Language of document : ECLI:EU:C:2015:218

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PEDRO CRUZ VILLALÓN

vom 14. April 2015(1)

Rechtssache C‑612/13 P

ClientEarth

gegen

Kommission

„Rechtsmittel – Verordnung Nr. 1049/2001 und Verordnung Nr. 1367/2006 – Zugang zu Dokumenten der Organe – Dokumente über die Umsetzung von Richtlinien, die die Kommission von einer privaten Beratungsfirma erstellen lässt – Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten – Begriff der Untersuchung – Allgemeine Vermutung, die eine konkrete und individuelle Prüfung ausschließt – Übereinkommen von Århus – Überwiegendes öffentliches Interesse“






1.        Dem vorliegenden Rechtsmittel liegt die Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten zugrunde, die auf die Notwendigkeit gestützt wurde, den Zweck der Untersuchungstätigkeiten zu schützen, und es gibt vor diesem Hintergrund dem Gerichtshof Gelegenheit, seiner Rechtsprechung zum Zugang zu Dokumenten der Organe Konturen zu verleihen(2), konkret in Bezug auf die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme(3). Eine der Fragen, die in der vorliegenden Rechtssache streitig sind, betrifft gerade die Definition des Begriffs der „Untersuchungstätigkeiten“ in dem Sinne, ob sie sämtliche Tätigkeiten umfassen, die zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen können, oder nur solche, die durchgeführt worden sind, nachdem die Einleitung eines solchen Verfahrens beschlossen worden ist.

2.        Dies ist nicht die einzige Frage, die in diesem Verfahren zu klären ist, denn käme man zu dem Ergebnis, dass die streitigen Tätigkeiten eine „Untersuchungstätigkeit“ im Sinne der Verordnung Nr. 1049/2001 darstellen, wäre zu prüfen, ob Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung mit Art. 4 Abs. 4 Buchst. c des Übereinkommens von Århus(4) vereinbar ist, was zur Verordnung (EG) Nr. 1367/2006(5) und bereits zuvor zu dem Problem führen würde, ob für die Zwecke der Auslegung der Verordnung Nr. 1049/2001 eine Berufung auf dieses Übereinkommen in Betracht kommt.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Internationales Recht

3.        In der Präambel des Übereinkommens von Århus wird Folgendes ausgeführt:

„…

[I]n der Erkenntnis, dass im Umweltbereich ein verbesserter Zugang zu Informationen und eine verbesserte Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren die Qualität und die Umsetzung von Entscheidungen verbessern, zum Bewusstsein der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten beitragen, der Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, ihre Anliegen zum Ausdruck zu bringen, und es den Behörden ermöglichen, diese Anliegen angemessen zu berücksichtigen;

mit dem Ziel, die Verantwortlichkeit und Transparenz bei Entscheidungsverfahren zu fördern und die öffentliche Unterstützung für Entscheidungen über die Umwelt zu stärken;

in Anerkennung dessen, dass Behörden über Informationen über die Umwelt im öffentlichen Interesse verfügen;

…“

4.        Art. 1 des Übereinkommens von Århus lautet: „Um zum Schutz des Rechts jeder männlichen/weiblichen Person gegenwärtiger und künftiger Generationen auf ein Leben in einer seiner/ihrer Gesundheit und seinem/ihrem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt beizutragen, gewährleistet jede Vertragspartei das Recht auf Zugang zu Informationen, auf Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und auf Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen.“

5.        Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. d Unterabs. 1 des Übereinkommens bedeutet „Behörde“ „die Einrichtungen aller in Artikel 17 näher bestimmten Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind“.

6.        Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens sieht vor, dass „[j]ede Vertragspartei … die erforderlichen Gesetzgebungs-, Regelungs- und sonstigen Maßnahmen, einschließlich Maßnahmen zur Harmonisierung der Bestimmungen zur Umsetzung der in diesem Übereinkommen enthaltenen Bestimmungen über Informationen, Öffentlichkeitsbeteiligung und Zugang zu Gerichten, sowie geeignete Maßnahmen zum Vollzug [ergreift], um einen klaren, transparenten und einheitlichen Rahmen zur Durchführung dieses Übereinkommens herzustellen und aufrechtzuerhalten“.

7.        Art. 4 des Übereinkommens von Århus bestimmt:

„(1)       Jede Vertragspartei stellt sicher, dass die Behörden nach Maßgabe der folgenden Absätze dieses Artikels und im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Öffentlichkeit Informationen über die Umwelt auf Antrag zur Verfügung stellen; hierzu gehören, wenn dies beantragt wird und nach Maßgabe des Buchstaben b, auch Kopien der eigentlichen Unterlagen, die derartige Informationen enthalten oder die aus diesen Informationen bestehen; dies geschieht:

a)       ohne Nachweis eines Interesses;

b)       in der erwünschten Form, es sei denn,

i)       es erscheint der Behörde angemessen, die Informationen in anderer Form zur Verfügung zu stellen, was zu begründen ist, oder

ii)       die Informationen stehen der Öffentlichkeit bereits in anderer Form zur Verfügung.

(2)       Die in Absatz 1 genannten Informationen über die Umwelt werden so bald wie möglich, spätestens jedoch einen Monat nach Antragstellung zur Verfügung gestellt, es sei denn, der Umfang und die Komplexität der Informationen rechtfertigen eine Fristverlängerung auf bis zu zwei Monate nach Antragstellung. Der Antragsteller wird über jede Verlängerung sowie über die Gründe hierfür informiert.

(3)       Ein Antrag auf Informationen über die Umwelt kann abgelehnt werden, wenn

c)       der Antrag Material betrifft, das noch fertiggestellt werden muss, oder wenn er interne Mitteilungen von Behörden betrifft, sofern eine derartige Ausnahme nach innerstaatlichem Recht vorgesehen ist oder gängiger Praxis entspricht, wobei das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe dieser Informationen zu berücksichtigen ist.

(4)       Ein Antrag auf Informationen über die Umwelt kann abgelehnt werden, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen hätte auf

c)       laufende Gerichtsverfahren, die Möglichkeit einer Person, ein faires Verfahren zu erhalten, oder die Möglichkeit einer Behörde, Untersuchungen strafrechtlicher oder disziplinarischer Art durchzuführen;

Die genannten Ablehnungsgründe sind eng auszulegen, wobei das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe sowie ein etwaiger Bezug der beantragten Informationen zu Emissionen in die Umwelt zu berücksichtigen sind.

…“

B –    Unionsrecht

1.      Verordnung Nr. 1049/2001

8.        In Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 heißt es, dass „[j]eder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat … vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen ein Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe [hat]“.

9.        Unter der Überschrift „Ausnahmeregelung“ ist in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung vorgesehen, dass „[d]ie Organe … den Zugang zu einem Dokument [verweigern], durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde:

–        der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten,

es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.“

2.      Verordnung Nr. 1367/2006

10.      Im 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1367/2006 heißt es:

„Soweit in der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 Ausnahmen vorgesehen sind, sollten diese vorbehaltlich speziellerer Bestimmungen der vorliegenden Verordnung über Anträge auf Umweltinformationen gelten. Die Gründe für die Verweigerung des Zugangs zu Umweltinformationen sollten eng ausgelegt werden, wobei das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe und ein etwaiger Bezug der beantragten Informationen zu Emissionen in die Umwelt zu berücksichtigen sind. Der Begriff ‚geschäftliche Interessen‘ umfasst vertrauliche Übereinkünfte, die von Organen oder Einrichtungen, die in ihrer Eigenschaft als Banken handeln, geschlossen werden.“

11.      Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 ist es „Ziel dieser Verordnung …, durch Festlegung von Vorschriften zur Anwendung der Bestimmungen des VN/ECE-Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (im Folgenden das ‚Århus-Übereinkommen‘ genannt) auf die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft zur Umsetzung der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen beizutragen, und zwar insbesondere indem:

a)       das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Umweltinformationen, die bei den Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft eingegangen sind oder von diesen erstellt wurden und sich in ihrem Besitz befinden, gewährleistet wird und die grundlegenden Bedingungen und praktischen Modalitäten für die Ausübung dieses Rechts festgelegt werden;

…“

12.      Art. 3 der Verordnung sieht Folgendes vor:

„Die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 gilt für alle Anträge auf Zugang zu Umweltinformationen, die sich im Besitz von Organen und Einrichtungen der Gemeinschaft befinden, und zwar ohne Unterscheidung nach Staatsbürgerschaft, Nationalität oder Wohnsitz sowie bei juristischen Personen nach ihrem eingetragenen Sitz oder einem tatsächlichen Mittelpunkt ihrer Tätigkeit.

…“

13.      Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 lautet: „Artikel 4 Absatz 2 erster und dritter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001, mit Ausnahme von Untersuchungen, insbesondere solchen, die mögliche Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht zum Gegenstand haben, wird dahin ausgelegt, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung besteht, wenn die angeforderten Informationen Emissionen in die Umwelt betreffen. Bei den übrigen Ausnahmen nach Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 sind die Gründe für die Verweigerung eng auszulegen, wobei das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe und ein etwaiger Bezug der beantragten Informationen zu Emissionen in die Umwelt zu berücksichtigen sind.“

II – Sachverhalt

14.      ClientEarth ist eine Vereinigung englischen Rechts, deren Ziel u. a. der Umweltschutz ist. Am 8. September 2010 beantragte sie bei der Kommission gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 und der Verordnung Nr. 1367/2006 Zugang zu bestimmten Dokumenten. Konkret handelte es sich um mehrere Dokumente, die in dem „Management Plan 2010“ der GD „Umwelt“, auf ihrem Internetportal veröffentlicht, erwähnt sind.

15.      Am 29. Oktober 2010 lehnte die Kommission den Antrag teilweise ab und wies – außer in einem Fall – darauf hin, dass die Verweigerung des Zugangs zu den Dokumenten auf die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich und Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen (Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten sowie Schutz des Entscheidungsprozesses der Organe) gestützt werde.

16.      Am 10. November 2010 stellte die Klägerin gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 einen Zweitantrag auf Überprüfung der teilweisen Ablehnung. Da die Kommission nicht antwortete, reichte sie am 21. Februar 2011 Klage gegen die stillschweigende Ablehnung ihres Antrags ein. Am 30. Mai 2011 erließ die Kommission schließlich eine ausdrückliche Entscheidung über den Zweitantrag und gewährte ClientEarth vollständigen Zugang zu 22 Studien ‒ in einigen Fällen mit Ausnahme der Namen ihrer Autoren ‒ über die Vereinbarkeit der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten mit dem Umweltrecht der Union, die von einem privaten Unternehmen im Auftrag der Kommission erstellt und ihr im Jahr 2009 übergeben wurden. Hingegen verweigerte sie den Zugang zu einem Teil des Inhalts von 41 weiteren Studien.

17.      Die Informationen, die im Zusammenhang mit den Letztgenannten zur Verfügung gestellt wurden, umfassten für jede Studie das Deckblatt, das Inhaltsverzeichnis, das Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen, eine Anlage mit den untersuchten Rechtsvorschriften sowie die Abschnitte „Einführung“, „Allgemeine Übersicht über den Rechtsrahmen des Mitgliedstaats“ und „Rahmen für die Umsetzung und Durchführung“. Dagegen weigerte sich die Kommission, Zugang zu den Abschnitten „Zusammenfassende Datenübersicht“, „Rechtliche Beurteilung der Umsetzungsmaßnahmen“ und „Schlussfolgerung“ sowie zur Anlage mit einer Konkordanztabelle der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats und des einschlägigen Unionsrechts zu gewähren.

18.      Die Kommission teilte die Studien, zu denen der Zugang verweigert wurde, in zwei Kategorien ein. Die erste Kategorie umfasste eine Studie über die Umsetzung des Unionsrechts, deren Auswertung im Dialog mit dem betreffenden Mitgliedstaat kurz zuvor begonnen habe. Die zweite Kategorie umfasste die übrigen 40 Studien, über die mit den betreffenden Mitgliedstaaten ein ausführlicherer Dialog geführt worden sei.

19.      Die Kommission stützte die Verweigerung des Zugangs auf das Vorliegen von drei Ausnahmen:

(A) Schutz des Zwecks der Untersuchungstätigkeiten (Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001). Der Kommission zufolge waren die betroffenen Studien erstellt worden, damit sie die Umsetzung verschiedener Richtlinien durch die Mitgliedstaaten überwachen und gegebenenfalls gegen diese das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV einleiten könne. Was die in die erste Kategorie eingereihte Studie angehe, sei sie noch zu keinem Ergebnis betreffend die Umsetzung der fraglichen Richtlinie gelangt. Durch die Offenlegung der in dieser Studie enthaltenen Daten und Schlussfolgerungen, die noch nicht überprüft worden seien und zu denen der betreffende Mitgliedstaat noch nicht Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten habe, wäre dieser möglicherweise unberechtigter Kritik ausgesetzt und das für eine Bewertung der Durchführung der betreffenden Richtlinie erforderliche Klima gegenseitigen Vertrauens beeinträchtigt worden. Hinsichtlich der streitigen Studien der zweiten Kategorie habe sie in bestimmten Fällen gegen die betreffenden Mitgliedstaaten das Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, während sie in anderen Fällen noch nicht darüber entschieden habe, ob dies geschehen solle. Die Offenlegung der streitigen Studien hätte das Klima gegenseitigen Vertrauens beeinträchtigt, das für eine Beilegung der Streitigkeiten zwischen ihr und den betreffenden Mitgliedstaaten, ohne in den gerichtlichen Abschnitt dieses Verfahrens eintreten zu müssen, erforderlich sei.

(B) Schutz des Entscheidungsprozesses der Organe (Art. 4 Abs. 3 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001). Die Kommission machte geltend, dass sie diese Studien zu rein internen Zwecken in der Vorprüfungsphase einer Untersuchung über die Umsetzung des Unionsrechts habe erstellen lassen. Möglicherweise teile sie die Ergebnisse dieser Studien nicht und greife auf andere Untersuchungsmittel einschließlich ihrer eigenen internen Bewertung sowie der Informationen aus dem Dialog mit den betreffenden Mitgliedstaaten zurück. Da sie noch nicht dazu Stellung genommen habe, ob die nationalen Rechtsvorschriften dem Unionsrecht entsprächen und ob die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens opportun sei – bei dieser Frage verfüge sie über ein weites Ermessen –, hätte die verlangte Offenlegung ihren internen Entscheidungsprozess beeinträchtigt, wodurch sie möglicherweise unzulässigem Druck von außen ausgesetzt worden wäre.

(C) Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen (Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001). Diese Ausnahme sei auf die Offenlegung der Namen der Autoren einiger der angeforderten Studien anwendbar.

20.      Schließlich sei die Offenlegung der fraglichen Dokumente nicht durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt. Das öffentliche Interesse sei durch den Schutz des Klimas gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission sowie des Ermessens der Kommission, Verwaltungsentscheidungen über etwaige Verstöße zu erlassen, besser gewahrt. Im Übrigen werde im Zweitantrag nichts vorgetragen, was geeignet sei, das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses, das die Offenlegung rechtfertige, darzutun.

21.      ClientEarth erhob beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung, die sie auf insgesamt sieben Klagegründe stützte: (1) Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1049/2001, da die Kommission die Frist zur Beantwortung des Zweitantrags rechtswidrig verlängert habe; (2) Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1, 2 und 4 des Übereinkommens von Århus, weil danach keine Ausnahme vom Recht auf Dokumentenzugang zum Schutz des Zwecks von anderen Untersuchungstätigkeiten als solchen straf- oder disziplinarrechtlicher Art vorgesehen sei; (3) Verletzung der Verpflichtung zur aktiven Verbreitung der Umweltinformationen nach Art. 5 Abs. 3 bis 7 des Übereinkommens von Århus und Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1367/2006; (4) Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, da die Kommission die Begrenzung der dort vorgesehenen Ausnahme vom Recht auf Dokumentenzugang missachtet habe; (5) Verstoß gegen Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001, da die Gefahr einer Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses der Kommission durch die vollständige Offenlegung der streitigen Studien hypothetisch und nicht vernünftigerweise absehbar sei; (6) Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1049/2001, da ein überwiegendes öffentliches Interesse die Offenlegung rechtfertige, und (7) schwerer wiederholter Verstoß der Kommission gegen Art. 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 und Art. 4 Abs. 1 des Übereinkommens von Århus, der den Erlass abschreckender Maßnahmen durch das Gericht erfordere.

III – Urteil des Gerichts

22.      Das Gericht wies die Klage mit Urteil vom 13. September 2013 ab(6).

23.      Das Gericht unterteilte die Klagegründe in zwei Gruppen. Dabei ging es davon aus, dass mit den Gründen der ersten Gruppe die fehlerhafte Begründung der angefochtenen Entscheidung gerügt werde, während sich die Gründe der zweiten Gruppe nicht auf Begründungsfehler bezögen. Soweit es hier von Interesse ist, ist das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Rechtsmittelführerin nicht habe nachweisen können, dass die Kommission einen Fehler begangen habe, als sie die Offenlegung der streitigen Studien verweigert habe, um den Zweck ihrer Untersuchungstätigkeiten zu schützen, so dass es nicht habe prüfen müssen, ob auch die Berufung auf den Zweck des Schutzes der Entscheidungsprozesse fehlerhaft gewesen sei. Schließlich war das Gericht der Ansicht, die Klägerin habe auch das Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses, das den Zugang zu den angeforderten Dokumenten rechtfertige, nicht nachweisen können.

IV – Rechtsmittel

24.      Das Rechtsmittel von ClientEarth ist in drei Rechtsmittelgründe unterteilt: (A) Fehler bei der Auslegung der Begriffe „Untersuchungstätigkeit“ und „Verstoß gegen den Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten der Organe“ im Sinne des Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001; (B) Rechtsfehler wegen Verstoßes gegen Art. 4 Abs. 1 und 4 des Übereinkommens von Århus und (C) fehlerhafte Auslegung des Begriffs „überwiegendes öffentliches Interesse“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 a. E. der Verordnung Nr. 1049/2001.

V –    Verfahren vor dem Gerichtshof

A –    Erster Rechtsmittelgrund

25.      Der erste Rechtsmittelgrund ist in zwei Teile untergliedert. Im ersten Teil werden die Gründe in Frage gestellt, die das Gericht zu der Annahme veranlassten, die streitigen Studien fügten sich in den Rahmen einer Untersuchungstätigkeit der Kommission ein. ClientEarth ist der Ansicht, der Begriff der „Untersuchungstätigkeit“ setze eine förmliche Entscheidung der Kommission voraus, die in der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens bestehe. In Ermangelung dieser Entscheidung – wobei man sogar akzeptieren könne, dass sie dem betroffenen Dokument nicht unmittelbar vorangehen müsse, sofern es sich bei ihm um eine Handlung zu ihrer Vorbereitung handele – seien die betroffenen Dokumente nicht Bestandteil eines Untersuchungsverfahrens, das von einer allgemeinen Vermutung der Vertraulichkeit gedeckt sei.

26.      Die Kommission erwidert, jedes Dokument, das die Überprüfung der Beachtung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten seitens der Kommission zum Gegenstand habe, stehe mit einer Untersuchung im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 im Zusammenhang. Insoweit sei es unerheblich, ob die erste Bewertung der Vereinbarkeit des Rechts eines Mitgliedstaats mit dem Unionsrecht von den eigenen Dienststellen der Kommission oder durch einen Dritten auf Ersuchen der Kommission vorgenommen werde.

27.      Im zweiten Teil bringt ClientEarth vor, dass sich das Gericht, selbst wenn man davon ausgehe, dass die streitigen Studien Bestandteil einer Untersuchungstätigkeit sein könnten, geirrt habe, als es davon ausgegangen sei, dass ihre Offenlegung den Schutz des Zwecks der Untersuchungstätigkeiten berühren könne und das Recht der Kommission, eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit anzuwenden, bejaht habe. Sie hebt insoweit den Umstand hervor, dass es sich um spezifische Dokumente gehandelt habe, deren Offenlegung den Zweck späterer Vertragsverletzungsverfahren nicht berührt hätte.

28.      Die Kommission wiederum schließt sich dem Urteil, das ihrer Ansicht nach im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs steht, inhaltlich an.

B –    Zweiter Rechtsmittelgrund

29.      Der zweite Rechtsmittelgrund ist auf fünf Argumente gestützt. Erstens habe das Gericht verkannt, dass es zu einer engen Auslegung von Art. 4 Abs. 4 Buchst. c des Übereinkommens von Århus verpflichtet gewesen sei. Zweitens wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, es habe die unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 4 des Übereinkommens von Århus geprüft, obwohl dies für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 im Licht dieses Übereinkommens nicht erforderlich gewesen sei. Drittens habe das angefochtene Urteil die Pflicht verkannt, das Übereinkommen von Århus im Einklang mit den Art. 26 und 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge auszulegen, denn es habe Art. 4 Abs. 4 Buchst. c des Übereinkommens von Århus einen Sinn beigelegt, der weder mit seinem Wortlaut noch mit seinem Geist vereinbar sei. Viertens habe sich das Gericht auch geirrt, als es davon ausgegangen sei, dass Art. 4 Abs. 4 Buchst. c des Übereinkommens von Århus nicht unmittelbar für die Organe der Union gelte. Schließlich ist die Klägerin der Auffassung, in dem angefochtenen Urteil sei auf der Grundlage der „Besonderheiten“ der Union fehlerhaft eine Ausnahme von der Anwendbarkeit des Übereinkommens von Århus angenommen worden.

30.      Die Kommission vertritt mit Unterstützung des Europäischen Parlaments und des Rates die Ansicht, dem Gericht sei kein einziger Fehler unterlaufen, und es habe die Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere in Bezug auf die drei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssten, damit der Unionsrichter die Vereinbarkeit eines Rechtsakts der Union mit einer internationalen Vereinbarung prüfen könne, beachtet. Das Übereinkommen von Århus sei durch die Verordnung Nr. 1367/2006, in deren Licht die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu prüfen sei, in das Unionsrecht aufgenommen worden. Zudem weisen die drei Organe darauf hin, dass die in dem Übereinkommen vorgesehenen Ausnahmen so gefasst seien, dass die Union sie in ihre Rechtsordnung aufnehmen und dabei sämtliche berechtigten Interessen gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 schützen könne.

C –    Dritter Rechtsmittelgrund

31.      ClientEarth rügt die Feststellung des Gerichts, wonach das „übergeordnete öffentliche Interesse“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 a. E. der Verordnung Nr. 1049/2001, das die Offenlegung eines Dokuments, die durch eine Ausnahme geschützte rechtliche Interessen beeinträchtige, rechtfertigen könne, von den der Verordnung zugrunde liegenden Grundsätzen, also dem Recht auf Zugang zu den Informationen und dem Transparenzgrundsatz, verschieden sein und über die Schutzbedürftigkeit der streitigen Dokumente hinausgehen müsse. ClientEarth rügt, das Gericht habe, als es ihr vorgeworfen habe, sie habe sich darauf beschränkt, allgemeine Erwägungen vorzutragen, ohne darzutun, dass der Transparenzgrundsatz Vorrang vor den Gründen haben müsse, die die Verweigerung der Offenlegung rechtfertigten, die Beweislast umgekehrt, die nach der Rechtsprechung in diesem Fall die Kommission treffe.

32.      Die Kommission führt aus, da sie aufgrund einer allgemeinen Vermutung befugt gewesen sei, den Zugang zu den streitigen Dokumenten zu verweigern, sei es Sache von ClientEarth gewesen, das Vorliegen eines übergeordneten öffentlichen Interesses nachzuweisen, das ihre Veröffentlichung rechtfertige, was nicht der Fall gewesen sei.

VI – Würdigung

A –    Erster Rechtsmittelgrund

1.      Erster Teil: die „Untersuchungstätigkeit“ und das Vorliegen eines Vertragsverletzungsverfahrens

33.      ClientEarth macht mit dem ersten Teil des Rechtsmittelgrundes geltend, der Begriff der „Untersuchungstätigkeit“ im Sinne des Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 setze eine förmliche Entscheidung über die Einleitung eines Verfahrens durch die Kommission voraus. Die Kommission vertritt hingegen die Ansicht, dass jedes Dokument, das die Überprüfung der Beachtung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten seitens der Kommission zum Gegenstand habe, mit einer „Untersuchung“ im Sinne der genannten Vorschrift im Zusammenhang stehe.

34.      Der Kern des Problems ist daher die Feststellung, ob der Begriff der „Untersuchungstätigkeiten“ im Sinne der Verordnung Nr. 1049/2001 eine förmliche Entscheidung über die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens voraussetzt oder ob es ausreicht, dass es sich um Dokumente handelt, die die Kommission zu seiner Einleitung veranlassen können.

35.      Im Rahmen der Verteidigung ihres Standpunkts, wonach das Unionsrecht die Einleitung eines Untersuchungsverfahrens ohne eine hierzu ergangene ausdrückliche Entscheidung der Kommission nicht zulasse, führt ClientEarth das Urteil vom 14. November 2013, LPN und Finnland/Kommission(7), an. Meiner Meinung nach lässt sich der von der Klägerin vertretene Standpunkt weder diesem Urteil noch der dort zitierten Rechtsprechung entnehmen, gerade weil in jenem Fall die streitigen Dokumente Bestandteil der Verwaltungsakte eines bereits laufenden Vertragsverletzungsverfahrens waren. Tatsächlich stellt sich in der vorliegenden Rechtssache zum ersten Mal die Frage, ob „Untersuchungstätigkeiten“ vor der förmlichen Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens aufgenommen werden können, so dass es nicht möglich ist, zuvor hierzu ergangene Entscheidungen unmittelbar heranzuziehen.

36.      Nach dieser Feststellung ist einleitend darauf hinzuweisen, dass die Umstände der streitigen Studien gerade im Hinblick auf das Vorliegen eines konkreten Vertragsverletzungsverfahrens nicht dieselben sind. Wie sich nämlich aus dem angefochtenen Urteil ergibt(8), bezog sich eine der streitigen Studien auf einen Mitgliedstaat, bei dem sich die Kommission noch keine Meinung hinsichtlich der zutreffenden Umsetzung der betroffenen Richtlinie gebildet hatte. Hinsichtlich der übrigen Studien war „in bestimmten Fällen“ gegen die betreffenden Mitgliedstaaten ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und „in anderen Fällen“ noch nicht darüber entschieden worden, ob dies geschehen solle.

37.      Das Gericht hat diesen Unterschied außer Acht gelassen und sowohl die Studien, die Fälle betrafen, in denen später ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurde, als auch diejenigen, zu deren Gegenstand noch keine Entscheidung über dessen Einleitung getroffen worden war, unter den Begriff der „Untersuchungstätigkeit“ gefasst. Für das Gericht war über diesen Unterschied hinaus entscheidend, dass „die streitigen Studien nicht zu Informations- oder akademischen Zwecken erstellt wurden, sondern als zweckgerichtete Instrumente zur Aufdeckung von konkreten Verstößen gegen das Unionsrecht“(9), woraus sich ohne Weiteres ergebe, „dass die streitigen Studien Teil einer Untersuchungstätigkeit der Kommission im Sinne von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 sind“(10).

38.      Diese unterschiedslose Behandlung der Studien, die ein Verfahren zur Folge hatten, einerseits, und derjenigen, die nicht zu diesem Ergebnis führten, andererseits, stützt sich auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der „die Kommission die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme anwenden darf, um den Zugang zu Dokumenten zu verweigern, die sich auf die Untersuchung eines etwaigen Verstoßes gegen das Unionsrecht beziehen, die zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens führen kann oder tatsächlich zur Einleitung eines solchen Verfahrens geführt hat“(11), da „[i]n diesen Fällen … die Verweigerung des Zugangs als gerechtfertigt angesehen worden [ist], weil die betreffenden Mitgliedstaaten von der Kommission erwarten dürfen, dass sie die Vertraulichkeit hinsichtlich der Untersuchungen wahrt, auch wenn seit deren Abschluss einige Zeit verstrichen ist (vgl. Urteil API/Kommission[(12)], … Randnr. 120 und die dort angeführte Rechtsprechung)“(13).

39.      Wie das Gericht weiter feststellt, „[sind] die streitigen Studien zweckgerichtete Dokumente …, in denen die Umsetzung einer bestimmten Richtlinie durch einen bestimmten Mitgliedstaat analysiert wird und die Teil einer Akte der Kommission über diese Umsetzung werden sollen. Ist das Vertragsverletzungsverfahren bereits eingeleitet, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Studien nicht Teil der Akte des fraglichen Verfahrens sind, da diese Studien gerade die Grundlage für die Entscheidung der Kommission waren, dieses Verfahren einzuleiten. Im Fall von Studien, bei denen die Kommission das Vertragsverletzungsverfahren noch nicht eingeleitet hat, ist ihre Vertraulichkeit ebenfalls zu wahren, da Informationen, die öffentlich geworden sind, bei Einleitung des Verfahrens nicht zurückgezogen werden können, wie die Kommission zutreffend geltend macht“(14).

40.      Schlussendlich ist es nach Ansicht des Gerichts „im Fall von Studien, bei denen die Kommission das Vertragsverletzungsverfahren noch nicht eingeleitet hat“, nicht erforderlich, dass es schließlich eröffnet wird, denn „die Ausnahme zum Schutz des Zwecks der Untersuchungstätigkeiten [gilt] nicht nur für Dokumente …, die eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren betreffen, sondern auch für Dokumente betreffend Untersuchungen, die eventuell zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen könnten“(15). Es könnte daher eventuell kein einziges Verfahren eingeleitet werden und diese Ausnahme dennoch angewendet werden.

41.      Meiner Meinung nach sind die Studien, die zu dem Zeitpunkt, zu dem der Antrag auf Zugang gestellt wurde, bereits zur Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens geführt haben, und solche, die bei Beantragung des Zugangs zu den fraglichen Studien mehr oder weniger unmittelbar der Einleitung dieser Art von Verfahren vorangehen, grundsätzlich gleich zu behandeln. Meiner Ansicht nach können aber Studien, die weder Anlass zur Einleitung eines Verfahrens waren, noch eine Vorbereitungshandlung im Hinblick auf seine effektive Einleitung sind, nicht unter diese Tatbestände fallen.

42.      Man sollte sich darauf einigen, dass Vertragsverletzungsverfahren nicht im luftleeren Raum eröffnet werden können, sondern ihnen notwendig die Feststellung eines wenigstens ansatzweise begründeten Zweifels hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Verhaltens des betroffenen Mitgliedstaats vorangehen muss, was wiederum voraussetzt, dass die Kommission über einen gewissen Grad an Informationen verfügt. Dies spricht für eine weite Auslegung des Begriffs der „Untersuchungstätigkeit“, der auch Tätigkeiten umfasst, die der förmlichen Einleitung des Verfahrens vorangehen. Tatsächlich geht, wie die Kommission in ihrer Rechtsmittelbeantwortung ausführt(16), in der Praxis allen Verfahren eine minimale Untersuchungstätigkeit voran, und mehr oder weniger explizit lässt der Gerichtshof diese Praxis naturgemäß zu(17).

43.      Diese vorangehende minimale Untersuchungstätigkeit muss in jedem Fall auf die eventuelle Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gerichtet sein. Damit will ich sagen, dass entgegen dem Standpunkt, den die Kommission in der mündlichen Verhandlung als Antwort auf eine meiner Fragen vertreten hat, die „Untersuchungstätigkeit“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht mit der „Überwachungstätigkeit“ verwechselt werden darf, die Art. 17 Abs. 1 EUV der Kommission in Bezug auf die „Anwendung des Unionsrechts“ allgemein zuweist. Tatsächlich besteht ein eindeutiger gradueller Unterschied zwischen der Untersuchungstätigkeit, auf die sich jene Vorschrift der Verordnung Nr. 1049/2001 bezieht, und der Informationstätigkeit, die erforderlich ist, damit die Kommission ihre Rolle als Hüterin der Verträge erfüllen kann.

44.      Die Überwachung der Anwendung des Unionsrechts, die Förderung der allgemeinen Interessen der Union oder die Sorge für die Anwendung der Verträge wie auch die übrigen Funktionen, die Art. 17 Abs. 1 EUV der Kommission zuweist, stellen Grundsatztätigkeiten dar, die nur im Rahmen der Einzelbefugnisse, die der Kommission durch die Verträge insgesamt verliehen wurden, in spezifischen rechtlichen Kompetenzen zum Ausdruck kommen. So wird der Kommission durch die Ermächtigung, für die zutreffende Anwendung des Primärrechts zu sorgen oder die Anwendung des Unionsrechts zu überwachen, nicht die Befähigung verliehen, jedwede Maßnahme zu treffen oder Bestimmungen zu erlassen, die sie zur Erreichung dieses Ziels für geeignet hält, sondern nur solche, die in den konkreten Verfahren, die die Rechtsordnung der Union regelt, vorgesehen sind.

45.      Die Übernahme des Standpunkts der Kommission käme einer exorbitanten Ausweitung einer Ausnahme vom Recht auf Zugang zu Informationen gleich, die wie alle Ausnahmen von der Wahrnehmung eines Rechts eng auszulegen ist(18). Letztendlich würde dies bedeuten, dass die Kommission in der Praxis den Zugang zu allen Informationen, über die sie verfügt, mit dem Argument verweigern könnte, sie seien im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Hüterin der Verträge eingeholt worden, d. h. bei der Wahrnehmung irgendeiner ihrer Zuständigkeiten und nicht nur – wie es richtiger erscheint – derjenigen Kontrollzuständigkeiten, die durch spezifische Verfahren wie die Vertragsverletzungsverfahren oder die für Wettbewerbssachen vorgesehenen Verfahren ausgeübt werden.

46.      Das Gericht hat nach meiner Auffassung eine allgemeine Kategorie geschaffen, nämlich die „jedem Verfahren vorangehenden Untersuchungstätigkeiten“, die sämtliche von der Kommission durchgeführten Tätigkeiten zur Informationsgewinnung unterschiedslos umfasst. Meiner Ansicht nach lässt sich dies nicht mit dem zutreffenden Verständnis von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vereinbaren, in dem die Bezugnahme auf den „[Zweck] von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten“ eine konkrete und spezifische Dimension aufweist, da sie mit den konkreten in den Verträgen vorgesehenen Verfahren im Zusammenhang steht und nicht so allgemein und abstrakt ist, dass sie sich auf jede Tätigkeit der Kommission im Rahmen ihrer Verpflichtung, für die richtige Anwendung des Rechts der Verträge zu sorgen und die Anwendung des Unionsrechts zu überwachen, beziehen kann.

47.      Der Gerichtshof hat in einem Regelungskontext, der zur vorliegenden Rechtssache einen gewissen Bezug aufweist, einen Standpunkt eingenommen, der für die Feststellung des Umfangs, in dem eine Untersuchungstätigkeit vor der Einleitung eines Verfahrens als später in dieses Verfahren eingefügt oder aufgenommen angesehen werden kann, nützlich sein kann. In der Rechtssache Mecklenburg(19) stellte sich nämlich die Frage, ob der Begriff „Vorverfahren“ in Art. 3 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Richtlinie 90/313/EWG über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt(20) ‒ nach dem die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass ein Antrag auf Zugang zu einer Information abgelehnt wird, wenn sie „Sachen, die bei Gericht anhängig oder Gegenstand von Ermittlungsverfahren (einschließlich Disziplinarverfahren) sind oder waren oder die Gegenstand von Vorverfahren sind“, berührt – dahin auszulegen ist, dass er ein Verwaltungsverfahren, das lediglich eine Maßnahme der Verwaltung vorbereitet, umfasst.

48.      Der Gerichtshof entschied damals, dass „der Begriff ‚Vorverfahren‘ … so auszulegen ist, dass er ein Verwaltungsverfahren …, das lediglich eine Maßnahme der Verwaltung vorbereitet, nur dann umfasst, wenn es einem gerichtlichen oder quasigerichtlichen Verfahren unmittelbar vorausgeht und durchgeführt wird, um Beweise zu beschaffen oder ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, bevor das eigentliche Verfahren eröffnet wird“(21).

49.      In diesem Licht können meiner Ansicht nach im vorliegenden Fall nur Studien von der in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahme umfasst sein, die zu dem Zeitpunkt, zu dem der Zugang zu ihnen beantragt wird, in ein bereits laufendes Vertragsverletzungsverfahren einbezogen waren, sowie solche, die zwar keinen Sachverhalt betrafen, zu dem bereits ein Verfahren eingeleitet worden war, die aber in das Verfahren einbezogen werden sollten, dessen Einleitung unmittelbar bevorstand.

50.      Ich bin schlussendlich der Ansicht, dass ClientEarth Recht hat, wenn sie einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 rügt, soweit diejenigen Studien, auf die nicht unmittelbar ein Vertragsverletzungsverfahren folgte, ungerechtfertigterweise unter den Begriff der „Untersuchungstätigkeit“ gefasst wurden.

51.      Folglich ist dem Rechtsmittel in diesem Punkt stattzugeben.

52.      Wird dem ersten Teil stattgegeben, muss festgestellt werden, bei welchen Studien genau wegen ihres Bezugs zu einem Vertragsverletzungsverfahren, das zum Zeitpunkt des Antrags auf Zugang bereits eingeleitet ist oder dessen Einleitung demnächst bevorsteht, davon auszugehen ist, dass sie in ein solches Verfahren einbezogen sind. Diese Notwendigkeit führt dazu – wie in Nr. 76 dieser Schlussanträge dargelegt wird ‒, dass der Rechtsstreit an das Gericht zurückzuverweisen ist.

53.      Sobald das Gericht angibt, welche Studien eine Verbindung zu einem laufenden oder demnächst zu eröffnenden Vertragsverletzungsverfahren aufweisen, ist zu prüfen, ob ihre Offenlegung aufgrund der allgemeinen Vermutung verweigert werden kann, dass eine solche Verweigerung zum Schutz des Zwecks der Untersuchungstätigkeiten der Kommission erforderlich ist, ob also die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme anwendbar ist.

2.      Zweiter Teil: der Schutz der Untersuchungstätigkeiten und die allgemeine Vermutung zugunsten der Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten

54.      Diese Frage wird im zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes gestellt, in dem erörtert wird, ob im streitigen Fall die allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit anwendbar ist, auf die sich die Kommission beruft, um den Zugang zu den begehrten Dokumenten zu verweigern.

55.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann sich ein Organ, bei dem ein Antrag auf Zugang gestellt wird, im Zusammenhang mit einer bestimmten Kategorie von Dokumenten auf eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit berufen, wenn die Anträge auf Zugang zu ihnen Gegenstand ähnlicher allgemeiner Erwägungen sein können. Der Gerichtshof hat insbesondere eine entsprechende allgemeine Vermutung in Bezug auf Dokumente zugelassen, die Verfahren zur Kontrolle staatlicher Beihilfen(22), Kontrollverfahren im Bereich des Wettbewerbs(23), Vertragsverletzungsverfahren(24) und gerichtliche Verfahren(25) betreffen. 

56.      Im vorliegenden Fall ist jedoch fraglich, ob die streitigen Studien insgesamt und unterschiedslos den Zweck des Schutzes der Untersuchungstätigkeiten der Kommission in der Form, wie sie es im Prozess behauptet hat, gefährden können.

57.      Es muss berücksichtigt werden, dass es in sich in allen Fällen um Studien zum Grad der Erfüllung der Pflicht zur Umsetzung bestimmter Richtlinien durch mehrere Mitgliedstaaten handelt, die eine private Beratungsfirma im Auftrag der Kommission erstellt hat(26). Im angefochtenen Urteil wird ausgeführt, dass „diese Studien von der Kommission im Rahmen ihrer Verpflichtung gemäß Art. 17 EUV, die Anwendung des Unionsrechts unter der Kontrolle des Gerichtshofs zu überwachen, in Auftrag gegeben wurden“(27). Angesichts dessen lässt sich kaum in Abrede stellen, dass die streitigen Studien sowohl wegen ihres Gegenstands (Prüfung der Umsetzung bestimmter Richtlinien) wie ihres Autors (eine externe Beratungsfirma) in keiner Hinsicht „sensible“ und für die Kommission kompromittierende Informationen enthalten konnten.

58.      Ich räume ein, dass diese Studien möglicherweise nicht nur Informationen enthalten, die allen Privatpersonen zugänglich sind, denn wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, konnten sich ihre Autoren auf den Namen der Kommission berufen, um Zugang zu den Informationen zu erhalten, die für die Ausarbeitung der in Rede stehenden Studien benötigt wurden, und hatten daher wahrscheinlich Zugang zu Quellen, die Privatpersonen möglicherweise unzugänglich waren. Ich räume sogar ein, dass die Autoren im Namen der Kommission handelten, als sie Informationen einholten, auf deren Grundlage sie die Studien erstellten. Dessen ungeachtet ist hier aber entscheidend, dass es sich bei diesen Studien, einschließlich der in ihnen enthaltenen Bewertungen hinsichtlich des Grads der Erfüllung durch die Mitgliedstaaten und der Schlussfolgerungen, auf die ein konkreter Vorschlag zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens schließlich gestützt werden kann, jedenfalls um Studien handelt, die ihren Autoren zuzurechnen sind, keinesfalls aber der Kommission als solcher.

59.      Soweit dies der Fall ist, bin ich der Meinung, dass das Argument der Kommission, die Offenlegung der Studien hätte das Klima gegenseitigen Vertrauens zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten beeinträchtigen können, nicht stichhaltig ist, da ihr Inhalt nicht Ausdruck ihrer Auffassung gewesen ist und sie sich immer darauf berufen kann, dass die in Rede stehenden Studien nicht ihre Meinung zur Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht wiedergeben, und ihren rein informativen und instrumentalen Charakter gerade zu dem Zweck, sich ihr eigenes Urteil zu bilden, hervorheben kann.

60.      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass, selbst wenn die Autoren die verwendeten Informationen unter Berufung auf den Namen der Kommission einholen konnten, sich diese Informationen letztendlich nur auf den Grad der Erfüllung der Pflicht zur Umsetzung bestimmter Richtlinien durch die Mitgliedstaaten bezogen, d. h. auf eine Frage, die weitgehend und definitionsgemäß öffentlich und als solche allen Privatpersonen zugänglich sein muss. Eine andere Frage ist es, dass die Prüfung sämtlicher beteiligter Rechtsordnungen im Kontext einer Union, die damals aus 27 Mitgliedstaaten bestand, eine alles andere als zu vernachlässigende technische Schwierigkeit mit sich brachte, und sei es auch nur aus sprachlichen Gründen. Aufgrund dessen wurde das Interesse der Rechtsmittelführerin als Vereinigung, deren Ziel der Umweltschutz ist, an den Studien geweckt, und infolgedessen kommt dem Transparenzgrundsatz und mit ihm dem in Art. 42 der Charta der Grundrechte der Union anerkannten Recht auf Zugang zu Informationen und Dokumenten in diesem Kontext ein vorrangiger Wert zu.

61.      Da es sich bei den von der Rechtsmittelführerin begehrten Studien ausschließlich um die von der externen Beratungsfirma erstellten handelte, die keine Ergänzungen und Bewertungen durch die Kommission enthielten, sind sie nicht unmittelbar der Kommission zuzurechnen, sondern einem Dritten, und aus Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 ergibt sich, dass „[b]ezüglich Dokumente Dritter … das Organ diese [konsultiert], um zu beurteilen, ob eine der Ausnahmeregelungen der Absätze 1 oder 2 anwendbar ist, es sei denn, es ist klar, dass das Dokument verbreitet werden muss bzw. nicht verbreitet werden darf“.

62.      Daher bin ich der Ansicht, dass auch diesem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes stattzugeben ist. Jedenfalls ist es Sache des Gerichts, für jede einzelne Studie, die nach seiner Auffassung Bestandteil eines Vertragsverletzungsverfahrens ist, zu prüfen, ob sie Informationen, Meinungen und Bewertungen enthält, die in irgendeiner Weise die Kommission in einem Maße kompromittieren können, dass der Zweck des Schutzes ihrer Untersuchungstätigkeit beeinträchtigt wird, so dass es sich nicht auf die allgemeine Vermutung der Möglichkeit einer solchen Beeinträchtigung berufen kann.

B –    Zweiter Rechtsmittelgrund

63.      Der Umstand, dass dem ersten Rechtsmittelgrund stattgegeben wird, schließt die Prüfung des zweiten Rechtsmittelgrundes, mit dem die Rechtsmittelführerin geltend macht, dass die Anwendung von Art. 4 Abs. 4 Buchst. c des Übereinkommens von Århus auf den Fall zwingend die Notwendigkeit zur Folge habe, den Begriff der „Untersuchungstätigkeiten“ auf den Bereich des Straf- oder Disziplinarrechts zu beschränken, nicht grundsätzlich aus.

64.      Im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes sind daher Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, der allgemein von „Untersuchungstätigkeiten“ spricht, und Art. 4 Abs. 4 Buchst. c des Übereinkommens von Århus, der die Verweigerung von Informationen gestattet, die negative Auswirkungen auf „die Möglichkeit einer Behörde, Untersuchungen strafrechtlicher oder disziplinarischer Art durchzuführen“, haben können, gegenüberzustellen.

65.      Die Frage besteht letztendlich darin, ob die Bestimmung des Übereinkommens von Århus gegebenenfalls Vorrang vor derjenigen der Verordnung Nr. 1049/2001 hat.

66.      Nachdem der zweite Rechtsmittelgrund so formuliert wurde, kann die Antwort des Gerichtshofs auf diese Frage nicht anders ausfallen als die, die er in seinem kürzlich ergangenen Urteil vom 13. Januar 2015(28) gegeben hat, in dem die Große Kammer ‒ wenn auch in Bezug auf eine andere Bestimmung des Übereinkommens von Århus (Art. 9 Abs. 3, der die Aktivlegitimation betrifft) ‒ die ständige Rechtsprechung zur Möglichkeit der Berufung auf völkerrechtliche Vorschriften als Maßstab für die Gültigkeit des abgeleiteten Unionsrechts bestätigt hat.

67.      Dieselben Gründe, die die Große Kammer dazu veranlassten, die Möglichkeit einer Berufung auf Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus zu verneinen, führen auch dazu, sie für Art. 4 Abs. 4 Buchst. c des Übereinkommens zu verneinen, denn auch diese Bestimmung erfüllt nicht die in Rn. 54 des genannten Urteils dargestellten Voraussetzungen, nach denen sie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sein müssen.

68.      Tatsächlich ergibt sich aus Art. 4 Abs. 4 Buchst. c des Übereinkommens von Århus nicht unbedingt und hinreichend genau eine Verpflichtung, die sich unmittelbar auf die Rechtsposition von Privatpersonen auswirken könnte. Nach dieser Vorschrift kann „[e]in Antrag auf Informationen über die Umwelt … abgelehnt werden, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen hätte auf … c) laufende Gerichtsverfahren, die Möglichkeit einer Person, ein faires Verfahren zu erhalten, oder die Möglichkeit einer Behörde, Untersuchungen strafrechtlicher oder disziplinarischer Art durchzuführen“. Die Bezugnahme auf die „Möglichkeit …, Untersuchungen strafrechtlicher oder disziplinarischer Art durchzuführen“, ist zu allgemein und unbestimmt, als dass jegliche Tätigkeit der öffentlichen Gewalt hinsichtlich der Rechtmäßigkeitskontrolle des Verhaltens der Rechtssubjekte, die durch die Vorschriften gebunden sind, deren Beachtung die öffentliche Gewalt gewährleisten muss, darunter fallen könnte.

69.      In diesem Sinne kann man sagen, dass die Überprüfung, ob die Mitgliedstaaten ihrer Pflicht zur Umsetzung bestimmter Richtlinien nachkommen, und gegebenenfalls die Einleitung des entsprechenden Vertragsverletzungsverfahrens zur „Möglichkeit“ der Kommission gehört, „Untersuchungen durchzuführen“, die insoweit in einem weiten Sinne als „disziplinarisch“ eingestuft werden können, denn sie versetzen die Kommission in die Lage, die Einhaltung des Unionsrechts durch Wahrnehmung der Sanktionsbefugnis sicherzustellen, die ihr die Verträge zu diesem Zweck verleihen. Nur wenn sich aus Art. 4 Abs. 4 Buchst. c des Übereinkommens von Århus unmissverständlich ergeben sollte, dass sich die Bezugnahme auf „die Möglichkeit einer Behörde, Untersuchungen strafrechtlicher oder disziplinarischer Art durchzuführen“, auf Verfahren gegen Privatpersonen beschränkt, wäre der Schluss zu ziehen, dass Verfahren, die das Verhalten der Mitgliedstaaten zum Gegenstand haben, nicht darunter fallen. Da die Europäische Union eine Union von Staaten ist, liegt es in der ihr eigenen und besonderen Natur, dass die Verfahren zur Kontrolle des rechtmäßigen Verhaltens ihrer Hauptakteure ‒ der Mitgliedstaaten ‒ mit den Worten des Übereinkommens von Århus als in diesem Sinne „disziplinarische“ Verfahren auszulegen sind. Folglich würde die von ClientEarth vorgeschlagene Auslegung von Art. 4 Abs. 4 Buchst. c des genannten Übereinkommens eine Konkretisierung erfordern, ohne die sich diese Vorschrift nicht unmittelbar auf ihre besondere Rechtsposition auswirken kann.

C –    Dritter Rechtsmittelgrund

70.      Mit dem letzten Rechtsmittelgrund, der gegenüber den vorhergehenden eindeutig subsidiär ist, stellt ClientEarth die Frage nach der Bedeutung des öffentlichen Interesses, mit dem letztendlich die Offenlegung eines Dokuments selbst dann gerechtfertigt werden kann, wenn sie rechtliche Interessen beeinträchtigt, die durch eine der von der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen geschützt sind. Ihrer Ansicht nach darf dieses übergeordnete rechtliche Interesse nicht von den Grundsätzen verschieden sein, denen der Transparenzgrundsatz dient, so dass das Gericht, da es dies verkannt habe, die Beweislast zu ihren Lasten verkehrt habe.

71.      In Rn. 107 des angefochtenen Urteils heißt es: „Nach der Rechtsprechung muss … das in Art. 4 Abs. 2 a. E. und Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 a. E. der Verordnung Nr. 1049/2001 angeführte überwiegende öffentliche Interesse, das die Offenlegung eines Dokuments, die durch die Ausnahmen nach diesen Bestimmungen geschützte rechtliche Interessen beeinträchtigt oder ernstlich beeinträchtigt, rechtfertigen kann, von den oben genannten der Verordnung zugrunde liegenden Grundsätzen verschieden sein (Urteil API/Kommission, oben in Randnr. 52 angeführt, Randnr. 97)“.

72.      Der Gerichtshof hat klargestellt, dass „[d]as überwiegende öffentliche Interesse an der Verbreitung eines Dokuments … sich … nicht notwendigerweise von den Grundsätzen unterscheiden [muss], auf denen die Verordnung Nr. 1049/2001 aufbaut“(29). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind allgemeine Erwägungen jedoch nicht geeignet, darzutun, dass der Transparenzgrundsatz „eine besondere Dringlichkeit aufweist, die gegenüber den Gründen für die Verweigerung der Freigabe der fraglichen Dokumente schwerer hätte wiegen können“(30). Die Rechtsmittelführerin kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass die bloße Berufung auf den Transparenzgrundsatz ausreicht, um die Offenlegung eines Dokuments, durch die die rechtlichen Interessen beeinträchtigt werden, die durch die in Rede stehenden Ausnahmen geschützt sind, zu rechtfertigen.

73.      Jedenfalls wird der Umstand, dass dem ersten Rechtsmittelgrund stattzugeben und die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen ist, für den Fall, dass die konkreten Studien von der in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahme umfasst sind, die Feststellung ermöglichen müssen, ob ClientEarth hinreichende Gründe darlegt, um nachzuweisen, dass das dem Transparenzgrundsatz zugrunde liegende übergeordnete Interesse gegenüber dem Zweck des Schutzes der Untersuchungstätigkeiten der Kommission vorrangig sein muss.

VII – Zur abschließenden Entscheidung des Gerichtshofs über den Rechtsstreit

74.      Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs bestimmt: „Ist das Rechtsmittel begründet, so hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist.“

75.      Meiner Ansicht nach kann der Gerichtshof, wenn er meinem Vorschlag folgt und dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes stattgibt, den Rechtsstreit nicht selbst endgültig entscheiden, so dass er an das Gericht zurückverwiesen werden muss.

76.      Um nämlich einerseits die Studien, bei denen die Eröffnung eines Verfahrens ausgeschlossen werden konnte, und andererseits diejenigen, die sich auf Fälle bezogen, in denen die Möglichkeit seiner unmittelbar bevorstehenden Eröffnung noch bestand, genau voneinander abgrenzen zu können, muss von Fall zu Fall festgestellt werden, ob die Einleitung des Verfahrens zum Zeitpunkt des Antrags auf Zugang zu diesen Studien bei vernünftiger Betrachtung wahrscheinlich war. Dazu sind die Auswirkung der Zeit, die verstrichen ist, seitdem sie der Kommission zur Verfügung standen, sowie die Umstände, die die Tatsache rechtfertigen könnten, dass sich die Kommission bislang noch nicht dafür entschieden hat, ein Verfahren einzuleiten, abzuwägen. Dies hat zur Folge, dass die Rechtssache zur Entscheidung über diesen Punkt an das Gericht zurückzuverweisen ist.

77.      Wenn der Gerichtshof darüber hinaus dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes stattgäbe, müsste die Sache ebenfalls an das Gericht zurückverwiesen werden, damit es – ohne sich auf die allgemeine Vermutung des Vorliegens einer möglichen Beeinträchtigung des Zwecks der Untersuchungstätigkeit der Kommission zu berufen – prüft, ob jede einzelne der Studien, die nach Auffassung des Gerichts Bestandteil eines Vertragsverletzungsverfahrens sind, Informationen, Meinungen oder Bewertungen enthält, die in irgendeiner Weise die Kommission in einem Maße kompromittieren können, dass dieser Zweck beeinträchtigt wird.

VIII – Kosten

78.      Ich schlage dem Gerichtshof vor, die Kommission nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

IX – Ergebnis

79.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor,

1.      dem ersten Rechtsmittelgrund stattzugeben;

2.      das Urteil des Gerichts vom 13. September 2013 (T‑111/11, EU:T:2013:482) aufzuheben;

3.      die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen, damit es darüber entscheidet, welche der streitigen Studien konkret unter die Kategorie der „Untersuchungstätigkeit“ fallen, weil sie entweder Bestandteil eines laufenden Verfahrens sind oder mit einem Verfahren im Zusammenhang stehen, dessen Einleitung bei vernünftiger Betrachtung in einem ebenso vernünftigen Zeitraum wahrscheinlich ist. Dabei muss das Gericht prüfen, ob jede einzelne der Studien, die nach seiner Auffassung Bestandteil eines Vertragsverletzungsverfahrens sind, Informationen, Meinungen oder Bewertungen enthält, die die Kommission in irgendeiner Weise in einem Maß kompromittieren können, dass der Zweck ihrer Untersuchungstätigkeit beeinträchtigt wird, so dass es sich nicht auf die allgemeine Vermutung der Möglichkeit einer solchen Beeinträchtigung berufen kann;

4.      die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen.


1 – Originalsprache: Spanisch.


2 – Diese Rechtsprechung wurde in Entscheidungen zu Dokumenten im Zusammenhang mit Verfahren zur Kontrolle staatlicher Beihilfen (Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376), Kontrollverfahren im Bereich des Wettbewerbs (Kommission/Éditions Odile Jacob, C‑404/10 P, EU:C:2012:393), Vertragsverletzungsverfahren (LPN und Finnland/Kommission, C‑514/11 P und C‑605/11 P, EU:C:2013:738) und gerichtlichen Verfahren (Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541) entwickelt.


3 – Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43).


4 – Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt durch den Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. L 124, S. 1).


5 – Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. L 264, S. 13).


6 – Rechtssache T‑111/11 (EU:T:2013:482).


7 – Verbundene Rechtssachen C‑514/11 P und C‑605/11 P (EU:C:2013:738).


8 – Angefochtenes Urteil, Rn. 17.


9 – Angefochtenes Urteil, Rn. 49.


10 – Angefochtenes Urteil, Rn. 50.


11 – Angefochtenes Urteil, Rn. 58. Hervorhebung nur hier.


12 – Urteil vom 12. September 2007 (T‑36/04, EU:T:2007:258).


13 – Angefochtenes Urteil, Rn. 58 a. E.


14 – Angefochtenes Urteil, Rn. 79.


15 – Angefochtenes Urteil, Rn. 80. Hervorhebung nur hier.


16 – Rn. 18 bis 22.


17 – Die Kommission führt in diesem Sinne mehrere Entscheidungen des Gerichts an, die der Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren bestätigt hat: Bavarian Lager (T‑309/97, EU:T:1999:257), API/Kommission (EU:T:2007:258), Technische Glaswerke Ilmenau (T‑237/02, EU:T:2007:257) und Éditions Odile Jacob (T‑237/05, EU:T:2006:395). Expliziter hat der Gerichtshof in der Rechtssache Mecklenburg (C‑321/96, EU:C:1998:300, Rn. 30) Stellung genommen.


18 – Insbesondere wurde im 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1367/2006 im Zusammenhang mit dem Zugang zu Umweltinformationen ausgeführt, dass die Gründe für die Verweigerung des Zugangs zu Umweltinformationen eng ausgelegt werden sollten.


19 – Urteil vom 17. Juni 1998 (C‑321/96, EU:C:1998:300).


20 – Richtlinie des Rates vom 7. Juni 1990 (ABl. L 158, S. 56).


21 – Urteil Mecklenburg (C‑321/96, EU:C:1998:300, Rn. 30).


22 – Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau (C‑139/07 P, EU:C:2010:376).


23 – Sowohl im Zusammenhang mit Unternehmenszusammenschlüssen, Urteil vom 28. Juni 2012, Kommission/Éditions Odile Jacob (C‑404/10 P, EU:C:2012:393), als auch in Verfahren wegen Absprachen, Urteil vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW (C‑365/12 P, EU:C:2014:112). Siehe zu dieser Frage Lenaerts, K., „The Interplay between Regulation nº 1049/2001 on Access to Documents and the Specific EU Regulations in the Field of Competition Law“, in Mundi et Europae civis. Liber Amicorum Jacques Steenbergen, Larcier, Brüssel, 2014, S. 483 bis 492.


24 – Rechtssache LPN und Finnland/Kommission (C‑514/11 P und C‑605/11 P, EU:C:2013:738).


25 – Urteil vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission (C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541).


26 – Nach Rn. 49 des angefochtenen Urteils „… betreffen die streitigen Studien die Umsetzung verschiedener Umweltschutzrichtlinien der Union durch 19 Mitgliedstaaten“.


27 – Ebd.


28 – Rat u. a./Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht (C‑401/12 P bis C‑403/12 P, EU:C:2015:4).


29 – LPN und Finnland/Kommission (C‑514/11 P und C‑605/11 P, EU:C:2013:738, Rn. 92) unter Bezugnahme auf das Urteil vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat (C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 74 und 75).


30 – LPN und Finnland/Kommission (C‑514/11 P und C‑605/11 P, EU:C:2013:738, Rn. 93).