Language of document : ECLI:EU:C:2020:688

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE

vom 10. September 2020(1)

Rechtssache C59/19

Wikingerhof GmbH & Co. KG

gegen

Booking.com BV

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen – Internationale Zuständigkeit – Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 – Art. 7 Nr. 1 und Art. 7 Nr. 2 – Besondere Zuständigkeiten, wenn ‚ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag‘ oder ‚eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden‘ – Begriffe – Einstufung zivilrechtlicher Haftungsklagen zwischen Vertragsparteien – Auf eine Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des Wettbewerbsrechts gestützte zivilrechtliche Haftungsklage“






I.      Einleitung

1.        Die Wikingerhof GmbH & Co KG hat einen Vertrag mit der Booking.com BV geschlossen, um das von ihr betriebene Hotel auf der gleichnamigen Online-Hotelbuchungsplattform eintragen zu lassen. Die erstgenannte Gesellschaft ist jedoch der Auffassung, dass die zweitgenannte den auf ihrer Plattform registrierten Hoteliers unangemessene Bedingungen auferlege, was einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstelle, der geeignet sei, ihnen einen Schaden zuzufügen.

2.        In diesem Zusammenhang hat Wikingerhof vor einem deutschen Gericht eine Unterlassungsklage gegen Booking.com eingereicht, die sich auf die Vorschriften des deutschen Wettbewerbsrechts stützt. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens macht jedoch geltend, dieses Gericht sei für diese Klage nicht zuständig. Der mit einer Revision zu dieser Frage befasste Bundesgerichtshof (Deutschland) befragt den Gerichtshof zur Auslegung der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen(2) (im Folgenden: Brüssel‑Ia-Verordnung).

3.        Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob eine Klage wie die von Wikingerhof gegen Booking.com erhobene, die auf Rechtsvorschriften gestützt wird, die nach nationalem Recht als solche des Deliktsrechts angesehen werden, „eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist(3), oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 dieser Verordnung zum Gegenstand hat – in diesem Fall könnte das angerufene Gericht seine Zuständigkeit aus dieser Bestimmung herleiten – oder einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 dieser Verordnung, weil das wettbewerbswidrige Verhalten, das Wikingerhof Booking.com vorwirft, in ihrem Vertragsverhältnis zum Tragen kommt – in diesem Fall müsste Wikingerhof ihre Klage nach der letztgenannten Bestimmung vermutlich bei einem niederländischen Gericht erheben. Der Bundesgerichtshof bittet den Gerichtshof daher, den Gehalt der Kategorien „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ und „unerlaubte Handlung“ sowie die Art und Weise, wie diese Kategorien zueinander in Beziehung stehen, zu klären.

4.        Die in der vorstehenden Randnummer aufgeworfenen Fragen sind alles andere als neu. Sie haben bereits zu einer umfangreichen Rechtsprechung des Gerichtshofs(4) geführt, die vor rund 30 Jahren mit den Urteilen in den Rechtssachen Kalfelis(5) und Handte(6) eingeleitet wurde. Gleichwohl bleiben einige Ungewissheiten bestehen, insbesondere hinsichtlich des Problems der Einstufung bestimmter Klagen im Grenzbereich der in Rede stehenden Kategorien, wie z. B. zivilrechtlicher Haftungsklagen zwischen Vertragsparteien. Diese Ungewissheiten ergeben sich insbesondere aus dem Urteil Brogsitter(7), in dem der Gerichtshof versucht hat, eine abstrakte Methode für die Zuordnung dieser letztgenannten Klagen zu formulieren, deren Begriffe jedoch regelmäßig in der Lehre und vor den nationalen Gerichten diskutiert werden(8).

5.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen gibt dem Gerichtshof somit Gelegenheit, diese Rechtsprechung als Große Kammer zusammenzufassen und dabei die verbleibenden Grauzonen zu klären. Ein solches Vorgehen ist umso mehr gerechtfertigt, als die vom Gerichtshof im Bereich der gerichtlichen Zuständigkeit gefundenen Lösungen seit Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht(9) (im Folgenden: Rom‑I-Verordnung) und der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht(10) (im Folgenden: Rom‑II-Verordnung) auf das Kollisionsrecht ausstrahlen. In dessen Bereich bilden diese Verordnungen nämlich die Gegenstücke zu Art. 7 Nrn. 1 und 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung, und dieses gesamte Regelwerk muss so weit wie möglich einheitlich ausgelegt werden(11). Darüber hinaus werden die Klarstellungen, die der Gerichtshof zu diesen allgemeinen Fragen vornehmen wird, gezielt die Regeln des Internationalen Privatrechts beleuchten, die für zivilrechtliche Haftungsklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht gelten(12).

6.        In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich allgemein erläutern, dass die Zuordnung einer zivilrechtlichen Haftungsklage zu einem „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung oder zu „eine unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 dieser Verordnung von der Grundlage dieser Klage abhängt, nämlich von der Verpflichtung – aus „Vertrag“ oder aus „unerlaubter Handlung“ –, auf der sie beruht und auf die sich der Kläger dem Beklagten gegenüber beruft. Dies gilt auch für zivilrechtliche Haftungsklagen zwischen Vertragsparteien. Ich werde folglich erläutern, warum nach diesen Grundsätzen eine Unterlassungsklage wie die von Wikingerhof gegen Booking.com erhobene, die auf eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht gestützt wird, „eine unerlaubte Handlung oder …Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne der zweiten Bestimmung zum Gegenstand hat.

II.    Rechtlicher Rahmen

7.        Der 16. Erwägungsgrund der Brüssel‑Ia-Verordnung lautet:

„Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten sollte durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind. Das Erfordernis der engen Verbindung soll Rechtssicherheit schaffen und verhindern, dass die Gegenpartei vor einem Gericht eines Mitgliedstaats verklagt werden kann, mit dem sie vernünftigerweise nicht rechnen konnte. …“

8.        Kapitel II Abschnitt 2 („Besondere Zuständigkeiten“) dieser Verordnung enthält u. a. den Art. 7 dieser Verordnung. Dieser Artikel bestimmt in seinen Nrn. 1 und 2:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

1.      a)      wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;

b)      im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – ist der Erfüllungsort der Verpflichtung

–        für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen;

–        für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen;

c)      ist Buchstabe b nicht anwendbar, so gilt Buchstabe a;

2.      wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“.

III. Ausgangsverfahren, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof

9.        Wikingerhof, eine Gesellschaft deutschen Rechts mit Sitz in Kropp (Deutschland), betreibt ein Hotel im Bundesland Schleswig-Holstein (Deutschland). Booking.com mit Sitz in Amsterdam (Niederlande) betreibt die gleichnamige Online-Hotelbuchungsplattform.

10.      Im März 2009 unterzeichnete Wikingerhof ein von Booking.com vorgelegtes Vertragsformular. In diesem Vertrag ist festgelegt, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Booking.com Vertragsbestandteil sind. Ferner bestimmt dieser Vertrag, dass der Hotelier mit seiner Unterschrift erklärt, ein Exemplar dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen erhalten zu haben, und bestätigt, dass er sie gelesen und verstanden hat und ihnen zustimmt.

11.      Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Booking.com sehen u. a. vor, dass dieses Unternehmen den auf seiner Plattform registrierten Hoteliers ein als „Extranet“ bezeichnetes Internet-System zur Verfügung stellt, über das die Informationen über ihre Betriebe aktualisiert und Angaben zu den über diese Plattform vorgenommenen Reservierungen abgerufen werden können. Ferner enthalten diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Gerichtsstandsvereinbarung, nach der für Streitigkeiten aus dem Vertrag grundsätzlich allein die Gerichte von Amsterdam zuständig sind.

12.      Booking.com änderte seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen mehrfach. Mit Schreiben vom 30. Juni 2015 widersprach Wikingerhof einer dieser Änderungen. In der Folge erhob Wikingerhof beim Landgericht Kiel (Deutschland) gegen Booking.com eine auf eine Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des deutschen Wettbewerbsrechts(13) gestützte Unterlassungsklage. In diesem Zusammenhang machte sie geltend, dass kleine Hotelbetreiber wie sie selbst darauf angewiesen seien, Verträge mit Booking.com abzuschließen, weil diese auf dem Markt für Vermittlungsdienste und Hotelbuchungsportale eine beherrschende Stellung innehabe. Wikingerhof ist der Auffassung, dass bestimmte Praktiken von Booking.com bei der Übermittlung von Hotelbuchungen unangemessen seien und einen wettbewerbsrechtswidrigen Missbrauch dieser Stellung darstellten. Sie beantragte daher vor diesem Gericht, Booking.com unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten:

–        auf ihrer Plattform einen von Wikingerhof für ihr Hotel ausgewiesenen Preis ohne deren vorherige Einwilligung durch einen Hinweis als „vergünstigten Preis“ oder „rabattierten Preis“ zu bezeichnen,

–        Wikingerhof den Zugang zu Kontaktdaten, die die Gäste ihres Hotels über diese Plattform zur Verfügung stellen, ganz oder teilweise vorzuenthalten und von ihr zu verlangen, zu diesen Gästen nur über die von Booking.com bereitgestellte Kontaktfunktion Kontakt aufzunehmen, und

–        die Platzierung des von Wikingerhof betriebenen Hotels in den Suchergebnissen auf dieser Plattform von der Gewährung einer 15 % übersteigenden Provision abhängig zu machen.

13.      Booking.com rügte die internationale und die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Kiel. Mit Urteil vom 27. Januar 2017 wies dieses Gericht die Klage von Wikingerhof aus diesem Grund als unzulässig ab. Im Einzelnen stellte es fest, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Booking.com enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung, die die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte von Amsterdam vorsehe, gemäß Art. 25 der Brüssel‑Ia-Verordnung wirksam zwischen den Parteien zustande gekommen sei und für eine solche Klage gelte.

14.      In der Berufungsinstanz bestätigte das Oberlandesgericht Schleswig (Deutschland) mit Urteil vom 12. Oktober 2018 das Urteil erster Instanz, wenn auch mit anderer Begründung. Im Wesentlichen stellte dieses Gericht fest, dass das Landgericht Kiel seine Zuständigkeit nicht aus der in Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung vorgesehenen Regelung über „eine unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ herleiten könne, weil die von Wikingerhof erhobene Klage einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 dieser Verordnung zum Gegenstand habe. Auch aus Art. 7 Nr. 1 dieser Verordnung könne die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts aber nicht hergeleitet werden, weil der „[Ort], an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“, im Sinne dieser Bestimmung nicht in seinem Gerichtsbezirk liege(14). Folglich hielt das Berufungsgericht es nicht für erforderlich, zu entscheiden, ob die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Booking.com enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens rechtsgültig geschlossen wurde.

15.      Wikingerhof legte gegen dieses Urteil Revision zum Bundesgerichtshof ein, der dieses Rechtsmittel zugelassen hat. Im Rahmen dieses Verfahrens machte Wikingerhof geltend, das Berufungsgericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es die von ihr erhobene Klage von der Anwendung der in Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung vorgesehenen Zuständigkeitsregel für Klagen, die „eine unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ zum Gegenstand hätten, ausgeschlossen habe.

16.      Der Bundesgerichtshof weist darauf hin, dass sich das bei ihm anhängige Rechtsmittel der „Revision“ nicht gegen die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts richte, eine Zuständigkeit des Landgerichts Kiel für die Entscheidung über die von Wikingerhof erhobene Klage könne sich nicht aus Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung ergeben. Auch die Frage der Wirksamkeit der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Booking.com enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung sei nicht Gegenstand dieses Rechtsmittels(15). Der Erfolg dieses Rechtsmittels hänge allein davon ab, ob eine solche Klage in den Anwendungsbereich von Art. 7 Nr. 2 dieser Verordnung fallen könne.

17.      Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung dahin auszulegen, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung für eine auf Unterlassung bestimmter Verhaltensweisen gerichtete Klage eröffnet ist, wenn in Betracht kommt, dass das beanstandete Verhalten durch vertragliche Regelungen gedeckt ist, die Klägerin aber geltend macht, dass diese Regelungen auf der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung des Beklagten beruhen?

18.      Das Vorabentscheidungsersuchen vom 11. Dezember 2018 ist am 29. Januar 2019 beim Gerichtshof eingegangen. Booking.com, die tschechische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht. Wikingerhof, Booking.com und die Kommission haben an der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2020 teilgenommen.

IV.    Würdigung

19.      Hintergrund der vorliegenden Rechtssache sind die zwischen privaten Parteien erhobenen zivilrechtlichen Haftungsklagen wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht, die typisch für das sind, was gemeinhin als „private enforcement“ bezeichnet wird. Genauer gesagt, stützt sich die von Wikingerhof gegen Booking.com erhobene Klage auf einen Verstoß gegen die Vorschriften des deutschen Rechts, die wie Art. 102 AEUV die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung verbieten. Wikingerhof macht im Wesentlichen geltend, Booking.com missbrauche die beherrschende Stellung, die sie auf dem Markt für Vermittlungsdienstleistungen und Hotelbuchungsportale innehabe, indem sie kleinen Hoteliers, die auf ihrer Plattform registriert seien, unangemessene Geschäftsbedingungen(16) auferlege. In diesem Zusammenhang wird der Gerichtshof nicht ersucht, die Reichweite von Art. 102 AEUV klarzustellen. Er wird vielmehr zu den für eine solche Klage geltenden Zuständigkeitsregeln befragt.

20.      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass auf eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht gestützte zivilrechtliche Haftungsklagen unter den Begriff „Zivil- und Handelssachen“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung und daher in den sachlichen Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen(17).

21.      Art. 4 Abs. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung sieht als allgemeine Regel die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats vor, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat. Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass der Sitz von Booking.com im Sinne dieser Verordnung(18) in den Niederlanden liegt und dass Wikingerhof daher aufgrund dieser Bestimmung kein deutsches Gericht anrufen konnte.

22.      Die Brüssel‑Ia-Verordnung sieht jedoch auch Regeln vor, die es dem Kläger in bestimmten Fällen erlauben, den Beklagten vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats zu verklagen(19). Diese Verordnung sieht u. a. besondere Zuständigkeiten für verschiedene „Streitgegenstände“ vor, die dem Kläger die Wahl lassen, seine Klage an einem oder mehreren zusätzlichen Gerichtsständen zu erheben.

23.      Solche besonderen Zuständigkeiten bestehen insbesondere, wenn ein „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ oder „eine unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ Gegenstand solcher Verfahren sind. Bei Klagen, die zur ersten Kategorie gehören, räumt Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung dem Kläger die Möglichkeit ein, das Gericht „des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“, anzurufen. Für Klagen, die zur zweiten Kategorie gehören, sieht Art. 7 Nr. 2 dieser Verordnung vor, dass sie vor dem Gericht „des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“, erhoben werden können.

24.      Die dem Kläger eingeräumte Zuständigkeitsoption ist daher je nach der Einstufung der betreffenden Klage unterschiedlich. Im vorliegenden Fall sind sich die Parteien darüber uneins, welcher der in der vorstehenden Randnummer genannten Kategorien die Klage von Wikingerhof zuzuordnen ist. Der Erfolg der von Booking.com erhobenen Einrede der Unzuständigkeit hängt nämlich von dieser Einstufung ab: Während der Ort, „an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung im Bereich der örtlichen Zuständigkeit des von der Klägerin des Ausgangsverfahrens angerufenen deutschen Gerichts liegen kann(20), ist im Berufungsverfahren festgestellt worden, dass dies auf den Ort, „an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 dieser Verordnung nicht zutrifft(21).

25.      Wie das vorlegende Gericht ausführt, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass zivilrechtliche Haftungsklagen, die auf eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht gestützt werden, grundsätzlich „eine unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung zum Gegenstand haben(22).

26.      Die Klage, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht, weist jedoch die Besonderheit auf, dass sie zwischen Vertragsparteien erhoben wurde und die wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, die Wikingerhof Booking.com vorwirft, in ihrem Vertragsverhältnis zum Tragen kommen, weil sie darin bestehen sollen, dass das zweite Unternehmen dem ersten im Rahmen dieses Verhältnisses unangemessene Geschäftsbedingungen auferlege. Es ist allerdings möglich, dass einige oder sogar alle(23) beanstandeten Praktiken durch die Bestimmungen der für den in Rede stehenden Vertrag geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen gedeckt sind. Es stellt sich daher die Frage, ob für die Zwecke der Brüssel‑Ia-Verordnung unter solchen Umständen die Einstufung als „vertraglich“ Vorrang vor der Einstufung als „deliktisch“ hat.

27.      Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass diese Frage zu verneinen ist. Ebenso wie Wikingerhof und die Kommission teile auch ich diese Auffassung. Der gegenteilige Standpunkt, der von Booking.com und der tschechischen Regierung vertreten wird, spiegelt meines Erachtens die Ungewissheiten in der Rechtsprechung des Gerichtshofs hinsichtlich der Trennlinie zwischen „Ansprüche[n] aus einem Vertrag“ und solchen aus „einer unerlaubten Handlung“ wider. Wie ich in der Einleitung der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, bietet die vorliegende Rechtssache dem Gerichtshof eine gute Gelegenheit, diese Rechtsprechung zusammenzufassen und diese Ungewissheiten zu beseitigen. Ich werde daher die großen Linien dieser Rechtsprechung in Erinnerung rufen (Abschnitt A), bevor ich speziell die Einstufung zivilrechtlicher Haftungsklagen zwischen Vertragsparteien untersuche (Abschnitt B). In diesem Zusammenhang werde ich einige der Gedanken weiterentwickeln, die ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Bosworth und Hurley im Ansatz dargelegt habe(24). Schließlich werde ich den sich aus dieser Rechtsprechung ergebenden Beurteilungsrahmen auf den Fall einer Haftungsklage wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht anwenden, wie sie im vorliegenden Fall von Wikingerhof gegen Booking.com erhoben wurde (Abschnitt C).

A.      Die großen Linien der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu „Ansprüche[n] aus einem Vertrag“ und solchen aus „einer unerlaubten Handlung“

28.      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Brüssel‑Ia-Verordnung keine Definition des „Vertrag[s] oder [der] Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 dieser Verordnung oder der „unerlaubte[n] Handlung oder … [der] Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 dieser Verordnung enthält. Was von diesen Kategorien umfasst wird, ist jedoch alles andere als offensichtlich. Auch wenn sie wohlbekannte Begriffe des Zivilrechts widerspiegeln – „Vertrag“ und „unerlaubte Handlung“ –, sind die Konturen dieser Begriffe von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich. Außerdem bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Sprachfassungen der Verordnung in Bezug auf die eine(25) und die andere(26) Bestimmung.

29.      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Wendungen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ und „unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus unerlaubter Handlung“ im Sinne der Brüssel‑Ia-Verordnung autonome Begriffe des Unionsrechts darstellen, bei deren Auslegung in erster Linie die Systematik und die Zielsetzungen dieser Verordnung zu berücksichtigen sind, um eine einheitliche Anwendung der darin vorgesehenen Zuständigkeitsvorschriften in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten(27). Die Zuordnung einer Klage zu der einen oder anderen Kategorie hängt daher insbesondere nicht von den Lösungen ab, die das innerstaatliche Recht des angerufenen Gerichts (lex fori) vorsieht.

30.      Zur Systematik der Brüssel‑Ia-Verordnung hat der Gerichtshof wiederholt festgestellt, dass diese auf dem allgemeinen Grundsatz der Zuständigkeit der Gerichte des Wohnsitzstaats des Beklagten beruht, wie er in Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehen ist, und dass die in ihrem Art. 7 vorgesehenen besonderen Zuständigkeiten Ausnahmen von diesem allgemeinen Grundsatz darstellen, die als solche einschränkend auszulegen sind(28).

31.      Zu den Zielsetzungen der Brüssel‑Ia-Verordnung ist darauf hinzuweisen, dass die in dieser Verordnung vorgesehenen Zuständigkeitsregeln allgemein darauf abzielen, Rechtssicherheit zu gewährleisten und in diesem Zusammenhang den Rechtsschutz der im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten niedergelassenen Personen zu stärken. Aus diesem Grund müssen diese Regeln in hohem Maße vorhersehbar sein: Der Kläger muss unschwer feststellen können, vor welchen Gerichten er klagen kann, und der Beklagte muss hinreichend sicher voraussehen können, vor welchen Gerichten er verklagt werden kann. Zudem sollen diese Vorschriften eine geordnete Rechtspflege gewährleisten(29).

32.      Die in Art. 7 Nrn. 1 und 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung vorgesehenen besonderen Zuständigkeiten für einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ bzw. eine „unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ verfolgen ein spezifisches Ziel der Sachnähe, das die beiden in der vorstehenden Randnummer genannten Erfordernisse konkretisiert. In dieser Hinsicht hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die dem Kläger durch diese Bestimmungen gewährte Wahlmöglichkeit im Interesse einer sachgerechten Prozessführung im Hinblick darauf eingeführt worden ist, dass in den von ihnen vorgesehenen Kategorien eine besonders enge Verbindung zwischen der Klage und dem zur Entscheidung über sie berufenen Gericht besteht(30). Bei einem „Vertrag oder Ansprüche[n] aus einem Vertrag“ gilt nämlich das Gericht des „Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“, als das Gericht, das insbesondere wegen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme am besten geeignet ist, über den Rechtsstreit zu entscheiden. Dasselbe gilt, soweit es um eine „unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus unerlaubter Handlung“ geht, für das Gericht des „Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“(31). Das Bestehen dieser engen Verbindung gewährleistet zugleich die Rechtssicherheit, indem es verhindert, dass der Beklagte vor einem Gericht verklagt werden kann, mit dem er vernünftigerweise nicht rechnen konnte.

33.      Im Licht dieser allgemeinen Erwägungen hat der Gerichtshof im Lauf seiner Rechtsprechung autonome Definitionen der Begriffe „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ und „unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ entwickelt. Ich werde diese Definitionen nacheinander in den beiden folgenden Unterabschnitten untersuchen.

1.      Die Definition von „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der BrüsselIa-Verordnung

34.      Einen ersten Ansatz zur Definition von „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung hat der Gerichtshof im Urteil Handte formuliert, wonach dieser Begriff „nicht so verstanden werden [kann], dass er für eine Situation gilt, in der keine von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene Verpflichtung vorliegt“(32).

35.      Der Gerichtshof hat diese Definition im Urteil Engler(33) gefestigt. Davon ausgehend, dass die Feststellung einer Verpflichtung für die Anwendung dieses Art. 7 Nr. 1 unerlässlich ist, weil sich die gerichtliche Zuständigkeit nach dieser Bestimmung nach dem Ort richtet, an dem „die der Klage zugrunde liegende Verpflichtung“ erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, hat der Gerichtshof entschieden, dass die Anwendung dieser Bestimmung „voraus[setzt], dass eine von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene Verpflichtung bestimmt werden kann, auf die sich die betreffende Klage stützt(34).

36.      Aus dieser Definition, die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs nunmehr konstant ist(35), ergeben sich zwei kumulative Voraussetzungen: Eine Klage hat einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung zum Gegenstand, sofern sie (1) eine „vertragliche Verpflichtung“ betrifft, unter der eine „von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtung“ zu verstehen ist(36), und (2) sich diese Klage speziell auf diese „Verpflichtung“ stützt.

37.      In Bezug auf die erste Voraussetzung hat der Gerichtshof klargestellt, dass „vertragliche Schuldverhältnisse“ zunächst einmal Verpflichtungen umfassen, die ihren Ursprung(37) in einem Vertrag(38) haben, d. h. – im Wesentlichen – in einer Willenseinigung zweier Personen(39). Sodann hat der Gerichtshof in den Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ entsprechend Rechtsverhältnisse einbezogen, die insoweit vertragsähnlich sind, als sie zwischen den Betroffenen „enge Verbindungen gleicher Art“ schaffen, wie sie zwischen Vertragsparteien bestehen. Dies gilt u. a. für die Beziehungen zwischen einem Verein und seinen Mitgliedern und zwischen den Vereinsmitgliedern untereinander(40), für die Bindungen zwischen den Aktionären einer Gesellschaft und zwischen diesen und der von ihnen gegründeten Gesellschaft(41), für das Rechtsverhältnis zwischen dem Geschäftsführer und der von ihm geleiteten Gesellschaft, wie es das Gesellschaftsrecht vorsieht(42), oder auch für die Verpflichtungen, die Miteigentümer eines Gebäudes kraft Gesetzes gegenüber der Eigentümergemeinschaft eingehen(43). Da die Anwendung von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung „nicht den Abschluss eines Vertrags“, sondern nur „die Feststellung einer Verpflichtung“ voraussetzt(44), hat der Gerichtshof schließlich entschieden, dass der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ auch Verpflichtungen umfasst, die nicht aufgrund einer solchen Willenseinigung, sondern aufgrund einer freiwilligen einseitigen Verpflichtungserklärung einer Person gegenüber einer anderen entstehen. Das ist u. a. bei der Gewinnzusage eines Gewerbetreibenden gegenüber einem Verbraucher(45) und bei den Verpflichtungen des Wechselbürgen gegenüber dem Begünstigten des Eigenwechsels(46) der Fall.

38.      Alles in allem geht der Gerichtshof von einer „flexiblen“ Auslegung des Begriffs „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung aus(47). Diese Feststellung mag auf den ersten Blick überraschen, in Anbetracht der ständigen Rechtsprechung, wonach diese Bestimmung eng auszulegen ist. Meines Erachtens hindert dieses Erfordernis den Gerichtshof in Wirklichkeit aber nur daran, vom klaren Wortlaut dieser Bestimmung abzuweichen und sie weiter auszulegen, als ihr Ziel es erfordert(48). Es ist daher möglich und in meinen Augen gerechtfertigt, die Kategorie „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Interesse einer geordneten Rechtspflege auf dem Gebiet internationaler Rechtsstreitigkeiten so auszulegen, dass sie vertragsähnliche Rechtsinstitute einschließt(49).

39.      Was die zweite Voraussetzung betrifft, geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass eine Klage nicht allein deshalb einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung zum Gegenstand hat, weil sie einen mehr oder weniger engen Bezug zu einem „vertraglichen Schuldverhältnis“ hat. Diese Klage muss sich darüber hinaus auf eine solche Verpflichtung stützen. Die Anwendung dieser Bestimmung hängt daher, wie der Gerichtshof kürzlich entschieden hat, von der „Grundlage der Klage“ ab(50). Der Kläger muss sich mit anderen Worten auf eine solche Verpflichtung berufen, um sein Klagebegehren zu rechtfertigen(51).

40.      Mit dieser Voraussetzung behält der Gerichtshof die Anwendung der in Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung niedergelegten Zuständigkeitsregel für einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ meines Erachtens zu Recht denjenigen Klagen vor, die vertraglicher Natur sind, d. h. denen, die in der Sache hauptsächlich Fragen des Vertragsrechts aufwerfen(52) – oder, anders ausgedrückt, Fragen aufwerfen, die in den Anwendungsbereich des auf den Vertrag anzuwendenden Rechts (lex contractus) im Sinne der Rom‑I-Verordnung fallen(53). Damit stellt der Gerichtshof sicher, dass, im Einklang mit dem dieser Bestimmung zugrunde liegenden Ziel der Sachnähe, über derartige Fragen in erster Linie das für den Vertrag zuständige Gericht entscheidet(54). Noch grundlegender ist, dass der Gerichtshof die innere Kohärenz der einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ betreffenden Regeln sicherstellt, wie Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung sie als Zuständigkeitsvorschriften und die Rom‑I-Verordnung sie für Kollisionsfälle vorsehen(55).

41.      Konkret sind diese beiden Voraussetzungen u. a. bei Vollstreckungsklagen zur Durchsetzung einer „vertraglichen Verpflichtung“(56) oder bei zivilrechtlichen Haftungsklagen oder Klagen auf Auflösung des Vertrags wegen Nichterfüllung einer solchen Verpflichtung(57) erfüllt, die somit einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne dieses Art. 7 Nr. 1 zum Gegenstand haben. In all diesen Fällen entspricht die fragliche Voraussetzung einem „Anspruch aus einem Vertrag“, der die Klage rechtfertigt. Zur Entscheidung über deren Begründetheit hat das angerufene Gericht im Wesentlichen über Fragen vertraglicher Art, wie den Inhalt der fraglichen Verpflichtung, die Art und Weise, in der sie zu erfüllen ist, die Folgen ihrer Nichterfüllung usw.(58), zu entscheiden. Ebenso haben auch Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrags einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ zum Gegenstand, weil sich solche Klagen auf einen Verstoß gegen die Bestimmungen über sein Zustandekommen stützen und das Gericht über die Gültigkeit der sich aus ihnen ergebenden „vertraglichen Verpflichtungen“ zu befinden hat(59). Ich verweise den Leser, der weitere Einzelheiten zu „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ wissen möchte, auf die reichhaltige Rechtslehre, die sich mit diesem Thema befasst(60).

2.      Die Definition von „unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 der BrüsselIa-Verordnung

42.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, die auf seinem Urteil Kalfelis beruht, umfasst der Begriff „unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung „alle Klagen …, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen ‚Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag‘ im Sinne von [Art. 7 Nr. 1 dieser Verordnung] anknüpfen“(61).

43.      Aus dieser Definition ergeben sich zwei kumulative Voraussetzungen: eine positive, wonach mit der Klage eine zivilrechtliche Haftung des Beklagten geltend gemacht werden muss, und eine negative, wonach diese Klage nicht an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ anknüpfen darf.

44.      Die erste Voraussetzung bezieht sich auf den Gegenstand der Klage. Diese Klage muss grundsätzlich darauf gerichtet sein, den Beklagten gerichtlich zu zwingen, – im Fall einer Unterlassungsklage wie der von Wikingerhof im vorliegenden Fall erhobenen – ein Verhalten zu beenden, das geeignet ist, einen Schaden auszulösen, oder – im Fall einer Schadensersatzklage – diesen Schaden zu ersetzen, sofern er entstanden ist(62).

45.      Allerdings geht der Gerichtshof auch hier von einer „flexiblen“ Auslegung dieser Voraussetzung aus. Eine Feststellungsklage, mit der der Kläger die gerichtliche Feststellung begehrt, dass der Beklagte gegen eine Rechtspflicht verstoßen hat, oder auch eine negative Feststellungsklage, mit der der Kläger die Feststellung begehrt, dass er keine Handlungen oder Unterlassungen begangen hat, die dem Beklagten gegenüber seine Haftung aus unerlaubter Handlung begründen, kann nämlich in den Anwendungsbereich von Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung fallen(63).

46.      Die zweite Voraussetzung ist meines Erachtens ein Spiegelbild dessen, was der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zum Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ entwickelt hat. Auch hier geht es darum, die Grundlage der Haftungsklage zu bestimmen. Um „eine unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ zum Gegenstand zu haben, darf diese Klage nicht auf eine „freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtung“ gestützt werden, sondern muss sich auf eine „Verpflichtung aus unerlaubter Handlung“ stützen, d. h. auf eine unfreiwillige Verpflichtung, die besteht, ohne dass der Beklagte gegenüber dem Kläger irgendeine Verpflichtung eingehen wollte, und die sich aus einem schädigenden Ereignis ergibt, das in der Verletzung einer gesetzlich auferlegten Pflicht besteht(64). Mit dieser Voraussetzung gewährleistet der Gerichtshof im Einklang mit dem Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung zugrunde liegenden Ziel der Sachnähe, dass das für die unerlaubte Handlung zuständige Gericht nur über deliktsrechtliche Klagen befindet, d. h. über diejenigen, die in der Sache vor allem Fragen im Zusammenhang mit den Rechtsvorschriften aufwerfen, aus denen sich solche Pflichten ergeben. Außerdem stellt der Gerichtshof die innere Kohärenz der eine „unerlaubte Handlung“ betreffenden Regeln sicher, wie sie in Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung als Zuständigkeitsvorschriften und in der Rom‑II-Verordnung für Kollisionsfälle vorgesehen sind(65).

47.      Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung kann daher nicht, wie manchmal zu lesen ist, als reine Auffangbestimmung angesehen werden, die alle Klagen erfasst, die keinen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 dieser Verordnung zum Gegenstand haben. Es gibt im Gegenteil Klagen, die unter keine dieser beiden Bestimmungen fallen, weil sie sich auf Verpflichtungen stützen, die weder „vertraglich“ noch „deliktisch“ sind(66).

48.      Im Übrigen hat der Gerichtshof entschieden, dass sich Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung auf eine Vielzahl unterschiedlicher Arten der Haftung erstreckt(67): verschuldensabhängige, verschuldensunabhängige usw. Neben den bereits erwähnten zivilrechtlichen Haftungsklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht werden u. a. auch Haftungsklagen wegen unlauteren Wettbewerbs(68), Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums(69) oder durch fehlerhafte Produkte verursachter Schäden(70) erfasst. Auch hier verweise ich den Leser, der weitere Einzelheiten bezüglich „unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ wissen möchte, auf die reichhaltige Rechtslehre, die sich mit diesem Thema befasst(71).

B.      Die Einstufung zwischen Vertragsparteien erhobener zivilrechtlicher Haftungsklagen für die Zwecke der BrüsselIa-Verordnung

49.      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass bestimmte zivilrechtliche Haftungsklagen „Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung zum Gegenstand haben und andere „Ansprüche aus unerlaubter Handlung“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 dieser Verordnung. Ferner ergibt sich daraus, dass die Zuordnung einer solchen Klage zu der einen oder anderen dieser Kategorien in theoretischer Hinsicht abhängt von ihrer Grundlage, verstanden als die Verpflichtung, auf die sich die Klage stützt. Wenn diese Verpflichtung aufgrund eines Vertrags oder einer anderen Form der freiwilligen Verpflichtung einer Person gegenüber einer anderen Person entsteht, handelt es sich um eine Klage „aus einem Vertrag“. Ergibt sich die fragliche Verpflichtung hingegen aus einem Verstoß gegen eine jedem Einzelnen unabhängig von jeder freiwilligen Verpflichtung gesetzlich auferlegte Pflicht, handelt es sich um eine Klage aus „unerlaubter Handlung“(72).

50.      Wenn zwei Personen gegenseitig durch einen Vertrag gebunden sind und eine von ihnen eine zivilrechtliche Haftungsklage gegen die andere erhebt, kann es sich in der Praxis allerdings als schwierig erweisen, zwischen einer Klage „aus einem Vertrag“ und einer solchen aus „unerlaubter Handlung“ zu unterscheiden.

51.      In dieser Hinsicht hat eine solche Klage nicht zwangsläufig einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung zum Gegenstand(73). Zwischen Vertragsparteien kann es auch Klagen aus „unerlaubter Handlung“ geben. Dies leuchtet ohne Weiteres ein, wenn es sich um Klagen handelt, die mit dem Vertrag zwischen den Parteien rein gar nichts zu tun haben(74), für die die Anwendung von Art. 7 Nr. 2 der genannten Verordnung eindeutig geboten ist.

52.      Weniger offensichtlich sind die Dinge, wenn die Klage, wie im Ausgangsverfahren, einen gewissen Zusammenhang mit dem Vertrag aufweist, insbesondere weil sie sich auf ein schädigendes Ereignis bezieht, das anlässlich der Erfüllung dieses Vertrags verursacht wurde. In diesem Zusammenhang kann es insbesondere vorkommen, dass das geltend gemachte schädigende Ereignis sowohl die Nichterfüllung einer „vertraglichen Verpflichtung“ als auch die Verletzung einer jedem Einzelnen gesetzlich auferlegten Pflicht darstellt. Es liegt also Haftungskonkurrenz – oder, anders gesprochen, Konkurrenz zwischen „vertraglichen“ und „deliktischen“ Pflichten vor, von denen potenziell jede der Klage als Grundlage dienen kann(75).

53.      Die Zahl der Fälle, in denen ein und dasselbe schädigende Ereignis zu einer solchen Konkurrenz führen kann, ist von den nationalen Rechtssystemen und der Art und Weise abhängig, wie sie die Haftung aus Vertrag und die Haftung aus unerlaubter Handlung verstehen(76). Dennoch können sich die in Nr. 48 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten zivilrechtlichen Haftungsklagen – Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht, als unlauterer Wettbewerb anzusehende Handlungen, durch fehlerhafte Produkte verursachte Schäden, Verletzungen eines Rechts des geistigen Eigentums – in den Kontext einer solchen Haftungskonkurrenz einfügen, wenn sie zwischen Vertragsparteien erhoben werden.

54.      Beispielsweise könnte die Weigerung eines Lieferanten, an seinen Vertragshändler zu verkaufen, nicht nur einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellen, sondern auch einen Verstoß gegen die Pflichten aus ihrem Rahmenvertrag, wie Wikingerhof zu Recht vorgetragen hat. Das Gleiche würde in einem Fall gelten, in dem der Lieferant sein eigenes Vertriebsnetz zum Nachteil des Vertragshändlers begünstigt, weil dieses Verhalten eine Vertragsverletzung und zugleich einen solchen Missbrauch oder auch eine unlautere Wettbewerbshandlung darstellen könnte(77). Ferner könnte ein Fehler eines von seinem Hersteller verkauften Produkts, der dem Käufer einen Schaden zufügt, sowohl der Haftung aus unerlaubter Handlung – wegen Verletzung einer gesetzlichen Pflicht auf dem Gebiet der Produktsicherheit – als auch der vertraglichen Haftung – wegen Verletzung der vertraglichen Verpflichtung zur Lieferung eines den Anforderungen konformen Produkts oder einer vertraglichen Sicherheitspflicht – unterliegen. Wenn schließlich der Inhaber einer Lizenz zur Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werkes die Grenzen dieser Lizenz überschreitet, kann dieses schädigende Ereignis eine Urheberrechtsverletzung – weil der Lizenznehmer die ausschließlichen Rechte seines Vertragspartners verletzt – und zugleich einen Verstoß gegen den Lizenzvertrag darstellen(78).

55.      Angesichts solcher Haftungskonkurrenzen lassen einige nationale Rechtssysteme, darunter das englische und das deutsche Recht, dem Kläger die Wahl, seine Klage auf die Haftung aus unerlaubter Handlung oder auf die vertragliche Haftung zu stützen, je nachdem, was seinem Interesse mehr entspricht(79), oder Ansprüche, die auf diesen beiden Grundlagen beruhen, sogar zu „kumulieren“(80).

56.      Im Gegensatz dazu sehen andere Rechtssysteme, darunter das französische und das belgische Recht, eine als „Kumulierungsverbot“ bezeichnete Regelung der Aufteilung der Haftung vor, die dem Kläger keine Wahlmöglichkeit lässt: Er kann seine Klage nicht auf eine Haftung aus unerlaubter Handlung stützen, wenn das geltend gemachte schädigende Ereignis auch die Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung darstellt. In diesen Systemen hat mit anderen Worten „die vertragliche Haftung Vorrang vor der deliktischen“(81).

57.      Im Rahmen der Brüssel‑Ia-Verordnung geht es um die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Wahl des Klägers, sich wegen ein und desselben schädigenden Ereignisses auf die deliktische und/oder auf die vertragliche Haftung seines Vertragspartners zu berufen, Einfluss auf die anzuwendende Zuständigkeitsregel hat(82). Insoweit werde ich auf die vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung bislang gefundenen Lösungen hinweisen (Unterabschnitt 1), bevor ich prüfe, welche Auslegung in diesem Bereich nach meiner Auffassung geboten ist (Unterabschnitte 2 und 3).

1.      Die vom Gerichtshof bislang gefundenen Lösungen

58.      Im Urteil Kalfelis hat sich der Gerichtshof erstmals mit dieser Frage befasst. In der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, hatte ein Kunde seine Bank auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommen, den er im Zusammenhang mit Börsengeschäften erlitten hatte, und hatte zu diesem Zweck kumulativ Ansprüche geltend gemacht, die auf verschiedene Vorschriften des deutschen Rechts gestützt waren, von denen einige die vertragliche Haftung, andere die Haftung aus unerlaubter Handlung und wieder andere die ungerechtfertigte Bereicherung betrafen, die quasivertraglicher Natur ist. Insbesondere stellte sich die Frage, ob eine Annexzuständigkeit des nach Art. 5 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens – jetzt Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung – für die Entscheidung über die Ansprüche aus unerlaubter Handlung zuständigen Gerichts für vertragliche und quasivertragliche Klageansprüche besteht.

59.      In seinen Schlussanträgen hatte Generalanwalt Darmon vorgeschlagen, dass die für „Verträge oder Ansprüche aus Verträgen“ geltende Zuständigkeitsregel die gesamte Klage, einschließlich der auf deliktische oder quasivertragliche Rechtsgrundlagen gestützten Ansprüche, „kanalisieren“ solle, um die Zuständigkeit zu rationalisieren und den Rechtsstreit vor dem für den Vertrag zuständigen Gericht zu zentralisieren, das nach Ansicht des Generalanwalts am besten in der Lage sei, den Zusammenhang des Vertrags und die Gesamtheit seiner streitigen Implikationen zu verstehen(83).

60.      In diesem Punkt ist der Gerichtshof den Schlussanträgen seines Generalanwalts nicht gefolgt. Er hat zwar entschieden, wie ich in Nr. 42 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, dass der Begriff „unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ jede Klage einschließt, mit der eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht werden soll und die nicht an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ anknüpft. Unter Hinweis auf den Ausnahmecharakter der Vorschriften über die besonderen Zuständigkeiten hat der Gerichtshof jedoch sogleich klargestellt, „dass ein Gericht, das nach [Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung] für die Entscheidung über eine Klage unter einem auf deliktischer Grundlage beruhenden Gesichtspunkt zuständig ist, nicht auch zuständig ist, über diese Klage unter anderen, nichtdeliktischen Gesichtspunkten zu entscheiden“(84).

61.      Trotz dieser nicht ganz eindeutigen Antwort wollte der Gerichtshof im Urteil Kalfelis damit nicht andeuten, dass Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung Vorrang vor ihrem Art. 7 Nr. 2 habe. Der Gerichtshof hat im Gegenteil festgestellt, dass für eine Haftungsklage, die ein und dasselbe schädigende Ereignis betrifft, je nach den Anspruchsgrundlagen, auf die sich der Kläger beruft, d. h. je nach den materiell-rechtlichen Vorschriften, auf die er seine Klage stützt, der Gerichtsstand des Vertrags und/oder der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung eröffnet sein kann. Daher muss, wenn im Rahmen ein und derselben Klage Ansprüche kumulativ geltend gemacht werden, nicht die Klage als Ganzes, sondern jeder dieser Ansprüche, nach seiner Rechtsgrundlage, als „vertraglich“ oder „deliktisch“ eingestuft werden – da ein und derselbe Anspruch bzw. ein und dieselbe Rechtsgrundlage nicht gleichzeitig in beide Kategorien fallen kann(85). In diesem Zusammenhang kann das für Vertragssachen zuständige Gericht über Ansprüche mit vertraglicher Grundlage entscheiden, während das für unerlaubte Handlungen zuständige Gericht über Ansprüche mit deliktischen Rechtsgrundlagen befinden kann. Keines dieser Gerichte verfügt über eine Annexzuständigkeit für die Entscheidung über etwas, das nicht in seine „Rechtsmaterie“ fällt(86).

62.      Ich betone, dass es nicht darum geht, für die Zwecke der Brüssel‑Ia-Verordnung darauf abzustellen, wie die vom Kläger geltend gemachten materiell-rechtlichen Vorschriften in dem nationalen Recht, aus dem sie stammen, eingestuft werden. In der Phase der Prüfung der gerichtlichen Zuständigkeit hat das angerufene Gericht das anwendbare Recht ohnehin noch nicht bestimmt. Folglich ist nicht gesagt, dass über die Klage anhand dieser Vorschriften entschieden wird. Die materiell-rechtlichen Vorschriften, auf die ein Kläger sich stützt, liefern jedoch die notwendigen Hinweise, um den Charakter der „Verpflichtung“ im autonomen Sinne des Begriffs zu ermitteln, auf die er sich beruft. Wie aus Nr. 49 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, ist es diese „Verpflichtung“, die anhand ihrer Merkmale gemäß den vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung aufgestellten Kriterien als eine solche aus „Vertrag“ oder aus „unerlaubter Handlung“ einzustufen ist und somit die für diese Klage anzuwendende Zuständigkeitsregel bestimmt(87). Macht der Kläger kumulativ Ansprüche geltend, die auf materiellen Rechtsvorschriften unterschiedlicher Art beruhen, macht er möglicherweise diese beiden Arten unterschiedlicher „Verpflichtungen“ geltend(88), die in die Zuständigkeit verschiedener Gerichte fallen.

63.      Kurz zusammengefasst, kann die gerichtliche Zuständigkeit nach der Brüssel‑Ia-Verordnung für die Entscheidung über eine zwischen Vertragsparteien erhobene Haftungsklage je nach den materiell-rechtlichen Vorschriften, auf die sich der Kläger beruft, unterschiedlich sein. Ich stelle zudem fest, dass der Gerichtshof im Urteil Melzer(89), das eine solche Klage betraf, diesem Ansatz gefolgt ist. In diesem Urteil hat der Gerichtshof, wie vom nationalen Gericht ersucht, lediglich die Zuständigkeitsregel für „unerlaubte Handlungen“ ausgelegt, ohne die vom Beklagten geltend gemachte Zuständigkeitsregel für einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ zu prüfen, weil die in Rede stehende Klage „allein auf das Recht der Deliktshaftung gestützt“ war(90).

64.      Der Gerichtshof hat diese Problematik im Urteil Brogsitter erneut untersucht. In der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, hatte ein in Deutschland ansässiger Uhrenverkäufer mit einem damals in Frankreich ansässigen Uhrmachermeister einen Vertrag über die Entwicklung von Uhrwerken abgeschlossen, die der Erstgenannte vermarkten sollte. Parallel zu seiner Tätigkeit für den Verkäufer hatte der Uhrmachermeister weitere Uhrwerke entwickelt, die er auf eigene Rechnung vermarktete. Da der Verkäufer der Ansicht war, dass diese parallele Tätigkeit gegen eine sich aus dem Vertrag ergebende Ausschließlichkeitsverpflichtung verstoße, hatte er seinen Vertragspartner vor einem deutschen Gericht verklagt. In diesem Rahmen hatte der Verkäufer die Einstellung der streitigen Tätigkeiten sowie die Zuerkennung von Schadensersatz beantragt, indem er sich kumulativ auf Ansprüche aus vertraglicher Haftung und aus deliktischer Haftung berief, genauer gesagt auf die Vorschriften des deutschen Rechts über unlauteren Wettbewerb und die Verschuldenshaftung. Weil das nationale Gericht zögerte, den Rechtsstreit in Abhängigkeit von den vom Kläger geltend gemachten Rechtsgrundlagen aufzuteilen, ersuchte es den Gerichtshof, zu klären, wie die auf eine unerlaubte Handlung gestützten Ansprüche angesichts des zwischen den Parteien bestehenden Vertrags im Sinne der Brüssel‑I-Verordnung einzustufen seien.

65.      Ausgehend von den Ausführungen im Urteil Kalfelis, wonach sich der Begriff „unerlaubte Handlung … oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ auf alle Klagen bezieht, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ anknüpfen, hat der Gerichtshof festgestellt, dass für die Zuordnung der Ansprüche zu einer dieser Kategorien zu prüfen ist, „ob sie unabhängig von ihrer Qualifizierung nach nationalem Recht vertraglicher Natur sind“(91).

66.      Das trifft dem Gerichtshof zufolge zu, „wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Vertragsgegenstands ermitteln lassen“. Insoweit hat der Gerichtshof klargestellt, dass „[d]ies wiederum … grundsätzlich der Fall [ist], wenn eine Auslegung des Vertrags zwischen dem Beklagten und dem Kläger unerlässlich erscheint, um zu klären, ob das dem Beklagten vom Kläger vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder vielmehr widerrechtlich ist“. Es ist daher Sache des nationalen Gerichts, „festzustellen, ob die Klageanträge des Klägers einen Ersatzanspruch zum Gegenstand haben, dessen Grund bei vernünftiger Betrachtungsweise in einem Verstoß gegen die Rechte und Pflichten aus dem zwischen den Parteien … bestehenden Vertrag gesehen werden kann, so dass dessen Berücksichtigung für die Entscheidung über die Klage zwingend erforderlich wäre“(92).

67.      Das Urteil Brogsitter stellt in meinen Augen eine gewisse Abkehr von dem im Urteil Kalfelis gewählten Ansatz dar. Der Gerichtshof scheint nämlich bei der Einstufung der Klagen für die Zwecke der Brüssel‑Ia-Verordnung die Methode geändert zu haben. Er hat offenbar nicht an die materiellen Rechtsvorschriften angeknüpft, auf die sich der Kläger in seiner Klage berief, und scheint eine objektivere Einstufung des Sachverhalts angestrebt zu haben.

68.      Die genaue Tragweite des Urteils Brogsitter ist jedoch unklar. Die offene und abstrakte Argumentation in diesem Urteil lässt nämlich zwei Lesarten zu.

69.      Nach der ersten Lesart des Urteils Brogsitter, die ich als „maximalistisch“ bezeichnen möchte, soll der nach diesem Urteil maßgebliche „Prüfstein“ der Aussage zu entnehmen sein, dass ein Klagebegehren einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung zum Gegenstand hat, „wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann“. Diese Aussage sei dahin zu verstehen, dass ein auf deliktischer Grundlage beruhender Anspruch als ein solcher „aus einem Vertrag“ einzustufen sei, wenn er sich auf ein schädigendes Ereignis beziehe, das (auch) einen Verstoß gegen eine „vertragliche Verpflichtung“ darstellen könnte. Konkret müsse das angerufene Gericht prüfen, ob der Kläger seinen Anspruch hypothetisch auf einen Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen hätte stützen können, was die Prüfung der Frage voraussetze, ob in tatsächlicher Hinsicht eine mögliche Entsprechung zwischen dem behaupteten schädigenden Ereignis und dem Inhalt dieser Pflichten bestehe. Daraus folge, dass in allen Fällen, in denen ein und dasselbe schädigende Ereignis zugleich eine unerlaubte Handlung und eine Vertragsverletzung sein könne, die „vertragliche“ Einstufung für die Zwecke der gerichtlichen Zuständigkeit Vorrang vor der „deliktischen“ Einstufung habe(93).

70.      Nach der zweiten Lesart des Urteils Brogsitter, die ich als „minimalistisch“ bezeichnen möchte, soll der nach diesem Urteil maßgebliche „Prüfstein“ vielmehr der Aussage zu entnehmen sein, dass ein Klagebegehren einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung zum Gegenstand hat, wenn „eine Auslegung des Vertrags zwischen dem Beklagten und dem Kläger unerlässlich erscheint, um zu klären, ob das dem Beklagten vom Kläger vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder vielmehr widerrechtlich ist“. Damit habe der Gerichtshof diejenigen auf eine unerlaubte Handlung gestützten Klagen als einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ betreffend einstufen wollen, deren Begründetheit anhand der zwischen den Streitparteien bestehenden vertraglichen Pflichten zu beurteilen sei(94).

71.      Diese Unklarheit ist durch die spätere Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht beseitigt worden, die sich im Wesentlichen darauf beschränkt hat, bestimmte Passagen des Urteils Brogsitter ohne weitere Erläuterungen zu wiederholen(95). Meines Erachtens ist es daher Aufgabe des Gerichtshofs, in der vorliegenden Rechtssache seine Rechtsprechung zu möglichen Haftungskonkurrenzen klarzustellen. Ihm obliegt es nämlich, insoweit klare und vorhersehbare Kriterien zu definieren, um jegliche Rechtsunsicherheit für die Prozessparteien zu vermeiden.

72.      Ich möchte betonen, dass die Probleme, die mit der Behandlung möglicher Haftungskonkurrenzen einhergehen, nicht unbedingt die gleichen sind wie im materiellen Recht(96) und im Internationalen Privatrecht. Die Auslegung von Art. 7 Nr. 1 und Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung in Bezug auf diese Frage ist daher nur im Licht der mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele der Rechtssicherheit und der geordneten Rechtspflege zu bestimmen(97).

73.      Angesichts dieser Ziele schlage ich dem Gerichtshof vor, die „maximalistische“ Lesart des Urteils Brogsitter zurückzuweisen (Unterabschnitt 2). Meines Erachtens sollte er stattdessen die „minimalistische“ Lesart dieses Urteils übernehmen und insoweit zugleich einige unerlässliche Klarstellungen vornehmen (Unterabschnitt 3).

2.      Zur Zurückweisung der „maximalistischen“ Lesart des Urteils Brogsitter

74.      Mit der Kommission bin ich der Auffassung, dass der „maximalistischen“ Lesart des Urteils Brogsitter – abgesehen davon, dass sie mit dem Urteil Kalfelis schwerlich zu vereinbaren ist – auf keinen Fall gefolgt werden kann.

75.      Zunächst weise ich darauf hin, dass das mit der Brüssel‑Ia-Verordnung verfolgte Ziel der Rechtssicherheit nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs erfordert, dass das angerufene Gericht in der Lage ist, ohne Schwierigkeiten über seine Zuständigkeit zu entscheiden, ohne in eine Sachprüfung eintreten zu müssen(98).

76.      Der sich aus der „maximalistischen“ Lesart des Urteils Brogsitter ergebende „Prüfstein“ steht meines Erachtens jedoch im Widerspruch zu diesem Gebot der Einfachheit. Vom angerufenen Gericht zu verlangen, dass es beurteilt, ob das im Rahmen eines deliktischen Anspruchs geltend gemachte schädigende Ereignis (auch) eine Vertragsverletzung darstellen könnte, liefe auf eine umfangreiche Prüfung der Begründetheit der Klage im Stadium der Zuständigkeit hinaus(99). In diesem Stadium zu prüfen, ob es eine etwaige Entsprechung zwischen dem schädigenden Ereignis und den vertraglichen Pflichten gibt, wäre keine leichte Aufgabe. Abgesehen von den (seltenen) Fällen, in denen sich die Parteien über das Vorliegen einer möglichen Haftungskonkurrenz einig sind(100), wäre es für das Gericht besonders mühsam, in diesem Stadium diese Pflichten zu bestimmen.

77.      Wie in Nr. 53 der vorliegenden Schlussanträge bereits dargelegt, unterscheidet sich der Bereich der vertraglichen Haftung nämlich von einem Rechtssystem zum anderen. In einigen nationalen Rechtsordnungen sind Sicherheitspflichten, die in anderen als reine Rechtspflichten angesehen werden, Bestandteil verschiedener Verträge(101). Dasselbe gilt für das Gebot, Verträge nach Treu und Glauben zu erfüllen, das nach mehreren nationalen Rechtsordnungen vertragliche Nebenpflichten zur Folge hat, aber wiederum in anderen Rechtssystemen nicht zu finden ist. In der Praxis wird das Gericht in vielen Fällen nicht wissen oder sich auch nur ein Bild davon machen können, ob eine mögliche Haftungskonkurrenz vorliegt, ohne das auf den betreffenden Vertrag anwendbare Recht zu bestimmen, weil nur dieses ihm wirklichen Aufschluss über die sich daraus ergebenden Pflichten geben kann(102). Außerdem wird sich selbst innerhalb dieser Rechtsordnung der Umfang dieser Pflichten nicht mit Sicherheit feststellen lassen. Es bestünde die Gefahr, dass die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsregeln durch diese Schwierigkeit gemindert würde(103). Sie würde den Prozessparteien ein breites Diskussionsfeld eröffnen und dementsprechend dem Gericht einen weiten Ermessensspielraum lassen, während die Brüssel‑Ia-Verordnung darauf abzielt, sichere Zuständigkeitszuweisungen festzulegen(104).

78.      Sodann wäre es, wie Wikingerhof und die Kommission in Beantwortung der Fragen des Gerichtshofs in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, meiner Meinung nach durch nichts gerechtfertigt, dass die in Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung für einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ vorgesehene Zuständigkeitsregel Vorrang vor der Zuständigkeitsregel für „eine unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ in Art. 7 Nr. 2 dieser Verordnung hat.

79.      Ein solcher Vorrang wäre im Hinblick auf die Systematik dieser Verordnung nicht gerechtfertigt. Wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens vorgetragen hat, sieht diese Verordnung zwar ein Subsidiaritätsverhältnis zwischen einzelnen ihrer Artikel vor(105), aber der Vertragsgerichtsstand und der Deliktsgerichtsstand sind darin gleichrangig. Der Unionsgesetzgeber wollte folglich offenbar nicht die Möglichkeit ausschließen, dass diese beiden Gerichtsstände für ein und dasselbe schädigende Ereignis nebeneinander bestehen.

80.      Ein solcher Vorrang wäre auch nicht im Hinblick auf das mit Art. 7 Nrn. 1 und 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung verfolgte Ziel der Sachnähe gerechtfertigt. Wie Wikingerhof und die Kommission geltend machen und wie aus den Nrn. 40 und 46 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, ist darunter die Sachnähe in Bezug auf die hauptsächlichen Fragen zu verstehen, die die betreffende Klage im Rahmen der Begründetheit aufwirft. In diesem Zusammenhang wirft eine Klage, die auf die Verletzung einer jedem Einzelnen gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht gestützt wird, hauptsächlich außervertragliche Fragen auf, deren Natur sich grundsätzlich nicht ändert, wenn die Klage zwischen Vertragsparteien erhoben wird und die Vertragserfüllung den Anlass für diese Verletzungshandlung gegeben hat.

81.      Schließlich würde eine „maximalistische“ Lesart des Urteils Brogsitter zu einer bedauerlichen Inkohärenz zwischen Art. 7 Nr. 1 und Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung einerseits und den Rom‑I- und Rom‑II-Verordnungen andererseits führen. Verschiedene Bestimmungen der zuletzt genannten Verordnungen(106) erkennen implizit, aber notwendigerweise an, dass sich ein und dasselbe schädigende Ereignis sowohl auf ein „vertragliches Schuldverhältnis“ im Sinne der Rom‑I-Verordnung als auch auf ein „außervertragliches Schuldverhältnis“ im Sinne der Rom‑II-Verordnung beziehen kann, ohne dass erstere Vorrang vor der letzteren Verordnung hat.

82.      Würde dieser Gedanke des Vorrangs hingegen auch im Rahmen der Rom‑I- und Rom‑II-Verordnungen gelten, würde dies zu Lösungen führen, die der Unionsgesetzgeber nicht gewollt haben kann. So hat der Unionsgesetzgeber beispielsweise in Art. 6 der Rom‑II-Verordnung spezifische Kollisionsregeln für unlauteren Wettbewerb und den freien Wettbewerb einschränkendes Verhalten vorgesehen. Die in diesem Artikel vorgesehenen Anknüpfungskriterien – nämlich das Recht des Staates, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden, bzw. das Recht des Staates, dessen Markt beeinträchtigt ist oder wahrscheinlich beeinträchtigt wird – spiegeln ein öffentliches Interesse wider. Insoweit verbietet dieser Artikel in Abs. 4 den Parteien logischerweise, ein anderes auf ihre Streitigkeit anzuwendendes Recht zu wählen(107). Würde eine Haftungsklage, die auf eine Handlung des unlauteren Wettbewerbs oder eine wettbewerbsbeschränkende Handlung gestützt wird, in den Anwendungsbereich der Rom‑I-Verordnung fallen – die als hauptsächliches Anknüpfungskriterium die parteiautonom getroffene Rechtswahl vorsieht(108) –, und zwar mit der Begründung, dass dies zwischen den Vertragsparteien vereinbart sei und das schädigende Ereignis (auch) eine Vertragsverletzung darstellen könne, würde dieser Artikel viel von seiner Wirksamkeit verlieren(109).

83.      Darüber hinaus weise ich darauf hin, dass für Klagen, die einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ zum Gegenstand haben, nach Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung das Gericht des Ortes zuständig ist, an dem die Verpflichtung, auf die die Klage gestützt wird, erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Ich frage mich daher, wie diese Regel bei einer Klage umgesetzt werden sollte, die nicht auf eine „vertragliche Verpflichtung“ gestützt wird und die nur deshalb als „vertraglich“ anzusehen wäre, weil sie dies hypothetisch hätte sein können(110).

84.      Meine Überzeugung, dass die „maximalistische“ Lesart des Urteils Brogsitter abzulehnen ist, wird durch das in der Rechtslehre(111) vorgebrachte Argument, die sich aus dieser Lesart ergebende Lösung gewährleiste eine geordnete Rechtspflege, nicht erschüttert. In dieser Hinsicht wird niemand bestreiten, dass diese Lösung den Vorteil hätte, alle Streitigkeiten, die sich anlässlich der Vertragserfüllung ergeben, vor dem für den Vertrag zuständigen Gericht zu konzentrieren. Macht man die gerichtliche Zuständigkeit im Gegensatz dazu von der oder den Rechtsgrundlagen abhängig, auf die sich der Kläger beruft, indem man dem im Urteil Kalfelis dargelegten Ansatz folgt, kann dies zu einer Aufsplitterung dieser Rechtsstreitigkeiten führen, weil ein und dasselbe schädigende Ereignis, auf das aus dem Blickwinkel verschiedener Grundlagen abgestellt wird, in die Zuständigkeit verschiedener Gerichte fallen kann.

85.      Zum einen muss die Bedeutung des in der vorstehenden Randnummer dargestellten Problems jedoch relativiert werden. Sollten nämlich in dem in Rede stehenden Fall der Gerichtsstand des Vertrags und der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nicht übereinstimmen(112), könnte der Kläger seine Klage nach Art. 4 Abs. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung immer noch vor den Gerichten des Mitgliedstaats erheben, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, die dann für die Entscheidung über den gesamten Rechtsstreit zuständig wären(113). Zum anderen ist das Argument der geordneten Rechtspflege ein zweischneidiges Schwert. Auch wenn die sich aus der „maximalistischen“ Lesart des Urteils Brogsitter ergebende Lösung es ermöglichen würde, die sich anlässlich der Vertragserfüllung ergebenden Streitigkeiten bei dem für den Vertrag zuständigen Gericht zusammenzufassen, könnte diese Lösung andererseits zur Aufsplitterung von Rechtsstreitigkeiten über ein und dieselbe unerlaubte Handlung führen: Wäre beispielsweise eine solche unerlaubte Handlung gemeinsam von drei Personen begangen worden und wäre eine von ihnen zufällig Vertragspartner des Geschädigten, würde dieser Gefahr laufen, am Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung keine einheitliche Klage gegen alle Mittäter erheben zu können(114).

86.      Die „maximalistische“ Lesart des Urteils Brogsitter lässt sich auch nicht mit Erwägungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung des forum shopping rechtfertigen. Ein solches forum shopping wird zwar ermöglicht, wenn man die gerichtliche Zuständigkeit im Falle möglicher Haftungskonkurrenzen von der oder den materiell-rechtlichen Grundlagen abhängig macht, auf die sich der Kläger beruft. Diesem stehen zum einen nicht allein der Gerichtsstand des Vertrags, sondern auch der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung oder möglicherweise zwei zusätzliche Gerichtsstände zur Wahl(115). Zum anderen kann er bis zu einem gewissem Grad „sein Gericht“ wählen, indem er seine Klage auf die passenden Vorschriften stützt(116).

87.      Jedoch ist es im Rahmen der Brüssel‑Ia-Verordnung nicht ungewöhnlich, dass ein Kläger zwischen mehreren Gerichtsständen wählen kann. Der Unionsgesetzgeber selbst hat ein gewisses Maß an forum shopping ermöglicht, indem er Zuständigkeitsoptionen vorsah. Vor diesem Hintergrund ist der Umstand, dass ein Kläger unter den verfügbaren Gerichtsständen denjenigen auswählt, der seinen Interessen angesichts der prozessualen oder materiellen Vorteile, die er ihm bietet, am besten entspricht, an sich nicht zu beanstanden(117). Ich halte das forum shopping nur dann für problematisch, wenn es in Missbrauch ausartet(118).

88.      Die Gefahr eines solchen missbräuchlichen forum shopping wird jedoch, wie Wikingerhof hervorhebt, dadurch begrenzt, dass die jeweiligen Zuständigkeiten des für den Vertrag und des für die unerlaubte Handlung zuständigen Gerichts nach dem Urteil Kalfelis auf die Klagen beschränkt sind, die zu der ihnen zugewiesenen „Kategorie“ gehören. Außerdem würde, wie die Kommission vorgetragen hat, jeder Missbrauch bezüglich der Art und Weise, in der ein Kläger seine Klage begründet, für ihn nicht folgenlos bleiben. Würde sich der Kläger mit dem alleinigen Ziel, den Gerichtsstand des Vertrags zu umgehen, auf Gesichtspunkte unerlaubter Handlung stützen und sollte sich herausstellen, dass das anzuwendende Recht(119), wie etwa das französische und das belgische Recht, eine solche Wahl verbietet, wäre diese Klage als unbegründet abzuweisen. Darüber hinaus könnte das Verhalten eines Klägers, der mit dem alleinigen Ziel der Verfahrensverzögerung eine offensichtlich unbegründete Klage aus unerlaubter Handlung erhebt, unter die Vorschriften der lex fori über den Verfahrensmissbrauch fallen.

89.      Im Übrigen weise ich darauf hin, dass es den Vertragsparteien, die jede Möglichkeit eines solches forum shopping vermeiden wollen, unbenommen ist, eine Gerichtsstandsvereinbarung zu schließen, mit der sie gegebenenfalls die ausschließliche Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts vereinbaren, wie dies in Art. 25 der Brüssel‑Ia-Verordnung vorgesehen ist. Eine solche Vereinbarung wird nämlich, sofern sie wirksam und ihr Wortlaut ausreichend weit gefasst ist, auf alle aus Anlass ihres Vertragsverhältnisses bereits entstandenen oder künftigen Streitigkeiten Anwendung finden, einschließlich mit diesem Vertragsverhältnis im Zusammenhang stehender Klagen aus „unerlaubter Handlung“(120).

3.      Zur Notwendigkeit, die „minimalistische“ Lesart des Urteils Brogsitter zu präzisieren

90.      Wie aus dem vorstehenden Unterabschnitt hervorgeht, ist die einzig gültige Lesart des Urteils Brogsitter meiner Ansicht nach die in Nr. 70 der vorliegenden Schlussanträge angeführte „minimalistische“ Lesart. Ich teile die Auffassung der Kommission, dass sich diese Lesart mit dem Urteil Kalfelis in Einklang bringen lässt. Folgt man dieser Lesart, liegen diesen beiden Urteilen nämlich im Wesentlichen die gleichen Überlegungen zugrunde: Ob eine unter Vertragspartnern erhobene Haftungsklage einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung oder eine „unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 dieser Verordnung zum Gegenstand hat, hängt von der – „vertraglichen“ oder „deliktischen“ – Verpflichtung ab, die ihr als Grundlage dient(121). Bei kumulativen Klagen, die auf verschiedenen „Verpflichtungen“ beruhen, muss jede einzelne für sich der einen oder der anderen Kategorie zugeordnet werden.

91.      Es gibt nämlich keinen Grund, hinsichtlich derartiger Klagen von der in Nr. 49 der vorliegenden Schlussanträge zusammengefassten Herangehensweise abzugehen. Für gewöhnlich bestimmt die Grundlage einer Klage, über welche Fragen das Gericht zu entscheiden hat, und damit, ob sie „vertraglicher“ oder „deliktischer“ Art ist.

92.      Die Urteile Kalfelis und Brogsitter weichen in Wirklichkeit nur hinsichtlich der Methode zur Ermittlung der „Verpflichtung“, die einer Klage als Grundlage dient, voneinander ab. Im ersten Urteil ist der Gerichtshof von den materiellen Rechtsnormen ausgegangen, auf die sich der Kläger in seiner Klage berufen hatte. Im zweiten Urteil hat er eine Methode der Einstufung vorgeschlagen, die objektiver sein sollte, indem sie darauf abstellt, ob die „Auslegung“ oder die „Berücksichtigung“ eines Vertrags „unerlässlich erscheint“, um „zu klären, ob das dem Beklagten vom Kläger vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder vielmehr widerrechtlich ist“(122).

93.      Und doch sind diese Methoden meines Erachtens miteinander vereinbar, wenn nicht gar komplementär.

94.      Denn um seine Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 1 oder Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung zu überprüfen, ist es folgerichtig, dass das angerufene Gericht vorrangig auf die Vorschriften des materiellen Rechts abstellt, auf die sich der Kläger in seiner Klageschrift beruft. Derselbe Ansatz, der darin besteht, die materiellen Rechtsvorschriften zu prüfen, die einer Klage zugrunde liegen, um zu bestimmen, wie sie einzustufen ist, findet sich im Übrigen auch in der Rechtsprechung zu anderen Bestimmungen dieser Verordnung(123).

95.      Konkret bedeutet dies, dass eine Klage auf ein „vertragliches Schuldverhältnis“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs gestützt wird, wenn sich der Kläger auf die Bestimmungen eines Vertrags und/oder auf Rechtsvorschriften beruft, die aufgrund dieses Vertrags anwendbar sind, wie z. B. diejenigen über die Bindungswirkung von Vereinbarungen und die Haftung des Schuldners für die Nichterfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen(124). Beruft er sich hingegen auf Rechtsvorschriften, die einem jeden Einzelnen unabhängig von jeder freiwilligen Verpflichtung eine Pflicht auferlegen, beruht die Klage auf einer „Verpflichtung aus unerlaubter Handlung“ im Sinne dieser Rechtsprechung.

96.      Für den Fall, dass sich der Kläger in seiner Klage nicht auf materiell-rechtliche Vorschriften beruft(125), ändert sich die Methode nicht grundlegend. Wie bereits ausgeführt, sind diese Vorschriften selbst nicht Gegenstand der Einstufung. Sie bieten lediglich ein Hilfsmittel, um den Sachverhalt unter einem bestimmten Gesichtspunkt zu betrachten, und einen Hinweis auf die „Verpflichtung“, die der Kläger daraus herleiten will. Notfalls muss das Gericht, wenn in der Klageschrift keine materiell-rechtlichen Vorschriften angeführt werden, aus anderen Bestandteilen dieser Klageschrift – wie der Darstellung des Sachverhalts oder den Klageanträgen – die „Verpflichtung“ ermitteln, auf die sich der Kläger beruft.

97.      In diesem Zusammenhang kann der sich aus dem Urteil Brogsitter ergebende „Prüfstein“ dem Gericht in Zweifelsfällen dazu dienen, die der Klage zugrunde liegende Verpflichtung zu identifizieren, indem der Blickwinkel geändert wird. Wenn die „Auslegung“ oder „Berücksichtigung“ eines Vertrags (oder einer anderen Form einer freiwilligen Verpflichtung) „unerlässlich“ erscheint, um „zu klären, ob das dem Beklagten vom Kläger vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder vielmehr widerrechtlich ist“, ist daraus abzuleiten, dass sich die Klage auf die Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung stützt: Das in dieser Klage vorgeworfene Verhalten ist rechtswidrig und begründet die Haftung des Beklagten, soweit er dieser „Verpflichtung“ zuwiderhandelt, was von den Vereinbarungen des fraglichen Vertrags und von dem auf ihn anzuwendenden Recht abhängt. Liegt der Klage dagegen die Verletzung einer jedermann gesetzlich auferlegten Pflicht zugrunde, wäre es nicht erforderlich, den Vertrag „auszulegen“ oder „zu berücksichtigen“, um festzustellen, dass das in der Klage vorgeworfene Verhalten rechtswidrig ist, da diese Pflicht unabhängig von dem Vertrag gilt: Die Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens wird von der oder den Rechtsvorschriften abhängen, in der diese Pflicht angeordnet ist(126).

98.      Wie die Kommission geltend macht, versetzt das Urteil Brogsitter das Gericht somit in die Lage, die Einstufung einer Klage als eine solche aus „Vertrag“ oder aus „unerlaubter Handlung“ anhand des Bezugspunkts zu bestimmen, anhand dessen es die Rechtmäßigkeit des Verhaltens zu beurteilen hat, das der Kläger dem Beklagten vorwirft, je nachdem, ob es sich um einen Vertrag – und das auf ihn anzuwendende Recht – oder um Rechtsvorschriften handelt, die jedem Einzelnen eine von einem solchen Vertrag unabhängige Pflicht auferlegen. Ich bin der Meinung, dass sich die aus dem Urteil Kalfelis ergebende Methode und die aus dem Urteil Brogsitter ergebende Methode – sofern sie auf diese Weise ausgelegt werden – in den meisten Fällen zum selben Ergebnis führen, weil das fragliche Verhalten und der Bezugspunkt für die Beurteilung von dessen Rechtmäßigkeit grundsätzlich davon abhängen, worauf sich der Kläger in seiner Klageschrift beruft.

99.      Das Urteil Brogsitter kann jedoch ein Korrektiv für besondere Fälle sein, in denen sich ein Kläger auf im nationalen Recht als deliktsrechtlich angesehene Rechtsnormen beruft, die die Einhaltung vertraglicher Pflichten vorschreiben und deren Nichtbeachtung daher die Verletzung eines Vertrags voraussetzen. Konkret denke ich an die Fälle, in denen sich die Verletzung einer „vertraglichen Verpflichtung“ für sich als eine unerlaubte Handlung darstellt(127). In diesen Fällen bedarf es bei der Entscheidung über die Klage im Wesentlichen einer „Auslegung“ und „Berücksichtigung“ des betreffenden Vertrags, um eine solche Verletzung und infolgedessen die unerlaubte Handlung festzustellen. Eine solche Klage wirft somit in Wirklichkeit hauptsächlich vertragliche Fragen auf. Daher ist anzunehmen, dass einer solchen Klage im Kern die Verletzung einer „vertraglichen Verpflichtung“ zugrunde liegt, da die vom Kläger geltend gemachte „Verpflichtung aus unerlaubter Handlung“ nicht eigenständig besteht.

100. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Klage, wenn sich der Kläger darin auf materielle Rechtsvorschriften, die jedem Einzelnen eine Pflicht auferlegen, beruft und es nicht „unerlässlich“ erscheint, den Inhalt eines Vertrags festzustellen, um die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit des dem Beklagten vorgeworfenen Verhaltens zu beurteilen, eine „Verpflichtung aus unerlaubter Handlung“ zugrunde liegt und sie demnach eine „unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung zum Gegenstand hat(128).

101. Kann das Gericht hingegen unabhängig von den vom Kläger herangezogenen Rechtsvorschriften die Rechtmäßigkeit des vorgeworfenen Verhaltens nur unter Bezugnahme auf einen Vertrag beurteilen, stützt sich die Klage im Kern auf eine „vertragliche Verpflichtung“ und hat demnach einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 dieser Verordnung zum Gegenstand.

102. Allerdings sind zwei Klarstellungen erforderlich. Als Erstes weise ich darauf hin, dass das Urteil Brogsitter, wörtlich genommen, darauf hindeuten könnte, dass die „Auslegung“ oder „Berücksichtigung“ eines Vertrags in keiner Phase der Prüfung der unerlaubten Handlung eine Rolle spielen dürfe, um eine Haftungsklage als Klage aus „unerlaubter Handlung“ einstufen zu können.

103. In dieser Hinsicht kann es vorkommen, dass sich im Rahmen einer deliktischen Haftungsklage auch eine Vorfrage vertraglicher Art stellt. Wie ich in Nr. 123 der vorliegenden Schlussanträge erläutern werde, ist dies im Ausgangsverfahren der Fall. Im vorliegenden Fall ist es nämlich erforderlich, vorab den Vertrag zwischen Wikingerhof und Booking.com auszulegen, um festzustellen, ob bestimmte Verhaltensweisen, die der Beklagten von Wikingerhof im Hinblick auf das Wettbewerbsrecht vorgeworfen werden, tatsächlich vorliegen(129).

104. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Brüssel‑Ia-Verordnung ist eine Klage jedoch anhand der hauptsächlichen Rechtsfragen, die von ihr aufgeworfen werden, einzustufen. Eine schlichte Vorfrage vertraglicher Art, die das Gericht klären muss, um über diese Klage zu entscheiden, kann für deren Einstufung nicht ausschlaggebend sein(130). Andernfalls würde dies darauf hinauslaufen, den Gerichtsstand des Vertrags für eine Klage zu begründen, die im Wesentlichen keine vertraglichen Fragen aufwirft und daher keine besonders enge Verbindung zu diesem Gerichtsstand aufweist. Ein solches Ergebnis würde dem Ziel der Sachnähe und dem einer geordneten Rechtspflege zuwiderlaufen(131). Das Urteil Brogsitter kann daher nicht in einem gegenteiligen Sinne ausgelegt werden.

105. Zweitens geht aus dem Urteil Brogsitter nicht klar hervor, ob die „Unerlässlichkeit“ der Auslegung oder der Berücksichtigung des Vertrags für die Feststellung, ob eine Haftungsklage einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ oder eine „unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ zum Gegenstand hat, allein anhand des Klagevorbringens oder auch anhand eines Verteidigungsvorbringens zu beurteilen ist, mit dem der Beklagte vor dem angerufenen Gericht dem Vorbringen des Klägers entgegentritt.

106. Ich denke z. B. an den Fall, dass ein Kläger eine Haftungsklage aus unerlaubter Handlung wegen einer Urheberrechtsverletzung erhebt, der der Beklagte entgegenhält, dass zwischen den Parteien eine Lizenzvereinbarung bestehe. Da die unerlaubte Handlung der Verletzung eines Urheberrechts voraussetzt, dass ein Dritter ein geschütztes Werk, das den ausschließlichen Rechten unterliegt, die das Gesetz seinem Urheber gewährt, ohne dessen vorherige Zustimmung nutzt(132), müsste das Gericht, um über diese Klage zu entscheiden, feststellen, ob dieser Vertrag die beanstandete Nutzung des fraglichen Werks erlaubte oder nicht. Als weiteres Beispiel lässt sich eine Haftungsklage aus unerlaubter Handlung anführen, die das Opfer eines Personenschadens, der bei der Benutzung eines Sportgeräts eingetreten ist, gegen den Vermieter dieses Geräts erhebt und der gegenüber der Vermieter eine Klausel im Mietvertrag einwendet, nach der er von der Haftung für einen solchen Schaden freigestellt ist.

107. Aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass das angerufene Gericht im Stadium der Prüfung seiner Zuständigkeit weder die Zulässigkeit noch die Begründetheit der Klage prüfen darf, sondern nur die Anknüpfungspunkte mit dem Staat des Gerichtsstands zu ermitteln hat, die seine Zuständigkeit nach einer Bestimmung der Brüssel‑Ia-Verordnung rechtfertigen. Zu diesem Zweck darf dieses Gericht die dafür erheblichen Behauptungen des Klägers als erwiesen ansehen(133). Mit anderen Worten hat das angerufene Gericht seine Zuständigkeit anhand des Klagevorbringens zu bestimmen, während das Verteidigungsvorbringen des Beklagten insoweit unerheblich ist(134).

108. In Übereinstimmung mit diesem Ansatz hat der Gerichtshof entschieden, dass das mit einer Klage auf Vertragserfüllung befasste Gericht nach Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung selbst dann zuständig ist, wenn der Beklagte als Verteidigungsmittel geltend macht, dass der Vertrag nicht existiere (oder unwirksam sei)(135). Analog dazu kann ein Gericht, das mit einer Klage befasst ist, die auf eine „Verpflichtung aus unerlaubter Handlung“ gestützt wird, nicht allein deshalb davon ausgehen, dass sie einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ zum Gegenstand habe, nur weil der Beklagte zu seiner Verteidigung geltend macht, dass zwischen den Parteien ein Vertrag bestehe. Auch insoweit kann das Urteil Brogsitter nicht in einem gegenteiligen Sinne ausgelegt werden. Die Frage einer möglichen vertraglichen Rechtfertigung oder Freistellung für die vorgeworfenen Verhaltensweisen ist auch hier nur eine Vorfrage im Rahmen der Prüfung, ob eine unerlaubte Handlung vorliegt.

109. Meines Erachtens gewährleistet diese Auslegung die Rechtssicherheit, weil sie das angerufene Gericht in die Lage versetzt, seine Zuständigkeit von Anfang an anhand der Klage zu überprüfen, ohne eine eingehende Prüfung der Begründetheit vornehmen zu müssen, und zwar unabhängig davon, ob sich der Beklagte auf das Verfahren einlässt oder nicht(136). Umgekehrt würde es dem Grundsatz der Rechtssicherheit und dem mit den Zuständigkeitsvorschriften verfolgten Ziel eines hohen Maßes an Vorhersehbarkeit zuwiderlaufen, wenn die Anwendbarkeit von Art. 7 Nr. 1 oder Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung von einer Einwendung abhinge, die vom Beklagten möglicherweise erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgebracht wird(137). Zudem würde dies bedeuten, dass der Beklagte sich lediglich auf das Bestehen eines Vertrags zwischen ihm und dem Kläger zu berufen brauchte, um die in diesem Art. 7 Nr. 2 vorgesehene Zuständigkeitsregel für eine „unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ zu umgehen(138).

110. Diese Auslegung wird meines Erachtens durch das Urteil Hi Hotel HCF(139) gestützt. In der Rechtssache, in der dieses Urteil – kurz nach dem Urteil Brogsitter – ergangen ist, hatte ein Kläger bei einem Gericht gemäß Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung eine deliktische Haftungsklage wegen Verletzung seiner Urheberrechte erhoben. Die Beklagte hielt dieser Klage einen zuvor zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag entgegen, der nach ihrer Auffassung eine Übertragung der fraglichen Rechte auf sie vorsah, und bestritt aus diesem Grund, dass eine unerlaubte Handlung vorliege und diese Bestimmung einschlägig sei. Der Gerichtshof hat jedoch im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass das angerufene Gericht seine Zuständigkeit anhand des deliktsrechtlichen Klagevorbringens zu bestimmen hatte, unabhängig von der vertragsrechtlichen Einwendung des Beklagten(140).

111. Bevor ich diesen Abschnitt beende, bleiben noch zwei Punkte zu prüfen. Erstens ist die Einstufung einer Klage, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, nicht auf die gleiche Weise vorzunehmen, wenn zwischen den Parteien ein Versicherungs‑, Verbraucher- oder Arbeitsvertrag besteht. Im Gegensatz zu den besonderen Zuständigkeitsregeln in Art. 7 der Brüssel‑Ia-Verordnung(141) verfolgen die Abschnitte 3, 4 und 5 des Kapitels II dieser Verordnung, die sich auf Klagen „in Versicherungssachen“, „Verbrauchersachen“ bzw. „aus einem individuellen Arbeitsvertrag“ beziehen, das Ziel, die schwächere Vertragspartei – den Versicherten, Verbraucher oder Arbeitnehmer – zu schützen(142), und haben zwingenden Charakter. Damit soll die andere Vertragspartei gehindert werden, diese Abschnitte zu umgehen, indem sie ihre Klage auf die Haftung für eine unerlaubte Handlung stützt. Darüber hinaus verfolgen diese Abschnitte als solche nicht das Ziel der Sachnähe, und für die Anwendung der darin vorgesehenen Zuständigkeitsregeln ist es nicht erforderlich, eine vertragliche Verpflichtung zu identifizieren, auf die die betreffende Klage gestützt wird. Somit fallen grundsätzlich alle Klagen zwischen Parteien solcher Verträge, die sich auf Streitigkeiten aus Anlass von deren Erfüllung beziehen, unabhängig von ihrer rechtlichen Grundlage unter die genannten Abschnitte, unabhängig von der Grundlage dieser Klagen(143).

112. Zweitens schlägt ein Teil der Rechtslehre vor(144), dem Gericht des Vertrags eine Annexzuständigkeit für die Entscheidung über „deliktische“ Klagen zuzuerkennen, die in engem Zusammenhang mit „vertraglichen“ Klagen stehen, insbesondere im Fall von Rechtsstreitigkeiten, in denen eine Haftungskonkurrenz in Betracht kommt. Es geht folglich um die Frage, ob das Urteil Kalfelis in diesem Punkt präzisiert werden sollte.

113. Ich weise darauf hin, dass sich diese Frage von der in den vorhergehenden Randnummern der vorliegenden Schlussanträge erörterten Frage der Einstufung unterscheidet. Wenn eine Klage, die auf eine rechtliche Grundlage gestützt ist, die im nationalen Recht als deliktsrechtlich angesehen wird, nach dem Urteil Brogsitter als eine Klage einzustufen ist, die einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung zum Gegenstand hat, kann sie nämlich in Anbetracht dieser Einstufung nicht beim Gericht der unerlaubten Handlung im Sinne von Art. 7 Nr. 2 dieser Verordnung erhoben werden. Dagegen würde die Anerkennung der Zuständigkeit des für den Vertrag zuständigen Gerichts für die Entscheidung über Klagen, die „eine unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im autonomen Sinne dieses Begriffs zum Gegenstand haben, bei denen es sich um Nebenforderungen zu „vertraglichen“ Ansprüchen handelt, den Kläger nicht daran hindern, diese Klagen vor das für die unerlaubte Handlung zuständige Gericht zu bringen. Er hätte schlicht außerdem die Möglichkeit, alles vor das für den Vertrag zuständige Gericht zu bringen.

114. Der Grundsatz, dass die Nebensache der Hauptsache folgt, ist der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Brüssel‑Ia-Verordnung zwar nicht ganz fremd(145). Zudem würde eine solche Annexzuständigkeit Vorteile im Hinblick auf eine geordnete Rechtspflege bieten, weil sie eine gewisse Verfahrensökonomie ermöglichen würde.

115. Gleichwohl bleibt es nach meiner Ansicht dabei, dass die Brüssel‑Ia-Verordnung in ihrer gegenwärtigen Fassung diese Lösung nicht zulässt. Ich weise nämlich darauf hin, dass die in dieser Verordnung vorgesehenen besonderen Zuständigkeiten vom „Gegenstand“ des Rechtsstreits abhängen. Art. 7 Nr. 1 und Art. 7 Nr. 2 der Verordnung unterscheiden klar zwischen Klagen „vertraglicher“ Natur und Klagen „deliktischer“ Natur. Es ist daher nicht möglich, Klagen, die unter die zweite Kategorie fallen, unter Art. 7 Nr. 1 dieser Verordnung zu subsumieren, ohne deren Systematik zu verkennen und ohne den Anwendungsbereich dieser Bestimmung – die, ich wiederhole es, eng auszulegen ist – über das hinaus zu erweitern, was ihr Ziel erfordert, nämlich sicherzustellen, dass die vertraglichen Fragen nach Wahl des Klägers von dem Gericht geprüft werden können, das die größte Nähe zu der streitigen vertraglichen Verpflichtung aufweist(146). Es wäre Sache des Unionsgesetzgebers, eine solche Annexzuständigkeit vorzusehen, sei es durch eine entsprechende Änderung von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung, sei es durch Umwandlung der Konnexitätsregel in Art. 30 dieser Verordnung in einen Zuständigkeitsgrund(147). Bis dahin hat ein auf Verfahrensökonomie bedachter Kläger, wie ich in Nr. 85 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, die Möglichkeit, alle seine Klageansprüche gemäß Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung vor den Gerichten des Mitgliedstaats geltend zu machen, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat.

C.      Die Einstufung von Haftungsklagen, die zwischen Vertragsparteien erhoben und auf eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht gestützt werden

116. Im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wie sie in den beiden vorhergehenden Abschnitten der vorliegenden Schlussanträge geklärt wurde, dürfte die Einstufung einer zivilrechtlichen Haftungsklage, wie sie im vorliegenden Fall von Wikingerhof gegen Booking.com erhoben wurde, meines Erachtens wenig zweifelhaft sein.

117. Ich weise darauf hin, dass die Tatsache, dass zwischen diesen beiden Unternehmen ein Vertrag besteht, nicht ausreichen kann, um davon auszugehen, dass diese Klage einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung zum Gegenstand hat. Ob sich die Klägerin des Ausgangsverfahrens hypothetisch auf eine Verletzung dieses Vertrags hätte stützen können(148), ist insoweit ebenfalls nicht ausschlaggebend.

118. Wie ich in den vorliegenden Schlussanträgen wiederholt ausgeführt habe, hängt die Einstufung einer Klage als eine solche, die einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung zum Gegenstand hat, oder aber als eine solche, die „eine unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 dieser Verordnung zum Gegenstand hat, von ihrer Grundlage ab, d. h. von der Verpflichtung, auf die sie (tatsächlich) gestützt wird.

119. Im vorliegenden Fall hat sich Wikingerhof in ihrer Klageschrift auf die Vorschriften des deutschen Wettbewerbsrechts berufen. Diese Vorschriften sollen den Markt schützen und erlegen zu diesem Zweck jedem Unternehmen Pflichten auf. Unabhängig von der im Stadium der Zuständigkeitsprüfung nicht geklärten Frage, ob auf die Klage tatsächlich deutsches Recht anzuwenden ist(149), lässt die Berufung auf die in Rede stehenden Vorschriften erkennen, dass sich Wikingerhof auf den behaupteten Verstoß von Booking.com gegen eine unabhängig von einem Vertrag oder einer anderen freiwillig eingegangenen Verpflichtung durch Gesetz auferlegten Pflicht besteht. Diese Klage stützt sich somit auf eine Verpflichtung aus „unerlaubter Handlung“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung(150).

120. Der „deliktische“ Charakter dieser Verpflichtung wird, wie Wikingerhof und die Kommission zutreffend ausgeführt haben, durch das Urteil CDC Hydrogen Peroxide bestätigt(151). In diesem Urteil, das Schadenersatzansprüche betraf, die die Käufer(152) von Chemikalien auf der Grundlage der Vorschriften des Wettbewerbsrechts gegen die Hersteller dieser Chemikalien geltend machten, weil diese Hersteller an einem wettbewerbswidrigen Kartell beteiligt waren, in dessen Rahmen sie u. a. die Preise für diese Chemikalien festgesetzt hatten, hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Käufer ihren Bedarf zwar im Rahmen vertraglicher Beziehungen mit verschiedenen Beteiligten des fraglichen Kartells gedeckt hatten, „[d]as schädigende Ereignis … jedoch nicht in einer eventuellen Verletzung von vertraglichen Verpflichtungen [lag], sondern in der Beschränkung der Vertragsfreiheit durch dieses Kartell, die dazu führt[e], dass es für die Käufer unmöglich [wurde], ihren Bedarf zu einem nach den Gesetzen des Marktes gebildeten Preis zu decken“(153).

121. In ähnlicher Weise beruft sich Wikingerhof vorliegend nicht auf einen Verstoß gegen den Vertrag mit Booking.com, sondern darauf, dass diese Gesellschaft ihre marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt, indem sie Wikingerhof unlautere geschäftliche Bedingungen vorschreibt, insbesondere durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehung anwendet.

122. Um über diese Unterfragen zu entscheiden und „zu klären, ob das … vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder vielmehr widerrechtlich ist“, erscheint es zudem, wie die Kommission ausführt, nicht im Sinne des Urteils Brogsitter „unerlässlich“, den zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens bestehenden Vertrag auszulegen, und dies, obwohl sich das wettbewerbswidrige Verhalten in ihrer Vertragsbeziehung verwirklicht(154).

123. Da sich die verschiedenen Praktiken, die Wikingerhof Booking.com vorwirft(155), in den Rahmen ihres Vertragsverhältnisses einfügen, wird es sich zwar als erforderlich erweisen, den genauen Inhalt ihrer Verpflichtungen zu bestimmen, um festzustellen ob dieser Vorwurf tatsächlich zutrifft. Hierzu weise ich darauf hin, dass Wikingerhof u. a. geltend macht, für die Praxis von Booking.com, die Preise für ihr Hotel als günstiger zu bezeichnen, gebe es keine vertragliche Grundlage. Da dieser Punkt zwischen den Parteien streitig ist(156), wird das Gericht möglicherweise die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Booking.com auszulegen haben, um ihre Tragweite zu bestimmen, was unbestreitbar eine vertragsrechtliche Frage sein wird, die nach der lex contractus zu entscheiden ist.

124. Dabei würde es sich aber um eine schlichte Vorfrage handeln, die als solche für die Einstufung der Klage nicht ausschlaggebend sein kann. Sobald diese Vorfrage entschieden ist und die Booking.com von Wikingerhof vorgeworfene Verhaltensweise tatsächlich erwiesen sind, wird das Gericht über die Hauptfrage der Rechtmäßigkeit dieser Verhaltensweise zu entscheiden haben, die für den Grund und die Höhe des Schadensersatzanspruchs maßgeblich ist(157).

125. Bezugspunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Verhaltensweise sind aber nicht der Vertrag oder die für ihn geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen und das auf ihn anzuwendende Recht, sondern, wie bereits ausgeführt, die Vorschriften des Wettbewerbsrechts. Die Hauptfrage, ob die Praktiken von Booking.com deren Haftung begründen, hängt von den Kriterien für das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung ab, wie sie in diesen Vorschriften festgelegt sind.

126. Wie das vorlegende Gericht ausführt und wie Wikingerhof und die Kommission vorgetragen haben, teilt sich die Frage, ob Booking.com im Sinne dieser Wettbewerbsvorschriften eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt hat, in mehrere Unterfragen auf, nämlich im Wesentlichen, erstens, wie sich der relevante Markt abgrenzt, zweitens, welche Machtverhältnisse zwischen den Unternehmen auf diesem Markt bestehen – um festzustellen, ob Booking.com dort eine beherrschende Stellung innehat – und, drittens, welche Auswirkungen die dieser Gesellschaft vorgeworfenen Praktiken auf diesen Markt haben – um festzustellen, ob diese Gesellschaft gegebenenfalls diese Stellung missbraucht.

127. Dabei handelt es sich jedoch um rein wettbewerbsrechtliche Fragen, über die anhand der nach Art. 6 Abs. 3 der Rom‑II-Verordnung bestimmten Vorschriften zu entscheiden ist.

128. Der Vertrag ist für die Entscheidung, ob die von Wikingerhof vorgeworfene Verhaltensweise rechtmäßig oder widerrechtlich ist, umso weniger ausschlaggebend, als er, wie die Kommission hervorhebt, insoweit nicht einmal eine Einwendung für Booking.com darstellt(158). Im Gegensatz zu dem in Nr. 106 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten Fall einer Verletzungsklage, der der Beklagte einen Lizenzvertrag entgegenhält, würden sich die beanstandeten Praktiken, sofern sie unrechtmäßig sein sollten, nicht etwa deshalb als rechtmäßig erweisen, weil sie ganz oder teilweise durch die Bestimmungen des Vertrags oder der für ihn geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen gedeckt wären, denn ein Vertrag kann nicht zu einem wettbewerbswidrigen Verhalten „ermächtigen“.

129. In Anbetracht all dessen bin ich der Ansicht, dass eine Klage wie die von Wikingerhof „eine unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung zum Gegenstand hat.

130. Wie Wikingerhof und die Kommission vorgetragen haben, steht diese Auslegung im Einklang mit dem von diesem Art. 7 Nr. 2 verfolgten Ziel der Sachnähe. Das für die unerlaubte Handlung zuständige Gericht ist nämlich am besten in der Lage, die im Rahmen einer solchen Klage aufgeworfenen Hauptfragen zu entscheiden, insbesondere im Hinblick auf die Erhebung und Würdigung der entsprechenden Beweise – ob es sich um den relevanten Markt, die Machtverhältnisse auf diesem Markt oder die Auswirkungen der beanstandeten Praktiken auf diesem Markt handelt(159).

131. Diese Auslegung sichert außerdem die Kohärenz zwischen dem sachlichen Anwendungsbereich von Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung und dem von Art. 6 Abs. 3 der Rom‑II-Verordnung.

132. Die in den vorliegenden Schlussanträgen vorgeschlagene Auslegung wird nicht durch das Argument von Booking.com und der tschechischen Regierung in Frage gestellt, dass eine Klage wie die von Wikingerhof einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung zum Gegenstand habe, weil es Wikingerhof mit der begehrten Unterlassung der behaupteten wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen in Wirklichkeit eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Booking.com zu ihren Gunsten und damit neue vertragliche Rechte erreichen wolle.

133. Da Wikingerhof mit ihrer Klage nicht beabsichtigt, das Vertragsverhältnis zwischen ihr und Booking.com zu beenden, sondern sicherstellen möchte, dass es unter Beachtung des Wettbewerbsrechts fortbesteht, wird Booking.com, falls diese Klage begründet sein sollte, in der Tat ihr Verhalten gegenüber der Klägerin des Ausgangsverfahrens – einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses anwendet – zwangsläufig an die durch das Wettbewerbsrecht festgelegten Grenzen anpassen müssen. In dieser Hinsicht ist es meines Wissens nicht ungewöhnlich, dass die Beendigung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung zu neuen Rechten für den Kläger führt, z. B. wenn der Missbrauch in einer Verkaufsverweigerung oder der Festsetzung überhöhter Preise besteht. Im ersten Fall bedeutet die Beendigung des Missbrauchs in der Praxis, dass das marktbeherrschende Unternehmen gezwungen ist, mit dem Kläger einen Vertrag abzuschließen, und im zweiten Fall – etwas vereinfacht –, seine Preise in einer für den Kläger günstigen Weise zu senken.

134. Diese Auslegung wird auch nicht durch das Vorbringen von Booking.com in Frage gestellt, die Klage von Wikingerhof ziele auf eine teilweise Nichtigerklärung des Vertrags zwischen den beiden Gesellschaften ab, da sie es erforderlich mache, zu prüfen, ob einzelne Bestimmungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Booking.com gegen das Wettbewerbsrecht verstießen und daher nichtig seien.

135. Eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrags fällt zwar in den Anwendungsbereich von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung(160). Wie Wikingerhof in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichtshofs angegeben hat, strebt diese Gesellschaft mit ihrer Klage jedoch nicht auf der Grundlage der Vorschriften des Vertragsrechts über das Zustandekommen von Verträgen die Feststellung der Nichtigkeit des zwischen ihr und Booking.com bestehenden Vertrags an. In diesem Kontext wäre die Nichtigkeit der Klauseln der in Rede stehenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen allenfalls eine mittelbare Folge dieser Klage(161).

136. Ebenso wenig wird diese Auslegung durch das Vorbringen von Booking.com in Frage gestellt, die Klage von Wikingerhof habe einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung zum Gegenstand, weil Wikingerhof den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Booking.com „freiwillig zugestimmt“ habe im Sinne der zu dieser Bestimmung ergangenen Rechtsprechung, und dies selbst dann, wenn davon auszugehen wäre, dass Booking.com eine marktbeherrschende Stellung innehabe.

137. Meines Erachtens wäre dieses Argument von Booking.com nur in der umgekehrten verfahrensrechtlichen Konstellation stichhaltig. Wenn diese Gesellschaft vor einem Gericht Klage auf Erfüllung der sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen erhoben hätte und sich Wikingerhof mit der Einwendung verteidigt hätte, dass sie diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren Auferlegung einen mit dem Wettbewerbsrecht unvereinbaren Missbrauch durch Booking.com darstelle, nicht „freiwillig zugestimmt“ habe, hätte diese Klage einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung zum Gegenstand(162). Denn wie von mir bereits dargelegt, hängt diese Einstufung vom Klagevorbringen ab und nicht vom Verteidigungsvorbringen des Beklagten.

138. Im vorliegenden Fall beruft sich Wikingerhof als Beklagte jedoch auf eine „Verpflichtung aus unerlaubter Handlung“, die sich aus der behaupteten Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des Wettbewerbsrechts ergeben soll. In diesem verfahrensrechtlichen Kontext muss das angerufene Gericht, um seine Zuständigkeit zu bestimmen, die Behauptungen von Wikingerhof als erwiesen ansehen, einschließlich des Umstands, dass sie aufgrund der marktbeherrschenden Stellung von Booking.com gezwungen gewesen sei, deren streitige Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzuerkennen. Booking.com kann daher die Einstufung der von der Klägerin des Ausgangsverfahrens erhobenen Klage nicht ändern, indem sie zu ihrer Verteidigung geltend macht, dass Wikingerhof diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen „freiwillig zugestimmt“ habe.

139. Schließlich wird die in den vorliegenden Schlussanträgen vorgeschlagene Auslegung nicht durch das Urteil Apple Sales International u. a.(163) in Frage gestellt, in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von Art. 25 der Brüssel‑Ia-Verordnung, die in einem Vertrag zwischen einem Händler und seinem Lieferanten enthalten ist, Anwendung auf eine Schadensersatzklage finden kann, die der Händler gegen den Lieferanten auf der Grundlage von Art. 102 AEUV erhebt, wenn sich der behauptete Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung wie im vorliegenden Fall in ihren vertraglichen Beziehungen manifestiert(164).

140. Wie ich in Nr. 89 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, kann eine Gerichtsstandsvereinbarung nämlich je nach ihrem Wortlaut sämtliche aus Anlass eines bestimmten Rechtsverhältnisses bereits entstandenen oder künftigen Streitigkeiten betreffen(165). Dieser „Prüfstein“ erfordert nicht mehr und nicht weniger als einen (hinreichend direkten) Zusammenhang zwischen dem betreffenden Vertrag und der Klage, um die es geht. Deren Grundlage ist in diesem Kontext nicht entscheidend. Sofern ein solcher Zusammenhang besteht, kann die Gerichtsstandsvereinbarung daher sowohl auf Klagen anwendbar sein, die einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung zum Gegenstand haben, als auch auf Klagen, die „eine unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 dieser Verordnung zum Gegenstand haben(166). Folglich ist die Auslegung, nach der eine zivilrechtliche Haftungsklage wie die von Wikingerhof gegen Booking.com erhobene „eine unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ zum Gegenstand hat, mit dem Urteil Apple Sales International u. a.(167) voll und ganz vereinbar.

V.      Ergebnis

141. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Bundesgerichtshof (Deutschland) vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine zivilrechtliche Haftungsklage, die auf eine Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des Wettbewerbsrechts gestützt wird, „eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne dieser Bestimmung zum Gegenstand hat, und zwar auch dann, wenn Kläger und Beklagter Parteien eines Vertrags sind und das wettbewerbswidrige Verhalten, das der Kläger dem Beklagten vorwirft, in ihrer vertraglichen Beziehung zum Tragen kommt.


1       Originalsprache: Französisch.


2       Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 (ABl. 2012, L 351, S. 1).


3       Im Folgenden werde ich den Begriff „unerlaubte Handlung“ verwenden.


4       Ich weise darauf hin, dass die Brüssel‑Ia-Verordnung die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) (im Folgenden: Brüssel‑I-Verordnung) ersetzt hat, die ihrerseits an die Stelle des am 27. September 1968 in Brüssel unterzeichneten Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen) getreten war. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist seine Auslegung der Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens und der Brüssel‑I-Verordnung auf die gleichbedeutenden Bestimmungen der Brüssel‑Ia-Verordnung übertragbar. Insbesondere gilt die vom Gerichtshof vorgenommene Auslegung von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens und der Brüssel‑I-Verordnung auch für Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung (vgl. u. a. Urteil vom 15. Juni 2017, Kareda, C‑249/16, EU:C:2017:472, Rn. 27). In gleicher Weise ist die Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 3 der ersten beiden Rechtsakte auf Art. 7 Nr. 2 des dritten Rechtsakts anwendbar (vgl. u. a. Urteil vom 17. Oktober 2017, Bolagsupplysningen und Ilsjan, C‑194/16, EU:C:2017:766, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher werde ich mich in den vorliegenden Schlussanträgen der Einfachheit halber nur auf die letztgenannte Verordnung beziehen und dabei unterschiedslos die Urteile und die Schlussanträge anführen, die die ihr vorausgegangenen Rechtsakte betreffen.


5       Urteil vom 27. September 1988 (189/87, EU:C:1988:459) (im Folgenden: Urteil Kalfelis).


6       Urteil vom 17. Juni 1992 (C‑26/91, EU:C:1992:268) (im Folgenden: Urteil Handte).


7       Urteil vom 13. März 2014 (C‑548/12, EU:C:2014:148) (im Folgenden: Urteil Brogsitter).


8       Vgl. aus jüngster Zeit die hierauf bezogenen Vorlagefragen des Supreme Court of the United-Kingdom (Oberster Gerichtshof des Vereinigten Königreichs) in der Rechtssache, in der das Urteil vom 11. April 2019, Bosworth und Hurley (C‑603/17, EU:C:2019:310), ergangen ist, zu denen sich der Gerichtshof aber letztlich nicht zu äußern brauchte.


9       Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 (ABl. 2008, L 177, S. 6).


10       Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 (ABl. 2007, L 199, S. 40).


11       Vgl. siebter Erwägungsgrund der Rom‑I- und Rom‑II-Verordnungen.


12       Ich weise darauf hin, dass die Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (ABl. 2014, L 349, S. 1) Fragen der Zuständigkeit und des anzuwendenden Rechts nicht regelt.


13       Im Einzelnen stützte Wikingerhof ihre Klage auf § 33 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Verbindung mit Art. 102 AEUV sowie auf § 18 und § 19 Abs. 1 und Abs. 2 Nrn. 1 und 2 GWB sowie, hilfsweise, auf § 20 Abs. 1 GWB.


14       Dieser Ort wäre nämlich der Hauptsitz von Booking.com in Amsterdam, der das Zentrum der Geschäftsentscheidungen dieses Unternehmens ist.


15       Jedenfalls ist diese Frage nach Auffassung des vorlegenden Gerichts zu verneinen, weil diese Vereinbarung die Voraussetzungen von Art. 25 Abs. 1 und 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung nicht erfülle.


16       Vgl. im Unionsrecht Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV.


17       Vgl. u. a. Urteile vom 23. Oktober 2014, flyLAL-Lithuanian Airlines (C‑302/13, EU:C:2014:2319, Rn. 23 bis 38), und vom 29. Juli 2019, Tibor-Trans (C‑451/18, EU:C:2019:635, Rn. 24). Auch wenn diese Urteile Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union betreffen, muss die Lösung, die sich aus ihnen ergibt, auch für Klagen gelten, die auf eine Zuwiderhandlung gegen nationales Wettbewerbsrecht gestützt werden. Auf den Ursprung der betreffenden Regeln kommt es nämlich insoweit nicht an.


18       Vgl. Art. 63 der Brüssel‑Ia-Verordnung.


19       Vgl. Art. 5 Abs. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung.


20       Ich weise darauf hin, dass der Gerichtshof nicht um Auslegung des Zuständigkeitskriteriums in Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung ersucht wird. Ich beschränke mich auf den Hinweis, dass mit dem Ausdruck „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“, nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens gemeint ist. Stimmen diese beiden Orte nicht überein, kann der Beklagte somit nach Wahl des Klägers vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden (vgl. u. a. Urteile vom 30. November 1976, Bier, 21/76, EU:C:1976:166, Rn. 24 und 25, und vom 29. Juli 2019, Tibor-Trans, C‑451/18, EU:C:2019:635, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung). Bei Haftungsklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht entspricht der Ort des ursächlichen Geschehens im Fall einer wettbewerbswidrigen Kartellvereinbarung dem Ort, an dem dieses Kartell definitiv gegründet wurde (vgl. Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide, C‑352/13, EU:C:2015:335, Rn. 43 bis 50), und im Fall des missbräuchlichen Ausnutzens einer marktbeherrschenden Stellung dem Ort, an dem das Ausnutzen verwirklicht wird (vgl. Urteil vom 5. Juli 2018, flyLAL-Lithuanian Airlines, C‑27/17, EU:C:2018:533, Rn. 52). Hinsichtlich des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs neigt die Rechtsprechung des Gerichtshofs dazu, tendenziell auf den Ort des von dem wettbewerbswidrigen Verhalten beeinträchtigten Marktes abzustellen, auf dem der Geschädigte einen Schaden erlitten zu haben behauptet (vgl. Urteile vom 5. Juli 2018, flyLAL-Lithuanian Airlines, C‑27/17, EU:C:2018:533, Rn. 37 bis 43, und vom 29. Juli 2019, Tibor-Trans, C‑451/18, EU:C:2019:635, Rn. 27 bis 37).


21       Auch um Auslegung dieses Kriteriums wird der Gerichtshof nicht ersucht. Ich weise lediglich darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Bestimmung des „Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Brüssel‑Ia-Verordnung die Verpflichtung heranzuziehen ist, die dem vertraglichen Anspruch entspricht, auf den der Kläger seine Klage stützt, und der Ort, an dem diese Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, nach dem auf diese Verpflichtung anzuwendenden Recht zu bestimmen ist (vgl. u. a. Urteile vom 6. Oktober 1976, Industrie Tessili Italiana Como, 12/76, EU:C:1976:133, Rn. 13, und De Bloos, 14/76, EU:C:1976:134, Rn. 13). Allerdings sieht Art. 7 Nr. 1 Buchst. b dieser Verordnung für den Verkauf beweglicher Sachen und für die Erbringung von Dienstleistungen ein autonomes Kriterium dieses „Erfüllungsorts“ vor. In diesem Rahmen definiert der Gerichtshof den Erfüllungsort des Vertrags für die Gesamtheit seiner Verpflichtungen autonom und faktisch und misst den vertraglichen Vereinbarungen überwiegende Bedeutung bei (vgl. u. a. Urteile vom 3. Mai 2007, Color Drack, C‑386/05, EU:C:2007:262, vom 23. April 2009, Falco Privatstiftung und Rabitsch, C‑533/07, EU:C:2009:257, und vom 25. Februar 2010, Car Trim, C‑381/08, EU:C:2010:90).


22       Vgl. u. a. Urteile vom 23. Oktober 2014, flyLAL-Lithuanian Airlines (C‑302/13, EU:C:2014:2319, Rn. 28), vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2015:335, Rn. 43), und vom 5. Juli 2018, flyLAL-Lithuanian Airlines (C‑27/17, EU:C:2018:533, Rn. 51).


23       Dies ist zwischen Wikingerhof und Booking.com streitig. Auf diesen Aspekt werde ich insbesondere in Abschnitt C der vorliegenden Schlussanträge zurückkommen.


24       C‑603/17, EU:C:2019:65 (im Folgenden: meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley).


25       Der in der französischen Sprachfassung der Brüssel‑Ia-Verordnung – der u. a. die spanische, italienische, portugiesische, rumänische, finnische und dänische Sprachfassung dieser Verordnung entsprechen – verwendete Begriff „matière contractuelle“ ist relativ weit gefasst. Hingegen scheint der Wortlaut der englischen Fassung („in matters relating to a contract“), an dem sich u. a. die bulgarische, kroatische, niederländische und schwedische Sprachfassung orientieren, tendenziell das Vorliegen eines Vertrags zu verlangen, sich aber mit einem schlichten Zusammenhang zwischen diesem und der Klage zu begnügen. Die deutsche Fassung ist ihrerseits deutlich präziser und stellt damit auch höhere Anforderungen als die anderen („wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden“).


26       Insbesondere die deutsche, spanische, italienische, kroatische und rumänische Sprachfassung entsprechen der französischen Sprachfassung. Die englische Sprachfassung („in matters relating to tort, delict or quasi-delict“) kommt der französischen sehr nahe. Die niederländische Sprachfassung („ten aanzien van verbintenissen uit onrechtmatige daad“) bezieht sich ausdrücklich auf das Konzept der Verpflichtungen aus unerlaubter Handlung. Die portugiesische Sprachfassung („Em matéria extracontractual“) könnte tendenziell weiter gefasst sein, weil sie sich auf alle außervertraglichen Schuldverhältnisse bezieht. Schließlich spiegeln die dänische („i sager om erstatning uden for kontrakt“), die finnische („sopimukseen perustumatonta vahingonkorvausta koskevassa asiassa sen paikkakunnan“) und die schwedische Sprachfassung („om talan avser skadestånd utanför avtalsförhållanden“) die Vorstellung einer Schadensersatzklage beim Fehlen eines Vertrags wider.


27       Vgl. zum Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ u. a. Urteile vom 22. März 1983, Peters Bauunternehmung (34/82, EU:C:1983:87, Rn. 9 und 10), und vom 4. Oktober 2018, Feniks (C‑337/17, EU:C:2018:805, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. zum Begriff „unerlaubte Handlung oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ u. a. Urteil Kalfelis (Rn. 15 und 16) und Urteil vom 17. Oktober 2017, Bolagsupplysningen und Ilsjan (C‑194/16, EU:C:2017:766, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).


28       Vgl. u. a. Urteil Kalfelis (Rn. 19) und Urteile vom 27. Oktober 1998, Réunion européenne u. a. (C‑51/97, EU:C:1998:509, Rn. 16), sowie vom 4. Oktober 2018, Feniks (C‑337/17, EU:C:2018:805, Rn. 37).


29       Vgl. u. a. Urteile vom 19. Februar 2002, Besix (C‑256/00, EU:C:2002:99, Rn. 26), und vom 10. April 2003, Pugliese (C‑437/00, EU:C:2003:219, Rn. 16).


30       Vgl. 16. Erwägungsgrund der Brüssel‑Ia-Verordnung. Vgl. u. a. auch Urteile vom 6. Oktober 1976, Industrie Tessili Italiana Como (12/76, EU:C:1976:133, Rn. 13), vom 20. Februar 1997, MSG (C‑106/95, EU:C:1997:70, Rn. 29), und vom 17. Oktober 2017, Bolagsupplysningen und Ilsjan (C‑194/16, EU:C:2017:766, Rn. 26).


31       Vgl. zu Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung Urteile vom 19. Februar 2002, Besix (C‑256/00, EU:C:2002:99, Rn. 30 und 31 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie zu Art. 7 Nr. 2 dieser Verordnung Urteil vom 17. Oktober 2017, Bolagsupplysningen und Ilsjan (C‑194/16, EU:C:2017:766, Rn. 26 und 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).


32       Urteil Handte (Rn. 15).


33       Urteil vom 20. Januar 2005 (C‑27/02, EU:C:2005:33).


34       Urteil vom 20. Januar 2005, Engler (C‑27/02, EU:C:2005:33, Rn. 45 und 51).


35       Vgl. u. a. Urteile vom 28. Januar 2015, Kolassa (C‑375/13, EU:C:2015:37, Rn. 39), und vom 5. Dezember 2019, Ordre des avocats du barreau de Dinant (C‑421/18, EU:C:2019:1053, Rn. 25 und 26).


36       In Übereinstimmung mit dem Ziel der Kohärenz bei der Auslegung der Brüssel‑Ia-Verordnung, der Rom‑I-Verordnung und der Rom‑II-Verordnung hat der Gerichtshof diese Definition auf die Rom‑I-Verordnung übertragen (siehe Nr. 5 der vorliegenden Schlussanträge). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bezeichnet der Begriff „vertragliches Schuldverhältnis“ im Sinne der Rom‑I-Verordnung somit eine „von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtung“. Vgl. Urteil vom 21. Januar 2016, ERGO Insurance und Gjensidige Baltic (C‑359/14 und C‑475/14, EU:C:2016:40, Rn. 44).


37       Meines Erachtens zielte der Gerichtshof mit dieser Formulierung auf die Verpflichtungen ab, die sich aufgrund eines Vertrags ergeben. Vertragliche Verpflichtungen sind nämlich sowohl diejenigen, die die Parteien im Vertrag festgelegt haben, als auch diejenigen, die das Gesetz bei dieser Art von Verträgen dispositiv oder zwingend auferlegt. Jedenfalls ist die primäre Quelle vertraglicher Verpflichtungen das Gesetz, weil sie nur insoweit Bindungswirkung zwischen den Parteien entfalten, als das Gesetz dies vorsieht (vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley [Fn. 50]).


38       Vgl. u. a. Urteile vom 6. Oktober 1976, De Bloos (14/76, EU:C:1976:134, Rn. 14 und 16), vom 15. Juni 2017, Kareda (C‑249/16, EU:C:2017:472, Rn. 30), und vom 7. März 2018, flightright u. a. (C‑274/16, C‑447/16 und C‑448/16, EU:C:2018:160, Rn. 59). Sämtliche Verpflichtungen, die sich aus einem Vertrag ergeben, sind als „freiwillig eingegangen“ anzusehen, ohne dass der Schuldner jeder einzelnen von ihnen zugestimmt haben muss. Indem die Parteien sich bereitfinden, einen Vertrag zu schließen, akzeptieren sie alle Verpflichtungen, die sich aus ihrer Verpflichtungserklärung ergeben.


39       Vgl. u. a. Urteil vom 11. Juli 2002, Gabriel (C‑96/00, EU:C:2002:436, Rn. 49). Kürzlich hat der Gerichtshof eine „stillschweigende vertragliche Beziehung“ einem Vertrag gleichgestellt (vgl. Urteil vom 14. Juli 2016, Granarolo, C‑196/15, EU:C:2016:559, Rn. 24 bis 27).


40       Vgl. Urteil vom 22. März 1983, Peters Bauunternehmung (34/82, EU:C:1983:87, Rn. 13).


41       Vgl. Urteil vom 10. März 1992, Powell Duffryn (C‑214/89, EU:C:1992:115, Rn. 16).


42       Vgl. Urteil vom 10. September 2015, Holterman Ferho Exploitatie u. a. (C‑47/14, EU:C:2015:574, Rn. 53 und 54).


43       Vgl. Urteil vom 8. Mai 2019, Kerr (C‑25/18, EU:C:2019:376, Rn. 27 bis 29).


44       Vgl. u. a. Urteile vom 17. September 2002, Tacconi (C‑334/00, EU:C:2002:499, Rn. 22), und vom 8. Mai 2019, Kerr (C‑25/18, EU:C:2019:376, Rn. 23).


45       Vgl. Urteil vom 20. Januar 2005, Engler (C‑27/02, EU:C:2005:33, Rn. 53).


46       Vgl. Urteil vom 14. März 2013, Česká spořitelna (C‑419/11, EU:C:2013:165, Rn. 48 und 49).


47       Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2005, Engler (C‑27/02, EU:C:2005:33, Rn. 48).


48       Vgl. entsprechend Urteile vom 14. Dezember 1977, Sanders (73/77, EU:C:1977:208, Rn. 17 und 18), und vom 26. März 1992, Reichert und Kockler (C‑261/90, EU:C:1992:149, Rn. 25). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Gabriel (C‑96/00, EU:C:2001:690, Nrn. 44 bis 46).


49       Vgl. im selben Sinne Minois, M., Recherche sur la qualification en droit international privé des obligations, LGDJ, Paris, 2020, S. 174 bis 180.


50       Urteile vom 7. März 2018, flightright u. a. (C‑274/16, C‑447/16 und C‑448/16, EU:C:2018:160, Rn. 61), vom 4. Oktober 2018, Feniks (C‑337/17, EU:C:2018:805, Rn. 48), und vom 26. März 2020, Primera Air Scandinavia (C‑215/18, EU:C:2020:235, Rn. 44).


51       Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. März 1988, Arcado (9/87, EU:C:1988:127, Rn. 12 und 13). Dieser Gedanke kommt im Urteil vom 6. Oktober 1976, De Bloos (14/76, EU:C:1976:134) auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck: „vertragliche Verpflichtung, die den Gegenstand der Klage bildet“ (Rn. 11), „Verpflichtung …, die dem vertraglichen Anspruch entspricht, auf den der Kläger seine Klage stützt“ (Rn. 13), oder auch „Verpflichtung …, die dem vertraglichen Anspruch entspricht, auf den der … seinen Antrag stützt“ (Rn. 15 und Tenor). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in den verbundenen Rechtssachen flightright u. a. (C‑274/16, C‑447/16 und C‑448/16, EU:C:2017:787, Nr. 54).


52       Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Mayras in der Rechtssache Industrie Tessili Italiana Como (12/76, EU:C:1976:119, Slg. S. 1489), und Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Engler (C‑27/02, EU:C:2004:414, Nr. 44). Da Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung nicht nur für Verträge gilt, beziehe ich mich damit auf alle Rechtsnormen, die aufgrund einer freiwilligen Verpflichtungserklärung einer Person gegenüber einer anderen Person Verpflichtungen auferlegen.


53       Art. 12 der Rom‑I-Verordnung enthält zudem eine nicht erschöpfende Aufzählung der unter die lex contractus fallenden Sachverhalte, die meines Erachtens sachdienliche Anhaltspunkte für die Feststellung liefert, ob eine Klage einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung zum Gegenstand hat. Vgl. entsprechend Urteil vom 8. März 1988, Arcado (9/87, EU:C:1988:127, Rn. 15).


54       Was nicht bedeutet, dass das für den Vertrag zuständige Gericht zwangsläufig sein eigenes Recht anwendet. Der Staat des nach Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung zuständigen Gerichts und das nach den Bestimmungen der Rom‑I-Verordnung bezeichnete Recht stimmen nämlich nicht zwangsläufig überein. Das bedeutet auch nicht, dass das für den Vertrag zuständige Gericht in der Sache notwendigerweise Vertragsrecht anwendet, um die vor ihm aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Eine Frage, die im Sinne der Rechtsinstrumente des Internationalen Privatrechts der Union als „vertraglich“ angesehen wird, könnte nämlich im anzuwendenden materiellen Recht als deliktsrechtliche Frage angesehen werden, usw.


55       Vgl. im selben Sinne Minois, M., a. a. O., S. 174 und 180 bis 186. Auch wenn der materielle Anwendungsbereich von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung somit dem der Rom‑I-Verordnung entspricht, ist die Übereinstimmung nicht vollkommen. Während dieser Art. 7 Nr. 1 beispielsweise auf bestimmte gesellschaftsrechtliche Klagen anwendbar ist (vgl. die in den Fn. 41 und 42 der vorliegenden Schlussanträge angeführte Rechtsprechung), schließt Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Rom‑I-Verordnung Fragen, die dieses Recht betreffen, von ihrem Anwendungsbereich aus.


56       Vgl. u. a. die Klageanträge, um die es in den Rechtssachen ging, in denen die Urteile vom 15. Januar 1987, Shenavai (266/85, EU:C:1987:11, Rn. 2 und 18), vom 8. März 1988, Arcado (9/87, EU:C:1988:127, Rn. 12), und vom 29. Juni 1994, Custom Made Commercial (C‑288/92, EU:C:1994:268, Rn. 2 und 11), ergangen sind.


57       Vgl. u. a. die Klageanträge, um die es in den Rechtssachen ging, in denen die Urteile vom 6. Oktober 1976, De Bloos (14/76, EU:C:1976:134, Rn. 3 und 14), und vom 8. März 1988, Arcado (9/87, EU:C:1988:127, Rn. 13), ergangen sind.


58       Vgl. hierzu Art. 12 Abs. 1 Buchst. a bis c der Rom‑I-Verordnung.


59       Vgl. Urteil vom 20. April 2016, Profit Investment SIM (C‑366/13, EU:C:2016:282, Rn. 54 und 58). Insoweit ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 der Rom‑I-Verordnung, dass sich die Frage des Zustandekommens und die der Wirksamkeit des Vertrags nach der lex contractus beurteilen.


60       Vgl. u. a. Gaudemet-Tallon, H., Compétence et exécution des jugements en Europe, LGDJ, Paris, 4. Aufl., 2010, S. 165 bis 177; Briggs, A., Civil Jurisdiction and Judgments, Informa Law, Oxon, 2015, 6. Aufl., S. 209 bis 220; Niboyet, M.‑L., Geouffre de la Pradelle, G., Droit international privé, LGDJ, Issy-les-Moulineaux, 5. Aufl, 2015, S. 346 und 347; van Calster, G., European Private International Law, Hart Publishing, Oxford, 2016, S. 136 bis 139; Magnus, U., und Mankowski, P., Brussels Ibis Regulation – Commentary, Otto Schmidt, Köln, 2016, S. 162 bis 189, Hartley, T., Civil Jurisdiction and Judgments in Europe – The Brussels I Regulation, the Lugano Convention, and the Hague Choice of Court Convention, Oxford University Press, Oxford, 2017, S. 107 bis 114, sowie Minois, M., a. a. O.


61       Vgl. u. a. Urteil Kalfelis (Rn. 18) und Urteile vom 1. Oktober 2002, Henkel (C‑167/00, EU:C:2002:555, Rn. 36), sowie vom 12. September 2018, Löber (C‑304/17, EU:C:2018:701, Rn. 19).


62       Vgl. u. a. Urteile vom 26. März 1992, Reichert und Kockler (C‑261/90, EU:C:1992:149, Rn. 19 und 20), vom 1. Oktober 2002, Henkel (C‑167/00, EU:C:2002:555, Rn. 41), und vom 12. September 2018, Löber (C‑304/17, EU:C:2018:701, Rn. 21).


63       Vgl. u. a. Urteile vom 5. Februar 2004, DFDS Torline (C‑18/02, EU:C:2004:74, Rn. 19 bis 28), bzw. vom 25. Oktober 2012, Folien Fischer und Fofitec (C‑133/11, EU:C:2012:664, Rn. 41 bis 54).


64       Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. September 2002, Tacconi (C‑334/00, EU:C:2002:499, Rn. 25 und 27), vom 18. Juli 2013, ÖFAB (C‑147/12, EU:C:2013:490, Rn. 35 bis 38), und vom 21. April 2016, Austro-Mechana (C‑572/14, EU:C:2016:286, Rn. 37 und 50). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Engler (C‑27/02, EU:C:2004:414, Nr. 59).


65       Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist ein „außervertragliches Schuldverhältnis“ im Sinne der Rom‑II-Verordnung nämlich ein Schuldverhältnis, das seinen Ursprung in einem schädigenden Ereignis, einer ungerechtfertigten Bereicherung, einer Geschäftsführung ohne Auftrag oder einem Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) hat (vgl. Urteil vom 21. Januar 2016, ERGO Insurance und Gjensidige Baltic, C‑359/14 und C‑475/14, EU:C:2016:40, Rn. 45 und 46). Ich weise jedoch darauf hin, dass die unter Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung fallenden „Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung“ zwar den Kern der Rom‑II-Verordnung bilden, diese jedoch einen weiteren Anwendungsbereich hat, weil sie nicht nur außervertragliche Schuldverhältnisse, die sich aus einem schädigenden Ereignis ergeben, sondern auch solche aus „Quasiverträgen“ wie der ungerechtfertigten Bereicherung oder der Geschäftsführung ohne Auftrag erfasst (vgl. Art. 2 Abs. 1 der Rom‑II-Verordnung).


66       Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Gulmann in der Rechtssache Reichert und Kockler (C‑261/90, EU:C:1992:78, Slg. S. 2169), des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Engler (C‑27/02, EU:C:2004:414, Nrn. 55 und 57), und des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Feniks (C‑337/17, EU:C:2018:487, Nr. 98). Dies ist meines Erachtens, wie auch Wikingerhof vorträgt, bei einer auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützten Erstattungsklage der Fall, wenn die Rechtsgrundlosigkeit dieser Bereicherung keine Folge der Unwirksamkeit eines Vertrags ist (vgl. Urteil vom 20. April 2016, Profit Investment SIM, C‑366/13, EU:C:2016:282, Rn. 55), weil eine solche Klage auf einer Verpflichtung beruht, die sich nicht aus einem schädigenden Ereignis ergibt (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Siemens Aktiengesellschaft Österreich, C‑102/15, EU:C:2016:225, Rn. 54 bis 75).


67       Urteil vom 30. November 1976, Bier (21/76, EU:C:1976:166, Rn. 18).


68       Vgl. u. a. Urteil vom 21. Dezember 2016, Concurrence (C‑618/15, EU:C:2016:976), und Art. 6 Abs. 1 der Rom‑II-Verordnung.


69       Vgl. zum Urheberrecht u. a. Urteile vom 22. Januar 2015, Hejduk (C‑441/13, EU:C:2015:28), und vom 3. April 2014, Hi Hotel HCF (C‑387/12, EU:C:2014:215), sowie Art. 8 der Rom‑II-Verordnung.


70       Vgl. u. a. Urteil vom 16. Juli 2009, Zuid-Chemie (C-189/08, EU:C:2009:475), und Art. 5 der Rom‑II-Verordnung.


71       Vgl. u. a. Gaudemet‑Tallon, H., a. a. O., S. 217 bis 219; Briggs, A., a. a. O., S. 238 bis 250; van Calster, G., a. a. O., S. 144 bis 147; Magnus, U., und Mankowski, P., a. a. O., S. 262 bis 276, und Hartley, T., a. a. O., S. 125 und 126.


72       Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Handte (C‑26/91, nicht veröffentlicht, EU:C:1992:176, Nr. 16), und meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley (Nr. 67).


73       Vgl. in diesem Sinne Urteil Brogsitter (Rn. 23).


74       Zum Beispiel, wenn ein Bankier und sein Kunde im selben Gebäude wohnen und der erste den zweiten wegen unzumutbarer nachbarlicher Störungen verklagt.


75       Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley (Nr. 68).


76       Der Anwendungsbereich der vertraglichen Haftung und der Haftung aus unerlaubter Handlung hat nämlich nicht in allen nationalen Rechtsordnungen den gleichen Umfang, so dass Überschneidungen zwischen diesen beiden Haftungsarten nicht mit derselben Häufigkeit auftreten. Diese möglichen Überschneidungen sind beispielsweise im französischen Recht besonders zahlreich. Zum einen ist die vertragliche Haftung dort weit gefasst, da die Rechtsprechung der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) u. a. dazu neigt, Sicherheits- und Informationspflichten, die Ausdruck allgemeiner, gesetzlich auferlegter Pflichten sind, sowie Pflichten, die sich aus dem Gebot ableiten, Vereinbarungen nach Treu und Glauben zu erfüllen, in die Verträge einzubeziehen. Zum anderen hat auch die Haftung aus unerlaubter Handlung einen offenen Charakter, weil die einschlägigen Vorschriften alle schädigenden Ereignisse erfassen sollen, die im gesellschaftlichen Leben auftreten können. Vgl. zu diesem Thema Ancel, P., „Le concours de la responsabilité délictuelle et de la responsabilité contractuelle“, Responsabilité civile et assurances, Nr. 2, Februar 2012, Heft 8, Rn. 2 bis 11.


77       Vgl. die Rechtssache, in der das Urteil vom 24. Oktober 2018, Apple Sales International u. a. (C‑595/17, EU:C:2018:854), ergangen ist.


78       Vgl. die Rechtssachen, in denen die Urteile vom 18. April 2013, Kommission/Systran und Systran Luxembourg (C‑103/11 P, EU:C:2013:245), vom 3. April 2014, Hi Hotel HCF (C‑387/12, EU:C:2014:215), und vom 18. Dezember 2019, IT Development (C‑666/18, EU:C:2019:1099), ergangen sind.


79       Im materiellen Recht der Mitgliedstaaten können die vertragliche und die deliktische Haftung verschiedenen Regelungen in Bezug auf die Beweislast, die Bedingungen der Entschädigung, die Verjährung usw. unterliegen. Es kann daher im Interesse eines Klägers liegen, eine bestimmte Rechtsgrundlage zu wählen. Vgl. u. a. meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley (Fn. 51).


80       Vgl. zum englischen Recht Fentiman, R., International Commercial Litigation, Oxford University Press, Oxford, 2. Aufl., 2015, S. 177, 178 und 279. Eine solche Kumulierung begründet keinen Anspruch auf doppelte Entschädigung für denselben Schaden. Sie verbessert jedoch die Aussichten des Klägers, den begehrten Schadensersatz zu erhalten.


81       Vgl. Urteil vom 18. Dezember 2019, IT Development (C‑666/18, EU:C:2019:1099, Rn. 23), sowie Gout, O., „Le cumul des responsabilité contractuelle et extracontractuelle en droit belge et en droit français: de la genèse des règles aux perspectives d’évolution“, in Van den Haute, E., Le droit des obligations dans les jurisprudences française et belge, Bruylant, Brüssel, 2013, S. 123 bis 146.


82       Die gleiche Frage stellt sich im Rahmen der Rom‑I- und Rom‑II-Verordnungen für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts, weil diese Verordnungen unterschiedliche Anknüpfungskriterien vorsehen, je nachdem, ob ein Schuldverhältnis „vertraglich“ im Sinne der ersten Verordnung oder „außervertraglich“ im Sinne der zweiten Verordnung ist.


83       Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Darmon in der Rechtssache Kalfelis (189/87, nicht veröffentlicht, EU:C:1988:312, Nrn. 25 bis 30).


84       Urteil Kalfelis (Rn. 19). Aus den Erwägungen des Gerichtshofs geht meines Erachtens klar hervor, dass auch das Umgekehrte zutrifft: Das nach Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung für „vertragliche“ Ansprüche zuständige Gericht ist nicht für daneben geltend gemachte Ansprüche zuständig, die auf außervertraglichen Rechtsgrundlagen beruhen.


85       Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley (Nr. 74); Hess, B., Pfeiffer, T., und Schlosser, P, Report on the Application of Regulation Brussels I in the Member States, JLS/C4/2005/03, 2007, Rn. 192, und Zogg, S., „Accumulation of Contractual and Tortious Causes of Action Under the Judgments Regulation“, Journal of Private International Law, 2013, Bd. 9, Nr. 1, S. 39 bis 76, insbesondere S. 42 und 43.


86       Ich werde auf die Frage der Annexzuständigkeit in den Nrn. 112 ff. der vorliegenden Schlussanträge zurückkommen.


87       In einem rechtlichen Vakuum kann nämlich keine Verpflichtung bestehen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus einem Sachverhalt, der aufgrund einer oder mehrerer Rechtsvorschriften bestimmte Rechtsfolgen nach sich zieht. Der betreffende Sachverhalt und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen sind unabhängig von den betreffenden Rechtsvorschriften nur schwer zu verstehen, und eine Prüfung dieser Vorschriften ermöglicht es, die Natur der in Rede stehenden Verpflichtung zu ermitteln. Vgl. House of Lords (Oberster Gerichtshof, Vereinigtes Königreich) (Lord Millet), Agnew v Länsforsäkringsbolagens AB, [2001] 1 AC 223, § 264; Bollée, S., „La responsabilité extracontractuelle du cocontractant en droit international privé“, in d’Avout, L., Bureau, D., Muir-Watt, H., Mélanges en l’honneur du professeur Bernard Audit – Les relations privées internationales, LGDJ, Issy-les-Moulineaux, 2014, S. 119 bis 135, insbesondere S. 132 und 133; Scott, A., „The Scope of ‚Non-Contractual Obligations‘“, in Ahern, J, Binchy, W., The Rome II Regulation on the Law Applicable to Non-Contractual Obligations, Martinus Nijhoff Publishers, 2009, S. 57 bis 83, insbesondere S. 58 bis 62, sowie Minois, M., a. a. O., S. 129 und 130. Der Gerichtshof wendet häufig eine solche Methode an, die darin besteht, von den materiell-rechtlichen Vorschriften auszugehen, auf die sich der Kläger beruft, um die Merkmale der einzustufenden Verpflichtung zu bestimmen. Vgl. u. a. Urteile vom 26. März 1992, Reichert und Kockler (C‑261/90, EU:C:1992:149, Rn. 17 bis 19), vom 18. Juli 2013, ÖFAB (C‑147/12, EU:C:2013:490, Rn. 35 und 36), und vom 21. April 2016, Austro-Mechana (C‑572/14, EU:C:2016:286, Rn. 27 und 37).


88       In ähnlicher Weise kann im Bereich des Kollisionsrechts ein und dasselbe schädigende Ereignis aus dem Blickwinkel von zwei verschiedenen Schuldverhältnissen betrachtet werden, einem „vertraglichen“ im Sinne der Rom‑I-Verordnung und einem „außervertraglichen“ im Sinne der Rom‑II-Verordnung.


89       Urteil vom 16. Mai 2013 (C‑228/11, EU:C:2013:305).


90       Urteil vom 16. Mai 2013, Melzer (C‑228/11, EU:C:2013:305, Rn. 21). Vgl. auch Urteile vom 3. April 2014, Hi Hotel HCF (C‑387/12, EU:C:2014:215, Rn. 16 bis 21), und vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2015:335, Rn. 43). Vgl. auch auf nationaler Ebene Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Mai 2008, IPRax 2009, S. 150 und 151, und Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich), 1. Zivilkammer, Urteil vom 26. Oktober 2011, Nr. 10-17.026.


91       Urteil Brogsitter (Rn. 20 und 21).


92       Urteil Brogsitter (Rn. 24, 25 bzw. 26).


93       Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley (Nr. 80). Vgl. im Sinne desselben Verständnisses des Urteils Brogsitter u. a. Briggs, A., a. a. O., S. 217 bis 219, 239 und 247 bis 250, und Haftel, B., „Absorption du délictuel par le contractuel, application du Règlement (CE) n° 44/2001 à une action en responsabilité délictuelle“, Revue critique de droit international privé, 2014, Nr. 4, S. 863.


94       Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley (Nr. 88). Vgl. zu diesem Verständnis des Urteils Brogsitter auch Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache Holterman Ferho Exploitatie u. a. (C‑47/14, EU:C:2015:309, Nr. 48), Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Granarolo (C‑196/15, EU:C:2015:851, Nrn. 14 und 18), Court of Appeal (Berufungsgericht, Vereinigtes Königreich), 19. August 2016, Peter Miles Bosworth, Colin Hurley v Arcadia Petroleum Ltd & Others, [2016] EWCA Civ 818, Rn. 66, Weller, M., „EuGH: Vertragsrechtliche Qualifikation vertragsakzessorischer Ansprüche“ LMK 2014, 359127, sowie Hartley, T., a. a. O., S. 108 und 109.


95       Vgl. u. a. Urteile vom 10. September 2015, Holterman Ferho Exploitatie u. a. (C‑47/14, EU:C:2015:574, Rn. 32 und 71), und vom 14. Juli 2016, Granarolo (C‑196/15, EU:C:2016:559, Rn. 21).


96       Im materiellen Recht spiegeln die Unterschiede, die in den nationalen Systemen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Behandlung von Haftungskonkurrenzen bestehen, insbesondere die Frage wider, ob es legitim ist, dass ein Kläger das für seine Interessen günstigste Haftungssystem wählen kann oder nicht. Im französischen und belgischen Recht soll das „Kumulierungsverbot“ zudem die Wirksamkeit vertraglicher Gestaltungen der Haftung gewährleisten. Insoweit lassen diese Rechtsordnungen es zwar nicht zu, die zwingenden Vorschriften über die unerlaubte Handlung im Voraus vertraglich anzupassen, erlauben aber derartige Anpassungen der Vorschriften über vertragliche Schadensersatzansprüche, so dass die Parteien u. a. deren Anspruchsvoraussetzungen neu festlegen und so die vertragliche Haftung verringern oder verschärfen können. Vgl. u. a. Gout, O., a. a. O.


97       Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley (Nr. 83).


98       Vgl. u. a. Urteile vom 22. März 1983, Peters Bauunternehmung (34/82, EU:C:1983:87, Rn. 17), vom 3. Juli 1997, Benincasa (C‑269/95, EU:C:1997:337, Rn. 27), und vom 28. Januar 2015, Kolassa (C-375/13, EU:C:2015:37, Rn. 61).


99       Vgl. im selben Sinne Magnus, U., Mankowski, P., a. a. O., S. 167, van Calster, G., a. a. O., S. 164, und Haftel, B., a. a. O.


100       Das war in der Rechtssache der Fall, in der das Urteil vom 11. April 2019, Bosworth und Hurley (C‑603/17, EU:C:2019:310), ergangen ist: Dort war zwischen den Parteien unstreitig, dass das in deliktischer Hinsicht vorgeworfene Verhalten zugleich eine Vertragsverletzung sein konnte.


101       Wenn beispielsweise ein Hotelgast auf dem Parkplatz des Hotels stürzt und dessen Betreiber auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, könnte eine solche Klage in verschiedenen Rechtssystemen nur auf die Verletzung einer allgemeinen Sicherheitspflicht gestützt werden und hätte daher allein die Haftung aus unerlaubter Handlung zum Gegenstand. Im französischem Recht ist eine Sicherheitspflicht hingegen Bestandteil des Beherbergungsvertrags. Dasselbe gilt für viele ähnliche Fälle (z. B., wenn eine Person auf einem Bahnsteig ausrutscht, während sie auf ihren Zug wartet, in einem Friseursalon usw.). Vgl. Minois, M., a. a. O., S. 92 und 93.


102       Zwar hat der Gerichtshof in Rn. 24 des Urteils Brogsitter ausgeführt, dass vertragliche Verpflichtungen sich „anhand des Vertragsgegenstands ermitteln lassen“  dürften, aber ich muss zugeben, dass ich Schwierigkeiten habe, mir eine solche Prüfung vorzustellen. Abgesehen von den Fragen, was der Gerichtshof unter diesem „Gegenstand“ verstanden wissen wollte und ob dieser autonom zu definieren ist, ist nicht bei allen Verträgen offensichtlich, welchen Inhalt sie haben. Auch wenn sich bei einigen üblichen Verträgen die Hauptpflichten erkennen lassen, ohne dass es der Heranziehung der lex contractus bedarf, ist dies bei den anderen Pflichten, die sich aus ihnen ergeben, nicht der Fall. Darüber hinaus weise ich darauf hin, dass Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung auf eine Vielzahl verschiedenartiger Verträge Anwendung finden kann (vgl. Urteil vom 15. Januar 1987, Shenavai, 266/85, EU:C:1987:11, Rn. 17).


103       Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley (Nr. 88), und Haftel, B., a. a. O. Im Allgemeinen sollte die Bestimmung der Zuständigkeit nach der Brüssel‑Ia-Verordnung nicht vom anwendbaren Recht abhängig sein (vgl. Urteil vom 5. Juli 2018, flyLAL-Lithuanian Airlines, C‑27/17, EU:C:2018:533, Rn. 55). Insoweit sollte die in Fn. 21 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegebene Rechtsprechung, die sich aus dem Urteil vom 6. Oktober 1976, Industrie Tessili Italiana Como (12/76, EU:C:1976:133), ergibt, meines Erachtens eine Ausnahme bleiben.


104       Vgl. u. a. Urteil vom 1. März 2005, Owusu (C‑281/02, EU:C:2005:120, Rn. 39).


105       Zum Beispiel gehen die ausschließlichen Zuständigkeiten nach Art. 24 der Brüssel‑Ia-Verordnung anderen in dieser Verordnung vorgesehenen Zuständigkeitsregeln vor.


106       Das trifft insbesondere auf Art. 4 Abs. 3 der Rom‑II-Verordnung zu. Diese Bestimmung sieht vor, dass dann, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als dem in den Absätzen 1 oder 2 dieses Artikels bezeichneten Staat aufweist, das Recht dieses anderen Staates anzuwenden ist. Eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat könnte sich insbesondere aus einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien – wie einem Vertrag – ergeben, das mit der betreffenden unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht. Aus dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf Außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht (KOM[2003] 427 endgültig, S. 13) ergibt sich, dass diese Lösung für mögliche Haftungskonkurrenzen vorgesehen wurde. Somit besteht bei einer solchen Konkurrenz sowohl ein „vertragliches Schuldverhältnis“ im Sinne der Rom‑I-Verordnung als auch ein „außervertragliches Schuldverhältnis“ im Sinne der Rom‑II-Verordnung. Gleichwohl lässt dieser Art. 4 Abs. 3 es unter bestimmten Umständen zu, auf beide Schuldverhältnisse dasselbe Recht anzuwenden. Er gilt jedoch nicht in allen Fällen (siehe Fn. 107 der vorliegenden Schlussanträge).


107       Ich weise darauf hin, dass Art. 14 der Rom‑II-Verordnung den Parteien grundsätzlich die Wahl des Rechts überlässt, dem ein außervertragliches Schuldverhältnis unterliegen soll. Auch Art. 4 Abs. 3 dieser Verordnung ist meines Erachtens in einem solchen Fall nicht anwendbar.


108      Vgl. Art. 3 der Rom‑I-Verordnung.


109       Vgl. im selben Sinne Dickinson, A., „Towards an agreement on the concept of ‚contract‘ in EU Private International Law?“, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly, 2014, S. 466 bis 474, insbesondere S. 473.


110       Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley (Nr. 90).


111       Vgl. u. a. Briggs, A., a. a. O.


112       Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley (Nr. 84). Es wird jedoch vorkommen, dass der nach Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung bestimmte Gerichtsstand und mindestens einer der nach Art. 7 Nr. 2 dieser Verordnung bestimmten Gerichtsstände übereinstimmen. Vgl. u. a. Urteil vom 27. Oktober 1998, Réunion européenne u. a. (C‑51/97, EU:C:1998:509, Rn. 35), in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass bei einem internationalen Seetransport von Waren der Ort des Schadenseintritts dem Ort entspricht, an dem der Verfrachter die Waren auszuliefern hatte.


113       Vgl. Urteil Kalfelis (Rn. 20) und meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley (Nr. 85).


114       Insbesondere an zivilrechtlichen Haftungsklagen zur privaten Rechtsdurchsetzung („private enforcement“) ist häufig ein Kläger beteiligt, der gegen mehrere Beklagte vorgeht – z. B. gegen die verschiedenen Unternehmen, die Mitglieder eines wettbewerbswidrigen Kartells sind –, und es dürfte zweckmäßig sein, sie gemeinsam am Gerichtsstand der unerlaubten Handlung verklagen zu können. Diese Möglichkeit sollte nicht dadurch behindert werden, dass eines dieser Unternehmen zufällig Vertragspartner des Klägers ist.


115      Siehe Fn. 20 der vorliegenden Schlussanträge.


116       Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley (Nr. 84) sowie Haftel, B., a. a. O. In ähnlicher Weise wird dem Kläger die Möglichkeit eines gewissen law shopping eröffnet, wenn man ihm erlaubt, sich wegen ein und desselben schädigenden Ereignisses auf ein „vertragliches Schuldverhältnis“ im Sinne der Rom‑I-Verordnung und/oder ein „außervertragliches Schuldverhältnis“ im Sinne der Rom‑II-Verordnung zu berufen.


117       Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley (Nr. 85) sowie Fentiman, R., a. a. O., S. 278.


118       Ein solcher Missbrauch liegt meines Erachtens vor, wenn der Kläger sein Wahlrecht zweckentfremdet, indem er es mit dem alleinigen Ziel ausübt, dem Beklagten zu schaden, wenn er mit dem alleinigen Ziel der Verfahrensverzögerung ein Gericht anruft, von dem er weiß, dass es nicht sachkundig ist, oder wenn er auf andere Weise davon Gebrauch macht, um den Beklagten verfahrenstechnisch zu schikanieren. Vgl. u. a. Usunier, L., „Le règlement Bruxelles I bis et la théorie de l’abus de droit“, in Guinchard, E., Le nouveau règlement Bruxelles I bis, Bruylant, Brüssel, 2014, S. 449 bis 480.


119       Genauer gesagt stellt sich die Frage, ob die lex causae in materieller Hinsicht ein „Kumulierungsverbot“ vorsieht. Im Fall von Klagen, die kumulativ auf zwei verschiedenen „Schuldverhältnissen“ beruhen, müssen in diesem Zusammenhang möglicherweise zwei leges causae geprüft werden. In diesem Fall käme es auch darauf an, ob nach den zur lex fori gehörenden Verfahrensvorschriften des angerufenen Gerichts die Erhebung kumulativer Klagen für ein und dasselbe schädigende Ereignis zulässig ist. Vgl. für weitere Einzelheiten Plender, R., und Wilderspin, M., The European Private International Law of Obligations, Sweet & Maxwell, London, 4. Aufl., 2015, S. 67 bis 71.


120       Siehe Nr. 140 der vorliegenden Schlussanträge.


121       Insbesondere die Aussage in Rn. 26 des Urteils Brogsitter, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, „festzustellen, ob die Klageanträge … einen Ersatzanspruch zum Gegenstand haben, dessen Grund bei vernünftiger Betrachtungsweise in einem Verstoß gegen die Rechte und Pflichten aus dem zwischen den Parteien … bestehenden Vertrag gesehen werden kann“, ist meines Erachtens in diesem Sinne zu verstehen.


122       Vgl. Urteil Brogsitter (Rn. 25 und 26). In diesem Urteil hat sich der Gerichtshof offenbar von seiner Rechtsprechung zu zivilrechtlichen Haftungsklagen gegen die Union leiten lassen. Ich weise darauf hin, dass der AEU-Vertrag in diesem Bereich eine Zuständigkeitsverteilung zwischen den Unionsgerichten und den nationalen Gerichten vorsieht: Während Streitigkeiten im Bereich der außervertraglichen Haftung der Union in die ausschließliche Zuständigkeit der Unionsgerichte fallen (vgl. Art. 256 Abs. 1, Art. 268 und Art. 340 Abs. 2 AEUV), fallen Streitigkeiten im Bereich der vertraglichen Haftung der Union, sofern keine gegenteilige Schiedsklausel eingreift, in die Zuständigkeit der einzelstaatlichen Gerichte (vgl. Art. 272 und 274 AEUV). Nach dieser Rechtsprechung dürfen die Gerichte der Union bei der Feststellung, ob eine gegen die Union erhobene zivilrechtliche Haftungsklage in ihre Zuständigkeit fällt, nicht einfach auf die vom Kläger geltend gemachten Rechtsvorschriften abstellen. Diese Gerichte haben zu prüfen, ob die Schadensersatzklage, mit denen sie befasst sind, einen Schadensersatzanspruch zum Gegenstand hat, dem objektiv und umfassend vertragliche oder außervertragliche Rechte und Pflichten zugrunde liegen. Zu diesem Zweck müssen diese Gerichte anhand einer Prüfung der verschiedenen Informationen in den Akten, wie insbesondere der Rechtsvorschrift, die verletzt sein soll, der Art des geltend gemachten Schadens, des vorgeworfenen Verhaltens sowie der rechtlichen Beziehungen der Parteien untersuchen, ob zwischen diesen ein echter vertragsrechtlicher Zusammenhang besteht, der mit dem Gegenstand des Rechtsstreits verknüpft ist und dessen eingehende Prüfung sich für die Entscheidung über die Klage als unerlässlich erweist. In diesem Rahmen ist die Klage als auf die vertragliche Haftung der Union gestützt anzusehen, wenn sich aus der einleitenden Prüfung der genannten Gesichtspunkte die Notwendigkeit ergibt, den Inhalt eines oder mehrerer zwischen den betreffenden Parteien geschlossener Verträge auszulegen, um festzustellen, ob die Forderungen des Klägers begründet sind (vgl. u. a. Urteile vom 18. April 2013, Kommission/Systran und Systran Luxembourg, C‑103/11 P, EU:C:2013:245, Rn. 61 bis 67, und vom 10. Juli 2019, VG/Kommission, C‑19/18 P, EU:C:2019:578, Rn. 28 bis 30).


123       Um insbesondere festzustellen, ob eine Klage gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Brüssel‑Ia-Verordnung, der sich auf „Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren“ bezieht, vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgeschlossen ist, ist zu prüfen, ob sie „ihre Rechtsgrundlage im Konkursrecht … hat“ (vgl. u. a. Urteil vom 22. Februar 1979, Gourdain, 133/78, EU:C:1979:49, Rn. 4, und entsprechend Urteil vom 4. Dezember 2019, Tiger u. a., C‑493/18, EU:C:2019:1046, Rn. 27). Ebenso ist für die Feststellung, ob es sich um eine Klage handelt, die im Sinne von Art. 24 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung „dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen … zum Gegenstand ha[t]“, zu prüfen, ob die Klage „auf ein dingliches… Recht an einer unbeweglichen Sache gestützt“ ist (vgl. u. a. Urteil vom 10. Juli 2019, Reitbauer u. a., C‑722/17, EU:C:2019:577, Rn. 45). Um festzustellen, ob es sich um eine Klage handelt, die im Sinne von Art. 24 Nr. 2 dieser Verordnung „die Gültigkeit der Beschlüsse [der] Organe [der Gesellschaft] zum Gegenstand ha[t]“, ist zu prüfen, ob der Kläger die Gültigkeit eines Beschlusses des Organs einer Gesellschaft „im Hinblick auf das geltende Gesellschaftsrecht oder die satzungsmäßigen Vorschriften über das Funktionieren der Organe dieser Gesellschaft anficht“ (vgl. u. a. Urteil vom 23. Oktober 2014, flyLAL-Lithuanian Airlines, C‑302/13, EU:C:2014:2319, Rn. 40).


124       Vgl. z. B. Court of Appeal (Berufungsgericht, Vereinigtes Königreich), 9. August 2018, Cristiano Committeri v Club Méditerranée SA and others, [2018] EWCA Civ 1889.


125       Während nämlich bestimmte nationale Rechtsordnungen, darunter das englische Recht, den Klägern vorschreiben, in ihrer Klageschrift nicht nur den Sachverhalt und den Gegenstand ihrer Klage anzugeben, sondern auch die Rechtsgrundlagen, auf die sie sich stützen, stellen andere Rechtsordnungen, darunter das französische Recht, keine solchen Anforderungen an die Kläger. Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley (Nr. 86).


126      Vgl. im selben Sinne Weller, M., a. a. O. Im Fall einer Haftungskonkurrenz sind die „vertraglichen“ und „deliktischen“ Verpflichtungen, die ein und dasselbe schädigende Ereignis betreffen, grundsätzlich unabhängig voneinander. Beispielsweise kann das Gericht in dem in Nr. 54 der vorliegenden Schlussanträge genannten Fall eines durch ein fehlerhaftes Produkt verursachten Schadens über die Frage befinden, ob es unabhängig vom Kaufvertrag einen Verstoß gegen eine gesetzliche Pflicht auf dem Gebiet der Produktsicherheit gegeben hat. Denn diese Pflicht besteht unabhängig von dem fraglichen Vertrag, und es ist deshalb keineswegs „unerlässlich“, diesen Vertrag „zu berücksichtigen“ oder „auszulegen“, um festzustellen, dass es rechtswidrig ist, ein Produkt herzustellen, das einen Sicherheitsmangel enthält oder einen solchen Mangel darstellt.


127      Das Urteil Brogsitter kann nämlich in dem Sinne verstanden werden, dass nach Ansicht des Gerichtshofs die Verletzung der Ausschließlichkeitsverpflichtung, an die die Parteien aufgrund des Vertrags gebunden sein sollten, für sich die geltend gemachten unerlaubten Handlungen war. Die deliktisch begründeten Klageansprüche und die vertraglich begründeten Klageansprüche beruhten folglich für den Gerichtshof im Kern auf ein und derselben Verpflichtung, nämlich der „vertraglichen Verpflichtung“ der Ausschließlichkeit.


128       Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley (Nrn. 79 und 83).


129       Nehmen wir ein anderes Beispiel, in dem X einen Vertrag mit Y hat und Z den Y dazu verleitet, gegen diesen Vertrag zu verstoßen. Wenn X gegen Z auf der Grundlage der Haftung aus unerlaubter Handlung wegen Verleitung des Y zum Vertragsbruch gerichtlich vorgehen will, müsste er nachweisen, dass Y den Vertrag tatsächlich gebrochen hat. Das Gericht müsste zu diesem Zweck den Vertrag auslegen. Es handelt sich hier um eine Vorfrage, um im Rahmen der Prüfung einer im Übrigen deliktischen Klage festzustellen zu können, ob tatsächlich ein relevantes Ereignis stattgefunden hat (vgl. Hartley, T., a. a. O., S. 109).


130       Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Juli 1991, Rich (C‑190/89, EU:C:1991:319, Rn. 26 bis 28), vom 14. November 2002, Baten (C‑271/00, EU:C:2002:656, Rn. 46 und 47), und vom 16. November 2016, Schmidt (C‑417/15, EU:C:2016:881, Rn. 25). Dagegen ist im Bereich des Kollisionsrechts jede der Rechtsfragen, die durch eine Klage aufgeworfen werden, grundsätzlich eigenständig zu qualifizieren. Vgl. Urteile vom 21. Januar 2016, ERGO Insurance und Gjensidige Baltic (C‑359/14 und C‑475/14, EU:C:2016:40, Rn. 50 bis 62), vom 7. April 2016, KA Finanz (C‑483/14, EU:C:2016:205, Rn. 52 bis 58), und vom 28. Juli 2016, Verein für Konsumenteninformation (C‑191/15, EU:C:2016:612, Rn. 35 bis 60). Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Verein für Konsumenteninformation (C‑272/18, EU:C:2019:679, Nr. 51).


131       Vgl. entsprechend Urteil vom 12. Mai 2011, BVG (C‑144/10, EU:C:2011:300, Rn. 39).


132       Vgl. u. a. Urteil vom 14. November 2019, Spedidam (C‑484/18, EU:C:2019:970, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).


133       Vgl. u. a. Urteile vom 25. Oktober 2012, Folien Fischer und Fofitec (C‑133/11, EU:C:2012:664, Rn. 50), und vom 28. Januar 2015, Kolassa (C‑375/13, EU:C:2015:37, Rn. 62).


134       Vgl. u. a. Urteil vom 29. Juni 1994, Custom Made Commercial (C‑288/92, EU:C:1994:268, Rn. 19), in dem der Gerichtshof ausgeführt hat, dass das angerufene Gericht nicht gezwungen sein sollte, zur Überprüfung seiner Zuständigkeit „das Vorbringen des Beklagten [zu] berücksichtigen“. In diesem Punkt besteht meines Erachtens kein Widerspruch zwischen dieser Aussage und der späteren Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der das angerufene Gericht im Stadium der Prüfung seiner Zuständigkeit „alle ihm vorliegenden Informationen zu würdigen hat, wozu gegebenenfalls auch die Einwände des Beklagten gehören“ (Urteil vom 16. Juni 2016, Universal Music International Holding, C‑12/15, EU:C:2016:449, Rn. 46). Diese Rechtsprechung ist nämlich dahin zu verstehen, dass das angerufene Gericht in diesem Stadium nicht das Verteidigungsvorbringen des Beklagten in der Sache, sondern sein etwaiges Vorbringen zur Zuständigkeit – z. B. in Bezug auf den Ort des Schadenseintritts im Sinne von Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung usw. – zu berücksichtigen hat (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Kolassa, C‑375/13, EU:C:2014:2135, Nr. 77).


135       Vgl. u. a. Urteil vom 4. März 1982, Effer (38/81, EU:C:1982:79, Rn. 7 und 8).


136       Vgl. im selben Sinne Dickinson, A., a. a. O., insbesondere S. 471.


137       Vgl. entsprechend Urteile vom 25. Juli 1991, Rich (C‑190/89, EU:C:1991:319, Rn. 27), vom 8. Mai 2003, Gantner Electronic (C‑111/01, EU:C:2003:257, Rn. 24 bis 32), und vom 12. Mai 2011, BVG (C‑144/10, EU:C:2011:300, Rn. 35). Vgl. im selben Sinne auch Zogg, S., a. a. O., S. 50 und 51.


138       Vgl. entsprechend Urteile vom 4. März 1982, Effer (38/81, EU:C:1982:79, Rn. 8), und vom 12. Mai 2011, BVG (C‑144/10, EU:C:2011:300, Rn. 34 und 35). Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley (Nr. 89); Brosch, M., „Die Brogsitter-Defence: Neues zur Annexzuständigkeit am Vertragsgerichtsstand für deliktische Ansprüche in der EuGVVO, zugl. Anmerkung zu EuGH 13.3.2014, C‑548/12, Marc Brogsitter/Fabrication de Montres Normandes EURL und Karsten Fräßdorf“, ÖJZ 2015, S. 958 bis 960, und Magnus, U., und Mankowski, P., a. a. O., S. 168.


139       Urteil vom 3. April 2014 (C‑387/12, EU:C:2014:215).


140       Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. April 2014, Hi Hotel HCF (C‑387/12, EU:C:2014:215, Rn. 16 bis 22).


141       Der Gerichtshof hat wiederholt festgestellt, dass Art. 7 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung nicht darauf abzielt, eine der Parteien des Rechtsstreits zu schützen. (Vgl. insbesondere Urteil vom 17. Oktober 2017, Bolagsupplysningen und Ilsjan, C‑194/16, EU:C:2017:766, Rn. 38 und 39). Dasselbe gilt meines Erachtens für Art. 7 Nr. 1 dieser Verordnung.


142       Vgl. 18. Erwägungsgrund der Brüssel‑Ia-Verordnung.


143       Vgl. zu Kapitel II Abschnitt 4 der Brüssel‑Ia-Verordnung Urteile vom 11. Juli 2002, Gabriel (C‑96/00, EU:C:2002:436, Rn. 54 bis 58), und vom 2. April 2020, Reliantco Investment und Reliantco Investment Limassol Sucursala Bucureşti (C‑500/18, EU:C:2020:264, Rn. 58 bis 73), sowie zu Kapitel II Abschnitt 5 dieser Verordnung meine Schlussanträge in der Rechtssache Bosworth und Hurley (Nrn. 91 bis 103). Der Gerichtshof hatte bisher noch keine Gelegenheit, über diese Frage in Bezug auf Abschnitt 3 dieses Kapitels zu entscheiden. Vgl. jedoch zu einem entsprechenden Ansatz in Bezug auf diesen Abschnitt 3 Supreme Court of the United Kingdom (Oberster Gerichtshof des Vereinigten Königreichs), 1. April 2020, Aspen Underwriting Ltd and others v Credit Europe Bank NV, (2020) UKSC 11, Rn. 34 bis 41.


144       Vgl. u. a. Briggs, A., a. a. O., S. 237, und Weller, M., a. a. O.


145       Vgl. u. a. Urteil vom 15. Januar 1987, Shenavai (266/85, EU:C:1987:11, Rn. 19).


146       Vgl. im selben Sinne Zogg, S., a. a. O., S. 57 bis 62, und Minois, M., a. a. O., S. 250.


147       In der derzeitigen Fassung der Brüssel‑Ia-Verordnung stellt deren Art. 30 eine Ausnahme dar, wonach im Fall im Zusammenhang stehender Verfahren, die bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten anhängig sind, das später angerufene Gericht das Verfahren aussetzen kann. Vgl. Gaudemet-Tallon, H., a. a. O., S. 175, die eine Erweiterung der Konnexitätsregel befürwortet.


148       Hierzu hat Wikingerhof in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichtshofs geantwortet, hypothetisch hätte sie ihre Klage auf die Vorschriften des deutschen Rechts über die vertragliche Haftung stützen können, genauer gesagt auf einen Verstoß gegen die Verpflichtung, Vereinbarungen nach Treu und Glauben zu erfüllen.


149       Die aber im Hinblick auf Art. 6 Abs. 3 der Rom‑II-Verordnung sicherlich zu bejahen sein wird.


150       Vgl. entsprechend Urteile vom 23. Oktober 2014, flyLAL-Lithuanian Airlines (C‑302/13, EU:C:2014:2319, Rn. 28), vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2015:335, Rn. 34 bis 56), vom 5. Juli 2018, flyLAL-Lithuanian Airlines (C‑27/17, EU:C:2018:533, Rn. 51), und vom 29. Juli 2019, Tibor-Trans (C‑451/18, EU:C:2019:635, Rn. 22 bis 37). Vgl. im selben Sinne Behar-Touchais, M., „Abus de puissance économique en droit international privé“, Revue internationale de droit économique, 2010, Bd. 1, S. 37 bis 59, insbesondere S. 41 und 42.


151       Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2015:335).


152       Die durch das Kartell geschädigten Unternehmen hatten ihre Forderungen zwar an die im Ausgangsverfahren klagende Gesellschaft abgetreten, die ihrerseits keinen Vertrag mit den beklagten Unternehmen geschlossen hatte. Allerdings übte diese Gesellschaft aufgrund der Forderungsabtretung die den Geschädigten zustehenden Rechte gegenüber diesen Unternehmen aus (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide, C‑352/13, EU:C:2015:335, Rn. 35).


153       Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2015:335, Rn. 43).


154       Vgl. entsprechend Oberlandesgericht München (Deutschland), Urteil vom 23. November 2017, WRP 2018, 629, Rn. 22 und 23.


155       Wie sie in Nr. 12 der vorliegenden Schlussanträge zusammengefasst sind.


156       Siehe Fn. 23 der vorliegenden Schlussanträge.


157       Entsprechend kann es im Rahmen einer Haftungsklage wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, in der ein Käufer seinem Lieferanten vorwirft, unangemessene Verkaufspreise zu erzwingen (vgl. Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV), zur Feststellung der Erheblichkeit dieses Verhaltens erforderlich sein, festzustellen, was der Vertrag besagt. Streiten die Parteien über die exakte Höhe der im Vertrag vorgesehenen Preise – z. B., weil sie auf einer komplexen Berechnungsformel beruhen, verschiedene Variablen berücksichtigen, usw. –, müssen die Preisklauseln des Vertrags unter Umständen vom Gericht ausgelegt werden. Aber auch dann würde es sich um eine schlichte Vorfrage handeln, die dazu dient, das beanstandete Verhalten festzustellen, damit das Gericht die Hauptfrage nach dessen Rechtmäßigkeit im Hinblick auf das Wettbewerbsrecht entscheiden kann.


158      Jedenfalls wäre eine solche Einwendung, wie ich in Nr. 107 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, für die Einstufung der Klage irrelevant.


159       Vgl. entsprechend Urteil vom 29. Juli 2019, Tibor-Trans (C‑451/18, EU:C:2019:635, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


160       Siehe Nr. 41 der vorliegenden Schlussanträge.


161       Vgl. entsprechend Urteil vom 23. Oktober 2014, flyLAL-Lithuanian Airlines (C‑302/13, EU:C:2014:2319, Rn. 36).


162       Vgl. im selben Sinne Vilà Costa, B., „How to Apply Articles 5(1) and 5(3) Brussels I Regulation to Private Enforcement of Competition Law: a Coherent Approach“, in Basedow, J., Francq, S., und Idot, L. (Hrsg.), International antitrust litigation: Conflict of laws and coordination, Hart Publishing, Oxford, 2012, insbesondere S. 24.


163       Urteil vom 24. Oktober 2018 (C‑595/17, EU:C:2018:854).


164       Vgl. Urteil vom 24. Oktober 2018, Apple Sales International u. a. (C‑595/17, EU:C:2018:854, Rn. 28 bis 30).


165       Vgl. u. a. Urteil vom 24. Oktober 2018, Apple Sales International u. a. (C‑595/17, EU:C:2018:854, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).


166       Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Apple Sales International u. a. (C‑595/17, EU:C:2018:541, Nrn. 34, 35 und 71).


167       Urteil vom 24. Oktober 2018 (C‑595/17, EU:C:2018:854).