011:717, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung), und dass nach Art. 127 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs das Vorbringen neuer Klagegründe im Verfahren unzulässig ist, sofern sie nicht auf rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

120    Im vorliegenden Fall hat die Kommission erstmals in der Erwiderung eine mittelbare Diskriminierung von nicht gebietsansässigen Transportunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten als der Republik Polen sowie eine Einschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs auf der Straße beanstandet. Unter diesen Umständen ist dieses Vorbringen unzulässig.

121    Fahrzeuge, die die in den Nrn. 3.1 und 3.4 des Anhangs I der Richtlinie 96/53 festgelegten Gewichtsgrenzen pro Achse einhalten, werden als „nicht normgerecht“ im Sinne von Art. 2 Nr. 35a des Gesetzes über den Straßenverkehr angesehen, wenn die Achslast mit oder ohne Ladung höher ist als das zulässige Gewicht, das für eine bestimmte Straße durch die polnische Regelung für öffentliche Straßen festgelegt ist. Der Verkehr von Fahrzeugen auf den betreffenden Straßen hängt nach Art. 64 Abs. 1 dieses Gesetzes vom Erhalt einer besonderen gebührenpflichtigen Genehmigung ab, die von der zuständigen Behörde erteilt wird. Allerdings ist aufgrund von Art. 64 Abs. 2 dieses Gesetzes die Beförderung einer teilbaren Ladung durch ein „nicht normgerechtes“ Fahrzeug grundsätzlich verboten.

122    Infolgedessen dürfen auf öffentlichen Straßen, auf denen Achslastbegrenzungen nach der polnischen Regelung gelten, Fahrzeuge, die den Gewichtsgrenzen entsprechen, die in den Nrn. 3.1 und 3.4 des Anhangs I der Richtlinie 96/53 festgelegt sind, nur mit einer besonderen Genehmigung fahren.

123    Da der Zugang dieser Fahrzeuge zu den öffentlichen Straßen, auf denen Achslastgrenzen nach der polnischen Regelung gelten, vom Erhalt einer solchen Genehmigung abhängt und diese Achslastgrenzen, wie sich aus den Rn. 69 und 88 des vorliegenden Urteils ergibt, gegen die Art. 3 und 7 der Richtlinie 96/53 in Verbindung mit den Nrn. 3.1 und 3.4 ihres Anhangs I verstoßen, ist dieses Genehmigungssystem ebenfalls als Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Richtlinie anzusehen, ohne dass es erforderlich ist, über das Vorbringen der Parteien zu den konkreten Modalitäten, unter denen solche Genehmigungen erlangt werden, zu entscheiden.

124    Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 3 und 7 der Richtlinie 96/53 in Verbindung mit den Nrn. 3.1 und 3.4 ihres Anhangs I verstoßen hat, dass sie von Transportunternehmen den Besitz spezieller Genehmigungen für die Benutzung bestimmter öffentlicher Straßen verlangt.

 Kosten

125    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Republik Polen beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind dieser die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Republik Polen hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 3 und 7 der Richtlinie 96/53/EG des Rates vom 25. Juli 1996 zur Festlegung der höchstzulässigen Abmessungen für bestimmte Straßenfahrzeuge im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr in der Gemeinschaft sowie zur Festlegung der höchstzulässigen Gewichte im grenzüberschreitenden Verkehr in der durch die Richtlinie (EU) 2015/719 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2015 geänderten Fassung in Verbindung mit den Nrn. 3.1 und 3.4 des Anhangs I dieser Richtlinie 96/53 verstoßen, dass sie von Transportunternehmen den Besitz spezieller Genehmigungen für die Benutzung bestimmter öffentlicher Straßen verlangt.

2.      Die Republik Polen trägt die Kosten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Polnisch.