URTEIL DES GERICHTS (Fünfte erweiterte Kammer)
18. Dezember 1997 (1)
„Nichtigkeitsklage Dumping Aspartam Rechte der Verteidigung
Normalwert Referenzland Patent Schädigung“
In den verbundenen Rechtssachen T-159/94 und T-160/94
Ajinomoto Co., Inc., Gesellschaft japanischen Rechts mit Sitz in Tokio,
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Mario Siragusa, Rom, und Till Müller-Ibold,
Frankfurt am Main, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Marc Loesch,
11, rue Goethe, Luxemburg,
Klägerin in der Rechtssache T-159/94,
The NutraSweet Company, Gesellschaft nach dem Recht des Staates Illinois mit
Sitz in Deerfield (Illinois, Vereinigte Staaten von Amerika), Prozeßbevollmächtigte:
zunächst Rechtsanwälte Otto Grolig, Peter Bogaert und Koen Vanhaerents, sodann
Rechtsanwälte Otto Grolig, Jean-François Bellis und Fabrizio Di Gianni, Brüssel,
Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Jacques Loesch, 11, rue Goethe,
Luxemburg,
Klägerin in der Rechtssache T-160/94,
gegen
Rat der Europäischen Union, vertreten durch Rechtsberater Erik Stein und
Guus Houttuin, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Beistand: Rechtsanwälte
Hans-Jürgen Rabe und Georg. M. Berrisch, Hamburg und Brüssel,
Zustellungsbevollmächtigter: Alessandro Morbilli, Generaldirektor der Direktion
für Rechtsfragen der Europäischen Investitionsbank, 100, boulevard
Konrad Adenauer, Luxemburg,
unterstützt durch
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Eric L. White und
Nicholas Khan, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Beistand: zunächst
Mark Cran, QC of Gray's Inn, sodann Barrister Fergus Randolph,
Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre
Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
wegen Nichtigerklärung der Verordnung (EWG) Nr. 1391/91 des Rates vom 27.
Mai 1991 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von
Aspartam mit Ursprung in Japan und den Vereinigten Staaten von Amerika (ABl.
L 134, S. 1)
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten R. García-Valdecasas sowie der Richterin V. Tiili
und der Richter J. Azizi, R. M. Moura Ramos und M. Jaeger,
Kanzler: A. Mair, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17.
April 1997,
folgendes
Urteil
Sachverhalt und Verfahren
Das Erzeugnis
- 1.
- Der Zuckerersatzstoff Aspartam ist ein Süßstoff, der vorwiegend in Lebensmitteln,
aber auch im Haushalt zum Süßen von Tee oder Kaffee verwendet wird. Diese
Verbindung von zwei Aminosäuren wurde 1965 von einem Forscher der
amerikanischen Gesellschaft G. D. Searle & Co. entdeckt, die später in
The NutraSweet Company umfirmierte (nachstehend: NSC). Nach dieser
Entdeckung erhielt NSC für Aspartam Patente in den Vereinigten Staaten und in
einigen Mitgliedstaaten. In Deutschland genoß sie Patentschutz bis 1986, im
Vereinigten Königreich bis 1987 und in anderen Staaten der Gemeinschaft bis 1988.
Marktbeteiligte und Markt
- 2.
- Im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1989 war die Klägerin NSC die
einzige Herstellerin von Aspartam in den Vereinigten Staaten. Sie stellte Aspartam
auch zur Ausfuhr in die Gemeinschaft her. Mit Ausnahme einiger Direktverkäufe
durch NSC an bestimmte unabhängige Kunden in der Gemeinschaft oder in den
Vereinigten Staaten zwecks Ausfuhr in die Gemeinschaft wurde Aspartam von NSC
über eine gemeinsame Tochtergesellschaft von NSC und der Klägerin Ajinomoto
(nachstehend: Ajico), die schweizerische Gesellschaft NutraSweet AG
(nachstehend: NSAG), vertrieben, die 1983 zur Befriedigung der
Aspartamnachfrage in Europa gegründet worden war.
- 3.
- Ajico war der einzige Erzeuger von Aspartam in Japan. Sie vertrieb ihr Aspartam
auf dem Binnenmarkt unter der Marke „Pal“ und in der Gemeinschaft unter der
Marke „NutraSweet“.
- 4.
- Der einzige Erzeuger in der Gemeinschaft war die Holland Sweetener Company
V.o.f. (nachstehend: Gemeinschaftserzeuger oder HSC), eine gemeinsame
Tochtergesellschaft niederländischen Rechts der DSM Aspartaam BV, ihrerseits
100%ige Tochtergesellschaft des niederländischen Chemieunternehmens DSM
Chemicals BV, und der Toyo Soda Nederland BV, einer 100%igen
Tochtergesellschaft des japanischen Chemieunternehmens Tosoh Corporation.
Verwaltungsverfahren
- 5.
- Im Dezember 1989 erhob HSC eine erste Beschwerde wegen Dumpingpraktiken.
Diese Beschwerde wurde von der Kommission als unzureichend zurückgewiesen.
- 6.
- Aufgrund eines neuen Antrags, den HSC am 2. Februar 1990 eingereicht hatte,
veröffentlichte die Kommission nach Maßgabe der seinerzeit anwendbaren
Verordnung (EWG) Nr. 2423/88 des Rates vom 11. Juli 1988 über den Schutz
gegen gedumpte oder subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen
Gemeinschaft für Kohle und Stahl gehörenden Ländern (ABl. L 209, S. 1;
nachstehend: Grundverordnung) am 3. März 1990 eine Bekanntmachung über die
Einleitung eines Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren von Aspartam
mit Ursprung in Japan und den Vereinigten Staaten von Amerika (ABl. C 52,
S. 12).
- 7.
- Die Klägerinnen erhielten eine Abschrift der Mitteilung über die Eröffnung dieses
Verfahrens sowie eine nichtvertrauliche Fassung der Beschwerde von HSC. Diese
nichtvertrauliche Fassung enthielt Zahlenangaben zu den von den amerikanischen
und japanischen Exporteuren auf ihren jeweiligen Binnenmärkten angewandten
Preisen, zum Exportpreis, zur Dumpingspanne und zum Schaden.
- 8.
- Am 17. April 1990 übermittelten die Klägerinnen ihre Antwort auf den Fragebogen
der Kommission unter Hinweis auf deren Vertraulichkeit und beantragten gemäß
Artikel 7 Absatz 5 der Grundverordnung ihre Anhörung. Die Klägerin NSC
beantragte ferner gemäß Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a der Grundverordnung
Einsicht in alle der Kommission zur Verfügung gestellten Unterlagen, insbesondere
in die schriftlichen Äußerungen von HSC oder einer anderen Partei. Sie beantragte
außerdem gemäß Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe b der Grundverordnung, über die
wesentlichen Tatsachen und Überlegungen unterrichtet zu werden, aufgrund deren
die Kommission gegebenenfalls die Erhebung vorläufiger Zölle zu beschließen
gedenke.
- 9.
- Am 25. April 1990 reichten NSC und NSAG bei der Kommission Stellungnahmen
ein. Ajico schloß sich in einem Schreiben an die Kommission der Stellungnahme
von NSAG an. In deren Anhang befand sich eine Untersuchung des
Beratungsunternehmens McKinsey & Company, Inc. (nachstehend: McKinsey) vom
24. April 1990, die u. a. eine Schätzung der Produktionskostenstruktur von HSC
enthielt. Beigefügt war außerdem eine Untersuchung des Büros Landell Mills
Commodities Studies vom April 1990, die im wesentlichen den Merkmalen
bestimmter Süßstoffe, dem Wettbewerb unter Süßstoffen, insbesondere zwischen
Aspartam und anderen Süßstoffen, sowie der Entwicklung der Süßstoffindustrie
galt.
- 10.
- Beamte der Kommission führten am 6. und 7. Juli 1990 Untersuchungen im Betrieb
von Ajico in Japan und am 9. und 10. Juli 1990 bei NSC in den Vereinigten Staaten
durch.
- 11.
- Zu einem nicht feststehenden Zeitpunkt, aber vor Einführung vorläufiger Zölle,
erhielten die Klägerinnen eine nichtvertrauliche Fassung der Antworten der
Beschwerdeführerin auf den Fragebogen der Kommission.
- 12.
- Auf ein Schreiben der Kommission vom 30. August 1990 wies der Anwalt von NSC
mit Schreiben vom 11. September 1990 im Namen seiner Mandantin, von Ajico und
der Tochtergesellschaft NSAG darauf hin, daß alle Angaben in der vertraulichen
Fassung der Beantwortung des Fragebogens, in den Stellungnahmen und den
Anhängen, nicht aber die in den nichtvertraulichen Fassungen streng vertraulich
seien. Zu den Preisangaben hieß es in dem Schreiben, daß nur die Preissenkungen
im Lauf der Jahre und die Höhe der Preisunterbietungen weitergegeben werden
dürften, falls sie in Prozent der gewogenen Durchschnittspreise in der Gemeinschaft
insgesamt angegeben würden. In dem Schreiben hieß es außerdem, daß die
Angaben zu den Verkaufsmengen in der Gemeinschaft (sowohl die Gesamtmengen
als auch die Mengen von NSC, NSAG und Ajico) vertraulich seien.
- 13.
- Durch die Verordnung (EWG) Nr. 3421/90 vom 26. November 1990 zur
Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Aspartam mit
Ursprung in Japan und den Vereinigten Staaten von Amerika (ABl. L 330, S. 16;
nachstehend: Verordnung der Kommission) führte die Kommission einen
vorläufigen Antidumpingzoll von 29,95 ECU je Kilogramm für Einfuhren von
Aspartam aus Japan und von 27,55 ECU je Kilogramm für Einfuhren aus den
Vereinigten Staaten von Amerika ein.
- 14.
- Mit Schreiben vom 14. Dezember 1990 ersuchte NSC die Kommission im Hinblick
auf eine bessere Strukturierung der Verhandlungen über eine Preisverpflichtung um
Angaben zu folgenden Punkten und Fragen:
a) der bei der Kostenberechnung für die Berechnung des Preises verwendete
Grad der Kapazitätsausnutzung;
b) ob der Referenzpreis die Produktionskosten des Gemeinschaftserzeugers bei
gesteigerter Kapazitätsauslastung, z. B. bei einer Produktion von
1 000 Tonnen, berücksichtige;
c) ob der Referenzpreis einen für Großkunden geringeren Prozentsatz der
Verkaufskosten, der Gemeinkosten und der Verwaltungsausgaben enthalte
und ob die effektiven Gemeinkosten auf den effektiven Umsatz umgelegt
würden;
d) die von der Kommission zugrunde gelegte Abschreibungszeit für Anlagen
des Gemeinschaftserzeugers;
e) ob gezahlte Zinsen berücksichtigt worden seien und, falls ja, wie man sie
berechnet habe;
f) der von der Kommission zugrunde gelegte Zeitraum, in dem der
Gemeinschaftserzeuger die Rentabilitätsschwelle erreiche;
g) ob die vom Gemeinschaftserzeuger erhaltenen Subventionen berücksichtigt
und ob diese mit dem EG-Vertrag vereinbar seien;
h) der Prozentsatz der beim Referenzpreis berücksichtigten Gemeinkosten, die
an die verbundene Gesellschaft DSM gezahlt worden seien;
i) ob die Kommission berücksichtigt habe, daß der Gemeinschaftserzeuger von
den Bemühungen von NSAG um die Entwicklung des Marktes habe
profitieren können.
- 15.
- Am 18. Dezember 1990 antwortete die Kommission zu jedem dieser Punkte im
einzelnen:
a) Der bei der Berechnung des Preises verwendete Grad der
Kapazitätsausnutzung sei die Vollauslastung;
b) die angekündigte Erhöhung der Kapazität des Gemeinschaftserzeugers sei
nicht berücksichtigt worden, und diese Entwicklung sei der Kommission
nicht bekannt;
c) zugrundegelegte Verkaufskosten, Gemeinkosten und Verwaltungsausgaben
berücksichtigten nicht die Größe der Kunden, auf die sie sich bezögen;
d) die Anlage des Gemeinschaftserzeugers werde auf zehn Jahre
abgeschrieben;
e) der Referenzpreis berücksichtige tatsächlich gezahlte Zinsen;
f) der Zeitraum für die Erreichung der Rentabilitätsschwelle sei unmittelbar
von den angewandten Preisen und den hergestellten Mengen abhängig, die
Preise seien gesunken, und HSC habe keine volle Auslastung ihrer
Kapazitäten erreicht;
g) die dem Gemeinschaftserzeuger gezahlten Subventionen seien bei der
Ermittlung des Referenzpreises berücksichtigt worden;
h) HSC habe sich an den Gemeinkosten von DSM beteiligt, und es liege nicht
im Interesse des anderen Anteilseigners von HSC, diese Kosten künstlich
aufzublähen;
i) diese Frage bedürfe der Klärung.
- 16.
- Mit Schreiben vom 28. Dezember 1990 ersuchten die Klägerinnen die Kommission,
sie über die wesentlichen Tatsachen und Überlegungen aufzuklären, die der
Verordnung der Kommission als Grundlage gedient hätten, sowie sie gegebenenfalls
über die wesentlichen Tatsachen und Überlegungen zu unterrichten, aufgrund
deren die Kommission gegebenenfalls die Erhebung endgültiger Zölle zu empfehlen
gedenke. Insbesondere ersuchten sie um Angaben über die Berechnung des
Normalwerts, des Ausfuhrpreises, der Berichtigungen und der Dumpingspanne,
über den Wert der Einfuhren, die bei der Feststellung des Volumens des
Gemeinsamen Marktes berücksichtigt worden seien, über die bei der Ermittlung
des Preisrückgangs und der Preisunterbietungen zugrunde gelegten Preise und über
den Schaden. Sie ersuchten die Kommission ebenfalls um Klarstellung der im
einzelnen nicht genannten Punkte des Schreibens von NSC vom 14. Dezember
1990, die ihrer Ansicht nach eine eingehendere Beantwortung hätten erfahren
müssen.
- 17.
- Mit Schreiben vom 6. und 30. Dezember 1990 äußerten sie sich schriftlich zur
Verordnung der Kommission.
- 18.
- In ihrer Äußerung vom 30. Dezember 1990 sowie in einem Schreiben vom 14.
Januar 1991 wiederholte NSC ihren Antrag auf Einsichtnahme in die der
Kommission von der Beschwerdeführerin insbesondere mit ihrer schriftlichen
Äußerung zur Verordnung der Kommission übermittelten Unterlagen.
- 19.
- Am 16. Januar 1991 antwortete die Kommission, die nichtvertrauliche Akte sei
allen interessierten Parteien von Beginn des Verfahrens an zur Verfügung gestellt
worden.
- 20.
- Am 18. Januar 1991 nahm NSC Einsicht in die nichtvertrauliche Akte und erhielt
Zugang zu einer nichtvertraulichen Fassung der Äußerung des
Gemeinschaftsherstellers zur Verordnung der Kommission.
- 21.
- Am 1. Februar 1991 beschwerte sich NSC, erst am 24. Januar 1991 Zugang zu der
am 13. Dezember 1989 erstellten nichtvertraulichen Zusammenfassung des Antrags
von HSC auf Erlaß von Schutzmaßnahmen, zu der am 9. April 1990 erstellten
nichtvertraulichen Zusammenfassung der Äußerungen von HSC und zu der am 28.
August 1990 erstellten nichtvertraulichen Zusammenfassung eines Schreibens von
HSC erhalten zu haben.
- 22.
- Mit Fernschreiben vom 4. Februar 1991 antwortete die Kommission, daß sie ein
Verfahren auf der Grundlage einer der Klägerin zu Beginn dieses Verfahrens
übermittelten Beschwerde eingeleitet habe, und verwies bezüglich ihrer
Feststellungen auf ihre Verordnung zur Einführung vorläufiger Zölle.
- 23.
- Am 5. Februar 1991 trafen sich die Vertreter von NSC und die Dienststellen der
Kommission, um die Verordnung der Kommission zu erörtern.
- 24.
- Am 7. Februar 1991 boten die Klägerinnen Verpflichtungen an.
- 25.
- Am 22. März 1991 übermittelte die Kommission den Klägerinnen ihr
Schlußschreiben („disclosure letter“), in dem sie die Gründe dafür darlegte, daß sie
die Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls vorzuschlagen beabsichtige.
- 26.
- Dieses Schreiben enthielt die gleichen Angaben wie die Verordnung der
Kommission. Anders als diese enthielt es jedoch Zahlen bezüglich der Berechnung
der Dumpingspanne und der von NSAG bei ihren Verkäufen in der Gemeinschaft
erlittenen Verluste sowie eine Auflistung der bei der Berechnung des
Referenzpreises zugrunde gelegten Produktionskosten in zehn Positionen. Jede
Position war in Prozenten der Gesamtkosten mit einer Marge von 10 %
wiedergegeben.
- 27.
- Das Schreiben enthielt außerdem den Hinweis, daß die Kommission den
Normalpreis des japanischen Aspartam auf der Grundlage der auf dem Markt der
Vereinigten Staaten praktizierten Preise nicht deshalb ermittelt habe, weil Ajico
sich nicht kooperationsbereit gezeigt habe, sondern weil die Voraussetzungen des
Artikels 2 Absatz 6 der Grundverordnung für eine Heranziehung der Preise des
japanischen Marktes nicht erfüllt gewesen seien.
- 28.
- Schließlich enthielt das Schlußschreiben
eine Klarstellung bezüglich des Verlustes an Arbeitsplätzen bei Einstellung
der Gemeinschaftsproduktion;
bestimmte Erwägungen zur Auswirkung der Antidumpingzölle auf die
Nachfrage;
die Versicherung, daß die bei der Berechnung des Referenzpreises zugrunde
gelegten Produktionskosten von HSC überarbeitet worden seien, um
bestimmte, nicht mit Verkäufen in der Gemeinschaft verbundene Kosten
auszuschließen;
die Gründe, aus denen ein Gewinn von 8 % zugrunde gelegt worden sei.
- 29.
- Am 25. März 1991 erließ der Rat die Verordnung (EWG) Nr. 792/91 zur
Verlängerung der Geltungsdauer des vorläufigen Antidumpingzolls auf die
Einfuhren von Aspartam mit Ursprung in Japan und den Vereinigten Staaten von
Amerika (ABl. L 82, S. 1).
- 30.
- Am 2. April 1991 ersuchte NSC die Kommission, zwei weitere Möglichkeiten von
Verpflichtungserklärungen zu prüfen.
- 31.
- Am gleichen Tag übermittelte sie eine Stellungnahme zum Schlußschreiben vom
22. März 1991 (vgl. Randnr. 25 dieses Urteils) und beanstandete die
unzureichenden Informationen, die sie in bezug auf die von HSC gelieferten
Angaben erhalten habe. Sie warf der Kommission außerdem vor, ihr
aussagekräftige Zahlen- oder Tatsachenangaben zur Schadensspanne vorenthalten
und ihr praktisch keine der Informationen erteilt zu haben, die bei der Festlegung
des Referenzpreises verwendet worden seien. Insbesondere das Spannensystem für
die Ermittlung der Kostenstruktur von HSC gebe keinerlei Hinweis darauf, wie die
Schadensschwelle berechnet worden sei. Am gleichen Tag reichte auch Ajico eine
Stellungnahme ein, in der sie sich der Stellungnahme von NSC anschloß und um
vertrauliche Behandlung bat.
- 32.
- Am 18. April 1991 antwortete die Kommission auf diese beiden Schreiben, sie habe
alle Informationen zugänglich gemacht, die sie habe zugänglich machen dürfen. Sie
stellte ebenfalls klar, daß die Startkosten mit Ausnahme zweier nach
niederländischem Recht abgeschriebener Posten von der Berechnung
ausgeschlossen worden und die Anwaltskosten bei der Berechnung vollständig
unberücksichtigt geblieben seien. Sie bestritt schließlich, daß der Referenzpreis
künstlich aufgebläht worden sei, und verwies auf die Verbindung zwischen den
Kosten einerseits und der Betriebskapazität und dem Betriebsumfang andererseits.
- 33.
- Mit Schreiben vom 7. Mai 1991 legte die Kommission die Gründe dafür dar,
weshalb sie die vorgeschlagenen Verpflichtungen nicht habe annehmen können.
- 34.
- Am 15. Mai 1991 übermittelte NSC dem Rat ihre Äußerungen zu diesem Schreiben
und widersprach der Argumentation der Kommission.
- 35.
- Durch die Verordnung (EWG) Nr. 1391/91 vom 27. Mai 1991 zur Einführung eines
endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Aspartam mit Ursprung in
Japan und den Vereinigten Staaten von Amerika (ABl. L 134, S. 1; nachstehend:
Verordnung des Rates oder angefochtene Verordnung) führte der Rat einen
endgültigen Antidumpingzoll von 27,21 ECU je Kilogramm für Einfuhren von
Aspartam mit Ursprung in Japan und von 25,15 ECU je Kilogramm für Einfuhren
mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika ein. Diese Verordnung
wurde später durch die Verordnung (EG) Nr. 1936/95 des Rates vom 3. August
1995 (ABl. L 186, S. 8) aufgehoben.
Maßgebliche Antidumpingverordnungen
1. Allgemeines
- 36.
- Die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Antidumpingverordnungen führen
einen Antidumpingzoll ein, der nach dem Schaden und nicht anhand der
Dumpingspanne berechnet ist. Die Gemeinschaftsorgane haben das Vorliegen von
Dumpingpraktiken amerikanischer und japanischer Exporteure festgestellt. Die
Dumpingspanne wurde durch Vergleich des Preises, zu dem der amerikanische
Erzeuger auf dem Markt der Vereinigten Staaten verkaufte, mit dem in der
Gemeinschaft angewandten Preis berechnet (Randnrn. 12 bis 32 der Begründung
der Verordnung der Kommission und Randnrn. 8 bis 25 der Begründung der
Verordnung des Rates).
2. Verordnung der Kommission
- 37.
- Bei der Beurteilung der Schädigung legt die Kommission dar, daß der
Gemeinschaftsmarkt für Aspartam zwischen 1986 und 1989 um 215 % expandiert
habe (Randnr. 34 der Begründung der Verordnung der Kommission) und daß,
obwohl sich die Marktanteile der amerikanischen und japanischen Exporteure mit
dem Erscheinen von HSC im Jahre 1988 verringert hätten, die Einfuhren aus den
Vereinigten Staaten und Japan absolut angestiegen seien (Randnr. 37 der
Begründung). Außerdem seien die amerikanischen und japanischen Preise, die
bereits erheblich niedriger gewesen seien als die Preise des
Gemeinschaftsherstellers, noch weiter abgesunken (Randnr. 39 der Begründung).
Während des Untersuchungszeitraums hätten die japanischen und amerikanischen
Preise die Preise des Gemeinschaftsherstellers unterboten (Randnr. 40 der
Begründung) und diesen gezwungen, mit Verlust zu verkaufen, ihn an einer
angemessenen Erhöhung seiner Produktionskapazität gehindert und ihm folglich
höhere Produktionskosten und erhebliche Verluste verursacht (Randnr. 45 der
Begründung). Die Senkung der Ausfuhrpreise von NSAG sei mit dem Erscheinen
des Beschwerdeführers auf dem Gemeinschaftsmarkt zusammengetroffen (a. a. O.).
Angesichts der Entwicklung auf dem Aspartammarkt in der Gemeinschaft, der
erheblich expandiert habe, habe kein ersichtlicher Grund für NSAG bestanden, die
auch nach 1987 weiterhin der wichtigste Lieferant von Aspartam auf dem
Gemeinschaftsmarkt gewesen sei, ihre Preise auf ein Niveau zu senken, das die
Kosten nicht mehr gedeckt habe (Randnr. 47 der Begründung). Für die
Entscheidung, die Preise auf ein nicht mehr kostendeckendes Niveau zu senken,
seien eindeutig NSAG und die amerikanischen und japanischen Hersteller
verantwortlich gewesen (Randnr. 49 der Begründung). Die Untersuchung habe
keinen anderen Faktor zutage gefördert, der zur Schädigung der
Gemeinschaftsindustrie beigetragen haben könnte (Randnr. 50 der Begründung).
- 38.
- Der Antidumpingzoll sei so festgesetzt worden, daß die Differenz zwischen den
japanischen und amerikanischen Preisen und dem Preis wettgemacht werde, den
die Gemeinschaftsindustrie zur Deckung ihrer Kosten und zur Erwirtschaftung
eines angemessenen Gewinns erzielen müsse (Randnr. 63 der Begründung), der mit
8 % des Umsatzes vor Steuern anzusetzen sei (Randnr. 65 der Begründung). Der
als „Referenzpreis“ bezeichnete Mindestpreis sei mit dem gewogenen
durchschnittlichen Einfuhrpreis verglichen worden (a. a. O.).
3. Verordnung des Rates
- 39.
- In seiner Verordnung zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls bestätigt
der Rat im wesentlichen die Erwägungen und Schlußfolgerungen der Kommission.
Zur Berechnung des Referenzpreises aus Anlaß der Schadensermittlung wird
ausgeführt (Randnr. 44 der Begründung): „[D]ie Kommission [mußte] die Tatsache
berücksichtigen, daß einige der Ausgangsstoffe und Dienstleistungen von einem
verbundenen Unternehmen gekauft wurden und daß sich bestimmte Kosten nicht
auf die Aspartam-Verkäufe in der Gemeinschaft bezogen. Die effektiven
Forschungs- und Entwicklungskosten wurden nunmehr ebenso wie die direkten
Verkaufskosten berücksichtigt. Diese Berichtigungen führten zu niedrigeren
Produktionskosten, auf die sich die Berechnung des Referenzpreises stützte, und
damit zu einem niedrigeren Zollsatz zwecks Beseitigung der Schädigung.“ Bei der
Beurteilung einer angemessenen Gewinnspanne sei berücksichtigt worden, daß der
Gemeinschaftshersteller gerade erst seine Anlaufzeit beendet habe, daß die
künftige Absatzentwicklung ungewiß und es möglich sei, daß Substitute entwickelt
würden, die die Produktionszeit der betreffenden Ware verkürzen könnten
(Randnr. 45 der Begründung).
- 40.
- Zu den Verteidigungsrechten der Parteien führt der Rat aus (Randnr. 7 der
Begründung):
„Die Kommission ließ alle Untersuchungen und Sachäußerungen unberücksichtigt,
für die keine sinnvolle nichtvertrauliche Zusammenfassung vorgelegt worden war,
da sich sonst die anderen betroffenen Parteien nicht hätten verteidigen können.“
Gerichtliches Verfahren
- 41.
- Mit Klageschriften, die am 6. September 1991 bei der Kanzlei des Gerichtshofes
eingegangen sind, haben die Klägerinnen Klage auf Nichtigerklärung der
Verordnung des Rates erhoben.
- 42.
- Mit Antragsschrift, die am 6. Februar 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes
eingegangen ist, hat die Kommission ihre Zulassung als Streithelferin zur
Unterstützung der Anträge der Beklagten beantragt. Der Präsident des
Gerichtshofes hat diesem Antrag mit Beschluß vom 18. März 1992 stattgegeben.
- 43.
- Mit Antragsschrift, die am 7. Februar 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes
eingegangen ist, haben HSC, die Toyo Soda Nederland BV und die DSM
Aspartaam BV ihre Zulassung als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge
der Klägerinnen beantragt. Dieser Antrag ist am 21. Januar 1993 zurückgenommen
worden.
- 44.
- Mit Beschluß vom 18. April 1994 hat der Gerichtshof die vorliegenden
Rechtssachen gemäß Artikel 4 des Beschlusses 93/350/Euratom, EGKS, EWG des
Rates vom 8. Juni 1993 zur Änderung des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG,
Euratom zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen
Gemeinschaften (ABl. L 144, S. 21) in der Fassung des Beschlusses 94/149/EGKS,
EG des Rates vom 7. März 1994 (ABl. L 66, S. 29) an das Gericht verwiesen. Die
Rechtssachen sind im Register der Kanzlei des Gerichts unter den Nummern
T-159/94 (Ajinomoto/Rat) und T-160/94 (NutraSweet/Rat) eingetragen und am 2.
Juni 1994 der Ersten Kammer zugewiesen worden. Nach dem Wechsel des
Berichterstatters zur Zweiten erweiterten Kammer sind auch die Rechtssachen
dieser Kammer zugewiesen worden.
- 45.
- Im Anschluß an den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens zu den
Europäischen Gemeinschaften sind die Rechtssachen am 23. Januar 1995 derDritten erweiterten Kammer zugewiesen worden und ist ein neuer Berichterstatter
bestimmt worden. Nach dessen Wechsel zur Fünften erweiterten Kammer sind
auch die Rechtssachen dieser Kammer zugewiesen worden.
- 46.
- Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Fünfte erweiterte Kammer) die
mündliche Verhandlung eröffnet. Gemäß Artikel 64 der Verfahrensordnung sind
die Parteien am 22. Januar 1997 aufgefordert worden, schriftlich auf verschiedene
Fragen zum Kausalzusammenhang zwischen dem Dumping und der behaupteten
Schädigung zu antworten. Die Klägerinnen sind ebenfalls gebeten worden, ihr
Vorbringen bezüglich einer Verletzung ihrer Verteidigungsrechte zu präzisieren.
Angesichts des Umfangs dieser Präzisierung und der durch sie bewirkten neuen
Beleuchtung des Sachverhalts hat das Gericht dem Beklagten mit Schreiben vom
24. März 1997 gestattet, bis zum 9. April 1997 zu dieser Präzisierung Stellung zu
nehmen.
- 47.
- Mit Beschluß vom 10. März 1997 hat das Gericht (Fünfte erweiterte Kammer) die
beiden Rechtssachen gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung zu gemeinsamer
mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden.
- 48.
- Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vom 17. April 1997 mündlich
verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.
Anträge der Parteien
- 49.
- Die Klägerinnen beantragen,
die Verordnung des Rates insgesamt, hilfsweise, soweit sie jeweils die
Klägerinnen betrifft, für nichtig zu erklären;
die Rückzahlung der aufgrund der Verordnung der Kommission und der
Verordnung des Rates jeweils erhobenen vorläufigen oder endgültigen
Antidumpingzölle und die Freigabe der insoweit gestellten Sicherheiten
anzuordnen;
dem Rat die Kosten aufzuerlegen;
jede andere rechtlich gebotene oder angemessene Maßnahme anzuordnen.
- 50.
- Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.
- 51.
- Die Streithelferin beantragt Klageabweisung.
Zur Begründetheit
I Zusammenfassung der Klagegründe
- 52.
- Die Klägerinnen machen gegenüber der angefochtenen Verordnung sechs
gemeinsame Klagegründe geltend:
Verletzung wesentlicher Formvorschriften sowie des Artikels 7 Absatz 4
Buchstaben a und b der Grundverordnung, da die Gemeinschaftsorgane
ihnen keine ausreichenden und rechtzeitigen Informationen erteilt hätten,
die ihnen eine Verteidigung ihrer Rechte ermöglicht hätten;
Verletzung wesentlicher Formvorschriften sowie der Artikel 7 Absatz 4
Buchstabe b und 8 Absatz 4 der Grundverordnung, da die
Gemeinschaftsorgane vom Gemeinschaftserzeuger erteilte Informationen
berücksichtigt hätten, obwohl diese nicht in einer nichtvertraulichen Fassung
zusammengefaßt oder mit einer angemessenen Begründung versehen
gewesen seien, in der die Unmöglichkeit einer Zusammenfassung dargelegt
worden sei;
Verletzung des Artikels 2 Absatz 3 der Grundverordnung, da die
Gemeinschaftsorgane den Normalwert auf der Grundlage der in den
Vereinigten Staaten unter Patentschutz angewandten Preise ermittelt hätten;
Verletzung der Artikel 2 Absatz 1, 4 und 13 Absatz 2 der Grundverordnung,
da die Gemeinschaftsorgane wesentliche Beweise, die belegten, daß der
Gemeinschaftserzeuger keinen bedeutenden Schaden erlitten habe,
unbeachtet gelassen oder falsch gedeutet hätten;
Verletzung der Artikel 2 Absatz 1 und 4 Absatz 1 der Grundverordnung, da
die Gemeinschaftsorgane andere Faktoren, die den Schaden des
Gemeinschaftserzeugers hervorgerufen hätten, nicht berücksichtigt hätten;
Verletzung des Artikels 13 Absatz 3 der Grundverordnung, da die
Gemeinschaftsorgane den zur Beseitigung der Beschädigung erforderlichen
Zollbetrag nicht ordnungsgemäß berechnet hätten.
- 53.
- In der Rechtssache T-159/94 macht die Klägerin außerdem die beiden folgenden
Klagegründe geltend:
Verletzung wesentlicher Formvorschriften sowie des Artikels 190 des
Vertrages, da die Gemeinschaftsorgane sie zum einen nicht rechtzeitig
darüber informiert hätten, daß sie ihre Zusammenarbeit für unzureichend
hielten, und ihr zum anderen keine Gelegenheit gegeben hätten, ihren
Standpunkt hierzu vorzubringen;
Verletzung des Artikels 2 Absätze 3 und 6 der Grundverordnung, da die
Gemeinschaftsorgane den Normalwert des japanischen Aspartam auf der
Grundlage der in den Vereinigten Staaten angewandten Preise berechnet
hätten.
- 54.
- In der Rechtssache T-160/94 macht die Klägerin neben den vorstehend angeführten
gemeinsamen noch die beiden folgenden Klagegründe geltend:
Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften sowie des Artikels 190 des
Vertrages, da der Beklagte nicht die Gründe angegeben habe, weshalb er
die von NSC angebotenen Verpflichtungen abgelehnt habe;
Verletzung der Rechte der Klägerin aus dem ihr in den Vereinigten Staaten
zustehenden Patent, da der Normalwert auf der Grundlage der von der
Klägerin auf ihrem Binnenmarkt angewandten Preise festgestellt worden sei.
- 55.
- Das Gericht prüft zunächst die den beiden Rechtssachen gemeinsamen
Klagegründe.
II Die den beiden Rechtssachen gemeinsamen Klagegründe
- 56.
- Das Gericht ist der Auffassung, daß die ersten beiden gemeinsamen Klagegründe
zusammen zu prüfen sind.
Zu den Klagegründen einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften sowie der Artikel
7 Absatz 4 Buchstaben a und b und 8 Absatz 4 der Grundverordnung
A Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
- 57.
- Nach Auffassung der Klägerinnen sind die Gemeinschaftsorgane verpflichtet, alles
vernünftigerweise in ihrer Macht Stehende zu tun, um den Unternehmen, gegen die
ein Antidumpingverfahren eingeleitet worden sei, möglichst viele Informationen
zukommen zu lassen.
- 58.
- Sie könnten sich daher nicht hinter dem Argument verschanzen, daß die Anträge
der Klägerinnen keine hinreichend spezifischen Fragen enthalten hätten. Wenn der
Auffassung des Beklagten zu folgen wäre, hätte das Verfahren zu einer endlosen
Aufeinanderfolge immer detaillierterer Fragen geführt.
- 59.
- Wenn man nicht Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a der Grundverordnung jede
Nützlichkeit im Verhältnis zur Regelung in Buchstabe b nehmen und die
Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen beeinträchtigen wolle, müsse die
Informationspflicht für die von dritten Parteien zur Stützung ihrer Behauptungen
angeführten Beweise gelten, auch wenn sie von den Gemeinschaftsorganen
überprüft würden.
- 60.
- Diese Informationspflicht der Gemeinschaftsorgane bestehe bereits vor Einführung
vorläufiger Zölle (Urteil des Gerichtshofes vom 27. Juni 1991 in der Rechtssache
C-49/88, Al-Jubail Fertilizer/Rat, Slg. 1991, I-3187, Randnr. 15; Artikel 6 Absatz 7
des Antidumpingkodex des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens;
nachstehend: GATT). In der Vergangenheit hätten die Gemeinschaftsorgane
mehrfach wesentliche Informationen vor Einführung solcher Zölle zugänglich
gemacht, so daß sie durch diese Praxis gebunden sein könnten (Urteil des
Gerichtshofes vom 22. Oktober 1991 in der Rechtssache C-16/90, Nölle, Slg. 1991,
I-5163).
- 61.
- Im vorliegenden Fall hätten die Gemeinschaftsorgane Artikel 7 Absatz 4
Buchstaben a und b der Grundverordnung und die Verteidigungsrechte der
Klägerinnen verletzt, weil sie ihnen nicht rechtzeitig ausreichende Informationen
über die Behauptungen und Beweise der Beschwerdeführerin zum einen und die
Richtigkeit und Erheblichkeit der behaupteten Tatsachen sowie der
berücksichtigten Beweise zum anderen gegeben hätten (Urteil Al-Jubail
Fertilizer/Rat, zitiert in Randnr. 60 dieses Urteils, Randnr. 17).
- 62.
- Vor der Einführung vorläufiger Antidumpingzölle hätten die Klägerinnen nicht so
ausreichende Informationen erhalten (Mitteilung über die Einleitung des
Verfahrens, Zusammenfassung der Beschwerde, nichtvertrauliche Fassung der
Antworten des Gemeinschaftserzeugers auf den Fragebogen der Kommission), daß
sie in der Lage gewesen wären, ihren Standpunkt erstens zur Berechnung des
Referenzpreises, zweitens zur Dumpingspanne und drittens zu Natur und Ursprung
der angeblichen Schädigung sachgerecht zur Geltung zu bringen, obwohl die
Kommission mehrfach auf die unzureichenden Informationen (Schreiben vom 17.
April 1990) und die Notwendigkeit einer Anhörung (Schreiben vom 17. April, 28.
Juni und 8. November 1990) aufmerksam gemacht worden sei.
- 63.
- Sie hätten nach Erlaß der Verordnung der Kommission nur wenig ergänzende
Informationen zu wesentlichen Gesichtspunkten im vorliegenden Fall zum
Referenzpreis und zur angeblichen Schädigung erhalten.
- 64.
- Bezüglich des Referenzpreises sind die Klägerinnen der Auffassung, daß die
Gemeinschaftsorgane eine detailliertere Gliederung der herangezogenen
Gesichtspunkte einschließlich knapperer Hochrechnungen hätten zugänglich
machen können, weil dieser Referenzpreis nicht aufgrund der tatsächlichen Kosten
von HSC, sondern aufgrund von Kosten berechnet worden sei, die aufgrund der
Annahme einer völligen Auslastung ihrer Produktionskapazität hochgerechnet
worden seien.
- 65.
- Obwohl der Referenzpreis ohne jede Angabe von Gründen zweimal geändert
worden sei, hätten die Gemeinschaftsorgane nicht die geringste einschlägige
Erläuterung zu den Grundannahmen und den Methoden angeboten, die
herangezogen worden seien, um etwa
die Produktionskapazität des Gemeinschaftserzeugers und den
Auslastungsgrad dieser Kapazität zu ermitteln;
nachzuweisen, daß der Gemeinschaftserzeuger, obwohl schwer verschuldet,
binnen weniger als 18 Monaten nach Produktionsstart die
Rentabilitätsschwelle hätte erreichen und einen Gewinn von 8 % hätte
erzielen können;
die dem Gemeinschaftserzeuger gezahlten Subventionen einzurechnen;
die Abschreibungen auf Fabrik, Gebäude und Maschinen des
Gemeinschaftserzeugers zu berechnen und insbesondere eine
Abschreibungsfrist von zehn Jahren zugrunde zu legen;
die außergewöhnlichen Startkosten abzuschreiben oder auszuschließen (erst
mit Schreiben vom 18. April 1991 sei ihnen nach Ablauf der Einlassungsfrist
mitgeteilt worden, daß die Startkosten mit Ausnahme zweier nicht näher
bezeichneter Positionen beim Referenzpreis nicht berücksichtigt worden
seien).
- 66.
- Die Klägerinnen werfen den Gemeinschaftsorganen außerdem vor, folgendes nicht
erläutert zu haben:
die Art der berücksichtigten Finanzierungskosten und ihre Aufteilung;
den Umfang der Fremd- im Vergleich zu den Eigenmitteln;
die Einzelheiten der Verkaufskosten, der Gemeinkosten und der
Verwaltungskosten sowie die Investitionen, auf die sich die
Finanzierungskosten bezögen, obwohl die Zusammensetzung der
Gemeinkosten, der Verwaltungskosten und der unmittelbaren
Verkaufskosten vom verwendeten System der Rechnungsführung und von
der Perspektive ihrer Berechnung abhängig seien;
den Anteil der bei verbundenen Unternehmen gekauften Ausgangsstoffe,
was als Information wichtig sei für die Feststellung, inwieweit der
Referenzpreis auf der Grundlage von Marktpreisen berechnet worden sei;
inwieweit die von NSAG getragenen Kosten der Marktentwicklung, die auch
dem Gemeinschaftserzeuger zugute gekommen seien, Berücksichtigung
gefunden hätten;
den Anteil der vom Gemeinschaftserzeuger an DSM gezahlten
Gemeinkosten.
- 67.
- Die Gemeinschaftsorgane hätten nicht erklärt, inwieweit eine vollständigere
Offenlegung der Methoden der Kommission den Geschäften des
Gemeinschaftserzeugers schaden könne, insbesondere, weshalb nicht knappere
Hochrechnungen hätten verwendet werden können und warum die Aufschlüsselung
der Finanzierungskosten nicht zumindest in Form eines Prozentsatzes hätte
mitgeteilt werden können.
- 68.
- Bezüglich der Schädigung des Gemeinschaftserzeugers werfen die Klägerinnen den
Gemeinschaftsorganen vor, sie hätten nicht im rechtlich erforderlichen Umfang die
Grundlage ihrer Schlußfolgerung offengelegt, daß die Untersuchung keinen anderen
Faktor zutage gefördert habe, der zur Schädigung beigetragen haben könnte,
obwohl doch der Gemeinschaftserzeuger als zweiter Anbieter auf einem von
härtestem Wettbewerb geprägten Markt angetreten sei, auf dem die Preise bereits
vor seinem Start rückläufig gewesen seien, er hoch verschuldet gewesen sei und
seine Produktionskosten doppelt so hoch wie die der Klägerinnen seien.
- 69.
- Außerdem hätten die Gemeinschaftsorgane nicht die Gründe angegeben, weshalb
sie eine Beziehung zwischen dem Rückgang der Preise für Aspartam in der
Gemeinschaft und dem Beginn der Produktion des Gemeinschaftserzeugers
hergestellt hätten, obwohl sie den Beweis dafür erhalten hätten, daß die Preise seit
1983 ständig rückläufig gewesen seien.
- 70.
- Ebensowenig hätten sie die Grundlage der Behauptung erkennbar gemacht, daß
der Gemeinschaftserzeuger einen relativ geringfügigen Marktanteil gehabt habe,
obwohl sich aus der nichtvertraulichen Zusammenfassung der Beschwerde ergebe,
daß der Gemeinschaftserzeuger in den 18 Monaten nach Produktionsstart einen
bedeutenden Marktanteil erlangt habe.
- 71.
- Die Gemeinschaftsorgane hätten ferner das Recht der Klägerinnen auf eine faire
Beweiswürdigung verletzt, das im Urteil Nölle (zitiert in Randnr. 60 dieses Urteils)
anerkannt worden sei.
- 72.
- Die von den Gemeinschaftsorganen übermittelten Informationen hätten sie nicht
in die Lage versetzt, etwaige Fehler der Analyse der Kommission erkennen zu
können und sich sachgerecht eine Meinung zu den Gegebenheiten zu bilden, auf
die die Organe ihre Schlüsse gestützt hätten.
- 73.
- Die Gemeinschaftsorgane könnten sich nicht hinter ihrer Pflicht zur
Nichtweitergabe vertraulicher Informationen verschanzen, ohne das Recht der
betroffenen Unternehmen auf Information nicht seines wesentlichen Inhalts zu
berauben (Urteil des Gerichtshofes vom 20. März 1985 in der Rechtssache 264/82,
Timex/Rat und Kommission, Slg. 1985, 849, Randnr. 29).
- 74.
- Um den Konflikt zwischen den Rechten einer Person, gegen die ein
Untersuchungsverfahren eingeleitet worden sei, und dem Recht eines
Beschwerdeführers auf Wahrung von Geschäftsgeheimnissen zu lösen und die in
den Urteilen Timex/Rat und Kommission (zitiert in Randnr. 73 dieses Urteils) und
Al-Jubail Fertilizer/Rat (zitiert in Randnr. 60 dieses Urteils) verankerten
Grundsätze zu achten, müßten die Gemeinschaftsorgane angemessene
nichtvertrauliche Zusammenfassungen fordern, in denen die nicht preisgegebene
Information auf ein absolutes Minimum beschränkt sein müsse. Wenn eine
Information für die Verteidigung der Partei, gegen die sich die Untersuchung
richte, wichtig sei, dürften die Gemeinschaftsorgane sie nicht berücksichtigen, falls
nicht der Beschwerdeführer damit einverstanden sei, sie allgemein zugänglich zu
machen.
- 75.
- Die Klägerinnen verweisen auf die Rechtsprechung, wonach die
Gemeinschaftsbehörde im Wettbewerbsrecht zu Lasten des betroffenen
Unternehmens keine Tatsachen, Umstände oder Schriftstücke berücksichtigen
dürfe, die sie nicht zugänglich machen zu können glaube, falls diese Weigerung die
Möglichkeit des Unternehmens beeinträchtige, seinen Standpunkt zum Vorliegen
oder zur Bedeutung dieser Umstände, zu diesen Schriftstücken oder auch zu den
Schlüssen geltend zu machen, die die Kommission daraus ziehe (Urteile des
Gerichtshofes vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La
Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, 512, vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache
107/82, AEG/Kommission, Slg. 1983, 3151, 3192, und vom 17. Januar 1984 in den
Rechtssachen 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, 59).
Damit die in den vorgenannten Urteilen Timex/Rat und Kommission sowie Al-Jubail Fertilizer/Rat verankerten Grundsätze einen Sinn behielten, müsse dieses
Verbot auch im Zusammenhang eines Antidumpingverfahrens gelten.
- 76.
- Die Organe seien außerdem verpflichtet, wenn sie sich auf die
Geheimhaltungspflicht beriefen, die Gründe dafür darzulegen, daß die geforderten
Informationen vertraulich seien und nicht in nichtvertraulichen Zusammenfassungen
zugänglich gemacht werden könnten.
- 77.
- Im vorliegenden Fall hätten sich die Gemeinschaftsorgane notwendig, wenn auch
nur mittelbar, auf einige oder sogar alle Behauptungen des Gemeinschaftserzeugers
gestützt, da sie die Untersuchung nach Maßgabe der von diesem übermittelten
Informationen ausgerichtet hätten. Wenn es wegen der Pflicht zur Wahrung der
Vertraulichkeit dieser Informationen unmöglich gewesen wäre, eine ausreichende
Zusammenfassung dieser vom Gemeinschaftserzeuger vorgebrachten Tatsachen und
Umstände zur Verfügung zu stellen, hätten sie auf eine Verwendung dieser
Informationen oder anderer, auf ihnen aufbauender Informationen zur Stützung
ihrer Entscheidung verzichten müssen.
- 78.
- Auf jeden Fall wäre es möglich gewesen, den Konflikt zwischen dem Recht auf
Akteneinsicht und der Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit durch Anwendung
eines Verfahrens wie der amerikanischen „administrative protective order“ oder
Hinzuziehung eines unabhängigen, mit der Anfertigung einer nichtvertraulichen
Zusammenfassung betrauten Sachverständigen zu lösen.
- 79.
- Da die Klägerinnen nicht in der Lage gewesen seien, sich zu den von HSC
vorgelegten Beweisen, auf die die Verordnungen der Kommission und des Rates
gestützt seien, sachgerecht zu äußern, seien diese Verordnungen unter Verstoß
gegen wesentliche Verfahrensregeln des Gemeinschaftsrechts ergangen. Folglich
müßten die Artikel 1 und 2 der Verordnung des Rates für nichtig erklärt werden.
- 80.
- Der Beklagte und die Streithelferin beantragen die Zurückweisung der geltend
gemachten Klagegründe und tragen im wesentlichen vor, daß die
Gemeinschaftsorgane ihre Informationspflichten gegenüber den Klägerinnen erfüllt
hätten, wenn man zum einen die Allgemeinheit der von ihnen eingereichten
Informationsersuchen und zum anderen die Pflicht der Gemeinschaftsorgane zur
Geheimhaltung vertraulicher Informationen über den Gemeinschaftserzeuger
berücksichtige.
B Würdigung durch das Gericht
- 81.
- Der Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte ist ein grundlegendes Prinzip
des Gemeinschaftsrechts. Im Bereich der Abwehr gedumpter Einfuhren sind diese
Rechte in Artikel 7 Absätze 1 und 4 der Grundverordnung geregelt.
- 82.
- Artikel 7 Absatz 4 Buchstaben a und b bestimmt:
„a) Der Antragsteller und die bekanntermaßen betroffenen Einführer ... können
alle der Kommission von einer an der Untersuchung beteiligten Partei zur
Verfügung gestellten Unterlagen ... einsehen, soweit sie für die Vertretung
ihrer Interessen erheblich und nicht vertraulich im Sinne von Artikel 8 sind
und von der Kommission bei der Untersuchung verwendet werden ...
b) Die Ausführer und Einführer der Ware, die Gegenstand der Untersuchung
ist, ... können beantragen, über die wesentlichen Tatsachen und
Überlegungen unterrichtet zu werden, aufgrund deren beabsichtigt wird, die
Erhebung endgültiger Zölle ... anzuregen.“
- 83.
- Diese Informationsrechte müssen mit der Pflicht der Gemeinschaftsorgane zur
Wahrung von Geschäftsgeheimnissen in Einklang gebracht werden. Auf jeden Fall
müssen die Betroffenen im Lauf des Verwaltungsverfahrens in die Lage versetzt
worden sein, ihren Standpunkt zur Richtigkeit und Erheblichkeit der behaupteten
Tatsachen und Umstände sowie zu den Beweisen, auf die die Kommission ihren
Vorwurf des Vorliegens einer Dumpingpraktik und des daraus resultierenden
Schadens stützt, sachgerecht zu vertreten (Urteil Al-Jubail Fertilizer/Rat, zitiert in
Randnr. 60 dieses Urteils, Randnr. 17), und zwar spätestens im Verfahren zum
Erlaß der Verordnung des Rates (vgl. Randnr. 87 dieses Urteils). Bei einer
Nichtigkeitsklage gegen eine Antidumpingverordnung des Rates kann sich die
richterliche Kontrolle auf den Inhalt der Verordnung der Kommission sowie auf das
zugehörige Verfahren erstrecken, soweit sich die Verordnung des Rates darauf
bezieht.
- 84.
- Vor der Prüfung der Frage, ob die Gemeinschaftsorgane die Gebote der
Vertraulichkeit und die mit der Wahrung der Verteidigungsrechte und der
Einhaltung der Artikel 7 Absatz 4 Buchstaben a und b und 8 der Grundverordnung
verbundenen Erfordernisse ordnungsgemäß gegeneinander abgewogen haben, ist
zunächst der Kontext der vorliegenden Rechtssachen durch eine Darstellung der
Besonderheiten des relevanten Marktes zu konkretisieren und zum anderen die
Wirkung dieser Besonderheiten zu ermitteln.
1. Zu den Besonderheiten des relevanten Marktes und ihrer Wirkung
- 85.
- Während des Untersuchungszeitraums ließ der Aspartammarkt außergewöhnliche
Besonderheiten erkennen. Erstens gab es auf Weltniveau nur wenige Lieferanten
von Aspartam, nämlich die beiden Klägerinnen, die bei weitem die bedeutendsten
waren, und den Gemeinschaftserzeuger HSC. Die Klägerinnen arbeiteten eng
zusammen und führten praktisch alle ihre Verkäufe in der Gemeinschaft über ihr
gemeinsames Unternehmen NSAG durch. Zweitens fand, da das von den
verschiedenen Herstellern erzeugte Aspartam ein und dasselbe Erzeugnis war, ein
Wettbewerb lediglich bei den Preisen statt.
- 86.
- Aus diesen Besonderheiten ergibt sich, daß die Klägerinnen über eine
ausgezeichnete Marktkenntnis verfügen mußten, die sie in die Lage versetzte,
anhand weniger Informationen Schlußfolgerungen in bezug auf die Situation des
Gemeinschaftserzeugers zu ziehen; diese ging übrigens so weit, daß beide kurz nach
der Einleitung der Untersuchung durch Vermittlung von NSAG über eine
Untersuchung von McKinsey mit einer Schätzung der Elemente und der Struktur
der Produktionskosten von HSC verfügten (vgl. Randnr. 9 dieses Urteils). Unter
diesen Umständen mußten die Gemeinschaftsorgane besonders aufmerksam darauf
achten, keine Angaben zugänglich zu machen, die es den Klägerinnen erlaubt
hätten, geschäftlich sensible Informationen zu gewinnen, die den
Gemeinschaftserzeuger hätten gefährden können. Im übrigen haben sowohl dieser
als auch die Klägerinnen die Vertraulichkeit der gelieferten Informationen
bekräftigt.
2. Zur angeblich unzureichenden Information vor der Einführung endgültiger Zölle
- 87.
- Sollte es der Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte, wie die Klägerinnen
vortragen, erforderlich machen, daß die Ausführer über die hauptsächlichen
Tatsachen und Überlegungen informiert werden, aufgrund deren die Einführung
vorläufiger Zölle beabsichtigt wird, so könnte die Nichtbeachtung dieser Rechte als
solche nicht zur Fehlerhaftigkeit der Verordnung zur Einführung endgültiger Zölle
führen. Da sich eine solche Verordnung von der Verordnung zur Einführung
vorläufiger Zölle unterscheidet, selbst wenn sie mit ihr so eng verbunden ist, daß
sie unter bestimmten Umständen an deren Stelle treten kann (Urteile des
Gerichtshofes vom 5. Oktober 1988 in der Rechtssache 56/85, Brother
Industries/Kommission, Slg. 1988, 5655, Randnr. 6, in den Rechtssachen 294/86 und
77/87, Technointorg/Kommission und Rat, Slg. 1988, 6077, Randnr. 12, vom 11. Juli
1990 in den Rechtssachen C-305/86 und C-160/87, Neotype
Techmashexport/Kommission und Rat, Slg. 1990, I-2945, Randnr. 13, und Beschluß
des Gerichts vom 10. Juli 1996 in der Rechtssache T-208/95, Miwon/Kommission,
Slg. 1996, II-635, Randnr. 20), muß ihre Gültigkeit im Hinblick auf die Vorschriften
beurteilt werden, die für ihren Erlaß maßgebend sind. Ist folglich im Lauf des
Verfahrens zum Erlaß einer Verordnung, mit der ein endgültiger Zoll eingeführt
wird, ein Fehler des Verfahrens zum Erlaß einer entsprechenden Verordnung, mit
der ein vorläufiger Zoll eingeführt wurde, geheilt worden, so führt die
Rechtswidrigkeit der letztgenannten Verordnung nicht zur Rechtswidrigkeit der
Verordnung zur Einführung eines endgültigen Zolles. Nur soweit dieser Fehler
nicht behoben wurde und sich die Verordnung, mit der ein endgültiger Zoll
eingeführt wird, auf die Verordnung zur Einführung eines vorläufigen Zolles
bezieht, führt deren Rechtswidrigkeit zur Rechtswidrigkeit auch der anderen
Verordnung.
- 88.
- Demgemäß ist im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die Verteidigungsrechte der
betreffenden Parteien im Rahmen des Verfahrens zum Erlaß der angefochtenen
Verordnung beachtet worden sind, mit der ein endgültiger Zoll eingeführt und auch
die endgültige Vereinnahmung der als Sicherheit hinterlegten Beträge angeordnet
wurde.
3. Zur angeblich unzureichenden Information im Hinblick auf Artikel 7 Absatz 4
Buchstabe a der Grundverordnung (Informationen von HSC)
- 89.
- Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a der Grundverordnung gestattet es dem
Antragsteller und den bekanntermaßen betroffenen Einführern und Ausführern,
alle der Kommission von einer an der Untersuchung beteiligten Partei zur
Verfügung gestellten Unterlagen mit Ausnahme der von der Gemeinschaft oder
ihren Mitgliedstaaten erstellten internen Dokumente einzusehen, soweit sie erstens
für die Vertretung ihrer Interessen erheblich, zweitens nicht vertraulich im Sinne
von Artikel 8 sind, drittens von der Kommission bei der Untersuchung verwendet
werden und viertens ihre Bekanntgabe schriftlich vom Einsichtfordernden beantragt
wird.
- 90.
- Gemäß Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe a der Grundverordnung geben der Rat, die
Kommission und die Mitgliedstaaten sowie deren Bedienstete die Informationen,
die sie bei Anwendung dieser Verordnung erhalten haben und deren vertrauliche
Behandlung vom Auskunftgeber beantragt worden ist, nicht ohne ausdrückliche
Erlaubnis des Auskunftgebers bekannt. Nach Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b muß
jeder Antrag auf vertrauliche Behandlung die Gründe der Vertraulichkeit der
Informationen sowie eine nichtvertrauliche Zusammenfassung der Informationen
oder eine Begründung enthalten, weshalb die Informationen nicht auf diese Weise
zusammengefaßt werden können. Artikel 8 Absatz 4 Unterabsatz 2 bestimmt, daß
die Gemeinschaftsorgane Informationen unberücksichtigt lassen können, wenn der
Auskunftgeber nicht bereit ist, eine nichtvertrauliche Zusammenfassung vorzulegen,
obwohl die Informationen auf diese Weise zusammengefaßt werden können. Sie
sind nach dieser Vorschrift aber nicht verpflichtet, sie unberücksichtigt zu lassen.
- 91.
- Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin nichtvertrauliche
Zusammenfassungen vorgelegt, die die Kommission den Klägerinnen übermittelt
hat. Auch wenn der Inhalt dieser Zusammenfassungen, wie die Klägerinnen
meinen, unzureichend war, so waren die Gemeinschaftsorgane doch nicht
verpflichtet, sondern höchstens berechtigt, sie unberücksichtigt zu lassen. Sie waren
allerdings verpflichtet, die Klägerinnen im Lauf des Verwaltungsverfahrens in die
Lage zu versetzen, ihren Standpunkt zur Richtigkeit und Erheblichkeit der
behaupteten Tatsachen sowie zu den Beweisen, auf die die Kommission ihren
Vorwurf des Vorliegens eines Dumpings und eines Schadens stützte, sachgerecht
vertreten zu können. Es ist daher zu prüfen, ob die Gemeinschaftsorgane dieser
Pflicht nachgekommen sind.
4. Zur angeblich unzureichenden Information im Hinblick auf Artikel 7 Absatz 4
Buchstabe b der Grundverordnung
a) Voraussetzungen für Anträge auf Unterrichtung
- 92.
- Gemäß Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c Ziffer i der Grundverordnung müssen
Anträge auf Unterrichtung gemäß Buchstabe b schriftlich eingereicht werden und
die einzelnen Punkte bezeichnen, über die Auskunft verlangt wird.
- 93.
- Ob die von den Gemeinschaftsorganen erteilten Auskünfte ausreichend sind, ist
anhand des Grades der Spezifikation des Auskunftsverlangens zu beurteilen.
b) Prüfung der im vorliegenden Fall eingereichten Anträge auf Unterrichtung und
der von den Gemeinschaftsorganen erteilten Auskünfte
i) Allgemeine Auskunftsverlangen
- 94.
- Die Klägerinnen haben sich mehrfach über ihnen übermittelte unzureichende
Informationen beklagt und dabei ganz allgemein beantragt, über die wesentlichen
Tatsachen und Überlegungen unterrichtet zu werden, aufgrund deren die
Kommission gegebenenfalls die Erhebung von Zöllen vorzuschlagen gedenke (vgl.
Randnrn. 8, 16 und 31 dieses Urteils).
- 95.
- Die Kommission hat auf diese allgemeinen Auskunftsverlangen mit Schreiben vom
22. März 1991 geantwortet (vgl. Randnr. 25 dieses Urteils). Angesichts der
Allgemeinheit dieser Auskunftsverlangen genügten dieses Schreiben und seine
Anlagen den Voraussetzungen des Artikels 7 Absatz 4 Buchstabe b der
Grundverordnung. Sie enthielten hinreichend eingehende Informationen, um die
Klägerinnen in die Lage zu versetzen, ihren Standpunkt zur Richtigkeit und
Erheblichkeit der behaupteten Tatsachen sowie zu den Beweisen, auf die die
Kommission ihren Vorwurf des Vorliegens eines Dumpings und eines Schadens
stützte, sachgerecht vertreten zu können.
ii) Auskunftsverlangen zu besonderen Punkten
Rügen betreffend die Auskunftsverlangen im Schreiben vom 14. Dezember 1990
- 96.
- Mit Schreiben vom 14. Dezember 1990 hat NSC ebenfalls genaue Fragen zum
Referenzpreis gestellt. Später haben sich nicht nur NSC, sondern auch Ajico, die
sich allerdings dem Antrag von NSC nicht ausdrücklich angeschlossen hatte, auf
dieses Schreiben bezogen und die Kommission ersucht, gegebenenfalls die eine
oder andere ihrer Antworten auf dieses Schreiben zu verdeutlichen. Die
Klägerinnen haben allerdings im Lauf des Verwaltungsverfahrens weder angegeben,
inwiefern die Informationen der Gemeinschaftsorgane unzureichend seien, noch die
besonderen Punkte angeführt, zu denen sie zusätzliche Angaben wünschten.
- 97.
- Die Kommission hat auf diese Auskunftsverlangen mit Schreiben vom 18.
Dezember 1990 geantwortet (vgl. Randnr. 15 dieses Urteils). Es ist zu prüfen, ob
die Antworten der Kommission ausreichten, um die Klägerinnen in die Lage zu
versetzen, sich sachgerecht verteidigen zu können. Das Gericht prüft diese
Antworten nur in bezug auf die Punkte, die Gegenstand der Kritik der Klägerinnen
sind.
Auslastungsgrad der Kapazitäten (vgl. Randnr. 65 erster Gedankenstrich dieses
Urteils)
- 98.
- Die Klägerinnen können den Gemeinschaftsorganen nicht vorwerfen, ihnen keine
Erläuterung zu den Grundannahmen und den Methoden gegeben zu haben, die
herangezogen wurden, um die Produktionskapazitäten des Gemeinschaftserzeugers
zu ermitteln, da sie dazu keine Informationen verlangt haben. Ihr
Auskunftsverlangen richtete sich nämlich auf den bei der Festlegung des
Referenzpreises zugrunde gelegten Auslastungsgrad der Kapazitäten. In diesem
Punkt können die Klägerinnen nicht beanstanden, daß die Gemeinschaftsorgane
sich nicht dazu geäußert haben, ob dieser Grad dem am Ende des
Untersuchungszeitraums festgestellten tatsächlichen oder aber dem
durchschnittlichen Auslastungsgrad entsprach. In ihrem Schreiben vom 14.
Dezember 1990 hatte NSC diese Information nur für den Fall erbeten, daß aus
Gründen der Vertraulichkeit ein Prozentsatz nicht hätte angegeben werden können.
Da die Kommission erklärte, daß sie sich auf die Annahme einer Vollauslastung
der Kapazitäten, d. h. auf einen Prozentsatz von 100, gestützt habe, oblag es ihr
nicht, auf die hilfsweise gestellte Frage zu antworten. Da die Klägerinnen im Lauf
des Verwaltungsverfahrens insoweit keine ergänzende Information gefordert haben,
ist davon auszugehen, daß die Kommission die Frage von NSC vollständig
beantwortet hat. Da es im übrigen unbestritten ist, daß sich die Kommission auf die
Annahme einer maximalen Auslastung der am Ende des Untersuchungszeitraums
festgestellten Produktionskapazitäten, d. h. auf den für die Klägerinnen günstigsten
Fall, gestützt hat, hätten etwaige ergänzende Bemerkungen von deren Seite keine
Auswirkung auf den zugrundegelegten Prozentsatz gehabt.
Zeitraum für die Erreichung der Rentabilitätsschwelle und der Erzielung eines
Gewinns von 8 % (vgl. Randnr. 65 zweiter Gedankenstrich dieses Urteils)
- 99.
- Abgesehen von der Antwort in ihrem Schreiben vom 18. Dezember 1990 (vgl.
Randnr. 15 dieses Urteils) hat die Kommission in ihrem Schlußschreiben vom 22.
März 1991 erklärt (vgl. Randnr. 25 dieses Urteils), es sei wichtig, daß die
einzuführenden Zölle die Differenz zwischen dem Ausfuhrpreis und dem
Referenzpreis in Form eines Mindestpreises wettmachten, den die
Gemeinschaftsindustrie zur Deckung ihrer Kosten und zur Erwirtschaftung eines
angemessenen Gewinns benötige. Zur Festlegung dieser Gewinnspanne hat die
Kommission dargelegt, daß sie erstens berücksichtigt habe, daß der
Gemeinschaftserzeuger gerade erst seine Anlaufzeit hinter sich gebracht habe,
zweitens, daß die künftige Absatzentwicklung ungewiß und ebenso günstig wie in
den Vereinigten Staaten sei, aber auch negativ ausfallen könne, und drittens, daß
es möglich sei, daß Substitute entwickelt würden, die die Lebensdauer des
Aspartam verkürzen könnten.
- 100.
- Diese Informationen enthalten ausreichende Angaben zu den hauptsächlichen
Tatsachen und Überlegungen in Zusammenhang mit diesem Auskunftsverlangen.
- 101.
- Im übrigen hat NSC in ihrem Schreiben vom 2. April 1991 ihren Standpunkt zu der
Frage dargelegt und ist daher in der Lage gewesen, in vollem Umfang von ihren
Verteidigungsrechten Gebrauch zu machen (vgl. Randnr. 31 dieses Urteils).
Berücksichtigung der dem Gemeinschaftserzeuger gezahlten Subventionen und
deren Vereinbarkeit mit dem Vertrag (vgl. Randnr. 65 dritter Gedankenstrich
dieses Urteils)
- 102.
- In ihrem Schreiben vom 18. Dezember 1990 hat die Kommission erklärt, die dem
Gemeinschaftserzeuger gezahlten Subventionen bei der Ermittlung des
Referenzpreises berücksichtigt zu haben, ohne sich allerdings zu deren
Vereinbarkeit mit dem Vertrag zu äußern.
- 103.
- Die Klägerinnen haben nicht dargelegt, inwiefern eine etwaige Unvereinbarkeit der
dem Gemeinschaftserzeuger gezahlten Subventionen mit dem Vertrag zu einem
niedrigeren Antidumpingzoll hätte führen können.
- 104.
- Folglich stellt das Fehlen einer ausdrücklichen Information der Kommission zu
dieser Frage keinen Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 4 der Grundverordnung dar
und kann damit nicht zu einer Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung
führen.
Prozentsatz der dem verbundenen Unternehmen DSM gezahlten und beim
Referenzpreis berücksichtigten Gemeinkosten (vgl. Randnr. 66 sechster
Gedankenstrich dieses Urteils)
- 105.
- In ihrer Antwort vom 18. Dezember 1990 hat die Kommission lediglich bestätigt,
daß sich HSC an den Gemeinkosten von DSM beteiligt habe, und erklärt, daß es
nicht im Interesse des anderen Aktionärs von HSC liege, diese Kosten künstlich
aufzublähen.
- 106.
- Auch wenn das Antwortschreiben der Kommission keine eindeutige Antwort auf
die gestellte Frage gibt, ist doch festzustellen, daß die Mitteilung des Prozentsatzes
NSC nicht in die Lage versetzt hätte, ihre Interessen besser zu verteidigen. Diese
Information hätte ihr nämlich nicht erlaubt, sich zur Angemessenheit dieser Kosten
zu äußern, falls nicht zugleich die Gemeinkosten mitgeteilt worden wären. Die
Gemeinkosten des Gemeinschaftserzeugers, die eines der
Produktionskostenelemente darstellen, sind indessen vertrauliche Daten, die ihr als
solche nicht mitgeteilt werden durften (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 5.
Oktober 1988 in der Rechtssache 250/85, Brother Industries/Rat, Slg. 1988, 5683,
Randnr. 34). Zu diesem Punkt hat die Kommission daher zu Recht keine weiteren
Angaben gemacht.
Bemühungen von NSAG um die Marktentwicklung (vgl. Randnr. 66 fünfter
Gedankenstrich dieses Urteils)
- 107.
- Zu der Frage, ob sie berücksichtigt habe, daß HSC aus den Bemühungen von
NSAG zur Entwicklung des Marktes habe Nutzen ziehen können, hat die
Kommission in ihrem Schreiben vom 18. Dezember 1990 erklärt, dieses
Auskunftsverlangen erscheine ihr unverständlich, und um Aufklärung durch NSC
gebeten. Da diese die erbetene Aufklärung nicht gegeben hat, kann den
Gemeinschaftsorganen nicht vorgeworfen werden, auf diese Frage nicht
eingehender geantwortet zu haben.
Rügen bezüglich anderer besonderer Punkte
Detaillierte Zusammensetzung des Referenzpreises
- 108.
- Vorab ist darauf hinzuweisen, daß der Referenzpreis, der Grundlage für die
Festlegung des Zollbetrags war, größtenteils anhand der Produktionskosten des
Gemeinschaftserzeugers berechnet worden ist. Diese Angaben sind aber vertraulich
(Urteil Brother Industries/Rat, zitiert in Randnr. 106 dieses Urteils, Randnr. 34).
- 109.
- Im Lauf des Verwaltungsverfahrens haben sich die Klägerinnen lediglich darüber
beschwert, daß die Struktur der beim Referenzpreis berücksichtigten Kosten, wie
sie sich aus Anlage 3 zum Schreiben der Kommission vom 22. März 1991 ergebe
(vgl. Randnr. 25 dieses Urteils), unzureichende Informationen über die Bestandteile
des Referenzpreises enthalte. Dieser allgemeine Vorwurf und die Bemerkung, daß
die Kommission ihnen aussagekräftige Zahlen- oder Tatsachenangaben zur
Schadensspanne vorenthalten habe (vgl. Randnr. 31 dieses Urteils), erlaubten es
den Gemeinschaftsorganen nicht, die Art der nichtvertraulichen Informationen zu
ermitteln, die den Klägerinnen eine bessere Verteidigung ihrer Interessen
ermöglicht hätten. Angesichts der Besonderheiten des Marktes, der Kenntnis, die
die Klägerinnen von diesem Markt und von ihrem europäischen Konkurrenten
hatten (vgl. Randnrn. 85 und 86 dieses Urteils), sowie des wegen ihrer
Vertraulichkeit überaus sensiblen Charakters der Bestandteile des Referenzpreises
mußten sich die Gemeinschaftsorgane vorsehen, Informationen zugänglich zu
machen, die die Klägerinnen in die Lage versetzt hätten, die Elemente, die Struktur
und letztlich den Betrag der Kosten des Gemeinschaftserzeugers relativ genau zu
überschlagen. Da diese Daten vertraulich waren (Urteil Brother Industries/Rat,
zitiert in Randnr. 106 dieses Urteils, Randnr. 34), wären die Gemeinschaftsorgane
nur bei Kenntnis der genauen Elemente, über die die Klägerinnen weitere
Information begehrt hätten, oder zumindest der Perspektive, in der sie weitere
Auskünfte zu erhalten und zu nutzen wünschten, in der Lage gewesen, die
Möglichkeit zu beurteilen, weitere Angaben zum Referenzpreis zugänglich zu
machen, und zugleich den Erfordernissen der Vertraulichkeit gerecht zu werden,
die im vorliegenden Fall bestanden.
- 110.
- Da die Klägerinnen die Organe nicht in die Lage versetzt haben, diese Möglichkeit
zu beurteilen, können sie ihnen nicht vorwerfen, ihnen keine detailliertere
Aufgliederung des Referenzpreises als die in Anlage 3 zum Schreiben der
Kommission vom 22. März 1991 (vgl. Randnr. 25 dieses Urteils) zugänglich
gemacht zu haben. Da sie insbesondere keine spezifische Information zur Art der
berücksichtigten Finanzierungskosten und ihrer Aufteilung oder zum Umfang der
Fremd- im Verhältnis zu den Eigenmitteln verlangt haben, können sie den
Gemeinschaftsbehörden nicht anlasten, diese Punkte nicht angeführt zu haben.
- 111.
- In der Rechtssache, die zum Urteil Timex/Rat und Kommission (zitiert in Randnr.73 dieses Urteils) geführt hat und auf die sich die Klägerinnen berufen, hatten die
Gemeinschaftsorgane lediglich die Posten der Berechnung des Referenzpreises
ohne jede Zahlenangabe zugänglich gemacht. Demgegenüber haben die
Gemeinschaftsorgane im vorliegenden Fall die bei der Berechnung des
Referenzpreises berücksichtigten Kostenelemente zugänglich gemacht, da sie eine
Zahlenangabe in Form eines Prozentsatzes für jedes dieser Elemente, bezogen auf
die Gesamtkosten, bis auf etwa 10 % geliefert haben. Angesichts der Anträge des
Gemeinschaftserzeugers auf vertrauliche Behandlung ist davon auszugehen, daß die
den Klägerinnen im vorliegenden Fall mitgeteilten Angaben zur Zusammensetzung
des Referenzpreises ausreichend waren.
- 112.
- In der Rechtssache, die zum Urteil Al-Jubail Fertilizer/Rat (zitiert in Randnr. 60
dieses Urteils) geführt hat und auf die sich die Klägerinnen ebenfalls berufen,
bestritt der Beklagte nicht, daß die Gemeinschaftsorgane in der Lage waren, der
Klägerin die für die Ausübung ihrer Verteidigungsrechte erforderlichen
Informationen zu übermitteln, da nach seiner Angabe die Kommission diese
Informationen mit einem Schreiben an die Klägerin übersandt hatte. Die
angefochtene Verordnung wurde aber für nichtig erklärt, weil der Beklagte den
Empfang dieses Schreibens durch die Klägerin nicht bewiesen hatte. Im
vorliegenden Fall hingegen behauptet der Beklagte, daß die Gemeinschaftsorgane
durch die Pflicht zur Vertraulichkeit gehindert gewesen seien, bestimmte
Informationen weiterzuleiten.
- 113.
- Im Urteil Nölle schließlich (zitiert in Randnr. 60 dieses Urteils) hat der Gerichtshof
die streitige Verordnung nicht deshalb für ungültig erklärt, weil die
Verteidigungsrechte verletzt worden wären, sondern weil der Normalwert nicht „auf
angemessene und nicht unvertretbare Weise“ im Sinne von Artikel 2 Absatz 5
Buchstabe a der Grundverordnung bestimmt worden war. Die Frage, ob die
Gemeinschaftsorgane im Rahmen der vorliegend anzuwendenden Vorschriften ihr
Ermessen bei der Bestimmung des Normalwerts nicht überschritten haben, ist im
Rahmen des folgenden Klagegrundes zu prüfen, mit dem eine Verletzung des
Artikels 2 Absatz 3 der Grundverordnung gerügt wird.
Berücksichtigung bestimmter Startkosten des Gemeinschaftserzeugers beim
Referenzpreis und Abschreibungen (vgl. Randnr. 65 vierter und fünfter
Gedankenstrich dieses Urteils)
- 114.
- In ihrer Stellungnahme vom 2. April 1991 (vgl. Randnr. 31 dieses Urteils) haben
NSC und NSAG erklärt, HSC habe beträchtliche Startkosten und -schwierigkeiten
auf sich nehmen müssen, Startkosten für die Fabrik dürften aber bei der
Berechnung des Referenzpreises nicht berücksichtigt werden. Auch die
Anwaltskosten, die HSC aufgewandt habe, um die Klägerinnen vor Gericht zu
bringen, könnten nicht als Produktionskosten betrachtet werden und seien auf
jeden Fall zeitlich zu verteilen. Andererseits haben sie keine näheren Angaben zu
den Grundannahmen und den Methoden der Berücksichtigung der Startkosten bei
der Berechnung des Referenzpreises (insbesondere nicht bezüglich der
Abschreibungsmethoden und der Gründe, weshalb die Gemeinschaftsorgane eine
Abschreibungsfrist von zehn Jahren zugrunde gelegt hatten) und auch nicht zu den
beiden berücksichtigten Startkostenarten verlangt.
- 115.
- Mit Schreiben vom 18. April 1991 (vgl. Randnr. 32 dieses Urteils) hat die
Kommission darauf hingewiesen, daß die Startkosten einschließlich der
Anwaltskosten insgesamt mit Ausnahme zweier nach niederländischem Recht
abgeschriebener Posten von der Berechnung ausgenommen worden seien.
- 116.
- Soweit daher die Stellungnahme von NSC und NSAG vom 2. April 1991 überhaupt
als Antrag auf Unterrichtung im Sinne von Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe b der
Grundverordnung zu werten ist, hat die Kommission diesem mit ihrem Schreiben
vom 18. April 1991 voll entsprochen.
Bei verbundenen Unternehmen gekaufte Ausgangsstoffe (vgl. Randnr. 66 vierter
Gedankenstrich dieses Urteils)
- 117.
- Die Klägerinnen können den Gemeinschaftsorganen nicht vorwerfen, ihnen keine
Informationen zu dem Anteil der vom Gemeinschaftserzeuger bei verbundenen
Lieferanten gekauften Ausgangsstoffe gegeben zu haben, da sie keinen Antrag auf
Unterrichtung in diesem besonderen Punkt gestellt haben.
c) Ergebnis
- 118.
- Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Gemeinschaftsorgane angesichts der
ungewöhnlichen Besonderheiten des Marktes (vgl. Randnrn. 85 und 86 dieses
Urteils) und der ausgezeichneten Marktkenntnis der Klägerinnen, die diese in die
Lage versetzte, die gegebenenfalls erforderlichen einschlägigen Zusatzinformationen
zu erbitten, ihren Informationspflichten aus Artikel 7 Absatz 4 Buchstaben a und
b der Grundverordnung nachgekommen sind.
- 119.
- Demgemäß ist der Klagegrund zurückzuweisen.
Zum Klagegrund einer Verletzung des Artikels 2 Absatz 3 der Grundverordnung
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
- 120.
- Die Klägerinnen machen geltend, der Beklagte habe, indem er bei der Bestimmung
des Normalwerts die auf dem Binnenmarkt der Vereinigten Staaten angewandten
Preise mit den Preisen auf dem Gemeinschaftsmarkt verglichen habe, einen
offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, wesentliche Punkte nicht
berücksichtigt und gegen den Vertrag und die Grundverordnung verstoßen.
- 121.
- Die auf dem Markt der Vereinigten Staaten angewandten Preise ermöglichten
keinen zulässigen Vergleich im Sinne des Artikels 2 Absatz 3 Buchstaben a und b
der Grundverordnung und seien nicht das Ergebnis normaler Handelsgeschäfte. Im
Gegensatz zu dem von einem vollständigen Wettbewerb geprägten
Gemeinschaftsmarkt sei der amerikanische Markt wegen des Aspartampatents
monopolistisch geprägt gewesen. Für einen Markt ohne Wettbewerb müßten die
Gemeinschaftsorgane das Dumping auf der Grundlage eines rechnerisch ermittelten
Wertes feststellen. Der Vergleich der auf zwei unterschiedlich strukturierten
Märkten praktizierten Preise sei untersagt, was der Gerichtshof übrigens im Urteil
Brothers Industries/Rat (zitiert in Randnrn. 106 dieses Urteils) anerkannt habe.
Aus der Entscheidung der Kommission in der Sache „Sirup-Birnen aus Australien“
ergebe sich ebenfalls, daß das Kriterium des Wettbewerbs wesentlich sei. Auch im
Recht der Vereinigten Staaten sei anerkannt, daß Preise nicht verglichen werden
dürften, ohne die Auswirkungen des Schutzes des geistigen Eigentums zu
berücksichtigen (Sache Lightweight Polyester Filament Fabric from Japan, 49 Fed.
Reg. 472, 1984; Sache Generic Cephalexin Capsules from Canada, 53 Fed. Reg.
47562, 1988).
- 122.
- Das Patent berechtige seinen Inhaber, den Preis um einen Vergütungszuschlag für
seine Erfindung zu erhöhen. Die Bestimmung des Normalwerts auf der Grundlage
der im Rahmen eines Patentschutzes praktizierten Preise bestrafe den Erfinder, der
sein Patentrecht nutze, obwohl weder das Gemeinschaftsrecht noch das GATT von
einem Patentinhaber verlangten, bei der Ausfuhr auf dieses Recht zu verzichten.
Die Forderung, ein Patentinhaber solle in der Gemeinschaft über dem Marktpreis
verkaufen, stelle eine Diskriminierung zu Lasten ausländischer Patentinhaber dar
und verschaffe den Gemeinschaftsproduzenten einen unverdienten Vorteil.
- 123.
- Schließlich habe der Beklagte seine Begründungspflicht (Artikel 190 des Vertrages)
verletzt, weil er nicht die Gründe für seine Auffassung angegeben habe, daß die
Preise für unter Patentschutz stehende Waren mit den Ausfuhrpreisen für die
Gemeinschaft vergleichbar seien.
- 124.
- Der Beklagte hält diesen Klagegrund für nicht stichhaltig. Der Normalwert sei
keineswegs in rechtswidriger Weise bestimmt worden, da er aufgrund von Preisen
berechnet worden sei, die sich aus den normalen Marktkräften ergäben und einen
zulässigen Vergleich ermöglichten.
- 125.
- Die Streithelferin fügt hinzu, es gebe keinen Grund, weshalb der Normalwert nicht
auf Preise gestützt werden könne, die durch Patente beeinflußt seien, sofern diese
Preise der wirklichen Marktsituation im Ausfuhrland entsprächen.
Würdigung durch das Gericht
- 126.
- Die Grundverordnung macht die Erhebung von Antidumpingzöllen von keiner
anderen Voraussetzung abhängig als von der schadenverursachenden Abweichung
der Preise auf dem Binnenmarkt (im vorliegenden Fall dem der Vereinigten
Staaten) von den Preisen auf dem Ausfuhrmarkt (im vorliegenden Fall dem
Gemeinschaftsmarkt).
- 127.
- Die Kriterien der Marktstruktur oder des Wettbewerbsgrads sind als solche nicht
entscheidend, um der Methode des rechnerisch ermittelten Normalwerts den
Vorzug vor der des auf tatsächlichen Preisen beruhenden Normalwerts zu geben,
falls letztere das Ergebnis der Marktkräfte sind. Wie die Kommission nämlich in
ihrer Verordnung erwogen hat (Randnr. 16 der Begründung, bestätigt in Randnr.
8 der Begründung der Verordnung des Rates), ist „ein Unterschied in der
Preiselastizität zwischen dem US- und dem EG-Markt“ eine „Vorbedingung für
eine Preisdifferenzierung“ und könnten, wenn dafür Anpassungen vorgenommen
würden, „Dumpingpraktiken niemals sanktioniert werden“. Da die Klägerinnen
nicht nachgewiesen haben, daß die bei der Bestimmung des Normalwerts zugrunde
gelegten Preise nicht das Ergebnis der Marktkräfte waren oder nicht die
tatsächliche Marktsituation in den Vereinigten Staaten wiedergaben, bestand kein
Grund, den Normalwert zu berechnen, statt sich auf die auf dem Markt der
Vereinigten Staaten tatsächlich gezahlten Preise zu stützen.
- 128.
- Schließlich hat die angefochtene Verordnung die Klägerin NSC keineswegs um ihr
amerikanisches Patent gebracht, da sie nicht in ihr Recht, jeden Dritten bis zum
Ablauf des Patents an der Produktion und am Vertrieb von Aspartam in den
Vereinigten Staaten zu hindern, noch in ihr Recht eingegriffen hat, ihre Preise auf
diesem Markt zu maximieren. Insoweit gestattet es das durch das Patent verliehene
Produktions- und Vertriebsmonopol seinem Inhaber, Forschungs- und
Entwicklungskosten nicht nur für erfolgreiche, sondern auch für gescheiterte
Projekte wieder hereinzubringen. Wirtschaftlich gesehen ist dies ein weiterer
Grund, sich bei der Bestimmung des Normalwerts auf die im Rahmen eines Patents
praktizierten Preise zu stützen.
- 129.
- Die Klägerinnen haben daher nicht dargetan, daß die Gemeinschaftsorgane einen
Rechtsfehler oder einen offensichtlichen Beurteilungsfehler bezüglich der Tatsachen
begangen hätten, als sie den Normalwert des eingeführten Aspartam anhand der
in den Vereinigten Staaten unter Patentschutz praktizierten Preise bestimmten.
- 130.
- Zur Rüge einer unzureichenden Begründung der Heranziehung dieser Preise als
Grundlage des Normalwerts ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger
Rechtsprechung die nach Artikel 190 des Vertrages erforderliche Begründung die
Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den angefochtenen Rechtsakt
erlassen hat, so klar und unzweideutig wiedergeben muß, daß die Betroffenen zur
Wahrnehmung ihrer Rechte die tragenden Gründe für die Maßnahme
kennenlernen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrolle ausüben kann
(Urteile des Gerichtshofes vom 26. Juni 1986 in der Rechtssache 203/85, Nicolet
Instrument, Slg. 1986, 2049, Randnr. 10, vom 7. Mai 1987 in der Rechtssache
240/84, NTN Toyo Bearing u. a./Rat, Slg. 1987, 1809, Randnr. 31, und in der
Rechtssache 255/84, Nachi Fujikoshi/Kommission, Slg. 1987, 1861, Randnr. 39).
- 131.
- Im vorliegenden Fall bestätigt die angefochtene Verordnung (Randnr. 8 der
Begründung) die Randnummern 12 bis 19 der Begründung der Verordnung der
Kommission.
- 132.
- In Randnummer 18 der Begründung ihrer Verordnung führt die Kommission zu
dem Vorbringen, daß die amerikanischen Preise wegen des in den Vereinigten
Staaten bestehenden Patentschutzes für Aspartam nicht wirklich vergleichbar seien,
folgendes aus:
„Die Kommission kann diese Behauptung nicht akzeptieren. Schadenverursachende
Preisdiskriminierung wird vom Gemeinschaftsrecht und dem internationalen Recht
unabhängig von den Gründen einer solchen Diskriminierung verurteilt. Das Patent
in den USA bestimmt nicht als solches die Höhe des Inlandspreises. Wenn der
Ausführer seine Position als Patentinhaber dazu benutzt, auf dem Inlandsmarkt
höhere Preise als beim Export in Rechnung zu stellen, so ist dies seine eigene freie
Geschäftsentscheidung. Es besteht kein Grund, auf diese Preisdifferenzierung nicht
die Antidumpingvorschriften anzuwenden, soweit sie zu einer bedeutenden
Schädigung des Industriezweigs der Gemeinschaft führt.“
- 133.
- Diese Umstände machten es den Betroffenen möglich, zur Wahrnehmung ihrer
Rechte die Gründe für die Maßnahme kennenzulernen, und dem
Gemeinschaftsrichter, seine Kontrolle auszuüben. Die Verordnung ist daher in
diesem Punkt ausreichend begründet.
- 134.
- Folglich ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.
Zu den Klagegründen einer Verletzung des Vertrages und der Artikel 2 Absatz 1, 4 und
13 der Grundverordnung sowie einer fehlerhaften Berechnung des Antidumpingzolls
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
- 135.
- Die Klägerinnen sind erstens der Auffassung, daß die Gemeinschaftsorgane zumeinen die von ihnen vorgelegten Beweise offensichtlich fehlerhaft beurteilt und zum
anderen gegen die Vorschriften des Antidumpingkodex des GATT und der
Grundverordnung über die Schadensfeststellung verstoßen hätten.
- 136.
- Diese Beweise hätten belegt, daß der Gemeinschaftserzeuger keinen wesentlichen
Schaden erlitten habe und seine Ergebnisse so gut gewesen seien, wie er sie
vernünftigerweise habe erwarten können. HSC habe vernünftigerweise für das Jahr
nach dem Produktionsstart nicht mit einem Gewinn und noch weniger mit einem
Gewinn in Höhe von 8 % rechnen können.
- 137.
- Bei Beginn der Untersuchung habe der Gemeinschaftserzeuger nämlich seit
weniger als sechs Monaten produziert gehabt und sei daher immer noch in der
Startphase gewesen. Als Neuling auf dem Markt habe er mit zahlreichen
Hindernissen zu tun gehabt, wie mit dem Technologievorsprung der Klägerinnen,
dem Fehlen von Skalenerträgen in der Startphase und einer Unerfahrenheit. Er sei
selbst unter Berücksichtigung einer relativ schwachen Auslastung der
Produktionskapazitäten ineffektiv gewesen. Seine Kosten seien ungewöhnlich hoch
gewesen (in Randnr. 49 der Begründung der Kommissionsverordnung sei von
erheblichen Startkosten die Rede). Insbesondere seine Finanzierungskosten hätten
zwischen 5 % und 15 % seiner gesamten Kosten betragen, was auf starke
Verschuldung hindeute.
- 138.
- Der Gemeinschaftserzeuger sei auf einem Markt tätig geworden, der durch einen
Rückgang der Aspartampreise aufgrund der Marktkräfte gekennzeichnet gewesen
sei. Der Wettbewerb zahlreicher anderer wirksamer und kostengünstiger Süßstoffe
auf dem Gemeinschaftsmarkt infolge des Fehlens starker gesetzlicher
Beschränkungen und des Umstands, daß die Verbraucher in der Gemeinschaft sich
weniger Sorgen um die gesundheitlichen Auswirkungen dieser Erzeugnisse als die
amerikanischen oder japanischen Verbraucher machten, habe zu einem erheblichen
Preisrückgang seit 1983, d. h. fünf Jahre vor Produktionsstart der HSC, geführt.
- 139.
- Trotz dieser Umstände habe der Gemeinschaftserzeuger bei den
Aspartamverkäufen einen erheblichen Marktanteil erlangt. Es sei nicht
nachgewiesen, daß der Rückgang der Nachfrage, der bei höheren Preisen zu
erwarten gewesen wäre, nicht jede Einnahmenerhöhung und a fortiori eine Lösung
des Problems der unzureichenden Auslastung der Produktionskapazitäten von HSC
ausgeschlossen hätte. Darüber hinaus seien wegen des baldigen Ablaufs des Patents
von NSC die Perspektiven des Gemeinschaftserzeugers, seine Verkäufe auf den
besonders lukrativen Markt der Vereinigten Staaten auszudehnen und gesteigerte
Skalenerträge zu erzielen, günstig gewesen.
- 140.
- Aus den von ihnen vorgelegten Beweisen, insbesondere aus der Untersuchung von
McKinsey (vgl. Randnr. 9 dieses Urteils), ergebe sich, daß ein Neuling auf einem
sich entwickelnden Markt ein Erreichen der Rentabilitätsschwelle in den ersten
Tätigkeitsjahren nicht erwarten dürfe. Es sei illusorisch, an die Möglichkeit zu
denken, Kunden etablierter Erzeuger ohne beträchtliche Preisunterbietung zu
gewinnen. Im übrigen würde sich ein Zweitanbieter, der seinen Marktanteil durch
Preisunterbietung vergrößern wolle, der Gefahr aussetzen, die Grundtendenz der
Preise zu verstärken und nicht mehr als einen symbolischen Marktanteil zu
gewinnen, zumal die Preise bereits wegen des Wettbewerbs von Substituten niedrig
gewesen seien.
- 141.
- In ihrer Erwiderung werfen die Klägerinnen den Gemeinschaftsorganen vor, sie
hätten nicht die Gründe angegeben, aus denen HSC eine höhere Auslastung ihrer
Produktionskapazitäten erreichen oder sofort in der Lage sein sollte, alles
Aspartam, das sie erzeugen könne, auch zu verkaufen.
- 142.
- Zweitens tragen die Klägerinnen vor, daß die Kommission zu Unrecht behauptet
habe, daß die streitigen Einfuhren ursächlich für die behauptete Schädigung seien,
und insbesondere, daß „die Senkung der Ausfuhrpreise von NSAG mit dem
Erscheinen des Antragstellers auf dem Gemeinschaftsmarkt zusammentraf“
(Randnr. 45 der Begründung der Verordnung der Kommission).
- 143.
- Außerdem sei die Erwägung, daß sich der Wettbewerb im Anschluß an den Ablauf
der Patente zwischen 1986 und 1988 verschärft habe (Randnr. 54 der Begründung
der Verordnung der Kommission) unvereinbar mit dem Schluß, daß die streitigen
Einfuhren ursächlich für den Preisrückgang seien. Auf dem Markt der Vereinigten
Staaten hätten demgegenüber der Anstieg der Nachfrage, das Verbot der
Cyclamate und das Patent von NSC einen Preisanstieg gefördert.
- 144.
- Die Gemeinschaftsorgane hätten in der Vergangenheit ähnliche Faktoren wie im
vorliegenden Fall berücksichtigt, insbesondere die innergemeinschaftliche
Konkurrenz und sehr hohe Kosten der Gemeinschaftserzeuger, und einen
Kausalzusammenhang zwischen den betreffenden Einfuhren und der Schädigung
der Gemeinschaftserzeugung verneint (Entscheidung 86/344/EWG der Kommission
vom 17. Juli 1986 zur Einstellung des Antidumpingverfahrens betreffend die
Einfuhren von Portlandzement mit Ursprung in der Deutschen Demokratischen
Republik, Polen und Jugoslawien [ABl. L 202, S. 43; Nr. 24 der Begründung]).
- 145.
- Drittens rügen die Klägerinnen einen Verstoß der Gemeinschaftsorgane gegen
Artikel 13 Absatz 3 der Grundverordnung, da sie den für die Beseitigung der
Schädigung erforderlichen Betrag des Antidumpingzolls zu hoch angesetzt hätten.
Dieser Zoll sei nämlich aufgrund eines Referenzpreises festgesetzt worden, bei
dessen Berechnung die Gemeinschaftsorgane die Kosten des
Gemeinschaftserzeugers zugrunde gelegt hätten. Angesichts der Überhöhung dieser
Kosten hätte der Referenzpreis aufgrund der Kosten eines der Ausführer oder
eines Erzeugers gleichartiger Waren bestimmt werden müssen oder, hilfsweise, dem
in der Gemeinschaft angewandten Preis oder, falls Preisunterbietungen vorgelegen
hätten, dem um die festgestellte Unterbietung erhöhten Preis in der Gemeinschaft
angepaßt werden müssen, wie dies die Gemeinschaftsorgane in anderen Sachen
getan hätten (Verordnung [EWG] Nr. 3232/89 der Kommission vom 24. Oktober
1989 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren kleiner
Farbfernsehempfangsgeräte mit Ursprung in der Republik Korea [ABl. L 314, S. 1],
Verordnung [EWG] Nr. 129/91 der Kommission vom 11. Januar 1991 zur
Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren kleiner
Farbfernsehempfangsgeräte mit Ursprung in Hongkong und der Volksrepublik
China [ABl. L 14, S. 31]). In manchen Sachen hätten die Gemeinschaftsorgane
sogar die Kosten des leistungsstärksten Erzeugers zugrunde gelegt.
- 146.
- Selbst wenn man unterstelle, daß die Einfuhren allein den behaupteten Schaden
verursacht hätten, sei der Referenzpreis trotzdem unzutreffend. Da die von den
Gemeinschaftsorganen zugrunde gelegten Produktionskosten so übersetzt seien,
könne nur ein Rechenfehler vorliegen.
- 147.
- Der Beklagte und die Streithelferin weisen diese Klagegründe zurück. Sie tragen
im wesentlichen vor, daß sie eine Schädigung sowie einen Kausalzusammenhang
zwischen dieser und den gedumpten Einfuhren festgestellt und bei der Berechnung
des Antidumpingzolls ordnungsgemäß berücksichtigt hätten, daß der
Gemeinschaftserzeuger ein Neuling auf dem Markt gewesen sei und daß seine
Effektivität folglich geringer als die der Klägerinnen gewesen sei. Sie bestreiten im
übrigen, daß der Wettbewerb anderer Süßstoffe bei den Preisen intensiv gewesen
sei und dies für die Schädigung ursächlich sein könne.
Würdigung durch das Gericht
- 148.
- Die Ermittlung der Schädigung und des Vorliegens eines Kausalzusammenhangs
zwischen der Schädigung und den gedumpten Einfuhren setzt die Beurteilung
komplexer wirtschaftlicher Fragen voraus, bezüglich deren die Gemeinschaftsorgane
über ein weites Ermessen verfügen (z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 7. Mai 1991
in der Rechtssache C-69/89, Nakajima/Rat, Slg. 1991, I-2069, Randnr. 86, und
Urteil des Gerichts vom 28. September 1995 in der Rechtssache T-164/94,
Ferchimex/Rat, Slg. 1995, II-2681, Randnrn. 111 und 131).
- 149.
- In der angefochtenen Verordnung (Randnr. 26 der Begründung) hat der Beklagte
ausgeführt:
„Bei der Klärung der Frage, ob dem betroffenen Wirtschaftszweig der
Gemeinschaft eine bedeutende Schädigung verursacht worden war, wurden
folgende Faktoren berücksichtigt:
Der Gemeinschaftshersteller begann mit dem Verkauf 1988 und erwarb einen
relativ geringen Anteil am Gemeinschaftsmarkt, der nach wie vor fast ausschließlich
von den Herstellern/Ausführern in den USA und in Japan beliefert wird. Daraufhin
reagierten die amerikanischen Konkurrenten mit einer drastischen Preissenkung,
die dem Wirtschaftszweig der Gemeinschaft erhebliche Verluste verursachte und
ihn daran hinderte, seine Kapazitätsauslastung zu steigern, die ihm
Kosteneinsparungen durch die Produktion größerer Mengen ermöglicht hätte. Am
Ende des Untersuchungszeitraums hatten die Verluste ein Ausmaß erreicht, das die
Lebensfähigkeit des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft unmittelbar in Frage
stellte.“
- 150.
- Bezüglich der angeblichen Ineffektivität des Gemeinschaftserzeugers ist darauf
hinzuweisen, daß der Umstand, daß ein Hersteller der Gemeinschaft mit
Schwierigkeiten zu kämpfen hat, die auch auf andere Ursachen als das Dumping
zurückgehen, kein Grund dafür ist, diesem Hersteller jeden Schutz gegen den durch
das Dumping verursachten Schaden zu versagen (Urteile des Gerichtshofes vom 5.
Oktober 1988, Brother Industries/Rat, zitiert in Randnr. 106 dieses Urteils,
Randnr. 42, und in den Rechtssachen 277/85 und 300/85, Canon u. a./Rat, Slg.
1988, 5731, Randnr. 63).
- 151.
- Im übrigen befand sich der Gemeinschaftserzeuger während des
Untersuchungszeitraums noch in der Startphase. Aus einem Schriftstück, das die
Klägerinnen zur Beantwortung von Fragen des Gerichts vom 22. Januar 1997
vorgelegt haben, geht hervor, daß ihre Produktionskosten während der ersten
beiden Produktionsjahre mehr als zweimal so hoch waren wie ihre
Produktionskosten im Untersuchungszeitraum. Selbst wenn also anzunehmen wäre,
wie die Klägerinnen behaupten, daß ihre Produktionskosten ungefähr zweimal so
niedrig waren wie die des Gemeinschaftserzeugers im Untersuchungszeitraum, so
hätten die Gemeinschaftsorgane doch dadurch, daß sie sich auf dessen Kosten
gestützt haben, um den Referenzpreis festzulegen, bei dessen Unterschreitung von
einer Schädigung auszugehen war, ihr Ermessen nicht überschritten.
- 152.
- Was die Konkurrenz kostengünstigerer Süßstoffe betrifft, so ist der Beklagte, wie
sich aus Randnummer 31 der Begründung der angefochtenen Verordnung ergibt,
davon ausgegangen, daß die Präsenz anderer Intensivsüßstoffe auf dem Markt den
Preis für Aspartam nicht entscheidend beeinflußt hat und daß sie nicht für den
Preisverfall zu dem Zeitpunkt, als der Gemeinschaftserzeuger mit dem Verkauf
begann, verantwortlich war. In seinen Antworten auf die Fragen des Gerichts vom
22. Januar 1997 und in der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte erläutert,
daß die Konkurrenz anderer Süßstoffe durch die besonderen Eigenschaften von
Aspartam, namentlich durch seinen Geschmack, beschränkt gewesen sei.
- 153.
- Wegen der geschmacklichen Vorzüge von Aspartam ist der Schluß des Beklagten,
daß die Aspartamnachfrage nicht entscheidend durch die Marktpräsenz anderer,
billigerer Intensivsüßstoffe beeinträchtigt worden sei, plausibel, wenn man die
folgenden, den Akten zu entnehmenden Gesichtspunkte berücksichtigt,
insbesondere die Tabellen des im März 1997 von dem Beratungsunternehmen LMC
International im Auftrag der Klägerinnen zur Beantwortung der Fragen des
Gerichts vom 22. Januar 1997 erstellten Berichts. Erstens hat sich Aspartam auf
dem Markt durchgesetzt, obwohl es teurer als andere Süßstoffe war. Zweitens
kaufen die Süßstoffverbraucher nicht nur die billigsten Süßstoffe, denn die
Aspartamnachfrage in der Gemeinschaft ist nach der Einführung von
Antidumpingzöllen sogar gestiegen. Drittens ist der Kostenanteil eines
Intensivsüßstoffs an den Gesamtkosten des Endprodukts marginal.
- 154.
- Unter diesen Umständen ist es auch plausibel, daß ein Erzeuger von Aspartam,
selbst wenn er neu auf dem Markt ist, binnen 18 Monaten einen Gewinn von 8 %
erzielen kann, zumal dieser Prozentsatz aufgrund fiktiver Produktionskosten
errechnet worden ist, die auf der Annahme einer Vollauslastung der
Produktionskapazitäten beruhen. Die Plausibilität dieser Schlußfolgerung wird
durch die Erwägung gestützt, daß bei Ankunft eines Neulings auf einem
monopolistischen Markt eine günstige Aufnahme durch die Verbraucher zu
erwarten war.
- 155.
- Was den Preisrückgang von Aspartam in der Gemeinschaft betrifft, so haben die
Klägerinnen die Erläuterung, die der Beklagte in seinen Antworten auf die Fragen
des Gerichts vom 22. Januar 1997 gegeben hat und wonach der Kostenrückgang
den Preisverfall zwischen 1983 und 1987, nicht aber den späteren Verfall erklären
könne, nicht angegriffen. Auch der Behauptung des Beklagten, daß sich das Gefälle
von Preisrückgang und Produktionskostenrückgang seit 1986 bei Beschleunigung
des ersten Rückgangs im Vergleich zum letzten verstärkt habe, haben sie nicht
widersprochen.
- 156.
- Auch wenn die Behauptung, daß „die Senkung der Ausfuhrpreise von NSAG mit
dem Erscheinen des Antragstellers auf dem Gemeinschaftsmarkt zusammentraf“
(Randnr. 45 der Begründung der Verordnung der Kommission und Randnr. 30 derBegründung der Verordnung des Rates), vielleicht nicht nuanciert genug ist, so ist
wiederum die Aussage, daß „für die Entscheidung, die Preise auf ein nicht mehr
kostendeckendes Niveau zu senken, eindeutig NSAG und die amerikanischen und
japanischen Hersteller verantwortlich [sind], und die Auswirkungen einer derartigen
Preispolitik nicht den Schwierigkeiten in dem Fertigungsprozeß von HSC
zugeschrieben werden [können]“ (Randnr. 49 der Begründung der Verordnung der
Kommission und Randnr. 33 der Begründung der Verordnung des Rates), völlig
plausibel.
- 157.
- Die Klägerinnen bestreiten nicht, daß der Vorstandsvorsitzende von NSC 1989
folgendes erklärt hat (vgl. den Artikel der niederländischen Zeitung De Financiële
Telegraaf vom 2. September 1989 in der Anlage zur Klagebeantwortung): „Maar
de prijs is geen punt. Wij zullen zonodig onder de prijs van iedere concurrent
duiken. Dat kunnen we ons veroorloven omdat wij meer dan ieder ander hebben
kunnen investeren in efficiency, daartoe in staat gesteld door de ruime middelen
waarover wij dank zij ons patent konden beschikken“ („Aber der Preis ist kein
Problem. Wir werden nötigenfalls die Preise aller anderen Konkurrenten
unterbieten. Das können wir uns erlauben, weil wir aufgrund der erheblichen
Mittel, über die wir dank unseres Patents verfügen konnten, mehr als alle anderen
in Effektivität investieren konnten“). Sie bestreiten nicht, daß sie die Preise
tatsächlich unterboten (Randnr. 40 der Begründung der Verordnung der
Kommission und Randnr. 26 der Begründung der Verordnung des Rates), die
Ausfuhren in die Gemeinschaft absolut gesteigert (Randnr. 37 der Begründung der
Verordnung der Kommission und Randnr. 26 der Begründung der Verordnung des
Rates) und die Preise erheblich gesenkt haben (Randnr. 39 der Begründung der
Verordnung der Kommission und Randnrn. 26 und 31 der Begründung der
Verordnung des Rates).
- 158.
- Folglich haben die Klägerinnen nicht nachgewiesen, daß der Beklagte mit der
Annahme, daß dem Gemeinschaftserzeuger ein Schaden zugefügt worden sei und
die gedumpten Einfuhren hierfür ursächlich waren, einen Beurteilungsfehler
begangen hätte.
- 159.
- Der Betrag des im vorliegenden Fall festgelegten Zolles entspricht dem
Unterschied zwischen dem Referenzpreis, d. h. dem Mindestpreis, zu dem
Aspartam in die Gemeinschaft eingeführt werden kann, ohne der
Gemeinschaftserzeugung zu schaden, und dem Ausfuhrpreis. Aus den
Ausführungen in den Randnummern 150 bis 158 dieses Urteils ergibt sich, daß
nicht nachgewiesen ist, daß sich die Gemeinschaftsorgane bei der Berechnung des
zur Beseitigung des Schadens erforderlichen Zollbetrags auf ungeeignete
Grundlagen gestützt hätten. Aus der Bemerkung, daß die bei der Ermittlung des
Referenzpreises berücksichtigten Kosten mehr als zweimal so hoch seien wie ihre
eigenen, wollen die Klägerinnen einen möglichen Rechenfehler abgeleitet wissen.
Aus Randnummer 151 dieses Urteils ergibt sich, daß es plausibel ist, wenn die
Produktionskosten eines Aspartamherstellers in der Startphase mehr als zweimal
so hoch sind wie die eines erfahrenen Herstellers. Ein solcher Umstand ist daher
kein hinreichender Beweis für einen Rechenfehler beim Referenzpreis oder auch
nur ein Indiz für einen solchen Fehler.
- 160.
- Die Rüge einer unzureichenden Begründung der Schlußfolgerung, daß HSC einen
höheren Auslastungsgrad ihrer Produktionskapazitäten hätte erreichen können, ist
zum ersten Mal in der Erwiderung erhoben worden. Sie ist also verspätet und
folglich unzulässig. Es besteht daher kein Anlaß, sie zu prüfen.
- 161.
- Nach alledem sind die geprüften Klagegründe zurückzuweisen.
III Klagegründe, die lediglich in der Rechtssache T-159/94 geltend gemacht werden
Zum Klagegrund einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften und des Artikels 190
des Vertrages
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
- 162.
- Die Klägerin Ajico rügt, daß die Gemeinschaftsorgane ihre Verteidigungsrechte
verletzt hätten (Urteil des Gerichtshofes vom 23. Oktober 1974 in der Rechtssache
17/74, Transocean Marine Paint/Kommission, Slg. 1974, 1063, Randnr. 15) und
gegen die am 8. Mai 1984 vom GATT-Ausschuß für Antidumpingmaßnahmen
beschlossene Empfehlung des GATT „Best Information Available in Terms of
Article 6:8“ (GATT, BISD, 31. Lieferung, S. 283) verstoßen hätten. Die Ansicht der
Kommission, daß sie keine ausreichende Kooperationsbereitschaft gezeigt habe,
habe das Organ bewogen, sich nicht auf die Informationen der Klägerin zu stützen
und als Normalwert den auf dem Markt der Vereinigten Staaten praktizierten Preis
heranzuziehen, was zur Festsetzung überhöhter Zölle geführt habe. Diese Ansicht
und die hierauf beruhende Entscheidung beeinträchtigten ihre Interessen erheblich.
Sie sei vor der Veröffentlichung der Verordnung der Kommission hierüber nicht
unterrichtet worden und damit um die Möglichkeit gebracht worden, dazu Stellung
zu nehmen.
- 163.
- Sie habe jedenfalls nach besten Kräften bei den Prüfungen und der Untersuchung
mitgewirkt. Die Kommission habe den Wunsch geäußert, die auf dem japanischen
Markt abgesetzten Mengen sowie die Herstellungskosten zu ermitteln. Bezüglich
ihrer Verkäufe auf dem japanischen Markt habe sie erstens die Statistiken über
den Fabrikversand, zweitens sämtliche Verkaufsrechnungen (2 400 000 Stück) und
drittens die Monatsrechnungen und periodischen Rechnungen für alle Verkäufe je
Kunde auf Mikrofilm jeweils einschließlich der Aspartamverkäufe zur Verfügung
gestellt. Zu den Herstellungskosten habe sie die gesamte Dokumentation über die
Produktionskosten für die beiden Halbjahre des Steuerjahres von Ajico (vom 1.
Oktober 1988 bis 30. September 1989) vorgelegt, die drei Viertel der
Untersuchungszeit entsprochen hätten. Bei der Untersuchung vor Ort hätten
Angaben zu ihren Produktionskosten für die letzten drei Monate des Jahres 1989
ebenfalls zur Verfügung gestanden, allerdings unterschiedslos für alle Erzeugnisse,
da ihr die Zeit gefehlt habe, um spezifisch die Produktionskosten für Aspartam zu
berechnen. Es sei indessen gängige Praxis, die Zahlen bei zeitlicher Abweichung
des Untersuchungszeitraums vom Steuerjahr des betreffenden Unternehmens durch
Hochrechnung bekannter Daten zu ermitteln (Verordnung [EWG] Nr. 112/90 des
Rates vom 16. Januar 1990 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf
die Einfuhren bestimmter CD-Spieler mit Ursprung in Japan und der Republik
Korea und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls [ABl. L 13, S. 21],
Verordnung [EWG] Nr. 2054/91 der Kommission vom 11. Juli 1991 zur Einführung
eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Dihydrostreptomycin mit
Ursprung in der Volksrepublik China [ABl. L 187, S. 23] und Verordnung [EWG]
Nr. 729/92 des Rates vom 16. März 1992 zur Einführung eines endgültigen
Antidumpingzolls auf die Einfuhren von bestimmtem Thermopapier mit Ursprung
in Japan und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Antidumpingzolls
[ABl. L 81, S. 1]).
- 164.
- Der Beklagte und die Streithelferin halten diesen Klagegrund im wesentlichen
deshalb für unbegründet, weil in der angefochtenen Verordnung als
Rechtsgrundlage für die Ermittlung des Normalwerts nicht Artikel 7 Absatz 7
Buchstabe b der Grundverordnung herangezogen worden sei, der es den
Gemeinschaftsorganen gestatte, sich bei unzureichender Kooperation auf die
verfügbaren Informationen zu stützen, sondern Artikel 2 Absatz 6 dieser
Verordnung.
Würdigung durch das Gericht
- 165.
- Mit diesem Klagegrund wird eine Verletzung der Verteidigungsrechte gerügt, weil
die Klägerin nicht die Möglichkeit gehabt habe, zur Ansicht der Kommission, sie
habe nicht ausreichend kooperiert, Stellung zu nehmen.
- 166.
- In der angefochtenen Verordnung ist indessen der Normalwert nicht gemäß Artikel
7 Absatz 7 Buchstabe b der Grundverordnung, der es den Gemeinschaftsorganen
gestattet, sich bei unzureichender Kooperation des betreffenden Beteiligten auf die
verfügbaren Informationen zu stützen, sondern gemäß Artikel 2 Absatz 6 dieser
Verordnung ermittelt worden.
- 167.
- Folglich hätte es keine Auswirkung auf die angefochtene Verordnung gehabt, wenn
der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt worden wäre, sich zu der streitigen
Ansicht zu äußern. Selbst wenn daher die Gemeinschaftsorgane der Klägerin diese
Möglichkeit versagt haben sollten, worüber hier nicht entschieden werden muß,
hätte dieses Verhalten die Schlußfolgerungen, zu denen der Rat in der
angefochtenen Verordnung gelangt ist, in keiner Weise verändert.
- 168.
- Demgemäß ist der Klagegrund zurückzuweisen.
Zum Klagegrund einer Verletzung des Artikels 2 Absatz 6 der Grundverordnung
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
- 169.
- Die Klägerin Ajico legt dar, daß die Gemeinschaftsorgane gemäß Artikel 2 Absatz
6 der Grundverordnung und nach dem GATT den Normalwert anhand eines
vergleichbaren Preises zu ermitteln haben.
- 170.
- Im vorliegenden Fall sei der Verkaufspreis für Aspartam in den Vereinigten
Staaten wegen des Patents, das NSC für diesen Markt zustehe, nicht vergleichbar
gewesen. Da dieses Patent es ihr darüber hinaus unmöglich gemacht habe,
Aspartam in den Vereinigten Staaten an Dritte zu verkaufen, hätten die von ihr
angewandten Preise die Preise von NSC für dieses Land weder beeinflussen
können, noch hätten sie von diesen beeinflußt werden können, sondern sie seien
das Ergebnis der Kräfte des japanischen Marktes gewesen. Es sei daher
unangemessen, der Klägerin die Auswirkungen der besonderen Wirtschafts- und
Rechtslage in den Vereinigten Staaten anzulasten.
- 171.
- Da der Preis für den Markt der Vereinigten Staaten nicht vergleichbar gewesen sei,
hätte der Normalwert anhand des Preises im Ursprungsland ermittelt werden
müssen.
- 172.
- Diese Lösung hätte um so näher gelegen, als Aspartam aus Japan lediglich im
Durchfuhrverkehr durch die Vereinigten Staaten versandt werde. Der in Artikel 2
Absatz 6 der Grundverordnung verwendete Ausdruck Durchfuhrverkehr gelte für
Situationen, bei denen Lieferungen nach einem Durchfuhrland keinen Einfluß auf
die Marktbedingungen dieses Landes ausübten noch von diesen beeinflußt würden.
- 173.
- Genau dies habe im vorliegenden Fall gegolten, weil das aus Japan versandte
Aspartam nicht zum Wiederverkauf in den Vereinigten Staaten bestimmt gewesen
sei, sondern NSC lediglich habe ermöglichen sollen, in den Genuß der
amerikanischen Regelung der Einfuhrzollerstattung zu gelangen. Ihre Beteiligung
am Kapital des gemeinsamen Unternehmens NSAG habe es ihr wegen des Patents
für die Vereinigten Staaten ebenfalls nicht ermöglicht, Einfluß auf die Preise zu
nehmen. Das von ihr an NSC zum Weiterverkauf in den Vereinigten Staaten
gelieferte Aspartam habe keine Beziehung zu den Lieferungen von Aspartam
zwecks Weiterverkaufs in der Gemeinschaft. Diese Lieferungen seien nicht nur
getrennt verbucht, sondern auch mit einem anderen Preis in Rechnung gestellt
worden. Sie habe die Kontrolle über diese Lieferungen nach der Belieferung von
NSC weiterhin in der Hand gehabt, weil diese vertraglich zum sofortigen
Weiterverkauf an die Deutsche Ajinomoto GmbH, ihre Tochtergesellschaft in
Europa, verpflichtet gewesen sei, die sie ihrerseits an NSAG habe weiterliefern
müssen. Zwar sei das Aspartam aus Japan in größere Behälter umgepackt oder zur
Erleichterung des Umschlags in Granulat umgearbeitet worden, jedoch nur zu
einem sehr geringen Anteil von 1,4 % oder 7 %. Diese Praxis habe darüber hinaus
nur von November 1988 bis Dezember 1989, also etwa während des gesamten
Untersuchungszeitraums, angehalten und nur dazu gedient, den Wünschen von
Kunden in der Gemeinschaft zu entsprechen, die nach Verschiffung der Ladungen
aus Japan geäußert worden seien.
- 174.
- Da jedoch zum einen die Verkaufsmenge auf dem Markt des Ursprungslandes 5 %
der Umsätze auf dem Gemeinschaftsmarkt nicht erreicht habe und zum anderen
Artikel 2 Absatz 6 der Grundverordnung es nicht ausschließe, den Normalwert
nach Artikel 2 Absatz 3 dieser Verordnung zu ermitteln, hätte dieser anhand der
um eine angemessene Gewinnspanne erhöhten Herstellungskosten der Klägerin
rechnerisch ermittelt werden müssen. Die Kommission sei, wie beim
vorhergehenden Klagegrund dargelegt, auch in der Lage gewesen, die
Herstellungskosten der Klägerin zu ermitteln.
- 175.
- Der Beklagte und die Streithelferin legen dar, daß die Voraussetzungen für eine
Ermittlung des Normalwerts anhand des tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden
vergleichbaren Preises im Ursprungsland (Japan) gemäß Artikel 2 Absatz 6 der
Grundverordnung im vorliegenden Fall nicht erfüllt gewesen seien, insbesondere
weil das Aspartam während des Untersuchungszeitraums in das Ausfuhrland
(Vereinigte Staaten) nicht nur im Durchfuhrverkehr gelangt sei. Der Beklagte weist
darauf hin, daß die Voraussetzungen für eine Ermittlung des Normalwerts anhand
des tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden vergleichbaren Preises im Ausfuhrland
hingegen vorgelegen hätten, da dieser Preis vergleichbar gewesen sei. Der Beklagte
und die Streithelferin halten diesen Klagegrund folglich für nicht stichhaltig.
Würdigung durch das Gericht
- 176.
- Artikel 2 Absatz 6 der Grundverordnung bestimmt:
„Wird eine Ware nicht unmittelbar aus dem Ursprungsland, sondern aus einemanderen Land in die Gemeinschaft eingeführt, so ist der Normalwert der tatsächlich
gezahlte oder zu zahlende vergleichbare Preis der gleichartigen Ware auf dem
Inlandsmarkt des Ausfuhrlandes oder des Ursprungslandes. Die letztgenannte
Grundlage könnte unter anderem in den Fällen angebracht sein, in denen die Ware
nur Gegenstand eines Durchfuhrverkehrs durch das Ausfuhrland ist oder derartige
Waren im Ausfuhrland nicht hergestellt werden oder wenn es dort keinen
vergleichbaren Preis für sie gibt.“
- 177.
- Es steht fest, daß das von der Klägerin Ajico verkaufte Aspartam nicht unmittelbar
aus dem Ursprungsland (Japan), sondern aus einem anderen Land (Vereinigte
Staaten) in die Gemeinschaft eingeführt worden ist.
- 178.
- Für diesen Fall verfügen die Gemeinschaftsorgane nach Artikel 2 Absatz 6 der
Grundverordnung über ein weites Ermessen und können entweder den tatsächlich
gezahlten oder zu zahlenden Preis des Ausfuhrlandes oder den tatsächlich
gezahlten oder zu zahlenden Preis des Ursprungslandes zugrunde legen, sofern er
vergleichbar ist.
- 179.
- Vorliegend haben die Gemeinschaftsorgane den Normalwert aufgrund des
tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preises auf dem Inlandsmarkt des
Ausfuhrlandes (Markt der Vereinigten Staaten) ermittelt.
- 180.
- Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, daß dieser Preis nicht vergleichbar wäre (vgl.
Randnrn. 126 bis 129 dieses Urteils), da sie lediglich behauptet hat, dieser Preis
könne nicht herangezogen werden, weil die betreffende Ware dort durch ein Patent
geschützt sei.
- 181.
- Darüber hinaus waren die Voraussetzungen, die es den Gemeinschaftsorganen
ermöglicht hätten, die Preise des Ursprungslandes (Japan) heranzuziehen, im
vorliegenden Fall nicht erfüllt. Das aus Japan stammende Aspartam ist nämlich in
die Vereinigten Staaten nicht einfach nur im Durchfuhrverkehr gelangt, weil es an
einen dort tätigen Wirtschaftsteilnehmer verkauft und außerdem teilweise
umgearbeitet und umgepackt worden ist.
- 182.
- Demgemäß haben die Gemeinschaftsorgane zu Recht den Normalwert auf der
Grundlage des tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preises auf dem Markt der
Vereinigten Staaten ermittelt.
- 183.
- Folglich ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.
IV Klagegründe, die lediglich in der Rechtssache T-160/94 geltend gemacht werden
Zum Klagegrund einer Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften und des Artikels
190 des Vertrages
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
- 184.
- Die Klägerin NSC wirft dem Beklagten vor, er habe sich in seiner Verordnung mit
dem Hinweis begnügt, daß die Kommission die von NSC angebotenen
Verpflichtungen abgelehnt habe, ohne die Gründe für seine eigene Entscheidung
anzugeben, diese Verpflichtungen abzulehnen. Aus den Urteilen des Gerichtshofes
vom 7. Mai 1987 in den Rechtssachen NTN Toyo Bearing u. a./Rat und Nachi
Fujikoshi/Rat (zitiert in Randnr. 130 dieses Urteils) sowie in der Rechtssache
256/84 (Koyo Seiko/Rat, Slg. 1987, 1899) in Verbindung mit dem Urteil vom 14.
März 1990 in der Rechtssache C-156/87 (Gestetner Holdings/Rat und Kommission,
Slg. 1990, I-781) ergebe sich, daß die endgültige Entscheidung über die Ablehnung
einer Verpflichtungserklärung, die die Interessen der Klägerin erheblich
beeinträchtige, Sache des Rates sei. Der Beklagte habe seine Entscheidung in
diesem Punkt begründen müssen, um dem Gemeinschaftsrichter seine Kontrolle zu
ermöglichen. Da er dies nicht getan habe, habe er die grundlegenden Rechte der
Verteidigung verletzt.
- 185.
- Außerdem habe der Beklagte sich nicht mit ihrem Vorbringen im Schreiben vom
15. Mai 1991 befaßt, mit dem sie die Gründe beanstandet habe, die die
Kommission für die Ablehnung der Verpflichtungen angeführt habe. Damit habe
er Artikel 190 des Vertrages und die grundlegenden Rechte der Verteidigung
verletzt. Somit seien die Artikel 1 und 2 der streitigen Verordnung für nichtig zu
erklären.
- 186.
- Der Beklagte und die Streithelferin halten diesen Klagegrund für nicht stichhaltig,
weil die Klägerin eine Stellungnahme erhalten habe, in der die Gründe für die
Ablehnung der Verpflichtung rechtlich zur Genüge dargelegt seien.
Würdigung durch das Gericht
- 187.
- In Randnummer 49 der Begründung der angefochtenen Verordnung heißt es:
„Die Hersteller/Ausführer boten Preisverpflichtungen an, die nach Konsultationen
von der Kommission als nicht annehmbar angesehen wurden. Die Kommission
teilte den Herstellern/Ausführern die Gründe für ihren Beschluß mit.“
- 188.
- Dieser Hinweis auf die von der Kommission mitgeteilten Gründe ist so zu
verstehen, daß sich der Beklagte ihnen angeschlossen hat.
- 189.
- Diese Gründe sind der Klägerin mit Schreiben der Kommission vom 7. Mai 1991
mitgeteilt worden (vgl. Randnr. 33 dieses Urteils). Diesem Schreiben ist im
wesentlichen zu entnehmen, daß die vorgeschlagenen Verpflichtungen wegen der
Wettbewerbsbeschränkungen, die sie für den stark oligopolistischen Aspartammarkt
mit sich gebracht hätten, unannehmbar waren. In dem Schreiben heißt es weiter,
daß diese Verpflichtungen einen der größten Hersteller gezwungen hätten, seine
Preise in einer für den anderen Erzeuger vorhersehbaren Weise festzulegen.
- 190.
- Diese ausführliche Begründung läßt die Gründe des Gemeinschaftsorgans klar und
unzweideutig erkennen und ermöglicht dem Gericht die Ausübung seiner Kontrolle.
Außerdem ergibt sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 15. Mai 1991, daß sie
die Gründe für die Ablehnung der Verpflichtungen tatsächlich verstanden hat, weil
sie ihnen entgegengetreten ist (vgl. Randnr. 34 dieses Urteils). Folglich ist die
Ablehnung der vorgeschlagenen Verpflichtungen als ausreichend begründet
anzusehen (vgl. die in Randnr. 130 dieses Urteils zitierte Rechtsprechung).
- 191.
- Auf jeden Fall konnte sich der Beklagte mit dem Hinweis auf den Beschluß der
Kommission begnügen, da die Annahme von Verpflichtungserklärungen in deren
ausschließliche Zuständigkeit fällt (Beschluß Miwon/Kommission, zitiert in Randnr.
87 dieses Urteils, Randnr. 27).
- 192.
- Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
Zum Klagegrund einer Verletzung der Rechte der Klägerin aus dem Patent, dessen
Inhaberin sie in den Vereinigten Staaten war
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
- 193.
- Die Klägerin NSC macht geltend, die Gemeinschaftsorgane hätten sie durch die
Ermittlung des Normalwerts anhand der Preise in den Vereinigten Staaten
mittelbar gezwungen, auf die Möglichkeit der Maximierung ihrer Preise auf dem
Markt dieses Landes zu verzichten. Dadurch hätten die Gemeinschaftsorgane sie
in rechtswidriger Weise und entschädigungslos bezüglich der Rechte aus ihrem
Patent enteignet. Die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts forderten
aber für jede Enteignung eine Entschädigung (Schlußanträge von Generalanwalt
Capotorti zum Urteil des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1979 in der
Rechtssache 44/79, Hauer, Slg. 1979, 3727, 3752, 3760, Nr. 7).
- 194.
- Aber auch wenn die Entscheidung der Gemeinschaftsorgane nicht als eine solche
Enteignung anzusehen sei, so beeinträchtige sie doch auf jeden Fall die freie
Ausübung ihrer Patentrechte in unverhältnismäßiger Weise. Die
Gemeinschaftsorgane hätten sich auf die Ausfuhrpreise für Drittländer stützen
oder, wie sie vorgeschlagen habe, den Normalwert rechnerisch ermitteln können.
Eine Heranziehung dieser Methoden hätte zu einer weniger spürbaren
Beeinträchtigung der Möglichkeit für die Klägerin geführt, auf dem amerikanischen
Markt aufgrund ihres Patents einen Zuschlag erhalten zu können.
- 195.
- Der Beklagte tritt diesem Vorbringen der Klägerin entgegen und macht im
wesentlichen geltend, er sei verpflichtet gewesen, den Normalwert aufgrund des
tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preises auf dem Markt der Vereinigten
Staaten zu ermitteln. Die Streithelferin ist der Auffassung, daß, wenn mit diesem
Klagegrund die Feststellung begehrt werde, daß die Gemeinschaftsorgane die
Rechte des geistigen Eigentums der Klägerin nach dem Recht der Vereinigten
Staaten verletzt oder unrechtmäßig darüber verfügt hätten, das Gericht nicht
zuständig sei. Der Beklagte und die Streithelferin meinen daher, daß der
Klagegrund zurückzuweisen sei.
Würdigung durch das Gericht
- 196.
- Die Klägerin hat nicht dargetan, inwieweit sie daran gehindert gewesen wäre, die
Rechte aus ihrem Patent auszuüben. Sie hat lediglich behauptet, daß die
angefochtene Verordnung sie daran hindere, ihre Preise auf dem Markt der
Vereinigten Staaten zu maximieren. Selbst wenn anzunehmen wäre, daß zu den
Rechten aus ihrem Patent in den Vereinigten Staaten auch die Befugnis gehört
hätte, ihre Preise auf dem Markt dieses Landes zu maximieren, so ist diese
Behauptung doch tatsächlich unrichtig. Keine der streitigen
Antidumpingmaßnahmen hat nämlich die Möglichkeiten von NSC beschränkt, die
Preise auf diesem Markt zu praktizieren, die sie für richtig hielt.
- 197.
- Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
Kosten
- 198.
- Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen
unterlegen sind und der Beklagte beantragt hat, sie zur Tragung der Kosten zu
verurteilen, sind den Klägerinnen außer ihren eigenen Kosten auch die Kosten des
Beklagten aufzuerlegen. Gemäß Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung tragen die
Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten;
demnach ist zu entscheiden, daß die Streithelferin ihre eigenen Kosten trägt.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Fünfte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Klägerinnen tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates.
3. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten.
García-Valdecasas Tiili
Azizi
Moura Ramos Jaeger
|
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. Dezember 1997.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
J. Azizi
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt und Verfahren
II -
Das Erzeugnis
II -
Marktbeteiligte und Markt
II -
Verwaltungsverfahren
II -
Maßgebliche Antidumpingverordnungen
II -
1. Allgemeines
II -
2. Verordnung der Kommission
II -
3. Verordnung des Rates
II -
Gerichtliches Verfahren
II -
Anträge der Parteien
II -
Zur Begründetheit
II -
I Zusammenfassung der Klagegründe
II -
II Die den beiden Rechtssachen gemeinsamen Klagegründe
II -
Zu den Klagegründen einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften sowie der
Artikel 7 Absatz 4 Buchstaben a und b und 8 Absatz 4 der
Grundverordnung
II -
A Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
II -
B Würdigung durch das Gericht
II -
1. Zu den Besonderheiten des relevanten Marktes und ihrer Wirkung
II -
2. Zur angeblich unzureichenden Information vor der Einführung
endgültiger Zölle
II -
3. Zur angeblich unzureichenden Information im Hinblick auf Artikel 7
Absatz 4 Buchstabe a der Grundverordnung (Informationen von
HSC)
II -
4. Zur angeblich unzureichenden Information im Hinblick auf Artikel 7
Absatz 4 Buchstabe b der Grundverordnung
II -
a) Voraussetzungen für Anträge auf Unterrichtung
II -
b) Prüfung der im vorliegenden Fall eingereichten Anträge auf
Unterrichtung und der von den Gemeinschaftsorganen erteilten
Auskünfte
II -
i) Allgemeine Auskunftsverlangen
II -
ii) Auskunftsverlangen zu besonderen Punkten
II -
Rügen betreffend die Auskunftsverlangen im Schreiben vom 14.
Dezember 1990
II -
Auslastungsgrad der Kapazitäten (vgl. Randnr. 65 erster
Gedankenstrich dieses Urteils)
II -
Zeitraum für die Erreichung der Rentabilitätsschwelle und der
Erzielung eines Gewinns von 8 % (vgl. Randnr. 65 zweiter
Gedankenstrich dieses Urteils)
II -
Berücksichtigung der dem Gemeinschaftserzeuger gezahlten
Subventionen und deren Vereinbarkeit mit dem Vertrag (vgl.
Randnr. 65 dritter Gedankenstrich dieses Urteils)
II -
Prozentsatz der dem verbundenen Unternehmen DSM gezahlten und
beim Referenzpreis berücksichtigten Gemeinkosten (vgl. Randnr.
66 sechster Gedankenstrich dieses Urteils)
II -
Bemühungen von NSAG um die Marktentwicklung (vgl. Randnr. 66
fünfter Gedankenstrich dieses Urteils)
II -
Rügen bezüglich anderer besonderer Punkte
II -
Detaillierte Zusammensetzung des Referenzpreises
II -
Berücksichtigung bestimmter Startkosten des Gemeinschaftserzeugers
beim Referenzpreis und Abschreibungen (vgl. Randnr. 65 vierter
und fünfter Gedankenstrich dieses Urteils)
II -
Bei verbundenen Unternehmen gekaufte Ausgangsstoffe (vgl. Randnr.
66 vierter Gedankenstrich dieses Urteils)
II -
c) Ergebnis
II -
Zum Klagegrund einer Verletzung des Artikels 2 Absatz 3 der
Grundverordnung
II -
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zu den Klagegründen einer Verletzung des Vertrages und der Artikel 2 Absatz
1, 4 und 13 der Grundverordnung sowie einer fehlerhaften Berechnung des
Antidumpingzolls
II -
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
III Klagegründe, die lediglich in der Rechtssache T-159/94 geltend gemacht
werden
II -
Zum Klagegrund einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften und des
Artikels 190 des Vertrages
II -
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zum Klagegrund einer Verletzung des Artikels 2 Absatz 6 der
Grundverordnung
II -
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
IV Klagegründe, die lediglich in der Rechtssache T-160/94 geltend gemacht
werden
II -
Zum Klagegrund einer Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften und des
Artikels 190 des Vertrages
II -
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zum Klagegrund einer Verletzung der Rechte der Klägerin aus dem Patent,
dessen Inhaberin sie in den Vereinigten Staaten war
II -
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Kosten
II -