Language of document : ECLI:EU:C:2009:631

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

15. Oktober 2009(*)

„Richtlinie 85/337/EWG – Öffentlichkeitsbeteiligung an umweltbezogenen Entscheidungsverfahren – Recht zur Anfechtung von Entscheidungen über die Genehmigung von Projekten, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist“

In der Rechtssache C‑263/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Högsta domstol (Schweden) mit Entscheidung vom 29. Mai 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Juni 2008, in dem Verfahren

Djurgården-Lilla Värtans Miljöskyddsförening

gegen

Stockholms kommun genom dess marknämnd

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer, der Richterin C. Toader sowie der Richter C. W. A. Timmermans, K. Schiemann und L. Bay Larsen,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        des Djurgården-Lilla Värtans Miljöskyddsförening, vertreten durch P. Schönning und G. Högberg Björck, jur kand,

–        der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, K. Petkovska, C. Meyer-Seitz und S. Johannesson als Bevollmächtigte,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J.‑B. Laignelot und P. Dejmek als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 2. Juli 2009

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175, S. 40) in der durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 (ABl. L 156, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 85/337).

2        Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Djurgården-Lilla Värtans Miljöskyddsförening (Umweltschutzvereinigung für Djurgården-Lilla Värtan, im Folgenden: Miljöskyddsförening) und der Stockholms kommun genom dess marknämnd (Gemeinde Stockholm, im Folgenden: Stockholms kommun).

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

 Die Richtlinie 2003/35

3        Art. 1 der Richtlinie 2003/35 bestimmt:

„Ziel dieser Richtlinie ist es, zur Erfüllung der Pflichten aufgrund des [im Namen der Europäischen Gemeinschaft mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005, ABl. L 124, S. 1, abgeschlossenen] Århus-Übereinkommens [über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten] beizutragen, insbesondere durch

a)      Bestimmungen über eine Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und

b)      eine verbesserte Öffentlichkeitsbeteiligung sowie Bestimmungen über den Zugang zu den Gerichten im Rahmen der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates.“

 Die Richtlinie 85/337

4        Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 sieht Folgendes vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie sind:

‚Öffentlichkeit‘: Eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen;

‚betroffene Öffentlichkeit‘: Die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren gemäß Artikel 2 Absatz 2 betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran; im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse.“

5        Art. 2 der Richtlinie 85/337 bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Genehmigungspflicht unterworfen und einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden. Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert.

(2)      Die Umweltverträglichkeitsprüfung kann in den Mitgliedstaaten im Rahmen der bestehenden Verfahren zur Genehmigung der Projekte durchgeführt werden oder, falls solche nicht bestehen, im Rahmen anderer Verfahren oder der Verfahren, die einzuführen sind, um den Zielen dieser Richtlinie zu entsprechen.

(3)      Unbeschadet des Artikels 7 können die Mitgliedstaaten in Ausnahmefällen ein einzelnes Projekt ganz oder teilweise von den Bestimmungen dieser Richtlinie ausnehmen.

In diesem Fall müssen die Mitgliedstaaten:

a)      prüfen, ob eine andere Form der Prüfung angemessen ist;

b)      der betroffenen Öffentlichkeit die im Rahmen anderer Formen der Prüfung nach Buchstabe a) gewonnenen Informationen, die Informationen betreffend diese Ausnahme und die Gründe für die Gewährung der Ausnahme zugänglich machen;

…“

6        Art. 4 der Richtlinie 85/337 lautet:

„(1)      Projekte des Anhangs I werden vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 3 einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen.

(2)      Bei Projekten des Anhangs II bestimmen die Mitgliedstaaten vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 3 anhand

a)      einer Einzelfalluntersuchung

oder

b)      der von den Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien,

ob das Projekt einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen werden muss.

Die Mitgliedstaaten können entscheiden, beide unter den Buchstaben a) und b) genannten Verfahren anzuwenden.

(3)      Bei der Einzelfalluntersuchung oder der Festlegung von Schwellenwerten bzw. Kriterien im Sinne des Absatzes 2 sind die relevanten Auswahlkriterien des Anhangs III zu berücksichtigen.

(4)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die gemäß Absatz 2 getroffenen Entscheidungen der zuständigen Behörden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.“

7        Anhang I Nr. 11 der Richtlinie 85/337 betrifft „Grundwasserentnahme- oder künstliche Grundwasserauffüllungssysteme mit einem jährlichen Entnahme- oder Auffüllungsvolumen von mindestens 10 Mio. m³“.

8        Anhang II Nr. 10 der Richtlinie („Infrastrukturprojekte“) nennt unter Buchst. l „Grundwasserentnahme- und künstliche Grundwasserauffüllungssysteme, soweit nicht durch Anhang I erfasst“.

9        In Art. 6 der Richtlinie 85/337 heißt es:

„…

(2)      Die Öffentlichkeit wird durch öffentliche Bekanntmachung oder auf anderem geeignetem Wege, wie durch elektronische Medien, soweit diese zur Verfügung stehen, frühzeitig im Rahmen umweltbezogener Entscheidungsverfahren gemäß Artikel 2 Absatz 2, spätestens jedoch, sobald die Informationen nach vernünftigem Ermessen zur Verfügung gestellt werden können, über Folgendes informiert:

a)      den Genehmigungsantrag;

b)      die Tatsache, dass das Projekt Gegenstand einer Umweltverträglichkeitsprüfung ist, und gegebenenfalls die Tatsache, dass Artikel 7 Anwendung findet;

c)      genaue Angaben zu den jeweiligen Behörden, die für die Entscheidung zuständig sind, bei denen relevante Informationen erhältlich sind bzw. bei denen Stellungnahmen oder Fragen eingereicht werden können, sowie zu vorgesehenen Fristen für die Übermittlung von Stellungnahmen oder Fragen;

d)      die Art möglicher Entscheidungen, oder, soweit vorhanden, den Entscheidungsentwurf;

e)      die Angaben über die Verfügbarkeit der Informationen, die gemäß Artikel 5 eingeholt wurden;

f)      die Angaben, wann, wo und in welcher Weise die relevanten Informationen zugänglich gemacht werden;

g)      Einzelheiten zu den Vorkehrungen für die Beteiligung der Öffentlichkeit nach Absatz 5 dieses Artikels.

(3)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der betroffenen Öffentlichkeit innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens Folgendes zugänglich gemacht wird:

a)      alle Informationen, die gemäß Artikel 5 eingeholt wurden;

b)      in Übereinstimmung mit den nationalen Rechtsvorschriften die wichtigsten Berichte und Empfehlungen, die der bzw. den zuständigen Behörden zu dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem die betroffene Öffentlichkeit nach Absatz 2 dieses Artikels informiert wird;

c)      in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen [ABl. L 41, S. 26] andere als die in Absatz 2 dieses Artikels genannten Informationen, die für die Entscheidung nach Artikel 8 von Bedeutung sind und die erst zugänglich werden, nachdem die betroffene Öffentlichkeit nach Absatz 2 dieses Artikels informiert wurde.

(4)      Die betroffene Öffentlichkeit erhält frühzeitig und in effektiver Weise die Möglichkeit, sich an den umweltbezogenen Entscheidungsverfahren gemäß Artikel 2 Absatz 2 zu beteiligen, und hat zu diesem Zweck das Recht, der zuständigen Behörde bzw. den zuständigen Behörden gegenüber Stellung zu nehmen und Meinungen zu äußern, wenn alle Optionen noch offen stehen und bevor die Entscheidung über den Genehmigungsantrag getroffen wird.

(5)      Die genauen Vorkehrungen für die Unterrichtung der Öffentlichkeit (beispielsweise durch Anschläge innerhalb eines gewissen Umkreises oder Veröffentlichung in Lokalzeitungen) und Anhörung der betroffenen Öffentlichkeit (beispielsweise durch Aufforderung zu schriftlichen Stellungnahmen oder durch eine öffentliche Anhörung) werden von den Mitgliedstaaten festgelegt.

(6)      Der Zeitrahmen für die verschiedenen Phasen muss so gewählt werden, dass ausreichend Zeit zur Verfügung steht, um die Öffentlichkeit zu informieren, und dass der betroffenen Öffentlichkeit ausreichend Zeit zur effektiven Vorbereitung und Beteiligung während des umweltbezogenen Entscheidungsverfahrens vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Artikels gegeben wird.“

10      Art. 10a der Richtlinie 85/337 lautet:

„Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die

a)      ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ

b)      eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.

Die Mitgliedstaaten legen fest, in welchem Verfahrensstadium die Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen angefochten werden können.

Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation, welche die in Artikel 1 Absatz 2 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne von Absatz 1 Buchstabe a) dieses Artikels. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b) dieses Artikels verletzt werden können.

Dieser Artikel schließt die Möglichkeit eines vorausgehenden Überprüfungsverfahrens bei einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis einer Ausschöpfung der verwaltungsbehördlichen Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.

Die betreffenden Verfahren werden fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer durchgeführt.

Um die Effektivität dieses Artikels zu fördern, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Öffentlichkeit praktische Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zugänglich gemacht werden.“

 Nationales Recht

11      Das Ableiten von Grundwasser und die Zuführung von Wasser zur Erhöhung des Grundwasserspiegels sowie die Errichtung von Anlagen hierzu stellen nach Kapitel 11 §§ 2 und 9 des Umweltgesetzbuchs erlaubnispflichtige Tätigkeiten dar. Einen Antrag auf Genehmigung in diesem speziellen Bereich prüfen nach Kapitel 11 § 9b des Umweltgesetzbuchs in erster Instanz die Kammern für Umweltangelegenheiten. Die Entscheidungen der Kammern für Umweltangelegenheiten können mit einem Rechtsbehelf bei der Höheren Kammer für Umweltangelegenheiten angefochten werden; deren Urteile sind nach Kapitel 23 §§ 1 und 9 des Umweltgesetzbuchs mit einem Rechtsmittel beim Högsta domstol (Oberster Gerichtshof) anfechtbar.

12      Kapitel 6 des Umweltgesetzbuchs enthält die Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung. Dort ist u. a. geregelt, dass sich, wer die Ausübung einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit beabsichtigt, mit dem Länsstyrelse (Bezirksregierung), der Aufsichtsbehörde und denjenigen Privatpersonen abzustimmen hat, die als besonders betroffen gelten können. Dabei hat sich die Aufsichtsbehörde dazu zu äußern, ob für eine geplante Tätigkeit davon ausgegangen werden muss, dass sie möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben kann. Ist dies ihrer Ansicht nach der Fall, sind auch die übrigen staatlichen Stellen, die Gemeinden, die Öffentlichkeit und Organisationen hinzuzuziehen, die als betroffen angesehen werden können.

13      Das Anfechtungsrecht ist in Kapitel 16 §§ 12 und 13 des Umweltgesetzbuchs geregelt. Das Anfechtungsrecht für die Parteien eines Gerichtsverfahrens sowie für bestimmte Organisationen und Behörden wird in Kapitel 16 §§ 12 ff. behandelt. Gemäß Kapitel 16 § 13 kann eine Vereinigung ohne Gewinnzweck unter bestimmten in der Vorschrift angegebenen Voraussetzungen Urteile und Beschlüsse über nach dem Umweltgesetzbuch erteilte Genehmigungen, Zustimmungen oder Befreiungen anfechten.

14      Nach § 13 muss die Vereinigung drei Voraussetzungen erfüllen, nämlich das satzungsmäßige Ziel verfolgen, Naturschutz- oder Umweltbelange wahrzunehmen, ihrer Tätigkeit in Schweden mindestens seit drei Jahren nachgegangen sein und mindestens 2 000 Mitglieder haben.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

15      Die Stockholms kommun schloss mit einem Energieunternehmen einen Vertrag über den Bau eines Tunnels von etwa 1 km Länge, der nördlich von Djurgården, zwischen Hjorthagen und Fisksjöäng, durch das Gestein führen sollte, um als Ersatz für Hochspannungs-Freileitungen unterirdische Stromleitungen zu verlegen.

16      Die Umsetzung dieses Vorhabens machte zum einen die Ableitung von in den Stromleitungs- und den dazugehörigen Zufahrtstunnel eindringendem Grundwasser erforderlich, und zum anderen mussten auf bestimmten Grundstücken im fraglichen Gebiet Anlagen zur Ableitung und zur Einleitung von Grundwasser in den Grund oder das Gestein zum Ausgleich für ein etwaiges Absinken des Grundwassers errichtet und unterhalten werden.

17      Der Länsstyrelse i Stockholms län (Bezirksregierung im Verwaltungsbezirk Stockholm) befand mit Beschluss vom 27. Mai 2004 aufgrund einer für das Projekt durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung bei einer Untersuchung gemäß Kapitel 6 des Umweltgesetzbuchs, dass der fragliche Vorgang erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere auf das Grundwasser, haben könnte.

18      Mit Urteil vom 13. Dezember 2006 gestattete der Miljödomstol vid Stockholms tingsrättla (Kammer für Umweltangelegenheiten des Gerichts erster Instanz Stockholm) der Stockholms kommun nach Kapitel 11 des Umweltgesetzbuchs die Durchführung der fraglichen Arbeiten.

19      Der Miljöskyddsförening legte gegen diese Entscheidung beim Miljööverdomstol des Svea Hovrätt (Höhere Kammer für Umweltangelegenheiten beim Berufungsgericht Svealand) ein Rechtsmittel ein, das jedoch mit der Begründung für unzulässig erklärt wurde, dass der Miljöskyddsförening nicht die Voraussetzung des Kapitels 16 § 13 des Umweltgesetzbuchs erfülle, wonach er mindestens 2 000 Mitglieder haben müsse, um zur Anfechtung von Urteilen und Beschlüssen im Sinne des Umweltgesetzbuchs befugt zu sein.

20      Der Miljöskyddsförening legte gegen diese Unzulässigkeitsentscheidung Rechtsmittel beim Högsta domstol ein.

21      Dieses Gericht möchte wissen, ob das streitige Vorhaben als Projekt im Sinne des Anhangs II Nr. 10 Buchst. l der Richtlinie 85/337 unter diese Richtlinie fällt, da sich diese Nummer in der schwedischen Sprachfassung der Richtlinie auf die Entnahme von Grundwasser im Hinblick auf seine spätere Verwendung zu beschränken scheint. Außerdem sieht sich das Gericht vor die Frage gestellt, welche Reichweite das im Århus-Übereinkommen vorgesehene Recht zur gerichtlichen Anfechtung hat und ob insofern die Voraussetzungen des schwedischen Rechts zu restriktiv sind.

22      Vor diesem Hintergrund hat der Högsta domstol beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Anhang II Nr. 10 der Richtlinie 85/337 dahin auszulegen, dass er eine wasserrelevante Tätigkeit, bei der eindringendes Grundwasser aus einem Tunnel für Hochspannungsleitungen abgeführt wird und Wasser in den Grund oder das Gestein eingeleitet (zugeführt) wird, um eine etwaige Grundwasserabsenkung auszugleichen, einschließlich der Errichtung und Unterhaltung von Anlagen zur Ableitung und Einleitung umfasst?

2.      Falls die Frage 1 zu bejahen ist: Verlangt Art. 10a der Richtlinie 85/337 – wonach die betroffene Öffentlichkeit unter bestimmten Voraussetzungen Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen unparteiischen Stelle haben muss, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit einer Entscheidung anzufechten – auch, dass die betroffene Öffentlichkeit befugt ist, die Entscheidung eines Gerichts über einen Antrag auf Genehmigung in einem Fall anzufechten, in dem sie die Möglichkeit hatte, sich an dem Verfahren über den Genehmigungsantrag vor diesem Gericht zu beteiligen und sich in diesem Verfahren zu äußern?

3.      Falls die Fragen 1 und 2 zu bejahen sind: Sind Art. 1 Abs. 2, Art. 6 Abs. 4 und Art. 10a der Richtlinie 85/337 dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat unterschiedliche Anforderungen in Bezug auf die betroffene Öffentlichkeit im Sinne von Art. 6 Abs. 4 bzw. Art. 10a aufstellen kann, so dass kleine, auf lokaler Ebene organisierte Umweltschutzvereinigungen berechtigt sind, an dem Entscheidungsverfahren gemäß Art. 6 Abs. 4 für Projekte teilzunehmen, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt in dem Gebiet haben, in dem die Vereinigung tätig ist, sie aber kein Anfechtungsrecht im Sinne von Art. 10a haben?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

23      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Projekt wie das im Ausgangsverfahren fragliche unter den in Nr. 10 Buchst. l des Anhangs II der Richtlinie 85/337 genannten Begriff „Grundwasserentnahme‑ und künstliche Grundwasserauffüllungssysteme, soweit nicht durch Anhang I [dieser Richtlinie] erfasst“ fällt.

24      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts könnte der Wortlaut der Nr. 10 Buchst. l des Anhangs II in der schwedischen Fassung ausschließlich Projekte zur Entnahme von Grundwasser im Hinblick auf dessen spätere Verwendung erfassen.

25      Nach ständiger Rechtsprechung verbietet es die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit Auslegung des Gemeinschaftsrechts, eine Bestimmung im Fall von Zweifeln isoliert in einer ihrer Sprachfassungen zu betrachten; sie muss vielmehr im Licht ihrer Fassungen in den anderen Amtssprachen ausgelegt und angewandt werden (Urteile vom 9. März 2006, Zuid-Hollandse Milieufederatie und Natuur en Milieu, C‑174/05, Slg. 2006, I‑2443, Randnr. 20, sowie vom 29. Januar 2009, Consiglio Nazionale degli Ingegneri, C‑311/06, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 53).

26      Wegen der Notwendigkeit einer solchen Auslegung muss die fragliche Bestimmung, falls die verschiedenen Sprachfassungen voneinander abweichen, anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Dezember 1995, Rockfon, C‑449/93, Slg. 1995, I‑4291, Randnr. 28).

27      In Bezug auf Nr. 10 Buchst. l des Anhangs II der Richtlinie 85/337 geht aus der Prüfung der verschiedenen Sprachfassungen, insbesondere der deutschen, der englischen, der finnischen, der französischen, der italienischen, der niederländischen, der polnischen, der portugiesischen und der spanischen Fassung hervor, dass diese Bestimmung Grundwasserentnahme- und Grundwasserauffüllungssysteme betrifft, soweit diese nicht durch Anhang I der Richtlinie erfasst sind, und zwar unabhängig von dem Zweck, zu dem diese Vorgänge durchgeführt werden müssen, und insbesondere unabhängig von der späteren Verwendung des so entnommenen oder in den Grund zurückgeleiteten Wassers.

28      Überdies enthält auch Nr. 11 des Anhangs I der Richtlinie für die Grundwasserentnahme‑ und Grundwasserauffüllungssysteme mit einem jährlichen Entnahme‑ oder Auffüllungsvolumen von mindestens 10 Mio. m³ keine solchen Kriterien.

29      Schließlich hat die Richtlinie 85/337 nach ständiger Rechtsprechung einen weiten Anwendungsbereich und einen sehr weitreichenden Zweck (vgl. Urteil vom 28. Februar 2008, Abraham u. a., C‑2/07, Slg. 2008, I‑1197, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Folglich ist Nr. 10 Buchst. l des Anhangs II der Richtlinie 85/337 dahin auszulegen, dass sie alle Grundwasserentnahme- und künstlichen Grundwasserauffüllungssysteme erfasst, die nicht von Anhang I der Richtlinie erfasst sind, und zwar unabhängig von ihrem Zweck, so dass auch Systeme erfasst werden, die keine spätere Verwendung des Wassers einschließen.

31      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass ein Projekt wie das im Ausgangsverfahren fragliche, das die Ableitung von in einen Stromleitungstunnel eindringendem Wasser und die Einleitung von Wasser in den Grund oder das Gestein, um eine etwaige Grundwasserabsenkung auszugleichen, einschließlich der Errichtung und Unterhaltung von Anlagen zur Ableitung und Einleitung betrifft, unabhängig von der endgültigen Bestimmung des Grundwassers und insbesondere unabhängig von einer späteren Verwendung des Grundwassers unter Nr. 10 Buchst. l des Anhangs I der Richtlinie 85/337 fällt.

 Zur zweiten Frage

32      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 10a der Richtlinie 85/337 verlangt, dass die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit die von einer der nationalen Gerichtsbarkeit eines Mitgliedstaats zugehörigen Stelle erlassene Entscheidung über den Antrag auf Genehmigung eines Projekts anfechten können, obwohl sie die Möglichkeit hatten, sich an dem Verfahren über den Genehmigungsantrag vor dieser Stelle zu beteiligen und sich in diesem Verfahren zu äußern.

33      Die Richtlinie 85/337 sieht nach den Änderungen durch die Richtlinie 2003/35 zur Umsetzung des Århus-Übereinkommens in Art. 10a zugunsten der Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, die Möglichkeit für den Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer unabhängigen Stelle vor, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie gelten.

34      So muss nach dem Wortlaut dieser Bestimmung jeder, der als Teil der betroffenen Öffentlichkeit entweder ein ausreichendes Interesse hat oder, wenn dies nach nationalem Recht erforderlich ist, geltend macht, durch einen der in der Richtlinie 85/337 bezeichneten Vorgänge in seinen Rechten verletzt zu sein, eine solche Anfechtung vornehmen können.

35      Außerdem geht aus dieser Bestimmung hervor, dass jede Nichtregierungsorganisation, die sich für den Umweltschutz einsetzt und die nach nationalem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllt, zur betroffenen Öffentlichkeit zählt, die nach Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 10a der Richtlinie 85/337 ein Anfechtungsrecht hat.

36      Mit Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 85/337 wird insbesondere der betroffenen Öffentlichkeit eine effektive Beteiligung an den umweltbezogenen Entscheidungsverfahren garantiert, soweit bei den Projekten mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist.

37      Die Tatsache, dass eine Genehmigung wie die im Ausgangsverfahren fragliche für ein Projekt über die unterirdische Verlegung von Stromleitungen und eine Grundwasserentnahme, die eine Entscheidung im Sinn des Art. 10a der Richtlinie 85/337 darstellt, von einem Gericht im Rahmen seiner verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit erteilt wurde, hindert eine Vereinigung, die die in Randnr. 35 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Voraussetzungen erfüllt, nicht daran, diese Entscheidung nach den Modalitäten des nationalen Rechts anzufechten.

38      Zum einen ist das Anfechtungsrecht nach Art. 10a der Richtlinie 85/337 unabhängig davon, ob die Behörde, die die angefochtene Entscheidung oder Maßnahme erlassen hat, verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Charakter hat. Zum anderen unterscheidet sich die Beteiligung am umweltbezogenen Entscheidungsverfahren unter den Voraussetzungen der Art. 2 Abs. 2 und 6 Abs. 4 der Richtlinie 85/337 von einer gerichtlichen Anfechtung und hat auch eine andere Zielsetzung als diese, da sich eine solche Anfechtung gegebenenfalls gegen die am Ende dieses Verfahrens ergehende Entscheidung richten kann. Diese Beteiligung hat daher keine Auswirkungen auf die Voraussetzungen für die Ausübung des Anfechtungsrechts.

39      Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, dass es den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit im Sinne von Art. 1 Abs. 2 und Art. 10a der Richtlinie 85/337 möglich sein muss, die von einer der nationalen Gerichtsbarkeit eines Mitgliedstaats zugehörigen Stelle erlassene Entscheidung über den Antrag auf Genehmigung eines Projekts anzufechten, gleichviel, welche Rolle sie in dem Verfahren über den Genehmigungsantrag vor dieser Stelle durch ihre Beteiligung an und ihre Äußerung in diesem Verfahren spielen konnte.

 Zur dritten Frage

40      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Mitgliedstaaten im Rahmen der Durchführung des Art. 6 Abs. 4 und des Art. 10a der Richtlinie 85/337 vorsehen dürfen, dass die kleinen, auf lokaler Ebene organisierten Umweltschutzvereinigungen an dem Entscheidungsverfahren des Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie beteiligt werden, ohne zur Anfechtung der Entscheidung berechtigt zu sein, die am Ende dieses Verfahrens getroffen wird.

41      Aus der Vorlageentscheidung und den dem Gerichtshof vorgelegten Akten sowie den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung geht hervor, dass diese Frage u. a. darauf zurückgeht, dass es im einschlägigen nationalen Recht eine Vorschrift gibt, wonach nur eine Vereinigung, die mindestens 2 000 Mitglieder hat, eine umweltbezogene Entscheidung anfechten kann.

42      Die Richtlinie 85/337 unterscheidet zum einen die betroffene Öffentlichkeit nach den Vorgängen, die unter die Richtlinie fallen, und zum anderen innerhalb der betroffenen Öffentlichkeit eine Untergruppe natürlicher und juristischer Personen, die aufgrund ihrer besonderen Stellung in Bezug auf den fraglichen Vorgang nach Art. 10a ein Recht zur Anfechtung der Entscheidung haben müssen, mit der dieser Vorgang genehmigt wird.

43      Die Richtlinie verweist für die Festlegung der Voraussetzungen, denen die Zulässigkeit der Klage unterworfen werden kann, auf die nationalen Rechtsvorschriften. Diese Voraussetzungen können sowohl ein „ausreichendes Interesse“ als auch eine „Rechtsverletzung“ sein, je nachdem, ob die nationalen Rechtsvorschriften für gewöhnlich auf den einen oder den anderen der beiden Begriffe zurückgreifen.

44      Nach Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 10a der Richtlinie 85/337 ist davon auszugehen, dass von den Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen, diejenigen, die „die nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen“, ein „ausreichendes Interesse an der Anfechtung“ haben oder eines der Rechte innehaben, das durch einen der unter die Richtlinie fallenden Vorgänge verletzt sein könnte.

45      Zwar überlässt es Art. 10a mit seiner Verweisung auf Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie den nationalen Gesetzgebern, die Voraussetzungen dafür zu bestimmen, dass eine Nichtregierungsorganisation, die sich für den Umweltschutz einsetzt, etwa eine Vereinigung, unter den oben genannten Voraussetzungen ein Anfechtungsrecht haben kann, doch müssen die so festgelegten nationalen Rechtsvorschriften zum einen „einen weiten Zugang zu Gerichten“ sicherstellen und zum anderen die praktische Wirksamkeit derjenigen Bestimmungen der Richtlinie 85/337 gewährleisten, die die gerichtliche Anfechtung betreffen. Folglich darf nicht die Gefahr bestehen, dass diese nationalen Rechtsvorschriften diejenigen Gemeinschaftsvorschriften gegenstandslos machen, nach denen alle, die ein ausreichendes Interesse an der Anfechtung eines Projekts haben und deren Rechte verletzt sind, wozu auch Umweltschutzvereinigungen gehören, die Möglichkeit haben müssen, vor den zuständigen Gerichten gegen dieses Projekt vorzugehen.

46      Insoweit kann ein nationales Gesetz verlangen, dass eine solche Vereinigung, die gerichtlich gegen ein unter die Richtlinie 85/337 fallendes Projekt vorgehen möchte, ein natur- und umweltschutzbezogenes Ziel hat.

47      Außerdem ist nicht auszuschließen, dass sich die Voraussetzung, dass eine Umweltschutzvereinigung eine Mindestzahl an Mitgliedern haben muss, als sachdienlich erweisen kann, um sicherzustellen, dass diese Vereinigung auch tatsächlich existiert und tätig ist. Die erforderliche Mitgliederzahl darf jedoch vom nationalen Recht nicht so hoch angesetzt werden, dass sie den Zielen der Richtlinie 85/337, insbesondere dem Ziel, die gerichtliche Kontrolle der unter die Richtlinie fallenden Vorgänge unschwer zu ermöglichen, zuwiderläuft.

48      Hierzu ist festzustellen, dass die Richtlinie 85/337 zwar vorsieht, dass die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die ein ausreichendes Interesse an der Anfechtung eines Vorgangs haben oder deren Rechte durch einen Vorgang verletzt sein könnten, die Möglichkeit haben müssen, die Entscheidung anzufechten, mit der dieser Vorgang genehmigt wird, dass es diese Richtlinie jedoch keineswegs zulässt, die Anfechtungsmöglichkeit mit der Begründung zu beschränken, dass die Betroffenen sich bereits in der Phase der Beteiligung am Entscheidungsverfahren nach Art. 6 Abs. 4 äußern konnten.

49      Der vom Königreich Schweden vorgebrachte Umstand, dass die nationalen Rechtsvorschriften eine sehr weitreichende Möglichkeit für die Vorabbeteiligung an dem der Entscheidung über einen Vorgang vorausgehenden Verfahren bieten, kann es nicht rechtfertigen, dass eine gerichtliche Anfechtung der am Ende des Verfahrens ergehenden Entscheidung nur unter restriktiven Voraussetzungen möglich ist.

50      Zudem betrifft die Richtlinie 85/337 nicht ausschließlich Vorgänge von regionaler oder nationaler Bedeutung, sondern auch solche geringeren Umfangs, mit denen sich auf lokaler Ebene organisierte Vereinigungen besser befassen können. Wie die Generalanwältin in Nr. 78 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, wird den auf lokaler Ebene organisierten Vereinigungen durch die fragliche schwedische Regelung jede Möglichkeit der gerichtlichen Anfechtung genommen.

51      Die schwedische Regierung, die derzeit nur bei zwei Vereinigungen anerkennt, dass sie mindestens 2 000 Mitglieder haben und somit die Voraussetzung des Kapitels 16 § 13 des Umweltgesetzbuchs erfüllen, hat geltend gemacht, dass auf lokaler Ebene organisierte Vereinigungen sich an eine dieser beiden Vereinigungen wenden und sie um die Erhebung einer Klage ersuchen könnten. Das Bestehen nur dieser Möglichkeit wird aber nicht den Anforderungen der Richtlinie 85/337 gerecht, da diese ermächtigten Vereinigungen zum einen möglicherweise nicht dasselbe Interesse daran haben, sich mit einem Vorgang von beschränkter Reichweite zu befassen, und zum anderen Gefahr liefen, mit zahlreichen Ersuchen dieser Art überhäuft zu werden, so dass sie zwangsläufig eine Auswahl anhand nicht kontrollierbarer Kriterien treffen müssten. Schließlich würde ein solches System naturgemäß zu einer Filterung der umweltbezogenen Anfechtungen führen, die dem Geist der Richtlinie zuwiderliefe, die, wie aus Randnr. 33 des vorliegenden Urteils hervorgeht, darauf abzielt, die Umsetzung des Århus-Übereinkommens sicherzustellen.

52      Folglich ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 10a der Richtlinie 85/337 einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, die das Recht auf Anfechtung einer Entscheidung über einen Vorgang im Sinne dieser Richtlinie Umweltschutzvereinigungen vorbehält, die mindestens 2 000 Mitglieder haben.

 Kosten

53      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Ein Projekt wie das im Ausgangsverfahren fragliche, das die Ableitung von in den Stromleitungstunnel eindringendem Wasser und die Einleitung von Wasser in den Grund oder das Gestein, um eine etwaige Grundwasserabsenkung auszugleichen, einschließlich der Errichtung und Unterhaltung von Anlagen zur Ableitung und Einleitung betrifft, fällt unabhängig von der endgültigen Bestimmung des Grundwassers und insbesondere unabhängig von einer späteren Verwendung des Grundwassers unter Nr. 10 Buchst. l des Anhangs II der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 geänderten Fassung.

2.      Den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit im Sinne von Art. 1 Abs. 2 und Art. 10a der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung muss es möglich sein, die von einer der nationalen Gerichtsbarkeit eines Mitgliedstaats zugehörigen Stelle erlassene Entscheidung über den Antrag auf Genehmigung eines Projekts anzufechten, gleichviel, welche Rolle sie in dem Verfahren über den Genehmigungsantrag vor dieser Stelle durch ihre Beteiligung an und ihre Äußerung in diesem Verfahren spielen konnte.

3.      Art. 10a der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung steht einer nationalen Rechtsvorschrift entgegen, die das Recht auf Anfechtung einer Entscheidung über einen Vorgang im Sinne dieser Richtlinie in geänderter Fassung Umweltschutzvereinigungen vorbehält, die mindestens 2 000 Mitglieder haben.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Schwedisch.