Language of document : ECLI:EU:C:2020:895

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

10. November 2020(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Umwelt – Richtlinie 2008/50/EG – Luftqualität – Art. 13 Abs. 1 und Anhang XI – Systematische und andauernde Überschreitung der Grenzwerte für Feinstaub (PM10) in bestimmten italienischen Gebieten und Ballungsräumen – Art. 23 Abs. 1 – Anhang XV – ‚so kurz wie möglich‘ gehaltener Zeitraum der Überschreitung – Geeignete Maßnahmen“

In der Rechtssache C‑644/18

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 13. Oktober 2018,

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch G. Gattinara und K. Petersen, dann durch G. Gattinara und E. Manhaeve als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. De Luca und P. Gentili, avvocati dello Stato,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot, und A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten N. Piçarra und A. Kumin (Berichterstatter), der Richter E. Juhász, M. Safjan, D. Šváby, S. Rodin und F. Biltgen, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos, und P. G. Xuereb,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch, dass sie

–        die Grenzwerte für die Konzentrationen von PM10-Partikeln (im Folgenden: Grenzwerte für PM10) systematisch und andauernd überschritten hat und weiterhin überschreitet

–        hinsichtlich des Tagesgrenzwerts

–        ab 2008 in folgenden Gebieten: IT 1212 (Tal des Sacco); IT 1215 (Ballungsraum Rom); IT 1507 (ex Gebiet IT 1501, Sanierungsgebiet – Neapel und Caserta); IT 0892 (Emilia Romagna, West-Pianura [westliche Ebene]); IT 0893 (Emilia Romagna, Ost-Pianura [östliche Ebene]); IT 0306 (Ballungsraum Mailand); IT 0307 (Ballungsraum Bergamo); IT 0308 (Ballungsraum Brescia); IT 0309 (Lombardei, stark urbanisierte Ebene A); IT 0310 (Lombardei, stark urbanisierte Ebene B); IT 0312 (Lombardei, Talboden D); IT 0119 (Piemont Ebene); IT 0120 (Piemonter Hügel);

–        ab 2009 in folgenden Gebieten: IT 0508 und IT 0509 (ex Gebiet IT 0501, Ballungsraum Venedig-Treviso); IT 0510 (ex Gebiet IT 0502, Ballungsraum Padua); IT 0511 (ex Gebiet IT 0503, Ballungsraum Vicenza), IT 0512 (ex Gebiet IT 0504, Ballungsraum Verona); IT 0513 und IT 0514 (ex Gebiet IT 0505; Gebiet A1 – Provinz Venetien);

–        von 2008 bis 2013 und danach erneut ab 2015 im Gebiet IT 0907 (Gebiet Prato-Pistoia);

–        von 2008 bis 2012 und danach erneut ab 2014 in den Gebieten IT 0909 (Gebiet Valdarno Pisano und Piana Lucchese) und IT 0118 (Ballungsraum Turin);

–        von 2008 bis 2009 und danach erneut ab 2011 in den Gebieten IT 1008 (Gebiet der Conca Ternana [Becken von Terni]) und IT 1508 (ex Gebiet IT 1504, Küsten- und Hügelgebiet im Benevento);

–        im Jahr 2008 und danach erneut ab 2011 im Gebiet IT 1613 (Puglia – Industriegebiet);

–        von 2008 bis 2012, im Jahr 2014 und ab 2016 im Gebiet IT 1911 (Ballungsraum Palermo);

–        hinsichtlich des Jahresgrenzwerts in folgenden Gebieten: IT 1212 (Tal des Sacco) seit 2008 und ununterbrochen bis mindestens 2016; IT 0508 und IT 0509 (ex Gebiet IT 0501, Ballungsraum Venezia-Treviso) in den Jahren 2009, 2011 und 2015; IT 0511 (ex Gebiet IT 0503, Ballungsraum Vicenza) in den Jahren 2011, 2012 und 2015; IT 0306 (Ballungsraum Mailand), IT 0308 (Ballungsraum Brescia), IT 0309 (Lombardei, stark urbanisierte Ebene A) und IT 0310 (Lombardei, stark urbanisierte Ebene B) von 2008 bis 2013 und ab 2015; IT 0118 (Ballungsraum Turin) von 2008 bis 2012 und ab 2015,

gegen ihre Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. 2008, L 152, S. 1) in Verbindung mit deren Anhang XI verstoßen hat

und

–        dadurch, dass sie nicht ab dem 11. Juni 2010 geeignete Maßnahmen ergriffen hat, um in all diesen Gebieten die Einhaltung der Grenzwerte für PM10 zu gewährleisten, gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 allein und in Verbindung mit deren Anhang XV Teil A und insbesondere gegen die nach Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Richtlinie bestehende Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass der Zeitraum der Überschreitung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird, verstoßen hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Richtlinie 96/62/EG

2        Art. 8 („Maßnahmen für Gebiete, in denen die Werte die Grenzwerte überschreiten“) Abs. 1, 3 und 4 der Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (ABl. 1996, L 296, S. 55) sah vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten erstellen die Liste der Gebiete und Ballungsräume, in denen die Werte eines oder mehrerer Schadstoffe die Summe von Grenzwert und Toleranzmarge überschreiten.

(3)      Für die Gebiete und Ballungsräume des Absatzes 1 ergreifen die Mitgliedstaaten Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass ein Plan oder Programm ausgearbeitet oder durchgeführt wird, aufgrund dessen der Grenzwert binnen der festgelegten Frist erreicht werden kann.

Der Plan oder das Programm, zu dem die Öffentlichkeit Zugang haben muss, umfasst mindestens die in Anhang IV aufgeführten Angaben.

(4)      Für die Gebiete und Ballungsräume des Absatzes 1, in denen der Wert von mehr als einem Schadstoff die Grenzwerte überschreitet, stellen die Mitgliedstaaten einen integrierten Plan auf, der sich auf alle betreffenden Schadstoffe erstreckt.“

 Richtlinie 1999/30/EG

3        Art. 5 („Partikel“) Abs. 1 der Richtlinie 1999/30/EG des Rates vom 22. April 1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft (ABl. 1999, L 163, S. 41) bestimmte:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die gemäß Artikel 7 beurteilten PM10‑Konzentrationen in der Luft die Grenzwerte des Anhangs III Abschnitt I ab den dort genannten Zeitpunkten nicht überschreiten.

…“

4        In Anhang III der Richtlinie wurde hinsichtlich der PM10-Partikel klargestellt, dass der Zeitpunkt, bis zu dem die Grenzwerte zu erreichen waren, der 1. Januar 2005 war.

 Richtlinie 2008/50

5        Die am 11. Juni 2008 in Kraft getretene Richtlinie 2008/50 hat fünf frühere Rechtsakte in Bezug auf die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität ersetzt, insbesondere die Richtlinien 96/62 und 1999/30, die mit Wirkung vom 11. Juni 2010 aufgehoben wurden, wie sich aus Art. 31 der Richtlinie 2008/50 ergibt.

6        Die Erwägungsgründe 17 und 18 der Richtlinie 2008/50 lauten:

„(17)      Die zur Verringerung der Emissionen an der Quelle notwendigen [M]aßnahmen [der Europäischen Union], insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung der Wirksamkeit der … Rechtsvorschriften [der Union] über Industrieemissionen, zur Begrenzung der Abgase von Schwerfahrzeugmotoren, zur zusätzlichen Senkung der zulässigen einzelstaatlichen Emissionsmengen entscheidender Schadstoffe und der Emissionsmengen, die durch das Betanken von Fahrzeugen mit Ottomotor an Tankstellen bedingt sind, sowie die Maßnahmen zur Eindämmung des Schwefelgehalts von Kraftstoffen, einschließlich Schiffskraftstoffen, sollten von allen beteiligten Institutionen mit gebührendem Vorrang geprüft werden.

(18)      Für Gebiete und Ballungsräume, in denen die Schadstoffkonzentrationen in der Luft die einschlägigen Luftqualitätszielwerte oder ‑grenzwerte gegebenenfalls zuzüglich zeitlich befristeter Toleranzmargen überschreiten, sollten Luftqualitätspläne erstellt werden. Luftschadstoffe werden durch viele verschiedene Quellen und Tätigkeiten verursacht. Damit die Kohärenz zwischen verschiedenen Strategien gewährleistet ist, sollten solche Luftqualitätspläne soweit möglich aufeinander abgestimmt und in die Pläne und Programme gemäß der Richtlinie 2001/80/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2001 zur Begrenzung von Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlagen in die Luft [(ABl. 2001, L 309, S. 1)], der Richtlinie 2001/81/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2001 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe (ABl. 2001, L 309, S. 22)] und der Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm [(ABl. 2002, L 189, S. 12)] einbezogen werden. Die in dieser Richtlinie enthaltenen Luftqualitätsziele werden auch in den Fällen uneingeschränkt berücksichtigt, in denen auf Grund der Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung [(ABl. 2008, L 24, S. 8)] Genehmigungen für industrielle Tätigkeiten erteilt werden.“

7        Art. 1 („Gegenstand“) Nrn. 1 bis 3 der Richtlinie 2008/50 lautet:

„Die in dieser Richtlinie festgelegten Maßnahmen dienen folgenden Zielen:

1.      Definition und Festlegung von Luftqualitätszielen zur Vermeidung, Verhütung oder Verringerung schädlicher Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt insgesamt;

2.      Beurteilung der Luftqualität in den Mitgliedstaaten anhand einheitlicher Methoden und Kriterien;

3.      Gewinnung von Informationen über die Luftqualität als Beitrag zur Bekämpfung von Luftverschmutzungen und ‑belastungen und zur Überwachung der langfristigen Tendenzen und der Verbesserungen, die aufgrund einzelstaatlicher … Maßnahmen [und solcher der Union] erzielt werden“.

8        Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) Nrn. 5, 7 bis 9 und 16 bis 18 der Richtlinie 2008/50 sieht vor:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

5.      ‚Grenzwert‘ ist ein Wert, der aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse mit dem Ziel festgelegt wird, schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und/oder die Umwelt insgesamt zu vermeiden, zu verhüten oder zu verringern, und der innerhalb eines bestimmten Zeitraums eingehalten werden muss und danach nicht überschritten werden darf;

7.      ‚Toleranzmarge‘ ist der Prozentsatz des Grenzwerts, um den dieser unter den in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen überschritten werden darf;

8.      ‚Luftqualitätspläne‘ sind Pläne, in denen Maßnahmen zur Erreichung der Grenzwerte oder Zielwerte festgelegt sind;

9.      ‚Zielwert‘ ist ein Wert, der mit dem Ziel festgelegt wird, schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und/oder die Umwelt insgesamt zu vermeiden, zu verhindern oder zu verringern, und der so weit wie möglich in einem bestimmten Zeitraum eingehalten werden muss;

16.      ‚Gebiet‘ ist ein Teil des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats, das dieser Mitgliedstaat für die Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität abgegrenzt hat;

17.      ‚Ballungsraum‘ ist ein städtisches Gebiet mit einer Bevölkerung von mehr als 250 000 Einwohnern oder, falls 250 000 oder weniger Einwohner in dem Gebiet wohnen, mit einer Bevölkerungsdichte pro km², die von den Mitgliedstaaten festzulegen ist;

18.      ‚PM10‘ sind die Partikel, die einen größenselektierenden Lufteinlass gemäß der Referenzmethode für die Probenahme und Messung von PM10, EN 12341, passieren, der für einen aerodynamischen Durchmesser von 10 μm eine Abscheidewirksamkeit von 50 % aufweist;

…“

9        Art. 13 („Grenzwerte und Alarmschwellen für den Schutz der menschlichen Gesundheit“) Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten.

Die Einhaltung dieser Anforderung wird nach Anhang III beurteilt.

Die in Anhang XI festgelegten Toleranzmargen sind gemäß Artikel 22 Absatz 3 und Artikel 23 Absatz 1 anzuwenden.“

10      Art. 20 („Emissionsbeiträge aus natürlichen Quellen“) Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/50 sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission für das jeweilige Jahr eine Aufstellung der Gebiete und Ballungsräume, in denen Überschreitungen der Grenzwerte für einen bestimmten Schadstoff Emissionsbeiträgen aus natürlichen Quellen zuzurechnen sind. Sie legen Angaben zu den Konzentrationen und Quellen sowie Nachweise dafür vor, dass die Überschreitungen auf natürliche Quellen zurückzuführen sind.

(2)      Wurde die Kommission gemäß Absatz 1 über eine natürlichen Quellen zuzurechnende Überschreitung unterrichtet, so gilt diese Überschreitung nicht als Überschreitung im Sinne dieser Richtlinie.“

11      Nach Art. 21 („Überschreitungen aufgrund der Ausbringung von Streusand oder ‑salz auf Straßen im Winterdienst“) Abs. 1 bis 4 der Richtlinie 2008/50 können die Mitgliedstaaten Gebiete oder Ballungsräume ausweisen, in denen die Grenzwerte für PM10 in der Luft aufgrund der Aufwirbelung von Partikeln nach der Ausbringung von Streusand oder ‑salz auf Straßen im Winterdienst überschritten werden. Die Mitgliedstaaten legen die erforderlichen Nachweise dafür vor, dass die Überschreitungen auf aufgewirbelte Partikel zurückzuführen sind und angemessene Maßnahmen zur Verringerung der Konzentrationen getroffen wurden. Unbeschadet des Art. 20 dieser Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten den Luftqualitätsplan gemäß Art. 23 der Richtlinie nur insoweit erstellen, als Überschreitungen auf andere PM10-Quellen als die Ausbringung von Streusand oder ‑salz auf Straßen im Winterdienst zurückzuführen sind.

12      Art. 22 („Verlängerung der Fristen für die Erfüllung der Vorschriften und Ausnahmen von der vorgeschriebenen Anwendung bestimmter Grenzwerte“) der Richtlinie 2008/50 lautet:

„(1)      Können in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum die Grenzwerte für Stickstoffdioxid oder Benzol nicht innerhalb der in Anhang XI festgelegten Fristen eingehalten werden, so kann ein Mitgliedstaat diese Fristen für dieses bestimmte Gebiet oder diesen bestimmten Ballungsraum um höchstens fünf Jahre verlängern, wenn folgende Voraussetzung erfüllt ist: [F]ür das Gebiet oder den Ballungsraum, für das/den die Verlängerung gelten soll, wird ein Luftqualitätsplan gemäß Artikel 23 erstellt; dieser Luftqualitätsplan wird durch die in Anhang XV Abschnitt B aufgeführten Informationen in Bezug auf die betreffenden Schadstoffe ergänzt und zeigt auf, wie die Einhaltung der Grenzwerte vor Ablauf der neuen Frist erreicht werden soll.

(2)      Können in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum die Grenzwerte für PM10 nach Maßgabe des Anhangs XI aufgrund standortspezifischer Ausbreitungsbedingungen, ungünstiger klimatischer Bedingungen oder grenzüberschreitender Einträge nicht eingehalten werden, so werden die Mitgliedstaaten bis zum 11. Juni 2011 von der Verpflichtung zur Einhaltung dieser Grenzwerte ausgenommen, sofern die in Absatz 1 festgelegten Bedingungen erfüllt sind und der Mitgliedstaat nachweist, dass alle geeigneten Maßnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene getroffen wurden, um die Fristen einzuhalten.

(3)      Bei der Anwendung des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Grenzwert für jeden Schadstoff nicht um mehr als die für jeden der betroffenen Schadstoffe in Anhang XI festgelegte maximale Toleranzmarge überschritten wird.

(4)      Ein Mitgliedstaat, der der Ansicht ist, dass Absatz 1 oder Absatz 2 anwendbar ist, teilt dies der Kommission mit und übermittelt ihr den Luftqualitätsplan gemäß Absatz 1 einschließlich aller relevanten Informationen, die die Kommission benötigt, um festzustellen, ob die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei berücksichtigt die Kommission die voraussichtlichen Auswirkungen der von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen auf die gegenwärtige und die zukünftige Luftqualität in den Mitgliedstaaten sowie die voraussichtlichen Auswirkungen der gegenwärtigen Gemeinschaftsmaßnahmen und der von der Kommission vorzuschlagenden geplanten [Union]smaßnahmen auf die Luftqualität.

Hat die Kommission neun Monate nach Eingang dieser Mitteilung keine Einwände erhoben, gelten die Bedingungen für die Anwendung von Absatz 1 bzw. Absatz 2 als erfüllt.

Werden Einwände erhoben, kann die Kommission die Mitgliedstaaten auffordern, Anpassungen vorzunehmen oder neue Luftqualitätspläne vorzulegen.“

13      Art. 23 („Luftqualitätspläne“) Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 lautet:

„Überschreiten in bestimmten Gebieten oder Ballungsräumen die Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert oder Zielwert zuzüglich einer jeweils dafür geltenden Toleranzmarge, sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass für diese Gebiete oder Ballungsräume Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden in den Anhängen XI und XIV festgelegten Grenzwerte oder Zielwerte einzuhalten.

Im Falle der Überschreitung dieser Grenzwerte, für die die Frist für die Erreichung bereits verstrichen ist, enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann. Die genannten Pläne können zusätzlich gezielte Maßnahmen zum Schutz empfindlicher Bevölkerungsgruppen, einschließlich Maßnahmen zum Schutz von Kindern, vorsehen.

Diese Luftqualitätspläne müssen mindestens die in Anhang XV Abschnitt A aufgeführten Angaben umfassen und können Maßnahmen gemäß Artikel 24 umfassen. Diese Pläne sind der Kommission unverzüglich, spätestens jedoch zwei Jahre nach Ende des Jahres, in dem die erste Überschreitung festgestellt wurde, zu übermitteln.

Müssen für mehrere Schadstoffe Luftqualitätspläne ausgearbeitet oder durchgeführt werden, so arbeiten die Mitgliedstaaten gegebenenfalls für alle betreffenden Schadstoffe integrierte Luftqualitätspläne aus und führen sie durch.“

14      Art. 27 („Übermittlung von Informationen und Berichten“) der Richtlinie 2008/50 sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Kommission Informationen über die Luftqualität innerhalb der Fristen übermittelt werden, die in den in Artikel 28 Absatz 2 genannten Durchführungsmaßnahmen vorgesehen sind.

(2)      Auf jeden Fall müssen diese Informationen speziell zur Beurteilung der Einhaltung der Grenzwerte und der kritischen Werte sowie der Erreichung der Zielwerte – spätestens neun Monate nach Ablauf jedes Jahres – der Kommission übermittelt werden und folgende Angaben enthalten:

b)      Liste der Gebiete und Ballungsräume, in denen die Werte eines oder mehrerer Schadstoffe die Grenzwerte zuzüglich etwaiger Toleranzmargen oder die Zielwerte oder die kritischen Werte überschreiten, wobei für diese Gebiete und Ballungsräume Folgendes anzugeben ist:

i)      beurteilte Werte und gegebenenfalls Tage und Zeiträume, an bzw. in denen diese Werte festgestellt wurden;

ii)      gegebenenfalls eine Beurteilung der gemäß den Artikeln 20 und 21 der Kommission gemeldeten Beiträge natürlicher Quellen sowie von Partikeln, die nach dem Ausbringen von Streusand oder ‑salz auf Straßen im Winterdienst aufgewirbelt werden, zu den beurteilten Werten.

(3)      Die Absätze 1 und 2 gelten für Informationen, die ab dem Beginn des zweiten Kalenderjahrs nach Inkrafttreten der in Artikel 28 Absatz 2 genannten Durchführungsmaßnahmen erhoben werden.“

15      In Anhang XI („Grenzwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit“) der Richtlinie 2008/50 heißt es in Bezug auf PM10, dass der Tagesgrenzwert auf 50 μg/m³ festgesetzt ist und nicht öfter als 35‑mal im Kalenderjahr überschritten werden darf und der Jahresgrenzwert, der auf 40 μg/m³ festgesetzt ist, nicht überschritten werden darf.

16      Zu den in den Luftqualitätsplänen gemäß Art. 23 der Richtlinie zu berücksichtigenden Informationen heißt es in Anhang XV Abschnitt A der Richtlinie 2008/50 u. a.:

„8.      Angaben zu den nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie zur Verminderung der Verschmutzung beschlossenen Maßnahmen oder Vorhaben

a)      Auflistung und Beschreibung aller in den Vorhaben genannten Maßnahmen;

b)      Zeitplan für die Durchführung;

c)      Schätzung der angestrebten Verbesserung der Luftqualität und des für die Verwirklichung dieser Ziele veranschlagten Zeitraums“.

 Vorverfahren

17      Nach Prüfung der von der Italienischen Republik vorgelegten Berichte über die Entwicklung der PM10-Konzentrationen in der Luft für den Zeitraum 2008 bis 2012 in den fraglichen Gebieten sandte die Kommission diesem Mitgliedstaat am 11. Juli 2014 ein Mahnschreiben wegen Verstoßes gegen die Art. 13 und 23 der Richtlinie 2008/50 aufgrund andauernder Überschreitung der für diese Konzentrationen geltenden Grenzwerte in diesem Zeitraum (im Folgenden: ursprüngliches Mahnschreiben).

18      Die italienischen Behörden beantragten eine Verlängerung der Frist zur Beantwortung des Mahnschreibens, die ihnen gewährt wurde, und am 28. Oktober 2014 übermittelten sie ihre Antwort, ohne den Verstoß gegen Art. 13 der Richtlinie 2008/50 zu bestreiten. Demgegenüber machten sie hinsichtlich des gerügten Verstoßes gegen Art. 23 der Richtlinie geltend, dass jedes betreffende Gebiet bzw. jeder betreffende Ballungsraum zu beurteilen sei.

19      Da zahlreiche Gebiete der Po-Ebene nicht in das ursprüngliche Mahnschreiben aufgenommen, die Berichte gemäß Art. 27 der Richtlinie 2008/50 für die Jahre 2013 und 2014 verspätet versandt und die Daten über Piemont, Sizilien und Kalabrien für diesen Zeitraum erst am 4. Februar 2016 übermittelt worden waren, stellte die Kommission nach Erhalt dieser zusätzlichen Daten am 16. Juni 2016 ein ergänzendes Mahnschreiben aus, in dem sie den andauernden und fortgesetzten Verstoß gegen die in Art. 13 der Richtlinie festgelegten Grenzwerte und den Verstoß gegen Art. 23 der Richtlinie geltend machte.

20      Nachdem die italienischen Behörden eine Verlängerung der Frist zur Beantwortung des ergänzenden Mahnschreibens beantragt hatten, die ihnen gewährt wurde, antworteten sie mit Schreiben vom 20. September 2016 auf dieses Schreiben, ohne den Verstoß gegen Art. 13 der Richtlinie 2008/50 zu bestreiten. Hinsichtlich des gerügten Verstoßes gegen Art. 23 der Richtlinie wiederholten sie das Vorbringen aus ihrer Antwort auf das ursprüngliche Mahnschreiben, legten jedoch einige aktualisierte Daten vor.

21      In Anbetracht der in Rn. 20 des vorliegenden Urteils angeführten Antworten der italienischen Behörden gab die Kommission am 28. April 2017 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie als Erstes die im Zeitraum von 2008 bis 2015 andauernde und fortgesetzte Nichteinhaltung des Tagesgrenzwerts für PM10 in den in der Stellungnahme genannten Gebieten und des Jahresgrenzwerts für PM10 in bestimmten dieser Gebiete als Verstoß gegen Art. 13 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit deren Anhang XI rügte. Zu Sizilien äußerte die Kommission in der mit Gründen versehenen Stellungnahme, dass der Verstoß gegen diese Vorschriften zumindest bis 2014 angedauert habe, da für 2015 keine Daten übermittelt worden seien.

22      Als Zweites kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die Italienische Republik in Bezug auf die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme aufgeführten Gebiete gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 23 der Richtlinie 2008/50 allein und in Verbindung mit deren Anhang XV verstoßen habe.

23      Die Italienische Republik antwortete auf die mit Gründen versehene Stellungnahme am 29. Juni 2017. Am 15. September 2017 legte sie ergänzende Informationen über die verschiedenen von den Regionen geänderten Luftqualitätspläne sowie über die Maßnahmen vor, die diese zur Senkung der PM10-Konzentration in der Luft im Begriff seien zu ergreifen.

24      Da die Kommission der Ansicht war, dass die Italienische Republik die Verstöße gegen das Unionsrecht noch immer nicht abgestellt habe, hat sie am 13. Oktober 2018 die vorliegende Vertragsverletzungsklage erhoben.

25      Die Italienische Republik hat gemäß Art. 16 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union beantragt, dass der Gerichtshof als Große Kammer tagt.

 Zur Klage

 Zum ersten Klagegrund: systematischer und andauernder Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit deren Anhang XI

 Vorbringen der Parteien

26      Mit ihrer ersten Rüge macht die Kommission geltend, die Italienische Republik habe durch die Überschreitung des Tagesgrenzwerts für PM10 seit 2008 und zumindest bis 2016 sowie des Jahresgrenzwerts für PM10 seit 2008 in den in Rn. 1 des vorliegenden Urteils genannten Gebieten systematisch und andauernd gegen die Verpflichtungen aus Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit deren Anhang XI verstoßen.

27      Zunächst äußert sich die Kommission zur zeitlichen Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/50 und macht einen Verstoß gegen deren Art. 13 in bestimmten italienischen Gebieten und Ballungsräumen seit 2008 geltend, obgleich die Richtlinie erst am 11. Juni 2008 in Kraft getreten ist und die Mitgliedstaaten nach deren Art. 33 Abs. 1 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften hätten in Kraft setzen müssen, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens am 11. Juni 2010 nachzukommen.

28      Unter Bezugnahme auf die Rn. 43 und 45 des Urteils vom 22. Februar 2018, Kommission/Polen (C‑336/16, EU:C:2018:94), weist die Kommission darauf hin, dass die Richtlinie 2008/50 gemäß ihrem dritten Erwägungsgrund fünf Unionsrechtsakte ersetzt habe, darunter die Richtlinie 1999/30, in der die ab dem 1. Januar 2005 einzuhaltenden Luftqualitätsgrenzwerte festgelegt gewesen seien. Der Gerichtshof habe insoweit insbesondere hervorgehoben, dass die Bestimmungen des Art. 5 der Richtlinie 1999/30 in Verbindung mit deren Anhang III, die den Zeitraum vor Umsetzung der Richtlinie 2008/50 betroffen hätten, durch Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie in Verbindung mit deren Anhang XI aufrechterhalten worden seien, so dass eine Rüge eines Verstoßes gegen die zuletzt genannten Bestimmungen auch für Zeiträume vom 1. Januar 2005 bis 11. Juni 2010 zulässig sei.

29      Die Italienische Republik habe jedenfalls nicht gemäß Art. 22 der Richtlinie 2008/50 eine Verlängerung der Frist für die Erreichung der Grenzwerte für PM10 erhalten, worauf in der mit Gründen versehenen Stellungnahme hingewiesen worden sei. Daher sei sie verpflichtet gewesen, die diese Grenzwerte betreffenden Bestimmungen der Richtlinie ausnahmslos einzuhalten.

30      Außerdem habe der Gerichtshof bereits festgestellt, dass die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtung verstoßen habe, für die Jahre 2006 und 2007 sicherzustellen, dass die PM10-Konzentrationen in der Luft in zahlreichen italienischen Gebieten und Ballungsräumen die in der Richtlinie 1999/30 festgelegten Tages- und Jahresgrenzwerte nicht überschreiten (Urteil vom 19. Dezember 2012, Kommission/Italien, C‑68/11, EU:C:2012:815, Rn. 55 bis 58 und 67). Daher betreffe die vorliegende Klage die fortgesetzte Überschreitung der für PM10 festgelegten Tages- und Jahresgrenzwerte ab 2008 bis zum Zeitpunkt des Ablaufs der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme angegebenen Frist zur Einhaltung der Bestimmungen, dem 28. Juni 2017.

31      Schließlich weist die Kommission darauf hin, dass sie, da sie Daten für das Jahr 2017 erhalten habe, die eine andauernde Überschreitung der Tages- und Jahresgrenzwerte für PM10 in fast allen betreffenden Gebieten bestätigten, all diese Daten nach deren technischer Validierung im Lauf des Verfahrens sowie zusätzliches, Tatsachen aus der Zeit nach dem 28. Juni 2017 betreffendes Material vorlegen wolle, da es sich um Tatsachen handele, die von „derselben Art“ seien und „demselben Verhalten zugrunde liegen“ wie die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme angeführten. Desgleichen habe sie auch Daten über die PM10-Konzentration für das Jahr 2016 vorgelegt, die ihr von den italienischen Behörden erst am 15. September 2017, also nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme angegebenen Frist, übermittelt worden seien.

32      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs genüge die objektive Feststellung der Überschreitung der in Art. 13 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit deren Anhang XI festgelegten Grenzwerte für PM10, um einen Verstoß gegen diese Bestimmungen zu bejahen.

33      Nach Ansicht der Kommission lässt sich aus der Prüfung der von der Italienischen Republik gemäß Art. 27 der Richtlinie 2008/50 vorgelegten Jahresberichte, deren Zusammenfassungen ihrer Klageschrift beigefügt seien, eine andauernde Überschreitung der Tages- und Jahresgrenzwerte für PM10 in jedem der untersuchten 27 geografischen Gebiete bejahen. Von einigen Jahren abgesehen seien diese Grenzwerte nie eingehalten worden, und die Tatsache, dass sie zum Zeitpunkt der Erhebung der Vertragsverletzungsklage überschritten seien, zeige, dass die Überschreitung andauere.

34      Daraus folge, dass die Tages- und die Jahresgrenzwerte für PM10 systematisch und andauernd überschritten worden seien, da der Verstoß zum Zeitpunkt der Erhebung der Vertragsverletzungsklage in den in Rn. 1 des vorliegenden Urteils genannten Gebieten noch angedauert habe.

35      Die Italienische Republik bestreitet die ihr vorgeworfene Vertragsverletzung.

36      Als Erstes vertritt sie die Ansicht, dass ein Verstoß gegen Art. 13 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit deren Anhang XI nicht aus einer bloßen Überschreitung der mittleren Tages- oder Jahresgrenzwerte für PM10 in einer bestimmten Anzahl von Jahren in einem Mitgliedstaat abgeleitet werden könne. Entgegen dem Vorbringen der Kommission ließen insoweit die vom Gerichtshof in ähnlich gelagerten Rechtssachen dargelegten Grundsätze nicht die Annahme zu, dass eine automatische Wechselbeziehung zwischen der Überschreitung der Obergrenzen für Schadstoffkonzentrationen und einer Verletzung des Unionsrechts bestehe, da die Richtlinie in den von ihr festgelegten Grenzen eine schrittweise Senkung der Exposition gegenüber schädlichen Faktoren gewährleisten solle.

37      Daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass gegen die Richtlinie 2008/50 verstoßen – und im vorliegenden Fall die Verpflichtung zur Senkung der PM10-Konzentrationen auf die in Anhang XI festgelegten Höchstwerte verletzt – worden sei, wenn die Prüfung der Chronik der Daten über die Konzentration schädlicher Bestandteile eine schrittweise, konstante und erhebliche Senkung der Konzentrationen zeige, mit der sich eine solche Konzentration erreichen lasse, die der von den Unionsrechtsvorschriften vorgesehenen nahekomme.

38      Bei unter Berücksichtigung des Wortlauts, der Systematik und der Ziele der Richtlinie 2008/50 zutreffender Auslegung dieser Richtlinie, die durch die Erklärung der Kommission in deren Anhang bestätigt werde, sei ihr Art. 13 stets in Verbindung mit ihrem Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 zu lesen, so dass die einzige Verpflichtung der Mitgliedstaaten bei Überschreitung der in Art. 13 und in Anhang XI dieser Richtlinie genannten Grenzwerte die Erstellung von Luftqualitätsplänen sei, die geeignete Maßnahmen vorsähen, damit die Überschreitung dieser Werte so kurz wie möglich gehalten werde. Von einer Zuwiderhandlung, die nach Art. 258 AEUV geahndet werden könnte, könne daher nur die Rede sein, wenn bei Überschreitung der Grenzwerte keine Luftqualitätspläne erstellt würden, was hier jedoch nicht der Fall sei. Daher sei für die Feststellung einer etwaigen Verletzung der sich aus der Richtlinie 2008/50 ergebenden Verpflichtungen nur die zweite Rüge der Kommission relevant.

39      Die Anpassung der Luftqualität an die vorgesehenen Grenzen und Ziele sei ein komplexer Prozess, in dem die Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht sporadisch sein dürften und zwingend langfristige Pläne beinhalten müssten. Angesichts der Vielfalt und der Wechselwirkung der Verschmutzungsquellen müssten nationale Maßnahmen durch in die Zuständigkeit der Union fallende Maßnahmen ergänzt werden, insbesondere solche, die Großfeuerungsanlagen und Industrieanlagen beträfen. Schließlich sei es notwendig, dass dieses Maßnahmenpaket die wirtschaftliche Entwicklung nicht behindere, sondern vielmehr auf die Gewährleistung ihrer Nachhaltigkeit hinwirke.

40      Als Zweites und hilfsweise macht die Italienische Republik geltend, die Überschreitung der in Art. 13 der Richtlinie 2008/50 genannten Grenzwerte könne nicht ausschließlich dem betreffenden Mitgliedstaat angelastet werden. Angesichts der Vielfalt der Luftverschmutzungsquellen seien die Möglichkeiten für einen einzigen Mitgliedstaat, auf diese Quellen einzuwirken und die Konzentration der verschiedenen Schadstoffe einschließlich der PM10-Partikel unter die Grenzwerte zu senken, zu relativieren. Bei vielen der im 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/50 genannten Verschmutzungsquellen sei für die Regulierung der Schadstoffemissionen nämlich die Union und nicht die Mitgliedstaaten zuständig.

41      Zwar gehe aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass das Verfahren nach Art. 258 AEUV auf der objektiven Feststellung eines Verstoßes des Mitgliedstaats gegen seine Verpflichtungen beruhe, doch müsse darüber hinaus dieser Verstoß dem Verhalten der nationalen Behörden objektiv zugeschrieben werden können und dürfe nicht auf andere außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Mitgliedstaaten liegende Kausalfaktoren zurückzuführen sein. Einer Klage der Kommission könne nur stattgegeben werden, wenn diese nachweise, dass ausschließlich der betreffende Mitgliedstaat verantwortlich sei, nicht aber, wenn der etwaige Verstoß gegen Unionsrecht auf mehrere Faktoren zurückgehe, von denen nur einige in den Zuständigkeitsbereich dieses Mitgliedstaats fielen.

42      Folglich hätte die Kommission im vorliegenden Fall zum einen feststellen müssen, dass keine natürlichen äußeren Kausalfaktoren vorlägen, die die nationalen Behörden nicht beherrschen könnten, da sie unvorhersehbar und unvermeidbar seien, und zum anderen, dass kein Verhalten Dritter vorliege, das sich auf die Verfolgung der Schutzziele auswirken könne, die den angeblich verletzten Rechtsvorschriften zugrunde lägen. Insoweit nennt die Italienische Republik Kausalfaktoren, die sich der Kontrolle der nationalen Behörden völlig entzögen und natürlichen Ursprungs seien, insbesondere die orografische Gestaltung bestimmter italienischer Gebiete, die mit den dort herrschenden meteorologischen Bedingungen zusammenhänge, oder anthropogene Faktoren und die Eingriffe durch europäische, von nationalen Politiken unabhängige Politiken. Sie verweist insoweit u. a. auf die Unionspolitiken im Bereich der Biomasse und der Schadstoffemissionen, insbesondere auf die Vergünstigungen für Dieselfahrzeuge und die Festlegung der PM10-Emissionen von „Eurodiesel“-Fahrzeugen auf der Grundlage theoretischer Modelle, die weit entfernt von den tatsächlichen PM10- und landwirtschaftlichen Emissionen seien, von denen einige mit dem Ziel einer Verringerung anderer Emissionsquellen letztlich die in der Richtlinie 2008/50 in Betracht gezogenen PM10-Emissionen erhöht hätten, wie zur Akte gereichte Berichte zeigten.

43      Folglich habe die Kommission nicht nachgewiesen, dass die Überschreitung der in der Richtlinie 2008/50 festgelegten Grenzwerte auf die Unzulänglichkeit der betreffenden Luftqualitätspläne zurückzuführen sei. Müsste sie einen solchen Nachweis nicht erbringen, liefe dies darauf hinaus, den betreffenden Mitgliedstaat automatisch oder objektiv haftbar zu machen, was nicht hinnehmbar wäre.

44      Als Drittes macht die Italienische Republik, hilfsweise, geltend, die Kommission begehe einen Rechtsfehler bei der Festlegung der zulässigen Obergrenze für PM10-Konzentrationen, da sie die Werte von 50 μg/m³ pro Tag und von 40 μg/m³ pro Jahr als Referenzwerte festlege, aber nicht die in den Art. 13 und 23 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit deren Anhang XI vorgesehene Toleranzmarge berücksichtige. Aus dieser Zusammenschau ergebe sich, dass gemäß Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie Toleranzmargen angewandt werden könnten, wenn die in Art. 13 der Richtlinie in Verbindung mit deren Anhang XI vorgesehenen Grenzwerte überschritten würden. Da die Mitgliedstaaten nur dann zur Erstellung von Luftqualitätsplänen verpflichtet seien, wenn „die Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert oder Zielwert zuzüglich einer jeweils dafür geltenden Toleranzmarge [überschreiten]“, sei bei der Kontrolle, ob die nationalrechtlich zulässigen Höchstwerte überschritten seien, der Grenzwert um die anwendbare Toleranzmarge zu erhöhen.

45      Für PM10 sei diese Toleranzmarge auf 50 % pro Tag und auf 20 % pro Kalenderjahr festgesetzt, so dass das Unionsrecht nicht verletzt werde, wenn der sich aus der Erhöhung des Grenzwerts durch Anwendung des als Toleranzmarge vorgesehenen Koeffizienten ergebende Höchstwert nicht überschritten werde. Daher hätte die Kommission im vorliegenden Fall nicht Werte von 50 μg/m³ pro Tag und von 40 μg/m³ pro Jahr berücksichtigen dürfen, sondern vielmehr Werte von 75 μg/m³ pro Tag und von 48 μg/m³ pro Jahr.

46      Die Kommission stellt in der Einleitung ihrer Erwiderung zunächst fest, dass die Italienische Republik in ihrer Klagebeantwortung nicht den Ansatz beanstande, dass es im vorliegenden Verfahren um eine systematische und andauernde Verletzung bestimmter Unionsrechtsvorschriften gehe und dieses Verfahren daher in bestimmten Fällen die Überschreitung der Grenzwerte für PM10 über recht lange Zeiträume betreffe. Diese Feststellung werde dadurch bestätigt, dass die Italienische Republik auf die für das Jahr 2018 festgesetzten Grenzwerte für PM10 Bezug nehme.

47      Zu dem Vorbringen, wonach es zur Gewährleistung der Einhaltung der sich aus der Richtlinie 2008/50 ergebenden Verpflichtungen ausreiche, dass die in der Richtlinie vorgesehene Senkung der PM10-Konzentrationen schrittweise erfolge, auch wenn diese Konzentrationen weiterhin über den in der Richtlinie für PM10 festgelegten Grenzwerten lägen, und eine solche Überschreitung daher nur bewirke, dass die Mitgliedstaaten zur Annahme eines Luftqualitätsplans verpflichtet würden, vertritt die Kommission die Auffassung, dass sich dieses weder auf den Wortlaut der Richtlinie noch auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs stützen lasse.

48      Die Grenzwerte seien von den Zielwerten im Sinne der Definition in Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit deren Art. 16 und 17 zu unterscheiden, die in einem bestimmten Zeitraum erreicht werden müssten, jedoch nur „so weit wie möglich“ und sofern die entsprechenden Maßnahmen keine unverhältnismäßigen Kosten verursachten. Diese Artikel seien jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Klage.

49      Auf das Vorbringen, dass die Italienische Republik insbesondere wegen der orografischen Beschaffenheit bestimmter italienischer Gebiete oder wegen europäischer Politiken, die erhebliche Auswirkungen auf die Bildung gesundheitsschädlicher Verbindungen hätten, nicht für die Überschreitung der Grenzwerte für PM10 verantwortlich gemacht werden könne, entgegnet die Kommission, dass die Verpflichtung, diese Grenzwerte nicht zu überschreiten, eindeutig eine Ergebnispflicht sei, der der Mitgliedstaat gemäß Art. 13 der Richtlinie 2008/50 nachzukommen habe. Die Berufung auf das Vorliegen für diesen Mitgliedstaat besonderer Aspekte komme einer Leugnung des Bestehens dieser Verpflichtung gleich.

50      Die Kommission weist auch darauf hin, dass etwaige Schwierigkeiten bei der Einhaltung der Grenzwerte für PM10 in bestimmten Teilen des Hoheitsgebiets im 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/50 gebührend berücksichtigt worden seien, da dort auf Gebiete Bezug genommen werde, in denen die Bedingungen „besonders schwierig“ seien und für die die Frist für die Erreichung der Luftqualitätsgrenzwerte verlängert werden könne, sofern bei der Kommission ein entsprechender Antrag gestellt werde, dem ein umfassender Plan zur Gewährleistung der Einhaltung der Grenzwerte innerhalb der Verlängerungsfrist gemäß Art. 22 Abs. 1 und 3 der Richtlinie beizufügen sei. Im vorliegenden Verfahren habe die Italienische Republik jedoch zu keiner Zeit eine Genehmigung der Kommission zur Verlängerung dieser Frist erhalten.

51      Auch das Vorbringen der Italienischen Republik, wonach u. a. die europäischen Politiken in den Bereichen Verkehr, Energie und Landwirtschaft zur Überschreitung der Grenzwerte für PM10 beigetragen hätten, hält die Kommission für nicht einschlägig. Sie macht insoweit geltend, dass in einem Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV nur festzustellen sei, ob ein Mitgliedstaat einer unionsrechtlich vorgeschriebenen Verpflichtung nachgekommen sei, nicht aber, ob Umstände vorlägen, die sich auf die fragliche Vertragsverletzung ausgewirkt haben könnten.

52      In Bezug auf den Verweis der Italienischen Republik auf die „Toleranzmarge“ in den Art. 13, 22 und 23 der Richtlinie 2008/50 sowie in deren Anhang XI bestreitet die Kommission die von der Italienischen Republik vorgenommene Auslegung dieser Vorschriften, wonach in Bezug auf die Einhaltung der Grenzwerte für die Luftqualität immer eine solche Toleranzmarge einbezogen werden sollte und diese Einbeziehung dadurch bestätigt werde, dass in diesen Vorschriften auf diese Marge verwiesen werde, so dass ein Verstoß gegen die Richtlinie nur dann vorläge, wenn festgestellt werde, dass die Überschreitung auch über diese Toleranzmarge hinausgehe.

53      Die genannten Vorschriften seien dahin auszulegen, dass die Anwendung einer Toleranzmarge – wie in Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 2008/50 ausdrücklich angegeben – nur in den beiden in deren Art. 22 Abs. 1 und 2 genannten Fällen gelte.

54      Diese Auslegung werde durch den Wortlaut von Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 bestätigt, wonach die Konzentrationsgrenzwerte zuzüglich „einer jeweils dafür geltenden Toleranzmarge“ gälten, d. h. nicht zuzüglich einer vom Unionsgesetzgeber selbst vorgesehenen Marge, sondern zuzüglich der von der Kommission gemäß Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie auf Antrag des betreffenden Mitgliedstaats beschlossenen Marge.

55      Daher könne in Ermangelung einer ausdrücklichen Genehmigung der Kommission gemäß Art. 22 der Richtlinie 2008/50 keine Toleranzmarge angewandt werden. Was die PM10-Konzentrationen betreffe, würde diese Toleranzmarge zudem jedenfalls eine Übergangsmaßnahme darstellen, die – wie aus dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie hervorgehe – nur bis zum 11. Juni 2011 habe angewandt werden können. Diese Vorschrift entfalte somit keine Rechtswirkungen mehr. Im Übrigen sei der Italienischen Republik keine Toleranzmarge nach Art. 22 Abs. 3 und 4 der Richtlinie eingeräumt worden.

56      Zur Begründetheit der ersten Rüge im Hinblick auf die relevanten Daten trägt die Kommission vor, die Italienische Republik habe nur u. a. das in den verschiedenen Messstationen festgestellte Ausmaß jeder Überschreitung angegeben. Nach Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 obliege es den Mitgliedstaaten insoweit, Informationen über die Überschreitung der Grenzwerte für PM10 zu übermitteln und dabei die geografischen Gebiete anzugeben, in denen diese Überschreitungen stattgefunden hätten. Dass es in ein und demselben Gebiet zwischen den Messstationen Unterschiede gebe, sei völlig ohne Bedeutung, da es in jedem Fall den Mitgliedstaaten obliege, die Erhebung der Daten so zu organisieren und zu verwalten, dass die in der genannten Bestimmung angesprochene Verpflichtung eingehalten werde, nämlich der Kommission die erforderlichen Daten fristgerecht zu übermitteln. Nach der Übermittlung dieser Daten könne die Italienische Republik deren Inhalt daher nicht bestreiten.

57      Zudem hätte die Italienische Republik, soweit sie geltend machen wolle, dass die Überschreitung bestimmter für PM10 festgelegter Grenzwerte auf natürliche Faktoren zurückzuführen sei, die Kommission gemäß Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 davon in Kenntnis setzen müssen.

58      Die Kommission weist darauf hin, dass die Italienische Republik wiederholt auf einer angeblichen Besserung und auf einer wahrscheinlich rückläufigen Tendenz der PM10-Konzentrationen in den verschiedenen betroffenen Gebieten beharre. Unter Berufung auf das Urteil vom 22. Februar 2018, Kommission/Polen (C‑336/16, EU:C:2018:94, Rn. 65), trägt sie allerdings vor, dass eine etwaige den gesammelten Daten zu entnehmende partiell rückläufige Tendenz, die jedoch nicht dazu führe, dass dieser Mitgliedstaat die von ihm einzuhaltenden Grenzwerte erreiche, nicht geeignet sei, die Feststellung der ihm zuzurechnenden Vertragsverletzung zu entkräften.

59      Des Weiteren legt die Kommission in Bezug auf den Tagesgrenzwert für PM10 die aktualisierten Daten für das Jahr 2017 zum Nachweis dessen vor, dass trotz der Einhaltung dieses Wertes im Gebiet IT 1911 (Palermo) und im Gebiet IT 1215 (Ballungsraum Rom) diese Daten den in den Anträgen ihrer Klageschrift erhobenen Rügen nicht die Grundlage nähmen. Da nämlich für das erstgenannte Gebiet die Vertragsverletzung „ab [dem Jahr] 2016“, d. h. zumindest im Lauf des Jahres 2016, unabhängig von den Daten für das Jahr 2017, und für das zweitgenannte Gebiet jedenfalls „ab [dem Jahr] 2008“ gerügt werde, behielten die in ihrer Klageschrift gestellten Anträge ihre Gültigkeit. Zudem gehe aus diesen Daten hervor, dass der Tagesgrenzwert für PM10 im Jahr 2017 in den 25 anderen von ihrer Klage erfassten Gebieten überschritten worden sei.

60      In Bezug auf den Jahresgrenzwert für PM10 erkennt die Kommission an, dass dieser Wert im Jahr 2017 in den Gebieten IT 1212 (Tal des Sacco), IT 0508 und IT 0509 (Ballungsraum Venedig-Treviso), IT 0511 (ex Gebiet IT 0503, Ballungsraum Vicenza) und IT 0306 (Ballungsraum Mailand) eingehalten worden sei. Diese Feststellung nehme ihren Rügen jedoch nicht die Begründetheit. Da nämlich die Vertragsverletzung für das erstgenannte Gebiet „bis mindestens 2016“ und für die drei anderen Gebiete jedenfalls „ab [dem Jahr] 2015“ gerügt werde, behielten die in ihrer Klageschrift gestellten Anträge ihre Gültigkeit. Zudem ergebe sich aus den Daten für das Jahr 2017, dass in jenem Jahr der Jahresgrenzwert für PM10 in den vier anderen von ihrer Klage erfassten Gebieten, nämlich den Gebieten IT 0308 (Ballungsraum Brescia), IT 0309 (Lombardei, stark urbanisierte Ebene A); IT 0310 (Lombardei, stark urbanisierte Ebene B) und IT 0118 (Ballungsraum Turin), überschritten worden sei.

61      In ihrer Gegenerwiderung bestreitet die Italienische Republik zunächst, dass das Urteil vom 22. Februar 2018 Kommission/Polen (C‑336/16, EU:C:2018:94), in Anbetracht der Unterschiede zwischen den Sachverhalten – insbesondere zwischen den betreffenden Plänen und Anpassungsfristen – auf den vorliegenden Fall übertragen werden könne. Sie widerspricht auch der Feststellung der Kommission, dass sie ihrem Ansatz beipflichte, der auf eine systematische und andauernde Verletzung der Vorschriften der Richtlinie 2008/50 abstelle. Ferner teile sie auch nicht die Ausführungen der Kommission zum Umfang der Anwendbarkeit der Toleranzmarge.

62      Sodann hebt die Italienische Republik hervor, dass sie das Bestehen einer durch die Art. 13 und 23 der Richtlinie 2008/50 auferlegten Ergebnispflicht zwar nicht bestreite, gleichwohl aber der Ansicht sei, dass diese Verpflichtung unter Anerkennung der schrittweisen Senkung der PM10-Konzentrationen in der Luft beurteilt werden müsse. Zudem stelle die Kommission nicht ihr Vorbringen in Frage, dass die europäischen Politiken in den Bereichen Landwirtschaft, Energie und Verkehr und die ganz besonderen Bedingungen der Gestaltung und des Reliefs des Hoheitsgebiets einen bestimmenden Einfluss kausaler Art auf die Verfolgung der die Luftqualität betreffenden Ziele hätten.

63      Schließlich veranschauliche der Umstand, dass die von der vorliegenden Klage betroffenen Gebiete nur 17 % des gesamten italienischen Hoheitsgebiets ausmachten, deutlich, dass der größte Teil des italienischen Hoheitsgebiets von den Rügen der Kommission nicht betroffen sei, was die gute Luftqualität in der Umwelt dieses Mitgliedstaats zeige und folglich per se einen Verstoß gegen Art. 13 der Richtlinie 2008/50 ausschließe, der nur in Betracht komme, wenn die Grenzwerte für PM10 im gesamten Hoheitsgebiet überschritten würden.

64      Die Italienische Republik trägt insoweit u. a. vor, dass die Unterschiede bei den von den Messstationen ein und desselben Gebiets registrierten Werten entgegen dem Vorbringen der Kommission relevant seien und zahlreiche Überschreitungen jedenfalls in der nach Art. 23 der Richtlinie 2008/50 zulässigen „Toleranzmarge“ lägen oder zumindest eine rückläufige Tendenz belegten, die leicht schwanke.

 Würdigung durch den Gerichtshof

65      Vorab ist als Erstes festzustellen, dass die Kommission der Italienischen Republik vorwirft, in den von der vorliegenden Klage erfassten Gebieten und Ballungsräumen vom 1. Januar 2008 bis zum 28. Juni 2017, dem Tag, an dem die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzte Frist endete, systematisch und andauernd gegen die Verpflichtungen aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit deren Anhang XI verstoßen zu haben. Da ein Teil dieses Zeitraums aber vor dem auf den 11. Juni 2010 festgesetzten Zeitpunkt, zu dem die Mitgliedstaaten verpflichtet waren, die Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen, die erforderlich sind, um der Richtlinie nachzukommen, und sogar vor dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens am 11. Juni 2008 liegt, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits klargestellt hat, dass die auf diese Bestimmungen gestützten Rügen auch für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 11. Juni 2010 zulässig sind, da sich die in den Bestimmungen vorgesehenen Verpflichtungen aus der durch die Richtlinie 2008/50 ersetzten Richtlinie 1999/30 ergeben, insbesondere aus deren Art. 5 in Verbindung mit deren Anhang III (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 50 bis 55).

66      Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kommission zur Untermauerung des generellen und fortdauernden Charakters der gerügten Vertragsverletzung in ihrer Klageschrift auf die ihr von der Italienischen Republik am 15. September 2017 vorgelegten Daten über die Luftqualität für das Jahr 2016 und in ihrer Erwiderung auf die Daten für das Jahr 2017 stützt. Zwar stellen diese Daten Tatsachen dar, die nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist eingetreten sind, doch sind diese Tatsachen von derselben Art und liegen demselben Verhalten zugrunde wie die in dieser Stellungnahme erwähnten Tatsachen, so dass der Gegenstand der vorliegenden Klage auch diese Tatsachen erfassen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 42 bis 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Als Drittes hat die Kommission in ihrer Erwiderung unter Berücksichtigung der Daten über die Luftqualität für das Jahr 2017 einige ihrer Rügen präzisiert und entsprechend der sich auf diese Erwiderung beziehenden Berichtigung einige ihrer Anträge angepasst. Hinsichtlich der die Überschreitungen des Jahresgrenzwerts für PM10 betreffenden Anträge trägt die Kommission in der Erwiderung in Verbindung mit der Berichtigung daher vor, dass die Überschreitungen in den Gebieten IT 0508 und IT 0509 (Ballungsraum Venedig-Treviso) in den Jahren 2009, 2011 und 2015, im Gebiet IT 1212 (Tal des Sacco) von 2008 bis 2016, im Gebiet IT 0306 (Ballungsraum Mailand) von 2008 bis 2013 und im Jahr 2015 und im Gebiet IT 0511 (Ballungsraum Vicenza) in den Jahren 2011, 2012 und 2015 stattgefunden hätten. Unter Berücksichtigung dieser aktualisierten Daten trägt sie ferner vor, dass dieser Grenzwert in den Gebieten IT 0308 (Ballungsraum Brescia), IT 0309 (Lombardei, stark urbanisierte Ebene A) und IT 0310 (Lombardei, stark urbanisierte Ebene B) von 2008 bis 2013 und in den Jahren 2015 und 2017 und im Gebiet IT 0118 (Ballungsraum Turin) von 2008 bis 2012 und in den Jahren 2015 und 2017 überschritten worden sei.

68      Hinsichtlich der Überschreitungen des Tagesgrenzwerts für PM10 trägt die Kommission vor, sie seien im Gebiet IT 1911 (Ballungsraum Palermo) von 2008 bis 2012 und in den Jahren 2014 und 2016 sowie im Gebiet IT 1215 (Ballungsraum Rom) ab 2008 bis einschließlich 2016 feststellbar. Die Begründetheit des ersten Klagegrundes ist daher unter Berücksichtigung dieser Angaben zu prüfen, da sie nur eine Rüge präzisieren sollen, die die Kommission in der Klageschrift bereits allgemeiner geltend gemacht hat, und folglich weder den Gegenstand der Vertragsverletzung verändern noch sich auf den Umfang des Rechtsstreits auswirken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juni 2015, Kommission/Polen, C‑678/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:358, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69      Nach diesen Vorbemerkungen ist festzustellen, dass die Richtlinie 2008/50 gemäß ihrem Art. 1 Nr. 1 Maßnahmen zur Definition und Festlegung von Luftqualitätszielen zur Vermeidung, Verhütung oder Verringerung schädlicher Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt insgesamt festlegt. In diesem Rahmen sieht Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte u. a. für PM10 in der Luft die in Anhang XI dieser Richtlinie festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten.

70      Die Rüge eines Verstoßes gegen die Verpflichtung aus Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/50 ist unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung zu prüfen, nach der das Verfahren nach Art. 258 AEUV auf der objektiven Feststellung des Verstoßes eines Mitgliedstaats gegen seine Verpflichtungen aus dem AEU-Vertrag oder einem sekundären Rechtsakt beruht (Urteile vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 68, und vom 30. April 2020, Kommission/Rumänien [Überschreitung der Grenzwerte für PM10], C‑638/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:334, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      So hat der Gerichtshof bereits wiederholt betont, dass die Überschreitung der Grenzwerte für PM10 in der Luft für sich genommen ausreicht, um einen Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit deren Anhang XI feststellen zu können (Urteile vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 69, und vom 30. April 2020, Kommission/Rumänien [Überschreitung der Grenzwerte für PM10], C‑638/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:334, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Im vorliegenden Fall zeigen die Daten aus den von der Italienischen Republik gemäß Art. 27 der Richtlinie 2008/50 vorgelegten Jahresberichten über die Luftqualität, dass von 2008 bis einschließlich 2017 die Tages- und Jahresgrenzwerte für PM10 in den in Rn. 1 des vorliegenden Urteils genannten Gebieten mit großer Regelmäßigkeit überschritten wurden.

73      Was im Einzelnen die Zahl der Überschreitungen des Tagesgrenzwerts für PM10 betrifft, ergibt sich aus diesen Daten, dass in fast allen 27 von der vorliegenden Klage betroffenen Gebieten und Ballungsräumen in den Fällen, in denen die Höchstzahl von 35 Überschreitungen dieses Wertes gegebenenfalls in einem bestimmten Jahr erreicht wird, diesem Jahr systematisch extreme Überschreitungen in einem oder mehreren Jahren vorangehen oder folgen. Nachdem in einem Jahr in einigen Gebieten der Tagesgrenzwert für PM10 nicht mehr als 35-mal überschritten wurde, kann die Anzahl der Überschreitungen das Doppelte der Anzahl der im letzten Jahr extremer Überschreitungen festgestellten Überschreitungen erreichen. Auch bei den Überschreitungen des Jahresgrenzwerts für PM10 ist festzustellen, dass die Jahre, in denen sich gegebenenfalls eine Einhaltung dieses Wertes beobachten lässt, von Jahren der Überschreitung unterbrochen werden, wobei die PM10-Konzentration nach dem Jahr, in dem eine solche Einhaltung festgestellt wurde, manchmal in mehreren betroffenen Gebieten sogar höher ist als im letzten Jahr, in dem sich eine solche Überschreitung hat feststellen lassen.

74      Im Übrigen geht aus den Daten über die Luftqualität in den von der vorliegenden Klage betroffenen Gebieten für das Jahr 2017 hervor, dass in den in Rede stehenden 27 Gebieten und Ballungsräumen mit Ausnahme zweier Gebiete der Tagesgrenzwert für PM10 entweder erneut oder noch immer mehr als 35-mal in jenem Jahr überschritten wurde und in vier von neun der von der vorliegenden Klage betroffenen Gebiete der Jahresgrenzwert für PM10 im selben Jahr erneut überschritten wurde.

75      Unter solchen Umständen kann die Tatsache, dass in bestimmten Jahren des von der Klage erfassten Zeitraums die in Art. 13 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit deren Anhang XI genannten Grenzwerte nicht überschritten wurden, nicht genügen, um die Feststellung eines systematischen und andauernden Verstoßes gegen diese Bestimmungen zu verneinen. Wie nämlich bereits aus der Definition von „Grenzwert“ in Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 2008/50 hervorgeht, muss dieser, um schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und/oder die Umwelt insgesamt zu vermeiden, zu verhüten oder zu verringern, innerhalb eines bestimmten Zeitraums eingehalten werden und darf danach nicht überschritten werden. Was die vorliegende Klage betrifft, hätte die Italienische Republik die in diesen Bestimmungen festgelegten Grenzwerte aber ab dem 1. Januar 2008 einhalten müssen.

76      Folglich sind die derart festgestellten Überschreitungen als andauernd und systematisch zu betrachten, ohne dass die Kommission insoweit ergänzende Nachweise zu erbringen braucht.

77      Desgleichen kann entgegen dem Vorbringen der Italienischen Republik eine Vertragsverletzung trotz einer den gesammelten Daten zu entnehmenden etwaigen partiell rückläufigen Tendenz, die jedoch nicht dazu führt, dass dieser Mitgliedstaat die von ihm einzuhaltenden Grenzwerte erreicht, systematisch und andauernd sein (Urteile vom 22. Februar 2018, Kommission/Polen, C‑336/16, EU:C:2018:94, Rn. 65, und vom 30. April 2020, Kommission/Rumänien [Überschreitung der Grenzwerte für PM10], C‑638/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:334, Rn. 70); dies ist vorliegend der Fall.

78      Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen der Italienischen Republik, wonach die Richtlinie 2008/50 nur eine Verpflichtung zur schrittweisen Verringerung der PM10-Konzentrationen vorsehe, so dass eine Überschreitung der in der Richtlinie festgelegten Grenzwerte für PM10 nur zur Folge habe, dass die Mitgliedstaaten zur Annahme eines Luftqualitätsplans verpflichtet seien.

79      Dieses Vorbringen findet eine Grundlage nämlich weder im Wortlaut der Richtlinie 2008/50 noch in der in Rn. 71 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs, die bestätigt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, das in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie und in deren Anhang XI genannte Ziel, d. h. die Nichtüberschreitung der in diesen Bestimmungen festgelegten Grenzwerte, zu erreichen.

80      Eine solche Auslegung würde im Übrigen die Verwirklichung des in Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2008/50 genannten Zieles des Schutzes der menschlichen Gesundheit in das alleinige Ermessen der Mitgliedstaaten stellen, was im Widerspruch zum Willen des Unionsgesetzgebers steht, wie er sich bereits aus der in Rn. 75 des vorliegenden Urteils dargelegten Definition des Begriffs „Grenzwert“ ergibt, wonach seine Einhaltung in einem bestimmten Zeitraum gewährleistet sein muss und er danach nicht überschritten werden darf.

81      Zudem würde die Billigung dieses Vorbringens darauf hinauslaufen, es einem Mitgliedstaat zu ermöglichen, sich von der Einhaltung der in Art. 13 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit deren Anhang XI gesetzten Frist zu befreien und die Grenzwerte für PM10 unter weniger strengen Bedingungen einzuhalten als den von Art. 22 der Richtlinie vorgeschriebenen, der als einziger ausdrücklich die Möglichkeit vorsieht, einen Mitgliedstaat von dieser Frist zu befreien, und würde mithin die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmungen beeinträchtigen (vgl. entsprechend Urteil vom 19. November 2014, ClientEarth, C‑404/13, EU:C:2014:2382, Rn. 42 bis 44).

82      Ebenso wenig kann das Vorbringen der Italienischen Republik durchgreifen, wonach für die Überschreitung der Grenzwerte für PM10 nicht ausschließlich der betreffende Mitgliedstaat verantwortlich gemacht werden könne, da zum einen die Vielfalt der Luftverschmutzungsquellen, von denen einige natürlicher Art seien und andere von den europäischen Politiken insbesondere in den Bereichen Verkehr, Energie und Landwirtschaft bestimmt würden, für einen einzigen Mitgliedstaat die Möglichkeiten der Beeinflussung dieser Quellen und der Einhaltung der Grenzwerte für PM10 reduziere und zum anderen die betreffenden Gebiete und Ballungsräume topografische und klimatische Besonderheiten aufwiesen, die für die Schadstoffausbreitung ungünstig seien. Nach Auffassung dieses Mitgliedstaats kann die Vertragsverletzung nicht dargetan werden, ohne dass die Kommission den Nachweis führe, dass ausschließlich der betreffende Mitgliedstaat für den gerügten Verstoß verantwortlich sei.

83      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens gemäß Art. 258 AEUV Sache der Kommission ist, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen und daher den Beweis zu erbringen, dass ein Mitgliedstaat eine durch eine Bestimmung des Unionsrechts vorgeschriebene Verpflichtung nicht eingehalten hat, wobei sie sich nicht auf irgendeine Vermutung stützen kann (vgl. u. a. Urteil vom 5. September 2019, Kommission/Italien [Bakterium Xylella fastidiosa], C‑443/18, EU:C:2019:676, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84      In Bezug auf die im vorliegenden Fall gerügte Vertragsverletzung ist festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber – wie aus den Erwägungsgründen 17 und 18 der Richtlinie 2008/50 hervorgeht – die in der Richtlinie vorgesehenen Grenzwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt festgelegt hat, wobei er in vollem Umfang dem Umstand Rechnung getragen hat, dass Luftschadstoffe aus zahlreichen Quellen und Tätigkeiten entstehen und dass verschiedene Politiken auf nationaler und Unionsebene sich hierauf auswirken können.

85      Zudem sehen zum einen die Art. 20 und 21 der Richtlinie 2008/50 für einen Mitgliedstaat die Möglichkeit vor, natürliche Quellen und die Ausbringung von Streusand oder ‑salz auf Straßen im Winterdienst als zu den vorgeworfenen Überschreitungen der Grenzwerte beitragende Verschmutzungsquellen anerkennen zu lassen. Zum anderen legt Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie die Bedingungen fest, unter denen wegen der besonderen Situation eines Gebiets oder Ballungsraums insbesondere aufgrund standortspezifischer Ausbreitungsbedingungen oder ungünstiger klimatischer Bedingungen die vorübergehende Freistellung von der Einhaltung dieser Werte gewährt werden kann, nachdem eine Prüfung vorgenommen worden ist, bei der, wie sich aus Art. 22 Abs. 4 dieser Richtlinie ergibt, auch die voraussichtlichen Auswirkungen gegenwärtiger und zukünftiger Maßnahmen auf nationaler und auf Unionsebene zu berücksichtigen sind.

86      Folglich kann unter der Voraussetzung, dass die Kommission Informationen beibringt, anhand deren sich feststellen lässt, dass in den von ihrer Klage betroffenen Gebieten und Ballungsräumen und für die in ihr genannten Zeiträume die in Art. 13 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit deren Anhang XI festgelegten Tages- und Jahresgrenzwerte überschritten worden sind, ein Mitgliedstaat, dem nicht die Ausnahmen gemäß den in der vorstehenden Randnummer genannten Bestimmungen und unter den dort vorgesehenen Bedingungen gewährt worden sind, sich nicht auf solche Umstände berufen, um die Verantwortung für die gerügte Vertragsverletzung in Abrede zu stellen und sich somit von der Einhaltung der eindeutigen Verpflichtungen, die für ihn seit dem 1. Januar 2005 zunächst gemäß Art. 5 und Anhang III der Richtlinie 1999/30 und sodann gemäß Art. 13 und Anhang XI der Richtlinie 2008/50 gelten, zu befreien.

87      Sobald dies – wie hier – feststeht und in Anbetracht dessen, dass die Italienische Republik nicht nachgewiesen hat, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, deren Folgen sich trotz Anwendung aller gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermeiden lassen, ist es unerheblich, ob der Mitgliedstaat, dem diese Vertragsverletzung zuzurechnen ist, sie mit Absicht oder fahrlässig begangen hat oder ob sie auf aufgetretenen technischen oder strukturellen Schwierigkeiten beruht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Dezember 2012, Kommission/Italien, C‑68/11, EU:C:2012:815, Rn. 63 und 64, sowie vom 24. Oktober 2019, Kommission/Frankreich [Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid], C‑636/18, EU:C:2019:900, Rn. 42).

88      Was im Einzelnen das Vorbringen der Italienischen Republik anbelangt, wonach die europäischen Verkehrspolitiken insbesondere deshalb zur Überschreitung der in Italien für PM10 festgelegten Grenzwerte beigetragen hätten, weil sie die von Fahrzeugen – insbesondere von Dieselfahrzeugen – erzeugten Stickstoffdioxidemissionen nicht berücksichtigt hätten, ist festzustellen, dass die vorliegende Vertragsverletzungsklage PM10-Konzentrationen und nicht Stickstoffdioxidkonzentrationen betrifft. Zudem kann, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, abgesehen davon, dass Kraftfahrzeuge, die den durch die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. 2007, L 171, S. 1) aufgestellten Vorschriften unterliegen, nicht die alleinige und einzige Ursache von Stickstoffdioxidemissionen oder von PM10-Partikeln sind, die für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen geltende Unionsregelung die Mitgliedstaaten nicht von ihrer Verpflichtung befreien, die durch die Richtlinie 2008/50 auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Erfahrung der Mitgliedstaaten festgelegten Grenzwerte einzuhalten, um den Wert widerzuspiegeln, den die Union und die Mitgliedstaaten zur Vermeidung, Verhinderung oder Verringerung schädlicher Auswirkungen der Luftschadstoffe auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt insgesamt für angemessen halten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Oktober 2019, Kommission/Frankreich [Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid], C‑636/18, EU:C:2019:900, Rn. 48).

89      Zudem können die für die Schadstoffausbreitung möglicherweise besonders ungünstigen topografischen und klimatischen Besonderheiten der betreffenden Gebiete und Ballungsräume den betreffenden Mitgliedstaat nicht von der Verantwortung für die Überschreitung der Grenzwerte für PM10 befreien, sondern stellen vielmehr Elemente dar, die – wie sich aus Anhang XV Teil A Nr. 2 Buchst. c und d der Richtlinie 2008/50 ergibt – in den Luftqualitätsplänen zu berücksichtigen sind, die dieser Mitgliedstaat nach Art. 23 der Richtlinie für diese Gebiete oder Ballungsräume erstellen muss, um den Grenzwert zu erreichen, falls dieser überschritten ist.

90      Des Weiteren ist zu dem Vorbringen, wonach die Kommission die zur Verwirklichung der Ziele der Richtlinie 2008/50 erforderlichen Maßnahmen verspätet ergriffen habe, festzustellen, dass es auch nicht geeignet ist, die Italienische Republik von der Einhaltung ihrer Verpflichtungen nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie in Verbindung mit deren Anhang XI zu entheben (Urteil vom 24. Oktober 2019, Kommission/Frankreich [Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid], C‑636/18, EU:C:2019:900, Rn. 47).

91      Zu dem auf die Bedeutung des in den Art. 13, 22 und 23 der Richtlinie 2008/50 sowie in deren Anhang XI stehenden Verweises auf die „Toleranzmarge“ gestützten Vorbringen, wonach die Einhaltung der Konzentrationsgrenzwerte stets diese Toleranzmarge mit einschließen müsse, so dass nur dann gegen diese Richtlinie verstoßen werde, wenn erwiesen sei, dass die Überschreitung über diese Marge hinausgehe, ist festzustellen, dass nach dem Wortlaut von Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie die „Toleranzmarge“ der Prozentsatz des Grenzwerts ist, um den dieser „unter den in [der] Richtlinie [2008/50] festgelegten Bedingungen“ überschritten werden darf. Die Anwendung einer solchen Marge gilt jedoch nur in den beiden in Art. 22 Abs. 1 und 2 der Richtlinie genannten Fällen, wie in deren Art. 22 Abs. 3 ausdrücklich ausgeführt wird.

92      Art. 22 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/50 gestattet, aufgrund der besonderen Situation im betreffenden Gebiet die Frist für die Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid oder Benzol um fünf Jahre zu verlängern bzw. die Verpflichtung zur Anwendung der Grenzwerte für PM10, wie sie sich aus Anhang XI dieser Richtlinie ergeben, bis zum 11. Juni 2011 auszusetzen. In beiden Fällen schreibt Art. 22 Abs. 4 den Mitgliedstaaten vor, an die Kommission eine entsprechende Mitteilung zu richten, der auf jeden Fall ein Luftqualitätsplan beizufügen ist, und bestimmt, dass „die Bedingungen für die Anwendung von Absatz 1 bzw. Absatz 2 [nur dann] als erfüllt [gelten]“, wenn die Kommission neun Monate nach Eingang dieser Mitteilung keine Einwände erhoben hat.

93      Daher kann einem Mitgliedstaat nur dann eine Toleranzmarge gewährt werden, wenn die Kommission keine Einwände im Sinne von Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 innerhalb der dort vorgesehenen Frist von neun Monaten nach der Mitteilung erhoben hat. Zudem stellte bei den PM10-Konzentrationen eine solche Toleranzmarge jedenfalls eine Übergangsmaßnahme dar, die – wie sich aus dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie ergibt – nur bis zum 11. Juni 2011 angewandt werden konnte. Diese Bestimmung entfaltet somit keine rechtliche Wirkung mehr.

94      Diesbezüglich ist festzustellen, dass der Italienischen Republik keine Toleranzmarge gemäß Art. 22 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2008/50 zugestanden worden ist, so dass auch dieses Vorbringen nicht durchgreifen kann.

95      Zum Vorbringen der Italienischen Republik, wonach zum einen der Umstand, dass nur 17 % des gesamten Hoheitsgebiets Gegenstand der Rügen der Kommission seien, was daher per se einen Verstoß gegen Art. 13 der Richtlinie 2008/50 ausschließe, der nur in Betracht komme, wenn die Grenzwerte für PM10 im gesamten Hoheitsgebiet überschritten würden, und wonach zum anderen die Unterschiede bei den von den Messstationen in ein und demselben Gebiet registrierten Werten entgegen dem Vorbringen der Kommission relevant seien, ist festzustellen, dass die Überschreitung der Grenzwerte für PM10, und sei es auch nur in einem einzigen Gebiet, für sich allein genügt, um einen Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit deren Anhang XI festzustellen (Urteil vom 30. April 2020, Kommission/Rumänien [Überschreitung der Grenzwerte für PM10], C‑638/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:334, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

96      Verstöße gegen die genannten Bestimmungen sind in diesem Zusammenhang auf der Ebene der Gebiete und Ballungsräume zu untersuchen, wobei die Überschreitung für jedes Gebiet oder jeden Ballungsraum auf der Grundlage der Messwerte jeder Messstation zu prüfen ist. Der Gerichtshof hat insoweit entschieden, dass Art. 13 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 anhand der Systematik und Zielsetzung der Regelung, zu der diese Bestimmungen gehören, dahin auszulegen sind, dass es für die Feststellung einer Überschreitung eines in Anhang XI der Richtlinie festgelegten Grenzwerts im Mittelungszeitraum eines Kalenderjahrs genügt, wenn an nur einer Probenahmestelle ein über diesem Wert liegender Verschmutzungsgrad gemessen wird (Urteile vom 26. Juni 2019, Craeynest u. a., C‑723/17, EU:C:2019:533, Rn. 60, 66 und 68, und vom 30. April 2020, Kommission/Rumänien [Überschreitung der Grenzwerte für PM10], C‑638/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:334, Rn. 73).

97      Somit gibt es nach dieser Rechtsprechung keine „De-minimis“-Schwelle für die Anzahl der Gebiete, in denen eine Überschreitung festgestellt werden kann, oder für die Anzahl der Messstationen eines bestimmten Gebiets, an denen die Überschreitungen registriert werden (Urteil vom 30. April 2020, Kommission/Rumänien [Überschreitung der Grenzwerte für PM10], C‑638/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:334, Rn. 74). Zudem geht aus der Akte hervor, dass zu den von der vorliegenden Klage betroffenen Gebieten die größten Ballungsgebiete Italiens mit mehreren zehn Millionen Einwohnern gehören. Würde diese Tatsache außer Acht gelassen, würden die mit der Richtlinie 2008/50 verfolgten Ziele, insbesondere das Ziel des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt insgesamt, verkannt.

98      Nach alledem greift die erste Rüge durch.

 Zur zweiten Rüge: Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 allein und in Verbindung mit deren Anhang XV Abschnitt A

 Vorbringen der Parteien

99      Mit ihrer zweiten Rüge macht die Kommission geltend, die Italienische Republik habe seit dem 11. Juni 2010 gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 allein und in Verbindung mit deren Anhang XV Abschnitt A verstoßen, und zwar insbesondere gegen die Verpflichtung aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie, dafür zu sorgen, dass der Zeitraum der Überschreitung der Grenzwerte für PM10 so kurz wie möglich gehalten werde.

100    Die Kommission macht zunächst geltend, aus Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 ergäben sich hauptsächlich zwei Verpflichtungen, nämlich zum einen diejenige, geeignete Maßnahmen zu erlassen, um sicherzustellen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werde, und zum anderen diejenige, in den Luftqualitätsplänen den in Anhang XV Abschnitt A der Richtlinie festgelegten Mindestinhalt anzugeben.

101    Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 stelle einen unmittelbaren Zusammenhang her zwischen der Überschreitung der Grenzwerte für PM10, d. h. dem Verstoß gegen die Verpflichtungen aus Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit deren Anhang XI einerseits, und der Aufstellung von Luftqualitätsplänen andererseits.

102    In diesem Rahmen seien die von dem betreffenden Mitgliedstaat erstellten Luftqualitätspläne einzeln zu prüfen, um festzustellen, ob sie mit Art. 23 der Richtlinie 2008/50 vereinbar seien. Bei dieser Beurteilung verfügten die Mitgliedstaaten zwar über einen gewissen Spielraum für die Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen, doch müssten diese Maßnahmen es jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten werde.

103    Zur Feststellung, ob ein Luftqualitätsplan geeignete Maßnahmen vorsehe, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werde, seien mehrere Faktoren zu berücksichtigen, die sich insbesondere aus der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergäben.

104    Erstens belege die Einstufung der mehrjährigen Überschreitung der Grenzwerte durch den Gerichtshof als „systematisch und andauernd“ aus sich selbst heraus, ohne dass es einer detaillierten Prüfung des Inhalts der von dem betreffenden Mitgliedstaat erstellten Luftqualitätspläne bedürfe, dass der Mitgliedstaat keine geeigneten und wirksamen Maßnahmen durchgeführt habe, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte für PM10 „so kurz wie möglich“ gehalten werde (Urteil vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 115 bis 117).

105    Zweitens sei eine Überschreitung der Grenzwerte über einen langen Zeitraum ein wichtiger Anhaltspunkt dafür, dass der Mitgliedstaat seiner Verpflichtung nach Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 nicht nachgekommen sei. Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 22. Februar 2018, Kommission/Polen (C‑336/16, EU:C:2018:94, Rn. 99), festgestellt habe, sei bei der Bewertung der Luftqualitätspläne auch die Dauer geschätzter künftiger Überschreitungen der Grenzwerte zu berücksichtigen, wobei ein besonders langer Zeitraum nur durch außergewöhnliche Umstände zu rechtfertigen sei.

106    Drittens sei die absolute Höhe der Überschreitung der Grenzwerte zu berücksichtigen. Je länger die Dauer einer Überschreitung erheblichen Ausmaßes sei, desto mehr würde dies auf die Unwirksamkeit bereits getroffener Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität hinweisen.

107    Viertens sei eine steigende Tendenz oder das Nichtvorliegen erheblicher Schwankungen der bereits über den von der Richtlinie 2008/50 zugelassenen Grenzwerten liegenden Konzentration ein zusätzlicher Anhaltspunkt für die fehlende Eignung der getroffenen Maßnahmen.

108    Fünftens sei der formale Inhalt der Luftqualitätspläne zu berücksichtigen, und zwar insbesondere die Frage, ob sie alle nach Anhang XV Abschnitt A der Richtlinie 2008/50 erforderlichen Angaben enthielten. Das Nichtvorliegen einer oder mehrerer dieser Informationen sei ein eindeutiger Hinweis darauf, dass diese Pläne gegen Art. 23 der Richtlinie verstießen.

109    Sechstens seien der materielle Inhalt der Luftqualitätspläne, insbesondere die Übereinstimmung zwischen den darin enthaltenen Diagnosen und den geplanten Maßnahmen, die Prüfung aller möglichen Maßnahmen und ihre verbindliche oder nur Anreizcharakter aufweisende Art, sowie die Finanzierungsquellen ihrer Umsetzung Faktoren, die bei der Bewertung dieser Pläne zu berücksichtigen seien.

110    Insoweit trägt die Kommission vor, die Mitgliedstaaten verfügten bei der Auswahl der zu ergreifenden Maßnahmen zwar über ein gewisses Ermessen, doch sei dieses stark eingeschränkt, da sie alle möglichen Maßnahmen, d. h. diejenigen, mit denen sich die Überschreitungen der Grenzwerte wirksam und rechtzeitig beseitigen ließen, in Betracht zu ziehen und durchzuführen hätten.

111    Nach einer unter Berücksichtigung der in den Rn. 104 bis 109 des vorliegenden Urteils genannten Faktoren durchgeführten Prüfung der Luftqualitätspläne für alle von ihrer Klage erfassten Gebiete ist die Kommission der Ansicht, dass diese Pläne unter Verstoß gegen Art. 23 der Richtlinie 2008/50 angenommen worden seien, da sie es weder ermöglicht hätten, die Einhaltung der Grenzwerte für PM10 zu gewährleisten, noch, sicherzustellen, dass der Zeitraum der Überschreitung dieser Grenzwerte „so kurz wie möglich“ gehalten werde. Zudem sei die Annahme dieser Pläne unter Verstoß gegen Art. 23 der Richtlinie in Verbindung mit deren Anhang XV Abschnitt A erfolgt, da bestimmte Luftqualitätspläne einiger italienischer Regionen nicht die nach diesen Bestimmungen erforderlichen Informationen enthielten.

112    Die Italienische Republik macht geltend, die Kommission trage bei der zweiten Rüge allgemeine, nicht die besondere Situation jedes der betreffenden italienischen Gebiete oder Ballungsräume berücksichtigende Gesichtspunkte vor und beschränke sich vielmehr auf induktive, allgemeingültige und formale Beanstandungen, bei denen systematisch vermieden werde, die Gründe für die Überschreitung der Grenzwerte für PM10 und die technische Eignung der in den Luftqualitätsplänen zu deren Beendigung vorgesehenen Maßnahmen zu prüfen. In Wirklichkeit beklage die Kommission lediglich, dass diese Pläne, auch wenn sie unbestrittenermaßen gültig seien, keine Beendigung dieser Überschreitung binnen eines Zeitraums vorsähen, der nach der von der Kommission selbst vorgenommenen subjektiven Bewertung „so kurz wie möglich“ gehalten werde.

113    Zum einen stütze sich die Kommission auf sachfremde und allgemeingültige Indizien, die mit der Dauer und dem Ausmaß der Abweichungen zwischen den registrierten Konzentrationswerten und den im Unionsrecht festgelegten Höchstwerten zusammenhingen. Diese Gesichtspunkte gälten jedoch für jeden Luftqualitätsplan und ließen sich als solche nicht mit einer strengen Einzelfallprüfung der Ursachen für die Abweichung und der ergriffenen Maßnahmen vereinbaren.

114    Zum anderen beurteile die Kommission die Maßnahmen der nationalen Behörden nicht anhand der für die Säuberung der Luft geltenden europäischen Grundsätze, insbesondere des Grundsatzes des Ausgleichs zwischen den öffentlichen und privaten Interessen sowie des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

115    Zu dem zuletzt genannten Grundsatz trägt die Italienische Republik vor, dass ein Mitgliedstaat keine Maßnahmen ergreifen dürfe, die gesellschaftlich oder wirtschaftlich untragbar seien oder Grundwerte des Unionsrechts beeinträchtigen könnten, wie beispielsweise den freien Waren- und Personenverkehr, die unternehmerische Freiheit oder das Recht auf öffentliche Versorgungsleistungen wie den Zugang zu Raumwärme, selbst wenn diese Maßnahmen die einzigen wären, mit denen sich die Grenzwerte in den vorgesehenen Fristen erreichen ließen.

116    Nationale Behörden verfügten bei der Auswahl der Maßnahmen, die zur Erreichung unionsrechtlich festgelegter Ziele erlassen würden, über ein weites Ermessen, und diese auf nationaler Ebene getroffene Entscheidung könne nur beanstandet werden, wenn sie einen Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts aufweise oder offenkundig irrational sei, da sie eindeutig ungeeignet sei, diese Ziele zu erreichen, oder wenn es möglich sei, diese Maßnahmen durch andere Maßnahmen zu ersetzen, die sich auf die vom Unionsgesetzgeber verbürgten Grundfreiheiten nicht auswirkten.

117    Unter Berufung auf den Grundsatz der Subsidiarität macht die Italienische Republik geltend, die nationalen Behörden hätten in ihrer Zuständigkeit Maßnahmen zu untersuchen und zu erlassen, die die Schadstoffkonzentrationen begrenzen könnten. Die Kommission dürfe sich daher nicht an die Stelle dieser Behörden setzen, könne aber auch nicht einfach allgemein die Unzulänglichkeit der nationalen Maßnahmen beanstanden, ohne nachzuweisen, dass sie offensichtlich technisch ungeeignet seien.

118    Die Italienische Republik trägt vor, die Kommission habe in diesem Rahmen dem gegenwärtig in Italien ablaufenden Prozess zur Erreichung der Grenzwerte, bei dem nachhaltige und verhältnismäßige Maßnahmen durchgeführt würden, keinerlei Bedeutung beigemessen, und folgert daraus, dass, wenn wegen des Grundsatzes des Ausgleichs zwischen allen öffentlichen und privaten Interessen die Luftqualitätsgrenzwerte in bestimmten Gebieten erst in den nächsten Jahren eingehalten werden können, dieser Umstand weder einen Verstoß gegen Art. 23 der Richtlinie 2008/50 noch gegen deren Art. 13 darstellen könne.

119    In diesem Zusammenhang könne die Bewertung der Entwicklung der Senkung der PM10-Konzentrationen in der Luft nur anhand der Messwerte mehrerer Jahre geprüft werden, aus denen sich eine eindeutig rückläufige Tendenz der PM10-Konzentrationen zwischen 2008 und 2016 ergebe, wobei eine in einem einzigen Jahr wie z. B. 2015 festgestellte Anomalie, die wegen außergewöhnlicher klimatischer Umstände ungewöhnlich sei, nicht den Schluss erlauben könne, dass sich die Besserungstendenz umgekehrt habe.

120    In Wirklichkeit sehe Art. 23 der Richtlinie 2008/50 keinen im Voraus festgelegten Zeitplan für die Erreichung der Grenzwerte in den Gebieten vor, in denen die Grenzwerte überschritten würden. Nach einer systematischen Auslegung des Unionsrechts müsse Art. 23 der Richtlinie stattdessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der „Nachhaltigkeit“ des zur Einhaltung der Grenzwerte führenden Prozesses angewandt werden. Wenn die Anforderung, dass der Zeitraum „so kurz wie möglich“ gehalten werden müsse, mit im Voraus festgelegten Fristen verbunden wäre, wie die Kommission meine, und die einzigen zur Erreichung der Grenzwerte innerhalb dieser Fristen angemessenen Maßnahmen gesellschaftlich und wirtschaftlich untragbar wären oder bestimmte Grundwerte des Unionsrechts beeinträchtigen könnten, würde der Staat gegen seine allgemeine Pflicht verstoßen, einen Ausgleich zwischen diesen Werten zu gewährleisten. Aus diesem Blickwinkel stehe daher der Umstand, dass die Luftqualitätspläne vorsähen, die Grenzwerte im Lauf eines relativ langen Zeitraums zu erreichen, nicht im Widerspruch zu der Anforderung, dass der Zeitraum der Überschreitung dieser Grenzwerte „so kurz wie möglich“ gehalten werde.

121    Was insbesondere die regionalen Luftqualitätspläne für die betroffenen Gebiete und Ballungsräume anbelangt, macht die Italienische Republik geltend, dass sie nicht nur die bedeutenden Resultate belegten, die durch den in allen betroffenen Gebieten zwischen 2008 und 2016 eingeleiteten Prozess der Verbesserung der Luftqualität erzielt worden seien, einschließlich der Einhaltung der Grenzwerte in bestimmten Gebieten, sondern auch im Einzelfall die Wirksamkeit des in den regionalen Säuberungsplänen vorgesehenen Maßnahmenpakets, die formale Vollständigkeit dieser Pläne und die Unbegründetheit der Vermutungen zeigten, auf deren Grundlage die Kommission behaupte, dass die in diesen Plänen genannten Maßnahmen nicht gewährleisten könnten, dass der Zeitraum der Überschreitung so kurz wie möglich gehalten werde.

122    In ihrer Erwiderung wendet sich die Kommission gegen das Vorbringen der Italienischen Republik, dass die Richtlinie 2008/50 keinen „im Voraus festgelegten Zeitplan“ für die Annahme von Luftqualitätsplänen vorsehe und solche Pläne keinen „im Voraus festgelegten Fristen“ unterlägen, so dass die zuständigen Behörden weiterhin frei den Zeitpunkt wählen könnten, den sie für die Annahme dieser Pläne für angemessen hielten.

123    Das Vorbringen der Italienischen Republik laufe darauf hinaus, auf der Grundlage von Art. 23 der Richtlinie 2008/50 für die Einhaltung der in Art. 13 der Richtlinie genannten Grenzwerte einen Aufschub auf unbestimmte Zeit zu genehmigen, da es genügte, dass der betreffende Mitgliedstaat die Maßnahmen ergriffe, die er nach seinem freien Ermessen für angemessen halte. Eine solche Auslegung nähme sowohl Art. 13 der Richtlinie als auch deren Art. 23 jede praktische Wirksamkeit.

124    In diesem Zusammenhang verweist die Kommission darauf, dass die Anforderung, saubere Luft zu gewährleisten, dem grundlegenden Interesse diene, die menschliche Gesundheit zu schützen, und dass der Handlungsspielraum der zuständigen Behörden mit diesem Gebot im Einklang stehen müsse.

125    Die Kommission wendet sich auch gegen das Vorbringen der Italienischen Republik, dass lange Fristen – zwischen fünf und zehn Jahren – unerlässlich seien, damit die in den verschiedenen Luftqualitätsplänen vorgesehenen Maßnahmen Wirksamkeit entfalten könnten. Jedenfalls habe der betreffende Mitgliedstaat das Indiz zu widerlegen, das in der andauernden Überschreitung der Grenzwerte bestehe, und insbesondere nachzuweisen, dass seine Luftqualitätspläne die Anforderungen von Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie und deren Anhang XV Abschnitt A erfüllten.

126    Schließlich weist die Kommission den Vorwurf der Italienischen Republik zurück, dass sie die Luftqualitätspläne nicht einzeln geprüft habe und lediglich bloße Vermutungen über Verstöße vorgetragen habe.

127    Die Kommission macht nämlich geltend, dass selbst nach einer eingehenden Prüfung jedes regionalen Luftqualitätsplans die Verpflichtung aus Art. 23 der Richtlinie 2008/50 nicht erfüllt worden sei, insbesondere da die meisten Maßnahmen der Italienischen Republik erst mehrere Jahre später Wirkungen entfalteten, so dass die Grenzwerte nicht vor 2020 oder 2025 oder sogar erst 2030 erreicht werden könnten.

128    Die Italienische Republik macht in ihrer Gegenerwiderung geltend, die Kommission könne sich nicht darauf beschränken, nur in sehr allgemeiner Weise die übermäßige Länge der im Rahmen der regionalen Raumordnung vorgesehenen Fristen zu beanstanden. Vielmehr müsse sie angeben, aus welchen Gründen im konkreten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext die von den lokalen Körperschaften in den Luftqualitätsplänen festgelegten Maßnahmen offenkundig unangemessen seien. Die von der Kommission zur Prüfung der Einhaltung von Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 herangezogenen Kriterien seien daher offensichtlich ungeeignet und verliehen der Länge der Fristen für die Verwirklichung der Luftqualitätsziele ein übergroßes Gewicht. Im Übrigen beziehe sich ihr Vorbringen, dass es in der Richtlinie 2008/50 keinen „im Voraus festgelegten Zeitplan“ gebe, nicht auf die Annahme der Luftqualitätspläne, sondern auf die Verwirklichung der in diesen Plänen vorgesehenen Ziele.

129    Sie betont, dass ihr bei der Annahme der Luftqualitätspläne keine Verspätung vorgeworfen werden könne, und wiederholt, dass die in jedem einzelnen dieser regionalen Pläne vorgesehenen nachhaltigen und verhältnismäßigen Maßnahmen wirksam seien, was die erwiesenen rückläufigen Tendenzen der PM10-Konzentrationen in den von der vorliegenden Klage betroffenen Gebieten belegten.

 Würdigung durch den Gerichtshof

130    Aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 ergibt sich, dass bei Überschreitung der Grenzwerte für PM10 nach dem Verstreichen der Frist für die Einhaltung der Grenzwerte der betreffende Mitgliedstaat einen Luftqualitätsplan erstellen muss, der bestimmten Anforderungen genügt.

131    So muss dieser Plan geeignete Maßnahmen vorsehen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann, und er kann zusätzlich gezielte Maßnahmen zum Schutz empfindlicher Bevölkerungsgruppen, einschließlich Maßnahmen zum Schutz von Kindern, vorsehen. Außerdem muss dieser Plan nach Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 2008/50 mindestens die in Anhang XV Abschnitt A der Richtlinie aufgeführten Angaben umfassen und kann auch die Maßnahmen gemäß Art. 24 der Richtlinie beinhalten. Der Plan ist der Kommission unverzüglich, spätestens jedoch zwei Jahre nach Ende des Jahres, in dem die erste Überschreitung festgestellt wurde, zu übermitteln.

132    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hat Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 eine allgemeinere Bedeutung, da er ohne zeitliche Beschränkung auf Überschreitungen jeglicher in dieser Richtlinie festgelegter Grenzwerte für Schadstoffe anwendbar ist, zu denen es nach Ablauf der – in dieser Richtlinie oder von der Kommission nach Art. 22 der Richtlinie festgelegten – Frist für ihre Einhaltung kommt (Urteile vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 104, und vom 30. April 2020, Kommission/Rumänien [Überschreitung der Grenzwerte für PM10], C‑638/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:334, Rn. 114 und die dort angeführte Rechtsprechung).

133    Ferner schafft Art. 23 der Richtlinie 2008/50 eine unmittelbare Verknüpfung zwischen der Überschreitung der in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit deren Anhang XI vorgesehenen Grenzwerte für PM10 und der Erstellung von Luftqualitätsplänen (Urteile vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 83, und vom 30. April 2020, Kommission/Rumänien [Überschreitung der Grenzwerte für PM10], C‑638/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:334, Rn. 115 und die dort angeführte Rechtsprechung).

134    Luftqualitätspläne können nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden (Urteile vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 106, und vom 30. April 2020, Kommission/Rumänien [Überschreitung der Grenzwerte für PM10], C‑638/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:334, Rn. 116 und die dort angeführte Rechtsprechung).

135    Daher ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat die Grenzwerte für PM10 überschreitet, für sich allein nicht ausreichend, um festzustellen, dass dieser Mitgliedstaat gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 verstoßen hat (Urteile vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 107, und vom 30. April 2020, Kommission/Rumänien [Überschreitung der Grenzwerte für PM10], C‑638/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:334, Rn. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung).

136    Allerdings ergibt sich aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50, dass die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen zwar über einen gewissen Handlungsspielraum verfügen, diese Maßnahmen es jedenfalls aber ermöglichen müssen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird (Urteile vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 109, und vom 30. April 2020, Kommission/Rumänien [Überschreitung der Grenzwerte für PM10], C‑638/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:334, Rn. 118 und die dort angeführte Rechtsprechung).

137    Infolgedessen ist in einer Untersuchung jedes einzelnen Falles zu prüfen, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat erstellten Luftqualitätspläne mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 in Einklang stehen (Urteile vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 108, und vom 30. April 2020, Kommission/Rumänien [Überschreitung der Grenzwerte für PM10], C‑638/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:334, Rn. 119 und die dort angeführte Rechtsprechung).

138    Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass die Italienische Republik – wie sich aus der Prüfung der ersten Rüge der Kommission ergibt – in den von der vorliegenden Klage betroffenen Gebieten und Ballungsräumen zwischen 2008 und 2017 systematisch und andauernd gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit deren Anhang XI verstoßen hat.

139    Insoweit ist daran zu erinnern, dass der betreffende Mitgliedstaat seit dem 11. Juni 2010 verpflichtet ist, bei Überschreitung der in der Richtlinie 2008/50 vorgesehenen Grenzwerte Luftqualitätspläne zu erstellen, die geeignete Maßnahmen enthalten, damit gewährleistet ist, dass der Zeitraum der Überschreitung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Da solche Überschreitungen zu diesem Zeitpunkt oder sogar bereits zuvor in fast allen von der vorliegenden Klage betroffenen Gebieten und Ballungsräumen und ab diesem Zeitpunkt jedenfalls in mindestens einem Gebiet oder Ballungsraum, das bzw. der von jedem der im Rahmen des vorliegenden Vertragsverletzungsverfahrens vorgelegten regionalen Luftqualitätspläne erfasst wird, bereits festgestellt worden waren, war die Italienische Republik, die gemäß Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft setzen musste, die erforderlich waren, um der Richtlinie nachzukommen, gemäß deren Art. 23 Abs. 1 verpflichtet, so schnell wie möglich geeignete Maßnahmen zu erlassen und umzusetzen.

140    Aus den Akten geht jedoch erstens hervor, dass der Luftqualitätsplan für die Region Sizilien am 18. Juli 2018 erlassen wurde, d. h. nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, dem 28. Juni 2017, wie die Italienische Republik in ihrer Klagebeantwortung bestätigt, während in einem Gebiet dieser Region ab dem Jahr 2008 Überschreitungen des Tagesgrenzwerts für PM10 festgestellt wurden. Hinsichtlich der übrigen Regionen, zu denen die von der vorliegenden Klage betroffenen Gebiete und Ballungsräume gehören, lässt sich der Akte entnehmen, dass die Italienische Republik zum Zeitpunkt des Ablaufs der Frist sehr wohl Luftqualitätspläne erstellt und verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität ergriffen hat.

141    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 2008/50 die Luftqualitätspläne mindestens die in Anhang XV Abschnitt A dieser Richtlinie aufgeführten Angaben enthalten müssen. Aus den Angaben in den Akten geht jedoch hervor, dass die regionalen Pläne für die Regionen Umbrien, Latium, Kampanien und Apulien keine Angaben zu dem Zeitraum enthalten, der für die Verwirklichung der Luftqualitätsziele vorgesehen ist. Zudem lässt sich anhand dieser Angaben bei zahlreichen von der Italienischen Republik angeführten Maßnahmen nicht immer feststellen, ob sie die von der vorliegenden Klage betroffenen Gebiete und Ballungsräume betreffen, welchen Zeitplan sie haben oder wie sie sich auf die erwartete Verbesserung der Luftqualität auswirken.

142    Drittens sehen die regionalen Pläne, in denen Fristen für die Verwirklichung der Luftqualitätsziele vorgesehen sind, eine Verwirklichungsdauer vor, die sich über mehrere Jahre, zuweilen sogar auf zwei Jahrzehnte nach Inkrafttreten der Grenzwerte für PM10 erstrecken kann. Für die Regionen Emilia-Romagna und Toskana wurde der Zeitraum für die Verwirklichung der Luftqualitätsziele nämlich auf das Jahr 2020, für die Regionen Veneto und Lombardei auf das Jahr 2025 und für die Region Piemont auf das Jahr 2030 geschätzt.

143    Viertens ergibt sich aus der Prüfung des Inhalts der im Rahmen des vorliegenden Vertragsverletzungsverfahrens vorgelegten regionalen Luftqualitätspläne, dass sie zwar einen in der Italienischen Republik derzeit laufenden Prozess zur Erreichung der Grenzwerte belegen, die darin vorgesehenen Maßnahmen aber, insbesondere diejenigen, die speziell im Hinblick auf die wichtigsten Verschmutzungsfaktoren in den Gebieten und Ballungsräumen, die ab 2008 Überschreitungen dieser Grenzwerte aufweisen, zu strukturellen Veränderungen führen sollen, zumeist erst in kürzlich vorgenommenen Aktualisierungen der Pläne und folglich kurz vor Ablauf der Frist für die Beantwortung der mit Gründen versehenen Stellungnahme oder sogar nach Ablauf dieser Frist vorgesehen wurden oder sich noch immer im Verfahren der Annahme oder der Planung befinden. Somit wurden nicht nur diese Maßnahmen mindestens sechs Jahre nach dem Entstehen der Verpflichtung, geeignete Maßnahmen zur Beendigung der genannten Überschreitungen binnen eines möglichst kurzen Zeitraums vorzusehen, erlassen, sondern sie sehen zudem für die Verwirklichung oft besonders lange Zeiträume vor.

144    Fünftens ist, soweit sich die Italienische Republik darauf beruft, dass in ganz Italien insbesondere in den letzten Jahren eine deutliche Tendenz zur Verbesserung der Luftqualität zu verzeichnen sei, um die Geeignetheit der in den regionalen Plänen vorgesehenen Maßnahmen darzutun, und darauf hinweist, dass zur Feststellung dieser Tendenz die Daten für das Jahr 2017 berücksichtigt werden könnten, zunächst festzustellen, dass zahlreiche von diesem Mitgliedstaat zur Stützung seines Vorbringens vorgetragene Gesichtspunkte nicht die Gebiete und Ballungsräume betreffen, um die es in der vorliegenden Klage geht.

145    Auch wenn sich für die genannten Gebiete und Ballungsräume langfristig eine gewisse Senkung des Niveaus der in einigen von ihnen verzeichneten Überschreitungen der Grenzwerte beobachten lässt, ist doch entsprechend den Ausführungen in Rn. 74 des vorliegenden Urteils zunächst darauf hinzuweisen, dass im Lauf des Jahres 2017 nur in zwei der 27 Gebiete und Ballungsräume, um die es in der vorliegenden Klage geht, der Tagesgrenzwert für PM10, der im Lauf eines Jahres nicht mehr als 35-mal überschritten werden darf, eingehalten wurde. Sodann zeigen diese Angaben für die große Mehrzahl der betroffenen Gebiete und Ballungsräume einen Anstieg der Anzahl der Überschreitungen dieses Grenzwerts im Jahr 2017 gegenüber dem Jahr 2016, in dem sich auch schon keine Einhaltung dieses Grenzwerts beobachten ließ. Zudem ist die Zahl der Überschreitungen des Tagesgrenzwerts für PM10 als solche in mehreren betroffenen Gebieten und Ballungsräumen im Jahr 2017 fast ebenso hoch wie im Jahr 2010 und kann in bestimmten Gebieten das Doppelte oder gar das Dreifache der zulässigen Überschreitungen erreichen. Was ferner den Jahresgrenzwert für PM10 betrifft, ergibt sich aus diesen Daten, dass es in den Regionen Piemont und Lombardei in fast allen Gebieten zu einer Erhöhung der PM10-Konzentrationen gekommen ist und es nur in den betreffenden Gebieten der Regionen Latium und Venetien sowie in einem Gebiet in der Region Lombardei im Lauf des Jahres 2017 zu keinen Überschreitungen dieses Wertes mehr gekommen ist.

146    In Anbetracht der Ausführungen in den Rn. 138 bis 145 des vorliegenden Urteils ist festzustellen, dass die Italienische Republik offenkundig nicht rechtzeitig geeignete Maßnahmen ergriffen hat, um zu gewährleisten, dass der Zeitraum der Überschreitung der Grenzwerte für PM10 in den betreffenden Gebieten und Ballungsräumen so kurz wie möglich gehalten wird. So ist die Überschreitung der Tages- und Jahresgrenzwerte für PM10 in diesen Gebieten seit mindestens acht Jahren systematisch und andauernd, obwohl dieser Mitgliedstaat verpflichtet ist, alle geeigneten und wirksamen Maßnahmen zu ergreifen, um die Anforderung, dass der Zeitraum der Überschreitung so kurz wie möglich gehalten wird, zu erfüllen.

147    Diese Sachlage belegt aus sich selbst heraus, ohne dass es einer detaillierten Prüfung des Inhalts der von der Italienischen Republik erstellten Luftqualitätspläne bedarf, dass im vorliegenden Fall dieser Mitgliedstaat keine geeigneten und wirksamen Maßnahmen durchgeführt hat, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte für PM10 „so kurz wie möglich“ im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 gehalten werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 117, und vom 30. April 2020, Kommission/Rumänien [Überschreitung der Grenzwerte für PM10], C‑638/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:334, Rn. 123 und die dort angeführte Rechtsprechung).

148    Zum Vorbringen der Italienischen Republik, dass es für den betreffenden Mitgliedstaat unerlässlich sei, über lange Fristen zu verfügen, damit die in den verschiedenen Luftqualitätsplänen vorgesehenen Maßnahmen ihre Wirkungen entfalten könnten, da die Richtlinie 2008/50 insoweit keinen im Voraus festgelegten Zeitplan vorsehe, ist festzustellen, dass diese Erwägung jedenfalls keine besonders lange Frist für die Beendigung der Überschreitung von Grenzwerten wie den im vorliegenden Fall betrachteten rechtfertigen kann, da diese Frist jedenfalls unter Berücksichtigung der in der Richtlinie 2008/50 für die Erfüllung der in ihr vorgesehenen Pflichten genannten Zeitvorgaben zu beurteilen ist oder – wie im vorliegenden Fall – unter Berücksichtigung des Urteils vom 19. Dezember 2012, Kommission/Italien (C‑68/11, EU:C:2012:815), und somit des 1. Januar 2008 für die Grenzwerte für PM10 und des 11. Juni 2010 für die Annahme der Luftqualitätspläne sowie unter Berücksichtigung der Bedeutung der Ziele des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt, die mit der Richtlinie verfolgt werden.

149    Insoweit ist festzustellen, dass nach dem Wortlaut von Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 die Angemessenheit der in einem Luftqualitätsplan vorgesehenen Maßnahmen anhand ihrer Eignung zu beurteilen ist, zu gewährleisten, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung „so kurz wie möglich“ gehalten wird, wobei diese Anforderung strenger ist als die unter der Geltung der Richtlinie 96/62 anwendbare Anforderung, mit der von den Mitgliedstaaten lediglich verlangt wurde, „innerhalb einer angemessenen Frist“ Maßnahmen zu erlassen, die die Luftqualität in Einklang mit den Grenzwerten für PM10 bringen sollen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 88 bis 90).

150    Im Hinblick darauf schreibt Art. 23 der Richtlinie 2008/50 vor, dass im Fall der Feststellung einer Überschreitung der Grenzwerte für PM10 diese Situation den betreffenden Mitgliedstaat so schnell wie möglich dazu veranlassen sollte, geeignete Maßnahmen nicht nur zu erlassen, sondern auch in einem Luftqualitätsplan durchzuführen, so dass der Handlungsspielraum, über den dieser Mitgliedstaat im Fall einer Überschreitung dieser Grenzwerte verfügt, in diesem Zusammenhang durch diese Anforderung begrenzt wird.

151    Was ferner das Vorbringen der Italienischen Republik anbelangt, wonach die von ihr festgelegten Fristen in vollem Umfang an das Ausmaß der strukturellen Änderungen angepasst seien, die nötig seien, um die Überschreitungen der Grenzwerte für PM10 in der Luft abzustellen, wobei sie u. a. Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden Investitionen und den lokalen Traditionen hervorhebt, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Mitgliedstaat nachzuweisen hat, dass die von ihm vorgebrachten Schwierigkeiten bei der Beendigung der Überschreitungen der Grenzwerte für PM10 von der Art wären, dass sie die Festlegung weniger langer Fristen unmöglich gemacht hätten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Februar 2018, Kommission/Polen, C‑336/16, EU:C:2018:94, Rn. 101).

152    Der Gerichtshof hat auf ein dem der Italienischen Republik im vorliegenden Fall absolut vergleichbares Vorbringen jedoch bereits entschieden, dass strukturelle Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der zu tätigenden umfangreichen Investitionen als solche keinen Ausnahmecharakter haben und die Festlegung weniger langer Fristen nicht unmöglich machen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Oktober 2019, Kommission/Frankreich [Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid], C‑636/18, EU:C:2019:900, Rn. 85, und entsprechend vom 22. Februar 2018, Kommission/Polen, C‑336/16, EU:C:2018:94, Rn.101). Für die lokalen Traditionen kann nichts anderes gelten.

153    Desgleichen ist in diesem Zusammenhang unter Berücksichtigung des Vorstehenden das Vorbringen der Italienischen Republik zurückzuweisen, das auf die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Subsidiarität und des Ausgleichs zwischen öffentlichen und privaten Interessen gestützt ist, die es ihrer Ansicht nach erlaubten – auch einen sehr langen – Aufschub der Einhaltung der von der Richtlinie 2008/50 vorgesehenen Grenzwerte zu gestatten. Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass gemäß Art. 23 Abs. 1 dieser Richtlinie die Luftqualitätspläne auf der Grundlage des Grundsatzes des Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen zu erstellen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. April 2017, Kommission/Bulgarien, C‑488/15, EU:C:2017:267, Rn. 106, und vom 24. Oktober 2019, Kommission/Frankreich [Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid], C‑636/18, EU:C:2019:900, Rn. 79).

154    Somit kann Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 bei einer Überschreitung der in der Richtlinie vorgesehenen Grenzwerte zwar nicht verlangen, dass die von einem Mitgliedstaat in Anwendung dieses Ausgleichs erlassenen Maßnahmen die sofortige Einhaltung dieser Grenzwerte gewährleisten, damit sie als geeignet angesehen werden können, doch folgt daraus nicht, dass der anhand dieses Grundsatzes ausgelegte Art. 23 Abs. 1 einen zusätzlichen Fall darstellen könnte, in dem die Frist für die Einhaltung dieser Werte, die die menschliche Gesundheit schützen sollen, generell, gegebenenfalls auf unbestimmte Zeit verlängert werden kann, da Art. 22 der Richtlinie – wie in Rn. 81 des vorliegenden Urteils festgestellt – die einzige Bestimmung ist, die eine Verlängerungsmöglichkeit vorsieht.

155    Nach alledem ist festzustellen, dass das Vorbringen der Italienischen Republik als solches angesichts der Anforderung, dafür zu sorgen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten wird, keine langen Fristen für die Beendigung der festgestellten Überschreitungen der Grenzwerte rechtfertigen kann.

156    Was schließlich das Vorbringen der Italienischen Republik betrifft, wonach die von der Kommission erhobenen Rügen zu allgemein seien und eine Einzelfallprüfung der verschiedenen Luftqualitätspläne fehle, so dass die Kommission bloße Vermutungen einer Vertragsverletzung vorgetragen habe, genügt die Feststellung, dass sich aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte ergibt, dass die Kommission die Feststellung, dass die fraglichen Luftqualitätspläne mit der Richtlinie 2008/50 unvereinbar seien, getroffen hat, nachdem sie die verschiedenen in den Rn. 138 bis 145 des vorliegenden Urteils genannten Faktoren berücksichtigt hatte.

157    Folglich greift die zweite Rüge der Kommission durch.

158    Nach alledem ist festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch, dass sie

–        die Grenzwerte für PM10 systematisch und andauernd überschritten hat und weiterhin überschritten hat

–        hinsichtlich des Tagesgrenzwerts ab 2008 bis einschließlich 2017 in folgenden Gebieten: IT 1212 (Tal des Sacco); IT 1507 (ex Gebiet IT 1501, Sanierungsgebiet – Neapel und Caserta); IT 0892 (Emilia Romagna, West-Pianura [westliche Ebene]); IT 0893 (Emilia Romagna, Ost-Pianura [östliche Ebene]); IT 0306 (Ballungsraum Mailand); IT 0307 (Ballungsraum Bergamo); IT 0308 (Ballungsraum Brescia); IT 0309 (Lombardei, stark urbanisierte Ebene A); IT 0310 (Lombardei, stark urbanisierte Ebene B); IT 0312 (Lombardei, Talboden D); IT 0119 (Piemont, Ebene); IT 0120 (Piemonter Hügel);

–        ab 2008 bis einschließlich 2016 im Gebiet IT 1215 (Ballungsraum Rom);

–        ab 2009 bis einschließlich 2017 in folgenden Gebieten: IT 0508 und IT 0509 (ex Gebiet IT 0501, Ballungsraum Venedig-Treviso); IT 0510 (ex Gebiet IT 0502, Ballungsraum Padua); IT 0511 (ex Gebiet IT 0503, Ballungsraum Vicenza); IT 0512 (ex Gebiet IT 0504, Ballungsraum Verona); IT 0513 und IT 0514 (ex Gebiet IT 0505; Gebiet A1 – Provinz Venetien);

–        von 2008 bis 2013 und danach erneut von 2015 bis 2017 im Gebiet IT 0907 (Gebiet Prato-Pistoia);

–        von 2008 bis 2012 und danach erneut von 2014 bis 2017 in den Gebieten IT 0909 (Gebiet Valdarno Pisano und Piana Lucchese) und IT 0118 (Ballungsraum Turin);

–        von 2008 bis 2009 und von 2011 bis 2017 in den Gebieten IT 1008 (Gebiet der Conca Ternana [Becken von Terni]) und IT 1508 (ex Gebiet IT 1504, Küsten- und Hügelgebiet im Benevento);

–        im Jahr 2008 und von 2011 bis 2017 im Gebiet IT 1613 (Puglia – Industriegebiet) und von 2008 bis 2012 und in den Jahren 2014 und 2016 im Gebiet IT 1911 (Ballungsraum Palermo);

–        beim Jahresgrenzwert in den Gebieten: IT 1212 (Tal des Sacco) seit 2008 bis einschließlich 2016; IT 0508 und IT 0509 (ex Gebiet IT 0501, Ballungsraum Venezia-Treviso) in den Jahren 2009, 2011 und 2015; IT 0511 (ex Gebiet IT 0503, Ballungsraum Vicenza) in den Jahren 2011, 2012 und 2015; IT 0306 (Ballungsraum Mailand) von 2008 bis 2013 und im Jahr 2015; IT 0308 (Ballungsraum Brescia), IT 0309 (Lombardei, stark urbanisierte Ebene A) und IT 0310 (Lombardei, stark urbanisierte Ebene B) von 2008 bis 2013 und in den Jahren 2015 und 2017; IT 0118 (Ballungsraum Turin) von 2008 bis 2012 und in den Jahren 2015 und 2017,

gegen ihre Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50 in Verbindung mit dem Anhang XI verstoßen hat

und

–        dadurch, dass sie nicht ab dem 11. Juni 2010 geeignete Maßnahmen ergriffen hat, um in all diesen Gebieten die Einhaltung der Grenzwerte für PM10 zu gewährleisten, gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 allein und in Verbindung mit deren Anhang XV Teil A und insbesondere gegen die nach Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Richtlinie bestehende Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen vorsehen, damit der Zeitraum der Überschreitung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird, verstoßen hat.

 Kosten

159    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Italienischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Italienische Republik hat dadurch, dass sie die Grenzwerte für die Konzentrationen von PM10-Partikeln systematisch und andauernd überschritten hat und weiterhin überschritten hat

–        hinsichtlich des Tagesgrenzwerts

–        ab 2008 bis einschließlich 2017 in folgenden Gebieten: IT 1212 (Tal des Sacco); IT 1507 (ex Gebiet IT 1501, Sanierungsgebiet – Neapel und Caserta); IT 0892 (Emilia Romagna, West-Pianura [westliche Ebene]); IT 0893 (Emilia Romagna, Ost-Pianura [östliche Ebene]); IT 0306 (Ballungsraum Mailand); IT 0307 (Ballungsraum Bergamo); IT 0308 (Ballungsraum Brescia); IT 0309 (Lombardei, stark urbanisierte Ebene A); IT 0310 (Lombardei, stark urbanisierte Ebene B); IT 0312 (Lombardei, Talboden D); IT 0119 (Piemont, Ebene); IT 0120 (Piemonter Hügel);

–        von 2008 bis einschließlich 2016 im Gebiet IT 1215 (Ballungsraum Rom);

–        ab 2009 bis einschließlich 2017 in folgenden Gebieten: IT 0508 und IT 0509 (ex Gebiet IT 0501, Ballungsraum Venedig-Treviso); IT 0510 (ex Gebiet IT 0502, Ballungsraum Padua); IT 0511 (ex Gebiet IT 0503, Ballungsraum Vicenza); IT 0512 (ex Gebiet IT 0504, Ballungsraum Verona); IT 0513 und IT 0514 (ex Gebiet IT 0505; Gebiet A1 – Provinz Venetien);

–        von 2008 bis 2013 und danach erneut von 2015 bis 2017 im Gebiet IT 0907 (Gebiet Prato-Pistoia);

–        von 2008 bis 2012 und danach erneut von 2014 bis 2017 in den Gebieten IT 0909 (Gebiet Valdarno Pisano und Piana Lucchese) und IT 0118 (Ballungsraum Turin);

–        von 2008 bis 2009 und von 2011 bis 2017 in den Gebieten IT 1008 (Gebiet der Conca Ternana [Becken von Terni]) und IT 1508 (ex Gebiet IT 1504, Küsten- und Hügelgebiet im Benevento);

–        im Jahr 2008 und von 2011 bis 2017 im Gebiet IT 1613 (Puglia – Industriegebiet) und von 2008 bis 2012 und in den Jahren 2014 und 2016 im Gebiet IT 1911 (Ballungsraum Palermo);

–        beim Jahresgrenzwert in den Gebieten: IT 1212 (Tal des Sacco) seit 2008 bis einschließlich 2016; IT 0508 und IT 0509 (ex Gebiet IT 0501, Ballungsraum Venezia-Treviso) in den Jahren 2009, 2011 und 2015; IT 0511 (ex Gebiet IT 0503, Ballungsraum Vicenza) in den Jahren 2011, 2012 und 2015; IT 0306 (Ballungsraum Mailand) von 2008 bis 2013 und im Jahr 2015; IT 0308 (Ballungsraum Brescia), IT 0309 (Lombardei, stark urbanisierte Ebene A) und IT 0310 (Lombardei, stark urbanisierte Ebene B) von 2008 bis 2013 und in den Jahren 2015 und 2017; IT 0118 (Ballungsraum Turin) von 2008 bis 2012 und in den Jahren 2015 und 2017,

gegen ihre Verpflichtung aus Art. 13 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa in Verbindung mit deren Anhang XI verstoßen hat

und

dadurch, dass sie nicht ab dem 11. Juni 2010 geeignete Maßnahmen ergriffen hat, um in all diesen Gebieten die Einhaltung der Grenzwerte für die Konzentrationen von PM10-Partikeln zu gewährleisten, gegen die Verpflichtungen aus Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 allein und in Verbindung mit deren Anhang XV Teil A und insbesondere gegen die nach Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Richtlinie bestehende Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen vorsehen, damit der Zeitraum der Überschreitung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird, verstoßen hat.

2.      Die Italienische Republik trägt die Kosten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Italienisch.