URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
11. Mai 1999 (1)
„Artikel 30, 34 und 36 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 28 EG bis 30
EG) Freier Warenverkehr Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen und
von Maßnahmen gleicher Wirkung Ausnahmen Schutz der Gesundheit und
des Lebens von Tieren Internationale Transporte von lebenden
Schlachttieren“
In der Rechtssache C-350/97
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG (früher Artikel 177) vom
österreichischen Verwaltungsgerichtshof in dem bei diesem anhängigen Verfahren
Wilfried Monsees
gegen
Unabhängiger Verwaltungssenat für Kärnten,
weitere Partei:
Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 30,
34 und 36 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 28 EG bis 30 EG) sowie der
sonstigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts in bezug auf den Transport
lebender Schlachttiere
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet sowie der Richter
J. C. Moitinho de Almeida, C. Gulmann, D. A. O. Edward und L. Sevón
(Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Léger
Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
von Wilfried Monsees, vertreten durch Rechtsanwalt Arnold Köchl, Villach,
der österreichischen Regierung, vertreten durch Wolf Okresek, Sektionschef
im Bundeskanzleramt, als Bevollmächtigten,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Claudia
Schmidt, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Wilfried Monsees, vertreten
durch Rechtsanwalt Arnold Köchl, der österreichischen Regierung, vertreten durch
Christine Pesendorfer, Oberrätin im Bundeskanzleramt, als Bevollmächtigte, und
der Kommission, vertreten durch Klaus-Dieter Borchardt, Juristischer Dienst, als
Bevollmächtigten in der Sitzung vom 26. November 1998,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17.
Dezember 1998,
folgendes
Urteil
- 1.
- Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 24. September 1997, beim
Gerichtshof eingegangen am 13. Oktober 1997, gemäß Artikel 234 EG (früher
Artikel 177) eine Frage nach der Auslegung der Artikel 30, 34 und 36 EG-Vertrag
(nach Änderung jetzt Artikel 28 EG bis 30 EG) sowie der sonstigen Bestimmungen
des Gemeinschaftsrechts in bezug auf den Transport lebender Schlachttiere zur
Vorabentscheidung vorgelegt.
- 2.
- Diese Frage stellt sich in einem Verfahren über die Beschwerde des Wilfried
Monsees (Beschwerdeführer) gegen einen Bescheid des Unabhängigen
Verwaltungssenats für Kärnten wegen eines Verstoßes gegen eine Regelung über
die Höchstdauer und die maximale Wegstrecke von Transporten lebender
Schlachttiere.
- 3.
- Die Richtlinie 91/628/EWG des Rates vom 19. November 1991 über den Schutz
von Tieren beim Transport sowie zur Änderung der Richtlinien 90/425/EWG und
91/496/EWG (ABl. L 340, S. 17) findet nach ihrem Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe
a und Absatz 2 Buchstabe b erster Gedankenstrich Anwendung auf den Transport
von Haustieren der Gattung Rind über eine Entfernung von mehr als 50 km vom
Ausgangspunkt des Transports bis zum Bestimmungsort.
- 4.
- Zu den Einzelheiten des Transports von Rindern, insbesondere dessen Dauer,
bestimmt Kapitel I Nummer 2 Buchstabe d des Anhangs der Richtlinie 91/628, daß
die Tiere während des Transports in angemessenen Zeitabständen mit Wasser und
geeignetem Futter versorgt werden müssen. Die Tiere dürfen nicht länger als 24
Stunden ohne Futter und Wasser bleiben, es sei denn, daß in besonderen Fällen
eine Verlängerung dieser Zeitspanne um höchstens 2 Stunden im Interesse der
Tiere liegt.
- 5.
- Nach Artikel 13 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 91/628 hatte die
Kommission vor dem 1. Juli 1992 gegebenenfalls Vorschläge für die Festlegung
einer Höchstdauer für den Transport bestimmter Tierarten vorzulegen. Nach
Absatz 4 dieses Artikels waren bis zur Durchführung dieser Bestimmung die
einschlägigen einzelstaatlichen Vorschriften unter Beachtung der allgemeinen
Vorschriften des Vertrages anzuwenden.
- 6.
- In der dritten Begründungserwägung der Richtlinie 95/29/EG des Rates vom 29.
Juni 1995 zur Änderung der Richtlinie 91/628 (ABl. L 148, S. 52) heißt es: „In
bestimmten Mitgliedstaaten gibt es Bestimmungen über die einzuhaltenden
Fahrzeiten, die Fütterungs- und Tränkabstände, die Ruhepausen und die
Raumerfordernisse. Diese Regeln sind in einigen Fällen überaus detailliert und
werden gelegentlich herangezogen, um den innergemeinschaftlichen Handel mit
lebenden Tieren zu beschränken ...“
- 7.
- Die vierte Begründungserwägung der Richtlinie lautet: „Um technische Hindernisse
im Handel mit lebenden Tieren abzubauen und ein reibungsloses Funktionieren der
betreffenden Marktorganisationen zu gewährleisten, ohne dabei die Belange des
Tierschutzes zu vernachlässigen, müssen die Vorschriften der Richtlinie
91/628/EWG im Kontext des Binnenmarktes geändert werden, um hinsichtlich
bestimmter Tierarten die Fahrzeiten, die Zeitabstände für das Füttern und
Tränken, die Ruhezeiten sowie die zulässige Ladedichte zu harmonisieren.“
- 8.
- Durch die Richtlinie 95/29 wurde in Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 91/628 ein
neuer Buchstabe aa) eingefügt. Nach dessen zweitem Gedankenstrich müssen die
Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, daß „die Fahrt- und Ruhezeiten sowie die
Zeitabstände für das Füttern und Tränken in bezug auf bestimmte Tierarten ... den
Anforderungen gemäß Kapitel VII des Anhangs ...“ der letztgenannten Richtlinie
genügen.
- 9.
- Dieser Anhang setzt in seiner durch die Richtlinie 95/29 ergänzten Fassung
insbesondere in Kapitel VII Nummern 1 und 2 die zulässige Höchstdauer des
Straßentransports für Tiere der Gattung Rind fest, die 8 Stunden nicht übersteigen
darf.
- 10.
- Nummer 3 läßt jedoch eine Verlängerung dieser Dauer zu, sofern das
Transportfahrzeug bestimmte zusätzliche Anforderungen erfüllt. In diesem Fall
müssen gemäß Nummer 4 Buchstabe d desselben Kapitels Rinder „nach einer
Transportdauer von vierzehn Stunden eine ausreichende, mindestens einstündige
Ruhepause erhalten, insbesondere damit sie getränkt und nötigenfalls gefüttert
werden können. Nach dieser Ruhepause kann der Transport für weitere vierzehn
Stunden fortgesetzt werden.“
- 11.
- Nach Nummer 8 dürfen die erwähnten Transportzeiten „ insbesondere unter
Berücksichtigung der Nähe des Bestimmungsortes im Interesse der Tiere um zwei
Stunden verlängert werden“.
- 12.
- Punkt 9 ermächtigt schließlich die Mitgliedstaaten, „eine nicht verlängerbare
Transporthöchstdauer von 8 Stunden für die Beförderung von Schlachttieren
vor[zu]sehen, wenn der Versandort und der Bestimmungsort ausschließlich in ihrem
eigenen Hoheitsgebiet liegen“.
- 13.
- Nach Artikel 2 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 95/29 mußten die
Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um
der Richtlinie nachzukommen, vor dem 31. Dezember 1996 in Kraft setzen. Für die
Umsetzung bestimmter Vorschriften verfügten sie jedoch über eine zusätzliche Frist
bis zum 31. Dezember 1997.
- 14.
- Im österreichischen Recht sieht § 5 Absätze 1 und 2 des Tiertransportgesetzes
Straße (BGBl 1994/411; im folgenden: TGSt) hinsichtlich der Durchführung des
Transports vor:
„Der Transport von Tieren auf der Straße ist auf der kürzesten verkehrsüblichen,
veterinärmedizinisch vertretbaren und nach kraftfahrrechtlichen und
straßenpolizeilichen Vorschriften zulässigen Route durchzuführen ...
Schlachttiertransporte dürfen nur bis zum nächstgelegenen geeigneten inländischen
Schlachtbetrieb durchgeführt werden; wenn bei Einhaltung der kraftfahrrechtlichen
und straßenpolizeilichen Vorschriften eine Gesamttransportdauer von sechs
Stunden und eine Entfernung von 130 km nicht überschritten werden, darf ein
Schlachttiertransport jedenfalls durchgeführt werden. Dabei werden die tatsächlich
auf der Autobahn zurückgelegten Kilometer nur zur Hälfte bei der Berechnung der
Entfernung berücksichtigt.“
- 15.
- Nach § 16 Absatz 3 Ziffer 4 TGSt begeht derjenige, der einen Tiertransport
durchführen läßt oder durchführt, der dem § 5 Absatz 1 oder 2 widerspricht, eine
Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 10 000 ATS bis
50 000 ATS zu bestrafen.
- 16.
- Der Beschwerdeführer, ein Beförderungsunternehmer, wurde für schuldig erkannt,
gegen diese Regelung verstoßen zu haben. Nach dem Vorlagebeschluß trat er am
23. August 1995 um 11 Uhr in Breitenwisch, Deutschland, eine Fahrt mit einer
Ladung von 31 Rindern an, deren Bestimmungsort Istanbul in der Türkei war, und
setzte sie fort, bis er am folgenden Tag um 10.15 Uhr von den Zollbehörden der
Grenzkontrollstelle Arnoldstein an der österreichisch-italienischen Grenze
kontrolliert wurde. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Gesamtdauer des Transports
23 Stunden und 15 Minuten und die gesamte zurückgelegte Entfernung mehr als
300 km.
- 17.
- Gegen den Beschwerdeführer wurden mit Straferkenntnis vom 9. Januar 1996 eine
Geldstrafe und eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er die transportierten Tiere
nicht bis zum nächstgelegenen geeigneten Schlachtbetrieb in Österreich befördert,
sondern den Transport, ohne hierfür eine Bewilligung erhalten zu haben, über die
in § 5 Absatz 2 TGSt vorgeschriebene Höchstdauer und -transportstrecke hinaus
fortgesetzt habe. Die Berufung gegen diesen Bescheid wurde vom Unabhängigen
Verwaltungssenat für Kärnten am 26. Juni 1996 abgewiesen.
- 18.
- Der Beschwerdeführer legte gegen diese Entscheidung Beschwerde beim
Verwaltungsgerichtshof ein; in diesem Rahmen machte er geltend, daß der
internationale Charakter des Transports der Anwendung des nationalen Rechts
entgegenstehe, die dazu führen würde, daß jeder Rindertransport aus Deutschland
in Richtung Osten verhindert würde, da dieser zwangsläufig im nächstgelegenen
geeigneten Schlachtbetrieb in Österreich enden würde.
- 19.
- Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Erwägung, daß die Entscheidung des bei
ihm anhängigen Verfahrens von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhängt,
das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur
Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind die Artikel 30 bis 36 EG-Vertrag (Vorschriften über die Freiheit des
Warenverkehrs) und die sonstigen Vorschriften des geltenden Gemeinschaftsrechts
dahin auszulegen, daß sie einen Mitgliedstaat daran hindern, den
Schlachttiertransport insoweit zu beschränken, als Schlachttiertransporte nur bis
zum nächstgelegenen geeigneten inländischen Schlachtbetrieb durchgeführt werden
dürfen, und ein Schlachttiertransport nur dann jedenfalls durchgeführt werden darf,
wenn bei Einhaltung der kraftfahrrechtlichen und straßenpolizeilichen Vorschriften
eine Gesamttransportdauer von 6 Stunden und eine Entfernung von 130 km nicht
überschritten werden, wobei die tatsächlich auf der Autobahn zurückgelegten
Kilometer nur zur Hälfte bei der Berechnung der Entfernung berücksichtigt
werden?
- 20.
- Der Beschwerdeführer macht geltend, § 5 Absatz 2 TGSt stelle eine Maßnahme
mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Artikel
30 des Vertrages dar. Wegen des Erlasses der Richtlinien 91/628 und 95/29 lasse
sich die österreichische Regelung nicht mehr gemäß Artikel 36 des Vertrages
rechtfertigen. Selbst wenn dies wegen des Schutzes der Gesundheit von Tieren
möglich sein sollte, würde sie nicht den in Artikel 36 vorgesehenen Kriterien der
Verhältnismäßigkeit genügen, da andere, weniger einschneidende Maßnahmen
existierten. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien zum TGSt ergebe, habe dieses
auch die Reduzierung des Straßenverkehrs und somit die Sicherheit der
Verkehrsteilnehmer zum Gegenstand. Schließlich stelle die Regelung ein Mittel zur
willkürlichen Diskriminierung dar, da sie die Ausfuhr von Schlachttieren aus
Österreich fördere, die das Inland in den im TGSt festgelegten Grenzen verlassen
könnten, während es die Durchfuhr von Tieren aus und nach anderen
Mitgliedstaaten oder Drittländern behindere.
- 21.
- Nach Ansicht der österreichischen Regierung ist § 5 Absatz 2 TGSt, selbst wenn
er eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im
Sinne von Artikel 30 des Vertrages darstelle, gemäß Artikel 36 des Vertrages zum
Schutz der Gesundheit von Tieren gerechtfertigt. Da die Richtlinie 95/29 zum fürden Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgebenden Zeitpunkt noch nicht
gegolten habe, sei die österreichische Regelung nur anhand von Artikel 36 zu
prüfen. § 5 Absatz 2 TGSt sei erforderlich, um eine Mißhandlung der Tiere
während des Straßentransports zu verhindern. Die Maßnahme entspreche dem
Kriterium der Verhältnismäßigkeit, da die vorgeschriebenen Entfernungen einer
Durchschnittsbetrachtung entsprächen, und die Sanktionen seien verhältnismäßig,
da die Tiere niemals der Verfügung des Beförderers entzogen würden. Die im
Ausgangsverfahren beanstandete Bestimmung führe auch nicht zu einer
Diskriminierung, da sie nicht zwischen Schlachttieren aus Österreich und aus
anderen Mitgliedstaaten unterscheide.
- 22.
- Die Kommission vertritt die Ansicht, § 5 Absatz 2 TGSt stelle eine Maßnahme mit
gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Artikel 30
des Vertrages dar, die sich nicht mit dem Zweck des Schutzes der Gesundheit von
Tieren nach Artikel 36 des Vertrages rechtfertigen lasse. Denn die im
Ausgangsverfahren in Rede stehende Bestimmung stehe nicht im Verhältnis zu dem
verfolgten Zweck, da sie letztlich internationale Schlachtviehtransporte unmöglich
mache, selbst wenn für die Gesundheit der Tiere gesorgt werde. Für die Festlegung
dessen, was als im Verhältnis zum verfolgten Zweck stehend betrachtet werden
könne, sei die Richtlinie 95/29 heranzuziehen.
- 23.
- § 5 Absatz 2 TGSt sieht eine kurze Höchstdauer und eine kurze Höchstwegstrecke
für Schlachttiertransporte vor und schreibt im übrigen vor, daß alle Transporte
dieser Art nur bis zum nächstgelegenen geeigneten inländischen Schlachtbetrieb
durchgeführt werden dürfen, damit die Tiere dort geschlachtet werden; damit stellt
diese Bestimmung ein Hindernis für internationale Transporte, und zwar sowohl
von und nach Österreich als auch auf der Durchfuhr durch Österreich dar. Diese
Bestimmung ist daher eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine
mengenmäßige Beschränkung sowohl der Einfuhr als auch der Ausfuhr, die durch
die Artikel 30 und 34 des Vertrages verboten ist.
- 24.
- Bevor untersucht wird, ob die Bestimmung zum Schutz von Tieren im Sinne von
Artikel 36 des Vertrages gerechtfertigt ist, ist zu prüfen, ob einschlägige
Harmonisierungsrichtlinien bestehen. Durch den Rückgriff auf Artikel 36 des
Vertrages können zwar Beschränkungen des freien Warenverkehrs aufrechterhalten
werden, die zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren gerechtfertigt
sind, denn dieser Schutz wird vom Gemeinschaftsrecht als wesentliches Erfordernis
anerkannt. Jedoch ist dieser Rückgriff nicht mehr möglich, wenn Richtlinien der
Gemeinschaft die Harmonisierung der Maßnahmen vorsehen, die zur
Verwirklichung des konkreten Zieles, das durch den Rückgriff auf Artikel 36
erreicht werden soll, erforderlich sind (Urteil vom 23. Mai 1996 in der Rechtssache
C-5/94, Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553, Randnr. 18).
- 25.
- Die Richtlinie 91/628 schreibt ihrem Wortlaut nach keine Begrenzung der Dauer
oder der Wegstrecke für Straßentransporte lebender Tiere vor. Nach ihrem Artikel
13 Absatz 1 hatte die Kommission lediglich vor dem 1. Juli 1992 einen Bericht
insbesondere über diese Frage, gegebenenfalls zusammen mit Vorschlägen,
vorzulegen.
- 26.
- Die Richtlinie 95/29 enthält hingegen eine Reihe genauer Bestimmungen über die
Höchstdauer und die Bedingungen des Transportes, die Häufigkeit der Fütterung
und Tränkung der Tiere, die Mindestruhezeiten und die Ladedichte.
- 27.
- Die letztgenannte Richtlinie wurde zwar zeitlich vor dem Sachverhalt des
Ausgangsverfahrens erlassen, doch war die Umsetzungsfrist noch nicht abgelaufen,
da die Mitgliedstaaten grundsätzlich über eine Frist bis zum 31. Dezember 1996
verfügten, um der Richtlinie nachzukommen. Daher war ein Mitgliedstaat bis zu
diesem Zeitpunkt berechtigt, sich auf Artikel 36 des Vertrages zu berufen, um aus
Gründen des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Tieren gerechtfertigte
Beschränkungen des freien Warenverkehrs beizubehalten.
- 28.
- Daher ist zu prüfen, ob die nationale Regelung geeignet war, den Zweck des
Schutzes der Gesundheit von Tieren zu erreichen, und ob sie das Maß des hierzu
Erforderlichen nicht überstieg (vgl. Urteil vom 12. November 1996 in der
Rechtssache C-84/94, Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1996, I-5755, Randnr. 57).
- 29.
- Tatsächlich führt § 5 Absatz 2 TGSt dazu, daß die Durchfuhr internationaler
Straßentransporte von Schlachttieren durch Österreich beinahe unmöglich gemacht
wird.
- 30.
- Ferner hätten zum Schutz der Gesundheit von Tieren geeignete Maßnahmen, die
den freien Warenverkehr weniger beschränkt hätten, gewählt werden können, wie
die Bestimmungen der Richtlinie 95/29 zeigen.
- 31.
- Nach allem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, daß die Artikel 30, 34 und
36 des Vertrages so auszulegen sind, daß sie einen Mitgliedstaat daran hindern, den
Straßentransport lebender Schlachttiere zu beschränken, indem sie vorschreiben,
daß diese Transporte nur bis zum nächstgelegenen geeigneten inländischen
Schlachtbetrieb und nur unter der Bedingung durchgeführt werden dürfen, daß bei
Einhaltung der kraftfahrrechtlichen und straßenpolizeilichen Vorschriften eine
Gesamttransportdauer von 6 Stunden und eine Entfernung von 130 km nicht
überschritten wird, wobei die tatsächlich auf der Autobahn zurückgelegten
Kilometer nur zur Hälfte bei der Berechnung der Entfernung berücksichtigt
werden.
Kosten
- 32.
- Die Auslagen der österreichischen Regierung und der Kommission der
Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben
haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist
das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die
Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
auf die ihm vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 24. September 1997
vorgelegte Frage für Recht erkannt:
Die Artikel 30, 34 und 36 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 28 EG bis
30 EG) sind so auszulegen, daß sie einen Mitgliedstaat daran hindern, den
Straßentransport lebender Schlachttiere zu beschränken, indem sie vorschreiben,
daß diese Transporte nur bis zum nächstgelegenen geeigneten inländischen
Schlachtbetrieb und nur unter der Bedingung durchgeführt werden dürfen, daß bei
Einhaltung der kraftfahrrechtlichen und straßenpolizeilichen Vorschriften eine
Gesamttransportdauer von 6 Stunden und eine Entfernung von 130 km nicht
überschritten wird, wobei die tatsächlich auf der Autobahn zurückgelegten
Kilometer nur zur Hälfte bei der Berechnung der Entfernung berücksichtigt
werden.
PuissochetMoitinho de Almeida
Gulmann
Edward Sevón
|
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Mai 1999.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
J. -P. Puissochet