Language of document : ECLI:EU:C:2015:219

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PEDRO CRUZ VILLALÓN

vom 14. April 2015(1)

Rechtssache C‑615/13 P

ClientEarth,

Pesticide Action Network Europe

gegen

European Food Safe Authority

„Rechtsmittel – Zugang zu Dokumenten der Organe – Verordnung Nr. 1049/2001 und Verordnung Nr. 45/2001 – Dokumente zu einem Entwurf von Leitlinien für die wissenschaftliche Literatur, die Anträgen auf Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und darin enthaltenen Wirkstoffen beizufügen ist – Teilweise Verweigerung des Zugangs – Ausnahme zum Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen – Begriff der ‚personenbezogenen Daten‘ – Voraussetzungen für die Übermittlung personenbezogener Daten – Nachweis der ‚Notwendigkeit‘ der Übermittlung“





1.        Die vorliegende Rechtssache bietet dem Gerichtshof die Möglichkeit, über eine Frage zu entscheiden, die einem in seiner Rechtsprechung wiederkehrenden Problem relativ nahesteht, nämlich dem Problem des Verhältnisses zwischen der in der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001(2) festgelegten allgemeinen oder gemeinsamen Regelung für den Zugang zu Dokumenten der Organe und den in anderen Vorschriften der Union vorgesehenen besonderen Regelungen oder Sonderregelungen(3). In diesem Fall geht es jedoch nicht exakt darum, die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1049/2001 und einer Verordnung, die den Zugang zu Dokumenten regelt, die Bestandteil bestimmter Verfahren sind, aufeinander abzustimmen(4), sondern – gewissermaßen etwas allgemeiner – darum, die in jener Verordnung vorgesehene Zugangsregelung mit den in der Verordnung (EG) Nr. 45/2001(5) enthaltenen Vorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten in Einklang zu bringen. 

2.        Dem Gerichtshof bietet sich insbesondere zum ersten Mal die Gelegenheit, in einem Fall, in dem personenbezogene Daten, die unter Berufung auf die Verordnung Nr. 1049/2001 angefordert werden und die Urheberschaft mehrerer für ein Organ verfasster Sachverständigengutachten betreffen, zu der in Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 geregelten Voraussetzung, nach der „der Empfänger die Notwendigkeit der Datenübermittlung nachweist(6)“, Stellung zu nehmen.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Verordnung Nr. 45/2001

3.        Art. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 45/2001 definiert „personenbezogene Daten“ als „alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person …; als bestimmbar wird eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennnummer oder zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität sind“.

4.        Art. 8 („Übermittlung personenbezogener Daten an Empfänger, die nicht Organe oder Einrichtungen der Gemeinschaft sind und die der Richtlinie 95/46/EG unterworfen sind“) derselben Verordnung bestimmt:

„Unbeschadet der Artikel 4, 5, 6 und 10 werden personenbezogene Daten an Empfänger, die den aufgrund der Richtlinie 95/46/EG erlassenen nationalen Rechtsvorschriften unterliegen, nur übermittelt,

a)       wenn der Empfänger nachweist, dass die Daten für die Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder zur Ausübung der öffentlichen Gewalt gehört, erforderlich sind oder

b)       wenn der Empfänger die Notwendigkeit der Datenübermittlung nachweist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass die berechtigten Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden könnten.“

B –    Verordnung Nr. 1049/2001

5.        In Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 heißt es, dass „[j]eder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat … vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen ein Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe [hat]“.

6.        Art. 4 („Ausnahmeregelung“) derselben Verordnung bestimmt in Abs. 1: „Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde: … b) der Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen, insbesondere gemäß den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über den Schutz personenbezogener Daten.“

7.        Art. 4 Abs. 3 lautet:

„Der Zugang zu einem Dokument, das von einem Organ für den internen Gebrauch erstellt wurde oder bei ihm eingegangen ist und das sich auf eine Angelegenheit bezieht, in der das Organ noch keinen Beschluss gefasst hat, wird verweigert, wenn eine Verbreitung des Dokuments den Entscheidungsprozess des Organs ernstlich beeinträchtigen würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

Der Zugang zu einem Dokument mit Stellungnahmen zum internen Gebrauch im Rahmen von Beratungen und Vorgesprächen innerhalb des betreffenden Organs wird auch dann, wenn der Beschluss gefasst worden ist, verweigert, wenn die Verbreitung des Dokuments den Entscheidungsprozess des Organs ernstlich beeinträchtigen würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.“

II – Sachverhalt

8.        Am 25. September 2009 beauftragte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (im Folgenden, mit der englischen Abkürzung: EFSA) eine ihrer Abteilungen mit der Ausarbeitung eines Leitfadens zur Vorbereitung der Vorgaben nach Art. 8 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009(7). Diese Abteilung bildete eine Arbeitsgruppe, die schließlich zwei Einrichtungen der EFSA, zu deren Mitgliedern mehrere externe wissenschaftliche Sachverständige gehörten, einen Leitlinienentwurf vorlegte: einerseits dem auf Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände spezialisierten Wissenschaftlergremium (im Folgenden: PMR) und andererseits dem Pestizid-Lenkungsausschuss (im Folgenden: PLA).

9.        Diese Sachverständigen wurden aufgefordert, Stellungnahmen zum Leitlinienentwurf abzugeben. Aufgrund der abgegebenen Stellungnahmen nahm die Arbeitsgruppe einige Änderungen in den Entwurf auf, der vom 23. Juli 2010 bis zum 15. Oktober 2010 einer öffentlichen Anhörung unterzogen wurde, in deren Rahmen zahlreiche Personen Stellungnahmen einreichten, unter ihnen Pesticide Action Network Europe (im Folgenden: PAN Europe), eine Umweltschutzorganisation.

10.      Am 10. November 2010 stellten PAN Europe und ClientEarth – eine andere Umweltschutzorganisation – gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 und der Verordnung Nr. 1367/2006(8) gemeinsam bei der EFSA einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten. Der Antrag betraf zahlreiche Dokumente zur Vorbereitung des Leitlinienentwurfs einschließlich der Stellungnahmen der externen Sachverständigen, die dem PMR und dem PLA angehörten, sowie die Namen ihrer jeweiligen Autoren.

11.      Mit Schreiben vom 1. Dezember 2010 gewährte die EFSA Zugang zu einem Teil der beantragten Dokumente. Unter Berufung auf die in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelte Ausnahme (Schutz des Entscheidungsprozesses der Organe) wurde der Zugang zu zwei Gruppen von Dokumenten verweigert: einerseits zu verschiedenen Arbeitsfassungen des Leitfadenentwurfs und andererseits zu den Stellungnahmen der Sachverständigen des PMR und des PLA.

12.      Die Verweigerung wurde mit Entscheidung der EFSA vom 10. Februar 2011 bestätigt.

13.      Der Leitfaden wurde am 28. Februar 2011 angenommen und veröffentlicht.

14.      Am 11. April 2011 erhoben die Rechtsmittelführer beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung der bestätigenden Entscheidung vom 10. Februar 2011.

15.      Die EFSA erließ am 12. Dezember 2011 eine neue Entscheidung und teilte den Rechtsmittelführern mit, sie habe entschieden, die bestätigende Entscheidung vom 10. Februar 2011 „zurückzunehmen“, „aufzuheben“ und „zu ersetzen“. Aufgrund der neuen Entscheidung gewährte die EFSA Zugang zu allen mit der ursprünglichen Klage begehrten Dokumenten mit Ausnahme von einigen, deren Existenz sie nicht habe feststellen können.

16.      Was die Stellungnahmen der externen Sachverständigen anbelangt, schwärzte sie unter Berufung auf die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme (Privatsphäre und Integrität des Einzelnen) und die Datenschutzbestimmungen der Union deren Namen. Die EFSA führte aus, dass die Offenlegung des Namens der Sachverständigen als Übermittlung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 8 der Verordnung Nr. 45/2001 zu betrachten sei und die nach dieser Bestimmung für ihre Übermittlung erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

17.      Die Rechtsmittelführer ersuchten das Gericht um Erlaubnis, ihren Antrag im Hinblick auf den Inhalt der neuen Entscheidung der EFSA vom 12. Dezember 2011 dahin gehend anzupassen, dass im Weiteren die Aufhebung der letztgenannten Entscheidung als Gegenstand der Klage zu betrachten ist.

18.      Die beim Gericht eingereichte Klage war in drei Klagegründe unterteilt: (A) Unanwendbarkeit von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 sowie der Verordnung Nr. 45/2001; (B) Vorliegen von Gründen des öffentlichen Interesses gemäß Art. 8 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 45/2001, die die Offenlegung der Namen der Sachverständigen rechtfertigen; (C) Verstoß gegen die Begründungspflicht.

III – Urteil des Gerichts

19.      Das Gericht wies die Klage mit Urteil vom 13. September 2013 ab (im Folgenden: angefochtenes Urteil)(9).

20.      Zum ersten Klagegrund führte das Gericht aus, die Namen der Sachverständigen zählten ungeachtet dessen, dass die EFSA zuvor die Namen, die Lebensläufe und die Interessenerklärungen der externen Sachverständigen offengelegt habe, zu den personenbezogenen Daten im Sinne der Verordnung Nr. 45/2001, und es sei unerheblich, dass die EFSA nicht nachgewiesen habe, dass die Sachverständigen der Offenlegung ihrer Identität widersprochen hätten.

21.      Hinsichtlich des zweiten Klagegrundes verneinte das Gericht, dass die Rechtsmittelführer das Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses nachgewiesen hätten, denn die Namen der Sachverständigen seien ihnen bekannt gewesen, und sie hätten deren Unabhängigkeit nicht in Frage gestellt. Zudem hätten sie die Notwendigkeit der Offenlegung nicht nachgewiesen.

22.      Zum Begründungsmangel vertritt das Gericht die Ansicht, es genüge, dass die EFSA dargelegt habe, dass die Rechtsmittelführer die Notwendigkeit einer Übermittlung der beantragten personenbezogenen Daten nicht gerechtfertigt hätten.

IV – Rechtsmittel

23.      ClientEarth und PAN Europe machen drei Rechtsmittelgründe geltend:

24.      (A) Fehlerhafte Anwendung des Begriffs „personenbezogene Daten“ im Sinne des Art. 2 der Verordnung Nr. 45/2001; (B) fehlerhafte Anwendung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 und Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001, da die Gesamtheit der geschützten Interessen nicht gegeneinander abgewogen worden sei; (C) Verstoß gegen Art. 5 EUV, da den Rechtsmittelführern in Bezug auf die Verpflichtung, die Notwendigkeit des Zugangs zu den streitigen Informationen nachzuweisen, eine unverhältnismäßige Beweislast auferlegt worden sei, ohne dass zwischen ihr und der Bedeutung der schutzwürdigen berechtigten Interessen eine ordnungsgemäße Abwägung vorgenommen worden sei.

V –    Verfahren vor dem Gerichtshof

A –    Erster Rechtsmittelgrund

25.      ClientEarth und PAN Europe sind anders als das Gericht der Auffassung, dass die streitigen Daten keine personenbezogenen Daten im Sinne der Verordnung Nr. 45/2001 seien, und tragen vor, es handele sich um berufliche Daten, die auf der Website der EFSA gesondert aufgeführt seien.

26.      Die EFSA und die Kommission, unterstützt durch den Europäischen Datenschutzbeauftragten (im Folgenden: EDSB), sprechen sich für ein weites Verständnis des Begriffs „personenbezogene Daten“ aus, der weit mehr umfasse als Angaben wie den Namen oder die nationale Kennnummer, anhand derer eine Person unmittelbar identifiziert werden könne. Andererseits verlören personenbezogene Daten wie beispielsweise der Name diese Eigenschaft nicht dadurch, dass sie in Verbindung mit einem anderen Element ‒ etwa wie im vorliegenden Fall einer Stellungnahme ‒ genannt würden.

27.      Der EDSB führt zudem aus, dass die beiden Elemente der streitigen Informationen personenbezogene Daten seien. Einerseits der Name des Sachverständigen und andererseits die von ihm abgegebene Stellungnahme, die mit seinen Tätigkeiten und seinem Handeln als unabhängiger Wissenschaftler im Zusammenhang stehe und ihn für jemanden, der über andere einschlägige Informationen verfüge, um einen zutreffenden Zusammenhang herstellen zu können, identifizierbar mache.

28.      Sowohl die EFSA als auch die Kommission und der EDSB sind der Ansicht, der Umstand, dass die Identität der Sachverständigen öffentlich sei und die EFSA ihre Stellungnahmen unter dem Schutz der Anonymität veröffentlicht habe, sei unerheblich, wie auch der Umstand, dass die betroffenen personenbezogenen Daten mit berufsbezogenen Tätigkeiten im Zusammenhang stünden, denn sie würden auch so als personenbezogene Daten geschützt.

29.      Diese Beteiligten bringen schließlich vor, dass die enge Auslegung der Achtung des Privatlebens, für das sich die Rechtsmittelführer aussprächen, nicht mit dem Wortlaut der Verordnung Nr. 45/2001 vereinbar sei und Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) weiter reiche als Art. 7 der Charta und sämtliche Informationen über eine natürliche Person umfasse, einschließlich derjenigen, die mit ihrer beruflichen Tätigkeit zusammenhingen. Insoweit hebt der EDSB die Unterschiede hervor, die trotz eventueller Übereinstimmungen zwischen den Begriffen des Privatlebens und der personenbezogenen Daten bestünden, und die EFSA und die Kommission ergänzen, dass die berufsbezogenen Daten sowohl nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs als auch der des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unter den Begriff des Privatlebens gefasst werden könnten.

B –    Zweiter Rechtsmittelgrund

30.      Die Rechtsmittelführer beanstanden insoweit die Gründe, aus denen das Gericht den zweiten Klagegrund zurückgewiesen hat, weil sie das Vorliegen eines übergeordneten rechtlichen Interesses nicht nachgewiesen hätten. ClientEarth und PAN Europe sind der Auffassung, sowohl das Gericht als auch die EFSA hätten die Gesamtheit der durch Art. 4 Abs.1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 sowie Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 geschützten Interessen, also das Recht auf Transparenz auf der einen und das Recht auf Schutz des Privatlebens auf der anderen Seite, nicht gegeneinander abgewogen.

31.      Die EFSA und die Kommission, unterstützt durch den EDSB, vertreten die Auffassung, wenn mit einer Klage auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 der Zugang zu Dokumenten verlangt werde, die personenbezogene Daten enthielten, seien die Bestimmungen der Verordnung Nr. 45/2001, einschließlich ihrer Art. 8 und 18, in vollem Umfang anwendbar, ohne dass die übrigen in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelten Voraussetzungen geprüft werden müssten. Die Rechtsmittelführer seien daher zum Nachweis des Vorliegens eines übergeordneten rechtlichen Interesses, das die Übermittlung der angeforderten personenbezogenen Daten rechtfertige, verpflichtet gewesen, was der EFSA die Abwägung der verschiedenen beteiligten Interessen ermöglicht hätte. ClientEarth und PAN Europe hätten diese Rechtfertigung jedoch hinausgezögert, bis das Gerichtsverfahren anhängig gewesen sei, so dass die EFSA zu dem Zeitpunkt, zu dem sie über den Antrag auf Zugang zu den Dokumenten entschieden habe, keine Abwägung mehr habe vornehmen können.

C –    Dritter Rechtsmittelgrund

32.      ClientEarth und PAN Europe sind der Auffassung, die Art und Weise, in der das Gericht die Argumente zurückgewiesen habe, die die Rechtsmittelführer zum Nachweis der Notwendigkeit des Zugangs zu den angeforderten Informationen vorgebracht hätten, verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

33.      In diesem Sinne machen sie geltend, dass es für sie in Anbetracht dessen, dass einerseits das Interesse, das das Gericht habe schützen wollen, in Wirklichkeit nicht existiert habe, da die Namen der betroffenen Sachverständigen der Öffentlichkeit zugänglich gewesen seien, und dass sie andererseits die Notwendigkeit der Übermittlung der angeforderten Daten nachgewiesen hätten, genügt hätte, gemäß Art. 8 Abs. 2 der Charta das Bestehen einer gesetzlich geregelten legitimen Grundlage nachzuweisen, und sie dies getan hätten, als sie sich auf den Transparenzgrundsatz berufen hätten.

34.      Die EFSA stellt ihrerseits die Zulässigkeit dieses dritten Rechtsmittelgrundes in Frage, da ihrer Ansicht nach die problematischen Stellen des angefochtenen Urteils nicht hinreichend genau angegeben seien und die Rechtsmittelführer sich auf die Wiedergabe der bereits in der ersten Instanz vorgebrachten Argumente beschränkten. In der Sache führt sie in Übereinstimmung mit der Kommission aus, die Rüge der Rechtsmittelführer sei offensichtlich unbegründet, denn das Gericht habe sich darauf beschränkt, nach Maßgabe der Verordnung Nr. 45/2001 und der Rechtsprechung den Nachweis des Vorliegens eines berechtigten Interesses an der Erlangung der streitigen Informationen zu verlangen. Diese Forderung sei nicht unverhältnismäßig und gewährleiste in vollem Umfang das notwendige Gleichgewicht zwischen den betroffenen Interessen und Grundrechten.

VI – Würdigung

A –    Erster Rechtsmittelgrund

35.      Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, die streitigen Daten seien keine personenbezogenen Daten im Sinne der Verordnung Nr. 45/2001. Meiner Ansicht nach scheint nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs jedoch klar zu sein, dass es sich um derartige Daten handelt.

36.      Im Urteil Kommission/Bavarian Lager(10) wurde festgestellt, dass die Liste der Teilnehmer eines Treffens im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens personenbezogene Daten enthält(11). In der vorliegenden Rechtssache werden nicht nur die Namen der Sachverständigen angefordert, sondern auch die Stellungnahmen, die jeder einzelne von ihnen zu einem Entwurf abgegeben hat.

37.      Nach Art. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 45/2001 gelten als „personenbezogene Daten“ „alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person“. Im vorliegenden Fall würden die betroffenen Personen zum einen identifiziert, wenn ihr Name bekannt gegeben würde, und zum anderen würden darüber hinaus bestimmte Informationen über sie zur Verfügung gestellt, nämlich die konkreten Stellungnahmen, die sie im Rahmen der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit abgegeben haben. Es liegen daher eindeutig die Elemente vor, die den Begriff „personenbezogene Daten“ definieren, da die von den Sachverständigen vorgelegten Stellungnahmen eine „Information über eine bestimmte Person“ darstellen oder, wenn man will, eine Information über jeden einzelnen dieser Sachverständigen, die anhand ihrer Namen eindeutig identifiziert sind.

38.      Gewiss werden die Namen der Sachverständigen auf der Website der EFSA genannt. Allerdings beantragen die Rechtsmittelführer nicht die Namen sämtlicher Sachverständiger der EFSA, sondern nur die Namen derjenigen, die Stellungnahmen abgegeben haben. Sie beantragen darüber hinaus Zugang zu diesen Stellungnahmen, aber nicht anonymisiert, sondern unter Angabe des Autors. Die Namen der Sachverständigen wie auch die abgegebenen Stellungnahmen sind zwar letztendlich öffentlich, aber beantragt wird der „Abgleich“ beider Daten, woraus sich eine neue „Information“ „über eine bestimmte … natürliche Person“ (Art. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 45/2001) ergeben würde. Es dürfte daher klar sein, dass „personenbezogene Daten“ im Sinne dieser Verordnung angefordert werden.

39.      Folglich bin ich der Ansicht, dass der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen ist.

B –    Zweiter Rechtsmittelgrund

40.      Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund wird bestritten, dass die in Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 geregelten Voraussetzungen für die Übermittlung personenbezogener Daten – also die Notwendigkeit ihrer Übermittlung und das Fehlen eines Grundes zu der Annahme, dass durch die Übermittlung die berechtigten Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden könnten – kumulativ vorliegen müssen. Die Rechtsmittelführer sind der Ansicht, bei dieser Sichtweise habe das Gericht das Recht auf Schutz des Privatlebens (Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001) auf der einen und das Recht auf Transparenz (Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001) auf der anderen Seite nicht ordnungsgemäß gegeneinander abgewogen.

41.      Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 personenbezogene Daten nur übermittelt werden, wenn „der Empfänger die Notwendigkeit der Datenübermittlung nachweist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass die berechtigten Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden könnten“.

42.      Das Gericht hat in Rn. 83 des angefochtenen Urteils die Ansicht vertreten, dass es sich um zwei kumulative Voraussetzungen handele und dass es, da die Rechtsmittelführer die erste nicht erfüllt hätten, also die Notwendigkeit der Übermittlung der beantragten Daten nicht nachgewiesen hätten, nicht erforderlich gewesen sei, auf die zweite einzugehen, also festzustellen, ob Gründe zu der Annahme vorliegen, dass durch die Übermittlung die berechtigten Interessen der betroffenen Personen beeinträchtigt werden könnten. Das Gericht ist, wie sich aus Rn. 64 des angefochtenen Urteils ergibt, in der Tat der Ansicht, dass das ersuchte Organ weder die Interessen der Parteien abwägen noch prüfen kann, ob die zweite in Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 geregelte Voraussetzung erfüllt ist, wenn der Empfänger weder eine ausdrückliche und legitime Rechtfertigung noch ein überzeugendes Argument zum Nachweis der Notwendigkeit der Übermittlung liefert, und somit den Antrag auf Zugang ablehnen kann.

43.      Meiner Ansicht nach ist es klar, dass sich die in Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 genannten Voraussetzungen jeweils an zwei verschiedene Subjekte richten. Die erste von ihnen offenkundig an den „Empfänger“ der Informationen, also denjenigen, der sie anfordert. Die zweite hingegen an das Organ, das über die angeforderten Informationen verfügt, denn im Unterschied zur ersten richtet sie sich nicht ausdrücklich an den Empfänger. Vielmehr verweist die Verwendung des unpersönlichen „kein Grund … besteht“ notwendig auf denjenigen, der über den Antrag entscheiden muss, also das Organ, von dem die Offenlegung der Informationen verlangt wird, oder gegebenenfalls das Gericht, das über die Klage gegen die Ablehnung des Antrags entscheidet. Wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift eindeutig ergibt, ist es daher ausschließlich Sache des Empfängers, die „Notwendigkeit“ der Übermittlung nachzuweisen. Und nur das Organ ist für die Feststellung zuständig, dass „kein Grund zu der Annahme besteht, dass die berechtigten Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden könnten“, denn dieser „Grund“ kann vollkommen unabhängig davon gegeben sein, dass die „Notwendigkeit“ der Übermittlung der Daten an den Antragsteller nachgewiesen worden ist.

44.      Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass diese Voraussetzungen, da sie sich auf verschiedene Objekte beziehen: die Notwendigkeit der Übermittlung – völlig ungeachtet der Beeinträchtigungen, die mit ihr den Interessen der betroffenen Personen zugefügt werden können – einerseits und das Bestehen der Möglichkeit solcher Beeinträchtigungen – wiederum ungeachtet jener Notwendigkeit – andererseits nur kumulativ erfüllt werden können, wie das Gericht zutreffend festgestellt hat, so dass eine Prüfung der zweiten Voraussetzung nicht statthaft war.

45.      Ich bin daher der Ansicht, dass auch der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen ist.

C –    Dritter Rechtsmittelgrund

46.      Mit dem dritten Rechtsmittelgrund wird geltend gemacht, die Berufung auf den Transparenzgrundsatz sei ausreichend gewesen, um die Notwendigkeit, den Rechtsmittelführern die beantragten Daten zu übermitteln, zu rechtfertigen. Diese Berufung, die im Kontext einer Bezugnahme auf ein gewisses Klima des Misstrauens gegenüber der EFSA steht, genügt nach Ansicht der Rechtsmittelführer zur Rechtfertigung der Offenlegung der angeforderten Informationen. Die vom Gericht verlangte Rechtfertigung dieser Notwendigkeit sei unverhältnismäßig.

47.      Vor der Prüfung des dritten Rechtsmittelgrundes ist ein Hinweis erforderlich. In Rn. 72 des angefochtenen Urteils wird ausgeführt, dass die Verweigerung des Zugangs zunächst mit der Ausnahme zum Schutz der Entscheidungsprozesse (Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001) begründet worden sei und sich die EFSA erst in der Entscheidung vom 12. Dezember 2011, die nach Erhebung der Klage beim Gericht erlassen worden sei, erstmalig auf die Ausnahme zum Schutz personenbezogener Daten berufen habe (Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 und Art. 8 der Verordnung Nr. 45/2001). Diese Änderung des Inhalts der Kontroverse steht dem Vorwurf an die Rechtsmittelführer – den die EFSA und die Kommission erheben – entgegen, die Notwendigkeit, ihnen die beantragten personenbezogenen Daten zu übermitteln, nicht in der vorprozessualen Phase dargetan zu haben, d. h. nicht bereits in jener Phase Überlegungen im Sinne von Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 angestellt zu haben.

48.      Meiner Ansicht nach ist klar, dass die Rechtsmittelführer nur in der vorprozessualen Phase auf die damals von der EFSA geltend gemachte Ausnahme eingehen konnten, d. h. die in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme zum Schutz der Entscheidungsprozesse. Die von der EFSA schließlich in ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 2011 geltend gemachte Ausnahme konnte nur im Verlauf des Verfahrens beim Gericht Gegenstand der Diskussion sein, was auch tatsächlich der Fall war, wie sich aus Rn. 73 des angefochtenen Urteils ergibt, in der ausgeführt wird, dass in der mündlichen Verhandlung sowohl die EFSA als auch die Kommission darin übereingestimmt hätten, dass das Gericht diese konkrete Rüge prüfen könne. Daher hindert nichts daran, die Frage auch in dieser Instanz zum Gegenstand der Diskussion zu machen(12). 

49.      Was sodann den Begriff „Notwendigkeit der Datenübermittlung“ anbelangt, ist meines Erachtens von dem Grundsatz auszugehen, dass bei seiner Auslegung die Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1049/2001 zu berücksichtigen ist, da die Rechtsmittelführer in Wahrnehmung des Rechts auf Zugang zu den Dokumenten der Organe gehandelt haben, dessen „Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen“, wie Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimmt, „in dieser Verordnung“ festgelegt sind.

50.      Auch im Fall der Verordnung Nr. 45/2001 muss daher ihre spezifische Regelung des Zugangs zu Dokumenten mit der allgemeinen Regelung der Verordnung Nr. 1049/2001 in Einklang gebracht werden, wie es der Gerichtshof in den Bereichen getan hat, in denen der Unionsgesetzgeber besondere Zugangsvorschriften festgelegt hat, etwa im Bereich des Wettbewerbs(13) oder im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren(14) oder Vertragsverletzungsverfahren(15). 

51.      Im Fall der Verordnung Nr. 45/2001 ergibt sich die Notwendigkeit, diesen Einklang herzustellen, nicht allein aus der „systematischen Anforderung“, die allgemein wegen des Zusammentreffens von unterschiedlichen Zugangsregelungen, die auf ein und dasselbe Dokument anwendbar sind, unumgänglich ist. Es geht nicht ausschließlich darum, dass es bei einer etwaigen Anwendbarkeit verschiedener Zugangsregelungen erforderlich ist, sie alle einheitlich und systematisch auszulegen, um für die durch diese Regelungen jeweils geschützten Interessen zu einer zufriedenstellenden Lösung zu gelangen. Im Gegensatz zu anderen Bestimmungen zur Regelung des Zugangs zu Dokumenten schreibt die Verordnung Nr. 1049/2001 selbst diese einheitliche und systematische Auslegung ausdrücklich vor, wenn sie in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b vorsieht, dass „[d]ie Organe … den Zugang zu einem Dokument [verweigern], durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde: … b) der Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen, insbesondere gemäß den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über den Schutz personenbezogener Daten“. Aus dieser Vorschrift hat der Gerichtshof gefolgert, dass „die Bestimmungen der Verordnung Nr. 45/2001 einschließlich ihrer Art. 8 und 18 in vollem Umfang anwendbar werden, wenn ein nach der Verordnung Nr. 1049/2001 gestellter Antrag auf die Gewährung des Zugangs zu Dokumenten gerichtet ist, die personenbezogene Daten enthalten“(16), so dass eine „spezielle einschränkende Auslegung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 … nicht dem Gleichgewicht gerecht [wird], das der Unionsgesetzgeber zwischen den beiden fraglichen Verordnungen herstellen wollte“(17). 

52.      Dieser Appell des Gerichtshofs an das „Gleichgewicht“ zwischen den Zielen beider Richtlinien verdient es meiner Meinung nach, bei dieser Gelegenheit und für die Zwecke der Problematik, die die vorliegende Rechtssache aufwirft, hervorgehoben zu werden.

53.      Ich bin gewiss der Ansicht, dass der Geist des „Gleichgewichts“, den der Gerichtshof angesprochen hat, in dem Verbot zum Ausdruck kommt, die Anwendung von Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 „von vornherein“ auszuschließen, wie dies in der Rechtssache Kommission/Bavarian Lager geschah(18). Etwas ganz anderes ist es aber, dass die Kategorien dieser Verordnung uneingeschränkt im Kontext jedweden Antrags auf Zugang zu Dokumenten der Organe anzuwenden wären, mithin ohne den Charakter der Informationen, die konkret angefordert werden, angemessen zu berücksichtigen.

54.      Nach meiner Auffassung ist klar, dass der „Notwendigkeit“, auf die die Verordnung Nr. 45/2001 Bezug nimmt, nicht dieselbe Rigorosität und Reichweite zugemessen werden kann, wenn der Zugang zu Dokumenten beantragt wird, die Daten enthalten, an denen keinerlei öffentliches Interesse besteht, wie wenn der Antrag − wie in der vorliegenden Rechtssache − Informationen betrifft, an denen ein klares öffentliches Interesse besteht und die sich auf die berufliche Tätigkeit einer Person beziehen. Eine Tätigkeit, die zwar auch „persönlich“ ist, wie der Gerichtshof in der Rechtssache Kommission/Bavarian Lager(19) festgestellt hat, aber in geringerem Umfang als die, die sich auf ein Verhalten bezieht, das mit dem Beruf der betroffenen Person nichts zu tun hat.

55.      Der Begriff der „Notwendigkeit“ muss daher einer gewissen Flexibilisierung unterzogen werden, wenn die personenbezogenen Daten nicht gewissermaßen der unmittelbare Gegenstand des Antrags auf Zugang zu Informationen sind und er vielmehr öffentliche Dokumente betrifft, die nebenbei Informationen zu Privatpersonen enthalten, die als solche „personenbezogene Daten“ umfassen(20). Gewiss handelt es sich um Daten, die „personenbezogen“ sind, da sie „Informationen über eine bestimmte Person“ (Art. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 45/2001) enthalten, aber es handelt sich prima facie um „berufliche Informationen“, die folglich weniger sensibel sind als solche, die die Privatsphäre oder das eigentliche Privatleben betreffen.

56.      Mit anderen Worten: Eine „ausgewogene Auslegung“ beider Verordnungen führt zu dem Ergebnis, dass im Rahmen der Prüfung der „Notwendigkeit“ unvermeidlich zwischen Fällen, in denen personenbezogene Daten angefordert werden, die prima facie in keinem Zusammenhang mit einem öffentlichen Entscheidungsprozess stehen, und solchen, in denen Daten verlangt werden, die in gewissem Umfang eine Verbindung zu einem Handeln der öffentlichen Gewalt aufweisen, unterschieden werden muss.

57.      Die Rechtsmittelführer sind der Ansicht, die Berufung auf den Transparenzgrundsatz sei zur Rechtfertigung der Notwendigkeit der Übermittlung der angeforderten Daten ausreichend gewesen. Sie sei im Kontext einer Bezugnahme auf ein gewisses Klima des Misstrauens gegenüber der EFSA erfolgt, die im Verdacht gestanden habe, parteiisch zu sein und ihre Einrichtungen aus Mitgliedern zusammenzusetzen, die bestimmte persönliche Interessen verfolgt hätten. Konkret zeige, wie in Rn. 79 des angefochtenen Urteils festgestellt werde, eine Studie von PAN Europe, dass 8 der 13 Mitglieder der Arbeitsgruppe der EFSA an Industrielobbys gebunden seien.

58.      Das Gericht erwidert hierauf in Rn. 80 des angefochtenen Urteils, dass den Rechtsmittelführern die Namen der betroffenen Sachverständigen mitgeteilt worden seien und sie Zugang zu ihren Interessenerklärungen gehabt hätten. Da sie die Unabhängigkeit der Sachverständigen nicht in Frage gestellt hätten, habe das Gericht nicht prüfen müssen, ob der Verdacht hinsichtlich ihrer fehlenden Unparteilichkeit ein Grund zur Rechtfertigung des begehrten Zugangs gewesen wäre.

59.      Ich teile die Ansicht des Gerichts nicht, denn nach ihrem Wortlaut erscheint mir die Berufung auf ein gewisses Misstrauen hinsichtlich der Unparteilichkeit der EFSA ausreichend, um die Notwendigkeit der Datenübermittlung zu rechtfertigen, insbesondere wenn diese Daten, selbst wenn sie tatsächlich „personenbezogen“ sind, sich auf die berufliche Tätigkeit der Betroffenen beziehen.

60.      Von den Rechtsmittelführern zu verlangen, über die Berufung auf den Grad des Misstrauens hinsichtlich der Unparteilichkeit der EFSA, die sich auf Indizien stützt, die sich aus bestimmten vorgelegten Dokumenten ergeben, hinaus zudem förmlich und ausdrücklich die Unabhängigkeit verschiedener Sachverständiger in Frage zu stellen, bedeutet nicht nur, ihnen eine offensichtlich unverhältnismäßige Beweislast zur Rechtfertigung der Notwendigkeit der Übermittlung der angeforderten Daten aufzubürden, sondern das Verhältnis zwischen den mit beiden Verordnungen verfolgten Zielen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Eine derartige Anforderung könnte Sinn haben, wenn es darum ginge, die Gültigkeit der Studien in Frage zu stellen oder gegen das Handeln der Sachverständigen vorzugehen, aber im Kontext des vorliegenden Falles geht es eben nur darum, die Informationen und Daten zu erhalten, die gerade für die Beurteilung erforderlich sind, ob die Unparteilichkeit der EFSA ernsthaft in Frage gestellt und infolgedessen gegebenenfalls gegen die Agentur selbst oder einen der Sachverständigen vorgegangen werden kann. Zusammenfassend geht es nur darum, die Wahrnehmung des Rechts zu ermöglichen, jemanden zur Verantwortung zu ziehen, der sich möglicherweise missbräuchlich verhalten hat. Schlussendlich handelt es sich um den typischen Fall, dem der Transparenzgrundsatz und das Recht auf Zugang zu Informationen dienen.

61.      Daher bin ich der Meinung, dass die Rechtsmittelführer im vorliegenden Fall die „Notwendigkeit“ nach Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 hinreichend gerechtfertigt haben, so dass dem dritten Rechtsmittelgrund stattzugeben ist.

62.      Das bedeutet jedoch nicht, dass die Übermittlung der angeforderten Dokumente erfolgen muss, denn diese Vorschrift verlangt auch – und, wie bereits ausgeführt, kumulativ – dass „kein Grund zu der Annahme besteht, dass [durch die Übermittlung] die berechtigten Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden könnten“. Diese zweite Voraussetzung hat das Gericht jedoch nicht geprüft, da es die Feststellung, ob derartige Gründe vorlagen, für unnötig hielt, weil die erste nicht erfüllt war.

63.      Das Gericht wird anlässlich einer neuen Entscheidung die Frage aus der Sicht der berechtigten Interessen der Personen prüfen können, d. h. der Sachverständigen, die die jeweiligen von den Rechtsmittelführern angeforderten Stellungnahmen unterzeichnet haben und die, gerade weil es sich um Informationen über ihre berufliche Tätigkeit handelt, durchaus ein Interesse daran haben können, dass ihre Urheberschaft öffentlich bekannt wird.

VII – Zur abschließenden Entscheidung des Gerichtshofs über den Rechtsstreit

64.      Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs bestimmt: „Ist das Rechtsmittel begründet, so hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist.“

65.      Meiner Ansicht nach kann der Gerichtshof den Rechtsstreit hier nicht selbst endgültig entscheiden. Der Grund besteht darin, dass, wie ausgeführt wurde, das Gericht nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen hat, dass im vorliegenden Fall die zweite in Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 geregelte Voraussetzung erfüllt sein könnte, dass also durch die Übermittlung der Daten die berechtigten Interessen der betroffenen Personen beeinträchtigt werden könnten.

VIII – Kosten

66.      Ich schlage dem Gerichtshof vor, die EFSA nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

IX – Ergebnis

67.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor,

1.         dem dritten Rechtsmittelgrund stattzugeben;

2.         das Urteil des Gerichts vom 13. September 2013, ClientEarth und PAN Europe/EFSA (T‑214/11, EU:T:2013:483), aufzuheben;

3.         die Sache an das Gericht zurückzuverweisen, damit es über eine mögliche Beeinträchtigung der berechtigten Interessen der von der Übermittlung der angeforderten Daten betroffenen Personen entscheidet;

4.         die EFSA zur Tragung der Kosten zu verurteilen.


1 – Originalsprache: Spanisch.


2 – Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43). Im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/2001.


3 – So z. B. in Verfahren zur Kontrolle staatlicher Beihilfen (Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376), in Vertragsverletzungsverfahren (LPN und Finnland/Kommission, C‑514/11 P und C‑605/11 P, EU:C:2013:738) oder in Gerichtsverfahren (Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541).


4 – Typischerweise im Bereich des Wettbewerbsrechts, sowohl im Zusammenhang mit Unternehmenszusammenschlüssen (Kommission/Éditions Odile Jacob, C‑404/10 P, EU:C:2012:393) als auch in Verfahren wegen Absprachen (Kommission/EnBW, C‑365/12 P, EU:C:2014:112). Vgl. hierzu Lenaerts, K., „The Interplay between Regulation nº 1049/2001 on Access to Documents and the Specific EU Regulations in the Field of Competition Law“, in Mundi et Europae civis. Liber Amicorum Jacques Steenbergen, Larcier, Brüssel, 2014, S. 483 bis 492.


5 – Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl. 2001, L 8, S. 1). Im Folgenden: Verordnung Nr. 45/2001.


6 – Hervorhebung nur hier.


7 – Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. L 309, S. 1). Nach dieser Bestimmung fügt der Antragsteller dem Antrag auf Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels „entsprechend den Vorgaben der [EFSA] dem Dossier ein Verzeichnis mit [der] in den letzten zehn Jahren vor dem Datum der Vorlage des Dossiers veröffentlichten wissenschaftlichen und von Fachleuten überprüften frei verfügbaren Literatur über den Wirkstoff und seine Metaboliten bei, in der die Nebenwirkungen auf die Gesundheit, die Umwelt und Nichtzielarten behandelt werden“.


8 – Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. L 264, S. 13).


9 – ClientEarth und PAN Europe/EFSA (T‑214/11, EU:T:2013:483).


10 – Rechtssache C‑28/08 P (EU:C:2010:378).


11 – Ebd., Rn. 70.


12 – Nicht ganz widerspruchsfrei hat das Gericht jedoch in Rn. 68 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die Rechtsmittelführer vor dem Erlass der Entscheidung vom 12. Dezember 2011 im Hinblick auf den Nachweis der Notwendigkeit der Übermittlung der betroffenen personenbezogenen Daten keine Rechtfertigung vorgebracht hätten, so dass die EFSA weder in der Lage gewesen sei, die verschiedenen Interessen der Parteien gegeneinander abzuwägen, noch zu prüfen, ob Gründe vorgelegen hätten, die die berechtigten Interessen der betroffenen Personen beeinträchtigen könnten, und sie daher die angefochtene Entscheidung insoweit nicht habe begründen können. Ungeachtet dessen wird das Gericht das Vorliegen einer Rechtfertigung seitens der Rechtsmittelführer am Ende prüfen, und sei es auch nur, um sie zu verneinen.


13 –      Kommission/Éditions Odile Jacob (C‑404/10 P, EU:C:2012:393), Kommission/EnBW (C‑365/12 P, EU:C:2014:112).


14 – Schweden u. a./API und Kommission (C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541).


15 – LPN und Finnland/Kommission (C‑514/11 P und C‑605/11 P, EU:C:2013:738).


16 – Kommission/Bavarian Lager (C‑28/08 P, EU:C:2010:378, Rn. 63).


17 – Kommission/Bavarian Lager (C‑28/08 P, EU:C:2010:378, Rn. 65).


18 – Kommission/Bavarian Lager (C‑28/08 P, EU:C:2010:378, Rn. 64).


19 – Kommission/Bavarian Lager (C‑28/08 P, EU:C:2010:378, Rn. 68 bis 70).


20 – Insoweit teile ich im Wesentlichen das klassifizierende Kriterium, das Generalanwältin Sharpston in ihren Schlussanträgen vom 15. Oktober 2006 in der Rechtssache Kommission/Bavarian Lager (C‑28/08 P, EU:C:2009:624, Nrn. 158 bis 166) vorgeschlagen hat.