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Vorabentscheidungsersuchen der Corte suprema di cassazione (Italien), eingereicht am 5. Juni 2019 – Agenzia delle entrate - Riscossione/Poste Italiane SpA

(Rechtssache C-435/19)

Verfahrenssprache: Italienisch

Vorlegendes Gericht

Corte suprema di cassazione

Parteien des Ausgangsverfahrens

Klägerin (und Kassationsbeschwerdeführerin): Agenzia delle entrate - Riscossione

Beklagte (und Kassationsbeschwerdegegnerin): Poste Italiane SpA

Vorlagefragen

Steht unter Berücksichtigung der Entwicklung der staatlichen Regelung über die Steuererhebung, die zumindest seit 1997 Steuerpflichtigen und auch lokalen Steuerbehörden die Möglichkeit gibt, sich für die Modalitäten der Zahlung und der Erhebung der (auch lokalen) Steuern frei des Banksystems zu bedienen, Art. 14 AEUV (ex Art. 7D des Vertrages, dann Art. 16 EGV) und Art. 106 Abs. 2 AEUV (ex Art. 90 des Vertrages, dann Art. 86 Abs. 2 EGV) sowie der Einordnung als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI) eine Vorschrift wie Art. 10 Abs. 3 Decreto Legislativo (gesetzesvertretendes Dekret) Nr. 504/1992 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 18 bis 20 des Gesetzes Nr. 662/1996 entgegen, wonach – auch infolge der Privatisierung der von der Poste Italiane SpA erbrachten „Bancoposta“-Dienstleistungen (Postbankdienste) – zugunsten der Poste Italiane SpA ein Tätigkeitsvorbehalt (gesetzliche Monopolstellung) eingeräumt und aufrechterhalten wird, der die Führung eines Postgirokontos zum Zwecke der Eintreibung der kommunalen Grundsteuer (ICI) zum Gegenstand hat?

Steht, sollte – in Beantwortung der ersten Frage – davon auszugehen sein, dass die Einführung des gesetzlichen Monopols die Merkmale der DAWI erfüllt, Art. 106 Abs. 2 AEUV (ex Art. 90 des Vertrages, dann Art. 86 Abs. 2 EGV) und Art. 107 Abs. 1 AEUV (ex Art. 92 des Vertrages, dann Art. 87 EGV) in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof im Hinblick auf die Anforderungen an die Unterscheidung einer rechtmäßigen Maßnahme – zum Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen – von einer rechtswidrigen staatlichen Beihilfe (Urteil des Gerichtshofs vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, C-280/00) eine Vorschrift wie Art. 10 Abs. 3 des Decreto Legislativo Nr. 504/1992 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 18 bis 20 des Gesetzes Nr. 662/1996 und Art. 3 Abs. 1 des Decreto del Presidente della Repubblica (Dekret des Präsidenten der Republik) Nr. 144/2001 entgegen, die der Poste Italiane SpA die Befugnis zur einseitigen Festlegung der Höhe der vom Konzessionär (Agent) der Steuereinzugsstelle zur Eintreibung der ICI geschuldeten „Gebühr“ einräumt, die für jeden Vorgang auf dem auf den Konzessionär/Agenten lautenden Konto erhoben wird, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Poste Italiane SpA mit Beschluss Nr. 57/1996 des Vorstands diese Gebühr für den Zeitraum vom 1. April 1997 bis zum 31. Mai 2001 auf 100 Lire und für den Folgezeitraum ab dem 1. Juni 2001 auf 0,23 Euro festgesetzt hat?

Steht Art. 102 Abs. 1 AEUV (ex Art. 86 des Vertrages, dann Art. 82 Abs. 1 EGV) in seiner Auslegung durch den Gerichtshof (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 13. Dezember 1991, GB Inno BM, C-18/88, vom 25. Juni 1998, Chemische Afvalstoffen Dusseldorp, C-203/96, und vom 17. Mai 2001, TNT TRACO, C-340/99) eine Gesamtregelung, bestehend aus Art. 2 Abs. 18 bis 20 des Gesetzes Nr. 662/1996, Art. 3 Abs. 1 des Dekrets des Präsidenten der Republik Nr. 144/2001 und Art. 10 Abs. 3 des DL Nr. 504/1992, entgegen, wonach der Konzessionär (Agent) eine „Gebühr“ zu entrichten hat, die von der Poste Italiane SpA einseitig festgelegt und/oder geändert werden kann, und er den Girokontovertrag nicht kündigen kann, ohne gegen die Verpflichtung aus Art. 10 Abs. 3 des DL Nr. 504/1992 zu verstoßen, was die Nichterfüllung der gegenüber der örtlichen Steuerbehörde übernommenen Verpflichtung zur Eintreibung der ICI zur Folge hätte?

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