Language of document : ECLI:EU:C:2013:203

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

21. März 2013(*)

„Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten Projekten – Richtlinie 85/337/EWG – Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 – Unter Anhang II fallende Projekte – Erweiterung der Infrastruktur eines Flughafens – Prüfung anhand von Schwellenwerten oder Kriterien – Art. 4 Abs. 3 – Auswahlkriterien – Anhang III Nr. 2 Buchst. g – Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte“

In der Rechtssache C‑244/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 19. April 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Mai 2012, in dem Verfahren

Salzburger Flughafen GmbH

gegen

Umweltsenat,

mitbeteiligte Partei:

Landesumweltanwaltschaft Salzburg,

weitere Partei:

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter A. Rosas, E. Juhász (Berichterstatter), D. Šváby und C. Vajda,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Salzburger Flughafen GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt G. Lebitsch,

–        der Landesumweltanwaltschaft Salzburg, vertreten durch W. Wiener, Landesumweltanwalt,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Oliver und D. Düsterhaus als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175, S. 40) in der durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 (ABl. L 73, S. 5) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 85/337).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Salzburger Flughafen GmbH und dem Umweltsenat wegen der Verpflichtung, bestimmte Projekte zur Erweiterung der Infrastruktur des Flughafens Salzburg (Österreich) einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In Art. 1 der Richtlinie 85/337 ist bestimmt:

„(1)      Gegenstand dieser Richtlinie ist die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.

(2)      Im Sinne dieser Richtlinie sind:

Projekt:

–        die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen,

–        sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen;

...“

4        Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 85/337 lautet:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Genehmigungspflicht unterworfen und einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden. Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert.“

5        Art. 3 der Richtlinie 85/337 lautet:

„Die Umweltverträglichkeitsprüfung identifiziert, beschreibt und bewertet in geeigneter Weise nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls gemäß den Artikeln 4 bis 11 die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts auf folgende Faktoren:

–        Mensch, Fauna und Flora,

–        Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft,

–        Sachgüter und kulturelles Erbe,

–        die Wechselwirkung zwischen den unter dem ersten, dem zweiten und dem dritten Gedankenstrich genannten Faktoren.“

6        In Art. 4 der Richtlinie 85/337 ist bestimmt:

„(1)      Projekte des Anhangs I werden vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 3 einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen.

(2)      Bei Projekten des Anhangs II bestimmen die Mitgliedstaaten vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 3 anhand

a)      einer Einzelfalluntersuchung

oder

b)      der von den Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien,

ob das Projekt einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen werden muss.

Die Mitgliedstaaten können entscheiden, beide unter den Buchstaben a) und b) genannten Verfahren anzuwenden.

(3)      Bei der Einzelfalluntersuchung oder der Festlegung von Schwellenwerten bzw. Kriterien im Sinne des Absatzes 2 sind die relevanten Auswahlkriterien des Anhangs III zu berücksichtigen.

...“

7        In Anhang I der Richtlinie 85/337 sind die Projekte aufgeführt, die nach ihrem Art. 4 Abs. 1 einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden müssen. Nr. 7 Buchst. a dieses Anhangs betrifft den „Bau von ... Flugplätzen … mit einer Start- und Landebahngrundlänge von 2 100 m und mehr“.

8        In Anhang II der Richtlinie 85/337 sind die Projekte aufgeführt, bei denen die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie ein Ermessen, unter den Bedingungen dieses Artikels, hinsichtlich der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung behalten. Nr. 10 Buchst. d dieses Anhangs betrifft den „Bau von Flugplätzen (nicht durch Anhang I erfasste Projekte)“ und Nr. 13, erster Gedankenstrich, „[d]ie Änderung oder Erweiterung von bereits genehmigten, durchgeführten oder in der Durchführungsphase befindlichen Projekten des Anhangs I oder II, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben können“.

9        In Anhang III der Richtlinie 85/337, der sich auf die Auswahlkriterien im Sinne ihres Art. 4 Abs. 3 bezieht, heißt es unter Nr. 2 („Standort der Projekte“):

„Die ökologische Empfindlichkeit der geographischen Räume, die durch die Projekte möglicherweise beeinträchtigt werden, muss unter Berücksichtigung insbesondere folgender Punkte beurteilt werden:

...

–        Belastbarkeit der Natur unter besonderer Berücksichtigung folgender Gebiete:

...

g)      Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte,

...“

 Österreichisches Recht

10      Die Richtlinie 85/337 wurde mit dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (BGBl. I Nr. 50/2002, im Folgenden: UVP‑G 2000) in österreichisches Recht umgesetzt.

11      Die §§ 1, 3 und 3a UVP‑G 2000 enthalten Bestimmungen über Gegenstand und Inhalt der Umweltverträglichkeitsprüfung, über den Grundsatz, dass die in Anhang 1 dieses Gesetzes angeführten Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind, über das Verfahren und die Voraussetzungen einer solchen Prüfung sowie über die Personen und Organisationen, die befugt sind, ihre Durchführung zu beantragen.

12      In Anhang 1 des UVP‑G 2000 sind die Vorhaben angeführt, bei denen nach dem in den genannten Bestimmungen aufgestellten Grundsatz eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Im Fall von Änderungen solcher Vorhaben bedarf ab dem angeführten Schwellenwert die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung einer Einzelfallprüfung. In Spalte 1 dieses Anhangs sind unter Z 14 lit. d folgende Vorhaben genannt:

„Änderungen von Flugplätzen, wenn dadurch eine Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen (mit Motorflugzeugen, Motorseglern im Motorflug oder Hubschraubern) um mindestens 20 000 pro Jahr oder mehr zu erwarten ist.“

13      Zum Betrieb von Zivilflugplätzen und für jede Änderung des bescheidmäßig festgelegten Betriebsumfangs ist eine „Zivilflugplatz-Bewilligung“ gemäß § 68 Abs. 1 des Luftfahrtgesetzes und eine „Betriebsaufnahmebewilligung“ gemäß § 73 Abs. 1 dieses Gesetzes erforderlich. Ferner bedürfen die Errichtung, die Benützung sowie die wesentliche Änderung einer zivilen Bodeneinrichtung einer Bewilligung nach § 78 Abs. 1 dieses Gesetzes.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

14      Die Salzburger Flughafen GmbH ist Betreiberin des Flughafens Salzburg, der über eine Start-/Landebahn mit einer Grundlänge von mehr als 2 100 m verfügt. Sie stellte am 30. Juli 2002 einen Antrag auf Bewilligung der Errichtung eines weiteren Terminals, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass aufgrund der Notwendigkeit der Großgepäckskontrolle das bestehende Abfertigungsgebäude die Spitzen im Passagieraufkommen nicht mehr bewältigen könne. Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg, der zuständigen Verwaltungsbehörde, vom 2. April 2003 wurde die Errichtungsbewilligung erteilt. Das weitere Terminal wurde in den Jahren 2003 und 2004 errichtet. Es ist seither in Betrieb.

15      Im Jahr 2004 stellte die Salzburger Flughafen GmbH weitere Anträge zur Erweiterung der Infrastruktur des Flughafens. Diese Anträge betrafen zum einen Flächen von ca. 90 000 m2 im südwestlichen Bereich des bestehenden Flughafens, die zur Errichtung von Neben-, insbesondere Geräteräumen, und zur Erweiterung von Park- und Flugzeugabstellflächen dienen sollten. Zum anderen wurde die Einbeziehung weiterer Flächen von rund 120 000 m2 im nordwestlichen Bereich des Flughafens für Zwecke der General Aviation, zum Bau von Hangars und zur Anlage von Park- und Abstellflächen beantragt. Die Salzburger Flughafen GmbH beantragte ferner die Erlaubnis für Modifikationen von Rollwegen. Änderungen an der Piste selbst waren nicht Gegenstand des Antrags.

16      Aufgrund der Lage des Flughafens in dem – überdies durch eine erhöhte Luftschadstoffbelastung gekennzeichneten – Siedlungs- bzw. Stadtgebiet sowie der zu erwartenden Umweltauswirkungen beantragte die Landesumweltanwaltschaft Salzburg am 13. März 2006 beim Amt der Salzburger Landesregierung sowohl für das weitere Terminal als auch für die Maßnahmen zur Erweiterung der Infrastruktur des Flughafens die Feststellung der Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht. Da die angerufene Behörde den Antrag abwies, brachte die Landesumweltanwaltschaft Salzburg beim Umweltsenat eine Berufung gegen diese Entscheidung ein.

17      Mit seinem Bescheid stellte der Umweltsenat fest, dass nach den einschlägigen Bestimmungen des UVP‑G 2000 in Verbindung mit der Richtlinie 85/337 sowohl für die bereits erfolgte Erweiterung der Flughafeninfrastruktur durch Errichtung und Inbetriebnahme des weiteren Terminals als auch für die geplante Erweiterung der Flughafeninfrastruktur im Sinne der beantragten Bewilligungen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei.

18      Der Umweltsenat begründete seine Entscheidung wie folgt. Im Ausgangsrechtsstreit fordere das nationale Recht zwar keine Umweltverträglichkeitsprüfung, weil der diesbezügliche Schwellenwert, nämlich die Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen um mindestens 20 000 pro Jahr, nicht überschritten werde, doch setze das nationale Recht die Richtlinie 85/337 nur unzureichend um. Der Schwellenwert werde nämlich im UVP‑G 2000 zu hoch angesetzt, was zur Folge habe, dass Änderungen der Infrastruktur bei kleinen oder mittelgroßen Flugplätzen praktisch nie zu Umweltverträglichkeitsprüfungen führen könnten. Außerdem weise die in Rede stehende nationale Regelung keine besonders schutzwürdigen Gebiete aus, obwohl die Richtlinie 85/337 in Anhang III Nr. 2 Buchst. g die besondere Berücksichtigung von Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte verlange. Der Flughafen, um den es gehe, liege aber in der Nähe der Stadt Salzburg.

19      Daher sei die Richtlinie 85/337 unmittelbar anzuwenden, denn die Änderungen der Infrastruktur des Flughafens könnten insbesondere aufgrund ihrer Art, ihres Umfangs und ihrer Merkmale als Änderung des Flughafens selbst angesehen werden, die dessen Aktivitäten und den Luftverkehr steigern könnten.

20      Gegen diesen Bescheid erhob die Salzburger Flughafen GmbH beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde.

21      Das vorlegende Gericht führt aus, die einschlägigen Bestimmungen von Anhang II der Richtlinie 85/337 in Verbindung mit den Bestimmungen ihres Anhangs I gälten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, nämlich den Urteilen vom 28. Februar 2008, Abraham u. a. (C‑2/07, Slg. 2008, I‑1197), und vom 17. März 2011, Brussels Hoofdstedelijk Gewest u. a. (C‑275/09, Slg. 2011, I‑1753), auch für Maßnahmen zur Änderung der Infrastruktur eines bestehenden Flughafens. Zudem müssten, um eine Umgehung der Unionsregelung durch eine Aufsplitterung von Projekten, die zusammen genommen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben könnten, zu verhindern, die kumulativen Wirkungen solcher in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang stehender Projekte berücksichtigt werden. Bei der Prüfung der Umweltverträglichkeit des späteren Vorhabens (Erweiterung des Flughafenareals) seien daher auch die Auswirkungen des früheren Vorhabens (Errichtung des weiteren Terminals) zu berücksichtigen.

22      In Bezug auf den Umstand, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vorhaben insgesamt betrachtet nach den Bestimmungen der Richtlinie 85/337 offenbar einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sei, während das nationale Recht eine solche Pflicht nicht vorsehe, sei darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Wertungsspielraum, der den Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 eingeräumt sei, durch die in Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie festgelegte Pflicht begrenzt werde, Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen sei, einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen zu unterziehen. So überschritte ein Mitgliedstaat, der Kriterien oder Schwellenwerte so festlege, dass die Art der Projekte nicht berücksichtigt würde oder dass in der Praxis eine ganze Klasse von Projekten von vornherein von der Pflicht zur Untersuchung ihrer Auswirkungen ausgenommen wäre, den ihm eingeräumten Wertungsspielraum (Urteile Abraham u. a., Randnr. 37, vom 24. Oktober 1996, Kraaijeveld u. a., C‑72/95, Slg. 1996, I‑5403, Randnr. 53, und vom 16. September 1999, WWF u. a., C‑435/97, Slg. 1999, I‑5613, Randnr. 38).

23      Zur Überprüfung der Einhaltung des genannten Spielraums und zu den Konsequenzen seiner Überschreitung stellt das vorlegende Gericht fest, dass sich der Einzelne nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wenn der Gesetzgeber oder die Verwaltung eines Mitgliedstaats den eingeräumten Wertungsspielraum überschritten habe, vor einem Gericht dieses Mitgliedstaats gegenüber den nationalen Stellen auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 berufen und dadurch erreichen könne, dass diese Stellen nationale Vorschriften oder Maßnahmen außer Betracht ließen, die mit den genannten Bestimmungen unvereinbar seien. In einem solchen Fall ergebe sich aus den Urteilen Kraaijeveld u. a. (Randnrn. 59 bis 61) und WWF u. a. (Nr. 5 des Tenors), dass es Sache der Behörden eines Mitgliedstaats sei, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu treffen, damit die Projekte im Hinblick darauf überprüft würden, ob bei ihnen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt zu besorgen seien, und damit sie bejahendenfalls auf diese Auswirkungen hin untersucht würden.

24      Zur unmittelbaren Wirkung der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 85/337 stellt das vorlegende Gericht fest, dass diese inhaltlich unbedingt seien. Zur Frage, ob sie auch hinreichend genau sind, um unmittelbar angewandt werden zu können, führt es aus, die Grenzen des den Mitgliedstaaten durch Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie eingeräumten Wertungsspielraums seien jedenfalls durch die Auswahlkriterien des Anhangs III abgesteckt. Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung trage dem in Anhang III Nr. 2 Buchst. g der Richtlinie 85/337 vorgesehenen Kriterium des Standorts der Projekte aber nicht Rechnung. Außerdem führe der in dieser Regelung festgelegte Schwellenwert dazu, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung für kleinere und mittelgroße Flughäfen praktisch nie in Betracht komme. Abgesehen davon, dass die Richtlinie 85/337 durch die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung nur unzureichend umgesetzt werde, sei daher offenkundig, dass die Regelung die in Anhang III der Richtlinie festgelegten klaren und hinreichend genauen Kriterien nicht berücksichtige.

25      Aufgrund dieser Erwägungen und in Anbetracht der Tatsache, dass er in letzter Instanz entscheidet, hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Steht die Richtlinie 85/337 einer nationalen Regelung entgegen, welche die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für (nicht die Piste betreffende) Infrastrukturarbeiten an einem Flughafen, nämlich die Errichtung eines Terminals und die Erweiterung des Flughafenareals zur Errichtung weiterer Anlagen (insbesondere von Hangars, Gerätehallen und Parkflächen), ausschließlich davon abhängig macht, dass dadurch eine Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen um mindestens 20 000 pro Jahr zu erwarten ist?

Bei Bejahung der Frage 1:

2.      Verlangt und ermöglicht es die Richtlinie 85/337 – in Ermangelung nationaler Vorschriften –, im Wege ihrer unmittelbaren Anwendung (unter Berücksichtigung der damit verfolgten Ziele und der Kriterien ihres Anhangs III) die Umweltverträglichkeit eines unter Frage 1 näher ausgeführten, unter Anhang II fallenden Vorhabens zu prüfen?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

26      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 85/337 einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für Projekte zur Erweiterung der Infrastruktur eines Flughafens, die unter Anhang II dieser Richtlinie fallen, ausschließlich davon abhängig macht, dass durch diese Projekte eine Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen um mindestens 20 000 pro Jahr zu erwarten ist.

27      Zur Beantwortung dieser Frage ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten, wie aus Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 in Verbindung mit Nr. 13, erster Gedankenstrich, ihres Anhangs II hervorgeht, bei jeder Änderung oder Erweiterung von bereits genehmigten, durchgeführten oder in der Durchführungsphase befindlichen Projekten, die Flugplätze betreffen und erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben können, anhand einer Einzelfalluntersuchung oder der von ihnen festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien bestimmen müssen, ob ein solches Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss.

28      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs können Änderungen der Infrastruktur eines vorhandenen Flugplatzes ohne Verlängerung der Start- und Landebahn unter Nr. 13 des Anhangs II der Richtlinie 85/337 fallen, sofern sie, insbesondere aufgrund ihrer Art, ihres Umfangs oder ihrer Merkmale, als Änderung des Flugplatzes selbst angesehen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil Brussels Hoofdstedelijk Gewest u. a., Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Hinsichtlich der Festlegung von Schwellenwerten oder Kriterien, um zu bestimmen, ob ein solches Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss, räumt Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 85/337 den Mitgliedstaaten zwar einen Wertungsspielraum ein. Dieser Spielraum wird jedoch durch die in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie festgelegte Pflicht begrenzt, die Projekte, bei denen u. a. aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Untersuchung ihrer Auswirkungen zu unterziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil WWF u. a., Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Demgemäß wird mit den in Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 85/337 erwähnten Kriterien und/oder Schwellenwerten das Ziel verfolgt, die Beurteilung der konkreten Merkmale eines Projekts zu erleichtern, damit bestimmt werden kann, ob es der Prüfungspflicht unterliegt; dagegen dienen sie nicht dazu, bestimmte Klassen der in Anhang II der Richtlinie aufgeführten, im Gebiet eines Mitgliedstaats in Betracht kommenden Projekte von vornherein insgesamt von dieser Pflicht auszunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil WWF u. a., Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Der Gerichtshof hat ferner festgestellt, dass ein Mitgliedstaat, der die Kriterien und/oder Schwellenwerte so festlegen würde, dass in der Praxis eine ganze Klasse von Projekten von vornherein von der Pflicht zur Untersuchung ihrer Auswirkungen ausgenommen wäre, die Grenzen des Spielraums überschreiten würde, über den er nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 verfügt, sofern nicht aufgrund einer pauschalen Beurteilung aller ausgenommenen Projekte davon auszugehen ist, dass bei ihnen nicht mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil WWF u. a., Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Schließlich ergibt sich aus Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 85/337, dass bei der Festlegung von Schwellenwerten bzw. Kriterien im Sinne von Abs. 2 Buchst. b dieses Artikels die relevanten Auswahlkriterien des Anhangs III der Richtlinie zu berücksichtigen sind. Zu diesen Kriterien zählt aber u. a. die Belastbarkeit der Natur, wobei es insoweit einer besonderen Berücksichtigung der Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte bedarf.

33      Es ist festzustellen, dass ein Schwellenwert wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende mit der in Art. 2 Abs. 1 der genannten Richtlinie zwecks ordnungsgemäßer Erfassung der Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, aufgestellten allgemeinen Verpflichtung unvereinbar ist.

34      Wie das vorlegende Gericht feststellt, führt die Festlegung eines so hohen Schwellenwerts nämlich dazu, dass Änderungen der Infrastruktur bei kleinen oder mittelgroßen Flugplätzen praktisch nie zu Umweltverträglichkeitsprüfungen führen könnten, obwohl, wie die Europäische Kommission zutreffend ausführt, keineswegs ausgeschlossen werden kann, dass solche Arbeiten erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.

35      Außerdem trägt die betreffende nationale Regelung, indem sie für die Entscheidung darüber, ob bei Projekten wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist, einen solchen Schwellenwert festlegt, entgegen der den Mitgliedstaaten durch Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 85/337 auferlegten Verpflichtung lediglich dem quantitativen Aspekt der Auswirkungen eines Projekts Rechnung, ohne die übrigen Auswahlkriterien des Anhangs III der Richtlinie, insbesondere das Kriterium der Bevölkerungsdichte des von dem Projekt betroffenen Gebiets in Nr. 2 Buchst. g dieses Anhangs, zu berücksichtigen. Der Flughafen, dessen Infrastruktur die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Änderungen betreffen, befindet sich aber unstreitig in der Nähe von Salzburg.

36      Im Übrigen weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass unter den Umständen des Ausgangsverfahrens bei der Entscheidung darüber, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei, die umweltrelevanten Auswirkungen sowohl des früheren Projekts (Errichtung des weiteren Terminals) als auch des späteren Projekts (Erweiterung des Flughafenareals) zu berücksichtigen seien.

37      Hierzu ist festzustellen, dass sich eine solche kumulative Berücksichtigung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs als erforderlich erweisen kann, um eine Umgehung der Unionsregelung durch eine Aufsplitterung von Projekten zu verhindern, die zusammen genommen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können (vgl. in diesem Sinne Urteil Brussels Hoofdstedelijk Gewest u. a., Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, im Licht dieser Rechtsprechung zu prüfen, ob und inwieweit die Umweltauswirkungen der in Randnr. 15 des vorliegenden Urteils angeführten und der in den Jahren 2003 und 2004 bereits realisierten Projekte insgesamt zu beurteilen sind.

38      Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 sowie Art. 4 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 3 der Richtlinie 85/337 einer nationalen Regelung entgegenstehen, die die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für Projekte zur Erweiterung der Infrastruktur eines Flughafens, die unter Anhang II dieser Richtlinie fallen, ausschließlich davon abhängig macht, dass durch diese Projekte eine Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen um mindestens 20 000 pro Jahr zu erwarten ist.

 Zur zweiten Frage

39      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob, wenn ein Mitgliedstaat die Richtlinie 85/337 nicht richtig umgesetzt hat, diese Richtlinie bei Projekten im Sinne ihres Anhangs II wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden eine Umweltverträglichkeitsprüfung verlangt.

40      Die Frage ist dahin zu verstehen, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob die Bestimmungen von Art. 2 Abs. 1 sowie von Art. 4 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 3 der Richtlinie 85/337, wenn ein Mitgliedstaat gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie für Projekte im Sinne ihres Anhangs II einen mit den Verpflichtungen aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie unvereinbaren Schwellenwert festlegt, unmittelbare Wirkung haben, so dass die zuständigen nationalen Behörden sicherstellen müssen, dass zunächst geprüft wird, ob die betreffenden Projekte möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, und, wenn ja, sodann eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird.

41      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es, wenn der den Mitgliedstaaten durch Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 in Verbindung mit ihrem Art. 2 Abs. 1 eingeräumte Wertungsspielraum überschritten ist, Sache der Behörden des fraglichen Mitgliedstaats, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu treffen, um die betreffenden Projekte daraufhin zu überprüfen, ob sie möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, und sie bejahendenfalls einer Untersuchung ihrer Auswirkungen zu unterziehen (vgl. in diesem Sinne Urteile Kraaijeveld u. a., Randnr. 61, und WWF u. a., Randnrn. 70 und 71).

42      Dasselbe muss für eine – in ihren Wirkungen der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils beschriebenen Situation entsprechende – Situation wie die des Ausgangsverfahrens gelten, in der der durch die nationale Regelung festgelegte Schwellenwert die unrichtige Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 85/337 in Verbindung mit ihrem Art. 2 Abs. 1 und ihrem Art. 4 Abs. 3 zur Folge hat.

43      Wie die Kommission zu Recht geltend macht, sind die nationalen Stellen in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der ein Mitgliedstaat gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 85/337 einen Schwellenwert festgelegt hat, durch den ganze Projektklassen einer Umweltverträglichkeitsprüfung entzogen zu werden drohen, infolgedessen verpflichtet, im Einklang mit Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 3 dieser Richtlinie sicherzustellen, dass in jedem Einzelfall ermittelt wird, ob eine solche Prüfung durchzuführen ist, und sie gegebenenfalls vorzunehmen.

44      Die österreichische Regierung und die Salzburger Flughafen GmbH rügen diese Schlussfolgerung jedoch unter Berufung auf das Urteil vom 7. Januar 2004, Wells (C‑201/02, Slg. 2004, I‑723), wonach der Grundsatz der Rechtssicherheit dem entgegensteht, dass ein Einzelner sich gegenüber einem Mitgliedstaat auf eine Richtlinie berufen kann, wenn es sich um eine Verpflichtung des Staates handelt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erfüllung einer anderen Verpflichtung steht, die aufgrund dieser Richtlinie einem Dritten obliegt.

45      Dieser Einwand greift nicht durch.

46      In der Rechtssache, in der das Urteil Wells ergangen ist, ist der Gerichtshof zum einen zu dem Ergebnis gekommen, dass die Möglichkeit für den Einzelnen, sich auf die Bestimmungen der Richtlinie 85/337 zu berufen, anzuerkennen ist, und zum anderen, dass die Eigentümer der dort in Rede stehenden Grundstücke die Folgen der verspäteten Erfüllung der Verpflichtungen des betreffenden Mitgliedstaats aus der Richtlinie tragen mussten.

47      Dementsprechend muss im Ausgangsverfahren, sofern durch eine Entscheidung festgestellt werden sollte, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist, die Salzburger Flughafen GmbH als Nutzerin der in Rede stehenden Grundstücke die Folgen einer solchen Entscheidung tragen.

48      Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Bestimmungen von Art. 2 Abs. 1 sowie von Art. 4 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 3 der Richtlinie 85/337, wenn ein Mitgliedstaat gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie für Projekte im Sinne ihres Anhangs II einen mit den Verpflichtungen aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie unvereinbaren Schwellenwert wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden festlegt, unmittelbare Wirkung haben, so dass die zuständigen nationalen Behörden sicherstellen müssen, dass zunächst geprüft wird, ob die betreffenden Projekte möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, und, wenn ja, sodann eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird.

 Kosten

49      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 2 Abs. 1 sowie Art. 4 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 3 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 geänderten Fassung stehen einer nationalen Regelung entgegen, die die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für Projekte zur Erweiterung der Infrastruktur eines Flughafens, die unter Anhang II dieser Richtlinie fallen, ausschließlich davon abhängig macht, dass durch diese Projekte eine Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen um mindestens 20 000 pro Jahr zu erwarten ist.

2.      Legt ein Mitgliedstaat gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 97/11 geänderten Fassung für Projekte im Sinne ihres Anhangs II einen mit den Verpflichtungen aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie unvereinbaren Schwellenwert wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden fest, haben die Bestimmungen von Art. 2 Abs. 1 sowie von Art. 4 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 3 der Richtlinie unmittelbare Wirkung, so dass die zuständigen nationalen Behörden sicherstellen müssen, dass zunächst geprüft wird, ob die betreffenden Projekte möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, und, wenn ja, sodann eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.