Language of document : ECLI:EU:C:2016:836

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

8. November 2016(*)

„Verordnung (EU) Nr. 407/2010 – Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus – Durchführungsbeschluss 2011/77/EU – Finanzieller Beistand der Europäischen Union für Irland – Rekapitalisierung der inländischen Banken – Gesellschaftsrecht – Zweite Richtlinie 77/91/EWG – Art. 8, 25 und 29 – Rekapitalisierung einer Bank durch gerichtliche Anordnung – Erhöhung des Gesellschaftskapitals ohne Beschluss der Hauptversammlung und ohne die ausgegebenen Aktien vorzugsweise den bisherigen Aktionären anzubieten – Ausgabe neuer Aktien zu einem unter ihrem Nennbetrag liegenden Betrag“

In der Rechtssache C‑41/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) mit Entscheidung vom 2. Dezember 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Februar 2015, in dem Verfahren

Gerard Dowling,

Padraig McManus,

Piotr Skoczylas,

Scotchstone Capital Fund Limited

gegen

Minister for Finance,

Beteiligte:

Permanent TSB Group Holdings plc, vormals Irish Life and Permanent Group Holdings plc,

Permanent TSB plc, vormals Irish Life and Permanent plc,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič und T. von Danwitz (Berichterstatter), der Richter J. Malenovský, J.‑C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan, C. G. Fernlund, C. Vajda und S. Rodin,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von G. Dowling, persönlich und vertreten durch G. Rudden, Solicitor, und N. Travers, SC,

–        von P. McManus, persönlich und vertreten durch G. Rudden, Solicitor, und N. Travers, SC,

–        von P. Skoczylas, persönlich,

–        der Scotchstone Capital Fund Limited, vertreten durch S. O’Donnell und J. Flynn, Solicitors,

–        der Permanent TSB Group Holdings plc, vormals Irish Life and Permanent Group Holdings plc, und der Permanent TSB plc, vormals Irish Life and Permanent plc, vertreten durch C. MacCarthy, A. Walsh, Solicitors, P. Gallagher, SC, und C. Geoghegan, Barrister,

–        von Irland, vertreten durch A. Joyce, L. Williams und E. Creedon als Bevollmächtigte im Beistand von A. O’Neill, BL, und E. McCullough, SC,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

–        der zyprischen Regierung, vertreten durch E. Zachariadou und D. Kalli als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch J.-P. Keppenne, H. Støvlbæk, L. Flynn und A. Steiblytė als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. Juni 2016

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 8, 25 und 29 der Zweiten Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels [54 Abs. 2 AEUV] im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. 1977, L 26, S. 1, im Folgenden: Zweite Richtlinie).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Gerard Dowling, Herrn Padraig McManus, Herrn Piotr Skoczylas und der Scotchstone Capital Fund Limited (im Folgenden: Scotchstone) einerseits und dem Minister for Finance (Finanzminister, Irland, im Folgenden: Minister) andererseits wegen Aufhebung der vom High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) am 26. Juli 2011 erlassenen Anordnung (im Folgenden: Anordnung), mit der einer Gesellschaft, an der die Antragsteller des Ausgangsverfahrens als Gesellschafter und Aktionäre beteiligt sind, die Erhöhung ihres Gesellschaftskapitals und die Ausgabe neuer Aktien zugunsten des Ministers zu einem unter dem Nennbetrag liegenden Preis aufgegeben wurden.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Zweite Richtlinie

3        Im zweiten Erwägungsgrund der Zweiten Richtlinie heißt es:

„Die Koordinierung der einzelstaatlichen Vorschriften über die Gründung der Aktiengesellschaft sowie die Aufrechterhaltung, die Erhöhung und die Herabsetzung ihres Kapitals ist vor allem bedeutsam, um beim Schutz der Aktionäre einerseits und der Gläubiger der Gesellschaft andererseits ein Mindestmaß an Gleichwertigkeit sicherzustellen.“

4        Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Die Aktien dürfen nicht unter dem Nennbetrag oder, wenn ein Nennbetrag nicht vorhanden ist, nicht unter dem rechnerischen Wert ausgegeben werden.“

5        Art. 25 dieser Richtlinie lautet:

„(1)      Jede Kapitalerhöhung muss von der Hauptversammlung beschlossen werden. Dieser Beschluss sowie die Durchführung der Erhöhung des gezeichneten Kapitals sind … offenzulegen.

(2)      Die Satzung, der Errichtungsakt oder die Hauptversammlung, deren Entscheidung gemäß Absatz 1 offenzulegen ist, kann jedoch zu einer Erhöhung des gezeichneten Kapitals bis zu einem Höchstbetrag ermächtigen, den sie unter Beachtung des gegebenenfalls gesetzlich vorgeschriebenen Höchstbetrags festlegt. In den Grenzen des festgelegten Betrags beschließt das hierzu berufene Organ der Gesellschaft gegebenenfalls eine Erhöhung des gezeichneten Kapitals. Diese Ermächtigung des Organs gilt für eine Höchstdauer von fünf Jahren; sie kann von der Hauptversammlung ein- oder mehrmals für einen Zeitraum, der jeweils fünf Jahre nicht überschreiten darf, verlängert werden.

(3)      Sind mehrere Gattungen von Aktien vorhanden, so ist der Beschluss der Hauptversammlung über die Kapitalerhöhung nach Absatz 1 oder die Ermächtigung zu einer Kapitalerhöhung nach Absatz 2 von einer gesonderten Abstimmung zumindest jeder Gattung derjenigen Aktionäre abhängig, deren Rechte durch die Maßnahme berührt werden.

(4)      Dieser Artikel gilt für die Ausgabe aller Wertpapiere, die in Aktien umgewandelt werden können oder mit einem Bezugsrecht auf Aktien verbunden sind, nicht aber für die Umwandlung dieser Wertpapiere und die Ausübung des Bezugsrechts.“

6        Art. 29 der Zweiten Richtlinie sieht vor:

„(1)      Bei jeder Erhöhung des gezeichneten Kapitals durch Bareinlagen müssen die Aktien vorzugsweise den Aktionären im Verhältnis zu dem durch ihre Aktien vertretenen Teil des Kapitals angeboten werden.

(4)      Dieses Bezugsrecht darf durch die Satzung oder den Errichtungsakt weder beschränkt noch ausgeschlossen werden. Dies kann jedoch durch Beschluss der Hauptversammlung geschehen. Das Verwaltungs- oder Leitungsorgan hat der Hauptversammlung einen schriftlichen Bericht über die Gründe für eine Beschränkung oder einen Ausschluss des Bezugsrechts zu erstatten und den vorgeschlagenen Ausgabekurs zu begründen. Die Hauptversammlung entscheidet nach den Vorschriften, die in Artikel 40 über Beschlussfähigkeit und Mehrheitserfordernisse festgelegt sind. Der Beschluss ist … offenzulegen.

(5)      Die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats können vorsehen, dass die Satzung, der Errichtungsakt oder die Hauptversammlung, die nach den in Absatz 4 genannten, die Beschlussfähigkeit, Mehrheitserfordernisse und Offenlegung betreffenden Vorschriften entscheidet, dem Organ der Gesellschaft, das zur Entscheidung über die Erhöhung des gezeichneten Kapitals innerhalb der Grenzen des genehmigten Kapitals berufen ist, die Befugnis einräumen kann, das Bezugsrecht zu beschränken oder auszuschließen. Diese Befugnis darf für keinen längeren Zeitraum gelten als die Befugnis nach Artikel 25 Absatz 2.

(6)      Die Absätze 1 bis 5 gelten für die Ausgabe aller Wertpapiere, die in Aktien umgewandelt werden können oder mit einem Bezugsrecht auf Aktien verbunden sind, nicht aber für die Umwandlung dieser Wertpapiere und die Ausübung des Bezugsrechts.“

 Richtlinie 2001/24/EG

7        Die Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates von 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten (ABl. 2001, L 125, S. 15) dient gemäß ihrem sechsten Erwägungsgrund der Einführung der gegenseitigen Anerkennung durch die Mitgliedstaaten im Falle von Maßnahmen, die ein einzelner Mitgliedstaat trifft, um die Lebensfähigkeit der von ihm zugelassenen Kreditinstitute wiederherzustellen. Hierzu sehen die Art. 3, 9 und 10 dieser Richtlinie vor, dass die von den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats getroffenen Sanierungs- und Liquidationsmaßnahmen grundsätzlich in allen anderen Mitgliedstaaten die gleichen Wirkungen wie im Herkunftsmitgliedstaat entfalten.

 Verordnung (EU) Nr. 407/2010

8        Die Verordnung (EU) Nr. 407/2010 des Rates vom 11. Mai 2010 zur Einführung eines europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (ABl. 2010, L 118, S. 1) stützt sich auf Art. 122 Abs. 2 AEUV. In den Erwägungsgründen 4 und 5 dieser Verordnung heißt es:

„(4)      Die Verschärfung der Finanzkrise hat für mehrere Mitgliedstaaten zu einer gravierenden Verschlechterung der Kreditkonditionen geführt, die darüber hinausgeht, was sich durch wirtschaftliche Fundamentaldaten erklären ließe. Wird in dieser Situation nicht umgehend gehandelt, könnte die Finanzstabilität der Europäischen Union insgesamt ernsthaft bedroht sein.

(5)      Angesichts dieser außergewöhnlichen Situation, die sich der Kontrolle der Mitgliedstaaten entzieht, erscheint es notwendig, unverzüglich einen Unionsmechanismus zur Wahrung der Finanzstabilität in der Europäischen Union einzuführen. Ein solcher Mechanismus sollte die Union in die Lage versetzen, auf akute Schwierigkeiten in einem Mitgliedstaat koordiniert, rasch und wirksam zu reagieren. Seine Aktivierung wird im Kontext einer gemeinsamen EU/Internationaler Währungsfonds (IWF)-Unterstützung erfolgen.“

9        Art. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Um die Stabilität, Einheit und Integrität der Europäischen Union zu wahren, werden in dieser Verordnung die Bedingungen und Verfahren festgelegt, nach denen einem Mitgliedstaat, der aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse, die sich seiner Kontrolle entziehen, von gravierenden wirtschaftlichen oder finanziellen Störungen betroffen oder von diesen ernstlich bedroht ist, ein finanzieller Beistand der Union gewährt werden kann; dabei ist die mögliche Anwendung der bestehenden mit der Verordnung (EG) Nr. 332/2002 [des Rates vom 18. Februar 2002 zur Einführung einer Fazilität des mittelfristigen finanziellen Beistands zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten (ABl. 2002, L 53, S. 1)] geschaffenen Fazilität für die Gewährung eines mittelfristigen finanziellen Beistands zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten außerhalb des Eurogebiets zu berücksichtigen.“

10      Art. 3 der Verordnung Nr. 407/2010 sieht vor:

„(1)      Der Mitgliedstaat, der einen finanziellen Beistand der Union in Anspruch nehmen möchte, erörtert mit der Kommission in Verbindung mit der Europäischen Zentralbank (EZB) die Bewertung seines Finanzbedarfs und unterbreitet der Kommission und dem Wirtschafts- und Finanzausschuss einen Entwurf seines wirtschaftlichen und finanziellen Sanierungsprogramms.

(2)      Der finanzielle Beistand der Union wird durch einen Beschluss gewährt, den der Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit fasst.

(3)      Der Beschluss über die Gewährung eines Darlehens enthält:

a)      den Betrag des Darlehens, die durchschnittliche Laufzeit, die Konditionen, die maximale Anzahl der Raten, den Bereitstellungszeitraum des finanziellen Beistands der Union und die sonstigen detaillierten Vorschriften, die für die Durchführung des finanziellen Beistands notwendig sind;

b)      die allgemeinen wirtschaftspolitischen Bedingungen, die mit der Finanzhilfe der Union verknüpft sind, um eine solide wirtschaftliche oder finanzielle Situation in dem begünstigten Mitgliedstaat und dessen eigene Finanzierungsfähigkeit auf den Finanzmärkten wiederherzustellen; diese Bedingungen werden von der Kommission in Abstimmung mit der EZB festgelegt, und

c)      eine Billigung des Sanierungsprogramms, das der begünstige Mitgliedstaat aufgestellt hat, um die mit dem finanziellen Beistand der Union verknüpften wirtschaftlichen Bedingungen zu erfüllen.

(5)      Die Kommission und der begünstigte Mitgliedstaat legen in einer Vereinbarung die vom Rat festgelegten allgemeinen wirtschaftspolitischen Bedingungen fest. Die Kommission übermittelt diese Vereinbarung dem Europäischen Parlament und dem Rat.“

 Durchführungsbeschluss 2011/77/EU

11      Der Durchführungsbeschluss 2011/77/EU des Rates vom 7. Dezember 2010 über einen finanziellen Beistand der Union für Irland (ABl. 2011, L 30, S. 34) in der Fassung des Durchführungsbeschlusses 2011/326/EU des Rates vom 30. Mai 2011 (ABl. 2011, L 147, S. 17) (im Folgenden: Durchführungsbeschluss 2011/77) stützt sich u. a. auf Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 407/2010. In den Erwägungsgründen 1 bis 3 dieses Beschlusses heißt es:

„(1)      Irland ist unlängst auf den Finanzmärkten unter starken Druck geraten, da die Bedenken hinsichtlich der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen angesichts der massiven Stützungsmaßnahmen für den geschwächten Finanzsektor immer größer wurden. Aufgrund der starken Exponierung auf dem Hypothekenmarkt und im Bausektor verzeichnete das inländische Bankensystem große Verluste infolge des Zusammenbruchs dieser beiden Branchen. Die derzeitige Krise von Wirtschaft und Banken zeitigte auch dramatische Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen Irlands, die durch die Folgen der Rezession noch verschlimmert wurden. … Die Stützungsmaßnahmen für den Bankensektor, einschließlich erheblicher Kapitalzuschüsse, haben wesentlich zur Verschlechterung der öffentlichen Finanzen beigetragen. Die derzeitigen Bedenken der Märkte spiegeln vor allem die Tatsache wider, dass die Solvenz der irischen Staatsfinanzen und die des Bankensystems seit der Krise untrennbar miteinander verwoben sind; so stiegen die Renditen für irische Staatsanleihen erheblich an, während der inländische Bankensektor von der Finanzierung durch die internationalen Märkte praktisch abgeschnitten ist.

(2)      Aufgrund dieser schwerwiegenden Störungen von Wirtschaft und Finanzwelt, die durch außergewöhnliche, über die Kontrolle durch die Regierung hinausgehende Vorfälle verursacht wurden, baten die irischen Behörden die Europäische Union, die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, und den Internationalen Währungsfonds (IWF) am 21. November 2010 offiziell um finanziellen Beistand, um die Wirtschaft wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurückzuführen, die ordnungsgemäße Funktionsweise des Bankensystems zu gewährleisten sowie die finanzielle Stabilität in der Union und im Euroraum zu wahren. Am 28. November 2010 einigte man sich auf technischer Ebene auf ein umfassendes politisches Paket für den Zeitraum 2010-2013.

(3)      Der Entwurf des wirtschaftlichen und finanziellen Anpassungsprogramms …, der dem Rat und der Kommission übermittelt wurde, soll das Vertrauen der Finanzmärkte in den irischen Bankensektor und die öffentlichen Finanzen wieder herstellen und es der Wirtschaft ermöglichen, wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu gelangen. Zu diesem Zweck umfasst das Programm drei wesentliche Elemente: Zum einen eine Strategie für den Finanzsektor, samt einer erheblichen Verkleinerung, eines Abbaus der Fremdfinanzierungen und einer Umstrukturierung des Bankensektors, die durch eine angemessene Rekapitalisierung im Rahmen des vorhandenen Bedarfs ergänzt werden. …“

12      Art. 1 dieses Beschlusses bestimmt:

„(1)      Die Union gewährt Irland ein Darlehen in Höhe von maximal 22,5 Mrd. [Euro], mit einer durchschnittlichen Laufzeit von höchstens 7½ Jahren.

(4)      Die erste Rate wird vorbehaltlich des Inkrafttretens der Darlehensvereinbarung und des Memorandum of Understanding [on Specific Economic Policy Conditionality zwischen der Kommission und Irland] freigegeben. Jede weitere Darlehensfreigabe hängt von einer positiven vierteljährlichen Bewertung der Einhaltung der in diesem Beschluss und dem Memorandum of Understanding festgelegten allgemeinen wirtschaftspolitischen Auflagen durch Irland seitens der Kommission in Absprache mit der [Europäischen Zentralbank (EZB)] ab.“

13      Art. 3 des Durchführungsbeschlusses 2011/77 sieht vor:

„(1)      Das von den irischen Behörden erstellte wirtschaftliche und finanzielle Anpassungsprogramm … wird hiermit genehmigt.

(2)      Die Auszahlung jeder weiteren Rate erfolgt auf der Grundlage einer zufrieden stellenden Umsetzung des Programms, das im Stabilitätsprogramm Irlands, im nationalen Reformprogramm und insbesondere in den im Memorandum of Understanding festgelegten spezifischen wirtschaftspolitischen Auflagen zum Ausdruck zu bringen ist. Dazu zählen unter anderem die in den Absätzen 4 bis 9 dieses Artikels genannten Maßnahmen.

(4)      Die in den Absätzen 7 bis 9 spezifizierten Maßnahmen sind von Irland vor Ablauf des angegebenen Jahres umzusetzen, wobei die genauen Fristen für die Jahre 2011-2013 im Memorandum of Understanding anzugeben sind. …

(5)      Wie im Memorandum of Understanding dargelegt[,] muss Irland das Bankensystem angemessen rekapitalisieren, rasch seinen Fremdkapitalanteil [verringern] und eine grundlegende Umstrukturierung durchführen, um das Vertrauen in den Finanzsektor wieder herzustellen. Diesbezüglich entwickelt Irland eine Strategie für die zukünftige Struktur, Tätigkeit und Lebensfähigkeit der irischen Kreditinstitute, die darlegt, wie sichergestellt wird, dass diese Institute in der Lage sind, ohne weitere staatliche Unterstützung zu arbeiten; Irland vereinbart diese Strategie mit der Europäischen Kommission, der EZB und dem IWF. …

(7)      Irland trifft in Übereinstimmung mit den Spezifikationen des Memorandum of Understanding im Laufe des Jahres 2011 folgende Maßnahmen:

g)      Rekapitalisierung der inländischen Banken bis Ende Juli 2011 (vorbehaltlich einer angemessenen Anpassung für die bei Irish Life & Permanent erwartete Veräußerung von Aktiva) nach Maßgabe der von der irischen Zentralbank am 31. März 2011 bekannt gegebenen Ergebnisse der PLAR [Prudential Liquidity Assessment Review – Überprüfung der Liquiditätsbewertung] und PCAR [Prudential Capital Assessment Review – Überprüfung der Eigenkapitalbewertung] von 2011;

…“

 Irisches Recht

14      Das Ziel des Credit Institutions (Stabilisation) Act 2010 (Gesetz von 2010 betreffend [die Stabilisierung der] Kreditinstitute, im Folgenden: Gesetz von 2010) besteht nach seiner Section 4 u. a. darin,

„a)      der schwerwiegenden und anhaltenden Störung der Wirtschaft und der Finanzsysteme sowie der anhaltenden schwerwiegenden Bedrohung der Stabilität bestimmter Kreditinstitute in Irland und des Finanzsystems im Allgemeinen zu begegnen;

b)      die Sanierung von Kreditinstituten in Irland durchzuführen, um für deren finanzielle Stabilisierung und Restrukturierung (im Einklang mit dem Beihilferecht der Europäischen Union) im Zusammenhang mit dem nationalen Stabilisierungsprogramm für 2011–2014 und dem von der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds aufgelegten Finanzhilfeprogramm für Irland zu sorgen;

…“

15      Section 7 dieses Gesetzes bestimmt:

„(1)      Vorbehaltlich der Subsections (2) und (4) kann der Minister eine Anordnung des Inhalts vorschlagen, einem Institut aufzugeben, (innerhalb eines bestimmten Zeitraums) eine Maßnahme oder eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen oder (während eines bestimmten Zeitraums) von der Ergreifung einer solchen Maßnahme oder Reihe von Maßnahmen abzusehen, mit denen zusammen ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll, wobei die Maßnahme – unbeschadet der Allgemeingültigkeit des Vorstehenden – insbesondere auch in einer oder mehreren der folgenden Handlungen bestehen kann:

(a)      unbeschadet gesetzlicher oder vertraglicher Vorkaufsrechte …, Ausgabe von Aktien an den Minister oder an eine vom Minister benannte Person zu Bedingungen, die der Minister im Anordnungsvorschlag festlegt, zu einer vom Minister festgelegten Gegenleistung;

(c)      Erhöhung des genehmigten Gesellschaftskapitals (einschließlich durch Schaffung neuer Aktiengattungen) des betreffenden Instituts, damit es an den Minister oder an eine vom Minister benannte Person Aktien ausgeben kann;

(d)      Vornahme einer bestimmten Änderung des Gesellschaftsvertrags und der Satzung des betreffenden Instituts …;

(2)      Der Minister kann eine Anordnung nur vorschlagen, wenn er nach Beratung mit dem Präsidenten [der Zentralbank] der Ansicht ist, dass der Erlass einer Anordnung mit dem Inhalt des Anordnungsvorschlags erforderlich ist, um die Erreichung eines der im Anordnungsvorschlag angegebenen Ziele dieses Gesetzes zu sichern.

…“

16      Section 9 (1) und (2) des Gesetzes lautet:

„(1)      So bald wie möglich nach Abschluss der in Section 7 vorgesehenen Verfahren in Bezug auf einen Anordnungsvorschlag beantragt der Minister ex parte beim High Court [Hoher Gerichtshof] eine Anordnung … mit dem Inhalt des betreffenden Anordnungsvorschlags.

(2)      Sind nach Überzeugung des mit einem Ex-parte-Antrag nach Subsection (1) befassten High Court [Hoher Gerichtshof] die Voraussetzungen von Section 7 erfüllt und die Auffassung des Ministers gemäß dieser Section angemessen und nicht mit Rechtsfehlern behaftet, so erlässt er eine Anordnung mit dem Inhalt des Anordnungsvorschlags …“

17      Section 11 des Gesetzes von 2010 sieht vor, dass das betreffende Institut oder einer seiner Gesellschafter beim High Court (Hoher Gerichtshof) die Aufhebung der Anordnung beantragen kann. Der High Court (Hoher Gerichtshof) kann eine Anordnung nur aufheben, wenn er der Auffassung ist, dass eine der Voraussetzungen von Section 7 des Gesetzes von 2010 nicht erfüllt war oder dass die Ansicht des Ministers nach Section 7 (2) nicht angemessen oder mit einem Rechtsfehler behaftet war.

18      Nach Section 47 des Gesetzes von 2010 ist in die Anordnung eine Bestimmung aufzunehmen, wonach alle Befugnisse, die den Gesellschaftern des betreffenden Instituts in der Hauptversammlung zustehen, statt von den Gesellschaftern vom Minister ausgeübt werden können.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

19      Die Permanent TSB plc, vormals Irish Life and Permanent plc (im Folgenden: ILP), ist ein in Irland tätiges Kreditinstitut.

20      Die Permanent TSB Group Holdings plc, vormals Irish Life and Permanent Group Holdings plc (im Folgenden: ILPGH), ist eine in Irland gegründete beschränkt haftende Gesellschaft. ILPGH ist kein Kreditinstitut. In dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum hielt sie das gesamte Gesellschaftskapital von ILP.

21      Die Antragsteller des Ausgangsverfahrens sind Gesellschafter und Aktionäre von ILPGH.

22      Die Finanz- und Wirtschaftskrise, in der sich Irland im Jahr 2008 befand, hatte gravierende Auswirkungen sowohl auf die finanzielle Stabilität der irischen Banken als auch auf die finanzielle Stabilität dieses Mitgliedstaats, aufgrund des besonders starken Zusammenhangs, der wegen der relativen Größe des Bankensektors im Verhältnis zur Größe der Volkswirtschaft sowie wegen der erheblichen Garantien für Bankverbindlichkeiten, die Irland im Laufe jenes Jahres zugunsten der irischen inländischen Banken übernommen hatte, bestand.

23      Ungeachtet der Maßnahmen, die Irland zur Unterstützung des Bankensektors ergriffen hatte, verloren die irischen Banken weiter das Vertrauen der Märkte, und die Finanzlage dieses Mitgliedstaats verschlechterte sich weiter. Vor diesem Hintergrund arbeiteten die irischen Behörden ein wirtschaftliches und finanzielles Anpassungsprogramm aus, für das sie am 21. November 2010 u. a. einen finanziellen Beistand der Union beantragten. In diesem Programm verpflichtete sich Irland, den Bankensektor umzustrukturieren und zu rekapitalisieren.

24      Mit dem Durchführungsbeschluss 2011/77 genehmigte der Rat das Programm und stellte Irland im Rahmen des mit der Verordnung Nr. 407/2010 eingeführten europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus einen finanziellen Beistand der Union zur Verfügung. Am 16. Dezember 2010 schlossen Irland und die Kommission aufgrund von Art. 1 Abs. 4 dieses Beschlusses ein Memorandum of Understanding. Gemäß den in dessen Rahmen übernommenen sowie sich aus Art. 3 Abs. 4, 5 und 7 Buchst. g des Durchführungsbeschlusses ergebenden Verpflichtungen musste dieser Mitgliedstaat die innerstaatlichen Banken bis Ende Juli 2011 auf der Grundlage der von der Central Bank of Ireland (irische Zentralbank) veröffentlichten Ergebnisse einer Überprüfung der Eigenkapitalausstattung und einer Liquiditätsbewertung rekapitalisieren.

25      Die irische Zentralbank veröffentlichte die Ergebnisse ihrer Prüfung am 31. März 2011. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wies der Präsident der irischen Zentralbank mit Beschluss vom selben Tag ILP an, zusätzliches Eigenkapital in Höhe von 4 Mrd. Euro zu beschaffen.

26      Im Juli 2011 unterbreitete der Minister den Aktionären von ILPGH einen Vorschlag, der vorsah, diese Rekapitalisierung von ILP u. a. durch eine Einlage von 2,7 Mrd. Euro zu erleichtern. Dieser Vorschlag wurde von der am 20. Juli 2011 abgehaltenen außerordentlichen Hauptversammlung von ILPGH nicht angenommen; vielmehr wies diese den Board (Leitungsgremium) dieser Gesellschaft an, andere Optionen für die Rekapitalisierung zu prüfen und hierfür eine Verlängerung der im Durchführungsbeschluss 2011/77 vorgesehenen Frist für die Rekapitalisierung zu beantragen.

27      Gemäß den Sections 7 und 9 des Gesetzes von 2010 arbeitete der Minister zur Rekapitalisierung von ILP einen Vorschlag für eine Anordnung aus, den er beim High Court (Hoher Gerichtshof) einreichte. Dieser erließ die Anordnung antragsgemäß und wies ILPGH an, im Gegenzug für eine Einlage von 2,7 Mrd. Euro an den Minister neue Aktien zu einem von diesem bestimmten Preis je Aktie auszugeben; dieser Preis lag 10 % unter dem durchschnittlichen Aktienkurs vom 23. Juni 2011. Der Minister erhielt infolgedessen ohne Beschluss der Aktionärshauptversammlung von ILPGH 99,2 % der Aktien dieser Gesellschaft. Zudem wurde angeordnet, diese Aktien an der irischen und der Londoner Börse aus der amtlichen Notierung zu nehmen.

28      Die Antragsteller des Ausgangsverfahrens beantragten beim High Court (Hoher Gerichtshof) gemäß Section 11 des Gesetzes von 2010 die Aufhebung der Anordnung. Dabei machten sie geltend, die aus der Anordnung resultierende Kapitalerhöhung sei unvereinbar mit den Art. 8, 25 und 29 der Zweiten Richtlinie, da sie ohne die Zustimmung der Hauptversammlung von ILPGH erfolgt sei.

29      Der Minister sowie ILPGH und ILP wiesen dieses Vorbringen unter Berufung auf die Richtlinie 2001/24, die Verordnung Nr. 407/2010, den Durchführungsbeschluss 2011/77, die Art. 49, 65, 107, 119, 120 und 126 AEUV sowie Titel VIII des Dritten Teils des AEUV zurück. Nach diesen unionsrechtlichen Bestimmungen sei Irland unbeschadet der Zweiten Richtlinie befugt, die erforderlichen Maßnahmen zur Verteidigung der Integrität seines eigenen Finanzsystems zu ergreifen. Aufgrund seiner Verpflichtungen aus Titel VIII des Dritten Teils des AEUV, insbesondere Art. 119 und 120, sei Irland sogar verpflichtet gewesen, diese Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit eines für diesen Mitgliedstaat und die Union systemrelevanten Instituts zu gewährleisten.

30      Das vorlegende Gericht hielt es aufgrund einer wertenden Betrachtung für wahrscheinlich, dass ILP den erforderlichen Eigenkapitalbetrag von 4 Mrd. Euro weder bei privaten Investoren noch bei den bisherigen Aktionären hätte aufbringen können, nachdem der Rekapitalisierungsvorschlag des Ministers von der außerordentlichen Hauptversammlung von ILPGH am 20. Juli 2011 abgelehnt worden sei. Seiner Einschätzung nach hätte das Unterbleiben einer Rekapitalisierung innerhalb der im Durchführungsbeschluss 2011/77 vorgesehenen Frist zur Insolvenz von ILP geführt, und zwar aufgrund verschiedener möglicher Entwicklungen wie eines massiven Einlagenabzugs bei ILP, einer Aufforderung zur Rückzahlung der verschiedenen Anleihen oder einer Beendigung der Finanzierung im Rahmen der Sofort-Liquiditätshilfe (Emergency Liquidity Assistance) oder aufgrund einer Kombination einzelner oder aller dieser Möglichkeiten.

31      Außerdem hätte eine Insolvenz von ILP nicht nur für die Aktionäre zu einem vollständigen Wertverlust der Aktien geführt, sondern auch für Irland schwerwiegende Folgen gehabt. Insoweit sei u. a. hinzuweisen auf die Möglichkeit eines massiven Einlagenabzugs bei den inländischen Banken, auf eine sich daran anschließende Inanspruchnahme der vom irischen Staat für ILP übernommenen Garantie sowie auf die Möglichkeit einer vollständigen oder teilweisen Rücknahme der im Rahmen des wirtschaftlichen und finanziellen Anpassungsprogramms erfolgten Mittelbereitstellungen an diesen Staat wegen Nichtbeachtung der für das Programm geltenden Bedingungen. Diese Folgen für Irland hätten wahrscheinlich die Bedrohung der finanziellen Stabilität anderer Mitgliedstaaten und der Union vergrößert.

32      Vor diesem Hintergrund hat der High Court (Hoher Gerichtshof) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Unter Berücksichtigung

i)      der Zweiten Richtlinie;

ii)      der Richtlinie 2001/24;

iii)      der Verpflichtungen des irischen Staates aus dem AEU-Vertrag, insbesondere den Art. 49, 65, 107 und 120 sowie Titel VIII des Dritten Teils;

iv)      der Verpflichtungen des irischen Staates nach dem Finanzhilfeprogramm der Europäischen Union und des IWF;

v)      des aufgrund der Verordnung Nr. 407/2010 erlassenen Durchführungsbeschlusses 2011/77

1.      Steht die Zweite Richtlinie unter allen Umständen, einschließlich der im vorliegenden Fall gegebenen, dem Erlass einer vom Minister als erforderlich angesehenen Anordnung nach Section 9 des Gesetzes von 2010 entgegen, wenn eine solche Anordnung bewirkt, dass das Gesellschaftskapital ohne die Zustimmung der Hauptversammlung erhöht wird, dass neue Aktien, ohne dass diese auf einer Vorkaufsbasis den bereits vorhandenen Aktionären angeboten worden wären, ohne die Zustimmung der Hauptversammlung ausgegeben werden und dass der Nennbetrag der Aktien der Gesellschaft ohne die Zustimmung der Hauptversammlung gesenkt und hierzu ohne Zustimmung der Hauptversammlung der Gesellschaftsvertrag und die Satzung der Gesellschaft geändert werden?

2.      Verstieß die vom High Court (Hoher Gerichtshof) gemäß Section 9 des Gesetzes von 2010 in Bezug auf ILPGH und ILP erlassene Anordnung gegen das Recht der Europäischen Union?

 Zu den Anträgen auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens und Erhebung von Beweisen

33      Nach Verlesung der Schlussanträge des Generalanwalts hat Herr Skoczylas am 25. August 2016 einen Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens nach Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs gestellt. Mit am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangenem Schriftsatz hat Scotchstone einen entsprechenden Antrag sowie einen Antrag nach Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs auf Erhebung von Beweisen gestellt.

34      Zur Begründung ihrer Anträge machen diese Antragsteller des Ausgangsverfahrens im Wesentlichen geltend, dass das Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a. (C‑526/14, EU:C:2016:570), sowie die Einzelheiten, in denen sich die Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, von der Rechtssache, um die es im Ausgangsverfahren gehe, unterscheide, von den Beteiligten nicht erörtert worden seien.

35      Mit am 6. September 2016 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangenem Schriftsatz hat Scotchstone die Begründung ihres Antrags auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens dadurch ergänzt, dass sie sich auf den Beschluss der Kommission vom 30. August 2016 berufen hat, mit dem festgestellt worden sei, dass Steuervorteile in Höhe von 13 Mrd. Euro, die von Irland in den Jahren 2003 bis 2014 an Apple gewährt worden seien, mit den Unionsvorschriften über staatliche Beihilfen unvereinbar seien. In Anbetracht dieses Beschlusses ist Scotchstone der Ansicht, dass Irland in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zeitraum weitere Finanzmittel als die aus dem finanziellen Beistand der Union zur Verfügung gestanden hätten, um die gravierende Störung seiner Wirtschaft zu beheben. Diese weiteren Finanzmittel hätten es Irland ermöglicht, ILP im Einverständnis mit der Hauptversammlung von ILPGH und im Einklang mit den Bestimmungen der Zweiten Richtlinie zu rekapitalisieren.

36      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof nach Art. 83 seiner Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen kann, insbesondere wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder wenn ein zwischen den Parteien oder den in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezeichneten Beteiligten nicht erörtertes Vorbringen entscheidungserheblich ist.

37      Nach Art. 64 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung bestimmt der Gerichtshof nach Anhörung des Generalanwalts die Beweismittel durch Beschluss, der die zu beweisenden Tatsachen bezeichnet.

38      Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof nach Anhörung des Generalanwalts der Ansicht, dass er über alle Angaben verfügt, die erforderlich sind, um über das Vorabentscheidungsersuchen zu entscheiden, und dass dieses Ersuchen nicht im Hinblick auf ein Vorbringen zu prüfen ist, das vor ihm nicht erörtert worden ist.

39      Folglich sind die Anträge von Herrn Skoczylas und von Scotchstone zurückzuweisen.

 Zu den Vorlagefragen

40      Vorab ist festzustellen, dass aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, dass um die Auslegung von Art. 8 Abs. 1 sowie der Art. 25 und 29 der Zweiten Richtlinie ersucht wird, und dass nach den Angaben in diesem Ersuchen keine anderen unionsrechtlichen Bestimmungen festzustellen sind, die nach Auffassung des vorlegenden Gerichts einer Maßnahme wie der Anordnung entgegenstehen könnten.

41      Nach Art. 8 der Zweiten Richtlinie dürfen Aktien nicht unter dem Nennbetrag oder, wenn ein Nennbetrag nicht vorhanden ist, nicht unter dem rechnerischen Wert ausgegeben werden. Nach Art. 25 der Richtlinie muss grundsätzlich jede Kapitalerhöhung einer Gesellschaft von deren Hauptversammlung beschlossen werden. Art. 29 der Richtlinie bestimmt im Wesentlichen, dass im Fall einer Kapitalerhöhung die Aktien vorzugsweise den bisherigen Aktionären angeboten werden müssen.

42      Bezüglich der Anordnung geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass sie eine Ausgabe von Aktien von ILPGH zu einem unter dem Nennbetrag liegenden Betrag sowie eine Erhöhung des Gesellschaftskapitals dieser Gesellschaft, bei der das vorzugsweise Bezugsrecht ausgeschlossen war, zur Folge hatte, ohne dass die Hauptversammlung der Gesellschaft dem zugestimmt hätte. Es steht somit fest, dass die in der vorstehenden Randnummer genannten Vorschriften vorliegend nicht befolgt wurden.

43      Vor diesem Hintergrund sind die beiden Vorlagefragen, die zusammen zu prüfen sind, so zu verstehen, dass das vorlegende Gericht in Erfahrung bringen möchte, ob Art. 8 Abs. 1 sowie die Art. 25 und 29 der Zweiten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anordnung entgegenstehen, die in einer Situation, in der durch eine gravierende Störung der Wirtschaft und des Finanzsystems eines Mitgliedstaats die finanzielle Stabilität der Union bedroht ist, getroffen wird und zur Folge hat, dass das Kapital einer Aktiengesellschaft ohne Zustimmung ihrer Hauptversammlung durch die Ausgabe neuer Aktien zu einem unter dem Nennbetrag liegenden Betrag und ohne ein vorzugsweises Bezugsrecht der bisherigen Aktionäre erhöht wird.

44      Aus den Angaben des vorlegenden Gerichts geht insoweit hervor, dass die Anordnung im Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise erging, die Irland veranlasst hatte, im Jahr 2008 umfangreiche Garantien zugunsten der von dieser Krise betroffenen inländischen Banken zu übernehmen und Ende 2010, als die Finanzlage der Banken sich weiter verschlechterte und auch die finanzielle Stabilität dieses Mitgliedstaats bedrohte, einen finanziellen Beistand der Union zu beantragen und sich gleichzeitig zur Umstrukturierung und zur Rekapitalisierung des inländischen Bankensektors zu verpflichten.

45      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts war in dieser Situation einer gravierenden Störung der Volkswirtschaft – wegen der für ILP bestehenden Unmöglichkeit, die Rekapitalisierung, wie sie insbesondere in dem Memorandum of Understanding für Ende Juli 2011 vorgesehen war, selbst vorzunehmen – ein Eingreifen des irischen Staates erforderlich, um eine Insolvenz dieser Gesellschaft zu verhindern, die sowohl die finanzielle Stabilität dieses Mitgliedstaats als auch die finanzielle Stabilität anderer Mitgliedstaaten der Union bedroht hätte.

46      Die bis zum 31. Juli 2011 vorzunehmende Rekapitalisierung der inländischen Banken, zu denen auch ILP gehörte, war auch in Art. 1 Abs. 4 und Art. 3 Abs. 2, 4, 5 und 7 Buchst. g des Durchführungsbeschlusses 2011/77 vorgesehen als Bedingung für die Freigabe der Irland von der Union gewährten finanziellen Beihilfe. Diese finanzielle Beihilfe stellt nach dem vierten und dem fünften Erwägungsgrund sowie nach Art. 1 der Verordnung Nr. 407/2010 – die ihrerseits auf der Grundlage von Art. 122 Abs. 2 AEUV erlassen wurde, der es u. a. ermöglichen soll, „außergewöhnliche Ereignisse“ zu bewältigen – eine Sofortmaßnahme zur Wahrung der finanziellen Stabilität der Union dar.

47      Zur Rekapitalisierung von ILP wurde in der Anordnung zwar eine Erhöhung des Kapitals von ILPGH verlangt. Art. 3 Abs. 7 Buchst. g des Durchführungsbeschlusses 2011/77 sieht jedoch die Rekapitalisierung der inländischen Banken, zu denen ILP gehörte, ohne nähere Angabe der dazu einzusetzenden Mittel vor. Daher waren die irischen Behörden nicht verpflichtet, unmittelbar eine Einlage zum Gesellschaftskapital von ILP zu leisten, sondern konnten die Rekapitalisierung auch im Wege einer Kapitalerhöhung bei ILPGH vornehmen.

48      Wie in den Rn. 30 und 31 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist außerdem das vorlegende Gericht aufgrund einer wertenden Betrachtung der auf dem Spiel stehenden Interessen zu dem Ergebnis gelangt, dass nach der Entscheidung der außerordentlichen Hauptversammlung von ILPGH vom 20. Juli 2011, den Rekapitalisierungsvorschlag des Ministers abzulehnen, die Anordnung das einzige Mittel gewesen sei, um innerhalb der im Durchführungsbeschluss 2011/77 vorgesehenen Frist die Rekapitalisierung von ILP herbeizuführen, die erforderlich gewesen sei, um eine Insolvenz dieses Kreditinstituts zu verhindern und damit eine ernsthafte Bedrohung der finanziellen Stabilität der Union abzuwenden.

49      Die Zweite Richtlinie zielt nach ihrem zweiten Erwägungsgrund auf ein Mindestmaß an Gleichwertigkeit beim Schutz der Aktionäre einerseits und der Gläubiger der Aktiengesellschaften andererseits ab. Wie ILPGH und ILP sowie Irland in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen ausgeführt haben, gewährleisten die Maßnahmen, die in der Richtlinie in Bezug auf die Gründung dieser Gesellschaften sowie in Bezug auf die Aufrechterhaltung, die Erhöhung und die Herabsetzung ihres Kapitals vorgesehen sind, den Schutz gegen Handlungen der Organe dieser Gesellschaften und betreffen somit deren normale Funktionsweise (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 86 und 87).

50      Wie jedoch aus den Rn. 44 bis 48 des vorliegenden Urteils hervorgeht, stellt die Anordnung gerade keine von einem Organ einer Aktiengesellschaft im Rahmen von deren normaler Funktionsweise vorgenommene Handlung dar, sondern eine außergewöhnliche Maßnahme der nationalen Behörden, mit der durch eine Kapitalerhöhung die Insolvenz einer Aktiengesellschaft verhindert werden soll, die nach Ansicht des vorlegenden Gerichts die finanzielle Stabilität der Union bedroht hätte. Der den Aktionären und Gläubigern einer Aktiengesellschaft durch die Zweite Richtlinie verliehene Schutz in Bezug auf das Gesellschaftskapital der Aktiengesellschaft erstreckt sich nicht auf eine derartige, in der Situation einer gravierenden Störung der Wirtschaft und des Finanzsystems eines Mitgliedstaats getroffene nationale Maßnahme, die eine aus der unzureichenden Eigenkapitalausstattung der betroffenen Aktiengesellschaft resultierende systemische Bedrohung der finanziellen Stabilität der Union beseitigen soll.

51      Die Bestimmungen der Zweiten Richtlinie stehen folglich einer das Gesellschaftskapital einer Aktiengesellschaft betreffenden außergewöhnlichen Maßnahme wie der in Rede stehenden Anordnung nicht entgegen, die von den nationalen Behörden in der Situation einer gravierenden Störung der Wirtschaft und des Finanzsystems eines Mitgliedstaats ohne die Zustimmung der Hauptversammlung der Gesellschaft getroffen wird, um eine systemische Gefahr abzuwenden und die finanzielle Stabilität der Union zu sichern (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 88 bis 90).

52      Dieses Ergebnis kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Anordnung, wie von den Antragstellern des Ausgangsverfahrens geltend gemacht, nicht als „gerichtliche Maßnahme“, sondern als „vorläufige Verwaltungsentscheidung“ qualifiziert werden könnte. Aus den beiden vorstehenden Randnummern geht nämlich hervor, dass die Zweite Richtlinie unter Umständen wie denen, um die es im Ausgangsverfahren geht, dem Erlass einer Maßnahme wie der Anordnung nicht entgegensteht, ohne dass es insoweit auf die Rechtsnatur der nationalen Stelle, die diese Anordnung erlassen hat, ankommt.

53      Entgegen der Ansicht der Antragsteller des Ausgangsverfahrens ist die vorstehende Auslegung keinesfalls unvereinbar mit der Auslegung, die der Gerichtshof im Urteil vom 12. März 1996, Pafitis u. a. (C‑441/93, EU:C:1996:92), vorgenommen hat. Die in den Rn. 44 bis 48 des vorliegenden Urteils genannten Umstände unterscheiden die Situation, um die es im Ausgangsverfahren geht, von der Rechtssache, in der das Urteil vom 12. März 1996, Pafitis u. a. (C‑441/93, EU:C:1996:92), ergangen ist, da sich diese Rechtssache dadurch auszeichnete, dass nur eine einzige Bank von der Insolvenz betroffen war. Der Gerichtshof hat zwar entschieden, dass die Zweite Richtlinie im Fall einer „einfachen Sanierungsregelung“ weiter Anwendung findet (Urteil vom 12. März 1996, Pafitis u. a., C‑441/93, EU:C:1996:92, Rn. 57), doch hat er sich, wie der Generalanwalt in Nr. 45 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht zu außergewöhnlichen Sanierungsregelungen wie der Anordnung geäußert, die in der Situation einer gravierenden Störung der Volkswirtschaft und des Finanzsystems eines Mitgliedstaats die Insolvenz einer Bank verhindern soll, um die finanzielle Stabilität der Union zu bewahren.

54      Im Übrigen wurde, wie ILPGH und ILP sowie Irland in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen ausgeführt haben, die in der Rechtssache Pafitis u. a. (C‑441/93, EU:C:1996:92) angefochtene nationale Regelung im Zeitraum von 1986 bis 1990 verabschiedet, und der Gerichtshof verkündete sein Urteil am 12. März 1996, d. h. weit vor Beginn der dritten Durchführungsphase der Wirtschafts‑ und Währungsunion mit der Einführung des Euro, der Einrichtung des Eurosystems und den damit zusammenhängenden Änderungen der Unionsverträge. Obwohl ein eindeutiges öffentliches Interesse daran besteht, in der gesamten Union einen wirksamen und einheitlichen Schutz der Aktionäre und Gläubiger zu gewährleisten, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieses Interesse in jedem Fall Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an der Gewährleistung der Stabilität des durch diese Änderungen eingeführten Finanzsystems hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 91).

55      Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 8 Abs. 1 sowie die Art. 25 und 29 der Zweiten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anordnung nicht entgegenstehen, die in einer Situation, in der durch eine gravierende Störung der Wirtschaft und des Finanzsystems eines Mitgliedstaats die finanzielle Stabilität der Union bedroht ist, getroffen wird und zur Folge hat, dass das Kapital einer Aktiengesellschaft ohne Zustimmung ihrer Hauptversammlung durch die Ausgabe neuer Aktien zu einem unter dem Nennbetrag liegenden Betrag und ohne ein vorzugsweises Bezugsrecht der bisherigen Aktionäre erhöht wird.

 Kosten

56      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Art. 8 Abs. 1 sowie die Art. 25 und 29 der Zweiten Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels [54 Abs. 2 AEUV] im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, sind dahin auszulegen, dass sie einer Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anordnung nicht entgegenstehen, die in einer Situation, in der durch eine gravierende Störung der Wirtschaft und des Finanzsystems eines Mitgliedstaats die finanzielle Stabilität der Union bedroht ist, getroffen wird und zur Folge hat, dass das Kapital einer Aktiengesellschaft ohne Zustimmung ihrer Hauptversammlung durch die Ausgabe neuer Aktien zu einem unter dem Nennbetrag liegenden Betrag und ohne ein vorzugsweises Bezugsrecht der bisherigen Aktionäre erhöht wird.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.