Language of document : ECLI:EU:T:2014:835

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

26. September 2014 (*)

„Umwelt – Richtlinie 2003/87/EG – System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten – Übergangsvorschriften zur Harmonisierung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten ab 2013 – Beschluss 2011/278/EU – Von Deutschland unterbreitete nationale Umsetzungsmaßnahmen – Härtefallklausel – Berufsfreiheit und unternehmerische Freiheit – Eigentumsrecht – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache T‑614/13

Romonta GmbH mit Sitz in Seegebiet Mansfelder Land (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen I. Zenke, M.‑Y. Vollmer und A. Schulze sowie Rechtsanwalt C. Telschow,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch E. White, C. Hermes und K. Herrmann als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend einen Antrag auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2013/448/EU der Kommission vom 5. September 2013 über nationale Umsetzungsmaßnahmen für die übergangsweise kostenlose Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten gemäß Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 240, S. 27), soweit darin in Art. 1 Abs. 1 eine Härtefallzuteilung für die Klägerin für die dritte Handelsperiode des Emissionshandels 2013 bis 2020 nach § 9 Abs. 5 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes vom 21. Juli 2011 abgelehnt wird,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Dittrich (Berichterstatter), des Richters J. Schwarcz und der Richterin V. Tomljenović,

Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Mai 2014

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die Romonta GmbH, ist ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland und europaweit der einzige Hersteller von Montanwachs. Aus besonders bitumenreicher Braunkohle löst sie das Bitumen, um es aufzubereiten und als Montanwachs zu vermarkten. Den verbleibenden Braunkohlerückstand verwertet die Klägerin in einer hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungsanlage. Die erzeugte Wärme benötigt die Klägerin für ihren industriellen Prozess. Den beim Kraft-Wärme-Kopplungs-Prozess als Nebenprodukt anfallenden Strom verkauft sie. Seit dem 1. Januar 2005 unterliegt die Klägerin dem System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Europäischen Union gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl. L 275, S. 32), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2009/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des Gemeinschaftssystems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten (ABl. L 140, S. 63) (im Folgenden: Richtlinie 2003/87). Nach Art. 1 der Richtlinie 2003/87 wurde dieses System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten geschaffen, um Treibhausgasemissionen in der Union zu verringern.

2        Zu diesem Zweck bestimmt Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87, dass die unionsweite Menge der Zertifikate, die ab 2013 jährlich vergeben werden, ab der Mitte des Zeitraums von 2008 bis 2012 linear verringert wird. Nach Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie musste die Europäische Kommission die absolute unionsweite Menge der Zertifikate für 2013 veröffentlichen. Hierzu erließ sie den Beschluss 2010/384/EU vom 9. Juli 2010 über die gemeinschaftsweite Menge der im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems für 2013 zu vergebenden Zertifikate (ABl. L 175, S. 36), aufgehoben durch den Beschluss 2010/634/EU der Kommission vom 22. Oktober 2010 zur Anpassung dieser Menge (ABl. L 279, S. 34). Diese absolute Menge wird nach den Regeln der Art. 10, 10a und 10c der Richtlinie 2003/87 vergeben. So wird ein Teil der Zertifikate auf der Grundlage der Art. 10a und 10c dieser Richtlinie kostenlos zugeteilt. Ab dem Jahr 2013 werden alle Zertifikate, die nicht gemäß den Art. 10a und 10c der Richtlinie 2003/87 kostenlos zugeteilt werden, nach Art. 10 dieser Richtlinie von den Mitgliedstaaten versteigert.

3        Was die auf der Grundlage von Art. 10a der Richtlinie 2003/87 kostenlos zuzuteilenden Zertifikate betrifft, musste die Kommission unionsweite und vollständig harmonisierte Durchführungsmaßnahmen für die harmonisierte Zuteilung kostenloser Emissionszertifikate erlassen. Sie war insoweit insbesondere verpflichtet, Ex-ante-Benchmarks für die einzelnen Sektoren bzw. Teilsektoren festzulegen und dabei als Ausgangspunkt die Durchschnittsleistung der 10 % effizientesten Anlagen eines Sektors oder Teilsektors der Union in den Jahren 2007 und 2008 zugrunde zu legen. Auf der Grundlage dieser Benchmarks wird die Zahl der Emissionszertifikate berechnet, die ab 2013 den einzelnen betroffenen Anlagen kostenlos zuzuteilen sind.

4        Am 27. April 2011 erließ die Kommission den Beschluss 2011/278/EU zur Festlegung EU-weiter Übergangsvorschriften zur Harmonisierung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten gemäß Artikel 10a der Richtlinie 2003/87 (ABl. L 130, S. 1). Wie sich aus dem vierten Erwägungsgrund und Anhang I dieses Beschlusses ergibt, legte die Kommission darin so weit wie möglich für jedes Produkt eine Benchmark fest. Soweit die Berechnung einer Produkt-Benchmark nicht möglich war, jedoch für die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten in Frage kommende Treibhausgase entstehen, wurde, wie sich aus dem zwölften Erwägungsgrund dieses Beschlusses ergibt, eine Hierarchie von drei Fall-Back-Methoden entwickelt. So gilt die Wärme-Benchmark für Wärmeverbrauchsprozesse, bei denen ein Träger messbarer Wärme eingesetzt wird. Die Brennstoff-Benchmark findet Anwendung, wenn nicht messbare Wärme verbraucht wird. Für Prozessemissionen werden die Emissionszertifikate auf der Basis der historischen Emissionen zugeteilt.

5        Art. 10 des Beschlusses 2011/278 enthält die Regeln, nach denen die Mitgliedstaaten für jedes Jahr die Anzahl der Emissionszertifikate zu berechnen haben, die jeder Bestandsanlage in ihrem Hoheitsgebiet ab 2013 kostenlos zugeteilt werden. Gemäß Art. 10 Abs. 2 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, zunächst die vorläufige jährliche Anzahl der den einzelnen Anlagenteilen kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikate für jeden Anlagenteil mit Produkt-Benchmark und für Anlagenteile mit Wärme-Benchmark, Brennstoff-Benchmark und Prozessemissionen zu bestimmen.

6        Gemäß Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 und Art. 15 Abs. 1 und 2 des Beschlusses 2011/278 hatten die Mitgliedstaaten der Kommission bis 30. September 2011 ein Verzeichnis der in ihrem Hoheitsgebiet unter die Richtlinie fallenden Anlagen und alle den einzelnen Anlagen in ihrem Hoheitsgebiet kostenlos zugeteilten Zertifikate, die im Einklang mit den Vorschriften von Art. 10a Abs. 1 und Art. 10c der Richtlinie berechnet wurden, zu unterbreiten. Gemäß Art. 15 Abs. 3 des Beschlusses 2011/278 musste die Kommission alle Anlageneinträge sowie die den jeweiligen Anlagen zugeordneten vorläufigen Jahresgesamtmengen der kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikate prüfen und den einheitlichen sektorübergreifenden Korrekturfaktor festlegen. Diese Festlegung war notwendig, da die jährliche Höchstmenge der kostenlos zuzuteilenden Zertifikate nach Art. 10a Abs. 5 der Richtlinie 2003/87 begrenzt war. Gemäß Art. 15 Abs. 4 des Beschlusses 2011/278 nimmt der betreffende Mitgliedstaat, sofern die Kommission den Eintrag einer Anlage im Verzeichnis und die entsprechenden vorläufigen Jahresgesamtmengen der dieser Anlage kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikate nicht ablehnt, die Berechnung der endgültigen Jahresmenge der Emissionszertifikate vor, die für jedes Jahr des Zeitraums 2013 bis 2020 kostenlos zuzuteilen sind. Gemäß Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 dürfen die Mitgliedstaaten Anlagen, deren Eintrag in das in Art. 11 Abs. 1 genannte Verzeichnis von der Kommission abgelehnt wurde, keine kostenlosen Zertifikate zuteilen.

7        In Deutschland wurde der Beschluss 2011/278 u. a. durch das Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz – TEHG) vom 21. Juli 2011 umgesetzt. § 9 Abs. 5 TEHG enthält folgende Härtefallklausel:

„Bedeutete eine Zuteilung nach den Zuteilungsregeln nach § 10 eine unzumutbare Härte für den Anlagenbetreiber und für ein mit diesem verbundenes Unternehmen, das mit seinem Kapital aus handels- oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für die wirtschaftlichen Risiken des Anlagenbetriebes einstehen muss, teilt die zuständige Behörde auf Antrag des Betreibers zusätzliche Berechtigungen in der für einen Ausgleich angemessenen Menge zu, soweit die Europäische Kommission diese Zuteilung nicht nach Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 2003/87/EG ablehnt.“

8        Am 21. Dezember 2011 beantragte die Klägerin bei der für den Vollzug des Handels mit Emissionszertifikaten in der Bundesrepublik Deutschland zuständigen Behörde die Zuteilung kostenloser Zertifikate für ihre Anlage mit der Kennnummer DE000000000000978 nach dem Zuteilungselement für Prozessemissionen, dem Zuteilungselement mit Wärme-Benchmark und nach der Härtefallklausel gemäß § 9 Abs. 5 TEHG. Hierzu machte sie geltend, dass ihre Existenz von der Zuteilung zusätzlicher Zertifikate gemäß dieser Klausel abhänge, weil sie anderenfalls in die Insolvenz gerate.

9        Am 7. Mai 2012 übermittelte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission gemäß Art. 15 Abs. 1 des Beschlusses 2011/278 das Verzeichnis der unter die Richtlinie 2003/87 fallenden Anlagen in ihrem Hoheitsgebiet und alle den einzelnen Anlagen in ihrem Hoheitsgebiet kostenlos zuzuteilenden Zertifikate. Für die Anlage der Klägerin hatte dieser Mitgliedstaat die vorläufige Menge an kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikaten u. a. in Anwendung der Härtefallklausel gemäß § 9 Abs. 5 TEHG berechnet.

10      Am 5. September 2013 erließ die Kommission den Beschluss 2013/448/EU über nationale Umsetzungsmaßnahmen für die übergangsweise kostenlose Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten gemäß Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 2003/87 (ABl. L 240, S. 27, im Folgenden: angefochtener Beschluss).

11      Mit Art. 1 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses in Verbindung mit Anhang I Buchst. A dieses Beschlusses lehnte die Kommission die Aufnahme der Anlage der Klägerin in die von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 unterbreiteten Verzeichnisse von unter diese Richtlinie fallenden Anlagen und die vorläufigen Jahresgesamtmengen der Emissionszertifikate ab, die dieser Anlage kostenlos zugeteilt werden sollen.

12      Die Kommission vertrat, wie dem elften Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen ist, die Ansicht, dass die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten an die Klägerin auf der Grundlage von § 9 Abs. 5 TEHG abzulehnen sei, da der Beschluss 2011/278 eine Anpassung, wie sie die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage dieser Vorschrift vornehmen wolle, nicht vorsehe. Deutschland habe nicht dargelegt, dass die auf der Grundlage des Beschlusses 2011/278 berechnete Zuteilung an die betreffende Anlage mit Blick auf das angestrebte Ziel der vollständigen Harmonisierung der Zuteilungen offensichtlich unangemessen gewesen sei. Die Zuteilung zusätzlicher kostenloser Zertifikate an einige Anlagen würde den Wettbewerb verzerren oder zu verzerren drohen und hätte grenzüberschreitende Folgen, da in allen unter die Richtlinie 2003/87 fallenden Sektoren unionsweit gehandelt werde. Angesichts des Grundsatzes der Gleichbehandlung der unter das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten fallenden Anlagen hielt es die Kommission für angezeigt, gegen die in den nationalen Umsetzungsmaßnahmen Deutschlands vorgesehenen vorläufigen Mengen der kostenlosen Zuteilung an bestimmte Anlagen, die in Anhang I Buchst. A des angefochtenen Beschlusses aufgeführt sind, Einwände zu erheben.

13      Gemäß Art. 2 des angefochtenen Beschlusses erhob die Kommission unbeschadet des Art. 1 dieses Beschlusses keine Einwände gegen die Verzeichnisse der unter die Richtlinie 2003/87 fallenden Anlagen, die die Mitgliedstaaten gemäß Art. 11 Abs. 1 dieser Richtlinie unterbreitet haben, und die entsprechenden vorläufigen Jahresgesamtmengen der diesen Anlagen kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikate.

14      In Art. 3 des angefochtenen Beschlusses wurde von der Kommission die auf der Grundlage der Art. 9 und 9a der Richtlinie 2003/87 bestimmte Gesamtmenge der ab 2013 zu vergebenden Zertifikate, wie sie im Beschluss 2010/634 festgelegt worden war, angepasst.

15      Schließlich legte die Kommission in Art. 4 des angefochtenen Beschlusses in Verbindung mit Anhang II dieses Beschlusses gemäß Art. 15 Abs. 3 des Beschlusses 2011/278 den einheitlichen sektorübergreifenden Korrekturfaktor gemäß Art. 10a Abs. 5 der Richtlinie 2003/87 fest.

 Verfahren und Anträge der Parteien

16      Mit Klageschrift, die am 26. November 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

17      Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin beantragt, über die vorliegende Klage im beschleunigten Verfahren nach Art. 76a der Verfahrensordnung des Gerichts zu entscheiden. Die Kommission hat am 10. Dezember 2013 ihre Stellungnahme zu diesem Antrag eingereicht.

18      Mit besonderem Schriftsatz, der am 27. November 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, mit dem sie im Wesentlichen die Außervollzugsetzung des angefochtenen Beschlusses begehrte, soweit damit eine Zuteilung von Zertifikaten nach § 9 Abs. 5 TEHG abgelehnt wurde.

19      Mit Entscheidung vom 17. Dezember 2013 hat das Gericht (Fünfte Kammer) dem Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren stattgegeben.

20      Mit Beschluss vom 20. Januar 2014, Romonta/Kommission (T‑614/13 R, EU:T:2014:16), ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten worden.

21      Am 21. Januar 2014 ist das schriftliche Verfahren geschlossen worden.

22      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Fünfte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

23      Im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme gemäß Art. 64 seiner Verfahrensordnung hat das Gericht die Kommission aufgefordert, eine Frage in der mündlichen Verhandlung zu beantworten.

24      In der Sitzung vom 14. Mai 2014 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

25      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit darin in Art. 1 Abs. 1 für sie eine Härtefallzuteilung für die dritte Handelsperiode des Emissionshandels 2013 bis 2020 nach § 9 Abs. 5 TEHG abgelehnt wird;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

26      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

27      Die Kommission wendet sich, ohne förmlich eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, gegen die Zulässigkeit der Klage. Bevor die von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe geprüft werden, ist daher die Zulässigkeit der Klage zu prüfen.

 Zur Zulässigkeit

28      Die Kommission stellt die Klagebefugnis der Klägerin, genauer deren unmittelbare Betroffenheit, in Abrede. Sie ist der Ansicht, Art. 15 Abs. 4 und 5 des Beschlusses 2011/278 sehe vor einer Zuteilung von Emissionszertifikaten nationale Umsetzungsmaßnahmen vor.

29      Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann jede natürliche oder juristische Person unter den Bedingungen nach Art. 263 Abs. 1 und 2 gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben.

30      Im vorliegenden Fall steht fest, dass der angefochtene Beschluss nicht an die Klägerin gerichtet war und diese daher nicht Adressatin dieser Handlung ist. Unter diesen Umständen kann die Klägerin nach Art. 263 Abs. 4 AEUV eine Nichtigkeitsklage gegen den angefochtenen Beschluss nur unter der Voraussetzung erheben, dass sie u. a. von ihm unmittelbar betroffen ist.

31      Die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann erfüllt, wenn sich erstens die beanstandete Maßnahme auf die Rechtsstellung des Einzelnen unmittelbar auswirkt und sie zweitens ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung anderer Durchführungsvorschriften ergibt (Urteile vom 5. Mai 1998, Dreyfus/Kommission, C‑386/96 P, Slg, EU:C:1998:193, Rn. 43, vom 29. Juni 2004, Front national/Parlament, C‑486/01 P, Slg, EU:C:2004:394, Rn. 34, und vom 10. September 2009, Kommission/Ente per le Ville vesuviane und Ente per le Ville vesuviane/Kommission, C‑445/07 P und C‑455/07 P, Slg, EU:C:2009:529, Rn. 45).

32      Gemäß Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 dürfen die Mitgliedstaaten Anlagen, deren Eintrag in das in Abs. 1 dieser Vorschrift genannte Verzeichnis von Anlagen die Kommission abgelehnt hat, keine kostenlosen Zertifikate zuteilen. Die Ablehnung des Eintrags der Anlage der Klägerin in dieses Verzeichnis und der entsprechenden vorläufigen Jahresgesamtmengen der dieser Anlage kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikate wirkt sich daher unmittelbar auf die Rechtsstellung der Klägerin aus und lässt der Bundesrepublik Deutschland, die mit der Durchführung des angefochtenen Beschlusses betraut ist, keinerlei Ermessensspielraum. Im Übrigen spiegeln sich die Wirkungen des angefochtenen Beschlusses auch in § 9 Abs. 5 TEHG wider, wonach die nationale Behörde Emissionszertifikate nur dann gemäß der Härtefallklausel kostenlos zuteilen kann, wenn die Kommission diese Zuteilung nicht nach Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 ablehnt (vgl. Rn. 7 des vorliegenden Urteils).

33      Diese Schlussfolgerung wird durch das Vorbringen der Kommission nicht in Frage gestellt. Zwar sieht, wie die Kommission vorträgt, Art. 15 Abs. 4 und 5 des Beschlusses 2011/278 nationale Umsetzungsmaßnahmen vor, jedoch schließt diese Bestimmung nicht aus, dass die Klägerin von dem angefochtenen Beschluss unmittelbar betroffen ist.

34      Was erstens Art. 15 Abs. 4 des Beschlusses 2011/278 betrifft, sieht diese Bestimmung nämlich vor, dass der betreffende Mitgliedstaat, sofern die Kommission den Eintrag einer Anlage im nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 vorgesehenen Verzeichnis von Anlagen und die entsprechenden vorläufigen Jahresgesamtmengen der dieser Anlage kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikate nicht ablehnt, die Berechnung der endgültigen Jahresmenge der Emissionszertifikate vornimmt, die gemäß Art. 10 Abs. 9 des Beschlusses 2011/278 für jedes Jahr des Zeitraums 2013 bis 2020 kostenlos zuzuteilen sind. Diese Bestimmung sieht vor, wie die endgültige Jahresgesamtmenge der jeder Bestandsanlage kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikate bestimmt wird. Diese Menge entspricht der vorläufigen Jahresgesamtmenge der jeder Anlage kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikate, multipliziert mit dem von der Kommission festgesetzten sektorübergreifenden Korrekturfaktor.

35      Im vorliegenden Fall hat die Kommission im angefochtenen Beschluss abschließend alle Faktoren festgelegt, die bei der Berechnung der endgültigen Jahresmengen der der Anlage der Klägerin für jedes Jahr des Zeitraums 2013 bis 2020 kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikate durch die Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen sind. In diesem Beschluss hat sie nämlich zum einen die vorläufigen Jahresgesamtmengen der Emissionszertifikate, die jeder Anlage kostenlos zuzuteilen sind, und zum anderen den sektorübergreifenden Korrekturfaktor festgelegt. Für die Berechnung der endgültigen Jahresgesamtmenge der der betreffenden Anlage kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikate gemäß den in Art. 10 Abs. 9 des Beschlusses 2011/278 vorgesehenen Regeln verfügte die Bundesrepublik Deutschland somit über keinerlei Ermessen. Die Berechnung dieser Menge ergab sich allein aus dem angefochtenen Beschluss, in dem alle relevanten Faktoren abschließend festgelegt worden waren. Die Umsetzung des angefochtenen Beschlusses durch die Berechnung der endgültigen Jahresgesamtmenge der der betreffenden Anlage kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikate erfolgte somit rein automatisch.

36      Was zweitens Art. 15 Abs. 5 des Beschlusses 2011/278 betrifft, verpflichtet dieser die Mitgliedstaaten, der Kommission im Anschluss an die Festlegung der endgültigen Jahresmenge für alle Bestandsanlagen in ihren jeweiligen Hoheitsgebieten ein Verzeichnis der gemäß Art. 10 Abs. 9 dieses Beschlusses berechneten endgültigen Jahresmenge der im Zeitraum 2013 bis 2020 kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikate zu übermitteln. Hierzu genügt der Hinweis, dass eine derartige Mitteilungspflicht den Mitgliedstaaten kein Ermessen einräumt und diese lediglich verpflichtet, der Kommission das Ergebnis ihrer Berechnung der endgültigen Jahresgesamtmenge der jeder betroffenen Anlage kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikate zu übermitteln.

37      Folglich ist die Klägerin als von dem angefochtenen Beschluss unmittelbar betroffen anzusehen. Da sie von diesem Beschluss außerdem individuell betroffen ist, weil die Kommission mit dem angefochtenen Beschluss die vorläufigen Jahresgesamtmengen der ihrer Anlage kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikate individuell abgelehnt hat, was von der Kommission im Übrigen nicht bestritten wird, ist die Klägerin klagebefugt.

38      Die Klage ist somit zulässig.

 Zur Begründetheit

39      Die Klägerin stützt ihre Klage auf drei Gründe, nämlich erstens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zweitens eine Verletzung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und des Subsidiaritätsprinzips sowie drittens eine Verletzung von Grundrechten. Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst den ersten und den dritten Klagegrund gemeinsam und anschließend den zweiten Klagegrund zu prüfen.

 Zum ersten und zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Verletzung von Grundrechten

40      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe dadurch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen und ihre Grundrechte verletzt, dass sie die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten für Härtefälle abgelehnt habe. In erster Linie trägt sie vor, mit der Annahme, der Beschluss 2011/278 stehe der Zuteilung von Zertifikaten auf der Grundlage einer Härtefallklausel entgegen, habe die Kommission diesen Beschluss verkannt und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und ihre Grundrechte verstoßen. Hilfsweise für den Fall, dass ihr Hauptvorbringen mit der Begründung zurückgewiesen werde, der Beschluss 2011/278 nenne nicht ausdrücklich die Möglichkeit, in Härtefällen zusätzliche Zertifikate zuzuteilen, macht sie geltend, dass dieser Beschluss als unverhältnismäßig anzusehen sei und ihre Grundrechte verletze.

–       Zum Hauptvorbringen: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Verletzung von Grundrechten aufgrund einer Verkennung des Beschlusses 2011/278

41      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe den Beschluss 2011/278 verkannt, als sie angenommen habe, dass er der Zuteilung von Zertifikaten auf der Grundlage einer Härtefallklausel entgegenstehe. Dadurch, dass die Kommission es abgelehnt habe, die Zuteilung von Zertifikaten auf der Grundlage von § 9 Abs. 5 TEHG zu genehmigen, habe sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen und ihre Grundrechte verletzt, nämlich ihre Berufsfreiheit, ihre unternehmerische Freiheit und ihr Eigentumsrecht, die durch die Art. 15 bis 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützt seien.

42      Die Schlussfolgerung, dass die Kommission den Beschluss 2011/278 verkannt und infolgedessen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Grundrechte der Klägerin verstoßen hat, als sie es abgelehnt hat, die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten auf der Grundlage einer Härtefallklausel zu genehmigen, setzt voraus, dass eine solche Zuteilung nach diesem Beschluss, der auf der Richtlinie 2003/87 beruht, möglich ist, was die Kommission in Abrede stellt.

43      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten auf der Grundlage einer Härtefallklausel nach dem Beschluss 2011/278, der auf der Richtlinie 2003/87 beruht, nicht möglich war, da dieser Beschluss es nach den geltenden Rechtsvorschriften der Kommission nicht erlaubte, die Zuteilung von Zertifikaten auf der Grundlage einer derartigen Klausel zu genehmigen, und die Kommission, wie sie geltend gemacht hat, über keinerlei Ermessen verfügte.

44      Erstens erlaubt es der Beschluss 2011/278 der Kommission nicht, die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten auf der Grundlage einer Härtefallklausel wie der des § 9 Abs. 5 TEHG zu genehmigen. Art. 10 des Beschlusses 2011/278 enthält nämlich die Regeln, auf deren Basis die Mitgliedstaaten für jedes Jahr die Zahl der ab 2013 jeder Bestandsanlage in ihrem Hoheitsgebiet kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikate berechnen müssen. Nach dieser Vorschrift haben die Mitgliedstaaten die Menge der den Anlagen in ihrem Hoheitsgebiet kostenlos zuzuteilenden Zertifikate anhand der im Beschluss 2011/278 festgelegten Benchmark-Werte oder Prozessemissionen, bestimmter Multiplikationsfaktoren und des gemäß Art. 15 Abs. 3 dieses Beschlusses festgelegten sektorübergreifenden Korrekturfaktors zu berechnen.

45      Diese Zuteilungsregeln werden in den Erwägungsgründen des Beschlusses 2011/278 erläutert. Wie sich aus dem vierten Erwägungsgrund des Beschlusses 2011/278 ergibt, hat die Kommission für die Produkte so weit wie möglich Benchmarks entwickelt. Nach dem zwölften Erwägungsgrund dieses Beschlusses wurde, soweit die Berechnung einer Produkt-Benchmark nicht möglich war, jedoch für die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten in Frage kommende Treibhausgase entstehen, eine Hierarchie von drei Fall-Back-Methoden entwickelt. So geht aus diesem zwölften Erwägungsgrund hervor, dass die Wärme-Benchmark für Wärmeverbrauchsprozesse gilt, bei denen ein Träger messbarer Wärme eingesetzt wird. Die Brennstoff-Benchmark findet Anwendung, wenn nicht messbare Wärme verbraucht wird. Für Prozessemissionen werden die Emissionszertifikate auf Basis der historischen Emissionen zugeteilt.

46      Das mit dem Beschluss 2011/278 eingeführte System sieht somit abschließende Regeln für die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten vor, so dass jede kostenlose Zuteilung von Zertifikaten außerhalb dieser Regeln ausgeschlossen ist. Diese Schlussfolgerung wird dadurch bestätigt, dass die Aufnahme einer Härtefallklausel im Verfahren zum Erlass des Beschlusses 2011/278 auf die Initiative eines Mitgliedstaats hin zwar erörtert, eine solche Klausel letztlich aber nicht aufgenommen wurde, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichts ausgeführt hat.

47      Zweitens verfügte die Kommission über keinerlei Ermessen bei der Ablehnung des Eintrags der Anlage der Klägerin in die ihr gemäß Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 unterbreiteten Verzeichnisse der unter diese Richtlinie fallenden Anlagen und der entsprechenden vorläufigen Jahresgesamtmengen der dieser Anlage kostenlos zugeteilten Emissionszertifikate. Rechtsgrundlagen des angefochtenen Beschlusses sind nämlich die Art. 10a und 11 der Richtlinie 2003/87. Gemäß Art. 11 Abs. 1 dieser Richtlinie unterbreitet jeder Mitgliedstaat der Kommission das Verzeichnis der in seinem Hoheitsgebiet unter diese Richtlinie fallenden Anlagen und alle den einzelnen Anlagen in seinem Hoheitsgebiet kostenlos zugeteilten Zertifikate, die im Einklang mit den Vorschriften gemäß Art. 10a Abs. 1 und Art. 10c dieser Richtlinie berechnet wurden. Nach Art. 11 Abs. 3 dieser Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten Anlagen, deren Eintrag in die in Abs. 1 genannte Liste von der Kommission abgelehnt wurde, keine kostenlosen Zertifikate zuteilen. Wie die Kommission vorträgt, ergibt sich aus Art. 11 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2003/87, dass ihre Entscheidung, ob sie den Eintrag einer Anlage in das Verzeichnis ablehnt, allein davon abhängt, ob die der Anlage vom betreffenden Mitgliedstaat zugeteilten Zertifikate im Einklang mit den Vorschriften von Art. 10a Abs. 1 und Art. 10c dieser Richtlinie berechnet wurden. Ist dies nicht der Fall, muss die Kommission den Eintrag ablehnen, ohne insoweit über ein Ermessen zu verfügen.

48      Soweit die Klägerin drittens geltend macht, dass ein Fall höherer Gewalt anerkannt und so die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten ermöglicht werden könne, wenn die Gefahr bestehe, dass ein Unternehmen insolvent werde und seine Abgabepflicht mangels hinreichender Mittel nicht erfüllen könne, ist ihr Vorbringen ebenfalls zurückzuweisen. Zwar kann nach der Rechtsprechung auch bei Fehlen einer besonderen Bestimmung ein Fall höherer Gewalt anerkannt werden, wenn sich Rechtssuchende auf eine äußere Ursache berufen, deren Folgen unvermeidbar und unausweichlich sind und den Betroffenen die Einhaltung ihrer Verpflichtungen objektiv unmöglich machen (Urteil vom 17. Oktober 2013, Billerud Karlsborg und Billerud Skärblacka, C‑203/12, Slg, EU:C:2013:664, Rn. 31, vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 18. März 1980, Ferriera Valsabbia u. a./Kommission, 154/78, 205/78, 206/78, 226/78 bis 228/78, 263/78, 264/78, 31/79, 39/79, 83/79 und 85/79, Slg, EU:C:1980:81, Rn. 140). Da jedoch die Klägerin seit 1. Januar 2005 dem nach der Richtlinie 2003/87 vorgesehenen System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten unterliegt, genügt die bloße Gefahr, insolvent zu werden und eine Abgabepflicht mangels hinreichender Mittel nicht erfüllen zu können, nicht, um einen Fall höherer Gewalt festzustellen, der ungewöhnliche und unvorhersehbare Ereignisse voraussetzt, auf die derjenige, der sich auf höhere Gewalt beruft, keinen Einfluss hat und deren Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können (vgl. Urteil vom 18. Juli 2013, Eurofit, C‑99/12, Slg, EU:C:2013:487, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Folglich hat die Kommission den Beschluss 2011/278 nicht verkannt, als sie die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten auf der Grundlage einer Härtefallklausel abgelehnt hat.

50      Das Hauptvorbringen der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

–       Zum Hilfsvorbringen: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Verletzung von Grundrechten durch den Beschluss 2011/278

51      Die Klägerin macht geltend, dass der Beschluss 2011/278, soweit er die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten auf der Grundlage einer Härtefallklausel nicht erlaube, gegen ihre Grundrechte und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.

52      Es ist daher zu prüfen, ob die Kommission dadurch gegen die Grundrechte der Klägerin und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat, dass sie in den im Beschluss 2011/278 festgelegten Regeln für die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten nicht die Möglichkeit vorgesehen hat, diese Zertifikate auf der Grundlage einer Härtefallklausel kostenlos zuzuteilen.

53      Ein Verstoß gegen die Grundrechte und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aufgrund des Nichtvorhandenseins einer Härtefallklausel in den im Beschluss 2011/278 festgelegten Regeln für die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten kann nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, da Art. 10a der Richtlinie 2003/87, der die Rechtsgrundlage dieses Beschlusses darstellt, die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten auf der Grundlage einer derartigen Klausel durch die Kommission nicht ausschließt. Erstens hatte die Kommission nach Art. 10a Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/87 unionsweite und vollständig harmonisierte Durchführungsmaßnahmen für die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten zu erlassen, mit denen nicht wesentliche Bestimmungen der Richtlinie 2003/87 geändert werden sollten, indem sie ergänzt werden. Die Einführung einer für alle Mitgliedstaaten geltenden Härtefallklausel durch die Kommission hätte das Erfordernis der vollständigen unionsweiten Harmonisierung dieser Durchführungsmaßnahmen beachtet. Da eine derartige Klausel nur Ausnahmefälle betroffen und somit das mit der Richtlinie 2003/87 eingeführte System nicht in Frage gestellt hätte, hätte sie auch nicht auf die Änderung wesentlicher Bestimmungen dieser Richtlinie abgezielt. Zweitens hatte die Kommission nach Art. 10a Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 2003/87 so weit wie möglich Ex-ante-Benchmarks festzulegen. Soweit die Berechnung einer Produkt-Benchmark nicht möglich war, jedoch für die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten in Frage kommende Treibhausgase entstanden, verfügte die Kommission über ein Ermessen zur Festlegung von Regeln, das sie ausgeübt hat, indem sie eine Hierarchie von drei Fall-Back-Methoden entwickelt hat. Im Rahmen dieses Ermessens hätte die Kommission somit grundsätzlich auch die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten aufgrund einer Härtefallklausel vorsehen können.

54      Zur Stützung ihrer Argumentation macht die Klägerin geltend, dass der Beschluss 2011/278 dadurch, dass er keine Härtefallklausel vorsehe, ihre Berufsfreiheit, ihre unternehmerische Freiheit und ihr Eigentumsrecht, die in den Art. 15 bis 17 der Charta der Grundrechte geschützt seien, sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beachte.

55      Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV erkennt die Union die Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, die in der Charta der Grundrechte niedergelegt sind, wobei die Charta und die Verträge rechtlich gleichrangig sind.

56      Nach Art. 15 Abs. 1 der Charta der Grundrechte hat jede Person das Recht, einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben. Nach Art. 16 der Charta der Grundrechte wird die unternehmerische Freiheit nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt. Der durch Art. 16 gewährte Schutz umfasst die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben, die Vertragsfreiheit und den freien Wettbewerb, wie aus den Erläuterungen zu diesem Artikel hervorgeht, die gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 7 der Charta für deren Auslegung zu berücksichtigen sind (Urteil vom 22. Januar 2013, Sky Österreich, C‑283/11, Slg, EU:C:2013:28, Rn. 42).

57      Nach Art. 17 Abs. 1 der Charta der Grundrechte hat jede Person das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist. Der durch diesen Artikel gewährte Schutz bezieht sich auf vermögenswerte Rechte, aus denen sich im Hinblick auf die Rechtsordnung eine gesicherte Rechtsposition ergibt, die eine Ausübung dieser Rechte durch und zugunsten ihres Inhabers ermöglicht (Urteil Sky Österreich, EU:C:2013:28, Rn. 34).

58      Da der Beschluss 2011/278 keine Härtefallklausel enthält, musste die Kommission die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten an die Klägerin, die über die in diesem Beschluss vorgesehenen Zuteilungsregeln hinausging, ablehnen. Da eine derartige Klausel dazu bestimmt ist, unzumutbare Härten zu bewältigen, denen die fragliche Anlage begegnet und die deren Existenz bedrohen, begründet ihr Fehlen einen Eingriff in die Berufsfreiheit, die unternehmerische Freiheit und das Eigentumsrecht der Klägerin.

59      Nach ständiger Rechtsprechung wird jedoch die freie Berufsausübung ebenso wie das Eigentumsrecht nicht absolut gewährleistet; beide sind im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion zu sehen. Die Ausübung dieser Freiheiten und das Eigentumsrecht können daher Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich den dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Union entsprechen und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der diese Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (Urteil vom 14. Mai 1974, Nold/Kommission, 4/73, Slg, EU:C:1974:51, Rn. 14; vgl. auch Urteile vom 21. Februar 1991, Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, C‑143/88 und C‑92/89, Slg, EU:C:1991:65, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 6. September 2012, Deutsches Weintor, C‑544/10, Slg, EU:C:2012:526, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Sky Österreich, EU:C:2013:28, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielen oder dem Erfordernis des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

60      Hinsichtlich der vorgenannten, dem Gemeinwohl dienenden Ziele ergibt sich ebenfalls aus einer ständigen Rechtsprechung, dass der Schutz der Umwelt zu diesen Zielen gehört (vgl. Urteil vom 9. März 2010, ERG u. a., C‑379/08 und C‑380/08, Slg, EU:C:2010:127, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61      Dass der Beschluss 2011/278 keine Härtefallklausel enthält, berührt weder den Wesensgehalt der Berufsfreiheit und der unternehmerischen Freiheit noch den des Eigentumsrechts. Das Nichtvorhandensein einer derartigen Klausel hindert die Betreiber von Anlagen, die dem System für den Handel mit Emissionszertifikaten unterliegen, nämlich weder an der Ausübung einer beruflichen und unternehmerischen Tätigkeit als solcher noch entzieht sie ihnen ihr Eigentum. Die Lasten, die sich für die betroffenen Anlagen aus dem Nichtvorhandensein einer solchen Klausel ergeben, hängen mit der Verpflichtung zusammen, die fehlenden Zertifikate zu ersteigern, wie es die mit der Richtlinie 2009/29 eingeführte Regel vorsieht.

62      Bezüglich der Verhältnismäßigkeit des festgestellten Eingriffs ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehörende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, dass die Handlungen der Organe nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen müssen (vgl. Urteil vom 8. Juli 2010, Afton Chemical, C‑343/09, Slg, EU:C:2010:419, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63      Bei der gerichtlichen Nachprüfung der in der vorstehenden Rn. 62 genannten Voraussetzungen ist der Kommission ein weites Ermessen in einem Bereich wie dem in Rede stehenden zuzuerkennen, in dem von ihr politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen verlangt werden und in dem sie komplexe Beurteilungen und Bewertungen im Hinblick auf das allgemeine Ziel der Verringerung von Treibhausgasemissionen im Wege eines Systems für den Handel mit Emissionszertifikaten auf kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Weise (Art. 1 Abs. 1 und fünfter Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/87) vorzunehmen hat. Eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme kann nur dann rechtswidrig sein, wenn sie zur Erreichung des von den zuständigen Organen verfolgten Zieles offensichtlich ungeeignet ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Dezember 2006, Deutschland/Parlament und Rat, C‑380/03, Slg, EU:C:2006:772, Rn. 145 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 7. März 2013, Polen/Kommission, T‑370/11, Slg, EU:T:2013:113, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Die Klägerin zieht die Geeignetheit des Beschlusses 2011/278 in Zweifel und macht geltend, dass dieser Beschluss offenkundig nicht verhältnismäßig im engeren Sinne sei.

65      Was zunächst die Geeignetheit des Beschlusses 2011/278 betrifft, macht die Klägerin geltend, dass das Fehlen einer Härtefallklausel dem Klimaschutz nicht zugutekomme. Zum einen steige, wenn sich eine Einzelfallzuteilung erhöhe, der sektorübergreifende Korrekturfaktor, der vorgesehen sei, um die Einhaltung der festgelegten Menge der unionsweit kostenlos zuzuteilenden Zertifikate in jedem Fall zu gewährleisten. Zum anderen wäre mit der Schließung ihrer Anlage kein absoluter Emissionsrückgang verbunden, da die Produktnachfrage nicht verschwinden, sondern von den außereuropäischen Konkurrenten befriedigt würde, die aber nicht weniger emittieren würden.

66      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es vor der Änderung der Richtlinie 2003/87 durch die Richtlinie 2009/29 erklärtes Hauptziel der Richtlinie 2003/87 war, die Treibhausgasemissionen erheblich zu verringern, um die Verpflichtungen der Union und der Mitgliedstaaten aus dem Kyoto-Protokoll einzuhalten, das mit der Entscheidung 2002/358/EG des Rates vom 25. April 2002 über die Genehmigung des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen im Namen der Europäischen Gemeinschaft sowie die gemeinsame Erfüllung der daraus erwachsenden Verpflichtungen (ABl. L 130, S. 1) genehmigt wurde (Urteile vom 29. März 2012, Kommission/Polen, C‑504/09 P, Slg, EU:C:2012:178, Rn. 77, und Kommission/Estland, C‑505/09 P, Slg, EU:C:2012:179, Rn. 79). Nach dem vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/87 verpflichtete das Kyoto-Protokoll die Union und ihre Mitgliedstaaten, ihre gemeinsamen anthropogenen Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2008 bis 2012 gegenüber dem Stand von 1990 um 8 % zu senken (Urteil Polen/Kommission, EU:T:2013:113, Rn. 67).

67      Aus Art. 1 Abs. 2 und dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/87 geht hervor, dass diese Richtlinie seit ihrer Änderung durch die Richtlinie 2009/29 eine stärkere Reduzierung von Treibhausgasemissionen vorschreibt, um die Verringerungsraten zu erreichen, die aus wissenschaftlicher Sicht zur Vermeidung gefährlicher Klimaänderungen erforderlich sind. Wie diesen Bestimmungen sowie den Erwägungsgründen 3, 5, 6 und 13 der Richtlinie 2009/29 zu entnehmen ist, besteht das Hauptziel der Richtlinie 2003/87 seit ihrer Änderung durch die Richtlinie 2009/29 darin, bis 2020 die gesamten Treibhausgasemissionen der Union gegenüber dem Stand von 1990 um mindestens 20 % zu senken (Urteil Polen/Kommission, EU:T:2013:113, Rn. 68).

68      Dieses Ziel soll unter Einhaltung einer Reihe von Unterzielen und durch Einsatz bestimmter Instrumente erreicht werden. Wie sich aus Art. 1 Abs. 1 und dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/87 ergibt, ist hierfür das System für den Handel mit Treibhausgasemissionsrechten das Hauptinstrument. Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie wirkt dieses System auf kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Weise auf eine Verringerung von Treibhausgasemissionen hin. Bei den weiteren Unterzielen, die mit diesem System erreicht werden sollen, handelt es sich nach den Erwägungsgründen 5 und 7 der Richtlinie u. a. um den Schutz der wirtschaftlichen Entwicklung, der Beschäftigungslage, der Integrität des Binnenmarkts und der Wettbewerbsbedingungen (Urteile Kommission/Polen, EU:C:2012:178, Rn. 77, Kommission/Estland, EU:C:2012:179, Rn. 79, und Polen/Kommission, EU:T:2013:113, Rn. 69).

69      Was erstens das Hauptziel der Richtlinie 2003/87, nämlich die Verringerung der Treibhausgasemissionen in der Union, anbelangt, lässt sich nicht argumentieren, dass die im Beschluss 2011/278 enthaltenen Zuteilungsregeln ohne eine Härtefallklausel zur Erreichung dieses Ziels offensichtlich ungeeignet seien. Die im Beschluss 2011/278 vorgesehenen Berechnungsregeln für die Zuteilung von Emissionszertifikaten auf der Basis der Produkt-Benchmark, der Wärme-Benchmark, der Brennstoff-Benchmark und der Prozessemissionen bezwecken eine Verringerung der kostenlos zuzuteilenden Zertifikate für die dritte Handelsperiode, d. h. den Zeitraum ab 2013, gegenüber der zweiten Handelsperiode, d. h. dem Zeitraum 2008 bis 2012. Diese Maßnahmen gehören zu den in Art. 10a der Richtlinie 2003/87 vorgesehenen Übergangsvorschriften für die kostenlose Erteilung von Zertifikaten und sollen, wie sich aus Abs. 1 Unterabs. 3 dieser Vorschrift ergibt, gewährleisten, dass die Modalitäten für die Zuteilung der Zertifikate Anreize für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen und für energieeffiziente Techniken schaffen und keine Anreize für eine Erhöhung der Emissionen bieten.

70      Diese Schlussfolgerung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die in Art. 10a Abs. 5 der Richtlinie 2003/87 genannte Jahreshöchstmenge kostenloser Zertifikate wegen der notwendigen Anwendung des einheitlichen sektorübergreifenden Korrekturfaktors, die zu einer einheitlichen Verringerung der ursprünglichen Mengen kostenloser Zertifikate in allen betroffenen Sektoren und Teilsektoren führe, nicht erhöht würde, wenn die kostenlose Zuteilung zusätzlicher Zertifikate aufgrund einer Härtefallklausel genehmigt würde. Wie die Kommission vorträgt, könnten nämlich Anlagenbetreiber bei Bestehen einer Härtefallregelung weniger Anreize haben, ihre Treibhausgasemissionen durch ökonomische oder technische Anpassungsmaßnahmen zu reduzieren, da sie in Härtefällen die Zuteilung zusätzlicher kostenloser Zertifikate beantragen könnten.

71      Zum Argument der Klägerin, wonach die Schließung ihrer Anlage nicht zu einem absoluten Emissionsrückgang führen würde, da die Produktnachfrage nicht verschwände und von Wettbewerbern außerhalb der Union erfüllt würde, die nicht weniger Emissionen ausstießen, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass der Hauptzweck der Richtlinie 2003/87 darin besteht, die Treibhausgasemissionen in der Union zu verringern. Zum anderen ist es allgemeinen Zuteilungsregeln eigen, dass sie auf einige Anlagen größere Auswirkungen haben als auf andere (Urteil Polen/Kommission, EU:T:2013:113, Rn. 85). Außerdem enthält Art. 10a Abs. 12 der Richtlinie 2003/87 eine Sonderregel für die Zuteilung kostenloser Zertifikate an Anlagen in Sektoren bzw. Teilsektoren, in denen ein erhebliches Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen besteht, d. h. ein Risiko, dass die Tätigkeiten von in der Union ansässigen Unternehmen in Sektoren, die einem starken internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind, in Drittländer verlagert werden, in denen die Anforderungen auf dem Gebiet der Treibhausgasemissionen geringer sind. Diese Sonderregel verringert das Risiko einer bloßen Verlagerung der Emissionen.

72      Was zweitens die Unterziele der Richtlinie 2003/87, nämlich den Schutz der wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigungslage, betrifft, hat das Gericht zwar bereits entschieden, dass das Ziel, die Treibhausgase gemäß den Verpflichtungen der Union und der Mitgliedstaaten im Rahmen des Kyoto-Protokolls zu verringern, weitestgehend unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der europäischen Wirtschaft verwirklicht werden muss (Urteil vom 23. November 2005, Vereinigtes Königreich/Kommission, T‑178/05, Slg, EU:T:2005:412, Rn. 60). Es ist jedoch zu beachten, dass die Zuteilung von Emissionszertifikaten, wie es im 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/29 heißt, von der dritten Handelsperiode an nach dem in Art. 10 der Richtlinie 2003/87 vorgesehenen Grundprinzip der Versteigerung erfolgen sollte (Urteil Polen/Kommission, EU:T:2013:113, Rn. 72). Da zu diesem Grundsatz Ausnahmen vorgesehen sind, um etwaige nachteilige Auswirkungen des Systems für den Handel mit Zertifikaten auf diese Unterziele abzumildern, nämlich die in Art. 10a der Richtlinie 2003/87 vorgesehenen Übergangsvorschriften, nach denen Zertifikate während eines Übergangszeitraums kostenlos zugeteilt werden können, die in Abs. 6 dieses Artikels vorgesehene Möglichkeit finanzieller Maßnahmen und die in Abs. 12 dieses Artikels vorgesehenen Sonderregeln für Sektoren, in denen ein erhebliches Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen besteht, kann nicht argumentiert werden, dass die im Beschluss 2011/278 vorgesehenen Zuteilungsregeln gemessen an diesen Unterzielen offensichtlich ungeeignet seien.

73      Infolgedessen hat die Klägerin nichts dafür vorgetragen, dass der Beschluss 2011/278 wegen des Nichtvorhandenseins einer Härtefallklausel zur Erreichung der angestrebten Ziele offensichtlich ungeeignet ist.

74      Was sodann die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne des Beschlusses 2011/278 angeht, soweit dieser keine Härtefallklausel enthält, ist darauf hinzuweisen, dass der Beschluss 2011/278, selbst wenn er zur Erreichung legitimer Ziele geeignet und erforderlich ist, keine Nachteile verursachen darf, die außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (vgl. in diesem Sinne Urteil Polen/Kommission, EU:T:2013:113, Rn. 89).

75      Daher ist zu prüfen, ob dadurch, dass der Beschluss 2011/278 keine Härtefallklausel enthält, Anlagenbetreibern, die dem System für den Handel mit Emissionszertifikaten unterliegen, Nachteile entstehen können, die außer Verhältnis zu den mit der Einführung dieses Systems angestrebten Zielen stehen, so dass dieser Beschluss offensichtlich unverhältnismäßig im engeren Sinne wäre.

76      Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission beim Erlass unionsweiter und vollständig harmonisierter Durchführungsmaßnahmen für die harmonisierte Zuteilung kostenloser Zertifikate nach Art. 10a Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2003/87 einerseits die Grundrechte der Anlagenbetreiber, die dem System für den Handel mit Emissionszertifikaten unterliegen, und andererseits den Schutz der Umwelt, der in Art. 37 der Charta der Grundrechte, Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV sowie den Art. 11 AEUV und 191 AEUV vorgesehen ist, gegeneinander abwägen musste.

77      Sind mehrere grundrechtlich geschützte Rechte und Freiheiten im Spiel, die unter dem Schutz der Unionsrechtsordnung stehen, ist bei der Beurteilung der möglichen Unverhältnismäßigkeit einer unionsrechtlichen Bestimmung darauf zu achten, dass die Erfordernisse des Schutzes dieser verschiedenen Rechte und Freiheiten miteinander in Einklang gebracht werden und dass zwischen ihnen ein angemessenes Gleichgewicht besteht (vgl. Urteil Sky Österreich, EU:C:2013:28, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 12. Juni 2003, Schmidberger, C‑112/00, Slg, EU:C:2003:333, Rn. 77 und 81).

78      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe den Klimaschutz und ihren wirtschaftlichen Ruin nicht richtig gegeneinander abgewogen und bewertet. Die Kommission meine, die Insolvenz der Klägerin sei ein positiver Schritt in Richtung „mehr Klimaschutz“. Dabei übersehe sie, dass hier wegen des Risikos der Verlagerung von Emissionen außerhalb der Union kein Klimaschutzvorteil eintrete. Außerdem habe die Kommission die erheblichen Folgen verkannt, die eine Einstellung des Betriebs für die Klägerin, ihre Mitarbeiter und ihre Kunden hätte. Sie habe unzutreffend angenommen, dass der Klimaschutz die Erhaltung einer großen Zahl von Arbeitsplätzen überwiege.

79      Es ist festzustellen, dass die Klägerin nichts dafür vorgetragen hat, dass der Beschluss 2011/278 ohne eine Härtefallklausel unverhältnismäßig im engeren Sinne ist.

80      Erstens ist zwar entgegen dem Vorbringen der Kommission die Einführung einer Härtefallklausel nicht unvereinbar mit den Zielen der Richtlinie 2003/87, da das Hauptziel der Verringerung der Treibhausgasemissionen in der Union unter Beachtung einer Reihe von Unterzielen und unter Rückgriff auf bestimmte Instrumente erreicht werden muss (vgl. Rn. 68 des vorliegenden Urteils). Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt, dass das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten auf kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Weise auf eine Verringerung dieser Emissionen hinwirkt. Eines der weiteren Unterziele, die dieses System erfüllen muss, ist, wie im fünften Erwägungsgrund dieser Richtlinie ausgeführt, der Schutz der wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigungslage. Die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten auf der Grundlage einer Härtefallklausel würde gerade dazu dienen, solche Härtefälle für die fraglichen Anlagen abzuwenden, und würde so den Schutz der wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigungslage fördern.

81      Die Einführung einer derartigen Klausel ist jedoch schwer mit dem Verursacherprinzip zu vereinbaren, das für den Umweltbereich in Art. 191 Abs. 2 AEUV verankert ist. Gemäß diesem Prinzip wurde mit dem System für den Handel mit Emissionszertifikaten nämlich bezweckt, einen Preis für Treibhausgasemissionen festzulegen und den Wirtschaftsteilnehmern die Wahl zwischen der Zahlung dieses Preises oder der Verringerung ihrer Emissionen zu überlassen (Urteil Polen/Kommission, EU:T:2013:113, Rn. 90). Mit dem Verursacherprinzip wird somit im Wesentlichen bezweckt, jede betroffene Anlage individuell zur Verantwortung zu ziehen. Die Einführung einer Härtefallklausel hätte aber zur Folge, dass bestimmten Anlagen zusätzliche kostenlose Zertifikate zugeteilt würden und dass die kostenlosen Zertifikate für die Anlagen in allen betroffenen Sektoren und Teilsektoren wegen der notwendigen Anwendung des einheitlichen sektorübergreifenden Korrekturfaktors einheitlich um diese Menge verringert würden, da die in Art. 10a Abs. 5 der Richtlinie 2003/87 genannte jährliche Höchstmenge an Zertifikaten nicht erhöht werden kann. Die Erhöhung der Mengen der den betreffenden Anlagen kostenlos zuzuteilenden Zertifikate in Anwendung einer Härtefallklausel könnte somit zu einer Verringerung der kostenlosen Zertifikate für andere Anlagen führen (vgl. in diesem Sinne Urteil Polen/Kommission, EU:T:2013:113, Rn. 83). Dies wäre denkbar, wenn der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten gemäß dem System für den Handel mit Zertifikaten das Solidaritätsprinzip zugrunde läge, wie dies bei dem Quotensystem der Fall war, das auf der Grundlage von Art. 58 KS angesichts einer offensichtlichen Krise der Eisen- und Stahlindustrie eingeführt wurde, um die zwangsläufigen Folgen der Anpassung der Erzeugung an die verringerten Absatzmöglichkeiten gerecht auf die gesamte Eisen- und Stahlindustrie zu verteilen (Urteil vom 29. September 1987, Fabrique de fer de Charleroi und Dillinger Hüttenwerke/Kommission, 351/85 und 360/85, Slg, EU:C:1987:392, Rn. 13 bis 16). Die Einführung eines Systems für den Handel mit Emissionszertifikaten fällt jedoch in den Umweltbereich, in dem das Verursacherprinzip gilt.

82      Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die mit der Richtlinie 2009/29 für den Handelszeitraum ab 2013 eingeführten Regeln die Methoden für die Zuteilung der Zertifikate stark verändert haben, um in Anbetracht der aus dem ersten und dem zweiten Handelszeitraum, nämlich 2005 bis 2007 und 2008 bis 2012, gewonnenen Erfahrung ein stärker harmonisiertes Emissionshandelssystem zu schaffen, damit die Vorteile des Emissionshandels besser genutzt, Verzerrungen auf dem Binnenmarkt vermieden und die Verknüpfung mit anderen Emissionshandelssystemen erleichtert werden können, wie es im achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/29 heißt (Urteil Polen/Kommission, EU:T:2013:113, Rn. 53). Außerdem geht aus Art. 1 Abs. 2 und dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/87 hervor, dass die Richtlinie seit ihrer Änderung durch die Richtlinie 2009/29 eine stärkere Reduzierung von Treibhausgasemissionen vorschreibt, um die Verringerungsraten zu erreichen, die aus wissenschaftlicher Sicht zur Vermeidung gefährlicher Klimaänderungen erforderlich sind (Urteil Polen/Kommission, EU:T:2013:113, Rn. 68). Für den dritten Handelszeitraum bestimmt Art. 9 der Richtlinie 2003/87, dass die unionsweite Menge an Zertifikaten, die ab 2013 jährlich vergeben wird, von der Mitte des Zeitraums von 2008 bis 2012 an linear verringert wird. Nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 und dem 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/29 sollte die Zuteilung der Zertifikate ab 2013 nach dem Grundprinzip der Versteigerung erfolgen. Nach Art. 10a Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 erfolgt grundsätzlich keine kostenlose Zuteilung mehr von Zertifikaten für Stromerzeuger. Gemäß Art. 10a Abs. 11 Satz 2 der Richtlinie 2003/87 wird die kostenlose Zuteilung nach 2013 Jahr für Jahr in gleicher Höhe bis 2020 auf 30 % reduziert, so dass im Jahr 2027 keine kostenlose Zuteilung erfolgt.

83      Um die Folgen dieses Systems für den Handel mit Zertifikaten für die betroffenen Sektoren und Teilsektoren abzumildern, hat der Unionsgesetzgeber in Art. 10a der Richtlinie 2003/87 Übergangsvorschriften vorgesehen, die, wie sich aus dem 50. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/29 ergibt, mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte anerkannt wurden, im Einklang stehen. So hat er eine Übergangsregelung eingeführt, die für die kostenlose Erteilung von Zertifikaten in anderen Sektoren als dem der Stromerzeugung gilt, für den nach Art. 10a Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 keine kostenlose Zuteilung erfolgt. Nach dem 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/29 hat dieser Sektor nach Auffassung des Gesetzgebers die Möglichkeit, die CO2-Kostensteigerung abzuwälzen.

84      Darüber hinaus hat der Gesetzgeber Sonderregeln für bestimmte Sektoren geschaffen, um, wie sich aus dem fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/87 ergibt, die wirtschaftliche Entwicklung und die Beschäftigungslage möglichst wenig zu beeinträchtigen.

85      Zum einen können die Mitgliedstaaten nach Art. 10a Abs. 6 der Richtlinie 2003/87 zugunsten der Sektoren bzw. Teilsektoren, für die ein erhebliches Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen durch auf den Strompreis übergewälzte Kosten der Treibhausgasemissionen ermittelt wurde, finanzielle Maßnahmen einführen, um diese Kosten auszugleichen, sofern dies mit den geltenden und künftigen Regeln für staatliche Beihilfen vereinbar ist. Hierzu hat die Kommission die Leitlinien für bestimmte Beihilfemaßnahmen im Zusammenhang mit dem System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten nach 2012 (ABl. 2012, C 158, S. 4) erlassen. Auch hat sie bereits staatliche Beihilfen an deutsche Unternehmen genehmigt, die einem erheblichen Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen durch auf den Strompreis übergewälzte Kosten der Treibhausgasemissionen ausgesetzt waren (ABl. 2013, C 353, S. 2).

86      Zum anderen hat der Gesetzgeber in Art. 10a Abs. 12 der Richtlinie 2003/87 eine Sonderregel für die Zuteilung kostenloser Zertifikate in Sektoren bzw. Teilsektoren vorgesehen, in denen ein erhebliches Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen besteht. Nach dieser Regel sollten den betroffenen Anlagen im Jahr 2013 und in jedem der Folgejahre bis 2020 Zertifikate in Höhe von 100 % der Menge, die gemäß den in Art. 10a Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 genannten Maßnahmen festgelegt wurde, kostenlos zugeteilt werden. Diese Bestimmung wurde nach dem 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/29 eingeführt, um wirtschaftliche Benachteiligungen bestimmter energieintensiver Sektoren und Teilsektoren in der Union zu vermeiden, die im internationalen Wettbewerb stehen, der nicht an vergleichbare CO2-Auflagen gebunden ist.

87      Zudem bestimmen nach Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 die Mitgliedstaaten die Verwendung der Einnahmen aus der Versteigerung der Zertifikate. Hierbei haben sie mindestens 50 % der Einnahmen aus der Versteigerung von Zertifikaten für in dieser Vorschrift genannte Zwecke zu nutzen, zu denen insbesondere nach Abs. 3 Buchst. a und g die Reduzierung von Treibhausgasemissionen und die Finanzierung der Erforschung und Entwicklung energieeffizienter und sauberer Technologien in den unter die Richtlinie 2003/87 fallenden Sektoren gehören.

88      Da das nach der Richtlinie 2003/87 vorgesehene Grundprinzip der Versteigerung von Emissionszertifikaten von der Klägerin nicht in Frage gestellt wird, besteht somit der Nachteil, der Anlagenbetreibern, die dem System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten unterliegen, aus dem Nichtvorhandensein einer Härtefallklausel entstehen kann, darin, dass sie während des Übergangszeitraums nur gemäß den Vorschriften des Beschlusses 2011/278 kostenlose Zertifikate erhalten können und nicht zusätzlich aufgrund einer derartigen Klausel.

89      Es ergibt sich daher nicht, dass der Beschluss 2011/278 offensichtlich unverhältnismäßig im engeren Sinne wäre, weil er nicht zusätzlich eine Härtefallklausel für Einzelfälle vorsieht. Die Klägerin hat nichts dafür vorgetragen, dass durch die Anwendung der im Beschluss 2011/278 vorgesehenen Zuteilungsregeln typischerweise die Existenz der Anlagenbetreiber, die dem System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten unterliegen, über das marktwirtschaftliche Risiko hinaus bedroht ist. Aus dem Umstand, dass dieser Beschluss keine Klausel zur Vermeidung von Situationen vorsieht, in denen die Existenz eines Unternehmens aufgrund wirtschaftlicher und finanzieller Schwierigkeiten gefährdet ist, die sich aus der individuellen Führung des Unternehmens ergeben, lässt sich nicht darauf schließen, dass der Beschluss im engeren Sinne offensichtlich unverhältnismäßig ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten unter Beachtung der Art. 107 AEUV und 108 AEUV staatliche Beihilfemaßnahmen in Erwägung ziehen können.

90      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten der Klägerin nach ihren eigenen Angaben im Wesentlichen darauf beruhen, dass sich die Kommission zu Unrecht geweigert habe, im Beschluss 2011/278 eine eigene Produktbenchmark für Montanwachs zu bestimmen, deren einzige Herstellerin in Europa die Klägerin ist. Wäre eine solche Produktbenchmark festgelegt worden, hätten es die im Beschluss 2011/278 vorgesehenen Zuteilungsregeln der Klägerin ihrer Meinung nach ermöglicht, genügend kostenlose Zertifikate zu erhalten. Die diesen Schwierigkeiten zugrunde liegenden Umstände, die die Festlegung einer Produktbenchmark für ein spezifisches Produkt durch die Kommission betreffen, lassen aber nicht die Annahme zu, dass Anlagen durch die Anwendung der im Beschluss 2011/278 vorgesehenen Zuteilungsregeln typischerweise in ihrer Existenz bedroht sind, zumal die Klägerin im Rahmen der vorliegenden Klage keinen Klagegrund geltend gemacht hat, der sich darauf stützt, dass in diesem Beschluss keine Produktbenchmark für Montanwachs festgelegt wurde, wie sich auch aus der mündlichen Verhandlung ergibt.

91      Insbesondere ergibt sich aus den von der Klägerin vorgetragenen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten nicht, dass die Bestimmungen des Art. 10a Abs. 12 der Richtlinie 2003/87 nicht geeignet sind, in bestimmten Fällen wirtschaftliche Schwierigkeiten von Anlagen abzuwenden, die zu einem Sektor gehören, in dem ein erhebliches Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen im Sinne des Beschlusses 2010/2/EU der Kommission vom 24. Dezember 2009 zur Festlegung eines Verzeichnisses der Sektoren und Teilsektoren, von denen angenommen wird, dass sie einem erheblichen Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen ausgesetzt sind, gemäß der Richtlinie 2003/87 (ABl. 2010, L 1, S. 10) in der zuletzt durch den Beschluss 2014/9/EU der Kommission vom 18. Dezember 2013 (ABl. 2014, L 9, S. 9) geänderten Fassung besteht. Insoweit ist festzustellen, dass die Klägerin nach Nr. 1.2 des Anhangs des Beschlusses 2010/2 einem solchen Sektor angehört. Sie gehört nämlich zum Sektor „Mineralölverarbeitung“, der unter den Code 2320 der Statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft (NACE) fällt. Die Klägerin genießt somit bereits eine Sonderbehandlung, da sie im Jahr 2013 kostenlose Zertifikate in Höhe von 100 % der nach dem Beschluss 2011/278 festgelegten Menge erhalten hat und in jedem der Folgejahre bis 2020 erhalten wird, und nicht nur 80 % mit einer Reduzierung Jahr für Jahr in gleicher Höhe auf 30 % bis 2020, wie es nach der allgemeinen Regelung des Art. 10a Abs. 11 der Richtlinie 2003/87 vorgesehen ist.

92      Nach der Rechtsprechung hängt der letztlich eintretende Vorteil für die Umwelt davon ab, wie streng die Gesamtmenge der zugeteilten Zertifikate festgesetzt wird, die die Obergrenze der nach dem System für den Handel mit Zertifikaten zulässigen Emissionen bildet (Urteil Billerud Karlsborg und Billerud Skärblacka, EU:C:2013:664, Rn. 26). Wie die Kommission vorträgt, hätten Anlagenbetreiber bei Bestehen einer Härtefallregelung weniger Anreize, ihre Emissionen durch ökonomische oder technische Anpassungsmaßnahmen zu reduzieren, da sie in einem Härtefall immer zusätzliche kostenlose Zertifikate beantragen könnten.

93      Darüber hinaus ist bereits entschieden worden, dass die Organe bei der Wahrnehmung ihrer Befugnisse zwar darüber zu wachen haben, dass die den Wirtschaftsteilnehmern auferlegten Belastungen nicht über das hinausgehen, was zur Verwirklichung der Ziele, die die Behörde erreichen muss, erforderlich ist. Doch folgt daraus nicht, dass diese Verpflichtung an den besonderen Verhältnissen eines bestimmten Wirtschaftskreises zu messen ist. Eine solche Abwägung wäre angesichts der Vielfalt und Komplexität der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht nur undurchführbar, sondern würde darüber hinaus eine ständige Quelle der Rechtsunsicherheit darstellen (Urteile vom 24. Oktober 1973, Balkan-Import-Export, 5/73, Slg, EU:C:1973:109, Rn. 22, und vom 15. Dezember 1994, Unifruit Hellas/Kommission, T‑489/93, Slg, EU:T:1994:297, Rn. 74). Zudem ist entschieden worden, dass die mit Beschränkungsmaßnahmen der Union angestrebte Sanierung eines Marktes die Kommission nicht verpflichtet, jedem einzelnen Unternehmen eine Mindestproduktion zu gewährleisten, die sich nach dessen eigenen Rentabilitäts- und Entwicklungskriterien bemisst (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Juli 1982, Klöckner-Werke/Kommission, 119/81, Slg, EU:C:1982:259, Rn. 13, und vom 30. November 1983, Ferriere San Carlo/Kommission, 235/82, Slg, EU:C:1983:356, Rn. 18).

94      Daher sind das Hilfsvorbringen der Klägerin und damit der erste und der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verletzung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und des Subsidiaritätsprinzips

95      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe dadurch, dass sie die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten auf der Grundlage der in § 9 Abs. 5 TEHG vorgesehenen Härtefallklausel abgelehnt habe, die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten verletzt. Die Mitgliedstaaten seien zuständig für alle Zuteilungsregeln, die neben den von der Kommission im Beschluss 2011/278 festgelegten Zuteilungsmethoden griffen. Die Richtlinie 2003/87 sehe nicht vor, dass die Union für die Zuteilungsregeln ausschließlich zuständig sei. Die Kommission habe damit auch gegen den Subsidiaritätsgrundsatz verstoßen.

96      Als Erstes macht die Klägerin im Rahmen der Argumentation, wonach die Mitgliedstaaten für alle Zuteilungsregeln zuständig seien, die neben den von der Kommission im Beschluss 2011/278 festgelegten Zuteilungsmethoden griffen, geltend, dass Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 zeige, dass es außer den von der Kommission festgelegten Zuteilungsmethoden weitere Zuteilungsregeln geben könne. Andernfalls ergäbe die Ablehnungsbefugnis in dieser Vorschrift keinen Sinn. Für den Anwendungsbereich von Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 blieben nur Fälle übrig, in denen es nicht um einzelne Zuteilungen und deren Berechnung, sondern um generalisierte Zuteilungsregeln gehe, weil die Befugnis der Kommission zur Kontrolle der einzelnen Zuteilungen von Zertifikaten durch die Mitgliedstaaten schon in Art. 51 der Verordnung (EU) Nr. 389/2013 der Kommission vom 2. Mai 2013 zur Festlegung eines Unionsregisters gemäß der Richtlinie 2003/87 und den Entscheidungen Nr. 280/2004/EG und Nr. 406/2009/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EU) Nr. 920/2010 und (EU) Nr. 1193/2011 der Kommission (ABl. L 122, S. 1) geregelt sei.

97      Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 betrifft nämlich einzelne Zuteilungen, da diese Bestimmung in Verbindung mit Abs. 1 dieses Artikels u. a. vorsieht, dass die Kommission prüft, ob die Verzeichnisse der Anlagen und der den einzelnen Anlagen kostenlos zugeteilten Zertifikate mit den Bestimmungen des Art. 10a der Richtlinie 2003/87 im Einklang stehen.

98      Was das Argument bezüglich der Verordnung Nr. 389/2013 betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass diese Verordnung eine Durchführungsverordnung ist, die auf Art. 19 der Richtlinie 2003/87 beruht und daher keine Abweichung von den Bestimmungen des Art. 11 Abs. 3 dieser Richtlinie begründen kann. Im Übrigen betrifft die Verordnung Nr. 389/2013 nach ihrem Art. 1 nur Funktions- und Wartungsvorschriften für das in Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 vorgesehene unabhängige Transaktionsprotokoll und die in Art. 6 der Entscheidung Nr. 280/2004/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über ein System zur Überwachung der Treibhausgasemissionen in der Gemeinschaft und zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls (ABl. L 49, S. 1) vorgesehenen Register sowie die Kommunikation mit diesem Register.

99      Die Klägerin macht zudem geltend, aus der systematischen Gesamtschau der durch den Beschluss 2011/278 vorgesehenen Regelung für die Zuteilung von Zertifikaten ergebe sich, dass die Bundesrepublik Deutschland, da die Zuteilungsmethoden nur den Regelfall abdeckten und keine Ausnahmeregelung für atypische Konstellationen vorsähen, diese Lücke durch § 9 Abs. 5 TEHG habe schließen dürfen. Zwar seien die Mitgliedstaaten nicht zuständig für die Regelung der Fälle, die der Beschluss 2011/278 vorsehe, sie seien jedoch zuständig für alle Zuteilungsregeln, die neben den von der Kommission festgelegten Zuteilungsmethoden griffen.

100    Diese Argumentation ist ebenfalls zurückzuweisen.

101    Erstens sieht Art. 10a der Richtlinie 2003/87 Übergangsregeln für die kostenlose Erteilung von Zertifikaten vor. Nach Art. 10a Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie erlässt die Kommission unionsweite und vollständig harmonisierte Durchführungsmaßnahmen für die Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten. Dies hat die Kommission getan, indem sie den Beschluss 2011/278 erlassen hat, der nach seinem Art. 1 unionsweite Übergangsvorschriften zur Harmonisierung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten gemäß der Richtlinie 2003/87 ab dem Jahr 2013 festlegt. Art. 10 des Beschlusses 2011/278 enthält die Berechnungsmethoden für die Zuteilung dieser Zertifikate an die Anlagen (vgl. Rn. 44 des vorliegenden Urteils). Wie die Kommission vorträgt, impliziert eine solche unionsweite und vollständige Harmonisierung, dass die im Beschluss 2011/278 niedergelegten Zuteilungsregeln abschließend sind und jede Zuteilung kostenloser Zertifikate nach nationalen Vorschriften zwingend ausschließen.

102    Zweitens läuft die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten aufgrund einer nationalen Vorschrift, die über die im Beschluss 2011/278 festgelegten Regeln hinausgeht, dem Ziel des Unionsgesetzgebers zuwider, der, wie bereits festgestellt (vgl. Rn. 82 des vorliegenden Urteils), ein stärker harmonisiertes Emissionshandelssystem schaffen wollte, um die Vorteile des Emissionshandels besser zu nutzen, Verzerrungen auf dem Binnenmarkt zu vermeiden und die Verknüpfung mit anderen Emissionshandelssystemen zu erleichtern (Urteil Polen/Kommission, EU:T:2013:113, Rn. 41).

103    Drittens kann nicht argumentiert werden, dass die im Beschluss 2011/278 vorgesehenen Zuteilungsregeln nur den Regelfall erfassten und atypische Konstellationen durch das nationale Recht geregelt werden könnten. Nach Art. 10a Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2003/87 hatte die Kommission nämlich unionsweite und vollständig harmonisierte Durchführungsmaßnahmen für die Zuteilung kostenlos zuzuteilender Zertifikate zu erlassen. Da es derartigen allgemeinen Zuteilungsregeln eigen ist, dass sie auf einige Anlagen größere Auswirkungen haben als auf andere (vgl. Rn. 71 des vorliegenden Urteils), erfassen diese Regeln alle Fallkonstellationen, auch die atypischen. Eine Abweichung von den harmonisierten Vorschriften der Union kann nicht einseitig durch einen Mitgliedstaat gewährt werden (vgl. entsprechend Urteil vom 14. Mai 1996, Faroe Seafood u. a., C‑153/94 und C‑204/94, Slg, EU:C:1996:198, Rn. 56).

104    Im Übrigen sieht § 9 Abs. 5 TEHG nicht vor, dass die Bundesrepublik Deutschland dafür zuständig wäre, Betreibern von Anlagen im Fall unzumutbarer Härten kostenlos Zertifikate zuzuteilen. Eine derartige Zuteilung ist nämlich nach dieser Bestimmung nur möglich, soweit die Kommission sie nicht ablehnt.

105    Was als Zweites die Argumentation der Klägerin betrifft, wonach die Kommission gegen den Subsidiaritätsgrundsatz verstoßen habe, als sie es abgelehnt habe, Zertifikate auf der Grundlage der in § 9 Abs. 5 TEHG vorgesehenen Härtefallklausel kostenlos zuzuweisen, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 5 Abs. 3 EUV die Union nach dem Subsidiaritätsprinzip in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig wird, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.

106    Im vorliegenden Fall ist diese Argumentation zurückzuweisen. Die im Beschluss 2011/278 auf der Grundlage von Art. 10a Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2003/87 niedergelegten Übergangsvorschriften zur kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten sind nämlich abschließend und schließen jede Zuteilung kostenloser Zertifikate nach nationalen Vorschriften zwingend aus (vgl. Rn. 101 des vorliegenden Urteils). Außerdem hat die Klägerin nicht bestritten, dass das mit der Richtlinie 2003/87 eingeführte System für den Handel mit Emissionszertifikaten von den jeder für sich handelnden Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden konnte und dass die Einführung dieses Systems wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen war. Zudem ergibt sich aus dem achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/29, dass eine Überprüfung im Jahr 2007 unter Berücksichtigung der in den ersten beiden Handelszeiträumen erzielten Erfahrung bestätigt hat, dass ein stärker harmonisiertes Emissionshandelssystem unerlässlich ist, wenn die Vorteile des Emissionshandels besser genutzt, Verzerrungen auf dem Binnenmarkt vermieden und die Verknüpfung mit anderen Emissionshandelssystemen erleichtert werden sollen.

107    Folglich ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

108    Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

 Kosten

109    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten des Verfahrens in der Hauptsache und des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Romonta GmbH trägt die Kosten des Verfahrens in der Hauptsache und des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes.

Dittrich

Schwarcz

Tomljenović

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. September 2014.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.