Language of document : ECLI:EU:C:2018:1017

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

13. Dezember 2018(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2002/22/EG – Elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste – Universaldienst und Nutzerrechte – Unternehmen, das ein für die öffentliche Verbreitung von Hör- und Fernsehrundfunkkanälen genutztes elektronisches Kommunikationsnetz betreibt – Unternehmen, das die Echtzeitübertragung (Live-Streaming) von Fernsehprogrammen im Internet anbietet – Übertragungspflicht“

In der Rechtssache C‑298/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d'État (Staatsrat, Frankreich) mit Entscheidung vom 10. Mai 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Mai 2017, in dem Verfahren

France Télévisions SA

gegen

Playmédia,

Conseil supérieur de l’audiovisuel (CSA),

Beteiligter:

Ministère de la culture et de la communication,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász und C. Vajda (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der France Télévisions SA, vertreten durch E. Piwnica, avocat,

–        der Playmédia, vertreten durch T. Haas, avocat,

–        der französischen Regierung, vertreten durch R. Coesme, D. Colas und D. Segoin als Bevollmächtigte,

–        der litauischen Regierung, vertreten durch R. Krasuckaitė, D. Kriaučiūnas und R. Dzikovič als Bevollmächtigte,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, L. Nicolae und J. Hottiaux als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Juli 2018

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 51) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. 2009, L 337, S. 11) geänderten Fassung (im Folgenden: Universaldienstrichtlinie).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der France Télévisions SA und dem Conseil supérieur de l’audiovisuel (Aufsichtsbehörde für die audiovisuellen Medien, im Folgenden: CSA) wegen der Entscheidung Nr. 2015‑232 vom 27. Mai 2015, mit der der CSA sie aufgefordert hat, künftig im Einklang mit Art. 34‑2 der Loi n° 86‑1067, du 30 septembre 1986, relative à la liberté de la communication (Gesetz Nr. 86‑1067 vom 30. September 1986 über die Kommunikationsfreiheit, im Folgenden: Gesetz über die Kommunikationsfreiheit) die Übertragung der von ihr herausgegebenen Programme durch Playmédia auf deren Website als Echtzeitübertragung (Livestream) zu dulden.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Rahmenrichtlinie

3        Der fünfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 33) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. 2009, L 337, S. 37) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenrichtlinie) lautet:

„Angesichts der Verschmelzung von Telekommunikation, Medien und Informationstechnologien sollte für alle Übertragungsnetze und ‑dienste ein einheitlicher Rechtsrahmen gelten. Dieser Rechtsrahmen besteht aus der vorliegenden Richtlinie und folgenden Einzelrichtlinien: der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (Genehmigungsrichtlinie) [(ABl. 2002, L 108, S. 21)], der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) [(ABl. 2002, L 108, S. 7)], der [Universaldienstrichtlinie] und der Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation [(ABl. 1998, L 24, S. 1)] (nachfolgend ‚Einzelrichtlinien‘ genannt). Es ist notwendig, die Regulierung der Übertragung von der Regulierung von Inhalten zu trennen. Dieser Rahmen betrifft daher nicht die Inhalte von Diensten, die über elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste bereitgestellt werden, wie Rundfunkinhalte oder Finanzdienste und bestimmte Dienste der Informationsgesellschaft; er lässt folglich alle Maßnahmen unberührt, die auf Gemeinschaftsebene oder im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht auf der Ebene der Mitgliedstaaten in Bezug auf diese Dienste getroffen werden, um die kulturelle und sprachliche Vielfalt zu fördern und die Wahrung des Pluralismus der Medien sicherzustellen. Inhalte von Fernsehprogrammen fallen unter die Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit [(ABl. 1989, L 298, S. 23)]. Bei der Trennung der Regulierung von Übertragung und Inhalten sind dennoch die Verbindungen zwischen beiden zu berücksichtigen, insbesondere zur Gewährleistung des Pluralismus der Medien, der kulturellen Vielfalt und des Verbraucherschutzes.“

4        Art. 1 („Geltungsbereich und Zielsetzung“) der Rahmenrichtlinie sieht in seinen Abs. 2 und 3 vor:

„(2)      Verpflichtungen, die durch innerstaatliche Rechtsvorschriften aufgrund des Gemeinschaftsrechts oder durch Rechtsvorschriften der Gemeinschaft für Dienste auferlegt werden, die mit Hilfe elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste erbracht werden, bleiben von dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien unberührt.

(3)      Die von der Gemeinschaft oder den Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht getroffenen Maßnahmen zur Verfolgung von Zielen, die im Interesse der Allgemeinheit liegen, insbesondere in Bezug auf die Regulierung von Inhalten und die audiovisuelle Politik, bleiben von dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien unberührt.“

5        In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Rahmenrichtlinie heißt es:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a)      ‚elektronisches Kommunikationsnetz‘: Übertragungssysteme und gegebenenfalls Vermittlungs- und Leitwegeinrichtungen sowie anderweitige Ressourcen – einschließlich der nicht aktiven Netzbestandteile –, die die Übertragung von Signalen über Kabel, Funk, optische oder andere elektromagnetische Einrichtungen ermöglichen, einschließlich Satellitennetze, feste (leitungs- und paketvermittelte, einschließlich Internet) und mobile terrestrische Netze, Stromleitungssysteme, soweit sie zur Signalübertragung genutzt werden, Netze für Hör- und Fernsehfunk sowie Kabelfernsehnetze, unabhängig von der Art der übertragenen Informationen;

m)      ‚Bereitstellung eines elektronischen Kommunikationsnetzes‘: die Errichtung, den Betrieb, die Kontrolle oder die Zurverfügungstellung eines derartigen Netzes;

…“

 Universaldienstrichtlinie

6        Der 45. Erwägungsgrund der Universaldienstrichtlinie lautet:

„Dienste, die die Bereitstellung von Inhalten wie das Angebot des Verkaufs eines Bündels von Hörfunk- oder Fernsehinhalten umfassen, fallen nicht unter den gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste. Die Anbieter dieser Dienste sollten in Bezug auf diese Tätigkeiten keiner Universaldienstverpflichtung unterliegen. Mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbarende einzelstaatliche Maßnahmen in Bezug auf diese Dienste bleiben von dieser Richtlinie unberührt.“

7        Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Richtlinie sieht vor:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten die Begriffsbestimmungen in Artikel 2 der [Rahmenrichtlinie].

…“

8        Art. 31 („Übertragungspflichten“) Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten können zur Übertragung bestimmter Hör- und Fernsehrundfunkkanäle und ergänzender, insbesondere zugangserleichternder Dienste, die behinderten Endnutzern einen angemessenen Zugang ermöglichen, den ihrer Rechtshoheit unterliegenden Unternehmen, die für die öffentliche Verbreitung von Hörfunk- und Fernsehrundfunkkanälen genutzte elektronische Kommunikationsnetze betreiben, zumutbare Übertragungspflichten auferlegen, wenn eine erhebliche Zahl von Endnutzern diese Netze als Hauptmittel zum Empfang von Hörfunk- und Fernsehrundfunkkanälen nutzt. Solche Pflichten dürfen nur auferlegt werden, soweit sie zur Erreichung der von den einzelnen Mitgliedstaaten ausdrücklich festgelegten Ziele von allgemeinem Interesse erforderlich sind, und sie müssen verhältnismäßig und transparent sein.

Die Mitgliedstaaten überprüfen die Pflichten nach Unterabsatz 1 spätestens ein Jahr nach dem 25. Mai 2011, es sei denn der betreffende Mitgliedstaat hat eine solche Überprüfung innerhalb der beiden vorangegangenen Jahre vorgenommen.

Die Mitgliedstaaten überprüfen die Übertragungspflichten regelmäßig.“

 Französisches Recht

9        Art. 2-1 des Gesetzes über die Kommunikationsfreiheit lautet:

„Für die Anwendung des vorliegenden Gesetzes bezeichnet der Begriff Diensteverbreiter eine Person, die vertragliche Beziehungen mit Diensteherausgebern eingeht, um ein Angebot für Dienstleistungen der audiovisuellen Kommunikation zu erstellen, das der Öffentlichkeit über ein elektronisches Kommunikationsnetz im Sinne des Art. L. 32 Abs. 2 des Code des postes et des communications électroniques [Gesetz über das Postwesen und elektronische Kommunikation] zur Verfügung gestellt wird. Als Diensteverbreiter gilt auch, wer ein solches Angebot erstellt, indem er vertragliche Beziehungen mit anderen Verbreitern eingeht.“

10      In Art. 34-2 Abs. I dieses Gesetzes heißt es:

„Im europäischen Teil des Hoheitsgebiets stellt jeder Diensteverbreiter in einem Netz, das keine vom [CSA] vergebenen terrestrischen Frequenzen verwendet, seinen Teilnehmern unentgeltlich die Dienstleistungen der in Art. 44 Abs. I angeführten Gesellschaften und den Kanal Arte, die terrestrisch analog übertragen werden, sowie den Kanal TV 5 und den Fernsehdienst, der terrestrisch digital übertragen wird, zu besserer Kenntnis über die überseeischen Gebiete beitragen soll, speziell für die Öffentlichkeit des europäischen Teils des Hoheitsgebiets bestimmt ist und von der in Art. 44 Abs. I angeführten Gesellschaft herausgegeben wird, zur Verfügung, es sei denn, diese Herausgeber sind der Ansicht, dass die Bereitstellung der Dienste mit der Wahrung ihrer öffentlichen Aufgaben offensichtlich unvereinbar ist. Bietet er digitale Dienste an, stellt er den Teilnehmern dieser Dienste die terrestrisch digital übertragenen Dienste dieser Gesellschaften ebenfalls unentgeltlich zur Verfügung.

…“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11      Playmédia bietet die Echtzeitübertragung (Livestreaming) von Fernsehprogrammen auf einer Website an und finanziert dies hauptsächlich durch die Verbreitung von Werbung vor und während der Übertragung. Unter Berufung auf die Eigenschaft als Diensteverbreiter im Sinne von Art. 2‑1 des Gesetzes über die Kommunikationsfreiheit meint Playmédia, aus Art. 34‑2 dieses Gesetzes das Recht zur Übertragung der von France Télévisions herausgegebenen Programme ableiten zu können. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass France Télévisions diese Programme selbst als Livestream auf einer Website überträgt, die sie der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt.

12      Mit Entscheidung vom 27. Mai 2015 forderte der CSA France Télévisions auf, den Bestimmungen von Art. 34‑2 des Gesetzes über die Kommunikationsfreiheit nachzukommen, indem sie die Echtzeitübertragung ihrer Programme durch Playmédia auf deren Website duldet.

13      Mit summarischer Klageschrift, die am 6. Juli 2015 in das Register der Geschäftsstelle der Streitsachenabteilung des Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) eingetragen wurde, beantragte France Télévisions die Nichtigerklärung dieser Entscheidung- und trug vor, Playmédia könne sich die Verpflichtung nach Art. 34‑2 des genannten Gesetzes nicht zunutze machen. Die Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie seien nicht erfüllt, da insbesondere nicht nachgewiesen werden könne, dass eine erhebliche Zahl von Nutzern des Internets dieses als Hauptmittel zum Empfang von Fernsehsendungen nutze.

14      Unter diesen Umständen hat der Conseil d’État (Staatsrat) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist ein Unternehmen, das die Echtzeitübertragung (Live-Streaming) von Fernsehprogrammen im Internet anbietet, allein aus diesem Grund als ein Unternehmen anzusehen, das im Sinne von Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie ein für die öffentliche Verbreitung von Hör- und Fernsehrundfunkdiensten genutztes elektronisches Kommunikationsnetz betreibt?

2.      Falls die erste Frage zu verneinen ist: Kann ein Mitgliedstaat sowohl Unternehmen, die elektronische Kommunikationsnetze betreiben, als auch Unternehmen, die die Echtzeitübertragung (Live-Streaming) von Fernsehprogrammen im Internet anbieten, ohne solche Netze zu betreiben, eine Pflicht zur Übertragung von Hör- und Fernsehdiensten auferlegen, ohne gegen die Richtlinie oder andere unionsrechtliche Vorschriften zu verstoßen?

3.      Falls die zweite Frage zu bejahen ist: Können die Mitgliedstaaten davon absehen, die Übertragungspflicht in Bezug auf die Diensteverbreiter, die keine elektronischen Kommunikationsnetze betreiben, den in Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie vorgesehenen Bedingungen zu unterwerfen, auch wenn diese Bedingungen gemäß der Richtlinie in Bezug auf Netzbetreiber vorgeschrieben sind?

4.      Kann ein Mitgliedstaat, der eine Pflicht zur Übertragung bestimmter Hör- und Fernsehdienste in bestimmten Netzen eingeführt hat, ohne Verstoß gegen die Richtlinie für diese Dienste die Verpflichtung vorsehen, die Übertragung in diesen Netzen einschließlich der Übertragung auf einer Website zu dulden, wenn der fragliche Dienst seine Programme selbst im Internet überträgt?

5.      Ist die in Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie vorgesehene Bedingung, dass eine erhebliche Zahl von Endnutzern der der Übertragungspflicht unterliegenden Netze diese als Hauptmittel zum Empfang von Hörfunk- und Fernsehsendungen nutzen müssen, bei einer Übertragung per Internet im Hinblick auf alle Nutzer zu beurteilen, die Fernsehprogramme als Livestream im Internet ansehen, oder nur im Hinblick auf die Nutzer der Website, die der Übertragungspflicht unterliegt?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

15      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Unternehmen, das die Echtzeitübertragung (Live-Streaming) von Fernsehprogrammen im Internet anbietet, allein aus diesem Grund als ein Unternehmen anzusehen ist, das ein für die öffentliche Verbreitung von Hör- und Fernsehrundfunkkanälen genutztes elektronisches Kommunikationsnetz betreibt.

16      Dazu ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie den ihrer Rechtshoheit unterliegenden Unternehmen, die für die öffentliche Verbreitung von Hör- und Fernsehrundfunkkanälen genutzte elektronische Kommunikationsnetze betreiben, unter bestimmten Voraussetzungen Übertragungspflichten auferlegen können.

17      Die „Bereitstellung eines elektronischen Kommunikationsnetzes“ bezeichnet gemäß Art. 2 Buchst. m der Rahmenrichtlinie „die Errichtung, den Betrieb, die Kontrolle oder die Zurverfügungstellung eines derartigen Netzes“. Nach Art. 2 der Universaldienstrichtlinie gilt diese Definition im Rahmen der Universaldienstrichtlinie.

18      Die Tätigkeit, die darin besteht, die Echtzeitübertragung (Live-Streaming) von Fernsehprogrammen auf einer Website anzubieten, fällt nicht unter diese Definition. Denn es kann nicht allein wegen des Umstands, dass ein Unternehmen ein Benutzer eines elektronischen Kommunikationsnetzes im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Rahmenrichtlinie, nämlich des Internets, ist, um diese Dienste anzubieten, angenommen werden, dass es selbst ein Anbieter eines solchen Netzes ist.

19      Im vorliegenden Fall stellt ein Unternehmen wie Playmédia, das sich darauf beschränkt, im Internet die Echtzeitübertragung von Fernsehprogrammen anzubieten, kein elektronisches Kommunikationsnetz bereit, sondern bietet dagegen Zugang zu den Inhalten audiovisueller Dienste an, die über elektronische Kommunikationsnetze bereitgestellt werden, wie der Generalanwalt in Nr. 23 seiner Schlussanträge ausführt.

20      Aus dem fünften Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie geht aber klar hervor, dass es notwendig ist, die Regulierung der Übertragung von der Regulierung von Inhalten zu trennen und dass der gemeinsame Rechtsrahmen, zu dem die Universaldienstrichtlinie gehört, nicht die Inhalte von Diensten betrifft, die über elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste bereitgestellt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. November 2013, UPC Nederland, C‑518/11, EU:C:2013:709, Rn. 38).

21      Außerdem fallen die Dienste, die die Bereitstellung von Inhalten umfassen, nach dem 45. Erwägungsgrund der Universaldienstrichtlinie nicht unter den gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste, und diese Dienste unterliegen in Bezug auf diese Tätigkeiten keiner Universaldienstverpflichtung. Folglich fällt ein Unternehmen, das sich darauf beschränkt, mittels einer Website Zugang zu Inhalten anzubieten, die im Internet bereitgestellt werden, nicht unter Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie.

22      Unter diesen Umständen ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Unternehmen, das die Echtzeitübertragung (Live-Streaming) von Fernsehprogrammen im Internet anbietet, nicht allein aus diesem Grund als ein Unternehmen anzusehen ist, das ein für die öffentliche Verbreitung von Hör- und Fernsehrundfunkkanälen genutztes elektronisches Kommunikationsnetz betreibt.

 Zu den Fragen 2 bis 4

23      Mit seinen Fragen 2 bis 4, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Bestimmungen der Universaldienstrichtlinie oder andere Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen sind, dass sie einen Mitgliedstaat daran hindern, in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens Unternehmen, die – ohne elektronische Kommunikationsnetze bereitzustellen – im Internet die Echtzeitübertragung von Fernsehprogrammen anbieten, eine Übertragungspflicht aufzuerlegen.

24      Die Erheblichkeit dieser Fragen ist dadurch zu erklären, dass im Ausgangsverfahren offensichtlich Unternehmen, die nicht unter Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie fallen, nach nationalem Recht Übertragungspflichten auferlegt worden sind. Wie nämlich aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, unterscheidet sich der Anwendungsbereich der in den Art. 2‑1 und 34‑2 des Gesetzes über die Kommunikationsfreiheit vorgesehenen Übertragungspflicht von demjenigen in Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie. Im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits ist es Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob Unternehmen wie Playmédia tatsächlich Übertragungspflichten auferlegt worden sind.

25      In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass gemäß Art. 1 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie die von der Union oder den Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Unionsrecht getroffenen Maßnahmen zur Verfolgung von Zielen, die im Interesse der Allgemeinheit liegen, insbesondere in Bezug auf die Regulierung von Inhalten und die audiovisuelle Politik, von den zum gemeinsamen Rechtsrahmen gehörenden Richtlinien unberührt bleiben.

26      Außerdem ergibt sich aus dem fünften Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie, dass der gemeinsame Rechtsrahmen, zu dem die Universaldienstrichtlinie gehört, nicht die Inhalte von Diensten betrifft, die über elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste bereitgestellt werden, und er alle Maßnahmen unberührt lässt, die auf Unionsebene oder im Einklang mit dem Unionsrecht auf der Ebene der Mitgliedstaaten in Bezug auf diese Dienste getroffen werden, um die kulturelle und sprachliche Vielfalt zu fördern und die Wahrung des Pluralismus der Medien sicherzustellen.

27      Demnach steht es den Mitgliedstaaten nach der Universaldienstrichtlinie frei, Übertragungspflichten aufzuerlegen, die über die in Art. 31 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen hinausgehen, u. a. Unternehmen, die – ohne elektronische Kommunikationsnetze bereitzustellen – die Echtzeitübertragung von Fernsehprogrammen im Internet anbieten.

28      Soweit das vorlegende Gericht auf „andere Vorschriften des Unionsrechts“ verweist, ist festzustellen, dass eine genauere Bezeichnung der unionsrechtlichen Bestimmungen, um deren Auslegung das vorlegende Gericht ersucht, nach dem Vorabentscheidungsersuchen nicht möglich ist.

29      Die Mitgliedstaaten müssen zwar das Unionsrecht und insbesondere die in Art. 56 AEUV verankerten Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr beachten, wenn sie Unternehmen, die nicht unter Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie fallen, Übertragungspflichten auferlegen.

30      Selbst wenn die Bezugnahme auf „andere Vorschriften des Unionsrechts“ in der Vorlageentscheidung als Hinweis auf Art. 56 AEUV zu verstehen ist, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen des AEU-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr auf einen Sachverhalt, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, keine Anwendung finden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2016, Ullens de Schooten, C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Im vorliegenden Fall scheint kein Merkmal des Ausgangsverfahrens über die Grenzen des französischen Hoheitsgebiets hinauszuweisen. In diesem Rechtsstreit stehen sich nämlich ein französisches Unternehmen und der CSA wegen der Weigerung dieses Unternehmens, die Übertragung der von ihm herausgegebenen Programme durch ein anderes französisches Unternehmen zu dulden, gegenüber.

32      In den Rn. 50 bis 53 des Urteils vom 15. November 2016, Ullens de Schooten (C‑268/15, EU:C:2016:874), ist der Gerichtshof auf die vier Konstellationen eingegangen, in denen es sich, obwohl kein Merkmal der Ausgangsrechtsstreitigkeiten über die Grenzen eines einzelnen Mitgliedstaats hinausweist, zur Lösung dieser Rechtsstreitigkeiten dennoch als erforderlich erweisen kann, eine Auslegung der Bestimmungen der Verträge über die Grundfreiheiten vorzunehmen (Urteil vom 20. September 2018, Fremoluc, C‑343/17, EU:C:2018:754, Rn. 20).

33      Der Gerichtshof hat jedoch ausgeführt, dass es im Zusammenhang mit einem Sachverhalt, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, Sache des vorlegenden Gerichts ist, dem Gerichtshof den Anforderungen von Art. 94 seiner Verfahrensordnung entsprechend anzugeben, inwieweit der bei ihm anhängige Rechtsstreit trotz seines rein innerstaatlichen Charakters einen Anknüpfungspunkt bezüglich der Vorschriften des Unionsrechts betreffend die Grundfreiheiten aufweist, der die Auslegung im Wege der Vorabentscheidung, um die ersucht wird, für die Entscheidung dieses Rechtsstreits erforderlich macht (Urteil vom 15. November 2016, Ullens de Schooten, C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 55).

34      Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht aber nicht angegeben, inwieweit der bei ihm anhängige Rechtsstreit trotz seines rein innerstaatlichen Charakters einen Anknüpfungspunkt bezüglich der Vorschriften des Unionsrechts über den freien Dienstleistungsverkehr aufweist, der die Auslegung von Art. 56 AEUV für die Entscheidung dieses Rechtsstreits erforderlich macht.

35      Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Fragen 2 bis 4 unzulässig sind, soweit sie „andere Vorschriften des Unionsrechts“ betreffen.

36      Unter diesen Umständen ist auf die Fragen 2 bis 4 zu antworten, dass die Bestimmungen der Universaldienstrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens Unternehmen, die – ohne elektronische Kommunikationsnetze bereitzustellen – im Internet die Echtzeitübertragung von Fernsehprogrammen anbieten, eine Übertragungspflicht aufzuerlegen.

 Zur fünften Frage

37      Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob in einer Rechtssache wie der des Ausgangsverfahrens die in Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie vorgesehene Bedingung, dass eine erhebliche Zahl von Endnutzern der der Übertragungspflicht unterliegenden Netze diese als Hauptmittel zum Empfang von Fernsehrundfunkkanälen nutzen müssen, im Hinblick auf alle Nutzer zu beurteilen ist, die Fernsehprogramme im Internet ansehen, oder nur im Hinblick auf die Nutzer der Website des Unternehmens, das der Übertragungspflicht unterliegt.

38      Wie aus den Rn. 19 und 21 des vorliegenden Urteils hervorgeht, fällt im vorliegenden Fall ein Unternehmen wie Playmédia nicht unter Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie. Für Unternehmen, die nicht unter diese Bestimmung fallen, ist nach dem Unionsrecht aber die Erfüllung der Bedingung, dass eine erhebliche Zahl von Endnutzern der der Übertragungspflicht unterliegenden Netze diese als Hauptmittel zum Empfang von Fernsehrundfunkkanälen nutzen müssen, nicht vorgeschrieben.

39      Unter diesen Umständen bedarf die fünfte Frage keiner Beantwortung.

 Kosten

40      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und diensten (Universaldienstrichtlinie) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Unternehmen, das die Echtzeitübertragung (Live-Streaming) von Fernsehprogrammen im Internet anbietet, nicht allein aus diesem Grund als ein Unternehmen anzusehen ist, das ein für die öffentliche Verbreitung von Hör- und Fernsehrundfunkkanälen genutztes elektronisches Kommunikationsnetz betreibt.

2.      Die Bestimmungen der Richtlinie 2002/22 in der durch die Richtlinie 2009/136 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens Unternehmen, die – ohne elektronische Kommunikationsnetze bereitzustellen – im Internet die Echtzeitübertragung (Live-Streaming) von Fernsehprogrammen anbieten, eine Übertragungspflicht aufzuerlegen.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.