Language of document : ECLI:EU:C:2003:234

SCHLUSSANTRÄGE DER FRAU GENERALANWALT

CHRISTINE STIX-HACKL

vom 10. April 2003(1)

Rechtssache C-42/02

Diana Elisabeth Lindman

gegen

Skatterättelsenämnde

(Vorabentscheidungsersuchen der Ålands förvaltningsdomstol [Finnland])

„Artikel 46 EG - Artikel 49 EG - Lotteriegewinne - Besteuerung - Diskriminierung - Kohärenz des Steuersystems - Verhältnismäßigkeit“

I - Einleitung

1.
    In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof nach seinen Urteilen Schindler(2), Läärä(3) und Zenatti(4) abermals mit einer Frage befasst, die die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung bezüglich Glücksspielen mit den Bestimmungen des Vertrages über den freien Dienstleistungsverkehr betrifft. Der Förvaltningsdomstol in Åland ersucht um Vorabentscheidung darüber, ob es einem Mitgliedstaat gemäß Artikel 49 EG verwehrt ist, Gewinne aus Lotterien, die in anderen Mitgliedstaaten veranstaltet werden, bei der Einkommensbesteuerung als steuerpflichtige Einkünfte des Gewinners zu behandeln, während Gewinne aus Lotterien, die in dem betreffenden Mitgliedstaat veranstaltet werden, von der Einkommensteuer befreit sind.

II - Rechtlicher Rahmen

A - Das Lotteriesteuergesetz (552/1992)

2.
    Gemäß § 1 des Lotteriesteuergesetzes ist für in Finnland veranstaltete Lotterien Lotteriesteuer an den Staat zu entrichten.

3.
    Als Lotterie sind nach § 2 Absatz 1 dieses Gesetzes u. a. anzusehen: „Warenlotterien, Geldlotterien, Bingo- und Totospiele ...“

4.
    § 3 Lotteriesteuergesetz bestimmt auszugsweise: „Steuerpflichtig ist der Veranstalter der Lotterie.“

B - Das Einkommensteuergesetz (1535/1992)

5.
    § 1 Absätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes bestimmen:

„Einkünfte und Steuerpflichtige. Für Erwerbseinkünfte ist Steuer an den Staat, die Gemeinde und die Kirchengemeinde zu entrichten. Für Kapitaleinkünfte ist Steuer an den Staat zu entrichten. Dem Anspruch der Gemeinden auf einen Anteil an der Steuer auf Kapitaleinkünfte wird bei der Verteilung des Steueraufkommens entsprechend den Vorschriften dieses Gesetzes und des Gesetzes über die Steuererhebung (611/78) Rechnung getragen.“

6.
    § 9 Absätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes bestimmen die Steuerpflichtigen und die steuerpflichtigen Einkünfte. Demnach sind Personen, die im Steuerjahr ihren Wohnsitz in Finnland hatten, für in- und ausländische Einkünfte einkommensteuerpflichtig. Steuerpflichtige Einkünfte sind die Einkünfte des Steuerpflichtigen in Geld oder Geldwert. Einkünfte von natürlichen Personen und Nachlässen werden in zwei Einkunftsarten aufgeteilt, nämlich Kapitaleinkünfte und Erwerbseinkünfte.

7.
    In Bezug auf Lotteriegewinne wird in § 85 des Einkommensteuergesetzes Folgendes bestimmt:

„Lotteriegewinne. Gewinne aus den in § 2 des Lotteriesteuergesetzes genannten Lotterien sind nicht steuerpflichtig. Steuerpflichtig sind jedoch Gewinne, die als angemessene Gegenleistung für eine Leistung oder als Arbeitslohn im Sinne des Gesetzes über den Lohnsteuerabzug anzusehen sind.“

C - Das Kommunalsteuergesetz für die Provinz Åland

8.
    § 1 Absatz 1 lautet auszugsweise:

„Anwendungsbereich des Gesetzes. Für Erwerbseinkünfte ... ist Kommunalsteuer zu zahlen; der Verlustausgleich bei der Kommunalbesteuerung erfolgt nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (FFS 1535/92) und der Verordnung über die Einkommensteuer (FFS/1551/92) vorbehaltlich der in diesem Gesetz und in Sondervorschriften vorgesehenen Ausnahmen.“

III - Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

9.
    Frau Lindman, die Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens, ist finnische Staatsbürgerin und wohnt in Saltvik auf Åland. Während eines Aufenthalts in Schweden hatte sie ein Los einer von der AB Svenska Spel veranstalteten Lotterie gekauft. Bei der Ziehung am 7. Januar 1998 in Stockholm wurde sie als Gewinnerin von 1 000 000 SEK ermittelt. Der Lotteriegewinn, der 672 100 FIM entspricht, wurde im Rahmen der Besteuerung des Einkommens für das Steuerjahr 1998 als steuerpflichtiges Erwerbseinkommen behandelt.

10.
    Aufgrund der Einordnung des Lotteriegewinns als Erwerbseinkommen wurden auf diesen die Staatssteuer für den finnischen Staat, die Kommunalsteuer für die Gemeinde Saltvik, die Kirchensteuer für die Kirchengemeinde sowie ein zusätzlicher Krankenversicherungsbeitrag, der gemäß dem Krankenversicherungsgesetz zu entrichten ist und an die Kommunalsteuer des Versicherten gebunden ist, erhoben.

11.
    Der Lotteriegewinn wurde nicht als steuerfrei gemäß § 85 des Einkommensteuergesetzes anerkannt, da diese Steuerbefreiung nur für die in § 2 des Lotteriesteuergesetzes genannten Lotterien gilt, zu denen alleine die in Finnland veranstalteten Lotterien gehören. Er wurde auch nicht als Kapitaleinkommen behandelt, weil hierunter Einkünfte verstanden werden, die als aus dem Eigentum abgeleitet angesehen werden können, was im vorliegenden Fall nicht zutraf.

12.
    Frau Lindman focht den Steuerbescheid vor dem Beschwerdeausschuss in Steuersachen an. Ihr Antrag, die Besteuerung des Lotteriegewinns aus Schweden aufzuheben oder herabzusetzen, wurde jedoch, nachdem eine Stellungnahme der Direktion für Steuersachen (skattestyrelse) eingeholt worden war, mit Beschluss vom 22. Mai 2000 abgewiesen.

13.
    Gegen diesen Beschluss des Beschwerdeausschusses hat Frau Lindman ein Rechtsmittel beim Ålands förvaltningsdomstol, dem Gericht des Ausgangsverfahrens, eingelegt.

14.
    In ihrem Rechtsmittel beantragt sie, die Besteuerung ihres Lotteriegewinns aus Schweden aufzuheben und hilfsweise, den Gewinn als Kapitaleinkommen, also mit einem niedrigeren Steuersatz, zu besteuern.

15.
    Die finnischen Behörden vertreten im Ausgangsverfahren die Ansicht, dass die im Einkommensteuergesetz vorgesehene Steuerbefreiung nur für in Finnland veranstaltete Lotterien gelte und dass dies eine schwedische Lotterie-Gesellschaft nicht an der freien Erbringung ihrer Dienstleistungen in Finnland im Sinne des Artikels 49 EG hindere.

16.
    Nach Angaben der Ålands förvaltningsdomstol gilt die Steuerbefreiung nach dem Einkommensteuergesetz aufgrund des Lotteriesteuergesetzes nur für in Finnland veranstaltete Lotterien. Das Gericht ist daher der Auffassung, dass die Erhebung von Einkommensteuer auf Gewinne aus im Ausland veranstalteten Lotterien (als Erwerbs- oder Kapitaleinkünfte) eventuell als Ungleichbehandlung je nach dem Ort der Dienstleistung angesehen werden könne.

17.
    Dementsprechend hat der Ålands förvaltningsdomstol mit Beschluss vom 5. Februar 2000 dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung gemäß Artikel 234 EG vorgelegt:

Verwehrt Artikel 49 EG einem Mitgliedstaat die Anwendung von Vorschriften, nach denen Lotteriegewinne aus Lotterien, die in anderen Mitgliedstaaten veranstaltet werden, bei der Einkommensbesteuerung als steuerpflichtige Einkünfte des Gewinners behandelt werden, während Lotteriegewinne aus Lotterien, die in dem betreffenden Mitgliedstaat veranstaltet werden, von der Einkommensteuer befreit sind?

IV - Vorbringen der Beteiligten

18.
    In der vorliegenden Rechtssache haben Frau Lindman, die finnische, die belgische und die dänische Regierung, die Kommission sowie die Überwachungsbehörde der EFTA und die norwegische Regierung Stellungnahmen abgegeben.

19.
    Frau Lindman hat lediglich ausgeführt, dass sie die Besteuerung ihres Lotteriegewinns als diskriminierend betrachte. Ihrer Auffassung nach wäre ihr Gewinn nämlich nicht besteuert worden, wenn sie in Schweden wohnhaft gewesen wäre oder wenn sie in einer finnischen Lotterie gewonnen hätte.

20.
    Die finnische, die belgische, die dänische und die norwegische Regierung halten eine steuerliche Regelung wie die in Finnland, wonach Gewinne aus in anderen Mitgliedstaaten veranstalteten Lotterien im Gegensatz zu Gewinnen aus inländischen Lotterien besteuert werden, für mit der Dienstleistungsfreiheit gemäß Artikel 49 EG vereinbar. Diese Regierungen beziehen sich dabei vor allem auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes in den Rechtssachen Schindler(5), Läärä(6) und Zenatti(7). Sie räumen zwar im Wesentlichen ein, dass eine solche steuerliche Behandlung von Lotteriegewinnen geeignet ist, die Dienstleistungsfreiheit zu beschränken, erachten diese Regelung jedoch nicht unbedingt als diskriminierend. Sie machen übereinstimmend geltend, dass die finnischen Rechtsvorschriften jedenfalls aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt seien und bringen vor, dass nach der genannten Rechtsprechung den Mitgliedstaaten bei der Regelung von Glücksspielen ein weites Ermessen zustehe.

21.
    Im Einzelnen führt darüber hinaus die finnische Regierung aus, dass die Organisation von Glücksspielen in Finnland einer Reglementierung unterliege, welche der Rechtssicherheit der Spieler, der Verbrechensvorbeugung sowie der Begrenzung des durch Glücksspiel verursachten gesellschaftlichen Schadens diene. Diese Zwecke seien im Urteil Schindler als Rechtfertigungsgründe für Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit anerkannt worden und würden auch die fragliche Steuerregelung rechtfertigen, da diese einen Teil der nationalen Reglementierung der Lotterie darstelle.

22.
    Die finnische Regierung gibt an, dass die Einnahmen aus den Glücksspielen, die von den drei Gesellschaften, die in Finnland zur Organisation von Glücksspielen zugelassen seien, veranstaltet würden, beachtlich seien. Sie verweist darauf, dass diese Einnahmen in das staatliche Budget einfließen würden, um sicherzustellen, dass sie möglichst zum Wohle der Gesellschaft verwendet würden. Der finnische Staat habe sich daher auch einer zu hohen Besteuerung von Glücksspielen enthalten, um die Verwendung der Erlöse für Zwecke des Allgemeininteresses nicht zu gefährden.

23.
    Die finnische Regierung führt außerdem aus, dass daher Lotterietätigkeiten in Finnland einer sehr niedrigen Besteuerung unterliegen würden und diesbezüglich keine andere Steuer vorgesehen sei als die Lotteriesteuer. Diese entspreche gegenwärtig der Höhe nach nicht der Steuer, die ein Gewinner zu zahlen hätte, würde man seine Gewinne als steuerpflichtiges Einkommen behandeln.

24.
    Die finnische Regierung macht geltend, dass ihr, da sie ausländische Veranstalter von Lotterien nicht besteuern könne, nichts anderes übrig bleibe, als die Gewinner von ausländischen Lotterien zu besteuern. Andernfalls würden sich inländische Gewinner von ausländischen Lotterien mit den ausländischen Veranstaltern derselben einen steuerlichen Vorteil teilen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob im Ursprungsland der Lotterien die Spieleinnahmen im öffentlichen Interesse verwendet oder dieselben Schutzzwecke berücksichtigt würden wie mit den finnischen Regelungen.

25.
    In der mündlichen Verhandlung hat die finnische Regierung näher ausgeführt, dass die Verwendung der Lotterieeinnahmen für gemeinnützige Zwecke nur ein zusätzliches Argument hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht darstelle. Vor allem seien Glücksspiele generell in Finnland durch verschiedene Maßnahmen im Hinblick auf die Spieleinsätze und -gewinne Beschränkungen unterworfen. Die Höhe der Gewinne beeinflusse maßgeblich die Attraktivität des Spiels. Durch ihre Besteuerung werde die Teilnahme an ausländischen Lotterien weniger verlockend, sodass die Kontrolle und der Schutz vor den schädlichen gesellschaftlichen Wirkungen dieses Spiels aufrechterhalten werden könne. Diese Ziele könnten nur durch die Besteuerung der Gewinne aus ausländischen Glücksspielen erreicht werden, weniger einschneidende Maßnahmen gebe es nicht.

26.
    Nach Ansicht der finnischen Regierung können von nationalen Rechtsvorschriften auferlegte Beschränkungen bezüglich der Veranstaltung von Spielen und bezüglich der Bedingungen, denen diese Tätigkeit unterliege, selbst dann durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses - die sich auf den Schutz der Spieler, auf die gesellschaftliche Ordnung und auf die Finanzierung von Tätigkeiten im öffentlichen Interesse beziehen würden - gerechtfertigt sein, wenn diese nationalen Rechtsvorschriften diskriminierend seien.

27.
    Die fragliche Steuerregelung könne aber nicht als diskriminierend betrachtet werden. Der Grund, warum die Gewinne aus inländischen Lotterien nicht besteuert würden, liege nämlich darin, dass diese Lotterien einer Besteuerung über deren Veranstalter unterliegen. Außerdem seien die Gewinne aus inländischen Lotterien ebenso zu besteuern, wenn diese ohne Genehmigung veranstaltet würden, sodass keine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit vorliege.

28.
    Doch selbst wenn dem so wäre, käme, insgesamt betrachtet, jedenfalls eine Rechtfertigung auf der Grundlage von Artikel 46 EG in Betracht. Das Ziel der Reglementierung der Lotterietätigkeiten bestehe nämlich in der Verhinderung illegaler Glücksspiele, der Geldwäsche und jeder anderen Kriminalität, was den Zielen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit entspreche. Außerdem sei eine schwere Spielsucht als Krankheit zu betrachten, sodass die nationale Reglementierung der Lotterie auch der öffentlichen Gesundheit diene.

29.
    Schließlich räumt die finnische Regierung ein, dass es bei finnischen Lotterien keine Beschränkung hinsichtlich der Höhe der Spieleinsätze gebe.

30.
    Die belgische Regierung führt zu den finnischen Rechtsvorschriften aus, dass zwar Gewinne aus in Finnland zugelassenen Lotterien von der Steuer befreit seien, die Besteuerung jedoch auf Ebene der Veranstalter der Lotterie erfolge. Die Besteuerung von Gewinnen aus ausländischen Lotterien müsse also als korrigierender Faktor gesehen werden, der es erlaubt, der Besteuerung finnischer Veranstalter von Lotterien Rechnung zu tragen. Andernfalls bestünde nämlich ein Anreiz, im Ausland zu spielen, sodass die nationalen Behörden die Kontrolle über das bestehende Angebot an Glücksspielen verlieren würden und die gesellschaftlichen Folgen unabsehbar wären.

31.
    Auch nach Ansicht der belgischen Regierung ist die gegenständliche finnische Regelung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses unter den Bedingungen, wie sie der Gerichtshof beispielsweise in seinen Urteilen Kraus(8) und Gebhard(9) festgelegt habe, zu rechtfertigen. Als Gründe kämen insbesondere der Konsumentenschutz und die öffentliche Ordnung in Betracht.

32.
    Die belgische Regierung verweist darauf, dass sich die schädlichen Folgen der Lotterien in individueller wie gesellschaftlicher Hinsicht in dem Staat, in dem der Spieler wohnhaft sei und nicht in jenem, wo der Lotterieschein gekauft worden sei, manifestierten. Es liege daher im Ermessen des finnischen Staates, diese schädlichen Folgen möglichst zu begrenzen, indem er nur jene Gewinne von der Steuer befreie, die bei den zur Veranstaltung von Lotterien autorisierten und kontrollierten Veranstaltern gemacht würden. In Finnland würden Lotterien von einer vom finnischen Staat kontrollierten Organisation durchgeführt. Damit werde eine Kanalisierungspolitik verfolgt, durch die Spieler vom „grauen Bereich“ des Glücksspiels ferngehalten werden sollten. Diese Politik laufe Gefahr, durch ausländische Lotterien untergraben zu werden. Nach dem Urteil Zenatti(10) reiche das Ziel der Verminderung der Gelegenheiten zum Glücksspiel aus, um eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zu rechtfertigen.

33.
    Außerdem enthielten die finnischen Rechtsvorschriften keine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Unterschieden werde nämlich bei der Steuerbefreiung nicht nach der Staatsangehörigkeit, sondern danach, ob der Spieleveranstalter über eine Zulassung verfüge. Darüber hinaus seien die finnischen Vorschriften, die auf eine Begrenzung des Spieleangebots auf ein sozial verträgliches Maß abzielen würden, angesichts der Spielsucht, die Lotterien hervorrufen könnten, verhältnismäßig.

34.
    Die dänische Regierung teilt die dargelegten Rechtsauffassungen weitgehend. Sie weist außerdem darauf hin, dass sie hier deshalb Stellung nehme, weil eine Besteuerung von Lotterien, wie sie in Finnland vorgenommen werde, unter den Mitgliedstaaten allgemein üblich sei. Blieben die Gewinne aus ausländischen Lotterien steuerbefreit, würde dies die jeweils inländische Öffentlichkeit dazu verleiten, an solchen Lotterien teilzunehmen und die Rechtsvorschriften, die der betreffende Mitgliedstaat zum Schutz zwingender Allgemeininteressen erlassen habe und deren Rechtfertigung der Gerichtshof anerkannt habe, ihrer Wirksamkeit berauben, und zwar selbst dann, wenn die Lotterie auch in einem anderen Mitgliedstaat einer Reglementierung unterliege.

35.
    Die dänische Regierung betont, dass die gegenständlichen steuerlichen Vorschriften einen integralen Bestandteil der gesetzlichen Vorschriften bildeten, mit denen die Organisation und Vermarktung von Lotterien und anderen Glücksspielen geregelt und eingeschränkt werde und die der Gerichtshof aus einer Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses als gerechtfertigt anerkannt habe. Gerade auch aufgrund der Möglichkeiten, die das Internet biete, könne das Verbot der Vermarktung von Glücksspielen nur mit Hilfe flankierender steuerlicher Maßnahmen wirksam bleiben.

36.
    Die niederländische Regierung führt aus, dass das Hauptziel der finnischen Regierung darin bestehe, jene Steuern einzuheben, die ihr gebühren. Wer als Steuerpflichtiger die Steuer abführe, sei nicht entscheidend. Finnland besteuere Spielgewinner entweder direkt oder gewissermaßen indirekt über den Spielveranstalter. Während also ein finnischer Gewinner in einer finnischen Lotterie seine Steuern bereits über den Spielveranstalter bezahlt habe, habe ein finnischer Gewinner einer ausländischen Lotterie, die als solche keiner Steuer in Finnland unterliege, noch keine Steuern entrichtet. Daraus folge, dass die finnischen Steuervorschriften keine diskriminierende Behandlung beinhalten und Artikel 49 EG nicht widersprechen würden.

37.
    Aber selbst wenn sie als diskriminierend anzusehen wären, so seien sie doch aus den in Artikel 46 EG angeführten Gründen mit Artikel 49 EG vereinbar, da diese Steuervorschriften der Bekämpfung der schädlichen Folgen von Glücksspielen dienten und nicht über das hinaus gingen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sei. Die Besteuerung von Gewinnen aus in einem anderen Mitgliedstaat organisierten Lotterien mit dem Effekt, dass deren Gewinnhöhe begrenzt werde, stelle die einzige Möglichkeit dar, das Interesse der Öffentlichkeit an solchen Spielen einzuschränken, ohne die Teilnahme daran vollständig zu verbieten.

38.
    Die norwegische Regierung verweist ebenso auf die Rechtfertigungsgründe des Artikels 46 EG und führt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung aus, dass die Besteuerung von Spielgewinnen insbesondere auch der Bekämpfung der Geldwäsche diene. Gewinnscheine könnten nämlich von Personen gekauft werden, um gegenüber den Steuerbehörden die legale Herkunft des Geldes zu beweisen.

39.
    Die Kommission sowie die Überwachungsbehörde der EFTA sind dagegen der Ansicht, dass eine Besteuerung nur ausländischer Lotteriegewinne, wie in Finnland, diskriminierend sei und nicht durch Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden könne. Sie verstoße daher gegen Artikel 49 EG.

40.
    Die in Artikel 46 vorgesehenen Ausnahmen sind nach Ansicht der Kommission im vorliegenden Fall nämlich nicht anwendbar. Insbesondere hätten die gegenständlichen finnischen Rechtsvorschriften nicht den Zweck, die Tätigkeit des Glücksspiels unter dem Gesichtspunkt des Allgemeininteresses zu regeln oder den Einzelnen vor den Gefahren des Glücksspiels zu schützen. Die finnische Gesetzgebung bewirke vielmehr, dass nur Gewinne aus ausländischen Glücksspielen als steuerbare Einkommen anzusehen seien. Das Vorbringen der finnischen Regierung, die fragliche Regelung würde der öffentlichen Ordnung und Gesundheit dienen, sei, so hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung angemerkt, vage und weit hergeholt. Darüber hinaus könnten die vom Gerichtshof in den Rechtssachen Schindler, Läärä und Zenatti genannten Gründe keine direkte Diskriminierung, wie sie vorliegend der Fall sei, rechtfertigen. Aber selbst unter der Annahme, die finnischen Steuervorschriften wären nicht diskriminierend, dürften keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses zur Rechtfertigung der Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs vorliegen.

41.
    Schließlich verweist die Kommission auf das Urteil in der Rechtssache Fischer(11), wonach ein Mitgliedstaat gemäß dem Prinzip der steuerlichen Neutralität nicht Geschäfte mit unerlaubten Glücksspielen der Mehrwertsteuer unterwerfen dürfe, wenn die entsprechenden erlaubten Tätigkeiten von der Steuer befreit seien. A fortiori könne ein Mitgliedstaat gemäß dem Grundsatz der Nicht-Diskriminierung einen inländischen Gewinner, der an einem im Ausland veranstalteten Glücksspiel teilgenommen habe, nicht schlechter behandeln, als einen Gewinner eines nationalen Glücksspiels. Im Übrigen hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung auf den großen Unterschied bezüglich des Steuerniveaus hingewiesen, der zwischen der über den inländischen Veranstalter erhobenen Lotteriesteuer und der Einkommensteuer, welcher der Gewinner einer ausländischen Lotterie gegebenenfalls unterliege, bestehe. Außerdem könne es zu einer Doppelbesteuerung kommen, da auch die schwedische Lotterie einer Besteuerung unterliege.

42.
    Die Überwachungsbehörde der EFTA teilt im Wesentlichen die Auffassung der Kommission. Sie stellt fest, dass die finnischen Einkommensteuervorschriften in Bezug auf Lotteriegewinner nach dem Ort der Niederlassung des Dienstleistungserbringers differenzierten und daher die Dienstleistungsfreiheit der Spielveranstalter einschränkten. Die steuerliche Ungleichbehandlung in- und ausländischer Lotteriegewinne sei geeignet, finnische Spieler von der Teilnahme an ausländischen Lotterien abzuhalten.

43.
    Zweifellos würden die Mitgliedstaaten in der Regel in Glücksspielen Gefahren moralischer, religiöser oder kultureller Natur erblicken, doch sei es angesichts der Tatsache, dass es in Finnland mehrere nationale Lotterien gebe, fraglich, ob diese Erwägungen zur Begründung einer völlig anderen Behandlung ausländischer Lotterien herangezogen werden könnten. Diskriminierende nationale Rechtsvorschriften könnten überhaupt nur aus den in Artikel 46 EG genannten Gründen ausnahmsweise gerechtfertigt sein, doch lägen solche Gründe in Bezug auf die fraglichen Steuervorschriften nicht vor.

V - Würdigung

44.
    Der Gerichtshof hatte schon mehrfach, und zwar in den Rechtssachen Schindler(12), Läärä(13) und Zenatti(14), über die Vereinbarkeit nationaler Bestimmungen im Bereich des Glücksspielwesens mit den Grundfreiheiten zu entscheiden.

45.
    Jedoch ist insbesondere auf zwei Unterschiede zu verweisen, die die vorliegende Rechtssache im Vergleich zu jenen Rechtssachen aufweist und denen bei der folgenden gemeinschaftsrechtlichen Beurteilung Rechnung zu tragen sein wird.

46.
    Zum einen steht im gegenständlichen Verfahren erstmals eine fiskalische Regelung betreffend Glücksspiele im Zusammenhang mit den Grundfreiheiten auf dem Prüfstand.

47.
    Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die Erhebung der Einkommensteuer auf Gewinne aus Lotterien, die in anderen Mitgliedstaaten veranstaltet werden - während Gewinne aus Lotterien, die in dem betreffenden Mitgliedstaat veranstaltet werden, von der Einkommensteuer befreit sind -, mit der Dienstleistungsfreiheit nach Artikel 49 EG vereinbar ist.

48.
    Zum anderen wurden in den bisher vom Gerichtshof entschiedenen Fällen der Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Glücksspiele ausländische Dienstleistungserbringer bzw. deren Vertreter jeweils auf dem Gebiet bzw. auf dem Markt des Mitgliedstaats der Dienstleistungsempfänger tätig oder wurden vielmehr an solchen Tätigkeiten gehindert.

49.
    In der Rechtssache Schindler wurde den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Veranstalter einer Lotterie (bzw. von dessen Bevollmächtigtem) Werbematerial und Lose zugesandt, um sie an dieser Lotterie teilnehmen zu lassen(15).

50.
    In der Rechtssache Läärä ging es um die Aufstellung und den Betrieb von Glücksspielautomaten durch einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Betreiber(16).

51.
    In der Rechtssache Zenatti wurde über einen im Empfangsmitgliedstaat tätigen Vertreter die Teilnahme an Sportwetten eines ausländischen Veranstalters organisiert(17).

52.
    Insofern ging es in den genannten Rechtssachen jeweils um die staatliche Reglementierung betreffend Glücksspieltätigkeiten auf dem Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaats und dies vor allem unter dem Aspekt der Angebotskontrolle ebendort.

53.
    Dagegen geht es hier nicht um die Frage, inwieweit ein ausländischer Erbringer von Dienstleistungen im Glücksspielbereich in einem anderen Mitgliedstaat tätig werden darf. Eine Tätigkeit der schwedischen Lotterie in Finnland steht nicht zur Diskussion. Den Ausgangspunkt bildet hier vielmehr die Inanspruchnahme einer in einem anderen Mitgliedstaat angebotenen Dienstleistung. Es handelt sich dabei um eine Erscheinungsform der passiven Dienstleistungsfreiheit, da Frau Lindman während eines Aufenthalts in Schweden an der dortigen Lotterie teilgenommen hat(18).

54.
    Die Inanspruchnahme dieser Dienstleistung erfolgte im vorliegenden Fall aber offenbar eher aus Anlass denn als Ziel des Auslandsaufenthalts. Im Vordergrund stehen nämlich weniger Beschränkungen des Rechts einer Person, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, als vielmehr Beschränkungen, die die Freizügigkeit der Dienstleistung als solche betreffen, also Aspekte der „Produktfreizügigkeit“. Mit der gegenständlichen Konstellation vergleichbar wären daher auch Fälle, in denen sich jemand über Telefon, Fax oder Internet an einer von einem ausländischen Veranstalter angebotenen Lotterie beteiligt, um an dieser teilzunehmen; also auch reine Korrespondenzdienstleistungen, die aber im Unterschied zu jenen in der Rechtssache Schindler nicht mit Tätigkeiten ausländischer Erbringer von Lotteriedienstleistungen auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats verbunden sind.

A - Zur Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch die streitige Steuerregelung

55.
    Zunächst ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung zwar der Bereich der direkten Steuern als solcher beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt, dass aber die Mitgliedstaaten die ihnen verbliebenen Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben müssen(19).

56.
    Wie der Gerichtshof bereits in der Rechtssache Schindler festgestellt hat(20), stellt die Veranstaltung einer Lotterie eine Dienstleistung im Sinne von Artikel 50 EG dar. Die gegenständliche Steuerregelung ist somit hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsfreiheit gemäß Artikel 49 EG zu untersuchen.

57.
    Nach ständiger Rechtsprechung verbietet Artikel 49 EG nicht nur jede Diskriminierung des in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistungserbringers aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern generell alle Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs.

58.
    Als derartige Beschränkungen sind sämtliche Maßnahmen - selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistungserbringer wie für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten - anzusehen, die geeignet sind, die Ausübung dieser Freiheit zu unterbinden, zu behindern oder auch nur weniger attraktiv zu machen(21).

59.
    Zwar hindert die streitige Besteuerung von Lotteriegewinnen finnische Staatsangehörige nicht schlechthin daran, an Lotterien in einem anderen Mitgliedstaat teilzunehmen. Diese Besteuerung lässt jedoch solche Lotterien zweifellos weniger attraktiv erscheinen als Lotterien, deren Gewinne von der Steuer befreit sind und ist daher geeignet, finnische Spieler von der Teilnahme an Lotterien im Ausland abzuhalten. Genau dies soll auch nach den Angaben der finnischen Regierung mit dieser steuerlichen Regelung bewirkt werden.

60.
    Die streitigen Steuervorschriften stellen daher grundsätzlich sowohl aus der Sicht der ausländischen Veranstalter von Lotterien als auch aus jener der finnischen Teilnehmer an diesen eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar(22).

61.
    Dies wird auch von den Regierungen, die in diesem Verfahren Erklärungen abgegeben haben, im Wesentlichen nicht bestritten.

62.
    Die streitigen Steuervorschriften können also nur mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar sein, wenn entsprechende Rechtfertigungsgründe vorliegen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Genüge getan wird.

B - Zu den in Betracht kommenden Rechtfertigungsgründen

63.
    Beeinträchtigungen der Dienstleistungsfreiheit können prinzipiell aus den in Artikel 46 EG, der über Artikel 55 EG anwendbar ist, ausdrücklich vorgesehenen Gründen des Allgemeininteresses oder entsprechend der Rechtsprechung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein.

64.
    In den Urteilen Schindler, Läärä und Zenatti, auf die sich die beteiligten Regierungen hauptsächlich stützen, hat der Gerichtshof zwar auf die Rechtfertigungsgründe gemäß Artikel 46 EG verwiesen, hat dann jedoch keine gesonderte Prüfung auf der Grundlage dieser Bestimmung vorgenommen.

65.
    Vielmehr hat der Gerichtshof unter Hinweis auf die besonderen Merkmale von Glücksspielen und die spezifischen Gefahren, die mit der Veranstaltung von Glücksspielen verbunden sind - und die auch im vorliegenden Verfahren ausführlich zur Sprache kamen - zwingende Gründe des Allgemeininteresses anerkannt, die Beeinträchtigungen des freien Dienstleistungsverkehrs im Bereich des Glücksspielwesens rechtfertigen können.

66.
    Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die in den obgenannten Rechtssachen angegebenen Gründe - wie die Verhinderung der Gefahr von Betrug und anderen Straftaten, der Ausnutzung der Spielleidenschaft und der Vermeidung schädlicher persönlicher und sozialer Folgen sowie die Zweckgebundenheit der erlangten Mittel für gemeinnützige und wohltätige Zwecke - nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen seien, und diese Gründe dahin gehend zusammengefasst, dass sie sich „auf den Schutz der Empfänger der Dienstleistung und, allgemeiner, der Verbraucher sowie den Schutz der Sozialordnung“ bezögen(23).

67.
    Jedoch erscheint es im vorliegenden Fall zweifelhaft, ob die streitige Steuerregelung überhaupt durch - solche oder andere - zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann.

68.
    In ständiger Rechtsprechung wird im Zusammenhang mit diesen Rechtfertigungsgründen nämlich auf „unterschiedslos anwendbare“ Maßnahmen Bezug genommen(24).

69.
    So hat der Gerichtshof auch die nationalen Regelungen im Glücksspielbereich, für die er die beschriebenen zwingenden Gründe des Allgemeininteresses als Rechtfertigung anerkannt hat, jeweils als unterschiedslos auf die im Inland als auch auf die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Wirtschaftsteilnehmer anwendbar qualifiziert(25).

70.
    Demgegenüber hat der Gerichtshof wiederholt festgestellt, dass diskriminierende Maßnahmen nur aus den Gründen gerechtfertigt sein können, die in Artikel 46 EG ausdrücklich vorgesehen sind(26).

71.
    Wie die finnische Regierung ausgeführt hat, hat sich Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Danner zwar für ein Abgehen von der Unterscheidung zwischen Rechtfertigungsgründen für diskriminierende und für unterschiedslos geltende Maßnahmen ausgesprochen(27), doch lässt sich dem entsprechenden Urteil nicht entnehmen, dass der Gerichtshof dieser Anregung gefolgt wäre, zumal er es unterlassen hat, die dort streitigen Maßnahmen ausdrücklich als diskriminierend zu qualifizieren(28).

72.
    Vielmehr hat der Gerichtshof erst kürzlich in seinem Urteil in der Rechtssache C-388/01 bestätigt, dass diskriminierende Maßnahmen - zumindest, wenn sie eine Unterscheidung aufgrund der Staatsangehörigkeit vorsehen -, „nur dann mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, wenn sie einer ausdrücklichen Ausnahmebestimmung wie Artikel 46 EG ... zugeordnet werden können, d. h. der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit“(29).

73.
    Nach wie vor ist also offenbar hinsichtlich der Rechtfertigungsmöglichkeiten zwischen die Dienstleistungsfreiheit zwar beschränkenden, aber unterschiedslos anwendbaren Maßnahmen einerseits und diskriminierenden Maßnahmen andererseits zu unterscheiden, wenngleich sich dafür aus der Rechtsprechung keine eindeutigen Abgrenzungskriterien ergeben(30).

74.
    Festzuhalten ist jedenfalls, dass sich Artikel 46 EG im Zusammenhang mit den dort genannten Rechtfertigungsgründen auf „Sonderregelungen für Ausländer“ bezieht. Damit sind mit dieser Regelung zunächst ausdrücklich vor allem Maßnahmen angesprochen, die nach dem Kriterium der Staatsangehörigkeit - welchem im Falle eines Unternehmens dessen Sitz entspricht(31) - diskriminieren.

75.
    Der Gerichtshof hat sich in einigen Fällen im Zusammenhang mit diskriminierenden Maßnahmen aber auch auf den Ursprung der Dienstleistung bezogen(32).

76.
    Diskriminierende Regelungen im Bereich der Dienstleistungen anhand des Ursprungs der Dienstleistung, nicht anhand des Sitzes oder der Staatsangehörigkeit des Dienstleistungserbringers zu identifizieren, erscheint insbesondere in Fällen wie dem gegenständlichen als sachgerecht, in denen personenbezogenen Aspekten der Dienstleistungsfreiheit eine untergeordnete Rolle zukommt und es eher um die Dienstleistung als solche geht. Solche Erscheinungsformen der Dienstleistungsfreiheit weisen als „Produktfreizügigkeit“ eher Parallelen mit dem freien Warenverkehr - in dem es ebenfalls nicht auf das Kriterium der Staatsangehörigkeit ankommt - als mit dem freien Personenverkehr auf.

77.
    Insofern ist hier festzustellen, dass die streitige Einbeziehung in die Einkommensteuer durchwegs nur die Gewinne aus in anderen Mitgliedstaaten veranstalteten Lotterien betrifft, also Dienstleistungen mit Ursprung in anderen Mitgliedstaaten.

78.
    Der Hinweis der finnischen Regierung darauf, dass die fragliche Besteuerung der Lotteriegewinne nicht nur ausländische Lotterien, sondern auch alle Lotterien betreffe, die in Finnland ohne Genehmigung durchgeführt würden, ist meines Erachtens nämlich schon deshalb zurückzuweisen, weil legal veranstaltete Glücksspiele nicht mit illegalen Glücksspielen verglichen werden können.

79.
    Außerdem besteht im vorliegenden Fall - im Unterschied zu den Rechtssachen Schindler, Läärä und Zenatti, wo es um Glücksspieltätigkeiten im Mitgliedstaat der Dienstleistungsempfänger ging(33) - kein Zusammenhang mit einer Genehmigung oder Konzession zur Aufnahme von Tätigkeiten im Bereich der Lotterie in Finnland.

80.
    Im Übrigen kann ich auch nicht der von der finnischen, der belgischen und der niederländischen Regierung vertretenen Ansicht folgen, wonach die streitige Steuerregelung im Wesentlichen deshalb nicht diskriminierend sei, weil die inländischen Lotterieveranstalter der Lotteriesteuer unterlägen und somit Spielgewinne aus in- und ausländischen Lotterien im Ergebnis gleichermaßen besteuert würden.

81.
    Es handelt sich nämlich nicht um eine vergleichbare Besteuerung. Denn wie aus den Angaben der finnischen Regierung hervorgeht, entspricht die Höhe der von den finnischen Glücksspielveranstaltern zu entrichtenden Lotteriesteuer nicht der Höhe der Steuer, die von Lotteriegewinnern zu zahlen wäre, wenn solche Gewinne als einkommensteuerpflichtig anzusehen wären. Wie die Kommission ausgeführt hat, beläuft sich die Einkommensteuer auf bis zu 56 %, während die Lotteriesteuer nach den Angaben der finnischen Regierung sehr niedrig ist, sodass offenbar von einer geringeren Besteuerung von Gewinnen aus inländischen Lotterien im Vergleich zu jenen aus ausländischen Lotterien auszugehen ist.

82.
    Außerdem unterscheiden sich die Einkommensteuer und die Lotteriesteuer auch im Hinblick auf ihre Berechnung. Da nämlich ausländische Lotteriegewinne in die Bemessungsgrundlage für die progressiv gestaltete finnische Einkommensteuer einbezogen werden, hängt die tatsächliche Besteuerung dieser Gewinne letztlich von der Höhe des Gewinns und anscheinend auch von der Höhe der übrigen Einkünfte des finnischen Lotteriegewinners ab.

83.
    Insgesamt ist daher festzustellen, dass es sich bei der streitigen Steuerregelung im Unterschied zu den nationalen Vorschriften, um die es in den Rechtssachen Schindler, Läärä und Zenatti ging, nicht um eine Regelung handelt, die unterschiedslos anwendbar ist und die daher durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses zu rechtfertigen wäre. Vielmehr handelt es sich um eine diskriminierende Maßnahme, die nur aus den in Artikel 46 EG genannten Gründen gerechtfertigt sein kann.

C - Zu den Gründen wirtschaftlicher Natur

84.
    Das Verhältnis von Staaten zum Glücksspielwesen könnte man im Allgemeinen als ambivalent charakterisieren: Einerseits sehen sie sich aufgrund der mit Glücksspielen verbundenen gesellschaftlichen Risiken traditionell dazu veranlasst, ordnend oder beschränkend in diesen Bereich einzugreifen, andererseits sind Glücksspiele in fiskalischer wie allgemein wirtschaftlicher Hinsicht für den öffentlichen Haushalt von großer Bedeutung.

85.
    Schon Generalanwalt Gulmann hat in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Schindler diese wirtschaftlichen Implikationen des Glücksspiels ausführlich erörtert und auf die zum Teil weitgehenden Folgen einer Liberalisierung in diesem Bereich für die öffentlichen Finanzen der Mitgliedstaaten hingewiesen(34).

86.
    Dennoch können Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit gemeinschaftsrechtlich nur soweit hinnehmbar sein, als diese Beschränkungen mit den von den Mitgliedstaaten aufgrund der spezifischen Risiken des Glücksspiels verfolgten Ordnungs- und Schutzpolitiken zusammenhängen.

87.
    Denn auch wenn die Gewährleistung eines entsprechenden Spielraums der Mitgliedstaaten in diesem Bereich - wie er in den Urteilen Schindler, Läärä und Zenatti zum Ausdruck kam - im Endeffekt auch wirtschaftlichen Interessen bestimmter Mitgliedstaaten dienen mag, so darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Gemeinschaftsrecht prinzipiell keine Handhabe für eine Aufrechterhaltung von Beschränkungen aus wirtschaftlichen oder protektionistischen Beweggründen bieten kann.

88.
    Dies geht als klare Konsequenz aus der ständigen Rechtsprechung hervor, wonach wirtschaftliche Gründe weder zu den Gründen des Artikels 46 EG noch zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zählen, die eine Beschränkung einer durch den Vertrag gewährleisteten Grundfreiheit rechtfertigen können(35).

89.
    Daraus folgt zunächst im vorliegenden Fall, dass die streitige Steuerregelung nicht bloß mit der Sicherstellung der Finanzierung bestimmter gemeinnütziger Zwecke gerechtfertigt werden kann.

90.
    Dies geht meines Erachtens auch aus dem Urteil Zenatti hervor, wo der Gerichtshof festgestellt hat, dass, obwohl es „nicht gleichgültig“ sei, dass Lotterien und andere Glücksspiele in erheblichem Maße zur Finanzierung gemeinnütziger oder im Allgemeininteresse liegender Tätigkeiten beitragen können, „dies allein nicht als sachliche Rechtfertigung von Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit angesehen werden [kann]“(36).

91.
    Manche der beteiligten Regierungen haben auch mehr oder weniger explizit auf die Wahrung der Steuereinnahmen aus der Lotterie hingewiesen. Ganz allgemein kann jedoch die Notwendigkeit, einen Steuerausfall zu vermeiden - der beispielsweise dadurch entstünde, dass Spieler an Lotterien von Veranstaltern in anderen Mitgliedstaaten teilnehmen -, Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit weder gemäß Artikel 46 EG noch als zwingender Grund des Allgemeininteresses rechtfertigen(37).

92.
    Nicht als wirtschaftlicher Grund wäre dagegen die Wahrung der Kohärenz des Steuersystems anzusehen, mit welcher sich der Gerichtshof schon mehrfach im Zusammenhang mit Steuerregelungen, die den Bereich der Dienstleistungsfreiheit betreffen, auseinander gesetzt hat(38).

93.
    Aber abgesehen von der Problematik, ob dieser Rechtfertigungsgrund überhaupt bei diskriminierenden Maßnahmen wie der gegenständlichen greifen könnte, können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes steuerliche Ungleichbehandlungen nur dann aus Gründen der Kohärenz des Steuersystems gerechtfertigt sein, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den in Frage stehenden steuerlichen Maßnahmen besteht(39).

94.
    Im vorliegenden Fall kann man jedoch nicht von einem derartigen Zusammenhang zwischen der Besteuerung von Veranstaltern von finnischen Lotterien einerseits und der Einkommensteuerbefreiung von Gewinnern in diesen Lotterien andererseits sprechen.

95.
    Erstens handelt es sich nämlich um zwei getrennte Besteuerungen von verschiedenen Steuerpflichtigen und zweitens korreliert, wie ich bereits festgestellt habe, die von den finnischen Lotterieveranstaltern zu entrichtende Lotteriesteuer der Höhe nach nicht mit der Steuer, die von Gewinnern in finnischen Lotterien zu zahlen wäre, wenn diese Gewinne so besteuert würden, wie Gewinne aus ausländischen Lotterien.

D - Zum Nachweis der Rechtfertigung der gegenständlichen Regelung und zur Verhältnismäßigkeit

96.
    Zumindest ein Teil der von der finnischen Regierung vorgebrachten Argumente lässt sich den in Artikel 46 EG angeführten Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und vor allem der Gesundheit zuordnen. Wie diese ausgeführt hat, soll die fragliche Regelung insbesondere die Spielleidenschaft eindämmen und die Gefahr der Geldwäsche und anderer Straftaten abwenden.

97.
    Eine nationale Maßnahme, mit der eine der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten beschränkt wird, kann aber aus den in Artikel 46 EG genannten Gründen nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet.

98.
    Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet dies, dass eine solche Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr angestrebten Zieles zu gewährleisten und sie nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist; das gleiche Ergebnis darf also nicht durch weniger einschneidende Regelungen erreichbar sein(40).

99.
    Bevor ich auf Eignung und Erforderlichkeit der streitigen Maßnahme eingehe, möchte ich noch kurz gesondert auf eine gewisse Zweideutigkeit in der Argumentation der finnischen Regierung, aber auch der anderen beteiligten Regierungen, hinweisen.

100.
    Einerseits gingen die Rechtfertigungsvorbringen bezüglich der streitigen Besteuerung in die Richtung, dass die Besteuerung als solche bestimmten Zielen wie der Eindämmung der Spielleidenschaft diene.

101.
    Andererseits bestand der breitere Argumentationsrahmen wohl darin, dass die streitige Steuerregelung einen notwendigen Teil des finnischen Glücksspielregimes bilde, weil sie verhindere, dass die von einem Mitgliedstaat verfolgten Schutzzwecke bzw. die „Kanalisierungspolitik“ im Bereich der Glücksspiele, welche der Gerichtshof im Grunde als gerechtfertigt ansah, dadurch, dass an ausländischen Glücksspielen teilgenommen werden kann, unterlaufen werde.

102.
    Zu Letzterem ist festzustellen, dass der Gerichtshof es dem Ermessen eines Mitgliedstaats anheim gestellt hat, inwieweit dieser „auf seinem Gebiet im Bereich von Lotterien und anderen Glücksspielen Schutz gewähren will“(41).

103.
    Doch ist dies offenkundig so zu verstehen, dass die Mitgliedstaaten die Rahmenbedingungen und das Schutzniveau bezüglich der Erbringung von Glücksspieltätigkeiten auf ihrem Gebiet im Grunde nach ihren Vorstellungen regeln dürfen. In den Rechtssachen Schindler, Läärä und Zenatti ging es dabei insbesondere um die Angebotskontrolle(42). Diesbezüglich hat der Gerichtshof festgestellt, dass den staatlichen Stellen die Beurteilung zukomme, „ob es im Rahmen des angestrebten Zieles notwendig ist, derartige Tätigkeiten vollständig oder teilweise zu verbieten oder nur einzuschränken und dazu mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen“(43). Dieses Ermessen geht aber wohl nicht so weit, dass ein Mitgliedstaat, wie im vorliegenden Fall, die bloße Teilnahme an einer in einem anderen Mitgliedstaat veranstalteten Lotterie behindern oder beschränken dürfte, die nicht mit Lotterietätigkeiten in seinem Gebiet bzw. auf seinem Markt verbunden ist.

104.
    In einem solchen Fall sind diese in dem anderen Mitgliedstaat angebotenen Lotteriedienstleistungen nämlich nicht oder nur mittelbar Teil des „Glücksspielangebots“ in dem betreffenden Mitgliedstaat, zu dessen Kontrolle oder Beschränkung dieser zweifellos befugt ist(44).

105.
    Was nun aber zunächst das Ziel der Verhinderung der Geldwäsche und anderer Straftaten betrifft, also den Schutz der öffentlichen Ordnung, so ist aus den Angaben der beteiligten Regierungen kaum ersichtlich, inwiefern die streitige Besteuerung ausländischer Lotteriegewinne zur Erreichung dieser Ziele geeignet oder erforderlich sein soll.

106.
    Die norwegische Regierung hat im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Geldwäsche darauf verwiesen, dass in Ermangelung der streitigen Besteuerung ausländische Gewinnscheine von Personen gekauft werden könnten, um gegenüber den Steuerbehörden die legale Herkunft des Geldes zu beweisen.

107.
    Zunächst ist eine Eignung der Besteuerung, solche Machenschaften zu verhindern, wohl nur insoweit gegeben, als Geldwäsche dadurch weniger attraktiv wird, dass die betreffenden illegalen Gelder zu versteuern wären. An der Geldwäschemöglichkeit als solcher änderte sich aber allein durch diese Maßnahme nichts.

108.
    Zur Erforderlichkeit der Besteuerung ausländischer Lotteriegewinne, um Geldwäsche in diesem Bereich zu verhindern, ist sodann festzustellen, dass diesbezüglich eher an einer Verifizierung des Bestehens der Lotteriegewinne, die prinzipiell genauso ohne Besteuerung dieser Gewinne vorgenommen werden könnte, anzusetzen wäre(45).

109.
    In diesem Lichte steht die generelle Besteuerung ausländischer Gewinne meiner Ansicht nach in keinem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel.

110.
    Was sodann das Ziel der Eindämmung der Spielleidenschaft, also den Gesundheitsschutz, betrifft, so lassen sich den Vorbringen der Beteiligten etwas konkretere Angaben entnehmen. Demnach soll offenbar insbesondere durch eine durch steuerliche Maßnahmen bewirkte Verringerung der Gewinnhöhe der Anreiz zum Spiel gemindert werden.

111.
    Da die Attraktivität einer Lotterie in einer Relation zur Höhe des möglichen Gewinns steht, ist die Eignung der streitigen Maßnahme zur Eindämmung der Spielleidenschaft grundsätzlich zu bejahen.

112.
    Jedoch sprechen mehrere Aspekte gegen eine Verhältnismäßigkeit bzw. Erforderlichkeit der streitigen Steuerregelung für Zwecke des Gesundheitsschutzes.

Im Übrigen beträfen diese Einwände großteils auch die Rechtfertigung der streitigen Maßnahme durch die im Verfahren genannten zwingenden Gründe des Allgemeininteresses.

113.
    Die Ausführungen der finnischen Regierung in ihrer schriftlichen Stellungnahme, dass sie die Besteuerung von Lotterien in Finnland möglichst gering halte, um die Finanzierung gemeinnütziger Tätigkeiten nicht zu gefährden, lassen sich nämlich mit den - im Wege der finnischen Steuerpolitik bezüglich der Lotterien - verfolgten Zielen der gesundheitspolitisch motivierten Eindämmung der Spielsucht kaum in Einklang bringen.

114.
    Generell lässt sich aus der Rechtsprechung zu Artikel 46 EG ableiten, dass die dort genannten Rechtfertigungsgründe es nicht zulassen, dass Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschränkungen mit zweierlei Maß messen. Im Zusammenhang mit der öffentlichen Ordnung hat der Gerichtshof festgestellt, dass ein Mitgliedstaat aus diesem Grund nicht Maßnahmen gegenüber einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats treffen darf „wegen eines Verhaltens, das für die Angehörigen des erstgenannten Mitgliedstaats keine repressiven oder anderen tatsächlichen und effektiven Maßnahmen zu seiner Bekämpfung zur Folge hätte(46). Umgelegt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass aus Gründen der Bekämpfung der Spielleidenschaft in Bezug auf ausländische Lotterien insoferne nicht beschränkender vorgegangen werden darf, als in Bezug auf inländische Lotterien. So gesehen ist anzumerken, dass die finnische Regierung nicht auf mit der streitigen Regelung vergleichbare Maßnahmen der Bekämpfung der Spielsucht im Zusammenhang mit finnischen Lotterien verweisen konnte.

115.
    Die Lotteriesteuer, die der finnische Veranstalter einer Lotterie zu entrichten hat, ist mit der Besteuerung des Gewinns aus ausländischen Lotterien in ihrer (die Spielsucht eindämmenden) Wirkung schon deshalb kaum vergleichbar, weil sie offenbar von geringerer Höhe ist und vor allem, weil der Lotteriespieler sie nur indirekt aufzubringen hat. Zudem hat die finnische Regierung eingeräumt, dass es in Finnland bezüglich der Lotterien auch keine Begrenzung im Hinblick auf die Höhe des Spieleinsatzes gibt.

116.
    Wenn schließlich die finnische Regierung damit argumentiert, dass mit der Besteuerung von Gewinnen aus ausländischen Lotterien lediglich die fehlende steuerliche Belastung durch die Lotteriesteuer ausgeglichen werden soll, so müsste bei dieser Besteuerung auch berücksichtigt werden, ob die ausländische Lotterie nicht bereits in ihrem Herkunftsland steuerlichen Belastungen unterliegt. Sonst nämlich geht die streitige Maßnahme über das zur Erreichung des angegebenen Zieles notwendige Maß hinaus.

117.
    Hinsichtlich der Möglichkeit, dies zu überprüfen, kann, wie dies der Gerichtshof bereits mehrfach in ähnlich gelagerten Fällen getan hat, auf die Richtlinie 77/799/EWG(47) verwiesen werden, wonach ein Mitgliedstaat die zuständigen Behörden um alle Auskünfte ersuchen kann, die er für die ordnungsgemäße Festsetzung der Einkommensteuer benötigt(48). Durch die streitige steuerliche Regelung werden nämlich die Gewinne aus ausländischen Lotterien in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen.

118.
    Somit ist festzustellen, dass die streitige Regelung nicht aus einem in Artikel 46 EG genannten Grund erforderlich ist.

119.
    Eine Rechtfertigung der streitigen Steuerregelung ist daher nicht gegeben.

120.
    Nach all dem ist festzustellen, dass Steuervorschriften wie jene, um die es hier geht, nicht mit Artikel 49 EG vereinbar sind.

VI - Ergebnis

121.
    Demnach wird dem Gerichtshof vorgeschlagen, die Vorlagefrage wie folgt zu beantworten:

Artikel 49 EG steht nationalen Vorschriften wie den finnischen entgegen, nach denen Lotteriegewinne aus Lotterien, die in anderen Mitgliedstaaten veranstaltet werden, bei der Einkommensbesteuerung als steuerpflichtige Einkünfte des Gewinners behandelt werden, während Lotteriegewinne aus Lotterien, die in dem betreffenden Mitgliedstaat veranstaltet werden, von der Einkommensteuer befreit sind.


1: -     Originalsprache: Deutsch.


2: -     Urteil vom 24. März 1994 in der Rechtssache C-275/92 (Schindler, Slg. 1994, I-1039).


3: -     Urteil vom 21. September 1999 in der Rechtssache C-124/97 (Läärä, Slg. 1999, I-6067).


4: -     Urteil vom 21. Oktober 1999 in der Rechtssache C-67/98 (Zenatti, Slg. 1999, I-7289).


5: -     Zitiert in Fußnote 2.


6: -     Zitiert in Fußnote 3.


7: -     Zitiert in Fußnote 4.


8: -     Urteil vom 31. März 1993 in der Rechtssache C-19/92 (Kraus, Slg. 1993, I-1663, Randnr. 32).


9: -     Urteil vom 30. November 1995 in der Rechtssache C-55/94 (Gebhard, Slg. 1995, I-4165, Randnr. 37).


10: -     Zitiert in Fußnote 4 (Randnr. 36).


11: -     Urteil vom 11. Juni 1998 in der Rechtssache C-283/95 (Fischer, Slg. 1998, I-3369).


12: -     Urteil zitiert in Fußnote 2.


13: -     Urteil zitiert in Fußnote 3.


14: -     Urteil zitiert in Fußnote 4.


15: -     Siehe das Urteil Schindler (zitiert in Fußnote 2), Randnr. 3.


16: -     Siehe das Urteil Läärä (zitiert in Fußnote 3), Randnr. 2.


17: -     Siehe das Urteil Zenatti (zitiert in Fußnote 4), Randnr. 2.


18: -     Nach ständiger Rechtsprechung schließt der freie Dienstleistungsverkehr die Freiheit der Leistungsempfänger ein, sich zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung in einen Mitgliedstaat zu begeben, ohne durch Beschränkungen daran gehindert zu werden. Siehe u. a. die Urteile vom 28. Oktober 1999 in der Rechtssache C-55/98 (Vestergaard, Slg. 1999, I-7641, Randnr. 20), vom 29. April 1999 in der Rechtssache C-224/97 (Ciola, Slg. 1999, I-2517, Randnr. 11), vom 31. Januar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 286/82 und 26/83 (Luisi und Carbone, Slg. 1984, 377, Randnr. 16) und vom 2. Februar 1989 in der Rechtssache 186/87 (Cowan, Slg. 1989, 195, Randnr. 15).


19: -     Vgl. u. a. die Urteile vom 3. Oktober 2002 in der Rechtssache C-136/00 (Danner, Slg. 2002, I-8147, Randnr. 28), vom 26. Oktober 1999 in der Rechtssache C-294/97 (Eurowings, Slg. 1999, I-7447, Randnr. 32) und vom 14. Februar 1995 in der Rechtssache C-279/93 (Schumacker, Slg. 1995, I-225, Randnr. 21).


20: -     -    Urteil Schindler (zitiert in Fußnote 2), Randnr. 19.


21: -     Unter anderem die Urteile vom 13. Februar 2003 in der Rechtssache C-131/01 (Kommission/Italien, Slg. 2003, I-0000, Randnr. 26), vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C-294/00 (Deutsche Paracelsus Schulen, Slg. 2002, I-6515, Randnr. 38), vom 3. Oktober 2000 in der Rechtssache C-58/98 (Corsten, Slg. 2000, I-7919, Randnr. 33), vom 28. März 1996 in der Rechtssache C-272/94 (Guiot, Slg. 1996, I-1905, Randnr. 10), vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-43/93 (Vander Elst, Slg. 1994, I-3803, Randnr. 14) und vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-76/90 (Säger, Slg. 1991, I-4221, Randnr. 12).


22: -     Vgl. z. B. das Urteil vom 28. April 1998 in der Rechtssache C-158/96 (Kohll, Slg. 1998, I-1931, Randnr. 35).


23: -     Siehe die Urteile Schindler (zitiert in Fußnote 2), Randnrn. 57 ff., Läärä (zitiert in Fußnote 3), Randnrn. 31 ff., und Zenatti (zitiert in Fußnote 4), Randnrn. 29 ff.


24: -     Vgl. u. a. die Urteile in der Rechtssache C-294/00 (zitiert in Fußnote 21), Randnr. 39, vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache C-424/97 (Haim, Slg. 2000, I-5123, Randnr. 57), in der Rechtssache Zenatti (zitiert in Fußnote 4), Randnr. 29, und vom 30. November 1995 in der Rechtssache Gebhard (zitiert in Fußnote 9), Randnr. 37.


25: -     Siehe die Urteile Schindler (zitiert in Fußnote 2), Randnr. 47, Läärä (zitiert in Fußnote 3), Randnr. 28, und Zenatti (zitiert in Fußnote 4), Randnr. 26. Die in den beiden letztgenannten Rechtssachen streitigen nationalen Regelungen enthielten - anders als in der Rechtssache Schindler - kein generelles Verbot der dort jeweils fraglichen Tätigkeiten im Bereich des Glücksspiels, sondern behielten diese Tätigkeiten bestimmten (inländischen) Einrichtungen vor. Obwohl solche Regelungen unvermeidlich ausländische Dienstleistungserbringer benachteiligen bzw. deren Tätigkeit auf diesem Gebiet praktisch ausschließen, qualifizierte der Gerichtshof diese Regelungen dennoch als unterschiedslos anwendbar, weil die Beschränkungen der Glücksspieltätigkeiten jeweils alle - inländischen wie ausländischen - Wirtschaftsteilnehmer betrafen, die hierfür über keine Zulassung verfügten oder keine Genehmigung erhalten konnten.


26: -     Siehe die Urteile vom 29. April 1999 in der Rechtssache Ciola (zitiert in Fußnote 18), Randnr. 16, vom 14. November 1995 in der Rechtssache C-484/93 (Svensson, Slg. 1995, I-3955, Randnr. 15), vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-288/89 (Collectieve Antennevoorziening Gouda, Slg. 1991, I-4007, Randnr. 11), vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-353/89 (Kommission/Niederlande, Slg. 1991, I-4069, Randnr. 15) und vom 26. April 1988 in der Rechtssache 352/85 (Bond van Adverteerders u. a., Slg. 1988, 2085, Randnr. 32). Vgl. auch meine Schlussanträge vom 10. Oktober 2002 in der Rechtssache C-388/01 (Kommission/Italien, Urteil vom 16. Januar 2003, Slg. 2003, I-0000, Nr. 35).


27: -     Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs vom 21. März 2002 in der Rechtssache C-136/00 (Urteil zitiert in Fußnote 19), Nrn. 40 und 41.


28: -     -    Urteil Danner (zitiert in Fußnote 19), Randnrn. 32 ff.


29: -     Urteil in der Rechtssache C-388/01 (zitiert in Fußnote 26), Randnr. 19.


30: -     So hat der Gerichtshof beispielsweise in seinem Urteil in der Rechtssache Ciola (zitiert in Fußnote 18), Randnr. 16, festgestellt, dass sich nach dem Wohnsitz des Empfängers diskriminierende Maßnahmen nur aufgrund einer ausdrücklich abweichenden Bestimmung des Vertrages mit dem Gemeinschaftsrecht rechtfertigen ließen, während er in seinem kürzlich ergangenen Urteil in der Rechtssache C-388/01 (zitiert in Fußnote 26), Randnr. 21, eine nach diesem Kriterium unterscheidende Maßnahme dahin gehend geprüft hat, ob sie aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.


31: -     Vgl. bereits das Urteil vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 270/83 (Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 273, Randnr. 18).


32: -     Unter anderem die Urteile in den Rechtssachen Kommission/Niederlande (zitiert in Fußnote 26), Randnr. 15, und in der Rechtssache Bond van Adverteerders (zitiert in Fußnote 26), Randnr. 32.


33: -     Siehe oben, Nrn. 48 ff., und die Fußnote 25.


34: -     Schlussanträge vom 16. Dezember 1993 in der Rechtssache C-275/92 (Urteil zitiert in Fußnote 2), Nrn. 114 ff.


35: -     Vgl. u. a. die Urteile vom 16. Januar 2003 in der Rechtssache C-388/01 (zitiert in Fußnote 26), Randnr. 19, vom 21. November 2002 in der Rechtssache C-436/00 (X und Y, Slg. 2002, I-0000, Randnr. 50), vom 6. Juni 2000 in der Rechtssache C-35/98 (Verkooijen, Slg. 2000, I-4071, Randnr. 48), vom 28. April 1998 in der Rechtssache C-158/96 (zitiert in Fußnote 22), Randnr. 41, und vom 14. November 1995 in der Rechtssache Svensson (zitiert in Fußnote 26), Randnr. 15.


36: -     Urteil Zenatti (zitiert in Fußnote 4), Randnr. 36, vgl. aber auch das Urteil in der Rechtssache 352/85 (zitiert in Fußnote 26), Randnr. 34.


37: -     Vgl. die Urteile vom 3. Oktober 2002 in der Rechtssache C-136/00 (zitiert in Fußnote 19), Randnr. 56, und vom 21. September 1999 in der Rechtssache C-307/97 (Saint-Gobain, Slg. 1999, I-6161, Randnr. 51).


38: -     Siehe z. B. das Urteil vom 6. Juni 2000 in der Rechtssache C-35/98 (zitiert in Fußnote 35), Randnrn. 48 und 56, und die in der folgenden Fußnote genannten Urteile.


39: -     Siehe die Urteile vom 3. Oktober 2002 in der Rechtssache C-136/00 (zitiert in Fußnote 19), Randnr. 36, vom 8. März 2001 in den verbundenen Rechtssachen C-397/98 und C-410/98 (Metallergesellschaft Ltd u. a., Slg. 2001, I-1727, Randnr. 69) und in der Rechtssache Verkooijen (zitiert in Fußnote 35), Randnr. 57.


40: -     In diesem Sinne u. a. die Urteile des Gerichtshofes vom 26. November 2002 in der Rechtssache C-100/01 (Olazabal, Slg. 2002, I-0000, Randnr. 43), vom 9. Juli 1997 in den verbundenen Rechtssachen C-34/95, C-35/95 und C-36/95 (De Agostini, Slg. 1997, I-3843, Randnr. 55), vom 30. November 1995 in der Rechtssache C-55/94 (zitiert in Fußnote 9), Randnr. 37, und vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-353/89 (zitiert in Fußnote 26), Randnr. 19.


41: -     Siehe das Urteil Zenatti (zitiert in Fußnote 4), Randnr. 33.


42: -     Siehe Fußnote 25.


43: -     Urteil Zenatti (zitiert in Fußnote 4), Randnr. 33.


44: -     Vgl. dazu Generalanwalt Fennelly in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C-67/98 (Urteil zitiert in Fußnote 4), Nr. 33.


45: -     Schließlich dürften Geldwäscheaktivitäten aufseiten der Teilnehmer an Lotterien anders als aufseiten der Veranstalter derselben - die deshalb zu Recht in der Regel einer entsprechenden Kontrolle bzw. einem Konzessionssystem unterliegen - in größerem Umfang schwierig sein. Zum einen müssten wohl zunächst Verkäufer von - ausländischen - Lotteriescheinen ausfindig gemacht werden, mit denen ein entsprechender Betrag gewonnen wurde. Zum anderen würden besonders hohe oder - eher noch - häufige Gewinne in einem Glücksspiel wie der Lotterie wohl nicht unbemerkt bleiben.


46: -     Urteil in der Rechtssache C-100/01 (zitiert in Fußnote 40), Randnr. 42; siehe auch das Urteil vom 18. Mai 1992 in den Rechtssachen 115/81 und 116/81 (Adoui und Cornuaille, Slg. 1982, 1665, Randnr. 9).


47: -     Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (ABl. L 336, S. 15).


48: -     Vgl. die Urteile vom 3. Oktober 2002 in der Rechtssache C-136/00 (zitiert in Fußnote 19), Randnr. 49, vom 28. Oktober 1999 in der Rechtssache Vestergaard (zitiert in Fußnote 18), Randnr. 26, vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C-250/95 (Futura Participations, Slg. 1997, I-2471, Randnr. 30) und vom 11. August 1995 in der Rechtssache C-80/94 (Wielockx, Slg. 1995, I-2493, Randnr. 26).