Language of document : ECLI:EU:C:2015:731

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

29. Oktober 2015(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 93/13/EWG – Hypothekendarlehensvertrag – Missbräuchliche Klauseln – Zwangsvollstreckungsverfahren – Einspruch – Ausschlussfristen“

In der Rechtssache C‑8/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de Primera Instancia n° 4 de Martorell (Gericht erster Instanz Nr. 4 von Martorell, Spanien) mit Entscheidung vom 28. Oktober 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Januar 2014, in dem Verfahren

BBVA SA, vormals Unnim Banc SA,

gegen

Pedro Peñalva López,

Clara López Durán,

Diego Fernández Gabarro

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs A. Tizzano in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter F. Biltgen, A. Borg Barthet, E. Levits (Berichterstatter) und S. Rodin,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: M. Ferreira,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der BBVA SA, vormals Unnim Banc SA, vertreten durch J. Rodríguez Cárcamo und B. García Gómez, abogados,

–        von P. Peñalva López, C. López Durán und D. Fernández Gabarro, vertreten durch M. Alemany Canals, A. Martínez Hiruela, T. Moreno und A. Davalos, abogados,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch M. J. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Baquero Cruz und M. van Beek als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Mai 2015

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 6 und 7 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der BBVA SA, vormals Unnim Banc SA (im Folgenden: BBVA), auf der einen und D. Fernández Gabarro, P. Peñalva López und C. López Durán auf der anderen Seite über deren Einspruch gegen die Hypothekenzwangsvollstreckung in einen Parkplatz und einen Schuppen.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

4        Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“

 Spanisches Recht

5        Durch das Gesetz 1/2013 vom 14. Mai 2013 über Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes der Hypothekenschuldner, Umstrukturierung von Schulden und Sozialmieten (Ley 1/2013, de medidas para reforzar la protección a los deudores hipotecarios, reestructuración de deuda y alquiler social) (BOE Nr. 116 vom 15. Mai 2013, S. 36373) wurde das Gesetz 1/2000 vom 7. Januar 2000 über den Zivilprozess (Ley 1/2000, de enjuiciamiento civil) (BOE Nr. 7 vom 8. Januar 2000, S. 575) geändert, das wiederum durch die gesetzesvertretende Verordnung 7/2013 vom 28. Juni 2013 über dringende Maßnahmen abgabenrechtlicher Art, haushaltsrechtlicher Art und zur Förderung der Forschung, der Entwicklung und der Innovation (Real Decreto-ley 7/2013, de medidas urgentes de naturaleza tributaria, presupuestarias y de fomento de la investigación, el desarrollo y la innovación) (BOE Nr. 155 vom 29. Juni 2013, S. 48767, im Folgenden: Zivilprozessgesetz) geändert wurde.

6        Die Vierte Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 (im Folgenden: streitige Übergangsbestimmung) betrifft die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes 1/2013 eingeleiteten und noch nicht abgeschlossenen Vollstreckungsverfahren. Diese Bestimmung lautet wie folgt:

„1.      Die durch das vorliegende Gesetz eingeführten Änderungen [des Zivilprozessgesetzes] sind auf Vollstreckungsverfahren, die bei seinem Inkrafttreten bereits eingeleitet waren, nur im Hinblick auf noch nicht abgeschlossene Vollstreckungsmaßnahmen anwendbar.

2.      Auf jeden Fall können die Vollstreckungsschuldner in bei Inkrafttreten dieses Gesetzes anhängigen Vollstreckungsverfahren, in denen die Einspruchsfrist von zehn Tagen nach Art. 556 Abs. 1 [des Zivilprozessgesetzes] verstrichen ist, binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat einen außerordentlichen Einspruch unter Berufung auf die in Art. 557 Abs. 1 Nr. 7 und Art. 695 Abs. 1 Nr. 4 [des Zivilprozessgesetzes] vorgesehenen neuen Einspruchsgründe einlegen.

Die Ausschlussfrist von einem Monat beginnt am Tag nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, und die Einlegung des Einspruchs durch die Parteien bewirkt gemäß den Art. 558 ff. und 695 [des Zivilprozessgesetzes] die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über den Einspruch.

Diese Übergangsbestimmung gilt für jedes Vollstreckungsverfahren, in dem der Käufer die Immobilie noch nicht gemäß Art. 675 [des Zivilprozessgesetzes] in Besitz genommen hat.

3.      Desgleichen können Vollstreckungsschuldner in laufenden Vollstreckungsverfahren, in denen die in Art. 556 Abs. 1 [des Zivilprozessgesetzes] vorgesehene Einspruchsfrist von zehn Tagen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits begonnen hat, binnen der im vorigen Absatz vorgesehenen Ausschlussfrist von einem Monat Einspruch aufgrund einer der in den Art. 557 und 695 [des Zivilprozessgesetzes] aufgeführten Gründe einlegen.

4.      Für die Mitteilung und Berechnung der in den Abs. 2 und 3 dieses Artikels genannten Fristen gilt die Veröffentlichung der vorliegenden Bestimmung als vollständige und rechtswirksame Bekanntmachung, so dass zu diesem Zweck keinesfalls der Erlass einer ausdrücklichen Entscheidung erforderlich ist.“

7        Art. 556 Abs. 1 des Zivilprozessgesetzes lautet wie folgt:

„Wird aus einer gerichtlichen oder schiedsrichterlichen Entscheidung oder einer Mediationsvereinbarung vollstreckt, kann der Vollstreckungsschuldner der Zwangsvollstreckung innerhalb der zehn auf die Zustellung des Beschlusses über ihre Anordnung folgenden Tage Einspruch einlegen, indem er schriftlich die Zahlung oder Erfüllung der Verpflichtung aus dem Urteil, dem Schiedsspruch oder der Vereinbarung geltend macht und durch Vorlage von Dokumenten nachweist.

Er kann auch den Ausschluss der Vollstreckungshandlung oder zur Abwendung der Vollstreckung geschlossene Vereinbarungen oder Vergleiche einwenden, sofern diese Vereinbarungen und Vergleiche in einer öffentlichen Urkunde niedergelegt sind.“

8        Art. 557 des Zivilprozessgesetzes über das Einspruchsverfahren gegen die Zwangsvollstreckung aufgrund von Titeln, die nicht durch ein Gericht oder Schiedsgericht erlassen worden sind, bestimmt:

„1.      Wird die Vollstreckung aus den in Art. 517 Abs. 2 Nrn. 4, 5, 6 und 7 genannten Titeln oder aus in Art. 517 Abs. 2 Nr. 9 genannten anderen vollstreckbaren Dokumenten angeordnet, kann der Vollstreckungsschuldner nur dann in den im vorigen Artikel vorgesehenen Formen und Fristen Einspruch gegen die Vollstreckung einlegen, wenn er diesen auf einen der nachstehenden Gründe stützt:

7°      Der Titel enthält missbräuchliche Klauseln.

2.      Wird der Einspruch nach Abs. 1 eingelegt, setzt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vollstreckung durch eine prozessleitende Maßnahme aus.“

9        In Art. 695 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 des Zivilprozessgesetzes heißt es:

„1.      In den im vorliegenden Kapitel genannten Verfahren kann der Vollstreckungsschuldner nur Einspruch erheben, wenn er diesen auf folgende Gründe stützt:

4°      missbräuchlicher Charakter einer Vertragsklausel, die die Grundlage für die Vollstreckung bildet oder anhand deren der fällige Betrag bestimmt worden ist.

2.      Im Fall der Einlegung des Einspruchs nach Abs. 1 setzt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vollstreckung aus und lädt die Parteien zu einem Termin vor dem Gericht, das die Zwangsvollstreckung angeordnet hat, wobei zwischen der Ladung und dem Termin mindestens 15 Tage liegen müssen. Das Gericht hört in diesem Termin die Parteien an, prüft die vorgelegten Schriftstücke im Hinblick auf ihre Zulassung und erlässt binnen zwei Tagen die Entscheidung, die es für angebracht hält, in Form eines Beschlusses.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

10      Bevor das Gesetz 1/2013 am 15. Mai 2013 in Kraft trat, leitete die BBVA ein Hypothekenvollstreckungsverfahren gegen D. Fernández Gabarro, P. Peñalva López und C. López Durán ein. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens war das Verfahren noch nicht abgeschlossen. Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten ergibt sich, dass von der Zwangsvollstreckung ein Parkplatz und ein Schuppen betroffen sind.

11      Am 17. Juni 2013, nach Ablauf der in der streitigen Übergangsbestimmung vorgesehenen Einmonatsfrist für außerordentliche Einsprüche gegen Hypothekenvollstreckungen, machten die Beklagten des Ausgangsverfahrens vor dem nationalen Gericht geltend, dass die in dieser Bestimmung festgelegte Ausschlussfrist gegen die Richtlinie 93/13 verstoße.

12      Zum einen sei die für den Einwand der Missbräuchlichkeit der in dem vollstreckbaren Titel enthaltenen Klauseln geltende Ausschlussfrist von einem Monat für die Gerichte, die den Inhalt der hypothekarisch gesicherten Darlehens- oder Kreditverträge bei der Vollstreckung von Amts wegen zu prüfen hätten, nicht ausreichend, und erst recht nicht für die Verbraucher, die gegebenenfalls die Missbräuchlichkeit der Klauseln dieser Verträge geltend zu machen hätten.

13      Zum anderen sei der Zugang der Verbraucher zu den Gerichten sehr schwierig, selbst wenn sie einen Rechtsbeistand hätten, da nach Nr. 4 der streitigen Übergangsbestimmung die Ausschlussfrist von einem Monat mit der in der Veröffentlichung des Gesetzes im Amtsblatt bestehenden Mitteilung in Lauf gesetzt werde, und nicht individuell.

14      Das vorlegende Gericht hält es zur Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache für erforderlich, dass der Gerichtshof darüber befinde, wie die Ausschlusswirkung der Verfahrensfristen, die eng mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit zusammenhänge, in Einklang zu bringen sei mit dem nicht der Verjährung unterliegenden Schutz des Verbrauchers von Amts wegen durch Feststellung der vollständigen Nichtigkeit der missbräuchlichen Klausel und ihrer Nichteinbeziehung in den Vertrag, wie dies die Richtlinie 93/13 in der Auslegung, die ihr der Gerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung gegeben habe, vorsehe.

15      Unter diesen Umständen hat der Juzgado de Primera Instancia n° 4 de Martorell (Gericht erster Instanz Nr. 4 von Martorell) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Verstößt die in der Vierten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 vorgesehene Einmonatsfrist gegen die Art. 6 und 7 der Richtlinie 93/13?

 Zur Vorlagefrage

16      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 6 und 7 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Übergangsbestimmung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegenstehen, wonach für diejenigen Verbraucher, gegen die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, das die Übergangsbestimmung enthält, ein Hypothekenvollstreckungsverfahren eingeleitet worden ist, das zum Zeitpunkt dieses Inkrafttretens nicht abgeschlossen war, eine ab dem Tag nach der Veröffentlichung des Gesetzes berechnete Ausschlussfrist von einem Monat gilt, innerhalb deren ein Einspruch gegen die Zwangsvollstreckung, insbesondere wegen angeblich missbräuchlicher Vertragsklauseln, einzulegen ist.

17      Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung das mit der Richtlinie 93/13 geschaffene Schutzsystem auf dem Gedanken beruht, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt (Urteile Aziz, C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 44, sowie Sánchez Morcillo und Abril García, C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 22).

18      In Anbetracht dieser schwächeren Position sieht Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vor, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind. Es handelt sich um eine zwingende Bestimmung, die darauf abzielt, die formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so deren Gleichheit wiederherzustellen (Urteil Banco Español de Crédito, C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Aufgrund von Art und Bedeutung des öffentlichen Interesses, auf dem der Schutz beruht, der den Verbrauchern gewährt wird, weil sie sich in einer solchen Situation der Unterlegenheit befinden, verpflichtet Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie die Mitgliedstaaten außerdem, angemessene und wirksame Mittel vorzusehen, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in Verbraucherverträgen ein Ende gesetzt wird (Urteile Banco Español de Crédito, C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 68, Kásler und Káslerné Rábai, C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 78, sowie Unicaja Banco und Caixabank, C‑482/13, C‑484/13, C‑485/13 und C‑487/13, EU:C:2015:21, Rn. 30).

20      Der Gerichtshof hat daher hervorgehoben, dass nationale Vollstreckungsverfahren wie die Hypothekenvollstreckungsverfahren den Anforderungen unterliegen, die sich aus seiner einem wirksamen Verbraucherschutz dienenden ständigen Rechtsprechung ergeben (Urteil Sánchez Morcillo und Abril García, C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 25).

21      Um dieser Rechtsprechung Rechnung zu tragen und insbesondere im Anschluss an die Verkündung des Urteils Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164) wurden mit dem Gesetz 1/2013 u. a. die Artikel des Zivilprozessgesetzes über das Vollstreckungsverfahren bei hypothekarisch belasteten Sachen geändert. So ermöglicht bei den nach dem Inkrafttreten des Gesetzes 1/2013 eingeleiteten Verfahren ein auf die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel gestützter und innerhalb einer gewöhnlichen Frist von zehn Tagen ab dem Zeitpunkt der Mitteilung des Rechtsakts, mit dem die Vollstreckung angeordnet wird, eingelegter Einspruch des Vollstreckungsschuldners nunmehr, dass das Hypothekenvollstreckungsverfahren bis zur Entscheidung über den Einspruch ausgesetzt wird.

22      Im Rahmen dieser Gesetzesreform soll die streitige Übergangsbestimmung für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes 1/2013 anhängigen Vollstreckungsverfahren gelten, bei denen die Einspruchsfrist von zehn Tagen bereits begonnen hat oder abgelaufen ist. Wie der Generalanwalt in Nr. 34 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hat der spanische Gesetzgeber ungeachtet des Umstands, dass die Urteile des Gerichtshofs ihre Wirkung ex tunc und demnach ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der ausgelegten Bestimmung entfalten, die Einführung einer Übergangsfrist für erforderlich gehalten, um auch den Verbrauchern, gegen die ein Vollstreckungsverfahren anhängig ist, zu ermöglichen, auf verfahrensrechtlicher Ebene innerhalb einer vom spanischen Gesetzgeber festzulegenden Frist einen außerordentlichen Einspruch einzulegen, den sie insbesondere auf das Vorliegen missbräuchlicher Klauseln stützen.

23      Zu beurteilen ist, ob und gegebenenfalls inwieweit die Richtlinie 93/13, wie sie in der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die insbesondere seit dem Urteil Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164) entwickelt worden ist, ausgelegt wird, der vom spanischen Gesetzgeber gewählten und mit dem Gesetz 1/2013 eingeführten Übergangsfrist entgegensteht.

24      Insoweit ist zu beachten, dass sich die Modalitäten der Festlegung einer Einspruchsfrist im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens, da die nationalen Zwangsvollstreckungsverfahren nicht vereinheitlicht worden sind, zwar gemäß dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten nach der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten bestimmen. Der Gerichtshof hat jedoch hervorgehoben, dass diese Modalitäten die doppelte Voraussetzung erfüllen müssen, dass sie nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzprinzip), und dass sie die Ausübung der den Verbrauchern durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip) (Urteile Aziz, C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 50, und Barclays Bank, C‑280/13, EU:C:2014:279, Rn. 37).

25      Zum Äquivalenzprinzip ist festzustellen, dass der Gerichtshof über keinen Anhaltspunkt für einen Zweifel an der Vereinbarkeit der streitigen Übergangsbestimmung mit diesem Prinzip verfügt.

26      Zum Effektivitätsprinzip hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist. Dabei sind die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z. B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (Urteil Sánchez Morcillo und Abril García, C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Diese in der oben angeführten Rechtsprechung genannten Gesichtspunkte sind bei der Prüfung der Merkmale der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Frist zu berücksichtigen. Wie der Generalanwalt in Nr. 45 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, muss diese Prüfung zwei Teile umfassen, nämlich die Dauer der vom Gesetzgeber festgelegten Ausschlussfrist und die Modalität, die diese Frist in Lauf setzt.

28      Was erstens die Dauer der Frist anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die im Interesse der Rechtssicherheit erfolgende Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Solche Fristen sind nämlich nicht geeignet, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (Urteil Asturcom Telecomunicaciones, C‑40/08, EU:C:2009:615, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Der Gerichtshof hat außerdem festgestellt, dass die vorgesehene Frist faktisch ausreichend sein muss, um den Betroffenen zu ermöglichen, einen wirksamen Rechtsbehelf vorzubereiten und einzureichen (vgl. in diesem Sinne Urteil Samba Diouf, C‑69/10, EU:C:2011:524, Rn. 66).

30      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Frist von einem Monat als Ausnahme durch eine Übergangsbestimmung eingeführt wird, die es den Verbrauchern, die Beklagte in einem anhängigen Vollstreckungsverfahren sind, in dem die gewöhnliche Einspruchsfrist von zehn Tagen bereits zu laufen begonnen hat oder abgelaufen ist, ermöglichen soll, im Rahmen eben dieses Verfahrens einen neuen Einspruchsgrund geltend zu machen, der zum Zeitpunkt der Erhebung der betreffenden Klage nicht vorgesehen war.

31      Aufgrund dessen ist davon auszugehen, dass in Anbetracht der Stellung dieser streitigen Übergangsbestimmung im gesamten Hypothekenvollstreckungsverfahren eine Ausschlussfrist von einem Monat für die Einlegung eines außerordentlichen Einspruchs nicht grundsätzlich faktisch unzureichend ist, um einen wirksamen Rechtsbehelf vorzubereiten und einzureichen, und sich somit im Hinblick auf die einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen als angemessen und verhältnismäßig erweist.

32      Daraus folgt, dass in der streitigen Übergangsbestimmung hinsichtlich der Dauer der Einspruchsfrist, die dem Verbraucher im Rahmen eines zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes 1/2013 anhängigen Hypothekenvollstreckungsverfahrens gewährt wird, keine Verletzung des Effektivitätsgrundsatzes gesehen werden kann.

33      Was zweitens die Prüfung des zweiten Teils der Merkmale der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Frist angeht, der die vom Gesetzgeber gewählte Modalität für den Beginn der Frist betrifft, ist Folgendes zu erwägen.

34      Zunächst steht fest, dass das Gesetz 1/2013, das die streitige Übergangsbestimmung enthält, einen rechtlichen Rahmen schafft, der von allgemeiner Geltung ist. Dieses Gesetz ist am Tag seiner Veröffentlichung im Boletín Oficial del Estado in Kraft getreten.

35      Das Gesetz 1/2013, das den verstärkten Schutz der Bürger in einer Vielzahl von Fällen im Zusammenhang mit Hypothekenkrediten zum Gegenstand hat, schließt ausdrücklich den Fall der Verbraucher ein, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes im Rahmen eines anhängigen Vollstreckungsverfahrens, das auf ihr Gut abzielt, in einer Verteidigungssituation befinden.

36      Diese Verbraucher sind aber zum Zeitpunkt der Einleitung des gegen sie gerichteten Vollstreckungsverfahrens mit einer individuellen Mitteilung, die an sie persönlich gerichtet war, über ihr Recht belehrt worden, innerhalb einer Frist von zehn Tagen ab dieser Mitteilung Einspruch gegen die Vollstreckung einzulegen.

37      Diese Mitteilung enthielt jedoch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes 1/2013 keine Belehrung über das Recht dieser Verbraucher, mit einem Einspruch gegen die Vollstreckung die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel geltend zu machen, die die Grundlage des Vollstreckungstitels darstellt, da diese Möglichkeit erst mit dem Gesetz 1/2013 in Art. 557 Abs. 1 Nr. 7 des Zivilprozessgesetzes eingefügt wurde.

38      Unter diesen Umständen konnten die Verbraucher insbesondere in Anbetracht der Grundsätze der Verteidigungsrechte, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vernünftigerweise nicht damit rechnen, eine neue Möglichkeit zur Erhebung eines Einspruchs zu erhalten, da sie darüber nicht auf demselben verfahrensrechtlichen Weg, auf dem sie die ursprüngliche Belehrung erhalten hatten, informiert wurden.

39      Infolgedessen ist die streitige Übergangsbestimmung, soweit sie vorsieht, dass die Ausschlussfrist im vorliegenden Fall zu laufen beginnt, ohne dass die betroffenen Verbraucher persönlich darüber belehrt wurden, dass sie im Rahmen eines bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eingeleiteten Vollstreckungsverfahrens einen neuen Einspruchsgrund geltend machen können, nicht geeignet, die volle Ausschöpfung dieser Frist und somit die wirksame Wahrnehmung des neuen durch die in Rede stehende Gesetzesänderung zuerkannten Rechts zu gewährleisten.

40      Unter Berücksichtigung des Ablaufs, der Besonderheit und der Komplexität des Verfahrens sowie der anwendbaren Rechtsvorschriften besteht nämlich eine erhebliche Gefahr, dass diese Frist abläuft, ohne dass die betroffenen Verbraucher ihre Rechte wirksam und zweckdienlich gerichtlich geltend machen können, weil sie in Wirklichkeit insbesondere den genauen Umfang dieser Rechte nicht kennen oder nicht richtig erfassen (vgl. in diesem Sinne Urteil Aziz, C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Daher ist im Ergebnis festzustellen, dass die streitige Übergangsbestimmung gegen den Effektivitätsgrundsatz verstößt.

42      Aufgrund all dessen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 6 und 7 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Übergangsbestimmung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegenstehen, wonach für diejenigen Verbraucher, gegen die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, das die Übergangsbestimmung enthält, ein Hypothekenvollstreckungsverfahren eingeleitet worden ist, das zum Zeitpunkt dieses Inkrafttretens nicht abgeschlossen war, eine ab dem Tag nach der Veröffentlichung des Gesetzes berechnete Ausschlussfrist von einem Monat gilt, innerhalb deren ein Einspruch gegen die Zwangsvollstreckung wegen angeblich missbräuchlicher Vertragsklauseln einzulegen ist.

 Kosten

43      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Die Art. 6 und 7 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Übergangsbestimmung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegenstehen, wonach für diejenigen Verbraucher, gegen die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, das die Übergangsbestimmung enthält, ein Hypothekenvollstreckungsverfahren eingeleitet worden ist, das zum Zeitpunkt dieses Inkrafttretens nicht abgeschlossen war, eine ab dem Tag nach der Veröffentlichung des Gesetzes berechnete Ausschlussfrist von einem Monat gilt, innerhalb deren ein Einspruch gegen die Zwangsvollstreckung wegen angeblich missbräuchlicher Vertragsklauseln einzulegen ist.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Spanisch.