Language of document : ECLI:EU:C:2020:564

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

16. Juli 2020(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 258 AEUV – Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung – Richtlinie (EU) 2015/849 – Unterbliebene Umsetzung und/oder Mitteilung der Umsetzungsmaßnahmen – Art. 260 Abs. 3 AEUV – Antrag auf Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags“

In der Rechtssache C‑550/18

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 und Art. 260 Abs. 3 AEUV, eingereicht am 27. August 2018,

Europäische Kommission, vertreten durch T. Scharf, L. Flynn und G. von Rintelen als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Irland, vertreten durch G. Hodge, M. Browne und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von G. Gilmore, BL, und P. McGarry, SC,

Beklagter,

unterstützt durch

Republik Estland, vertreten durch N. Grünberg als Bevollmächtigte,

Französische Republik, vertreten durch A.‑L. Desjonquères, B. Fodda und J.‑L. Carré als Bevollmächtigte,

Streithelferinnen,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Kammerpräsidentin L. S. Rossi und des Kammerpräsidenten I. Jarukaitis sowie der Richter M. Ilešič, J. Malenovský, L. Bay Larsen, T. von Danwitz, F. Biltgen (Berichterstatter), A. Kumin, N. Jääskinen und N. Wahl,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2019,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. März 2020

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission,

–        festzustellen, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 67 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission (ABl. 2015, L 141, S. 73) verstoßen hat, dass es nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um der Richtlinie 2015/849 nachzukommen, bis zum 26. Juni 2017 erlassen oder der Kommission jedenfalls nicht mitgeteilt hat;

–        gegen Irland gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV wegen Verstoßes gegen seine Verpflichtung, die Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinie mitzuteilen, mit Wirkung vom Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils ein Zwangsgeld in Höhe von 17 190,60 Euro zu verhängen;

–        gegen Irland gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV einen Pauschalbetrag auf der Grundlage eines Tagessatzes von 4 701,20 Euro, multipliziert mit der Anzahl der Tage, an denen der Verstoß fortbestanden hat, vorbehaltlich des Überschreitens des Mindestpauschalbetrags von 1 685 000 Euro zu verhängen;

–        Irland die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2015/849 bestimmt:

„(1)      Ziel dieser Richtlinie ist die Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems der Union zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung.

(2)      Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung untersagt werden.“

3        Art. 67 dieser Richtlinie lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis zum 26. Juni 2017 nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf die vorliegende Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme.

(2)      Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.“

4        Die Richtlinie 2015/849 wurde durch die Richtlinie (EU) 2018/843 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 2015/849 und zur Änderung der Richtlinien 2009/138/EG und 2013/36/EU (ABl. 2018, L 156, S. 43) geändert. Die Richtlinie 2018/843 trat am 9. Juli 2018 in Kraft.

5        Art. 1 Nr. 42 der Richtlinie 2018/843 lautet:

„Die Richtlinie (EU) 2015/849 wird wie folgt geändert:

42.      Artikel 67 Absatz 1 erhält folgende Fassung:

‚(1)      Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, um dieser Richtlinie bis zum 26. Juni 2017 nachzukommen.

Die Mitgliedstaaten wenden Artikel 12 Absatz 3 ab dem 10. Juli 2020 an.

Die Mitgliedstaaten richten die Register gemäß Artikel 30 bis zum 10. Januar 2020 und die in Artikel 31 genannte[n] Register bis zum 10. März 2020 und die zentralen automatischen Mechanismen gemäß Artikel 32a bis zum 10. September 2020 ein.

Die Kommission sorgt bis zum 10. März 2021 gemeinsam mit den Mitgliedstaaten für die Vernetzung der Register gemäß den Artikeln 30 und 31.

Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der Vorschriften gemäß diesem Absatz unverzüglich mit.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf die vorliegende Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme.‘“

 Vorverfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof

6        Am 23. Februar 2017 teilte Irland die European Union (Anti-Money Laundering: Beneficial Ownership of Corporate Entities) Regulations 2016 (Verordnung von 2016 zur Bekämpfung der Geldwäsche [Wirtschaftliches Eigentum an Kapitalgesellschaften] [Europäische Union]) als Umsetzung der Richtlinie 2015/849 mit. Da diese Maßnahme nach Ansicht der Kommission nur eine Umsetzung von Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2015/849 darstellt und Irland die Kommission nicht darüber informiert habe, dass es andere Maßnahmen gebe, die erlassen worden seien, um dieser Richtlinie nachzukommen, richtete die Kommission am 19. Juli 2017 ein Aufforderungsschreiben an diesen Mitgliedstaat.

7        Aus der Antwort Irlands vom 13. September 2017 ging hervor, dass dieser Mitgliedstaat zu diesem Zeitpunkt dabei war, Maßnahmen zur Umsetzung der genannten Richtlinie zu erlassen. Hinsichtlich der geplanten Regelungen über Trusts und Strukturen der gemeinsamen Verwaltung von Vermögenswerten wurde jedoch kein Gesetzentwurf vorgelegt.

8        Da die Kommission die Umsetzung der Richtlinie 2015/849 als nach wie vor unvollständig ansah, richtete sie am 8. März 2018 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Irland, in der dieser Mitgliedstaat aufgefordert wurde, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Anforderungen dieser Richtlinie innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Erhalt dieser Stellungnahme zu erfüllen.

9        Irland antwortete auf diese Stellungnahme mit Schreiben vom 4. Mai 2018, in dem es die Kommission darüber informierte, dass ein Entwurf eines Rechtsakts vorbereitet worden sei, der die Richtlinie 2015/849 in das nationale Recht integriere, und dass die irischen Stellen dem Erlass dieses Rechtsakts eine sehr hohe Priorität einräumten. So sollte die parlamentarische Debatte über den bereits veröffentlichten und der Kommission übermittelten Textentwurf im Mai 2018 beginnen.

10      Da die Kommission zu dem Ergebnis kam, dass Irland weder die erforderlichen nationalen Maßnahmen zur Gewährleistung der Umsetzung der Richtlinie 2015/849 erlassen noch diese Maßnahmen mitgeteilt habe, hat sie die vorliegende Klage erhoben und beantragt, die gerügte Vertragsverletzung festzustellen und gegen diesen Mitgliedstaat nicht nur einen Pauschalbetrag, sondern auch ein Zwangsgeld in Form eines Tagessatzes zu verhängen.

11      In der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2019 hat die Kommission dem Gerichtshof mitgeteilt, dass sie ihre Klage teilweise zurücknehme, nämlich insofern, als sie nicht mehr die Verhängung eines Zwangsgelds in Form eines Tagessatzes beantrage, da dieser Antrag nach der vollständigen Umsetzung der Richtlinie 2015/849 in irisches Recht gegenstandslos geworden sei. Gleichzeitig hat sie darauf hingewiesen, dass sich der Pauschalbetrag, dessen Verhängung sie im vorliegenden Fall beantrage, auf 2 766 992 Euro belaufe und den Zeitraum vom 27. Juni 2017 bis zum 2. Dezember 2019 umfasse.

12      Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 12. und 11. Februar 2019 sind die Republik Estland und die Französische Republik als Streithelferinnen zur Unterstützung Irlands zugelassen worden.

 Zur Klage

 Zur Vertragsverletzung im Sinne von Art. 258 AEUV

 Vorbringen der Parteien

13      Die Kommission trägt vor, Irland habe dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 67 der Richtlinie 2015/849 verstoßen, dass es nicht bis zum 26. Juni 2017 alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen habe, die erforderlich seien, um dieser Richtlinie nachzukommen, oder ihr diese Vorschriften jedenfalls nicht mitgeteilt habe.

14      Zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage habe die Kommission nämlich abgesehen von den Informationen über die Maßnahmen, die zur Gewährleistung der Umsetzung von Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2015/849 erlassen worden seien, von Irland keine weiteren Angaben erhalten, die den Schluss zuließen, dass diese Richtlinie in irisches Recht umgesetzt worden sei.

15      Hinsichtlich der angeblichen nationalen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2015/849, die nach Einreichung der Klageschrift mitgeteilt worden sind und auf die Irland in seiner Klagebeantwortung Bezug nimmt, räumt die Kommission ein, dass Irland mit der Mitteilung mehrerer Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2015/849 am 29. November 2018 diese tatsächlich großenteils umgesetzt habe. Zum Zeitpunkt der Einreichung der Erwiderung hätten jedoch Lücken in Bezug auf Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 2 sowie Abs. 2 und 7, Art. 31 Abs. 1 bis 3 und 7, Art. 47 Abs. 2 und 3, Art. 48 Abs. 5 bis 9, Art. 61 Abs. 3 sowie Art. 62 Abs. 2 der Richtlinie fortbestanden.

16      Darüber hinaus weist die Kommission die Behauptung zurück, dass die Richtlinie 2015/849 lediglich eine mit Änderungen versehene Aktualisierung der bereits in irisches Recht umgesetzten Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (ABl. 2005, L 309, S. 15), sei. Die Richtlinie 2015/849 stelle im Vergleich zu den Bestimmungen der Richtlinie 2005/60 eine bedeutsame Weiterentwicklung der Unionsvorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche dar, da sie u. a. den Anwendungsbereich der Vorschriften über die Bekämpfung der Geldwäsche dadurch erweitere, dass sie den Begriff „Verpflichtete“, die diesen Vorschriften unterlägen, in mehrfacher Hinsicht ausdehne. Sie sehe ausdrücklich vor, dass Steuerstraftaten in die Liste der wesentlichen Straftaten auf dem Gebiet der Geldwäsche aufgenommen würden, und erweitere die Definition der politisch exponierten Personen durch Einbeziehung von Inländern. Die Richtlinie 2015/849 habe ihren Ursprung in einer Aktualisierung des regulatorischen Umfelds im Bereich der Geldwäsche und spiegele diesen Kontext wider. Zudem habe Irland während des Vorverfahrens zu keinem Zeitpunkt die geringste nationale Maßnahme zur Umsetzung der Richtlinie 2005/60 im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2015/849 mitgeteilt und auch keine Entsprechungstabelle vorgelegt, die die Relevanz solcher nationalen Maßnahmen belege und den Zusammenhang zwischen diesen Maßnahmen und den Bestimmungen dieser Richtlinie erläutere.

17      Insoweit sei es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zum einen Sache der Mitgliedstaaten, eine positive Umsetzungsmaßnahme zu erlassen, wenn eine Richtlinie, wie die Richtlinie 2015/849 in ihrem Art. 67, den Mitgliedstaaten ausdrücklich aufgebe, dafür Sorge zu tragen, dass in den zur ihrer Umsetzung erforderlichen Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei ihrer amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug genommen werde. Zum anderen müssten die Bestimmungen einer Richtlinie in unzweifelhaft verbindlicher und so konkreter, bestimmter und klarer Weise umgesetzt werden, dass dem Erfordernis der Rechtssicherheit genügt werde, das, soweit die betreffende Richtlinie Rechte für Einzelne begründen solle, verlange, dass die Begünstigten in die Lage versetzt würden, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen. Im vorliegenden Fall seien diese Anforderungen bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 8. März 2018 gesetzten Frist jedoch nicht erfüllt gewesen.

18      Irland ist der Ansicht, dass die Klage der Kommission abzuweisen sei, da es den Verpflichtungen aus Art. 67 der Richtlinie 2015/849 seit dem 29. November 2018 nachgekommen sei. So sei mit dem Inkrafttreten des Criminal Justice (Money Laundering and Terrorist Financing) (Amendment) Act 2018 (Strafgesetz von 2018 [Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung] [Änderung], im Folgenden: Gesetz von 2018) am 26. November 2018 und dem Erlass der Criminal Justice (Money Laundering and Terrorist Financing) Act 2010 (Section 25) (Prescribed Class of Designated Person) Regulations 2018 (Verordnung von 2018 über das Strafgesetz von 2010 [Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung] [Section 25] [Vorgegebene Kategorie benannter Personen]) die vollständige Umsetzung der Richtlinie 2015/849 gewährleistet worden.

19      Gleichwohl macht Irland geltend, dass die Richtlinie 2015/849 zu einem großen Teil lediglich die Bestimmungen der dritten Richtlinie über die Geldwäsche, die Richtlinie 2005/60, mit Änderungen aktualisiere. Die ersten drei Geldwäscherichtlinien seien aber durch das nach wie vor geltende irische Recht umgesetzt worden, insbesondere durch den Criminal Justice (Money Laundering and Terrorist Financing) Act 2010 (Strafgesetz von 2010 [Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung], im Folgenden: Gesetz von 2010). Dieses Gesetz decke einen großen Teil der grundlegenden Anforderungen der Richtlinie 2015/849 ab, so dass das Gesetz von 2010 selbst ohne die durch das Gesetz von 2018 eingeführten Gesetzesänderungen bereits 122 Sections umfasse, von denen 85 die Verpflichteten und ihre Pflichten beträfen. Die große Anzahl bereits geltender Umsetzungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Reihe von Richtlinien über die Geldwäsche werde in der Klageschrift jedoch nicht widergespiegelt.

20      Ferner habe Irland der Kommission am 23. Februar 2017 die in Rn. 6 des vorliegenden Urteils genannte Verordnung von 2016 mitgeteilt. Diese Verordnung setze die durch die Richtlinie 2015/849 aufgestellte Verpflichtung um, die in dem betreffenden Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen und anderen juristischen Personen dazu zu verpflichten, geeignete, aktuelle und korrekte Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer einzuholen und entsprechende Aufzeichnungen zu führen. Die durch diese Verordnung eingeführten Bestimmungen stellten eine wichtige Maßnahme zur Umsetzung der Richtlinie 2015/849 dar.

21      Zu diesen Maßnahmen trete das Gesetz von 2018 hinzu, das Änderungen am Gesetz von 2010 vornehme. Der Erlass des Gesetzes von 2018 erfordere ein längeres Umsetzungsverfahren, um die Wirksamkeit der Bestimmungen der Richtlinie 2015/849 zu gewährleisten. Irland habe der Annahme des Gesetzesentwurfs zur Umsetzung dieser Richtlinie Priorität eingeräumt. Dieser Entwurf habe sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium des Gesetzgebungsverfahrens befunden, als die Kommission die vorliegende Klage erhoben habe.

22      Zudem seien für einige Bestimmungen der Richtlinie 2015/849 keine Umsetzungsmaßnahmen erforderlich.

23      Daher ist Irland, auch wenn es einräumt, dass einige Bestimmungen der Richtlinie 2015/849 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes von 2018 am 26. November 2018 nicht umgesetzt worden seien, zum einen der Ansicht, dass nicht geltend gemacht werden könne, wie es die Kommission tue, dass der größte Teil dieser Richtlinie zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage nicht in irisches Recht umgesetzt gewesen sei. Zum anderen habe Irland der Kommission die teilweise Umsetzung dieser Richtlinie vor Ablauf der in ihrem Art. 67 Abs. 1 genannten Frist mitgeteilt.

24      Zu den Lücken bei der Umsetzung der Richtlinie 2015/849, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes von 2018 am 26. November 2018 angeblich fortbestanden hätten, macht Irland in Bezug auf die Bestimmungen in Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 2, Abs. 2 und 7 sowie Art. 31 Abs. 1 bis 3 und 7 dieser Richtlinie geltend, es sei der Ansicht gewesen, dass die Frist für deren Umsetzung durch die Änderung von Art. 67 Abs. 1 dieser Richtlinie durch die Richtlinie 2018/843 verlängert worden sei. Jedenfalls seien einige dieser Bestimmungen bereits durch das Gesetz von 2010 ganz oder teilweise in nationales Recht umgesetzt worden.

25      Im Hinblick auf Art. 47 Abs. 2 der Richtlinie 2015/849 trägt Irland vor, dass mit dem Gesetz von 2018 Bestimmungen über die Eintragung von Scheckeinlösestellen eingeführt worden seien, es aber nicht für zweckmäßig erachtet worden sei, eine eigene Bestimmung über die Zuverlässigkeit und fachliche Eignung für Scheckeinlösestellen zu erlassen, da keine solche Stelle in seinem Hoheitsgebiet eingetragen sei.

26      Zu Art. 47 Abs. 3 der Richtlinie 2015/849 weist Irland darauf hin, dass es in der mit dem Gesetz von 2018 übermittelten Entsprechungstabelle den Umstand erwähnt habe, dass die betreffenden berufsständischen Einrichtungen ihre Mitglieder einer Kontrolle in Bezug auf strafrechtliche Verurteilungen unterzögen. In Bezug auf die in dieser Bestimmung genannten Einrichtungen stehe nämlich fest, dass alle Abschlussprüfer, Notare und selbständigen Angehörigen von rechtsberatenden Berufen Mitglieder der betreffenden berufsständischen Einrichtungen sein müssten und in dieser Eigenschaft einer Kontrolle in Bezug auf strafrechtliche Verurteilungen unterlägen. Deshalb sei die Einhaltung der sich aus Art. 47 Abs. 3 der Richtlinie 2015/849 ergebenden Verpflichtungen gewährleistet.

27      Hinsichtlich Art. 48 Abs. 5 bis 9 der Richtlinie 2015/849 bringt Irland vor, dass diese Bestimmungen keine Auferlegung besonderer Verpflichtungen in spezifischen gesetzlichen Bestimmungen verlangten. Sollten sich solche Verpflichtungen aus den Abs. 5 bis 8 dieses Artikels ergeben, habe Irland sie als akzessorische Nebenaufgaben im Verhältnis zu den in Section 63 des Gesetzes von 2010 festgelegten allgemeinen Aufgaben der zuständigen Behörden verstanden. Da die Bestimmungen von Art. 48 Abs. 9 der Richtlinie 2015/849 ihrem Wesen nach optional seien, sei für sie keine gesonderte Umsetzungsmaßnahme erforderlich.

28      Was Art. 61 Abs. 3 der Richtlinie 2015/849 betrifft, macht Irland geltend, dass Section 54 des Gesetzes von 2010 in der durch Section 26 des Gesetzes von 2018 geänderten Fassung Pflichten der in dieser Bestimmung genannten Personen enthalte. Der Schutz der Hinweisgeber, auf die die Kommission in ihrer Erwiderung Bezug nehme, werde seinerseits von den bestehenden nationalen Rechtsvorschriften, nämlich dem Protected Disclosures Act 2014 (Gesetz von 2014 über geschützte Offenlegungen), geregelt.

29      Die Umsetzung von Art. 62 Abs. 2 der Richtlinie 2015/849 werde durch die bestehenden Vorschriften gewährleistet, da die irische Zentralbank auf der Grundlage der von ihr im Jahr 2014 erlassenen Fitness and Probity Standards (Code issued under Section 50 of the Central Bank Reform Act 2010) (Standards betreffend Eignung und Redlichkeit [nach Section 50 des Gesetzes von 2010 über die Reform der Zentralbank erlassener Kodex]) administrative Sanktionen verhänge.

 Würdigung durch den Gerichtshof

30      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung aufgrund der Situation zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, und können spätere Veränderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden (Urteile vom 30. Januar 2002, Kommission/Griechenland, C‑103/00, EU:C:2002:60, Rn. 23, vom 18. Oktober 2018, Kommission/Rumänien, C‑301/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:846, Rn. 42, und vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 23).

31      Darüber hinaus hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Mitgliedstaaten in jedem Fall eine positive Maßnahme zur Umsetzung der betreffenden Richtlinie erlassen müssen, wenn eine Richtlinie ausdrücklich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten vorsieht, zu gewährleisten, dass in den zur Umsetzung dieser Richtlinie erforderlichen Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei ihrer amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug genommen wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. November 1997, Kommission/Deutschland, C‑137/96, EU:C:1997:566, Rn. 8, vom 18. Dezember 1997, Kommission/Spanien, C‑360/95, EU:C:1997:624, Rn. 13, und vom 11. Juni 2015, Kommission/Polen, C‑29/14, EU:C:2015:379, Rn. 49).

32      Im vorliegenden Fall hat die Kommission Irland am 8. März 2018 ihre mit Gründen versehene Stellungnahme übermittelt, so dass die darin gesetzte Frist von zwei Monaten am 8. Mai 2018 ablief. Ob die geltend gemachte Vertragsverletzung vorgelegen hat, ist daher anhand der zu diesem Zeitpunkt geltenden nationalen Rechtsvorschriften zu beurteilen (vgl. entsprechend Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Insoweit geht zum einen aus der Antwort Irlands vom 4. Mai 2018 hervor, dass zu diesem Zeitpunkt trotz des Erlasses einer nationalen Maßnahme zur Umsetzung von Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2015/849 eine vollständige Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht nicht erfolgt war. Es ist aber unstreitig, dass sich diese Situation am 8. Mai 2018 nicht verändert hatte, da die Maßnahmen, die selbst nach Ansicht Irlands erforderlich waren, um die vollständige Umsetzung der Richtlinie zu gewährleisten, der Kommission erst am 29. November 2018 mitgeteilt wurden.

34      Zum anderen steht fest, dass – abgesehen von der Maßnahme zur Gewährleistung der Umsetzung von Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2015/849 – die anderen nationalen Maßnahmen, die nach Ansicht Irlands bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 8. März 2018 gesetzten Frist in der Sache eine teilweise Umsetzung dieser Richtlinie gewährleisteten, der Kommission nicht nur nicht als solche mitgeteilt wurden, sondern darüber hinaus entgegen Art. 67 der Richtlinie 2015/849 keine Bezugnahme auf diese Richtlinie enthalten.

35      Folglich können die fraglichen Maßnahmen nicht als positive Umsetzungsmaßnahme im Sinne der in Rn. 31 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung angesehen werden.

36      Darüber hinaus genügt die Feststellung, dass die am 29. November 2018 sowie am 30. Januar, 27. März, 27. November und 3. Dezember 2019 mitgeteilten Maßnahmen lange nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 8. März 2018 gesetzten Frist erlassen worden und in Kraft getreten sind, so dass sie bei der Beurteilung des Vorliegens der vorgeworfenen Vertragsverletzung am Ende dieser Frist keinesfalls berücksichtigt werden können.

37      Daraus ist daher zu schließen, dass Irland bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 8. März 2018 gesetzten Frist weder alle zur Gewährleistung der Umsetzung der Richtlinie 2015/849 erforderlichen Maßnahmen erlassen noch somit diese Umsetzungsmaßnahmen der Kommission mitgeteilt hatte.

38      Daher ist festzustellen, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 67 der Richtlinie 2015/849 verstoßen hat, dass es bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 8. März 2018 gesetzten Frist nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hatte, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen, und der Kommission somit diese Maßnahmen auch nicht mitgeteilt hatte.

 Zur Vertragsverletzung im Sinne von Art. 260 Abs. 3 AEUV

 Zur Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV

–       Vorbringen der Parteien

39      Die Kommission trägt vor, Art. 260 Abs. 3 AEUV sei durch den Vertrag von Lissabon eingeführt worden, um die zuvor durch den Vertrag von Maastricht geschaffene Sanktionsregelung zu stärken. Angesichts der Neuartigkeit dieser Bestimmung und der Notwendigkeit, Transparenz und Rechtssicherheit zu wahren, habe sie die Mitteilung „Anwendung von Artikel 260 Absatz 3 AEUV“ (ABl. 2011, C 12, S. 1, im Folgenden: Mitteilung von 2011) angenommen.

40      Diese Bestimmung ziele darauf ab, die Mitgliedstaaten stärker dazu anzuhalten, die Richtlinien innerhalb der vom Unionsgesetzgeber festgelegten Fristen umzusetzen und die Anwendung der Rechtsvorschriften der Union zu gewährleisten.

41      Art. 260 Abs. 3 AEUV gelte sowohl dann, wenn gar keine Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie mitgeteilt würden, als auch dann, wenn dies nur teilweise geschehe.

42      Da in Art. 260 Abs. 3 AEUV davon die Rede sei, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtung verstoßen habe, „Maßnahmen zur Umsetzung einer … Richtlinie“ mitzuteilen, finde diese Bestimmung überdies nicht nur dann Anwendung, wenn keine nationalen Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie mitgeteilt würden, sondern auch dann, wenn keine solchen Maßnahmen erlassen worden seien. Eine rein formalistische Auslegung der Bestimmung, wonach sie nur die effektive Notifizierung nationaler Maßnahmen sicherstellen solle, gewährleiste keine sachgerechte Umsetzung aller Bestimmungen der betreffenden Richtlinie und nehme der Pflicht zur Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht jede praktische Wirksamkeit.

43      Im vorliegenden Fall gehe es gerade darum, das Verhalten Irlands zu ahnden, das darin bestehe, dass es nicht alle Rechtsvorschriften, die erforderlich seien, um die Umsetzung der Richtlinie 2015/849 in nationales Recht sicherzustellen, erlassen und veröffentlicht habe und sie somit der Kommission auch nicht mitgeteilt habe.

44      Zu den Argumenten, die Irland vorbringt, um die Anwendbarkeit von Art. 260 Abs. 3 AEUV auf den vorliegenden Fall in Abrede zu stellen, führt die Kommission zunächst aus, dass diese Bestimmung einen spezifischen Anwendungsbereich habe und nicht als Ausnahme von einer allgemeinen Regel konzipiert sei, so dass sie nicht eng auszulegen sei. Der rechtzeitigen Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht komme grundlegende Bedeutung zu, und diese Bestimmung bezwecke gerade, die Einhaltung der Umsetzungsfrist für Richtlinien durchzusetzen.

45      Sodann könne der Begriff „vollständige Umsetzung“ klar vom Begriff „ordnungsgemäße Umsetzung“ unterschieden werden. Wenn die Kommission Versäumnisse bei der Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht feststelle, bedeute dies keineswegs, dass sie die Vereinbarkeit der bestehenden nationalen Vorschriften mit der Richtlinie überprüft habe. Dies gelte umso mehr, wenn der säumige Mitgliedstaat, wie im vorliegenden Fall, selbst einräume, dass die Umsetzung der Richtlinie in sein nationales Recht teilweise noch ausstehe. Zudem sei in Anbetracht des Ziels von Art. 260 Abs. 3 AEUV, wie es vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien (Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze) (C‑543/17, EU:C:2019:573), konkretisiert worden sei, die Anwendung dieser Bestimmung nicht allein auf die Fälle beschränkt, in denen die Umsetzung gänzlich unterblieben sei.

46      Die Kommission weist außerdem das Vorbringen zurück, wonach sie im vorliegenden Fall unverhältnismäßig gehandelt habe, indem sie finanzielle Sanktionen vorgeschlagen habe, und gegen ihre sich aus der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV ergebenden Verpflichtungen verstoßen habe. Sie habe nie bestritten, dass Irland in gutem Glauben gehandelt und loyal kooperiert habe. Im Übrigen sei die Anwendbarkeit von Art. 260 Abs. 3 AEUV nicht im Licht des guten Glaubens des betreffenden Mitgliedstaats zu prüfen, da feststehe, dass Irland mit dem Erlass des wichtigsten Instruments des nationalen Rechts, das es gewählt habe, um den meisten Bestimmungen der Richtlinie 2015/849 nachzukommen, nämlich dem Gesetz von 2018, in Verzug geraten sei. Dieser Ansatz sei umso mehr geboten, als das Ziel von Art. 260 Abs. 3 AEUV gerade darin bestehe, die Mitgliedstaaten anzuhalten, alle Bestimmungen einer Richtlinie rechtzeitig umzusetzen. Es sei nicht zu befürchten, dass die Mitgliedstaaten der Einhaltung der Frist für die Umsetzung der Richtlinien zulasten der Qualität dieser Umsetzung Vorrang einräumten, da der Unionsgesetzgeber die Fristen vorgesehen habe, die erforderlich seien, um eine qualitativ hochstehende Umsetzung zu gewährleisten, und diese Parameter bei der Wahl des in den Richtlinien festgelegten Zeitpunkts für die Umsetzung berücksichtigt habe. Zudem habe der Gerichtshof entschieden, dass für den betreffenden Mitgliedstaat, wenn sich die Frist, in der eine Richtlinie durchzuführen sei, als zu kurz erweise, nach dem Unionsrecht nur die Möglichkeit bestehe, die geeigneten Schritte zu unternehmen, um das zuständige Organ zu einer eventuellen Verlängerung der Frist zu bewegen.

47      Schließlich fügt die Kommission hinzu, dass ihre Entscheidung, systematisch die Verhängung einer finanziellen Sanktion nach Art. 260 Abs. 3 AEUV zu beantragen, nicht dahin verstanden werden könne, dass sie ihr Ermessen nicht ausgeübt habe. In Ziff. 16 der Mitteilung von 2011 habe sie nämlich ausdrücklich berücksichtigt, dass ihr durch Art. 260 Abs. 3 AEUV ein breiter Ermessensspielraum eingeräumt werde, vergleichbar mit der Ermessensbefugnis, ein Vertragsverletzungsverfahren im Sinne von Art. 258 AEUV einzuleiten oder dies nicht zu tun. So sei die politische Entscheidung, in allen Rechtssachen, die Verstöße im Sinne dieser Bestimmung beträfen, grundsätzlich auf das in Art. 260 Abs. 3 AEUV vorgesehene Instrument zurückzugreifen, in Ausübung ihres Ermessens getroffen worden. Die Kommission schließt zwar nicht aus, dass Sonderfälle auftreten könnten, in denen ihr ein Antrag auf Sanktionen nach dieser Bestimmung unangemessen erscheine; vorliegend sei dies jedoch nicht der Fall.

48      In diesem Zusammenhang tritt die Kommission dem Vorbringen Irlands und der als Streithelfer beigetretenen Mitgliedstaaten entgegen, dass sie ihren Antrag auf Verhängung einer finanziellen Sanktion gegen einen Mitgliedstaat auf das Verhalten anderer Mitgliedstaaten stütze. Vielmehr achte sie nach der angewandten Berechnungsmethode darauf, Sanktionen vorzuschlagen, die an einen bestimmten Verstoß angepasst seien. Der Umstand, dass sie einen allgemeinen Rahmen geschaffen habe, der es ihr ermögliche, ihre Methode in nicht diskriminierender Weise auf jeden Einzelfall anzuwenden, könne dieses Ergebnis nicht beeinträchtigen.

49      Irland räumt zwar ein, die Richtlinie 2015/849 bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist nur teilweise umgesetzt zu haben, beanstandet aber die Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV im vorliegenden Fall.

50      Dieser Mitgliedstaat stützt seine Auffassung insbesondere darauf, dass er die Richtlinie 2015/849 seit dem 29. November 2018 vollständig umgesetzt habe, während nach Ansicht der Kommission die Umsetzung dieser Richtlinie in irisches Recht erst ab dem 3. Dezember 2019 vollständig gewährleistet gewesen sei. Das Vorbringen der Kommission betreffend den Zeitraum nach dem 29. November 2018 beruhe auf einer qualitativen Analyse der Umsetzung der Richtlinie 2015/849, was beweise, dass es schwierig sei, zwischen einer „vollständigen Umsetzung“ und einer „unzureichenden Umsetzung“ einer Richtlinie zu unterscheiden. In einem solchen Fall könne ein Mitgliedstaat nicht wissen, ob eine bestimmte Vertragsverletzung in den Anwendungsbereich von Art. 260 Abs. 3 AEUV falle oder nicht und, sollte dies der Fall sein, während welchen Zeitraums diese Vertragsverletzung fortbestanden habe. Selbst wenn es im vorliegenden Fall nach dem 26. November 2018 noch Lücken bei der Umsetzung der Richtlinie 2015/849 gegeben haben sollte, was Irland bestreite, wären diese einer fehlerhaften Auslegung bestimmter ihm obliegenden Verpflichtungen durch Irland, einer Unachtsamkeit oder einer unrichtig ausgefüllten Entsprechungstabelle zuzuschreiben. Würde man sich, wie die Kommission es tue, auf Art. 260 Abs. 3 AEUV stützen, um angebliche geringfügige Mängel bei der Prima-facie-Beurteilung der Irland obliegenden Verpflichtungen zu ahnden, liefe dies jedoch dem Ziel dieser Bestimmung zuwider.

51      Außerdem müsse die Anwendbarkeit von Art. 260 Abs. 3 AEUV in jedem Einzelfall und unter Berücksichtigung des guten Glaubens des betreffenden Mitgliedstaats beurteilt werden. Daraus, dass die der Kommission durch Art. 260 Abs. 3 AEUV eingeräumte Befugnis ihrem Wesen nach eine Ermessensbefugnis darstelle, sei zu schließen, dass die allgemeine Politik der Kommission, wie sie in der ihrer Mitteilung „[Recht der Europäischen Union]: Bessere Ergebnisse durch bessere Anwendung“ (ABl. 2017, C 18, S. 10) beschrieben sei und die darin bestehe, systematisch die Verhängung von Pauschalbeträgen und Zwangsgeldern zu verlangen, mit dem Ziel dieser Bestimmung nicht im Einklang stehe. Darüber hinaus erlaube es diese Politik nicht, die von den Mitgliedstaaten in gutem Glauben unternommenen Anstrengungen zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall sei die Kommission über die Fortschritte bei der Umsetzung der Richtlinie 2015/849 und den Zeitplan für den Erlass der Maßnahmen zu ihrer Umsetzung informiert gewesen. Unter diesen Umständen könne die Verhängung eines Pauschalbetrags wahrscheinlich keine abschreckende Wirkung zur Wahrung der von der Kommission genannten „mit dem Unionsrecht verfolgten allgemeinen Interessen“ erzielen, sondern könnte im Gegenteil die Mitgliedstaaten ermuntern, Abstriche bei der Qualität der Umsetzung der Richtlinien zugunsten deren rechtzeitiger Umsetzung zu dulden. Der Ansatz der Kommission verstoße daher gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV aufgestellten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er sei auch nicht mit der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit vereinbar, die der Kommission nach Art. 4 Abs. 3 EUV obliege. Die Entscheidung der Kommission, systematisch die Zahlung eines Pauschalbetrags zu verlangen, ohne diesen Antrag in jedem Einzelfall zu begründen, stehe darüber hinaus im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die Verhängung eines Pauschalbetrags nicht automatisch erfolgen dürfe und nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden sei. Im vorliegenden Fall bestehe das Ziel der Kommission jedoch darin, an Irland ein Exempel zu statuieren und so die anderen Mitgliedstaaten in Zukunft zur Einhaltung der in den Richtlinien vorgesehenen Umsetzungsfristen zu veranlassen. Dies sei ungerecht und illegitim. Das Verhalten der Kommission beruhe überdies auf der Annahme, dass die Mitgliedstaaten versuchten, die Umsetzung der Richtlinien hinauszuzögern, was tatsächlich auf die Vermutung der Böswilligkeit der Mitgliedstaaten hinauslaufe. Eine solche Vermutung stünde aber im Widerspruch zu der in Art. 4 Abs. 3 EUV vorgesehenen Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit.

52      Die Republik Estland und die Französische Republik machen insbesondere geltend, der vorliegende Fall zeige, wie schwierig es für einen Mitgliedstaat sei, zwischen einer unvollständigen und einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung einer Richtlinie zu unterscheiden. Somit befänden sich die Mitgliedstaaten in einer äußerst schwierigen Situation, da sie, folgte man dem von der Kommission befürworteten Ansatz, nie sicher sein könnten, ob die Kommission nicht in Erwägung ziehe, die Verhängung einer finanziellen Sanktion gegen sie zu beantragen.

53      Darüber hinaus kann Art. 260 Abs. 3 AEUV nach Ansicht dieser Streithelferinnen im vorliegenden Fall keine Anwendung finden, da die Kommission ihre Entscheidung, die Verhängung eines Pauschalbetrags zu beantragen, nicht substantiiert begründet habe. Eine solche Entscheidung müsse aber nach der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs in Bezug auf die besonderen Umstände der jeweiligen Rechtssache besonders gerechtfertigt werden. Die Kommission könne sich nicht darauf beschränken, grundsätzlich auf das in Art. 260 Abs. 3 AEUV vorgesehene Instrument zurückzugreifen, ohne gegen diese Bestimmung zu verstoßen. Außerdem sei eine eingehende Prüfung der Umstände jedes Falles durch die Kommission vorzunehmen, da diese erforderlich seien, um die Art der finanziellen Sanktion zu bestimmen, die zu verhängen sei, um den betreffenden Mitgliedstaat zu veranlassen, die fragliche Vertragsverletzung zu beenden, und um einen Betrag festzusetzen, der den Umständen des Einzelfalls angemessen sei, wie es diese Rechtsprechung verlange.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

54      Nach Art. 260 Abs. 3 Unterabs. 1 AEUV kann die Kommission, wenn sie beim Gerichtshof Klage nach Art. 258 AEUV erhebt, weil sie der Auffassung ist, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, Maßnahmen zur Umsetzung einer gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen Richtlinie mitzuteilen, die von ihr den Umständen nach für angemessen erachtete Höhe des von dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds benennen, sofern sie dies für zweckmäßig hält. Nach Art. 260 Abs. 3 Unterabs. 2 AEUV kann der Gerichtshof, wenn er einen Verstoß feststellt, gegen den betreffenden Mitgliedstaat die Zahlung eines Pauschalbetrags oder eines Zwangsgelds bis zur Höhe des von der Kommission genannten Betrags verhängen, wobei die Zahlungsverpflichtung ab dem vom Gerichtshof in seinem Urteil festgelegten Zeitpunkt gilt.

55      Zur Tragweite von Art. 260 Abs. 3 AEUV hat der Gerichtshof entschieden, dass einer Auslegung dieser Bestimmung zu folgen ist, die es zum einen ermöglicht, sowohl die Befugnisse zu gewährleisten, über die die Kommission verfügt, um die wirksame Anwendung des Unionsrechts sicherzustellen, als auch die Verteidigungsrechte und die Verfahrensstellung zu schützen, die den Mitgliedstaaten nach Art. 258 AEUV in Verbindung mit Art. 260 Abs. 2 AEUV zustehen, und zum anderen den Gerichtshof in die Lage versetzt, seine Rechtsprechungsfunktion ausüben zu können, die darin besteht, im Rahmen nur eines Verfahrens zu beurteilen, ob der betreffende Mitgliedstaat seinen Pflichten betreffend die Mitteilung von Maßnahmen zur Umsetzung der betreffenden Richtlinie nachgekommen ist, und gegebenenfalls die Schwere der dabei festgestellten Pflichtverletzung zu bewerten und die ihm unter den Umständen des Einzelfalls am geeignetsten erscheinende finanzielle Sanktion zu verhängen (Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 58).

56      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof die Wortfolge „Verpflichtung …, Maßnahmen zur Umsetzung … mitzuteilen“ in Art. 260 Abs. 3 AEUV dahin ausgelegt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, hinreichend klare und genaue Informationen über die Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie mitzuteilen. Um den Erfordernissen der Rechtssicherheit zu genügen und zu gewährleisten, dass alle Bestimmungen der Richtlinie im gesamten Hoheitsgebiet umgesetzt werden, müssen die Mitgliedstaaten für jede Bestimmung der Richtlinie angeben, welche nationale Vorschrift oder nationalen Vorschriften ihre Umsetzung sicherstellen. Sobald diese Mitteilung, gegebenenfalls unter Beifügung einer Entsprechungstabelle, erfolgt ist, obliegt es der Kommission, im Hinblick auf einen Antrag, gegen den betreffenden Mitgliedstaat die in Art. 260 Abs. 3 AEUV vorgesehene finanzielle Sanktion zu verhängen, nachzuweisen, dass bestimmte Umsetzungsmaßnahmen offensichtlich unterblieben sind oder sich nicht auf das gesamte Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats erstrecken; es ist nicht Sache des Gerichtshofs, im Rahmen des in Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens zu prüfen, ob die der Kommission mitgeteilten nationalen Maßnahmen eine ordnungsgemäße Umsetzung der Bestimmungen der fraglichen Richtlinie gewährleisten (Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 59).

57      Da, wie sich aus den Rn. 37 und 38 des vorliegenden Urteils ergibt, feststeht, dass Irland der Kommission bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 8. März 2018 gesetzten Frist nicht alle Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2015/849 im Sinne von Art. 260 Abs. 3 AEUV mitgeteilt hatte, fällt die so festgestellte Vertragsverletzung in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung.

58      Zur Frage, ob die Kommission, wie Irland und die Irland als Streithelfer unterstützenden Mitgliedstaaten geltend machen, ihre Entscheidung, eine finanzielle Sanktion nach Art. 260 Abs. 3 AEUV zu beantragen, in jedem Einzelfall begründen muss oder ob sie dies in allen Fällen, die im Anwendungsbereich dieser Bestimmung liegen, ohne Begründung tun kann, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission als Hüterin der Verträge nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EUV über einen Ermessensspielraum verfügt, um eine solche Entscheidung zu treffen.

59      Die Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV kann nämlich nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss mit der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 258 AEUV in Verbindung gebracht werden. Da der Antrag auf Verurteilung zu einer finanziellen Sanktion gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV nur ein Nebenverfahren zum Vertragsverletzungsverfahren ist, dessen Wirksamkeit es gewährleisten soll, und die Kommission hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Einleitung eines solchen Verfahrens über ein Ermessen verfügt, über das der Gerichtshof keine gerichtliche Kontrolle ausüben kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Februar 1989, Star Fruit/Kommission, 247/87, EU:C:1989:58, Rn. 11, vom 6. Juli 2000, Kommission/Belgien, C‑236/99, EU:C:2000:374, Rn. 28, und vom 26. Juni 2001, Kommission/Portugal, C‑70/99, EU:C:2001:355, Rn. 17), können die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung nicht strenger sein als diejenigen, die für die Durchführung von Art. 258 AEUV gelten.

60      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 260 Abs. 3 AEUV nur der Gerichtshof befugt ist, gegen einen Mitgliedstaat eine finanzielle Sanktion zu verhängen. Erlässt der Gerichtshof eine solche Entscheidung nach einer kontradiktorischen Erörterung, muss er diese begründen. Dass die Kommission ihre Entscheidung, beim Gerichtshof die Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV zu beantragen, nicht begründet, lässt daher die Verfahrensgarantien des betreffenden Mitgliedstaats unberührt.

61      Zudem entbindet der Umstand, dass die Kommission ihre Entscheidung, eine finanzielle Sanktion nach Art. 260 Abs. 3 AEUV zu beantragen, nicht in jedem Einzelfall begründen muss, dieses Organ nicht von der Pflicht, die Art und Höhe der beantragten finanziellen Sanktion zu begründen und dabei die von ihr erlassenen Leitlinien, wie sie in ihren Mitteilungen enthalten sind, zu berücksichtigen; diese binden zwar den Gerichtshof nicht, tragen jedoch dazu bei, Transparenz, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit des Vorgehens der Kommission zu gewährleisten (vgl. entsprechend, zu Art. 260 Abs. 2 AEUV, Urteil vom 30. Mai 2013, Kommission/Schweden, C‑270/11, EU:C:2013:339, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Das Erfordernis der Begründung von Art und Höhe der beantragten finanziellen Sanktion ist umso wichtiger, als Art. 260 Abs. 3 AEUV im Unterschied zu Art. 260 Abs. 2 AEUV vorsieht, dass der Gerichtshof im Rahmen eines nach dieser Bestimmung eingeleiteten Verfahrens nur über ein begrenztes Ermessen verfügt, da im Fall der Feststellung einer Vertragsverletzung durch den Gerichtshof dieser hinsichtlich der Art und des Höchstbetrags der finanziellen Sanktion, die er verhängen kann, an die Vorschläge der Kommission gebunden ist.

63      Die Verfasser von Art. 260 Abs. 3 AEUV haben nämlich nicht nur vorgesehen, dass es Sache der Kommission ist, „die Höhe des von dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds“ zu benennen, sondern auch klargestellt, dass der Gerichtshof eine finanzielle Sanktion nur „bis zur Höhe des von der Kommission genannten Betrags“ verhängen kann. Somit haben sie eine unmittelbare Korrelation zwischen der von der Kommission geforderten Sanktion und der Sanktion hergestellt, die vom Gerichtshof nach dieser Bestimmung verhängt werden kann.

64      Auch das Vorbringen, wonach die Verhängung eines Pauschalbetrags entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. u. a. Urteil vom 9. Dezember 2008, Kommission/Frankreich, C‑121/07, EU:C:2008:695, Rn. 63), nicht im Wege eines Automatismus erfolgen dürfe, kann sich nicht auf die Befugnis der Kommission auswirken, grundsätzlich in allen Fällen, in denen sie der Ansicht ist, dass eine Vertragsverletzung in den Anwendungsbereich von Art. 260 Abs. 3 AEUV fällt, ein Verfahren nach dieser Bestimmung einzuleiten. Diese Rechtsprechung betrifft nämlich die Beurteilung der Begründetheit einer Klage der Kommission, die auf eine „Verurteilung“ zur Zahlung einer finanziellen Sanktion durch den Gerichtshof gerichtet ist, und nicht die Zweckmäßigkeit der Erhebung einer solchen Klage.

65      Was das Vorbringen Irlands betrifft, wonach die Klage der Kommission darauf gerichtet sei, an Irland und Rumänien ein Exempel zu statuieren, um die anderen Mitgliedstaaten zur Einhaltung der in den Richtlinien vorgesehenen Umsetzungsfristen zu veranlassen, ist festzustellen, dass, wie die Kommission ausgeführt hat, ohne das ihr in diesem Punkt widersprochen worden wäre, Irland zusammen mit Rumänien der einzige Mitgliedstaat war, der zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage die Richtlinie 2015/849 nicht vollständig umgesetzt hatte. Zudem können jedenfalls die Erwägungen, die die Kommission dazu veranlasst haben, das vorliegende Verfahren gegen Irland einzuleiten und dies zu dem von ihr gewählten Zeitpunkt zu tun, die Anwendbarkeit von Art. 260 Abs. 3 AEUV oder die Zulässigkeit der nach dieser Bestimmung erhobenen Klage nicht berühren.

66      Daher ist festzustellen, dass Art. 260 Abs. 3 AEUV auf eine Situation wie die im vorliegenden Fall in Rede stehende anwendbar ist.

 Zur Verhängung eines Pauschalbetrags im vorliegenden Fall

–       Vorbringen der Parteien

67      Zur Höhe der zu verhängenden finanziellen Sanktion vertritt die Kommission im Einklang mit dem in Ziff. 23 der Mitteilung von 2011 wiedergegebenen Standpunkt die Auffassung, dass die in Art. 260 Abs. 3 AEUV genannten Modalitäten für die Berechnung der Sanktionen die gleichen sein müssten wie die, die im Rahmen des in Art. 260 Abs. 2 AEUV festgelegten Verfahrens angewandt würden, da ein Verstoß gegen die Verpflichtung, Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie mitzuteilen, nicht weniger schwerwiegend sei als ein Verstoß, der Gegenstand der in Art. 260 Abs. 2 AEUV genannten Sanktionen sein könne.

68      Im vorliegenden Fall beantragt die Kommission die Verhängung eines Pauschalbetrags, dessen Höhe nach den in ihrer Mitteilung vom 13. Dezember 2005 („Anwendung von Artikel [260 AEUV]“) (SEK[2005] 1658), in der durch die Mitteilung vom 13. Dezember 2017 („Aktualisierung der Daten für die Berechnung der Pauschalbeträge und Zwangsgelder, die die Kommission dem Gerichtshof bei Vertragsverletzungsverfahren vorschlägt“ [C(2017) 8720]) aktualisierten Fassung enthaltenen Leitlinien berechnet wird und dessen Mindestpauschalbetrag für Irland 1 685 000 Euro beträgt. Dieser Mindestpauschalbetrag fände jedoch im vorliegenden Fall keine Anwendung, sofern er niedriger sei als der Betrag, der sich aus der Berechnung des Pauschalbetrags gemäß diesen Mitteilungen ergebe. Um den Tagessatz festzusetzen, der dieser Berechnung zugrunde liege, sei der einheitliche Grundbetrag, nämlich 230 Euro, mit dem Schwerekoeffizienten und mit dem für Irland 2,92 betragenden Faktor „n“ zu multiplizieren. Der Schwerekoeffizient habe sich nach unten entwickelt, wenn Irland weitere Umsetzungsmaßnahmen mitgeteilt habe. So habe der Schwerekoeffizient für den Zeitraum vom 27. Juni 2017 bis zum 28. November 2018 auf einer Skala von 1 bis 20 den Wert 7; für den Zeitraum vom 29. November 2018 bis zum 26. März 2019 betrage dieser Koeffizient 2 und für den Zeitraum vom 27. März bis 2. Dezember 2019 sei sein Wert 1. Die Addition der drei diesen Zeiträumen entsprechenden Beträge, nämlich 2 439 922,80 Euro, 158 497,60 Euro und 168 571,60 Euro, veranlasse die Kommission, die Verhängung eines Pauschalbetrags von insgesamt 2 766 992 Euro zu beantragen.

69      Die Kommission bestreitet im Übrigen, dass die Verhängung eines Pauschalbetrags eine Ausnahme darstelle und nur unter außergewöhnlichen Umständen geboten sei. Die verspätete Umsetzung von Richtlinien beeinträchtige nämlich nicht nur die Wahrung der mit dem Unionsrecht verfolgten allgemeinen Interessen, die keine Verzögerung dulden könnten, sondern auch und vor allem den Schutz der europäischen Bürger, die aus diesen Rechtsvorschriften subjektive Rechte herleiteten. Darüber hinaus wäre die Glaubwürdigkeit des Unionsrechts insgesamt gefährdet, wenn Gesetzgebungsakte viele Jahre brauchten, um ihre volle Rechtswirkung in den Mitgliedstaaten zu entfalten. Folglich stellten Verzögerungen bei der Umsetzung von Richtlinien besondere Umstände dar, die hinreichend schwerwiegend seien, um die Verhängung eines Pauschalbetrags zu rechtfertigten.

70      Irland ist hinsichtlich der Höhe des Pauschalbetrags, dessen Zahlung die Kommission verlangt, der Ansicht, dass der Gerichtshof, wie in Bezug auf Art. 260 Abs. 2 AEUV entschieden worden sei, an die Leitlinien der Kommission und insbesondere an den für Irland auf 1 685 000 Euro festgesetzten Mindestpauschalbetrag nicht gebunden sei. Außerdem könne der Gerichtshof die Zahlung eines Pauschalbetrags als nicht erforderlich ansehen, wenn die in Rede stehende Vertragsverletzung vor Verkündung seines Urteils in der diese Vertragsverletzung betreffenden Rechtssache beendet worden sei. Außerdem dürfe im vorliegenden Fall kein Pauschalbetrag verhängt werden. Ferner gebe es keinen Grund, die Methode zur Berechnung der nach Art. 260 Abs. 2 AEUV verhängten finanziellen Sanktionen auf die nach Art. 260 Abs. 3 AEUV verhängten finanziellen Sanktionen zu übertragen, da die Schwere der Verfehlungen, um deren Ahndung es gehe, nicht dieselbe sei.

71      Darüber hinaus könne der Tag nach dem in der Richtlinie 2015/849 vorgesehenen Stichtag für die Umsetzung, also dem 27. Juni 2017, kein geeigneter Ausgangspunkt für die Bemessung der Dauer der in Rede stehenden Vertragsverletzung sein, da Irland zu diesem Zeitpunkt nicht habe wissen können, dass diese Vertragsverletzung in den Anwendungsbereich von Art. 260 Abs. 3 AEUV falle und die Kommission eine Politik der systematischen Anwendung dieser Bestimmung verfolgen werde. Zudem verstoße es gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, wenn der Pauschalbetrag unter Bezugnahme auf einen Tagessatz berechnet werde, und dabei der von der Kommission vorgeschlagene Mindestpauschalbetrag überschritten würde. Das Ende der Vertragsverletzung liege am 29. November 2018 und nicht, wie die Kommission behaupte, am 3. Dezember 2019. Zu dem erstgenannten Zeitpunkt seien nämlich alle Bestimmungen der Richtlinie 2015/849, die umzusetzen gewesen seien, vollständig in nationales Recht umgesetzt gewesen. Sollte der Gerichtshof trotz des Umstands, dass die in Rede stehende Vertragsverletzung am Tag der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof beendet gewesen sei, dennoch entscheiden, gegen Irland einen Pauschalbetrag zu verhängen, müsse diese finanzielle Sanktion minimal sein.

72      Zum Schwerekoeffizienten bringt Irland vor, dass der von der Kommission vorgeschlagene Koeffizient in Anbetracht der Bedeutung der Unionsvorschriften, die Gegenstand des in Rede stehenden Verstoßes seien, der geringen Folgen der Nichtumsetzung der Richtlinie 2015/849 für allgemeine oder private Interessen und angesichts mildernder Umstände deutlich zu hoch sei. So solle dieser Koeffizient im vorliegenden Fall auf den Wert 1 herabgesetzt werden. Zu den mildernden Umständen zähle insbesondere, dass das Gesetz von 2018 während des Verfahrens in Kraft getreten sei, dass eine Umsetzung durch die Primärgesetzgebung an die Tragfähigkeit der in den geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Durchführungsmaßnahmen geknüpft sei, dass Irland der Annahme des Gesetzentwurfs durch die beiden Kammern des Parlaments Priorität eingeräumt habe, dass Irland die Kommission fortlaufend über die Fortschritte des Gesetzgebungsverfahrens unterrichtet und den indikativen Zeitplan eingehalten habe, der der Kommission vor Erhebung der vorliegenden Klage übermittelt worden sei.

73      Nach Ansicht der Republik Estland und der Französischen Republik ist der von der Kommission vorgeschlagene Pauschalbetrag vorliegend in jedem Fall herabzusetzen.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

74      Was als Erstes das Vorbringen betrifft, wonach es unverhältnismäßig sei, einen Pauschalbetrag zu verhängen, da Irland die in Rede stehende Vertragsverletzung während des Verfahrens beendet habe, ist darauf hinzuweisen, dass zum einen die Verletzung der Verpflichtung zur Mitteilung der Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie durch einen Mitgliedstaat – sei es, dass Informationen ganz oder teilweise fehlen, sei es, dass eine Information nicht hinreichend klar und genau ist – als solche die Einleitung des Verfahrens zur Feststellung der Vertragsverletzung nach Art. 258 AEUV rechtfertigen kann (Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 51). Zum anderen wurde mit der Einführung des in Art. 260 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Mechanismus nicht nur das Ziel verfolgt, die Mitgliedstaaten dazu anzuhalten, innerhalb kürzester Zeit eine Vertragsverletzung zu beenden, die ohne eine solche Maßnahme vermutlich fortbestanden hätte, sondern auch das Ziel, das Verfahren zur Verhängung finanzieller Sanktionen bei Verletzungen der Pflicht, eine nationale Maßnahme zur Umsetzung einer gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen Richtlinie mitzuteilen, zu vereinfachen und zu beschleunigen, wobei vor der Einführung dieses Mechanismus eine finanzielle Sanktion gegen Mitgliedstaaten, die einem früheren Urteil des Gerichtshofs nicht fristgerecht nachgekommen waren und ihre Umsetzungspflicht missachtet hatten, womöglich erst mehrere Jahre nach dem genannten Urteil verhängt wurde (Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 52).

75      Die Verfasser von Art. 260 Abs. 3 AEUV haben zur Erreichung des mit dieser Bestimmung verfolgten Ziels zwei Arten finanzieller Sanktionen vorgesehen, nämlich den Pauschalbetrag und das Zwangsgeld.

76      Insoweit geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die Frage, ob die eine oder die andere dieser beiden Maßnahmen angewandt wird, von ihrer Eignung zur Erfüllung des verfolgten Zweckes nach Maßgabe der Umstände des konkreten Falles abhängt. Während die Verhängung eines Zwangsgelds besonders geeignet erscheint, um einen Mitgliedstaat zu veranlassen, eine Vertragsverletzung, die ohne eine solche Maßnahme die Tendenz hätte, fortzubestehen, so schnell wie möglich zu beenden, beruht die Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags eher auf der Beurteilung der Folgen einer Nichterfüllung der Verpflichtungen des betreffenden Mitgliedstaats für die privaten und öffentlichen Interessen, insbesondere wenn die Vertragsverletzung lange Zeit fortbestanden hat (vgl. entsprechend, zu Art. 260 Abs. 2 AEUV, Urteil vom 12. Juli 2005, Kommission/Frankreich, C‑304/02, EU:C:2005:444, Rn. 81).

77      Vor diesem Hintergrund kann eine Klage, mit der wie im vorliegenden Fall die Verhängung eines Pauschalbetrags beantragt wird, nicht allein deshalb als unverhältnismäßig abgewiesen werden, weil sie eine Vertragsverletzung zum Gegenstand hat, die zwar zeitlich fortbestanden hat, aber zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof beendet war.

78      Als Zweites ist hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Verhängung einer finanziellen Sanktion im vorliegenden Fall festzustellen, dass es Sache des Gerichtshofs ist, in jeder Rechtssache anhand der Umstände des Einzelfalls, mit dem er befasst ist, sowie nach Maßgabe des ihm erforderlich erscheinenden Grades an Überzeugungs- und Abschreckungswirkung die angemessenen finanziellen Sanktionen zu bestimmen, um insbesondere die Wiederholung ähnlicher Verstöße gegen das Unionsrecht zu verhindern (Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 78).

79      Im vorliegenden Fall deuten trotz des Umstands, dass Irland während des gesamten Vorverfahrens mit den Dienststellen der Kommission kooperiert und diese fortlaufend über den Fortschritt bei der Umsetzung der Richtlinie 2015/849 informiert hat, alle rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte der festgestellten Vertragsverletzung, nämlich, dass zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage eine einzige Umsetzungsmaßnahme, die nur die Bestimmungen in Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie abdeckte, mitgeteilt war und dass die letzten Maßnahmen zu deren Umsetzung eine Woche vor der mündlichen Verhandlung in Kraft getreten sind, darauf hin, dass die wirksame Verhinderung einer zukünftigen Wiederholung entsprechender Verstöße gegen das Unionsrecht den Erlass einer abschreckenden Maßnahme wie der Verhängung eines Pauschalbetrags erfordern kann (vgl. in diesem Sinne entsprechend, zu Art. 260 Abs. 2 AEUV, Urteile vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, C‑610/10, EU:C:2012:781, Rn. 142, und vom 4. Dezember 2014, Kommission/Schweden, C‑243/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2413, Rn. 63).

80      Dieses Ergebnis wird durch das in Rn. 65 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Vorbringen nicht in Frage gestellt. Wie in dieser Randnummer ausgeführt worden ist, ist es nämlich Sache der Kommission, u. a. zu beurteilen, ob ein Einschreiten gegen einen Mitgliedstaat zweckmäßig ist, und den Zeitpunkt für die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens zu wählen.

81      Als Drittes ist zur Berechnung des Pauschalbetrags, dessen Verhängung im vorliegenden Fall angemessen ist, darauf hinzuweisen, dass es Sache des Gerichtshofs ist, in Ausübung seines diesbezüglichen Ermessens innerhalb des Rahmens der Vorschläge der Kommission den Pauschalbetrag, zu dessen Zahlung ein Mitgliedstaat gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV verurteilt werden kann, so festzusetzen, dass er zum einen den Umständen angepasst ist und zum anderen in angemessenem Verhältnis zu dem begangenen Verstoß steht. Zu den insoweit relevanten Faktoren zählen u. a. Aspekte wie die Schwere der festgestellten Vertragsverletzung, der Zeitraum, in dem sie fortbestanden hat und die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaats (vgl. entsprechend, zu Art. 260 Abs. 2 AEUV, Urteil vom 12. November 2019, Kommission/Irland [Windfarm Derrybrien], C‑261/18, EU:C:2019:955, Rn. 114 und die dort angeführte Rechtsprechung).

82      Was erstens die Schwere des Verstoßes betrifft, ist festzustellen, dass die Pflicht, nationale Maßnahmen zu erlassen, um die vollständige Umsetzung einer Richtlinie sicherzustellen, und die Pflicht, diese Maßnahmen der Kommission mitzuteilen, wesentliche Pflichten der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der vollen Wirksamkeit des Unionsrechts sind und dass der Verletzung dieser Pflichten daher eine gewisse Schwere beizumessen ist (Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 85). Hinzu kommt, dass die Richtlinie 2015/849 ein wichtiges Instrument ist, um einen wirksamen Schutz des Finanzsystems der Union gegen die Bedrohungen durch Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu gewährleisten. Das Fehlen oder die Unzulänglichkeit eines solchen Schutzes des Finanzsystems der Union ist angesichts ihrer Folgen für die öffentlichen und privaten Interessen innerhalb der Union als besonders schwerwiegend anzusehen.

83      Irland hat die ihm vorgeworfene Vertragsverletzung zwar im Laufe des Verfahrens beendet, jedoch lag sie bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 8. März 2018 gesetzten Frist, d. h. am 8. Mai 2018, noch vor, so dass die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht jederzeit gewährleistet war.

84      Die Schwere dieser Vertragsverletzung wird im Übrigen dadurch verstärkt, dass Irland zu diesem Zeitpunkt Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinie 2015/849 nur in Bezug auf eine einzige Bestimmung dieser Richtlinie erlassen hatte.

85      Das Vorbringen Irlands, um die verspätete Umsetzung der Richtlinie 2015/849 zu erklären, nämlich hauptsächlich, dass es für den Erlass des Gesetzes von 2018 notwendig gewesen sei, ein längeres Umsetzungsverfahren anzuwenden, um die Wirksamkeit der Bestimmungen dieser Richtlinie zu gewährleisten, kann auf die Schwere des in Rede stehenden Verstoßes keinen Einfluss haben. Nach ständiger Rechtsprechung können nämlich Übungen oder Umstände der internen Rechtsordnung eines Mitgliedstaats nicht die Nichtbeachtung der Verpflichtungen und Fristen, die sich aus den Unionsrichtlinien ergeben, und somit auch nicht die verspätete oder unvollständige Umsetzung einer Richtlinie rechtfertigen. Es ist auch unerheblich, ob der Verstoß eines Mitgliedstaats auf technischen Schwierigkeiten beruht (vgl. u. a. Urteil vom 7. Mai 2002, Kommission/Niederlande, C‑364/00, EU:C:2002:282, Rn. 10 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zudem besteht, wenn sich die Frist, in der eine Richtlinie durchzuführen ist, als zu kurz erweist, für den betreffenden Mitgliedstaat nach dem Unionsrecht nur die Möglichkeit, die geeigneten Schritte zu unternehmen, um das zuständige Organ zu einer eventuellen Verlängerung der Frist zu bewegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Oktober 1998, Kommission/Spanien, C‑71/97, EU:C:1998:455, Rn. 16).

86      Zweitens ist zur Dauer des Verstoßes darauf hinzuweisen, dass diese grundsätzlich unter Heranziehung des Zeitpunkts zu bemessen ist, zu dem der Gerichtshof den Sachverhalt prüft, und nicht etwa des Zeitpunkts, zu dem die Kommission ihn damit befasst (Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 87). Es ist davon auszugehen, dass diese Sachverhaltswürdigung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verfahrens erfolgt.

87      Zwar ist im vorliegenden Fall zwischen den Parteien unstreitig, dass die in Rede stehende Vertragsverletzung vor dem Abschluss des Verfahrens geendet habe, doch haben die Parteien unterschiedliche Auffassungen über den genauen Zeitpunkt dieses Endes; dabei ist die Kommission der Ansicht, dass die Vertragsverletzung am 3. Dezember 2019 geendet habe, während Irland geltend macht, dass dies am 29. November 2018 der Fall gewesen sei.

88      Hierzu ist im Hinblick auf die Ausführungen in Rn. 82 des vorliegenden Urteils festzustellen, dass bestimmte Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2015/849 nach dem 29. November 2018 offenkundig unterblieben waren. Zum einen geht nämlich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Unterlagen hervor, dass die nationalen Vorschriften, die nach Ansicht Irlands Art. 61 Abs. 3 und Art. 62 Abs. 2 der Richtlinie 2015/849 umsetzten, nicht nur erst mit der Gegenerwiderung am 4. März 2019 mitgeteilt worden sind, sondern zudem auch keine Bezugnahme auf diese Richtlinie enthalten. Zum anderen sind, wie der Generalanwalt in Nr. 72 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nationale Maßnahmen zur Gewährleistung der Umsetzung von Art. 47 Abs. 2 der Richtlinie 2015/849 erst am 3. Dezember 2019 in Kraft getreten. Gleiches gilt für die Bestimmungen von Art. 48 Abs. 5 bis 8 dieser Richtlinie, hinsichtlich derer Irland eingeräumt hat, vor den am 3. Dezember 2019 in Kraft getretenen Maßnahmen keine Umsetzungsmaßnahme erlassen zu haben, weil diese Bestimmungen seiner Ansicht nach akzessorische Nebenbestimmungen seien. Eine solche Beurteilung eines Mitgliedstaats kann aber offensichtlich nicht ausreichen, um ihn von seiner Verpflichtung zu entbinden, die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um einer Richtlinie nachzukommen, oder von seiner Verpflichtung zu befreien, der Kommission die Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinie mitzuteilen.

89      Daher ist der 3. Dezember 2019 als Zeitpunkt des Endes des Verstoßes gegen die Verpflichtung nach Art. 260 Abs. 3 AEUV festzuhalten.

90      Hinsichtlich des Beginns des Zeitraums, der bei der Festsetzung des gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV zu verhängenden Pauschalbetrags zu berücksichtigen ist, ist klarzustellen, dass, im Unterschied zur Entscheidung des Gerichtshofs in Rn. 88 des Urteils vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien (Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze) (C‑543/17, EU:C:2019:573), zur Bestimmung eines zu verhängenden Zwangsgelds in Form eines Tagessatzes, für die Bemessung der Dauer der betreffenden Vertragsverletzung bei der Verhängung eines Pauschalbetrags nach Art. 260 Abs. 3 AEUV nicht auf den Zeitpunkt des Ablaufs der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, sondern auf den in der fraglichen Richtlinie vorgesehenen Zeitpunkt für ihre Umsetzung abzustellen ist.

91      Wie der Generalanwalt in Nr. 73 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, soll nämlich diese Bestimmung die Mitgliedstaaten dazu anhalten, Richtlinien innerhalb der vom Unionsgesetzgeber gesetzten Fristen umzusetzen, und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisten. Während die Durchführung des Verfahrens nach Art. 260 Abs. 2 AEUV also dadurch ausgelöst wird, dass ein Mitgliedstaat gegen die Verpflichtungen verstoßen hat, die sich aus einem Urteil ergeben, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt wird, liegt dem Verfahren nach Art. 260 Abs. 3 AEUV der Umstand zugrunde, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, die Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie spätestens zu dem von dieser Richtlinie festgelegten Zeitpunkt zu erlassen und mitzuteilen.

92      Jede andere Lösung liefe im Übrigen darauf hinaus, die praktische Wirksamkeit der Richtlinienbestimmungen in Frage zu stellen, die den Zeitpunkt festlegen, zu dem die Maßnahmen zu ihrer Umsetzung in Kraft treten müssen. Da nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs das Versenden eines Aufforderungsschreibens nach Art. 258 Abs. 1 AEUV voraussetzt, dass sich die Kommission davor mit Erfolg auf einen Verstoß gegen eine dem betroffenen Mitgliedstaat obliegende Verpflichtung berufen kann (Urteil vom 5. Dezember 2019, Kommission/Spanien [Abfallbewirtschaftungspläne], C‑642/18, EU:C:2019:1051, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung), verfügten nämlich die Mitgliedstaaten, die eine Richtlinie zu dem von ihr festgelegten Zeitpunkt nicht umgesetzt haben, dann jedenfalls über eine zusätzliche Umsetzungsfrist, deren Dauer überdies davon abhinge, wie schnell die Kommission das Vorverfahren einleitet, ohne dass jedoch die Dauer dieser Zeitspanne bei der Bemessung der Dauer der betreffenden Vertragsverletzung berücksichtigt werden könnte. Unstreitig ist jedoch der Zeitpunkt, von dem an die volle Wirksamkeit einer Richtlinie sicherzustellen ist, der in der Richtlinie selbst festgelegte Zeitpunkt für ihre Umsetzung und nicht der Zeitpunkt, zu dem die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzte Frist abläuft.

93      Entgegen dem Vorbringen Irlands kann dieser Ansatz den Grundsatz der Rechtssicherheit nicht beeinträchtigen. In einem Fall wie dem hier vorliegenden kann der betreffende Mitgliedstaat nämlich nicht mit Erfolg vorbringen, er habe nicht gewusst, dass er ab dem in der betreffenden Richtlinie festgelegten Umsetzungszeitpunkt gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie verstoßen habe. Außerdem kann der durch das Vorverfahren gewährleistete Schutz der Verteidigungsrechte des betreffenden Mitgliedstaats nicht dazu führen, dass dieser Mitgliedstaat vor allen finanziellen Folgen dieses Verstoßes für den Zeitraum vor Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist geschützt wird.

94      Hinzu kommt insoweit, dass, wie der Generalanwalt in Nr. 74 seiner Schlussanträge ausgeführt hat und entgegen dem Vorbringen Irlands in der mündlichen Verhandlung, die Veröffentlichung der in Rn. 51 des vorliegenden Urteils genannten Mitteilung der Kommission am 19. Januar 2017 vor Ablauf der in der Richtlinie 2015/849 festgelegten Umsetzungsfrist erfolgte. Irland kann also nicht mit Erfolg geltend machen, dass es nicht gewusst habe, dass die im vorliegenden Fall in Rede stehende Vertragsverletzung zu einer Klage nach Art. 260 Abs. 3 AEUV führen könne.

95      Um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen, ist daher bei der Bemessung der Dauer des Verstoßes im Hinblick auf die Festsetzung des nach Art. 260 Abs. 3 AEUV zu verhängenden Pauschalbetrags auf den in der betreffenden Richtlinie selbst vorgesehenen Zeitpunkt für die Umsetzung abzustellen.

96      Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass Irland zu dem in Art. 67 der Richtlinie 2015/849 vorgesehenen Zeitpunkt für die Umsetzung, d. h. am 26. Juni 2017, nicht die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hatte, die erforderlich waren, um die Umsetzung dieser Richtlinie zu gewährleisten, und somit der Kommission die Maßnahmen zu deren Umsetzung nicht mitgeteilt hatte. Daraus folgt, dass die in Rede stehende Vertragsverletzung, die erst am 3. Dezember 2019 und damit eine Woche vor der mündlichen Verhandlung endete, beinahe zweieinhalb Jahre angedauert hat.

97      Was drittens die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaats angeht, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die jüngste Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dieses Mitgliedstaats zu berücksichtigen ist, wie sie sich zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof darstellt (vgl. entsprechend, zu Art. 260 Abs. 2 AEUV, Urteil vom 12. November 2019, Kommission/Irland [Windfarm Derrybrien], C‑261/18, EU:C:2019:955, Rn. 124 und die dort angeführte Rechtsprechung).

98      In Anbetracht aller Umstände der vorliegenden Rechtssache und angesichts des Ermessens, das dem Gerichtshof in Art. 260 Abs. 3 AEUV eingeräumt wird, wonach dieser bei der Verhängung des Pauschalbetrags über den von der Kommission angegebenen Betrag nicht hinausgehen darf, ist davon auszugehen, dass die wirksame Vorbeugung gegen eine zukünftige Wiederholung von Verstößen, die dem Verstoß gegen Art. 67 der Richtlinie 2015/849 entsprechen und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigen, die Verhängung eines Pauschalbetrags erfordert, dessen Höhe auf 2 000 000 Euro festzusetzen ist.

99      Folglich ist Irland zu verurteilen, an die Kommission einen Pauschalbetrag von 2 000 000 Euro zu zahlen.

 Kosten

100    Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung Irlands beantragt hat und Irland mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

101    Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wonach die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen, tragen die Republik Estland und die Französische Republik ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Irland hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 67 der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission verstoßen, dass es bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 8. März 2018 gesetzten Frist nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um der Richtlinie 2015/849 nachzukommen, erlassen und somit der Kommission diese nicht mitgeteilt hat.

2.      Irland wird verurteilt, an die Europäische Kommission einen Pauschalbetrag von 2 000 000 Euro zu zahlen.

3.      Irland trägt die Kosten.

4.      Die Republik Estland und die Französische Republik tragen ihre eigenen Kosten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.