SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
NIILO JÄÄSKINEN
vom 24. März 2011(1)
Rechtssache C‑323/09
Interflora Inc,
Interflora British Unit
gegen
Marks & Spencer plc,
Flowers Direct Online Limited
(Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice of England and Wales, Chancery Division [Vereinigtes Königreich])
„Marken – Werbung anhand von Schlüsselwörtern (‚keyword advertising‘), die der Marke eines Mitbewerbers des Werbenden entsprechen – Bekannte Marken – Schwächung – Verunglimpfung – Trittbrettfahren – Richtlinie 89/104 – Art. 5 Abs. 2 – Verordnung Nr. 40/94 – Art. 9 Abs. 1 Buchst. c“
I – Einleitung
1. Bei dieser Rechtssache handelt es sich um das letzte Vorabentscheidungsersuchen in einer Reihe von Rechtssachen betreffend Werbung anhand von Schlüsselwörtern auf einer Internetsuchmaschine.
2. Die Parteien des nationalen Verfahrens bieten einen Blumenlieferdienst an. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens (im Folgenden gemeinsam: Interflora) machen geltend, die Beklagte, Marks & Spencer(2), verletze die INTERFLORA-Marke(3) im Wesentlichen dadurch, dass sie verschiedene Zeichenfolgen, die dieser Marke entsprächen oder ähnlich seien, als Schlüsselwörter im von Google angebotenen Anzeigendienst AdWords gekauft habe.
3. Die vier Vorlagefragen können in zwei Gruppen unterteilt werden.
4. Der erste Fragenkomplex betrifft die Rechte, die allen Marken zukommen. Die relevanten Bestimmungen sind in Art. 5 Abs. 1 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Marken(4) und der entsprechenden Vorschrift in Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke(5) enthalten. Die Antworten zu diesem Fragenkomplex sind in den 2010 ergangenen Urteilen Google France und Google(6), gefolgt von BergSpechte, eis.de und Portakabin(7), gegeben worden. Diese Rechtssachen betrafen die „Benutzung“ von mit den Marken der Klägerinnen in den Rechtssachen identischen Zeichen in Anzeigendiensten von Internetsuchmaschinen durch Mitbewerber(8).
5. Der zweite Fragenkomplex ist das Neue an diesem Fall: Diese Fragen betreffen den Schutz bekannter Marken. Für solche Marken können die Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/109 einen erweiterten Schutz gewähren. Zu diesem erweiterten Schutz für bekannte Marken(9), der auch in Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 für Gemeinschaftsmarken vorgesehen ist, gibt es weniger Rechtsprechung des Gerichtshofs als zum allgemeinen Schutz, auf den sich die vorausgehende Randnummer bezieht. Bei den hier neuen Punkten geht es um den Schutz einer bekannten Marke und um die Frage, unter welchen Voraussetzungen diese Marke durch einen Wettbewerber getrübt (Verwässerung) oder in unlauterer Weise ausgenutzt (free‑riding) wird, wenn dieser Mitbewerber ein entsprechendes Schlüsselwort in einem Internet-Anzeigendienst kauft(10).
6. Das Wort „Interflora“ hat in dieser Rechtssache drei unterschiedliche Funktionen. Erstens ist es ein Suchbegriff, der von jedem Internetbenutzer gewählt und in eine Internetsuchmaschine eingegeben werden kann. Zweitens ist es ein Schlüsselwort, das Werbende vom Anzeigendienst eines Betreibers einer Internetsuchmaschine gekauft haben, um damit das Anzeigen einer bestimmten Werbung auszulösen. Drittens ist es ein aussagekräftiges Symbol, das eingetragen wurde und als Marke benutzt wird mit der Bedeutung, dass bestimmte Waren oder Dienstleistungen von einem einzigen Unternehmen stammen.
7. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Kommission Aspekte der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu anderen Markenfunktionen als der Herkunftsfunktion kritisiert hat, weil dies unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit fehlerhaft und problematisch sei. Jedoch erscheint mir nur die die Herkunftsbezeichnung der Waren und Dienstleistungen betreffende Funktion für die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 in diesem Vorabentscheidungsersuchen relevant. Auch scheint die Auslegung von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 in dieser Rechtssache nicht zu einem unangemessen weiten Schutz der Interessen des Markeninhabers zu führen. Deshalb ist es meines Erachtens nicht erforderlich, diese Frage zu vertiefen.
8. Es ist jedoch nicht zu bestreiten, dass die Situation des Gerichtshofs, was die Akzeptanz seiner Rechtsprechung zu Art. 5 der Richtlinie 89/104 betrifft, auch im Hinblick auf die Kritik, die von zahlreichen wissenschaftlichen Kommentatoren und führenden nationalen Richtern auf dem Gebiet des Markenrechts geäußert wird(11), eine große Herausforderung darstellt.
9. Meines Erachtens geht dies jedoch teilweise auf die problematische Formulierung von Art. 5 der Richtlinie 89/104 zurück. Deshalb könnte der konkreten Situation besser durch angemessene gesetzliche Maßnahmen als durch eine Neuausrichtung der Rechtsprechung abgeholfen werden, wie das Beispiel der Entwicklung der Bundesgesetzgebung der Vereinigten Staaten zur Verwässerung von Marken zeigt(12). Die Kommission hat im Dezember 2010 eine Studie über das Gesamtfunktionieren des Markensystems in Europa erhalten, und weitere Schritte auf diesem Gebiet können hoffentlich erwartet werden(13).
II – Rechtlicher Rahmen
A – Richtlinie 89/104
10. Der erste Erwägungsgrund der Richtlinie 89/104 sieht vor(14):
„Das gegenwärtig in den Mitgliedstaaten geltende Markenrecht weist Unterschiede auf, durch die der freie Warenverkehr und der freie Dienstleistungsverkehr behindert und die Wettbewerbsbedingungen im gemeinsamen Markt verfälscht werden können. Zur Errichtung und zum Funktionieren des Binnenmarktes ist folglich eine Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten erforderlich.“
11. Der neunte Erwägungsgrund der Richtlinie 89/104 lautet:
„Zur Erleichterung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs ist es von wesentlicher Bedeutung, zu erreichen, dass die eingetragenen Marken in Zukunft im Recht aller Mitgliedstaaten einen einheitlichen Schutz genießen. Hiervon bleibt jedoch die Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt, bekannten Marken einen weitergehenden Schutz zu gewähren.“
12. Der zehnte Erwägungsgrund der Richtlinie 89/104 sieht vor:
„Zweck des durch die eingetragene Marke gewährten Schutzes ist es, insbesondere die Herkunftsfunktion der Marke zu gewährleisten; dieser Schutz ist absolut im Falle der Identität zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den Waren oder Dienstleistungen. Der Schutz erstreckt sich ebenfalls auf Fälle der Ähnlichkeit von Zeichen und Marke und der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen. Es ist unbedingt erforderlich, den Begriff der Ähnlichkeit im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszulegen. Die Verwechslungsgefahr stellt die spezifische Voraussetzung für den Schutz dar; ob sie vorliegt, hängt von einer Vielzahl von Umständen ab, insbesondere dem Bekanntheitsgrad der Marke im Markt, der gedanklichen Verbindung, die das benutzte oder eingetragene Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. Bestimmungen über die Art und Weise der Feststellung der Verwechslungsgefahr, insbesondere über die Beweislast, sind Sache nationaler Verfahrensregeln, die von der Richtlinie nicht berührt werden.“
13. Art. 5 („Rechte aus der Marke“) der Richtlinie 89/104 bestimmt(15), (16):
„(1) Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr
a) ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;
b) ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.
(2) Die Mitgliedstaaten können ferner bestimmen, dass es dem Inhaber gestattet ist, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn diese in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
(3) Sind die Voraussetzungen der Absätze l und 2 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden:
…
b) unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;
…
d) das Zeichen in den Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen.
…
(5) Die Absätze 1 bis 4 berühren nicht die in einem Mitgliedstaat geltenden Bestimmungen über den Schutz gegenüber der Verwendung eines Zeichens zu anderen Zwecken als der Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen, wenn die Benutzung dieses Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.“
B – Verordnung Nr. 40/94
14. Der siebte Erwägungsgrund zur Verordnung Nr. 40/94(17) ist mutatis mutandis identisch mit dem zehnten Erwägungsgrund zur Richtlinie 89/104. Art. 8 Abs. 5, Art. 9 und Art 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 entsprechen im Wesentlichen den Art. 4 Abs. 4, 5 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 89/104.
15. Art. 9 („Recht aus der Gemeinschaftsmarke“) der Verordnung Nr. 40/94 lautet:
„(1) Die Gemeinschaftsmarke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr
a) ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;
b) ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Gemeinschaftsmarke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Gemeinschaftsmarke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird;
c) ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Gemeinschaftsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Gemeinschaft bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
(2) Sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden:
…
b) unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;
…
d) das Zeichen in den Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen.“
III – Der Rechtsstreit im Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen
A – Der „AdWords“‑Referenzierungsdienst
16. Google betreibt eine Internetsuchmaschine. Führt ein Internetnutzer eine Suche anhand eines oder mehrerer Wörter durch, zeigt die Suchmaschine die Internetseiten, die diesen Wörtern am ehesten zu entsprechen scheinen, nach abnehmender Relevanz an. Dies sind die sogenannten „natürlichen“ Suchergebnisse.
17. Daneben bietet Google gegen Entgelt einen „AdWords“ genannten Referenzierungsdienst an. Dieser ermöglicht es einem Wirtschaftsteilnehmer mittels Auswahl eines oder mehrerer Schlüsselwörter, für den Fall der Übereinstimmung zwischen diesen und den Wörtern, die in der von einem Internetnutzer an die Suchmaschine gerichteten Suchanfrage enthalten sind, einen Werbelink zu seiner Internetseite erscheinen zu lassen. Dieser Werbelink erscheint in der Rubrik „sponsored links“ („Gewerbliche Links“, deutsche Google-Fassung: „Anzeigen“), die am rechten Bildschirmrand, rechts von den natürlichen Ergebnissen, oder im oberen Teil des Bildschirms oberhalb dieser Ergebnisse angezeigt wird.
18. Dem genannten Werbelink wird eine kurze Werbebotschaft beigefügt. Dieser Link und diese Botschaft bilden zusammen die Anzeige, die in der Rubrik Anzeigen erscheint.
19. Für den Referenzierungsdienst hat der Werbende pro Klick auf den Werbelink eine Vergütung zu zahlen. Diese Vergütung bestimmt sich u. a. nach dem „maximalen Preis-pro-Klick“, zu dessen Zahlung sich der Werbende bei Abschluss des Vertrags über den Referenzierungsdienst bereit erklärt hat, und nach der Zahl der Klicks der Internetnutzer auf diesen Link.
20. Mehrere Werbende können dasselbe Schlüsselwort auswählen. In welcher Reihenfolge ihre Werbelinks gezeigt werden, hängt dann insbesondere ab vom jeweiligen maximalen Preis-pro-Klick, von der Zahl der Klicks, die diese Links erhalten haben, und von der Qualität der Anzeige, wie Google sie bewertet. Der Werbende kann die Position seiner Anzeige in der Reihenfolge jederzeit verbessern, indem er den maximalen Preis-pro-Klick erhöht oder versucht, die Qualität seiner Anzeige zu steigern.
21. Google hat ein automatisches Verfahren für die Auswahl von Schlüsselwörtern und die Erstellung von Anzeigen eingerichtet. Die Werbenden wählen die Schlüsselwörter aus, verfassen die Werbebotschaft und setzen einen Link auf ihre Website.
B – Die Benutzung von Schlüsselwörtern im Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens
22. Interflora Inc., eine Gesellschaft mit Sitz im Bundesstaat Michigan (Vereinigte Staaten von Amerika), betreibt ein weltweites Blumenliefernetz. Interflora British Unit ist eine Lizenznehmerin der Interflora Inc.
23. Das Interflora-Netz besteht aus selbständigen Floristen, bei denen persönlich oder telefonisch Bestellungen aufgegeben werden können. Interflora hat jedoch auch Websites, auf denen Bestellungen über das Internet aufgegeben werden können, die dann von dem Mitglied des Netzes, das der Adresse, an die die Blumen geliefert werden sollen, am nächsten ist, ausgeführt werden. Die Adresse der Hauptwebsite ist www.interflora.com. Diese Seite führt zu länderspezifischen Websites wie www.interflora.co.uk.
24. INTERFLORA ist eine nationale Marke im Vereinigten Königreich und auch eine Gemeinschaftsmarke(18). Es ist unstreitig, dass diese Marken im Vereinigten Königreich und in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union einen hohen Bekanntheitsgrad haben.
25. Marks & Spencer plc, eine Gesellschaft englischen Rechts, gehört zu den wichtigsten Einzelhandelsunternehmen im Vereinigten Königreich. Sie vertreibt ein breites Warensortiment und erbringt Dienstleistungen über ihr Filialnetz und über ihre Internetseite www.marksandspencer.com. Zu ihren Tätigkeiten gehören auch der Verkauf und die Lieferung von Blumen. Diese Geschäftstätigkeit erfolgt im Wettbewerb mit derjenigen von Interflora. Marks & Spencer ist nicht Mitglied des Interflora-Netzes.
26. Im Zusammenhang mit dem Referenzierungsdienst „AdWords“ reservierte Marks & Spencer das Wort „Interflora“ sowie Varianten dieses Wortes mit „geringfügigen Abweichungen“ und Ausdrücke, die das Wort Interflora enthalten (wie „Interflora-Blumen“, „Interflora-Lieferung“, „Interflora.com“, „Interflora co uk“), als Schlüsselwörter(19).
27. Folglich erschien, wenn Internet-Benutzer das Wort „Interflora“ oder eine jener Varianten oder einen der Ausdrücke als Suchbegriff in die Suchmaschine Google eingaben, eine Anzeige von Marks & Spencer in der Rubrik „Anzeigen“.
28. Es ist unstreitig, dass in der Anzeige keine Ausdrücke enthalten waren, die auf das gewählte Schlüsselwort Interflora hinwiesen; auch wurde die Marke von Interflora auf keine andere Art und Weise in der Anzeige dargestellt.
29. Nachdem sie diese Tatsachen festgestellt hatte, erhob Interflora vor dem nationalen Gericht Klage gegen Marks & Spencer wegen Verletzung ihrer Markenrechte; dieses Gericht hat entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof eine Reihe von Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.
C – Die Vorlagefragen
30. Mit Beschluss vom 16. Juli 2009 hat der High Court of Justice (England und Wales), Chancery Division (im Folgenden: High Court), zehn Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, von denen die ersten vier wie folgt lauten:
1. Wenn ein Unternehmen, das mit dem Inhaber einer eingetragenen Marke im Wettbewerb steht und das über seine Website Waren und Dienstleistungen anbietet, die mit den von der Marke erfassten identisch sind, i) ein mit der Marke (im Sinne des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache C‑291/00) identisches Zeichen als ein Schlüsselwort für einen vom Betreiber einer Suchmaschine angebotenen Anzeigendienst auswählt, ii) das Zeichen als Keyword benennt, iii) eine Verbindung zwischen dem Zeichen und der URL seiner Website herstellt, iv) den Preis pro Klick festsetzt, den es für das Keyword zahlen will, v) die Zeiten für das Erscheinen der Anzeige festsetzt und vi) das Zeichen im geschäftlichen Schriftverkehr bei der Rechnungsstellung und Entgegennahme von Entgelten bzw. bei der Führung seiner Konten beim Betreiber der Suchmaschine benutzt, die Anzeige selbst aber weder das Zeichen noch ein ihm ähnliches Zeichen enthält, stellen dann einzelne dieser Handlungen oder diese Handlungen in ihrer Gesamtheit eine „Benutzung“ des Zeichens durch das mit dem Markeninhaber im Wettbewerb stehende Unternehmen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 dar?
2. Erfolgt eine solche Benutzung gegebenenfalls im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 „für“ Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist?
3. Fällt eine solche Benutzung gegebenenfalls in den Anwendungsbereich
a) von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 und/oder
b) von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs. l Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94?
4. Spielt es für die Beantwortung der Frage 3 eine Rolle,
a) ob das Erscheinen der Anzeige des mit dem Markeninhaber im Wettbewerb stehenden Unternehmens infolge der Eingabe des fraglichen Zeichens durch einen Nutzer geeignet ist, Teile des Publikums zu der Annahme zu verleiten, dass das mit dem Markeninhaber im Wettbewerb stehende Unternehmen dem Vertriebsnetz des Markeninhabers angehört, obwohl dies nicht den Tatsachen entspricht, oder
b) ob der Betreiber der Suchmaschine dem Markeninhaber in dem betreffenden Mitgliedstaat der Gemeinschaft nicht erlaubt, Dritten die Auswahl der mit seiner Marke identischen Zeichen als Keywords zu untersagen?
31. Im Anschluss an das Urteil Google France und Google und nachdem er mit Schreiben der Kanzlei des Gerichtshofs vom 23. März 2010 ein Ersuchen um Klarstellung erhalten hatte, nahm der High Court mit Beschluss vom 29. April 2010, der beim Gerichtshof am 9. Juni 2010 eingegangen ist, die zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen 5 bis 10 zurück und behielt somit nur die ersten vier Fragen bei, die in der vorausgehenden Nummer genannt sind. Der High Court hat auch die Frage 3 b auf den Wortlaut gekürzt, der in der vorausgehenden Nummer wiedergegeben ist.
32. Interflora, Marks & Spencer, die Portugiesische Republik und die Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben. Mit Ausnahme der Portugiesischen Republik haben alle Beteiligten an der Sitzung vom 13. Oktober 2010 teilgenommen und mündliche Ausführungen gemacht. Der Gerichtshof hatte die Beteiligten aufgefordert, sich in ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung auf Frage 3 b zu konzentrieren.
IV – Analyse
A – Allgemeine Bemerkungen
33. Zum Zweck der Beurteilung der beiden anfangs skizzierten Fragenkomplexe werde ich zunächst einige allgemeine Bemerkungen zum Schutzbereich von Art. 5 der Richtlinie 89/104 machen. Vorab sei darauf hingewiesen, dass die Fragen nur im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 geprüft werden, dass aber das Ergebnis der Auslegung am Ende dieser Prüfung für Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 entsprechend gilt(20).
34. Der von Art. 5 der Richtlinie 89/104 gewährte Markenschutz betrifft die Benutzung eines Zeichens zu Zwecken der Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen, da nach Abs. 5 der Bestimmung ein in Mitgliedstaaten vorgesehener Schutz für andere Benutzungen von seinem Anwendungsbereich ausgeschlossen ist. Was den Umfang des Schutzes durch diesen Artikel betrifft, umfasst sein Abs. 1 Situationen, in denen das Widerspruchszeichen und die Widerspruchsmarke für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen benutzt werden, während Abs. 2 dieses Erfordernis nicht enthält.
35. Der Schutz, den Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 in Bezug auf identische Zeichen und Waren oder Dienstleistungen vorsieht, ist „absolut“ in dem Sinne, dass der Inhaber der Marke keine Verwechslungsgefahr darlegen muss(21). Dies ist im Gegensatz dazu aber für einen Schutz nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b erforderlich, der Situationen erfasst, in denen keine „doppelte Identität“ zwischen den Zeichen und den Waren oder Dienstleistungen vorliegt, aber die Zeichen, Waren oder Dienstleistungen oder beide ähnlich sind. Bei Situationen mit doppelter Identität beziehe ich mich auf Fälle, in denen die Rechte eines Markeninhabers durch einen Dritten verletzt werden, der identische Zeichen für identische Erzeugnisse benutzt(22).
36. Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 fügt für bekannte Marken Folgendes hinzu:
– Es wird eine Option für einen weiter gehenden Schutz für bestimmte Marken geschaffen, von der ein Mitgliedstaat Gebrauch machen kann oder auch nicht. Das Vereinigte Königreich hat sie, wie auch zahlreiche andere, wenn nicht alle, Mitgliedstaaten, umgesetzt(23).
– Er sieht einen Schutz vor, der über den Schutz nach Art. 5 Abs. 1 hinausgeht.
– Der Schutz kann nur bekannten Marken gewährt werden.
37. Es ist hier darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in einem ziemlich offensichtlichen Widerspruch zum Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 in den Urteilen Davidoff(24) und Adidas‑Salomon und AdidasBenelux(25) entschieden hat, dass Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 in Fällen, in denen ein Dritter eine mit der bekannten eingetragenen Marke identische oder ihr ähnliche jüngere Marke oder ein solches jüngeres Zeichen benutzt, einen besonderen Schutz nicht nur für nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen, sondern auch für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen, die von der eingetragenen Marke erfasst werden, identisch oder ihnen ähnlich sind, schafft(26).
B – Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 (Fragen 1, 2, 3 a und 4)
38. Für die Fragen 1, 2, 3 a und 4 (soweit sie sich auf die Frage 3 a bezieht) ist es erforderlich, die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 für eine Situation zu analysieren, in der ein Werbender die Benutzung eines mit einer Marke identischen Schlüsselworts ohne die Zustimmung des Markeninhabers im Zusammenhang mit einem entgeltlichen Internetreferenzierungsdienst gewählt hat.
39. Ich erinnere daran, dass in dem einzigen Urteil, bei dem ein Betreiber einer Suchmaschine beteiligt war (Google France und Google), eine der zentralen Feststellungen war, dass ein Betreiber einer Suchmaschine oder sein entgeltlicher Referenzierungsdienst Zeichen, die Marken ähnlich sind, nicht „benutzt“, so dass ihre Tätigkeit nicht in den Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 fiel(27).
40. Meines Erachtens ist somit die Haltung des Anbieters des Referenzierungsdienstes, was die Möglichkeit des Markeninhabers betrifft, die Benutzung seiner Marken als Schlüsselwörter zu verbieten, nicht relevant für die Antworten auf die Fragen 1 bis 3 a. Der einzige markenrechtlich relevante Punkt ist hier, dass, wenn der Betreiber des Referenzierungsdienstes den Markeninhabern diese Möglichkeit einräumt, in einigen Fällen gefolgert werden könnte, dass eine stillschweigende Zustimmung des Markeninhabers zur Benutzung seiner Marken als Schlüsselwörter vorliegt(28).
41. Aus dem Urteil Google France und Google ergibt sich auch, dass es der Werbende ist, der ein mit der Marke eines anderen identisches Schlüsselwort wählt und die Marke gegebenenfalls für seine eigenen Waren oder für diejenigen des Markeninhabers benutzt. Dies kann die Herkunftsfunktion beeinträchtigen, wenn aus der in der Anzeige dargestellten Werbung für einen Durchschnittsinternetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die beworbenen Waren oder Dienstleistungen von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammen(29).
42. Was den Begriff Benutzung für Waren oder Dienstleistungen betrifft, scheint es unerheblich zu sein, ob in der im Ergebnis erscheinenden Werbung die Marke dargestellt wurde oder nicht(30). Meines Erachtens ist es offensichtlich, dass eine nachteilige Wirkung auf die Herkunftsfunktion ausgeschlossen werden kann, wenn in der Anzeige die Marke genannt, der Werbende aber effektiv nicht mit dieser in Verbindung gebracht wird, z. B. durch rechtmäßige vergleichende Werbung. Am Anfang bedeutet jedoch eine in der Rubrik Anzeigen erscheinende Werbung, in der die als Schlüsselwort gewählte Marke genannt oder wiedergegeben wird, „das Zeichen in den Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen“, das vom Markeninhaber nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 89/104 verboten werden kann, wenn nicht Art. 6 oder 7 der Richtlinie 89/104 oder Bestimmungen der Richtlinie über vergleichende Werbung anwendbar sind(31).
43. Da der vom Gerichtshof angewandte Standard die Verantwortlichkeit der Benutzung für eine nachteilige Wirkung auf einige Markenfunktionen, im vorliegenden Fall die Herkunftsfunktion(32), ist, muss diese Benutzung konkret analysiert werden. Wird die Marke in der Anzeige nicht genannt, hängt die Bedeutung dieser Frage meines Erachtens von der Art der Waren und Dienstleistungen ab, die durch die Marke geschützt werden, unter Berücksichtigung nicht nur des Schutzumfangs, der für die Marke eingetragen wurde, sondern auch der Bedeutung und Wertschätzung, die die Marke in der Vorstellung des relevanten Publikumssektors durch Benutzung erlangt hat.
44. Der Gerichtshof hat im Urteil Google France und Google ausgeführt, dass „der Internetnutzer, der einen Markennamen als Suchbegriff eingibt, in den meisten Fällen Informationen oder Angebote über die Waren oder Dienstleistungen dieser Marke finden will. Wenn nun neben oder über den natürlichen Suchergebnissen Werbelinks zu Websites gezeigt werden, auf denen Waren oder Dienstleistungen von Mitbewerbern des Inhabers dieser Marken vorgeschlagen werden, kann der Internetnutzer diese Werbelinks somit, sofern er sie nicht von vornherein als irrelevant außer Acht lässt und sie nicht mit denen des Inhabers der Marke verwechselt, als Vorschlag einer Alternative zu den Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers betrachten.“(33)
45. In vielen Fällen scheint die Anzeige von Geschäftsalternativen der Herkunftsfunktion der Marke nicht zu schaden, da das Erscheinen einer Werbung in der Rubrik Anzeigen nach dem Eintippen eines Schlüsselworts, das mit einer Marke identisch ist, keine gedankliche Verbindung oder Beziehung zwischen der Marke und der Ware oder Dienstleistung herstellt, die Gegenstand der Werbung ist. Wie der Gerichtshof festgestellt hat, kann der Internetnutzer die Werbelinks als Angebot geschäftlicher Alternativen zu den Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers verstehen. Dies gilt für identische oder ähnliche Waren. Die Gefahr eines Irrtums ist sogar noch weniger wahrscheinlich bei unterschiedlichen, aber verwandten Waren oder Dienstleistungen. Dies ist z. B. der Fall, wenn sich die als Schlüsselwort gewählte Marke auf Flugreisen bezieht und die angezeigte Werbung Autovermietung oder Hotelunterbringung betrifft. Außerdem ist einer der Vorzüge des Internets, dass es die Möglichkeiten für den Verbraucher, vernünftige Entscheidungen zwischen Waren und Dienstleistungen zu treffen, außerordentlich erhöht(34).
46. Im Fall einer Marke wie INTERFLORA, die für ein bekanntes Geschäftsnetz aus unabhängigen Unternehmen steht, die einen speziellen einheitlichen Dienst anbieten, nämlich die Lieferung von Blumen nach einem Standardverfahren, ist es wahrscheinlich, dass dadurch, dass der Name eines anderen Unternehmens in der Rubrik Anzeigen erscheint, der Eindruck entsteht, dass das in der Werbeanzeige genannte Unternehmen zu dem Unternehmensnetz gehört, das durch die Marke gekennzeichnet wird(35).
47. Somit hat die Marke INTERFLORA meines Erachtens zusätzlich zu der eingetragenen Bedeutung eine „sekundäre Bedeutung“ erlangt(36) und bezeichnet ein bestimmtes Vertriebsnetz von Floristen, das einen bestimmten Lieferdienst anbietet, und das Ansehen dieser Marke steht im Zusammenhang oder ist identisch mit den positiven Assoziationen, die die maßgeblichen Verbraucherkreise mit dieser Bedeutung verbinden(37).
48. Folglich ist es möglich und sogar wahrscheinlich, dass ein Durchschnittsverbraucher, der im Internet Informationen über Blumenlieferdienste sucht, die Marke von Interflora mit dem gleichen von Marks & Spencer angebotenen Blumenlieferdienst gedanklich in Verbindung bringt, wenn er auf folgende Anzeige stößt(38):
„M&S Blumen Online
www.marksandspencer.com/flowers
Prächtige, frische Blumen und Pflanzen. Bestellen Sie bis 17 Uhr für Lieferungen am nächsten Tag.“
Meines Erachtens wird dadurch, dass die Anzeige als Folge des Eintippens von „interflora“ in eine Suchmaschine erscheint, im Kontext dieser Rechtssache eine gedankliche Verbindung geschaffen, dass Marks & Spencer dem Interflora-Netz angehört.
49. Angesichts dieser Analyse in Bezug auf die Fragen 1, 2 und 3 a schlage ich vor, Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 dahin auszulegen, dass
– ein mit einer Marke identisches Zeichen „für Waren oder Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 benutzt wird, wenn es als Schlüsselwort im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes ohne Zustimmung des Markenrechtsinhabers gewählt wurde und das Erscheinen von Anzeigen auf der Grundlage des Schlüsselworts erfolgt.
– Dem Inhaber einer Marke ist es gestattet, ein solches Verhalten unter den oben genannten Umständen zu verbieten, wenn ein durchschnittlicher Internetnutzer auf der Grundlage dieser Anzeige nicht oder nur mit Schwierigkeiten feststellen kann, ob die Waren und Dienstleistungen, auf die sich die Anzeige bezieht, vom Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder von einem Dritten stammen.
– Ein Irrtum in Bezug auf die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen entsteht, wenn die Anzeige des Mitbewerbers bei einigen Mitgliedern des Publikums dazu führen kann, dass sie fälschlich glauben, der Mitbewerber gehöre dem Vertriebsnetz des Markeninhabers an. Daraus ergibt sich, dass der Markeninhaber das Recht hat, die Benutzung des Schlüsselworts durch den fraglichen Mitbewerber in der Werbung zu verbieten.
– Die Haltung des Anbieters des Referenzierungsdienstes zur Möglichkeit des Inhabers der Marke, die Benutzung seiner Marken als Schlüsselwörter zu verbieten, ist im Hinblick auf die oben ausgeführten Antworten irrelevant.
C – Erweiterter Markenschutz für bekannte Marken nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 (Frage 3 b und Frage 4)
1. Allgemeine Bemerkungen zum Schutz der Marke gegen Verwässerung
50. Verwässerung der Marke(39) bezieht sich auf die Vorstellung, dass der eigentliche Zweck des Markenrechts darin besteht, die Anstrengungen und die Investitionen, die der Markeninhaber getätigt hat, und den eigenständigen Wert (Goodwill) der Marke zu schützen. Dieser „eigentumsgestützte“ Ansatz hinsichtlich Marken unterscheidet sich von der „täuschungsgestützten“ Idee, dass das Markenrecht in erster Linie die Herkunftsfunktion schützt, um zu verhindern, dass Verbraucher und andere Endnutzer sich über den gewerblichen Ursprung der Waren und Dienstleistungen täuschen(40). Der eigentumsgestützte Ansatz schützt auch die Kommunikations-, Werbungs- und Investitionsfunktion von Marken, um eine Marke mit einem positiven Image und einem eigenständigen wirtschaftlichen Wert (Markenkapital oder Goodwill) zu schaffen. Folglich kann die Marke für verschiedene Waren und Dienstleistungen benutzt werden, die, außer dass sie unter der Kontrolle des Markeninhabers stehen, keine Gemeinsamkeiten haben. Die Herkunfts- und die Qualitätsfunktion(41) würden als wertbildende Faktoren der Marke geschützt.
51. Diese Verwässerungstheorie, die gewöhnlich speziell mit notorisch bekannten Marken in Verbindung gebracht wird, weitet den Markenschutz auf andere Waren und Dienstleistungen als diejenigen aus, die in den eingetragenen Schutzbereich fallen. Historisch hat sie einer ähnlichen Funktion gedient wie die sogenannte Kodak-Doktrin, die für notorisch bekannte Marken einen ausgedehnten Schutzbereich gegen Verwechslung rechtfertigt(42).
52. Sowohl im Recht der EU als auch in den Vereinigten Staaten bezieht sich der Begriff des Verwässerungsschutzes auf zwei Erscheinungsformen: Schutz vor Schwächung (blurring) und Schutz vor Verunglimpfung (tarnishment)(43). Schutz vor Schwächung (oder Verwässerung im engeren Sinne) wird gegenüber Benutzungen gewährt, die die Gefahr mit sich bringen, dass die Marke ihre Unterscheidungskraft und dadurch ihren Wert verliert. Schutz vor Verunglimpfung bedeutet Schutz gegenüber Benutzungen, die den Ruf der Marke gefährden.
53. Darüber hinaus fällt im Markenrecht der EU, im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten(44), auch eine dritte Erscheinungsform unter den Verwässerungsschutz, nämlich der Schutz vor Trittbrettfahren (free‑riding) oder dem ungerechtfertigten Ausnutzen des Ansehens oder der Unterscheidungskraft der Marke eines anderen. Beim Schutz vor Trittbrettfahren geht es im Wesentlichen nicht darum, den Inhaber der Marke vor einem Schaden für seine Marke zu schützen, sondern vielmehr darum, ihn davor zu schützen, dass der Trittbrettfahrer einen unlauteren Vorteil durch die unerlaubte Benutzung der Marke erlangt(45).
54. Was die Terminologie betrifft, scheint meines Erachtens im Markenrecht der EU Verwässerung im weiteren Sinne Schwächung, Verunglimpfung (oder Herabsetzung) und Trittbrettfahren (oder Parasitismus) zu umfassen. Schwächung (oder Schmälerung oder Verwässerung im engeren Sinne) bedeutet eine Benutzung, die zu einer Verwässerung im engeren Sinne führen kann, d. h. zu einer Verringerung der Unterscheidungskraft der Marke.
55. Mit seinen Fragen 3 b und 4 möchte das vorlegende Gericht wissen, unter welchen Umständen ein Werbender, der ein Zeichen benutzt, das mit der bekannten Marke eines Mitbewerbers identisch ist, so angesehen werden muss, dass er
– auf eine Art und Weise handelt, die der Unterscheidungskraft dieser Marke schadet,
und/oder
– die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung dieser Marke in unlauterer Weise ausnutzt(46).
2. Ist Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 anwendbar, wenn der Sachverhalt auch unter Art. 5 Abs. 1 Buchst. a fällt?
56. Als Vorfrage zu Frage 3 b ist zu analysieren, ob Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 gleichzeitig angewandt werden können oder ob nur jeweils einer von ihnen zur gleichen Zeit angewandt werden kann.
57. Schutz gegen die drei Formen der Verwässerung gewährt Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 bekannten Marken gegenüber identischen oder ähnlichen Zeichen, die für Waren und Dienstleistungen benutzt werden, die mit denen, die unter die Marke fallen, nicht identisch oder ihnen nicht ähnlich sind. Wie oben ausgeführt, hat das Urteil Davidoff die Anwendung der Vorschrift auf Fälle ausgedehnt, in denen das identische oder ähnliche Zeichen für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen benutzt wird. Dies erstreckt den Verwässerungsschutz auf solche Sachverhalte, bei denen ein unmittelbarer wirtschaftlicher Wettbewerb zwischen dem Markeninhaber und dem Benutzer des identischen oder ähnlichen Zeichens besteht. Ich erinnere daran, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass INTERFLORA im Sinne von Art. 5 Abs. 2 bekannt ist.
58. Aus der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 ergibt sich, dass die Benutzung eines identischen Zeichens unter diese Vorschrift fällt, sofern sie eine der Funktionen der Marke, nicht nur die Herkunftsfunktion, beeinträchtigen könnte(47).
59. Meines Erachtens hat der Gerichtshof nicht beabsichtigt, die Rolle aller Markenfunktionen auf die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 zu beschränken. In Fällen doppelter Identität von Zeichen und Waren oder Dienstleistungen sind alle oder einige Funktionen relevant für die Anwendung von Art. 5 Abs. 2. Ich erinnere daran, dass andere Markenfunktionen als die Herkunftsfunktion durch Art. 5 Abs. 2 in Fällen geschützt werden, auf die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. b hingewiesen wird, wenn keine Verwechslungsgefahr festgestellt werden kann.
60. Bei doppelter Identität kann man annehmen, dass der Schutz gegen Schwächung, Verunglimpfung und Trittbrettfahren nur auf Art. 5 Abs. 1 Buchst. a gestützt und Art. 5 Abs. 2 dabei überhaupt keine Rolle spielen würde. Dies wäre der Fall, wenn die Gefahr bestünde, dass die Benutzung eines mit der Marke identischen Zeichens für identische Waren oder Dienstleistungen eine Funktion der Marke beeinträchtigt. Betroffen wären hier in erster Linie die Qualitäts-, Mitteilungs-, Werbe- oder Investitionsfunktion, aber auch die Identifizierungs- oder Unterscheidungsfunktion, sofern das Zeichen benutzt wird, um zwischen Waren und Dienstleistungen zu anderen Zwecken als zur Bezeichnung ihrer Herkunft zu unterscheiden.
61. Eine solche Auslegung würde mit dem im zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 89/104 ausgedrückten Gedanken in Einklang stehen, wonach der Schutz, den Art. 5 Abs. 1 Buchst. a gewährt, absolut ist. Meines Erachtens ist es auch offensichtlich, dass bei allen Benutzungen, die unter Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 fallen, die Gefahr besteht, dass zumindest einige der Markenfunktionen beeinträchtigt werden, insbesondere da der erweiterte Schutz, den Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie gewährt, gewöhnlich mit dem Hinweis auf die Kommunikations-, Werbe- und Investitionsfunktion von Marken begründet wird.
62. Diese Argumentation würde bedeuten, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. a im Fall von doppelter Identität zwischen Zeichen und Waren oder Dienstleistungen vor den in Art. 5 Abs. 2 genannten Formen der Verwässerung schützt. Darüber hinaus würde die Unterscheidungskraft und Wertschätzung in diesem Fall unabhängig davon geschützt, ob die Marke im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 bekannt ist oder nicht.
63. Dennoch würde eine solche Auslegung dem Wortlaut, wenn auch nicht der ratio decidendi, des Urteils Davidoff widersprechen. Dort hat der Gerichtshof Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 nicht nur im Fall von ähnlichen Waren, sondern auch bei identischen Waren für anwendbar erklärt, auch wenn es scheinen könnte, dass die Argumentation des Gerichtshofs nur in Bezug auf die erstgenannte Situation zutrifft(48).
64. Ich zögere jedoch, dem Gerichtshof vorzuschlagen, auf Frage 3 in dem Sinne zu antworten, dass nur Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie anwendbar ist, zumal der Gerichtshof offenbar die parallele Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie bereits anerkannt hat(49). Welches auch immer der Inhalt der Rolle der Markenfunktionen bei der Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a sein mag(50), sollte die Markenverwässerung meines Erachtens als rechtliches Phänomen in allen Fällen auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 2 analysiert werden. Dies würde bedeuten, dass die Begriffe im Zusammenhang mit Markenverwässerung einheitlich ausgelegt werden, trotz der Unterschiede im Grad der Ähnlichkeit, die zwischen den Waren oder Dienstleistungen, die markenverletzend sein sollen, und denjenigen, die unter eine Marke fallen, in den Situationen, auf die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 jeweils Bezug genommen wird, erforderlich sind. Meines Erachtens kann daher allen Markenfunktionen – mit Ausnahme der Herkunftsfunktion – bei der Anwendung von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 Bedeutung zukommen, auch wenn sie bereits bei der Feststellung der Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a herangezogen worden sind.
3. Bestehen einer Verbindung zwischen der Marke und dem als Schlüsselwort gewählten Zeichen
65. Nach der Rechtsprechung müssen die bekannte Marke und das Zeichen, das von dem Dritten benutzt wird, verknüpft sein, damit die Benutzung des Zeichens unter Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 fällt. Der Gerichtshof hat das Vorliegen einer solchen Verknüpfung wie folgt definiert: „Treten die in Art. 4 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie genannten Beeinträchtigungen auf, so sind sie die Folge eines bestimmten Grades der Ähnlichkeit zwischen der älteren und der jüngeren Marke, aufgrund dessen die beteiligten Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen diesen Marken sehen, d. h. die beiden gedanklich miteinander verknüpfen, ohne sie jedoch zu verwechseln … Nehmen die Verkehrskreise eine solche Verknüpfung nicht vor, kann die Benutzung der jüngeren Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke nicht in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen.“(51)
66. Im vorliegenden Fall ist die fragliche Marke INTERFLORA mit einem von Marks & Spencer beim Anzeigendienst von Google gekauften Schlüsselwort identisch. Deshalb könnte die Frage des Vorliegens der Verknüpfung ohne Bedeutung erscheinen. Leider ist dies nicht der Fall: Das Vorliegen einer Verknüpfung zwischen einer Marke und einem identischen Schlüsselwort ist alles andere als belanglos.
67. Ein Schlüsselwort, das im Kontext eines Internetreferenzierungsdienstes benutzt werden kann, ist eine Folge von Zeichen, die einem Wort, einer Folge von Wörtern oder einem Satz der natürlichen Sprache entsprechen kann und gewöhnlich entspricht. Das Schlüsselwort als solches hat keine Bedeutung im Referenzierungssystem, da die Algorithmen der Suchmaschine identische Zeichenfolgen ohne Berücksichtigung ihrer Bedeutung in irgendeinem linguistischen System aufgreifen. Daher sind Schlüsselwörter semantisch leer(52); die spezifischen Bedeutungen und Bezüge entstehen nur in der Vorstellung der Internetbenutzer, die sie eingeben. Die Werbenden, die die Schlüsselwörter kaufen, vertrauen darauf, dass bei den Internetbenutzern solche gedankliche Verbindungen bestehen.
68. Dies führt zu verschiedenen Problemen im Markenrecht, wenn die unsichtbare Operation, bei der eine Zeichenfolge gewählt wird, die einer Marke entspricht, deren Inhaber eine andere Person ist, als Benutzung dieser Marke angesehen wird, wie im Urteil Google France und Google entschieden worden ist.
69. Diese Probleme hängen mit der Einmaligkeit von Marken zusammen. Manche Marken sind einmalig(53). Handelt es sich um eine notorisch bekannte Marke, die willkürlich, erfunden oder phantasievoll ist (z. B. ein Phantasiewort oder eine Zusammensetzung von Buchstaben und/oder Ziffern ohne Bedeutung), die zu einer einzigen Quelle gehört, kann leicht angenommen werden, dass der Internetbenutzer, der sie als Suchbegriff eingibt, dabei an diese Marke denkt. Dasselbe gilt für ein Unternehmen, das dieses Schlüsselwort kauft.
70. Die meisten Marken sind jedoch nicht einmalig. Oft wird eine identische Wortmarke von anderen Inhabern für andere Waren oder Dienstleistungen in demselben Land oder im Ausland eingetragen. Auch ist ein solches Erfordernis nicht Teil des Konzepts der bekannten Marke nach dem Markenrecht der EU(54). Es gibt auch Marken, die aus allgemeinen oder beschreibenden Wörtern bestehen, die eine große Bekanntheit oder eine starke sekundäre Bedeutung als Marke in einem spezifischen Sektor erlangt haben. Gleichwohl ginge die Annahme zu weit, dass ein Internetbenutzer, der „Apple“ oder „Diesel“ als Suchbegriff wählt, immer nach Computern oder Jeans einer bestimmten Marke sucht und nicht Früchte oder Treibstoff, oder dass der Suchbegriff „Nokia“ immer nur bei der Suche im Zusammenhang mit einem Mobiltelefon benutzt würde und niemals bei der Suche nach einer Stadt, einem See, einer religiösen Bewegung oder einer Reifenmarke, die alle einen ähnlichen Namen haben.
71. Zu weit ginge es auch, allgemein anzunehmen, dass ein Unternehmen, das Zeichen als Schlüsselwörter bei einem entgeltlichen Internetreferenzierungsdienst kauft, immer auf diese oder jene Marke abzielt, insbesondere wenn mehrere identische Marken für verschiedene Inhaber in verschiedenen Rechtsordnungen eingetragen sind(55).
72. Im Ergebnis kann eine Identität zwischen einem Schlüsselwort und einer Marke mit Sicherheit als Hinweis auf eine Verknüpfung zwischen ihnen angesehen werden, wenn es sich um wirklich einmalige Marken handelt, die von Natur aus eine hohe Unterscheidungskraft haben. Ebenso kann angenommen werden, dass ein Unternehmen, das ein Schlüsselwort kauft, auf eine identische Marke abzielt, wenn die Marke diese Eigenschaften hat und das Schlüsselwort von einem Mitbewerber erworben wird, d. h. einem Unternehmen, das Waren oder Dienstleistungen verkauft, die mit denen, die unter die Marke fallen, konkurrieren. Meines Erachtens scheinen diese Voraussetzungen in dem ziemlich außergewöhnlichen Fall der INTERFLORA-Marke vorzuliegen.
73. In anderen Fällen kann eine Verknüpfung nicht festgestellt werden, ohne auf Faktoren zurückzugreifen, die außerhalb der „unsichtbaren“ Benutzung einer Marke liegen, die darin besteht, für Werbung in Suchmaschinen ein identisches Schlüsselwort zu wählen(56).
74. Meines Erachtens ist der Gerichtshof bei seiner Argumentation im Urteil Google France und Google diesem Weg gefolgt. Er hat dort den Vorschlag des Generalanwalts verworfen, wonach die Wahl der Schlüsselwörter als private Benutzung durch den Werbenden angesehen werden sollte(57), und stattdessen entschieden, dass der Werbende eine Marke „benutzt“, wenn er sie als Schlüsselwort in einem entgeltlichen Referenzierungsdienst benutzt. Wie ich bereits ausgeführt habe, war es für diese Feststellung unerheblich, ob das Zeichen in der erschienenen Anzeige enthalten war.
75. Der Gerichtshof hat jedoch im Urteil Google France und Google, obwohl die Rechtssache nicht die Werbenden betraf, sondern nur den Anbieter des Internetreferenzierungsdienstes, weiter ausgeführt, dass die Frage, „[o]b es diese Funktion der Marke [die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen anzugeben](58) beeinträchtigt, wenn Internetnutzern anhand eines mit der Marke identischen Schlüsselworts eine Anzeige eines Dritten, z. B. eines Mitbewerbers des Inhabers der Marke, gezeigt wird, … insbesondere davon ab[hängt], wie diese Anzeige gestaltet ist“(59).
76. Meines Erachtens kann aus dem Urteil Google France und Google gefolgert werden, dass, obwohl die Wahl des Schlüsselworts eine Benutzung der Marke für Waren und Dienstleistungen durch den Werbenden darstellt, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit dieser Benutzung in erster Linie(60) auf der Grundlage ihres sichtbaren Ergebnisses beurteilt werden müssen, nämlich der Anzeige des Werbenden, die dem Internetnutzer, der den Suchbegriff eingegeben hat, gezeigt wird. Da der Gerichtshof die Wahl von Schlüsselwörtern, die mit Marken Dritter identisch sind, als solche nicht als Verstoß gegen das ausschließliche Recht des Inhabers der Marke angesehen hat, die Marke bei der Werbung für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, die von der Marke erfasst werden, ist es folgerichtig, dass Ausgangspunkt der Analyse die Wirkung der für den Internetnutzer sichtbaren Anzeigen sein muss.
4. Schwächung
77. Gemäß Art. 2 der Richtlinie 89/104 muss ein Zeichen, das als Marke eingetragen werden kann, Unterscheidungskraft haben, d. h. geeignet sein, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Der erweiterte Markenschutz nach Art. 5 Abs. 2 kann vom Mitgliedstaat vorgesehen werden, wenn „die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt“.
78. Um unterscheidungskräftig (und somit markenfähig) zu sein, sollte ein Wort entweder überhaupt keine Grundbedeutung haben oder eine Grundbedeutung, die nicht beschreibend im Sinne einer Gattung ist, die sich also nicht auf die Waren oder Dienstleistungen, die von der Marke erfasst werden, oder ihre Herkunft oder Eigenschaften, sondern auf verschiedene Dinge bezieht (wie APPLE für Computer). Grenzfälle sind Marken mit einer Grundbedeutung, die die betroffenen Waren und Dienstleistungen nicht beschreiben, sondern eine gedankliche Verbindung schaffen, die sich auf die (Eigenschaften der) Waren und Dienstleistungen bezieht (wie TRÉSOR für Qualitätsparfüme)(61).
79. Der Gerichtshof hat Verwässerung durch Schwächung wie folgt definiert: „Was insbesondere die auch als ‚Verwässerung‘ oder ‚Schwächung‘ bezeichnete Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft der älteren Marke angeht, so liegt eine solche vor, wenn die Eignung dieser Marke, die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und benutzt wird, als vom Inhaber dieser Marke stammend zu identifizieren, geschwächt wird, weil die Benutzung der jüngeren Marke zur Auflösung der Identität der älteren Marke und ihrer Bekanntheit beim Publikum führt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die ältere Marke, die eine unmittelbare gedankliche Verbindung mit den von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen hervorrief, dies nicht mehr zu bewirken vermag.“(62)
80. Schwächung bezieht sich deshalb auf die Benutzung eines Zeichens, das mit einer bekannten Marke identisch oder dieser ähnlich ist, auf eine Art und Weise, bei der es wahrscheinlich ist, dass die Unterscheidungskraft der Marke geschwächt wird, indem ihre Fähigkeit, Waren und Dienstleistungen zu unterscheiden, verringert wird. Am Ende der Schwächung (oder Verwässerung im engen Sinne) ist die Marke nicht mehr in der Lage, bei den Verbrauchern die Assoziation zu wecken, dass eine wirtschaftliche Verknüpfung zwischen einer spezifischen gewerblichen Herkunft(63) bestimmter Waren oder Dienstleistungen und der Marke besteht. Mit anderen Worten, es geht um die Fähigkeit eines Zeichens, als Marke zu dienen oder, wiederum anders ausgedrückt, um die Identifizierungs‑ oder Unterscheidungsfunktion einer Marke.
81. Schwächung oder Verwässerung in diesem Sinne bedeutet in erster Linie, dass die Unterscheidungskraft der Marke „verwässert“ wird, indem die Marke banal wird. Ein Zeichen, das als Marke benutzt wird, die sich auf verschiedene Waren und Dienstleistungen mit unterschiedlicher gewerblicher Herkunft bezieht, kann die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen mit einer einzigen Herkunft nicht länger identifizieren(64). Diese Gefahr betrifft meist Fälle, in denen eine notorisch bekannte Marke mit identischen oder ähnlichen Zeichen zusammentrifft, die verschiedene Waren und Dienstleistungen und deren Ursprung betreffen.
82. Es ist jedoch schwierig, eine solche Entwicklung im Zusammenhang mit identischen Waren oder Dienstleistungen zu sehen. Da Marks & Spencer die Marke INTERFLORA nicht für Waren oder Dienstleistungen benutzt, die gegenüber den von Interflora angebotenen verschieden sind, haben wir es meines Erachtens nicht mit Verwässerung in dem von der Rechtsprechung definierten Sinne zu tun. Daher ist das Problem von Interflora hier nicht, dass ihre Marke INTERFLORA bedeutungslos wird und dadurch ihre Unterscheidungskraft verliert, sondern das Risiko ihrer Degeneration, d. h., die Marke wird ein Gattungsbegriff oder ‑name. Dies zeigt auch einen Verlust von Unterscheidungskraft an, aber auf eine andere Art als durch Verwässerung einer Marke(65).
83. Sofern Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 auch in den Fällen einer doppelten Identität der Zeichen und der Waren oder Dienstleistungen anwendbar ist, sollte meines Erachtens der Schutz vor Degeneration auf der Grundlage dieser Vorschrift gewährt werden, weil das Grundproblem, d. h. der allmähliche Verlust der Unterscheidungskraft, dasselbe ist.
84. Degeneration ist entweder die Folge des Fehlens eines alternativen Gattungsbegriffs, der die Warenklasse zum Ausdruck bringt, deren einziger oder wichtigster Vertreter die Ware oder Dienstleistung ist, die von der Marke erfasst wird, oder des überwältigenden Erfolgs einer bestimmten Marke in einer bestimmten Warenklasse. Degeneration bedroht besonders Marken, die eine Innovation erfassen, oder solche, die in bestimmten Bereichen sehr bekannt sind(66).
85. Degeneration kann sich aus Handlungen und Unterlassungen des Markeninhabers selbst ergeben, z. B. der Benutzung der Marke als Gattungsbegriff oder dem Unterlassen, einen geeigneten alternativen Gattungsbegriff zu dem Zweck zu bilden, die Bezugnahmen auf solche Waren zu erleichtern, ohne die Marke als Gattungsbegriff zu verwenden. Degeneration kann jedoch auch dadurch entstehen, dass die Marke von anderen auf eine Art und Weise benutzt wird, die dazu beiträgt, dass sie sich zu einem Gattungsbegriff entwickelt.
86. Interflora macht geltend, dass die Wahl ihrer Marke und von davon nur geringfügig abweichenden Begriffen als Schlüsselwörter durch Marks & Spencer eine Verwässerungsgefahr für die Marke INTERFLORA bewirke und somit eine Schwächung darstelle, die sie nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 verbieten könne. Sie argumentiert, dass der Internetnutzer mit der Eingabe „interflora“ Informationen über Floristen suche, die ihre Dienstleistungen (und Waren, d. h. Blumen) unter der Marke INTERFLORA vertrieben. Das Verhalten von Marks & Spencer drohe somit, die Marke INTERFLORA zu verwässern, da diese eine Gattungsbedeutung erlange, die auf alle Gruppen von Floristen hinweise, die Lieferdienste anböten, bei denen die Lieferung durch ein anderes Geschäft ausgeführt werde als durch dasjenige, das die Bestellung erhalten habe.
87. Ich fürchte, dass diese Argumentationskette nach dem Urteil Google France und Google keinen Erfolg haben kann, da sie erfordert, dass die Wahl von Marken Dritter als Schlüsselwörter als solche eine Schwächung darstellen würde, zumindest im Fall von bekannten Marken. Nach diesem Vorbringen ist nämlich die Assoziation, die aus der Kausalkette zwischen dem Eintippen des Schlüsselworts und dem Erscheinen der Anzeige des Dritten entsteht, die Ursache der Gefahr einer Degeneration der Marke.
88. Wie ich bereits ausgeführt habe, hat der Gerichtshof jedoch Werbung anhand von Schlüsselwörtern unter Benutzung der Marke eines Dritten als solche nicht verboten, sondern er hat die Frage ihrer Zulässigkeit an den Inhalt der erscheinenden Anzeige geknüpft. Falls das Zusammentreffen eines Schlüsselworts und einer Werbeanzeige als solches eine Verwässerung bewirken würde, würde jede Marke geschwächt, wenn sie als Schlüsselwort gewählt wird, das zur Anzeige eines anderen Unternehmens als dem des Markeninhabers führt.
89. Im vorliegenden Fall enthält die Anzeige, die erscheint, nachdem der Internetnutzer den Suchbegriff „interflora“ eingegeben hat, selbst nicht das Zeichen oder irgendein ähnliches Zeichen. Wie ich bereits erläutert habe, wird bei einer Marke, die Waren und Dienstleistungen erfasst, die von einem Vertriebsnetz von Unternehmen angeboten werden, nicht ausgeschlossen, dass möglicherweise irrtümlich eine wirtschaftliche Verbindung zwischen der Marke und dem Werbenden angenommen wird.
90. Meines Erachtens kann jedoch eine Verwässerung einer Marke, d. h. die Schwächung ihrer Bedeutung zur Kennzeichnung der spezifischen abstrakten gewerblichen Herkunft von Waren oder Dienstleistungen, im Rechtssinne nicht als Folge einer Werbung angesehen werden, in der die Marke nicht genannt wird. Schließlich bedeutet Schwächung im Sinne des Verlusts der Unterscheidungskraft, dass das vom Verbraucher wahrgenommene Zeichen in seiner Vorstellung eine alternative Bedeutung bekommt. Die alternative Bedeutung kann entweder – bei unähnlichen Waren oder Dienstleistungen – eine mehrdeutige Bezeichnung verschiedener Waren oder Dienstleistungen aus verschiedenen Quellen oder – bei identischen oder ähnlichen Waren oder Dienstleistungen – die einer Gattungskategorie von Waren oder Dienstleistungen sein (67).
91. Meines Erachtens ist die Benutzung von Marken Dritter als Schlüsselwörter in Werbung in Suchmaschinen der Unterscheidungskraft bekannter Marken bei gleichen Waren oder Dienstleistungen eine Beeinträchtigung, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: Das Zeichen wird in der Anzeige genannt oder dargestellt, und die in der Anzeige enthaltene Marketingbotschaft oder Mitteilung benutzt das Zeichen als Gattungsbegriff, um auf eine Kategorie oder Klasse von Waren oder Dienstleistungen Bezug zu nehmen, und nicht, um zwischen Waren und Dienstleistungen unterschiedlicher Herkunft zu unterscheiden.
5. Verunglimpfung
92. Zur Klarstellung sei auch das zweite von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 erfasste Element erwähnt, nämlich Verunglimpfung, die die Beeinträchtigung der Wertschätzung der Marke betrifft. Im Urteil L’Oréal u. a. hat der Gerichtshof festgestellt, dass „diese Beeinträchtigung dann vor[liegt], wenn die Waren oder Dienstleistungen, für die das identische oder ähnliche Zeichen von Dritten benutzt wird, auf die Öffentlichkeit in einer solchen Weise wirken können, dass die Anziehungskraft der Marke geschmälert wird. Die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung kann sich insbesondere daraus ergeben, dass die von Dritten angebotenen Waren oder Dienstleistungen Merkmale oder Eigenschaften aufweisen, die sich negativ auf das Bild einer bekannten älteren Marke auswirken können.“(68) In der vorliegenden Rechtssache geht es jedoch nicht um Verunglimpfung.
6. Trittbrettfahren
93. Im Urteil L’Oréal u. a. charakterisiert der Gerichtshof Trittbrettfahren als folgende Situation: „Versucht ein Dritter, sich durch die Verwendung eines Zeichens, das einer bekannten Marke ähnlich ist, in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren, und ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen, ist der sich aus dieser Verwendung ergebende Vorteil als unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke anzusehen.“(69)
94. Im Urteil L’Oréal u. a. hat der Gerichtshof ausgeführt, dass das Vorliegen einer unlauteren Ausnutzung nicht voraussetzt, dass die Benutzung den Inhaber der Marke beeinträchtigt. Ich halte dies aus der Sicht des Wettbewerbs für sehr problematisch, weil der Gerichtshof tatsächlich sagt, dass der Inhaber der Marke sein Recht, die Benutzung eines Zeichens zu verbieten, unter Umständen ausüben darf, in denen dies zu einer Entfernung von einem Pareto-Optimum führen würde. Die Situation des Inhabers der Marke würde sich nicht verbessern, da er definitionsgemäß durch die Benutzung nicht beeinträchtigt würde, aber die Situation des Konkurrenten würde sich verschlechtern, weil er einen Teil seines Geschäfts verlieren würde. Auch die Situation der Verbraucher, die durch die Werbung nicht getäuscht wurden, sondern es bewusst vorgezogen haben, die Waren des Konkurrenten zu kaufen, würde beeinträchtigt(70).
95. Es sei daran erinnert, dass es in der Rechtssache L’Oréal u. a. um das Nachahmen von Luxusartikeln ging. Im vorliegenden Fall sind die Waren/Dienstleistungen „normal“ und keine Kopien oder Imitationen; zumindest ist nicht vorgetragen worden, dass Marks & Spencer Interflora auf irgendeine Art und Weise imitiert.
96. In der vorliegenden Rechtssache ist Marks & Spencer bemüht, sich den Kunden, die entweder Informationen zu den Dienstleistungen von Interflora oder über Blumenlieferdienste im Allgemeinen suchen und sich wahrscheinlich an die bekannteste Marke in Verbindung mit solchen Dienstleistungen erinnern, als geschäftliche Alternative zu präsentieren. Es ist offensichtlich, dass Marks & Spencer in beiden Fällen die Wertschätzung der Marke von Interflora ausnutzt, da eine andere Erklärung für diese Schlüsselwortwahl nicht in Betracht kommt. Damit bleibt die Frage der Lauterkeit dieser Benutzung. Ich erinnere daran, dass nach dem Urteil Google France und Google die Wahl von Schlüsselwörtern unter diesen Umständen eine Benutzung der Marke von Interflora für Waren und Dienstleistungen von Marks & Spencer darstellt.
97. In der Rechtssache L’Oréal u. a. war der Generalanwalt auch der Meinung, dass eine Prüfung der Unlauterkeit nur dann vorzunehmen sei, wenn ein rechtfertigender Grund für die Benutzung des Zeichens eines anderen vorliege. Liege kein rechtfertigender Grund vor, erfolge die Benutzung automatisch in unlauterer Weise(71).
98. Die im vorliegenden Fall maßgebliche Benutzung, definiert als die Wahl der Marke als Schlüsselwort für Werbung in Internetsuchmaschinen, muss einen rechtfertigenden Grund haben. Soweit wir die typischen von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 erfassten Fälle diskutieren, d. h. diejenigen, die nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen betreffen, ist sehr schwer zu erkennen, wie diese Bedingung ausgelegt werden sollte. Wie ich erwähnt habe, ist es sehr schwierig, die Verbindung zwischen Schlüsselwort und Marke herzustellen, ohne auf Informationen über außerhalb dieser Benutzung liegende Umstände zurückzugreifen.
99. Bei identischen oder ähnlichen Waren oder Dienstleistungen sollte der Zweck, eine Geschäftsalternative zu Waren oder Dienstleistungen zu bieten, die vom Schutz einer bekannten Marke erfasst werden, im Kontext modernen Marketings, das auf Werbung mittels Schlüsselwort im Internet angewiesen ist, als rechtfertigender Grund zählen. Andernfalls wäre Werbung unter Benutzung notorisch bekannter Marken Dritter als solche verbotenes Trittbrettfahren. Eine solche Schlussfolgerung ist im Hinblick auf die Notwendigkeit, einen unverfälschten Wettbewerb und die Informationsmöglichkeiten der Verbraucher in Bezug auf Waren und Dienstleistungen zu fördern, nicht zu rechtfertigen. Wesentlich für eine Marktwirtschaft ist schließlich, dass gut informierte Verbraucher entsprechend ihren Vorlieben wählen können. Meines Erachtens wäre es unangemessen, wenn der Inhaber der Marke eine solche Benutzung verbieten könnte, es sei denn, er hat Gründe, sich dem Erscheinen der Anzeige zu widersetzen, das auf das Eingeben eines dem Schlüsselwort entsprechenden Suchbegriffs folgt.
100. Interflora trägt vor, dass die Werbung mit Schlüsselwörtern durch Marks & Spencer zu einer beträchtlichen Erhöhung ihrer eigenen Werbeausgaben geführt habe, da wegen des Wettbewerbs um diese AdWords der Preis, den Google pro Klick berechne, erhöht worden sei.
101. Der Gerichtshof führte in Google France und Google Folgendes aus(72): „Benutzen Werbende im Internet ein mit einer Marke eines anderen identisches Zeichen als Schlüsselwort für die Anzeige von Werbebotschaften, ist es offensichtlich, dass diese Benutzung geeignet ist, auf die Möglichkeit für den Inhaber der Marke, sie für Werbung einzusetzen, und auf seine Handelsstrategie Auswirkungen zu entfalten. … Angesichts des hohen Stellenwerts der Internetwerbung im geschäftlichen Verkehr ist es nämlich plausibel, dass der Markeninhaber bei dem Anbieter des Referenzierungsdienstes seine eigene Marke als Schlüsselwort registriert, um in der Rubrik ‚Anzeigen‘ eine Anzeige erscheinen zu lassen. Tut er dies, wird er möglicherweise einen höheren Preis-pro-Klick als andere Wirtschaftsteilnehmer zahlen müssen, wenn er will, dass seine Anzeige vor den Anzeigen dieser Wirtschaftsteilnehmer erscheint, die ebenfalls seine Marke als Schlüsselwort ausgewählt haben. Zudem hat der Markeninhaber, selbst wenn er bereit ist, einen höheren Preis-pro-Klick als jene Dritten zu zahlen, die seine Marke ebenfalls als Schlüsselwort ausgewählt haben, keine Gewissheit, dass seine Anzeige vor den Anzeigen dieser Dritten erscheint, da sich die Reihenfolge der Anzeigen auch nach anderen Gesichtspunkten bestimmt. … Diese Auswirkungen der Benutzung eines mit der Marke identischen Zeichens durch Dritte stellen jedoch für sich allein keine Beeinträchtigung der Werbefunktion der Marke dar.“
102. Da höhere Preis-pro-Klick-Kosten die Werbefunktion einer bekannten Marke nicht beeinträchtigen, können solche höheren Kosten daher meines Erachtens nicht per se eine Unlauterkeit oder eine Ausnutzung der Wertschätzung der Marke sein.
103. Da der Gerichtshof außerdem im Urteil Google France und Google Schlüsselwortwerbung unter Benutzung von Marken Dritter gebilligt hat, muss meines Erachtens auch die Frage des Trittbrettfahrens auf der Grundlage der erscheinenden Anzeigen analysiert werden. Wenn in der Anzeige die Marke erwähnt oder dargestellt wird, hängt die Möglichkeit, die Benutzung zu akzeptieren, davon ab, ob es sich um eine zulässige vergleichende Werbung handelt oder vielmehr um das Mitschwimmen auf der Erfolgswelle des Inhabers der Marke(73).
104. In seinen Anzeigen vergleicht Marks & Spencer weder seine Waren und Dienstleistungen mit denen von Interflora („unsere Waren und Dienstleistungen sind besser/billiger als jene von Interflora“) noch präsentiert es seine Waren als Imitation oder Kopie („… wir bieten einen Service von der Art, wie ihn auch Interflora anbietet“) oder bietet sie ausdrücklich als Alternative an („Sind Sie Interflora Kunde? Warum versuchen Sie dieses Mal nicht Marks & Spencer?“).
105. Dennoch beinhaltet die Wahl von Schlüsselwörtern für Werbung in Suchmaschinen durch Marks & Spencer die Marketing-Botschaft, dass sie eine Alternative zu Interflora anbieten. Dies ist jedoch meines Erachtens noch kein Trittbrettfahren im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104.
106. Schließlich sind meines Erachtens die in Frage 4 aufgeführten Gesichtspunkte nicht relevant für die Antwort, die auf Frage 3 b zu geben ist.
V – Ergebnis
107. Nach alledem schlage ich vor, dem High Court of Justice of England and Wales, Chancery Division, zu antworten:
1. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke sind wie folgt auszulegen:
– Ein mit einer Marke identisches Zeichen wird „für Waren oder Dienstleistungen“ im Sinne dieser Vorschriften benutzt, wenn es als Schlüsselwort im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes ohne Zustimmung des Markenrechtsinhabers gewählt wurde und das Erscheinen von Anzeigen auf der Grundlage des Schlüsselworts erfolgt.
– Dem Inhaber einer Marke ist es gestattet, ein solches Verhalten unter den oben genannten Umständen zu verbieten, wenn ein durchschnittlicher Internetnutzer auf der Grundlage dieser Anzeige nicht oder nur mit Schwierigkeiten feststellen kann, ob die Waren und Dienstleistungen, auf die sich die Anzeige bezieht, vom Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder von einem Dritten stammen.
– Ein Irrtum in Bezug auf die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen entsteht, wenn die Anzeige des Mitbewerbers bei einigen Mitgliedern des Publikums dazu führen kann, dass sie fälschlich glauben, der Mitbewerber gehöre dem Vertriebsnetz des Markeninhabers an. Daraus ergibt sich, dass der Markeninhaber das Recht hat, die Benutzung des Schlüsselworts durch den fraglichen Mitbewerber in der Werbung zu verbieten.
2. Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 sind dahin auszulegen, dass die Benutzung eines Zeichens als Schlüsselwort in einem Internetreferenzierungsdienst für Waren und Dienstleistungen, die identisch sind mit denen, die von einer identischen bekannten Marke erfasst werden, auch in den Anwendungsbereich dieser Vorschriften fällt und vom Inhaber der Marke verboten werden kann, wenn
a) die Anzeige, die als Ergebnis erscheint, nachdem der Internetnutzer als Suchbegriff das Schlüsselwort eingegeben hat, das mit einer bekannten Marke identisch ist, diese Marke erwähnt oder darstellt und
b) die Marke
– dort entweder als Gattungsbegriff für eine Waren‑ oder Dienstleistungsklasse oder eine Waren‑ oder Dienstleistungskategorie verwendet wird;
– oder der Werbende dadurch versucht, von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und Ansehen zu profitieren und die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen.
3. Der Umstand, dass der Betreiber der Internetsuchmaschine Inhabern von Marken in dem maßgeblichen geografischen Raum nicht erlaubt, die Wahl von mit ihrer Marke identischen Zeichen als Schlüsselwörter durch andere Beteiligte zu verbieten, ist als solcher unerheblich, soweit die Verantwortlichkeit des Werbenden für die Benutzung der Schlüsselwörter betroffen ist.