URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
8. Juni 1999 (1)
„Artikel 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG Umsatzsteuern Beiträge an
Tourismusverbände und an einen Tourismusförderungsfonds“
In den verbundenen Rechtssachen C-338/97, C-344/97 und C-390/97
betreffend dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG (früher Artikel 177) vom
österreichischen Verwaltungsgerichtshof in den bei diesem anhängigen
Rechtsstreitigkeiten
Erna Pelzl u. a.
gegen
Steiermärkische Landesregierung (C-338/97),
Wiener Städtische Allgemeine Versicherungs AG u. a.
gegen
Tiroler Landesregierung (C-344/97)
und
STUAG Bau-Aktiengesellschaft
gegen
Kärntner Landesregierung (C-390/97)
vorgelegte Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 33 der
Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern Gemeinsames
Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl.
L 145, S. 1)
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet (Berichterstatter) sowie
der Richter P. Jann, C. Gulmann, D. A. O. Edward und L. Sevón,
Generalanwalt: S. Alber
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
von Erna Pelzl, Johannes Kovac und Harald Hohenberg, der Kovac Schrott
GmbH NFG KG, der Kovac Management GmbH, der P. Kovac & Co.
GmbH und der Kovac Eisen Maschinen Metalle GmbH NFG KG, vertreten
durch Rechtsanwalt Harald Hohenberg, Graz,
der Wiener Städtischen Allgemeinen Versicherungs AG, vertreten durch die
Rechtsanwälte Kurt Heller und Maria Th. Pflügl, Wien,
von Romed Karl Kleissl, vertreten durch die Rechtsanwälte Christian C.
Schwaighofer und Michael Sallinger, Innsbruck,
der Streiter KG sowie von Alfred Eiter und Stefan Riml, vertreten durch
die Rechtsanwälte Andreas Fink und Peter Kolb, Imst,
der Anton Gschwentner GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Hubertus
Schumacher, Innsbruck,
von Michael Khuen-Belasi, vertreten durch Rechtsanwältin Beate Köll-Kirchmeyr, Schwaz,
der DM Drogeriemarkt GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Wolf-Dieter
Arnold, Wien,
der STUAG Bau-Aktiengesellschaft, vertreten durch Rechtsanwalt
Alexander Hasch, Linz,
der Steiermärkischen Landesregierung, vertreten durch Hofrat Nikolaus
Hermann, Amt der Steiermärkischen Landesregierung-Landesfremdenverkehrsabteilung, als Bevollmächtigten,
der Tiroler Landesregierung, vertreten durch Hansjörg Teissl, Vorsitzender
der Berufungskommission nach § 38 des Tiroler Tourismusgesetzes 1991
beim Amt der Tiroler Landesregierung, als Bevollmächtigten,
der österreichischen Regierung, vertreten durch Ministerialrat Wolf
Okresek, Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst, als Bevollmächtigten,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch
Rechtsberater Viktor Kreuschitz und Enrico Traversa, Juristischer Dienst,
als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Frau Pelzl, Herrn Kovac und
Herrn Hohenberg, der Kovac Schrott GmbH NFG KG, der Kovac Management
GmbH, der P. Kovac & Co. GmbH und der Kovac Eisen Maschinen Metalle
GmbH NFG KG, vertreten durch Rechtsanwalt Harald Hohenberg, der Wiener
Städtischen Allgemeinen Versicherungs AG und der STUAG Bau-Aktiengesellschaft, vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Heller, der Steiermärkischen
Landesregierung, vertreten durch Oberregierungsrat Erwin Wanke, Amt der
Steiermärkischen Landesregierung-Landesfremdenverkehrsabteilung, als
Bevollmächtigten, der Tiroler Landesregierung, vertreten durch Hofrat Ansgar
Rudisch, Amt der Tiroler Landesregierung, als Bevollmächtigten, der Kärntner
Landesregierung, vertreten durch Professor Markus Achatz als Bevollmächtigten,
der österreichischen Regierung, vertreten durch Ministerialrat Harald Dossi,
Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst, als Bevollmächtigten, und der Kommission,
vertreten durch Viktor Kreuschitz und Enrico Traversa, in der Sitzung vom 4.
Februar 1999,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. März
1999,
folgendes
Urteil
- 1.
- Der Verwaltungsgerichtshof hat mit zwei Beschlüssen vom 12. August 1997 und
einem Beschluß vom 27. Oktober 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 29.
September, 2. Oktober und 17. November 1997, gemäß Artikel 234 EG (früher
Artikel 177) drei Fragen nach der Auslegung des Artikels 33 der Sechsten
Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern Gemeinsames
Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl.
L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
- 2.
- Diese Fragen stellen sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen Frau Pelzl u. a. und der
Steiermärkischen Landesregierung, zwischen der Wiener Städtischen Allgemeinen
Versicherungs AG u. a. und der Tiroler Landesregierung sowie zwischen der
STUAG Bau-Aktiengesellschaft und der Kärntner Landesregierung über die
Heranziehung der Kläger der Ausgangsverfahren zu den Tourismusabgaben gemäß
dem Steiermärkischen Tourismusgesetz, dem Tiroler Tourismusgesetz und dem
Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz.
- 3.
- Diese Abgaben zielen darauf ab, den Tourismus in den betreffenden
Bundesländern zu fördern. In der Steiermark werden mit der Abgabe örtliche
Tourismusverbände finanziert. In Tirol fließt sie zum Teil den örtlichen
Tourismusverbänden und zum Teil einem Tourismusförderungsfonds zu. In Kärnten
wird sie zwischen dem Land und den Gemeinden aufgeteilt.
- 4.
- Jede dieser Abgaben wird grundsätzlich von allen Unternehmern geschuldet, die
wirtschaftlich unmittelbar oder mittelbar am Tourismus interessiert sind und ihren
Sitz oder eine Betriebsstätte in Tirol, in Kärnten oder in einer der im
Steiermärkischen Tourismusgesetz bestimmten steiermärkischen Gemeinden haben;
das Steiermärkische Tourismusgesetz gilt für den überwiegenden Teil des Landes,
aber nicht für die gesamte Steiermark.
- 5.
- Die Abgabe wird zu verschiedenen Sätzen erhoben, je nach dem Nutzen, den der
Abgabepflichtige aus dem Fremdenverkehr zieht; dieser Nutzen bemißt sich nach
der Einreihung des Abgabepflichtigen in eine Berufsgruppe sowie in der Steiermark
und in Tirol nach der Einstufung der Gemeinde, in der er seinen Sitz hat.
- 6.
- Bemessungsgrundlage der Abgabe ist grundsätzlich und vorbehaltlich bestimmter
Befreiungen der im betreffenden Bundesland erzielte steuerbare Jahresumsatz im
Sinne des Umsatzsteuergesetzes des Bundes.
- 7.
- Frau Pelzl u. a., die Wiener Städtische Allgemeine Versicherungs AG u. a. und die
STUAG Bau-Aktiengesellschaft erhoben beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde
gegen die Abweisung ihrer Berufungen gegen die Bescheide, mit denen sie zu den
Tourismusabgaben herangezogen worden waren. Sie machten insbesondere geltend,
daß diese Abgaben im Widerspruch zu Artikel 33 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie
stünden, wonach „[u]nbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen ... die
Bestimmungen dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran [hindern], Abgaben
auf Versicherungsverträge, Abgaben auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern,
Grunderwerbsteuern, sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren,
die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder
einzuführen ...“
- 8.
- Der Verwaltungsgerichtshof, der über die Vereinbarkeit der Tourismusabgaben mit
Artikel 33 der Sechsten Richtlinie im Zweifel ist, hat das Verfahren ausgesetzt und
dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Rechtssache C-338/97
Steht Artikel 33 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerliche
Bemessungsgrundlage (77/388/EWG) der Beibehaltung einer Abgabe (wegen ihres
Charakters von Umsatzsteuern) entgegen, die in einem Bundesland (Teilstaat)
eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften
von allen unmittelbar oder mittelbar am Fremdenverkehr interessierten
Unternehmern, die innerhalb eines abgegrenzten, näher umschriebenen
Gebietes ihren Sitz oder eine Betriebsstätte haben, für jeweils ein
Kalenderjahr zu entrichten ist, wobei die Summe der Gebiete nahezu das
Gebiet des Bundeslandes (Teilstaates) umfaßt, und
deren Höhe im wesentlichen proportional zum innerhalb eines
Kalenderjahres durch den Unternehmer vor allem in diesem Teilstaat
erzielten Umsatz ist, jedoch der Beitragssatz je nach Intensität des
Fremdenverkehrs im jeweiligen Gebiet und vom Gesetzgeber
angenommenen Nutzen aus dem Fremdenverkehr für den betreffenden
Wirtschaftszweig (Berufsgruppe) unterschiedlich hoch ist, und
die einen Vorsteuerabzug nicht vorsieht?
Rechtssache C-344/97
Ist Artikel 33 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Umsatzsteuern,
77/388/EWG, ABl. 1977, L 145 (6. Mehrwertsteuer-Richtlinie), hinsichtlich des
Merkmales „Charakter von Umsatzsteuern“ so auszulegen, daß er einen
Mitgliedstaat daran hindert, von Unternehmern eine Fremdenverkehrsabgabe
(Beitrag) einzuheben, die derart ausgestaltet ist,
daß die Geldleistung von den unmittelbar oder mittelbar am Tourismus
interessierten Unternehmern und damit von einer großen Zahl von
Unternehmern, aber nicht von allen Unternehmern eingehoben wird,
daß der Beitrag einem örtlichen Fremdenverkehrsverband zur Finanzierung
der Förderung des Fremdenverkehrs bzw. einem für das gesamte
Landesgebiet zuständigen Fonds zufließt,
daß die Bemessungsgrundlage der Jahresumsatz mit bestimmten
Ausnahmen, so insbesondere mit Ausnahme des Umsatzes für Leistungen
an Abnehmer, die ihren Wohnsitz (Sitz) außerhalb des Geltungsbereiches
der Norm haben, soweit es sich nicht um Leistungen für eine Betriebsstätte
im räumlichen Geltungsbereich der Norm (dem Bundesland des
bundesstaatlich aufgebauten Mitgliedstaates) und nicht um Leistungen an
Letztverbraucher handelt, sowie mit Ausnahme des Umsatzes für sonstige
Leistungen, soweit sie nicht ausschließlich oder überwiegend im räumlichen
Geltungsbereich der Norm (dem Bundesland des Mitgliedstaates) erbracht
wurden, bildet,
daß die Höhe der Abgabe je nach dem vom Gesetzgeber für die jeweilige
Branche, der der Abgabepflichtige angehört, angenommenen Nutzen aus
dem Fremdenverkehr gestaffelt ist,
daß die Höhe der Abgabe in tourismusintensiven Orten höher ist als in
anderen Orten und
daß ein Vorsteuerabzug nicht vorgesehen ist?
Rechtssache C-390/97
Steht Artikel 33 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerliche
Bemessungsgrundlage (77/388/EWG) der Beibehaltung einer Abgabe (wegen ihres
Charakters von Umsatzsteuern) entgegen, die in einem Bundesland (Teilstaat)
eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften von allen unmittelbar
oder mittelbar am Fremdenverkehr interessierten Unternehmen, die innerhalb
dieses Teilstaates ihren Sitz oder eine Betriebsstätte haben, für jeweils ein
Kalenderjahr zu entrichten ist und deren Höhe im wesentlichen proportional zum
innerhalb eines Kalenderjahres durch den Unternehmer in diesem Teilstaat
erzielten Umsatz ist, jedoch der Beitragssatz je Wirtschaftszweig (Berufsgruppe)
nach einem vom Gesetzgeber angenommenen Nutzen aus dem Fremdenverkehr
unterschiedlich hoch ist, und die einen Vorsteuerabzug nicht vorsieht?
- 9.
- Durch Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 18. November 1997 sind
die Rechtssachen C-338/97 und C-344/97 zu gemeinsamem schriftlichen und
mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
Durch Beschluß des Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichtshofes vom 15.
Dezember 1998 sind die verbundenen Rechtssachen C-338/97 und C-344/97 und die
Rechtssache C-390/97 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung
verbunden worden.
- 10.
- Die drei Fragen des vorlegenden Gerichts, die zusammen zu prüfen sind, gehen im
wesentlichen dahin, ob die Sechste Richtlinie, insbesondere Artikel 33, einer
Abgabe wie der nach dem Steiermärkischen Tourismusgesetz, dem Tiroler
Tourismusgesetz und dem Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz entgegensteht,
die von den Unternehmern eines Bundeslandes, die ein wirtschaftliches Interesse
am Tourismus haben, zu entrichten ist, sich grundsätzlich nach dem Jahresumsatz
bemißt und keinen Vorsteuerabzug vorsieht.
- 11.
- Die Steiermärkische Landesregierung und die Tiroler Landesregierung sowie die
österreichische Regierung und die Kommission sind der Ansicht, daß die Sechste
Richtlinie einer solchen Abgabe nicht entgegenstehe. Es handle sich nicht um eine
nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie verbotene Umsatzsteuer, da die Abgabe
der Mehrwertsteuer nicht gleichartig sei und das Funktionieren des gemeinsamenMehrwertsteuersystems nicht beeinträchtige.
- 12.
- Die Kläger der Ausgangsverfahren vertreten dagegen die Auffassung, daß in einer
solchen Abgabe eine Umsatzsteuer zu sehen sei, die das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem beeinträchtige und nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie
verboten sei.
- 13.
- Insoweit ist an die Ziele zu erinnern, die mit der Einführung eines gemeinsamen
Mehrwertsteuersystems verfolgt werden.
- 14.
- Nach den Begründungserwägungen der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates
vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Umsatzsteuer (ABl. 1967, Nr. 71, S. 1301; im folgenden: Erste Richtlinie)
soll die Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern einen
gemeinsamen Markt schaffen, auf dem ein unverfälschter Wettbewerb herrscht und
der ähnliche Merkmale aufweist wie ein Binnenmarkt; hierzu sollen die
Unterschiede in der Besteuerung ausgeschaltet werden, die geeignet sind, den
Wettbewerb zu verfälschen und den Handelsverkehr zu behindern.
- 15.
- Mit der Zweiten Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems
(ABl. 1967, Nr. 71, S. 1303; im folgenden: Zweite Richtlinie) und der Sechsten
Richtlinie ist ein gemeinsames Mehrwertsteuersystem eingeführt worden.
- 16.
- Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. zuletzt Urteil vom 19.
Februar 1998 in der Rechtssache C-318/96, SPAR, Slg. 1998, I-785) beruht das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem gemäß Artikel 2 der Ersten Richtlinie auf dem
Grundsatz, daß auf Gegenstände und Dienstleistungen bis zur Einzelhandelsstufe
einschließlich, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der
Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine
allgemeine, zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale
Verbrauchsteuer anzuwenden ist.
- 17.
- Jedoch wird bei allen Umsätzen die Mehrwertsteuer nur abzüglich des
Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente
unmittelbar belastet hat; der Mechanismus des Vorsteuerabzugs ist durch Artikel
17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie so ausgestaltet, daß die Steuerpflichtigen befugt
sind, von der von ihnen geschuldeten Mehrwertsteuer die Mehrwertsteuer
abzuziehen, mit der die Gegenstände bereits vorher belastet worden sind, und daß
die Steuer auf jeder Stufe nur den Mehrwert besteuert und letztlich vom
Verbraucher getragen wird.
- 18.
- Zur Schaffung gleicher Besteuerungsbedingungen für ein und denselben Umsatz
ohne Rücksicht darauf, in welchem Mitgliedstaat er getätigt wird, mußte das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem, wie sich aus den Begründungserwägungen der
Zweiten Richtlinie ergibt, die in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden
Umsatzsteuern ersetzen.
- 19.
- Aus den gleichen Gründen gestattet Artikel 33 der Sechsten Richtlinie die
Beibehaltung oder Einführung von Steuern, Abgaben oder Gebühren auf
Lieferungen von Gegenständen, Dienstleistungen und Einfuhren durch einen
Mitgliedstaat nur, wenn sie nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben.
- 20.
- Ob eine Steuer, Abgabe oder Gebühr den Charakter einer Umsatzsteuer im Sinn
von Artikel 33 der Sechsten Richtlinie hat, hängt vor allem davon ab, ob sie das
Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigt, indem sie
den Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie kommerzielle Umsätze so belastet,
wie es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend ist. Der Gerichtshof hat hierzu
ausgeführt, daß Steuern, Abgaben und Gebühren, die die wesentlichen Merkmale
der Mehrwertsteuer aufweisen, auf jeden Fall als Maßnahmen anzusehen sind, die
den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer der Mehrwertsteuer vergleichbaren
Art und Weise belasten (Urteil vom 31. März 1992 in der Rechtssache C-200/90,
Dansk Denkavit und Poulsen Trading, Slg. 1992, I-2217).
- 21.
- Der Gerichtshof sieht zu diesem Zweck als wesentliche Merkmale der
Mehrwertsteuer an: allgemeine Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände
und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte; Festsetzung ihrer Höhe proportional
zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und
Dienstleistungen erhält; Erhebung der Steuer auf jeder Produktions- und
Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher
bewirkten Umsätze; Abzug der auf den vorhergehenden Stufen bereits entrichteten
Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer, so daß sich die Steuer
auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert
bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird (vgl. in diesem
Sinne Urteil vom 7. Mai 1992 in der Rechtssache C-347/90, Bozzi, Slg. 1992,
I-2947).
- 22.
- Eine Abgabe wie die nach dem Steiermärkischen Tourismusgesetz, dem Tiroler
Tourismusgesetz und dem Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz belastet aber
den Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie kommerzielle Umsätze nicht so, wie
es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend ist.
- 23.
- Erstens ist kein Abzug der zuvor bereits erhobenen Beträge vorgesehen, so daß
sich die Abgaben nicht nur auf den Mehrwert auf einer bestimmten Produktions-
und Vertriebsstufe, sondern auf den Gesamtumsatz der abgabepflichtigen
Unternehmen beziehen.
- 24.
- Zweitens werden die Abgaben nicht in einer für die Mehrwertsteuer
kennzeichnenden Weise auf den Endverbraucher abgewälzt. Auch wenn man davon
ausgehen kann, daß ein Unternehmen, das an den Endverbraucher verkauft, bei
seiner Preisbildung die in seine Kosten eingeflossene Abgabe berücksichtigt, so
haben doch nicht alle Unternehmen die Möglichkeit, die Belastung in dieser Weise
oder in vollem Umfang abzuwälzen.
- 25.
- Drittens ist es, da sich die Tourismusabgaben mit bestimmten Befreiungen nach
dem jährlichen Gesamtumsatz bemessen, nicht möglich, den Betrag der bei jedem
einzelnen Verkauf oder jeder einzelnen Dienstleistung auf den Kunden
abgewälzten Abgabe genau zu bestimmen; die Voraussetzung der Proportionalität
dieses Betrages zu den Preisen, die der Abgabepflichtige als Gegenleistung erhält,
ist daher ebensowenig erfüllt.
- 26.
- Daraus folgt, daß die Tourismusabgaben keine Verbrauchsteuer darstellen, die der
Endverbraucher des Produkts zu tragen hätte, sondern Abgaben auf die Tätigkeit
der Unternehmen, die vom Tourismus betroffen sind.
- 27.
- Selbst wenn die in den Ausgangsverfahren fraglichen Abgaben in den betreffenden
Bundesländern allgemein oder nahezu allgemein gelten würden, könnte dieser
Umstand somit nicht ausreichen, um sie als Umsatzsteuern im Sinne des Artikels
33 der Sechsten Richtlinie zu qualifizieren, da sie kommerzielle Umsätze nicht so
belasten, wie es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend ist.
- 28.
- Daher ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, daß die Sechste Richtlinie,
insbesondere Artikel 33, einer Abgabe wie der nach dem Steiermärkischen
Tourismusgesetz, dem Tiroler Tourismusgesetz und dem Kärntner
Fremdenverkehrsabgabegesetz nicht entgegensteht, die von den Unternehmern
eines Bundeslandes, die ein wirtschaftliches Interesse am Tourismus haben, zu
entrichten ist, sich grundsätzlich nach dem Jahresumsatz bemißt und keinen
Vorsteuerabzug vorsieht.
Kosten
- 29.
- Die Auslagen der österreichischen Regierung und der Kommission, die vor dem
Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die
Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei
dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung
ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
auf die ihm vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschlüssen vom 12. August und 27.
Oktober 1997 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
Die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Umsatzsteuern Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige
Bemessungsgrundlage, insbesondere Artikel 33, steht einer Abgabe wie der nach
dem Steiermärkischen Tourismusgesetz, dem Tiroler Tourismusgesetz und dem
Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz nicht entgegen, die von den Unternehmern
eines Bundeslandes, die ein wirtschaftliches Interesse am Tourismus haben, zu
entrichten ist, sich grundsätzlich nach dem Jahresumsatz bemißt und keinen
Vorsteuerabzug vorsieht.
PuissochetJann
Gulmann
Edward Sevón
|
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Juni 1999.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
J.-P. Puissochet