Language of document : ECLI:EU:C:2014:2403

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 27. November 2014(1)

Rechtssache C‑497/13

Froukje Faber

gegen

Autobedrijf Hazet Ochten BV

(Vorabentscheidungsersuchen des Gerechtshof Arnhem-Leeuwarden [Niederlande])

„Richtlinie 1999/44/EG – Eigenschaft des Käufers – Gerichtlicher Schutz – Vertragswidrigkeit der Güter – Obliegenheit zur Unterrichtung des Verkäufers – Beweislastverteilung“





1.        In der vorliegenden Rechtssache ersucht der Gerechtshof Arnhem-Leeuwarden (Niederlande) (im Folgenden: vorlegendes Gericht) um eine Vorabentscheidung zu zwei Fragenkomplexen betreffend die Richtlinie 1999/44/EG, durch die Vorschriften über bestimmte Aspekte von Verbraucherverträgen harmonisiert werden(2). Zum einen geht es im Wesentlichen um die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein nationales Gericht aufgrund des Unionsrechts von Amts wegen zu prüfen hat, ob es sich bei dem Käufer einer Ware um einen Verbraucher im Sinne der Richtlinie 1999/44 handelt(3). Der zweite Fragenkomplex betrifft die Obliegenheit des Verbrauchers, den Verkäufer über die Vertragswidrigkeit einer Sache, die aufgrund eines unter die Richtlinie 1999/44 fallenden Vertrags geliefert wurde, zu unterrichten und wie in einem anschließenden Gerichtsverfahren die Beweislast hinsichtlich der Vertragswidrigkeit verteilt ist.

2.        Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Froukje Faber und der Autobedrijf Hazet Ochten BV (im Folgenden: Hazet) über den Ersatz des Schadens, der auf einer behaupteten Vertragswidrigkeit eines in Brand geratenen Gebrauchtfahrzeugs beruht, das Hazet an Frau Faber verkauft hatte.

 Richtlinie 1999/44

3.        Die Richtlinie 1999/44 leistet einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus nach Maßgabe von Art. 169 AEUV(4). Sie sieht eine Mindestharmonisierung vor(5). Gemäß dem fünften Erwägungsgrund „[stärkt d]ie Schaffung eines gemeinsamen Mindestsockels von Verbraucherrechten, die unabhängig vom Ort des Kaufs der Waren in der [Union] gelten, … das Vertrauen der Verbraucher und gestattet es ihnen, die durch die Schaffung des Binnenmarkts gebotenen Vorzüge besser zu nutzen“.

4.        Nach dem sechsten Erwägungsgrund haben Schwierigkeiten der Verbraucher und Konflikte mit den Verkäufern ihre Ursache vor allem in der Vertragswidrigkeit von Waren. Im siebten Erwägungsgrund wird der Grundsatz der Vertragsmäßigkeit wie folgt näher erläutert:

„Waren müssen vor allem vertragsgemäß sein. Der Grundsatz der Vertragsmäßigkeit kann als gemeinsames Element der verschiedenen einzelstaatlichen Rechtstraditionen betrachtet werden. Im Rahmen bestimmter einzelstaatlicher Rechtstraditionen ist es möglicherweise nicht möglich, sich allein auf diesen Grundsatz zu stützen, um ein Mindestmaß an Verbraucherschutz zu gewährleisten. Insbesondere im Rahmen solcher Rechtstraditionen könnte es nützlich sein, zusätzliche innerstaatliche Bestimmungen vorzusehen, um den Verbraucherschutz für den Fall zu gewährleisten, dass die Parteien sich entweder nicht auf spezifische Vertragsklauseln geeinigt haben oder aber Vertragsklauseln vorgesehen oder Vereinbarungen getroffen haben, aufgrund deren die Rechte des Verbrauchers unmittelbar oder mittelbar außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt werden. Soweit sich diese Rechte aus dieser Richtlinie ergeben, sind solche Vertragsklauseln oder Vereinbarungen für den Verbraucher nicht bindend.“

5.        Im achten Erwägungsgrund heißt es, dass es zur Erleichterung der Anwendung des Grundsatzes der Vertragsmäßigkeit „sinnvoll [ist], eine widerlegbare Vermutung der Vertragsmäßigkeit einzuführen, die die meisten normalen Situationen abdeckt. Diese Vermutung stellt keine Einschränkung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit dar. In Ermangelung spezifischer Vertragsklauseln sowie im Fall der Anwendung der Mindestschutzklausel können die in dieser Vermutung genannten Elemente verwendet werden, um die Vertragswidrigkeit der Waren zu bestimmen. Die Qualität und die Leistung, die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, hängen unter anderem davon ab, ob die Güter neu oder gebraucht sind. Die in der Vermutung genannten Elemente gelten kumulativ. Ist ein bestimmtes Element aufgrund der Umstände des betreffenden Falls offenkundig unanwendbar, so behalten die übrigen Elemente der Vermutung dennoch ihre Gültigkeit“.

6.        Der 19. Erwägungsgrund lautet: „Den Mitgliedstaaten sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, eine Frist festzusetzen, innerhalb deren die Verbraucher den Verkäufer über Vertragswidrigkeiten unterrichten müssen. Die Mitgliedstaaten können ein höheres Niveau des Verbraucherschutzes gewährleisten, indem sie keine derartige Verpflichtung einführen. In jedem Fall sollten die Verbraucher für die Unterrichtung des Verkäufers über das Vorliegen einer Vertragswidrigkeit überall in der [Union] über einen Zeitraum von mindestens zwei Monaten verfügen.“

7.        Gemäß dem 22. Erwägungsgrund „[dürfen d]ie Vertragsparteien … die den Verbrauchern eingeräumten Rechte nicht durch Vereinbarung einschränken oder außer Kraft setzen, da dies den gesetzlichen Schutz aushöhlen würde“.

8.        Im Sinne der Richtlinie 1999/44 ist „‚Verbraucher‘ jede natürliche Person, die im Rahmen der unter diese Richtlinie fallenden Verträge zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann“ (Art. 1 Abs. 2 Buchst. a), und „‚Verkäufer‘ jede natürliche oder juristische Person, die aufgrund eines Vertrags im Rahmen ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit Verbrauchsgüter verkauft (Art. 1 Abs. 2 Buchst. c); der Ausdruck „Verbrauchsgüter“ umfasst „bewegliche körperliche Gegenstände“(6).

9.        Gemäß Art. 2 Abs. 1 „[ist d]er Verkäufer … verpflichtet, dem Verbraucher dem Kaufvertrag gemäße Güter zu liefern“. Nach Art. 2 Abs. 2 wird vermutet, dass Verbrauchsgüter vertragsgemäß sind, wenn sie:

„a)      mit der vom Verkäufer gegebenen Beschreibung übereinstimmen und die Eigenschaften des Gutes besitzen, das der Verkäufer dem Verbraucher als Probe oder Muster vorgelegt hat;

b)      sich für einen bestimmten vom Verbraucher angestrebten Zweck eignen, den der Verbraucher dem Verkäufer bei Vertragsschluss zur Kenntnis gebracht hat und dem der Verkäufer zugestimmt hat;

c)      sich für die Zwecke eignen, für die Güter der gleichen Art gewöhnlich gebraucht werden;

d)      eine Qualität und Leistungen aufweisen, die bei Gütern der gleichen Art üblich sind und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, wenn die Beschaffenheit des Gutes und gegebenenfalls die insbesondere in der Werbung oder bei der Etikettierung gemachten öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder dessen Vertreters über die konkreten Eigenschaften des Gutes in Betracht gezogen werden“.

10.      Nach Art. 2 Abs. 3 „liegt keine Vertragswidrigkeit im Sinne dieses Artikels vor, wenn der Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis von der Vertragswidrigkeit hatte oder vernünftigerweise nicht in Unkenntnis darüber sein konnte oder wenn die Vertragswidrigkeit auf den vom Verbraucher gelieferten Stoff zurückzuführen ist“.

11.      Art. 3 Abs. 1 bestimmt, dass der Verkäufer dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit haftet, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsgutes besteht. Im Weiteren sind in der genannten Vorschrift die dem Verbraucher offenstehenden Abhilfemöglichkeiten beschrieben. Diese werden in Art. 3 Abs. 2 zusammenfassend in folgender Reihenfolge aufgezählt: Nachbesserung oder Ersatzlieferung zur unentgeltlichen Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes, angemessene Minderung des Kaufpreises und Vertragsauflösung in Bezug auf das betreffende Verbrauchsgut.

12.      Art. 5 („Fristen“) lautet:

„(1) Der Verkäufer haftet nach Artikel 3, wenn die Vertragswidrigkeit binnen zwei Jahren nach der Lieferung des Verbrauchsgutes offenbar wird. Gilt nach dem innerstaatlichen Recht für die Ansprüche nach Artikel 3 Absatz 2 eine Verjährungsfrist, so endet sie nicht vor Ablauf eines Zeitraums von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Lieferung[(7)].

(2) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Verbraucher den Verkäufer zur Inanspruchnahme seiner Rechte über die Vertragswidrigkeit binnen zwei Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem er die Vertragswidrigkeit festgestellt hat, unterrichten muss.

(3) Bis zum Beweis des Gegenteils wird vermutet, dass Vertragswidrigkeiten, die binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar werden, bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art des Gutes oder der Art der Vertragswidrigkeit unvereinbar.“

13.      Art. 8 („Innerstaatliches Recht und Mindestschutz“) bestimmt in seinem Abs. 2:

„Die Mitgliedstaaten können in dem unter diese Richtlinie fallenden Bereich mit dem Vertrag in Einklang stehende strengere Bestimmungen erlassen oder aufrechterhalten, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen.“(8)

14.      Nach Art. 9 „[ergreifen d]ie Mitgliedstaaten … geeignete Maßnahmen zur Unterrichtung der Verbraucher über das innerstaatliche Recht, mit dem diese Richtlinie umgesetzt wird, und rufen, falls angebracht, Berufsorganisationen dazu auf, die Verbraucher über ihre Rechte zu unterrichten“.

 Niederländisches Recht

15.      Ein Verbrauchsgüterkauf ist nach Art. 7:5 Abs. 1 des Burgerlijk Wetboek (niederländisches Bürgerliches Gesetzbuch, im Folgenden: BW) „der Vertrag über den Kauf einer beweglichen Sache …, den ein Verkäufer, der in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt, mit einem Käufer, der eine natürliche Person ist, die nicht in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt, abschließt“.

16.      Gemäß Art. 7:17 Abs. 1 BW muss die gelieferte Sache vertragsgemäß sein.

17.      Art. 7:18 Abs. 2 BW, durch den Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 in niederländisches Recht umgesetzt wurde, bestimmt:

„Bei einem Verbrauchsgüterkauf wird vermutet, dass die Sache bei Lieferung nicht vertragsgemäß gewesen ist, wenn die Abweichung von dem Vereinbarten innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Lieferung offenbar wird, sofern sich aus der Art der Sache oder der Art der Abweichung nicht etwas anderes ergibt.“

18.      Nach der Begründung bei der Einführung dieses Gesetzesartikels muss der Käufer darlegen (und im Bestreitensfall beweisen), dass die Sache von dem Vereinbarten abweicht und diese Abweichung innerhalb von sechs Monaten nach der Lieferung offenbar geworden ist. Dann ist es Sache des Verkäufers, darzulegen und zu beweisen, dass die Sache bei der Lieferung doch dem Vertrag entsprach.

19.      Art. 7:23 Abs. 1 BW bestimmt:

„Der Käufer kann sich nicht mehr darauf berufen, dass das, was geliefert worden ist, nicht vertragsgemäß ist, wenn er dies dem Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist angezeigt hat, nachdem er dies festgestellt hat oder vernünftigerweise hätte feststellen müssen. Stellt sich jedoch heraus, dass der Sache eine Eigenschaft fehlt, die der Verkäufer zugesichert hat, oder bezieht sich die Abweichung auf Tatsachen, die der Verkäufer kannte oder kennen musste, aber nicht mitgeteilt hat, muss die Anzeige innerhalb einer angemessenen Frist nach der Feststellung erfolgen. Bei einem Verbrauchsgüterkauf muss die Anzeige innerhalb einer angemessenen Frist nach der Feststellung erfolgen, wobei eine Anzeige innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach der Feststellung rechtzeitig ist.“

20.      Nach Angaben des vorlegenden Gerichts muss der Käufer dem Verkäufer mitteilen, dass das, was geliefert worden sei, nicht vertragsgemäß im Sinne von Art. 7:17 BW sei. Nicht erforderlich sei, dass diese Anzeige schriftlich erfolge, so dass auch eine mündliche Mitteilung genügen könne. Aus der ständigen Rechtsprechung des Hoge Raad ergebe sich, dass dem Käufer, wenn der Verkäufer sich damit verteidige, dass die Anzeige nicht rechtzeitig (dieser Ausdruck werde in Art. 7:23 Abs. 1 Satz 3 zur Bezeichnung der bei Verbrauchsgüterkäufen geltenden Fristen verwendet) erfolgt sei, die Verpflichtung obliege, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass und auf welche Weise er sich rechtzeitig und auf eine für den Verkäufer erkennbare Weise beschwert habe.

21.      Bei nicht rechtzeitiger Anzeige an den Verkäufer verliere der Käufer alle Rechte in Bezug auf die Vertragswidrigkeit.

22.      Ob eine Anzeige des Käufers an den Verkäufer innerhalb angemessener Frist (dieser Ausdruck werde in Art. 7:23 Abs. 1 Sätze 1 und 2 zur Bezeichnung der allgemein geltenden Fristen bei Kaufgeschäften verwendet) erfolgt sei, hänge (nach der Rechtsprechung des Hoge Raad) davon ab, ob der Käufer i) die unter den gegebenen Umständen vernünftigerweise von ihm zu erwartende Prüfung der Vertragsmäßigkeit der gelieferten Sache vorgenommen habe und ii) innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem er die Vertragswidrigkeit der gelieferten Sache festgestellt habe (oder bei einer solchen Prüfung hätte feststellen müssen), dies dem Verkäufer angezeigt habe. Die Länge der Frist, die für die unter i) genannte Prüfung zur Verfügung stehe, hänge von den Umständen des Falles ab, wobei u. a. die Art und Wahrnehmbarkeit des Mangels, die Weise, in der er offenbar werde, und die Sachkunde des Käufers von Belang seien. Es könne sein, dass eine Prüfung durch einen Sachverständigen erforderlich sei. Was die Länge der unter ii) genannten Frist angehe, seien bei einem Kauf, der kein Verbrauchsgüterkauf sei, alle betroffenen Interessen abzuwägen und alle relevanten Umstände zu berücksichtigen. Die Frist könne dabei nicht starr gehandhabt werden. Bei einem Verbrauchsgüterkauf komme es zur Beantwortung der Frage, ob eine Anzeige an den Verkäufer, die mehr als zwei Monate nach der Feststellung vorgenommen werde, rechtzeitig erfolgt sei, auf die Tatsachen und Umstände des Falles an.

23.      Trotz des Umstands, dass Art. 7:23 Abs. 1 BW (mit Ausnahme des letzten Satzes) sowohl auf Verbrauchsgüterkäufe als auch auf andere Kaufgeschäfte Anwendung findet, erklärt das vorlegende Gericht, dass mit dieser Bestimmung Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44 umgesetzt werde.

24.      Nach niederländischem Recht gelten die meisten Regelungen des Verbraucherschutzes nicht als zwingendes Recht.

25.      Nach Art. 22 des Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering (niederländische Zivilprozessordnung, im Folgenden: Rv) kann ein Richter in allen Fällen bei jedem Verfahrensstand eine oder beide Parteien zu weiteren Stellungnahmen auffordern. Nach Art. 23 Rv entscheidet der Richter über alles, was die Parteien vorgebracht oder verlangt haben, und nach Art. 24 Rv erfolgt die Entscheidung auf der Grundlage der Tatsachen, Umstände und Gründe, auf die die Parteien ihre Beschwerde(n) stützen. Gemäß Art. 149 Rv ist es dem Richter grundsätzlich verwehrt, Tatsachen zu berücksichtigen, die die Parteien nicht vorgetragen haben; dies gilt nicht für allgemein bekannte Tatsachen.

26.      Im Rechtsmittelverfahren darf der Richter nur über die von den Parteien geltend gemachten Rechtsmittelgründe befinden. Er kann jedoch von Amts wegen zwingende Rechtsvorschriften anwenden. Die Parteien können neue Tatsachen vorbringen, allerdings nur in ihrem ersten Schriftsatz zum Rechtsmittel.

27.      In der mündlichen Verhandlung hat die niederländische Regierung näher dargelegt, dass ein Richter in den Niederlanden trotz seiner passiven Rolle im Zivilverfahren entscheiden muss, welche Rechtsvorschriften auf einen bestimmten Sachverhalt anzuwenden sind, und dass er über bestimmte andere Befugnisse verfügt, um einen Rechtsstreit aufzuklären, etwa das Recht, von den Parteien zusätzliche Angaben anzufordern.

 Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

28.      Frau Faber erwarb am 27. Mai 2008 bei Hazet ein Gebrauchtfahrzeug zu einem Preis von 7 002 Euro. Das Fahrzeug wurde ihr noch am selben Tag geliefert. Die Vertragsbedingungen waren in einem vorgedruckten „Koopovereenkomst particulier“ (Kaufvertrag Privatpersonen) niedergelegt, der u. a. mit den Namens- und Adressdaten von Frau Faber, Angaben zu dem von ihr erworbenen Fahrzeug, den Kaufbedingungen („unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung“), dem Preis sowie den Unterschriften von Frau Faber und eines Vertreters von Hazet versehen war.

29.      Am 26. September 2008 fuhr Frau Faber mit dem Fahrzeug zu einem geschäftlichen Termin. Ihre Tochter befand sich ebenfalls im Wagen. Das Fahrzeug fing Feuer und brannte vollständig aus. Auf Veranlassung des Rettungsdienstes wurde es von einem Abschleppwagen zur Werkstatt von Hazet transportiert, wo es aufbewahrt werden sollte. Frau Faber trägt vor, dass sie, während sie und ihre Tochter am Tag des Brandes als Mitfahrer im Abschleppwagen zu Hazet unterwegs gewesen seien, telefonisch Kontakt mit Hazet aufgenommen habe. Hazet bestreitet, dass Frau Faber zum damaligen Zeitpunkt die mögliche Brandursache oder eine etwaige Beteiligung von Hazet erwähnt habe. Das Fahrzeug wurde auf Bitte von Hazet zum Autodemontagebedrijf Reuvers verbracht, um es dort nach den dafür geltenden umwelttechnischen Vorschriften aufbewahren zu lassen.

30.      Anfang 2009 meldete sich Hazet telefonisch bei Frau Faber wegen des Fahrzeugwracks und erhielt von ihr die Auskunft, dass sie noch auf den technischen Brandbericht der Polizei warte.

31.      Am 16. Februar 2009 forderte Frau Faber bei der Polizei den technischen Brandbericht an; am 26. Februar 2009 teilte die Polizei Frau Faber aber mit, dass kein technischer Bericht erstellt worden sei.

32.      Der Automontagebedrijf Reuvers demontierte das Wrack am 8. Mai 2009, nachdem er Hazet zwei Tage zuvor per E-Mail unterrichtet hatte, dass er ohne gegenteilige Weisung so verfahren werde(9).

33.      Mit Schreiben vom 11. Mai 2009 teilte Frau Faber Hazet mit, dass sie das Unternehmen für den von ihr infolge des Brands erlittenen Schaden (insgesamt 10 828,55 Euro) haftbar mache, bestehend aus dem Kaufpreis für das Fahrzeug und dem Verlust eines Laptops, eines Fotoapparats, einer Lederjacke, einer weiteren Jacke, eines Navigationsgeräts und eines Fotos auf Leinwand, das für den Kunden bestimmt gewesen sei, zu dem sie unterwegs gewesen sei, als das Fahrzeug in Brand geraten sei. Sie machte außerdem geltend, psychische Schäden davongetragen zu haben.

34.      Anfang Juli 2009 beauftragte Frau Faber den Schadensgutachter Extenso mit der Durchführung einer technischen Untersuchung der Brandursache. Am 7. Juli 2009 teilte der Schadensgutachter Frau Faber mit, dass dies unmöglich sei, da das Fahrzeug bereits demontiert worden sei und daher für eine Untersuchung nicht mehr zur Verfügung stehe.

35.      Hazet wies eine Haftung von sich und weigerte sich, Schadensersatz zu leisten. Sie argumentierte u. a., Frau Faber habe Art. 7:23 Abs. 1 BW nicht eingehalten, da sie Hazet die angebliche Vertragswidrigkeit zu spät angezeigt und neun Monate habe verstreichen lassen, bevor sie eine technische Untersuchung in Auftrag gegeben habe.

36.      Am 26. Oktober 2010 verklagte Frau Faber Hazet bei der Rechtbank te Arnhem (im Folgenden: Rechtbank) auf Ersatz des erlittenen Schadens zuzüglich gesetzlicher Zinsen und außergerichtlicher Inkassokosten. Frau Faber führte an, das Fahrzeug habe nicht dem Kaufvertrag Privatpersonen entsprochen, so dass Hazet Art. 7:17 BW verletzt habe. Frau Faber machte nicht ausdrücklich geltend, Verbraucherin zu sein.

37.      Hazet wandte sich gegen die Forderung und trug ferner vor, Frau Faber habe Hazet die angebliche Vertragswidrigkeit zu spät angezeigt und somit gemäß Art. 7:23 Abs. 1 BW ihr Recht auf Schadensersatz verwirkt.

38.      Mit Urteil vom 27. April 2011 wies die Rechtbank die Klage von Frau Faber ab und folgte der auf Art. 7:23 Abs. 1 BW gestützten Argumentation von Hazet: Der erste Kontakt zwischen den Parteien habe Anfang 2009 und damit mehr als drei Monate nach dem Brand (der als der Zeitpunkt der Feststellung der Vertragswidrigkeit bezeichnet wird) stattgefunden. Frau Faber habe keine besonderen Umstände zur Rechtfertigung dieser Verzögerung vorgebracht. Die Rechtbank ließ es dahinstehen, ob sich Frau Faber während der am Tag des Brands Anfang 2009 geführten Telefongespräche hinreichend deutlich gegenüber Hazet geäußert habe, um von einer gültigen Anzeige an den Verkäufer ausgehen zu können, und ob es sich bei ihrem Kauf um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne von Art. 7:23 Abs. 1 BW handele.

39.      Am 26. Juli 2011 legte Frau Faber gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht ein. Auch im Rechtsmittelverfahren trug Frau Faber nicht vor, den Kaufvertrag Privatpersonen als Verbraucherin geschlossen zu haben. Ebenso wenig richtet sie ihr Rechtsmittel gegen die entsprechenden Ausführungen im Urteil der Rechtbank. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts besteht keine Möglichkeit, sich anhand der in den Akten befindlichen Angaben zu diesem Punkt zu äußern.

40.      Im erstinstanzlichen Verfahren und im Rechtsmittelverfahren wurde Frau Faber von einem Rechtsanwalt vertreten.

41.      Vor diesem Hintergrund ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Hinweise zu folgenden Fragen:

1.      Ist das nationale Gericht – sei es aufgrund des Grundsatzes der Effektivität, aufgrund des mit der Richtlinie 1999/44 angestrebten hohen Verbraucherschutzniveaus innerhalb der Union oder aufgrund anderer Bestimmungen oder Normen des Unionsrechts – verpflichtet, von Amts wegen zu prüfen, ob der Käufer bei einem Vertrag (ein) Verbraucher im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 1999/44 ist?

2.      Sofern die erste Frage bejaht wird: Gilt dies auch, wenn die Verfahrensakte keine (oder nicht genügend oder widersprüchliche) tatsächlichen Informationen enthält, um die Eigenschaft des Käufers feststellen zu können?

3.      Sofern die erste Frage bejaht wird: Gilt dies auch für ein Rechtsmittelverfahren, in dem der Käufer das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts nicht beanstandet hat, soweit darin diese Prüfung (von Amts wegen) nicht vorgenommen worden ist und die Frage, ob der Käufer als Verbraucher anzusehen ist, ausdrücklich offen gelassen worden ist?

4.      Ist die Richtlinie 1999/44 (bzw. deren Art. 5) als eine Norm zu betrachten, die den im nationalen Recht zwingenden innerstaatlichen Bestimmungen gleichwertig ist?

5.      Stehen der Grundsatz der Effektivität, das mit der Richtlinie 1999/44 angestrebte hohe Verbraucherschutzniveau innerhalb der Union oder andere Bestimmungen oder Normen des Unionsrechts dem niederländischen Recht in Bezug auf eine Darlegungs- und Beweislast des Verbrauchers/Käufers hinsichtlich der Pflicht, dem Verkäufer den vermeintlichen Mangel eines gelieferten Gutes (rechtzeitig) anzuzeigen, entgegen?

6.      Stehen der Grundsatz der Effektivität, das mit der Richtlinie 1999/44 angestrebte hohe Verbraucherschutzniveau innerhalb der Union oder andere Bestimmungen oder Normen des Unionsrechts dem niederländischen Recht in Bezug auf eine Darlegungs- und Beweislast des Verbrauchers/Käufers dafür, dass das Gut vertragswidrig ist und diese Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung offenbar geworden ist, entgegen? Was bedeuten die Worte „Vertragswidrigkeiten, die … offenbar werden“ in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44, insbesondere: In welchem Maße muss der Verbraucher/Käufer Tatsachen und Umstände darlegen, die die Vertragswidrigkeit (bzw. deren Ursache) betreffen? Reicht es dafür aus, dass der Verbraucher/Käufer darlegt und bei substantiiertem Bestreiten beweist, dass der erworbene Gegenstand nicht (einwandfrei) funktioniert, oder hat er auch darzulegen und bei substantiiertem Bestreiten zu beweisen, welcher Mangel des verkauften Gegenstands dieses Nicht-Funktionieren (bzw. nicht einwandfreie Funktionieren) verursacht (hat)?

7.      Spielt es bei der Beantwortung der vorstehenden Fragen eine Rolle, dass sich Frau Faber im vorliegenden Verfahren in beiden Rechtszügen von einem Rechtsanwalt hat vertreten lassen?

42.      Die belgische, die niederländische und die österreichische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Hazet, die niederländische Regierung und die Kommission haben in der Sitzung vom 11. September 2014 mündlich verhandelt.

 Würdigung

 Vorbemerkungen

43.      In einem zivilrechtlichen Rechtsstreit wie dem hier vorliegenden kann sich keine der Parteien auf eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie 1999/44 berufen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass ein nationales Gericht, bei dem ein solcher Rechtsstreit anhängig ist, „bei der Anwendung der Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts das gesamte nationale Recht berücksichtigen und es so weit wie möglich anhand von Wortlaut und Zweck der einschlägigen Richtlinie auslegen muss, um zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel vereinbar ist“(10). Hier ersucht das vorlegende Gericht um Hinweise, die die Auslegung der Richtlinie 1999/44 betreffen und die ihm die Auslegung von Art. 7:18 Abs. 2 BW und Art. 7:23 Abs. 1 BW ermöglichen sollen.

44.      Die Vorlagefragen stellen sich im Rahmen eines von Frau Faber eingeleiteten Gerichtsverfahrens, die als Käuferin eines Gebrauchtfahrzeugs von Hazet, der Verkäuferin, Ersatz des erlittenen Schadens verlangt. Hazet beruft sich zur Verteidigung gegen die Klage auf eine Bestimmung des nationalen Rechts (die zum einen Teil für alle Kaufgeschäfte und zum anderen Teil speziell für Verbrauchsgüterkäufe gilt) und macht geltend, Frau Faber habe ihr Recht auf Abhilfe verloren, weil sie Hazet zu spät über die angebliche Vertragswidrigkeit unterrichtet habe.

45.      Offenbar stellte sich die Frage der Verbrauchereigenschaft von Frau Faber im ersten Rechtszug nicht, weil die Rechtbank der Auffassung war, dass Frau Faber Hazet in jedem Fall zu spät unterrichtet und daher ihren Schadensersatzanspruch verloren habe. Auch Frau Faber, die ihren Anspruch auf eine Bestimmung des nationalen Rechts stützt, die offenbar auf alle Arten von Kaufgeschäften Anwendung findet (Art. 7:17 Abs. 1 BW), macht nicht geltend, Verbraucherin zu sein.

46.      Um über das Rechtsmittel von Frau Faber entscheiden zu können, erachtet das vorlegende Gericht die Frage für erheblich, ob Frau Faber als Verbraucherin gehandelt hat, denn dies sei maßgeblich dafür, welche Rechtsvorschriften (einschließlich Art. 7:23 Abs. 1 BW letzter Satz) Anwendung fänden. Da die Rechtbank insoweit jedoch keine Feststellungen getroffen habe, sei das vorlegende Gericht aufgrund der Art. 24 und 149 Rv daran gehindert, diese Frage von Amts wegen zu prüfen. In einem Rechtsmittelverfahren habe es hierzu nur die Möglichkeit, wenn die einschlägigen Vorschriften zum zwingenden Recht gehörten, was beim (nationalen) Verbraucherschutzrecht jedoch nicht der Fall sei.

47.      Vor diesem Hintergrund geht es bei den Fragen 1 und 4 darum, ob ein nationales Gericht unionsrechtlich verpflichtet ist, von Amts wegen zu prüfen, ob ein Käufer Verbraucher im Sinne von der Richtlinie 1999/44 ist und welche Wirksamkeit dieser Richtlinie somit zu verleihen ist. (Tatsächlich müsste das nationale Gericht zunächst den Anwendungsbereich der Richtlinie prüfen, ehe es dieser und insbesondere deren Art. 5 dadurch Wirksamkeit verleihen kann(11), dass es die nationalen Rechtsvorschriften mit dieser Bestimmung konform auslegt.) Zum Verbraucherschutzrecht (insbesondere bei missbräuchlichen Klauseln in Verbraucherverträgen(12)) hat der Gerichtshof die grundsätzliche Geltung des Grundsatzes bestätigt, dass in Ermangelung einer Harmonisierung der Verfahrensvorschriften weiterhin die nationalen Regelungen gelten, sofern der Effektivitäts- und der Äquivalenzgrundsatz beachtet werden(13). Meines Erachtens betreffen in der vorliegenden Rechtssache insbesondere die Fragen 1 bis 3 den Effektivitätsgrundsatz und die Problematik, ob die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu missbräuchlichen Klauseln entsprechend herangezogen werden kann, während die vierte Frage dahin verstanden werden kann, dass sie eher auf den Äquivalenzgrundsatz abzielt. Für den Fall, dass eine Verpflichtung besteht, von Amts wegen zu prüfen, ob ein Käufer Verbraucher im Sinne der Richtlinie 1999/44 ist, ersucht das vorlegende Gericht mit den Fragen 2 und 3 um Hinweise dazu, unter welchen Voraussetzungen dem nationalen Gericht eine solche Pflicht obliegt.

48.      Die vierte Frage lässt sich allerdings auch (in einem weiteren Sinne) als auf die Problematik gerichtet auffassen, ob das vorlegende Gericht, falls es zu dem Ergebnis gelangt, dass Frau Faber als Verbraucherin gehandelt und der Verkäuferin die Vertragswidrigkeit rechtzeitig angezeigt hat (Art. 7:23 Abs. 1 letzter Satz BW), dann von Amts wegen die Beweislastregel des Art. 7:18 Abs. 2 BW anwenden muss, durch den Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 umgesetzt wird. Ich werde auch diesen Aspekt der vierten Frage behandeln.

49.      Soweit ein Mitgliedstaat gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44 vorsieht, dass der Verbraucher den Verkäufer zur Inanspruchnahme seiner Rechte aus insbesondere Art. 3 der Richtlinie 1999/44 über die Vertragswidrigkeit binnen zwei Monaten unterrichten muss, soll mit der fünften Frage im Wesentlichen geklärt werden, wie zu ermitteln ist, ob der Verbraucher rechtzeitig tätig geworden ist. Im Mittelpunkt der sechsten Frage stehen Art. 5 Abs. 3 und die Beweislastregel, anhand deren festzustellen ist, ob eine Vertragswidrigkeit (und somit die Haftpflicht des Verkäufers) besteht. Ich werde diese beiden Fragen getrennt prüfen. Die siebte Frage steht für sich allein.

50.      Zuvor möchte ich kurz auf den Zusammenhang eingehen, in dem sich die Fragen 1 bis 4 und 7 stellen.

51.      Anders als die Kommission meine ich nicht, dass die Fragen nach einer von Amts wegen gebotenen Prüfung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 1999/44 unzulässig sind. Die Kommission begründet ihren Standpunkt damit, dass keine der Parteien des Ausgangsverfahrens die Verbrauchereigenschaft von Frau Faber zu bezweifeln scheine und dass diese Fragen daher rein hypothetisch seien.

52.      Es ist anerkannt, dass eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Auslegungsfragen des nationalen Gerichts spricht, die es in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es festgelegt. Der Gerichtshof kann eine Vorabentscheidung nur ablehnen, wenn die Vorlagefragen offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stehen, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der Fragen erforderlich sind(14).

53.      In der vorliegenden Rechtssache ist vom Gerichtshof nicht zu klären, wer Verbraucher im Sinne der Richtlinie 1999/44 ist. Der Gerichtshof hat auch nicht darüber zu entscheiden, ob das vorlegende Gericht (oder zuvor die Rechtbank) über hinreichende Angaben verfügt (bzw. verfügte), um die Verbrauchereigenschaft von Frau Faber beurteilen zu können(15). Dem Gerichtshof wird vielmehr die Frage nach der gemäß dem Unionsrecht bestehenden Rechtslage bezüglich einer von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung der Verbrauchereigenschaft in Fällen gestellt, in denen eine solche Prüfung nach nationalem Recht offenbar unzulässig ist. Die Vorlagefragen sind für das beim vorlegenden Gericht anhängige Verfahren somit relevant und keineswegs hypothetischer Natur. Ich schlage daher vor, sie alle zu beantworten.

54.      Obwohl ich die Fragen nach einer von Amts wegen gebotenen Prüfung für zulässig erachte, gestehe ich, dass ich angesichts der näheren Erläuterungen der niederländischen Regierung in der mündlichen Verhandlung zur Rolle des Richters nach niederländischem Recht einigermaßen überrascht war, dass die Rechtbank (etwaige Gründe, weshalb Frau Faber sich nicht ausdrücklich auf ihre Verbrauchereigenschaft berufen hat, einmal beiseite gelassen) die Eigenschaft von Frau Faber nicht geprüft hat und dass das vorlegende Gericht der Auffassung ist, dass ihm eine solche Prüfung verwehrt sei. Frau Faber beruft sich im ersten Rechtszug und auch im Rechtsmittelverfahren auf Bestimmungen des BW, die sowohl auf Verbrauchsgüterkäufe als auch auf sonstige Kaufgeschäfte Anwendung finden und durch die (zumindest teilweise) offenbar die Richtlinie 1999/44 umgesetzt wird. Hazet stützt sich auf eine Vorschrift, deren letzter Satz ausdrücklich für Verbrauchsgüterkäufe und in ihren übrigen Teilen allgemein für alle Kaufgeschäfte gilt und die der Umsetzung von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44 dient. Zudem hat die niederländische Regierung in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass es Aufgabe der Gerichte sei, die einschlägigen Rechtsvorschriften festzustellen, zu beurteilen, ob nationale Bestimmungen das Unionsrecht umsetzen, sowie das niederländische Recht unionsrechtskonform auszulegen. Mangels näherer Kenntnisse über das niederländische Recht bieten diese Einwände allerdings keine hinreichende Grundlage, um die Fragen 1 bis 4 und 7 für unzulässig zu erklären.

55.      Schließlich sei der Vollständigkeit halber noch angemerkt, dass – wie sich u. a. aus den Erwägungsgründen 8 und 16 der Richtlinie 1999/44, aus der Möglichkeit der Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 3, gebrauchte Güter, die in öffentlichen Versteigerungen bestimmter Art verkauft werden, vom Geltungsbereich des Begriffs „Verbrauchsgüter“ auszunehmen, und aus der nach Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 bestehenden Möglichkeit, den Verkäufer bei gebrauchten Gütern weniger lange haften zu lassen, ergibt – die Richtlinie 1999/44 grundsätzlich auf solche Güter Anwendung findet.

 Fragen 1 bis 4 und 7

56.      Die Richtlinie 1999/44 gewährleistet Rechte für Verbraucher, insbesondere Abhilfemöglichkeiten, wenn die vom Verkäufer gelieferten Güter nicht vertragsgemäß sind. Sie regelt jedoch nicht die Frage, ob das nationale Gericht von Amts wegen prüfen muss, ob die Richtlinie 1999/44 und der durch diese Richtlinie gewährte Schutz auf den bei ihm anhängigen Rechtsstreit Anwendung finden.

57.      Nach ständiger Rechtsprechung bleiben die Mitgliedstaaten mangels einer Vereinheitlichung der Verfahrensvorschriften für die Ausgestaltung ihres Gerichtssystems zuständig (Grundsatz der Verfahrensautonomie)(16). Allein aus dem Vorrang des Unionsrechts folgt noch nicht, dass die nationalen Verfahrensvorschriften stets unangewendet bleiben müssen, um dem Unionsrecht Wirksamkeit zu verleihen(17). Bei der Wahrnehmung dieser Zuständigkeit haben die Mitgliedstaaten jedoch den Grundsatz der Effektivität und den Grundsatz der Äquivalenz zu beachten, die Bestandteil des Unionsrechts sind(18) und mittelbar die Wahrung des Vorrangs des Unionsrechts gewährleisten.

58.      Nach dem Äquivalenzgrundsatz dürfen im nationalen Recht unionsrechtliche Ansprüche nicht ungünstiger behandelt werden als Ansprüche, die auf innerstaatliches Recht gestützt werden(19). Insoweit hat das nationale Gericht sowohl den Gegenstand als auch die wesentlichen Merkmale der als vergleichbar dargestellten Klagen im Bereich des nationalen Rechts zu prüfen(20). Eine konkrete Ausprägung dieses Grundsatzes, die auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu anderen Verbraucherschutzrichtlinien der Union zum Ausdruck kommt, besteht darin, dass in Fällen, in denen das nationale Recht die Prüfung einer innerstaatlichen Bestimmung von Amts wegen vorschreibt, dies auch für eine entsprechende unionsrechtliche Bestimmung gelten muss. So hat der Gerichtshof ausgeführt: „Soweit die Gerichte nach dem nationalen Recht die rechtlichen Gesichtspunkte, die sich aus einer von den Parteien nicht geltend gemachten innerstaatlichen Vorschrift zwingenden Charakters ergeben, von Amts wegen prüfen müssen, besteht eine solche Verpflichtung auch dann, wenn es sich um zwingende [Unions]vorschriften handelt“(21).

59.      Der Effektivitätsgrundsatz besagt, dass das nationale Recht die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren darf(22). Bei der Beurteilung, ob dieser Grundsatz beachtet ist, sind die Stellung der betreffenden Vorschrift im gesamten Verfahren, der Verfahrensablauf und die Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen sowie gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, darunter der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens(23).

60.      Was die vorliegende Rechtssache angeht, sind die Richter nach innerstaatlichem Verfahrensrecht zur Beachtung des Grundsatzes der Parteiautonomie verpflichtet. Sie müssen ihrer Entscheidung die von den Parteien vorgetragenen Anträge, Argumente und Tatsachen zugrunde legen. Mit Ausnahme allgemein bekannter Tatsachen dürfen sie nur diejenigen Tatsachen prüfen, die Gegenstand der Erklärungen der Parteien sind. Die Berufungsgerichte können nur Vorschriften des zwingenden Rechts von Amts wegen anwenden(24). Wie bereits erwähnt, habe ich meine Zweifel, dass das niederländische Recht den nationalen Gerichten bei Sachverhalten wie dem hier vorliegenden wirklich die Prüfung verwehrt, ob eine Person wie Frau Faber nach den den Gerichten vorliegenden rechtlichen und tatsächlichen Angaben als Verbraucher zu qualifizieren ist(25). Im Rahmen des gegenwärtigen Verfahrens ist jedoch von der Vermutung auszugehen, dass diese Vorschriften im Zusammenwirken ein nationales Gericht nach niederländischem Recht an der Prüfung der Stellung eines Käufers wie Frau Faber hindern. Andernfalls wären die Fragen 1 bis 4 und 7 im Rahmen des hier anhängigen Rechtsstreits nicht gestellt worden.

61.      Fraglich ist indessen, ob ein Gericht bei dem hier vorliegenden Sachverhalt dennoch nach dem Unionsrecht verpflichtet ist, zu prüfen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Frau Faber in den Anwendungsbereich der Richtlinie 1999/44 fällt.

62.      Bezüglich einzelner Vorschriften anderer Verbraucherschutzrichtlinien der Union hat der Gerichtshof insbesondere unter Hinweis auf den Grundsatz der Effektivität postuliert, dass diese von Amts wegen geprüft werden müssen(26). Nach meinem Eindruck ist er zu diesem Ergebnis im Wesentlichen deshalb gelangt, weil der Gesetzgeber bei der Formulierung dieser Richtlinien davon ausgegangen ist, dass der Verbraucher in der Regel die schwächere Partei ist, die über ihre Rechte (möglicherweise) nicht Bescheid weiß und andernfalls vielleicht überhaupt nicht in den Genuss des Schutzes käme. Der Gerichtshof hat diese Rechtsprechung unabhängig von Rechtssachen entwickelt, in denen entsprechende Fragen in anderen Bereichen des Unionsrechts aufgetreten sind(27).

63.      So hat der Gerichtshof zur Richtlinie 93/13(28) entschieden, dass die nationalen Gerichte die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel von Amts wegen zu prüfen haben, sobald sie über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügen(29). Denn die genannte Richtlinie „[beruht] auf dem Gedanken …, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt“(30). Der Verbraucher unterwerfe sich den vom gewerbetreibenden Verkäufer formulierten Bedingungen, auf deren Inhalt er keinen Einfluss nehmen könne(31). Diese Ungleichheit könne deshalb nur durch ein positives Eingreifen von dritter, von den Vertragsparteien unabhängiger Seite ausgeglichen werden(32). Infolgedessen ist der Gerichtshof zu der Auffassung gelangt, dass in Bezug auf die Richtlinie 93/13 „ein wirksamer Schutz des Verbrauchers nur erreicht werden [kann], wenn dem nationalen Gericht die Möglichkeit eingeräumt wird, eine solche Klausel von Amts wegen zu prüfen“(33). Aus denselben Gründen sei eine innerstaatliche Regelung unzulässig, die eine Ausschlussfrist für die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel vorsehe(34). Im selben Rahmen hat der Gerichtshof allerdings auch darauf hingewiesen, dass der Effektivitätsgrundsatz „nicht so weit gehen [kann], einer völligen Untätigkeit des betreffenden Verbrauchers vollständig abzuhelfen“(35).

64.      Meiner Ansicht nach sind missbräuchliche Vertragsklauseln im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass der Verkäufer konkrete Kenntnis von ihnen hat und nicht daran interessiert ist, ihre Missbräuchlichkeit bekannt zu machen, wohl aber daran, sie durchzusetzen, während der Verbraucher nicht in der Lage ist, sie anzufechten oder sich in vollem Umfang über ihren missbräuchlichen Charakter zu informieren. Infolgedessen wird der Rechtsschutz gegen missbräuchliche Vertragsklauseln ohne ein Eingreifen von dritter Seite stark geschwächt.

65.      Das Eingreifen eines nationalen Gerichts von Amts wegen mag bei einzelnen Bestimmungen anderer Verbraucherschutzrichtlinien nicht ganz so einfach zu rechtfertigen sein. So vertritt Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Duarte Hueros die Auffassung, dass die Richtlinie 93/13 und die Richtlinie 1999/44 zwar beide den Schutz eines Verbrauchers im Rechtsverkehr beträfen und ein hohes Verbraucherschutzniveau erreichen wollten, jedoch unterscheide sich die Situation, dass durch einen Rechtsakt die schlechtere Position ausgeglichen werden solle, in der sich ein Verbraucher beim Abschluss eines Vertrags befinde (Richtlinie 93/13), von der Situation, dass ein Rechtsakt sich auf die Durchführung eines bereits geschlossenen Vertrags beziehe (Richtlinie 1999/44). In der letztgenannten Situation sei die Schlechtleistung im Vertrag nämlich nicht vom Willen der Parteien abhängig und der Verbraucher befinde sich bei der Vertragsdurchführung nicht in einer vergleichbar schwachen Position wie bei missbräuchlichen Klauseln, da für ihn leicht erkennbar sei, ob die Kaufsache die vereinbarte Qualität aufweise(36).

66.      Auch ich bin der Meinung, dass sich die Verbraucher in diesen beiden Fällen nicht in derselben Situation befinden. Dennoch kann eine (vielleicht geringere) Ungleichheit im Informationsstand bestehen, so dass der Verbraucher im Hinblick auf den vertragskonformen Zustand der gelieferten Sache auch nach Vertragsschluss die schwächere Partei bleibt. Wenn der Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Kenntnis von der Vertragswidrigkeit hatte und auch nicht haben musste (oder wenn die Vertragswidrigkeit nicht auf den vom Verbraucher gelieferten Stoff zurückzuführen ist)(37), ist die Vertragsmäßigkeit anhand der insbesondere im Vertrag enthaltenen Angaben vor allem über Zweck, Qualität und Leistungen zu beurteilen(38). Dies ergibt sich aus den in Art. 2 Abs. 2 aufgeführten Elementen. Meines Erachtens braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, ob dieser Katalog erschöpfend ist(39). Hier genügt der Hinweis, dass bei der Beurteilung die Angaben, die der Verkäufer dem Verbraucher (vor Vertragsschluss) mitgeteilt hat, die Angaben, die der Verbraucher beim Vertragsschluss mitteilt, allgemeine Annahmen hinsichtlich des Verwendungszwecks der Güter sowie die öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder dessen Vertreters zugrunde zu legen sind. Außerdem mag es häufig (wenn auch nicht ausnahmslos) der Fall sein, dass der Verkäufer die Wahl hat, welche konkrete Sache an den Verbraucher geliefert werden soll. Bei der Beurteilung, ob und inwieweit die Güter nicht dem entsprechen, was zu erhalten er vernünftigerweise erwarten durfte, befindet sich der Verbraucher daher oftmals in einer schwächeren Position.

67.      Auf alle Fälle stellt sich hier die Frage einer Prüfung von Amts wegen nicht in Bezug auf eine Bestimmung der Richtlinie 1999/44, die die Vertragserfüllung betrifft. Es geht auch nicht um eine Bestimmung über die Abhilfemöglichkeiten im Fall einer Vertragswidrigkeit (Art. 3) oder zur Festlegung der Fristen- und Beweisregeln, die für die Geltendmachung und Feststellung der Haftung des Verkäufers wegen Vertragswidrigkeit und für die Inanspruchnahme dieser Abhilfemöglichkeiten (Art. 5, der Gegenstand der fünften und der sechsten Frage ist)(40) gelten. Die Fragen stellen sich vielmehr im Rahmen des vorgelagerten Problemkreises des Anwendungsbereichs der Richtlinie 1999/44. Wenn das vorlegende Gericht unionsrechtlich verpflichtet ist, von Amts wegen zu prüfen, ob es sich bei Frau Faber um eine Verbraucherin handelt, und es zu dem Ergebnis gelangt, dass dies zu bejahen ist, dann liegt auf der Hand, dass sich sowohl Frau Faber als auch Hazet auf nationales Recht stützen, das in Umsetzung der Richtlinie 1999/44 gilt. Das nationale Gericht hätte dann zu entscheiden, ob z. B. Art. 7:23 Abs. 1 letzter Satz BW Anwendung findet, und bejahendenfalls diese Bestimmung in Einklang mit Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44 auszulegen. Die Frage einer von Amts wegen gebotenen Prüfung von Art. 5 Abs. 2 stellt sich bei dem hier vorliegenden Sachverhalt indessen nicht. Meiner Ansicht nach lässt sich daher die Frage des vorlegenden Gerichts hier nicht dadurch beantworten, dass zunächst beurteilt wird, ob eine konkrete Bestimmung von Amts wegen angewandt werden soll, und dann auf der Grundlage des Ergebnisses dieser Beurteilung entschieden wird, ob die Einschlägigkeit der Richtlinie 1999/44 ebenfalls von Amts wegen geprüft werden soll(41).

68.      Die Frage, ob eine Prüfung von Amts wegen vorgenommen werden muss, ist hier mithin auf einer allgemeineren und abstrakteren Ebene zu untersuchen.

69.      Meines Erachtens ist die erste Frage dahin zu beantworten, dass in einem Fall, in dem ein Käufer gestützt auf Bestimmungen des nationalen Rechts, die u. a. auf Verbraucherverträge Anwendung finden, einen Verkäufer auf Schadensersatz verklagt, ohne ausdrücklich geltend zu machen, Verbraucher zu sein, eine innerstaatliche Verfahrensvorschrift ein nationales Gericht nicht an der Prüfung, ob es sich bei dem Betreffenden tatsächlich um einen Verbraucher im Sinne der Richtlinie 1999/44 handelt, und dementsprechend nicht an der Anwendung des nationalen Verbraucherschutzrechts in seiner richtlinienkonformen Auslegung hindern kann. Der Effektivitätsgrundsatz gebietet, eine solche innerstaatliche Verfahrensvorschrift unangewendet zu lassen, damit das nationale Gericht von Amts wegen prüfen kann, ob ein Käufer wie Frau Faber Verbraucher im Sinne der Richtlinie 1999/44 ist.

70.      Der Gesetzgeber will nämlich den Verbrauchern ein hohes Maß an Schutz garantieren, da sie sich bei Vertragsverhältnissen mit einem Verkäufer in der Regel in einer schwächeren Position befinden. Dementsprechend gewährleistet die Richtlinie 1999/44 ein hohes Verbraucherschutzniveau(42) für alle natürlichen Personen, die die in der Definition des Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie genannten Merkmale erfüllen(43). Zu diesem Zweck hat der Gesetzgeber ein Regelwerk geschaffen, mit dem – sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist – ein Mindestschutzniveau festgelegt wird, das von den Mitgliedstaaten sowie von den Parteien eines Verbrauchervertrags zu beachten ist. Es gilt also ein zwingendes Schutzniveau. Dann ist auch eine zwingende Rechtsvorschrift sinnvoll, die dem nationalen Gericht die Pflicht auferlegt, zu prüfen, ob in einem Verfahren, das ein Käufer zur Durchsetzung seiner Rechte aus einem Warenkauf einleitet, der Kläger in den Anwendungsbereich der Richtlinie 1999/44 (und anderer Verbraucherschutzrichtlinien) fällt(44), denn ein solcher Schutz verstärkt die uneingeschränkte Wirksamkeit der Richtlinie und mindert die Gefahr, dass ein Käufer aus Unkenntnis der Rechtslage einen geringeren als den vom Unionsrecht garantierten Schutz genießt(45).

71.      Aus diesem Erfordernis folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass ein nationales Gericht von Amts wegen jede einzelne Bestimmung der Richtlinie 1999/44 prüfen muss. Vielmehr hat der Gerichtshof bei jeder Bestimmung jeweils im Einzelfall zu entscheiden, ob das Erfordernis gilt. Der Grund hierfür ist vor allem darin zu sehen, dass das Verbraucherschutzniveau je nach der streitigen Bestimmung variieren kann und dass ein Verbraucher möglicherweise ausdrücklich ein Recht nicht ausüben oder in sonstiger Weise eine bestimmte Vorschrift nicht für sich in Anspruch nehmen will(46). Zudem ist nicht auszuschließen, dass einzelne Bestimmungen (vielleicht als Ausnahmeregelung) nicht den Schutz des Verbrauchers, sondern des Verkäufers bezwecken(47).

72.      Mein Ergebnis gilt unabhängig davon, ob der Verbraucher anwaltlich vertreten wird (was Gegenstand der siebten Frage ist). Dieser Umstand vermag weder an der Auslegung des Unionsrechts noch an der Tragweite der Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz etwas zu ändern. Der Kenntnisstand einer natürlichen Person hinsichtlich ihrer Eigenschaft und ihrer Rechte als Verbraucher dürfte sich zwar (so steht zu hoffen) verbessern, wenn sie von einem Rechtsbeistand vertreten wird, allein der Umstand, dass dem Verbraucher ein Anwalt zur Seite steht, kann jedoch noch nicht die Vermutung des Bestehens dieses Kenntnisstands begründen(48).

73.      Ferner gelten für die Verpflichtung, den Anwendungsbereich der Richtlinie 1999/44 von Amts wegen zu prüfen, dieselben Voraussetzungen, die der Gerichtshof in Bezug auf andere Verbraucherschutzrichtlinien genannt hat (dies ist Gegenstand der zweiten und der dritten Frage). Dementsprechend muss das nationale Gericht über die für die Prüfung erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügen(49), wobei sich diese Grundlagen bereits aus den Akten ergeben können oder dadurch, dass das nationale Gericht die Möglichkeit hat, sich die Grundlagen gemäß dem innerstaatlichen Verfahrensrecht zu verschaffen. Das nationale Gericht darf nicht über den Verfahrensgegenstand hinausgehen, den die Parteien festlegen. Dieselbe Verpflichtung zu einer Prüfung von Amts wegen und dieselben Voraussetzungen gelten auch im Rechtsmittelverfahren, wenn i) sich mindestens eine Partei auf Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts beruft, durch die (zumindest teilweise) die Richtlinie 1999/44 umgesetzt wird, und ii) eine Partei, je nachdem, ob sie Verbraucher ist (oder nicht), in den Genuss des durch diese Bestimmungen gewährten erweiterten Schutzes kommen kann (oder nicht).

74.      Sollte der Gerichtshof sich meinem Ergebnis nicht anschließen, stellt sich die Frage, ob das nationale Gericht aufgrund des Äquivalenzgrundsatzes nicht dennoch prüfen muss, ob Frau Faber als Verbraucherin im Sinne der Richtlinie 1999/44 gehandelt hat.

75.      Wenn ich richtig verstehe, gelten die streitigen niederländischen Verfahrensvorschriften unabhängig davon, ob der Verbraucher seine Klage auf Unionsrecht oder innerstaatliches Recht stützt.

76.      Der Äquivalenzgrundsatz liegt auch der vierten Frage zugrunde, die auf Art. 5 der Richtlinie 1999/44 Bezug nimmt. Meines Erachtens hat sich das vorlegende Gericht jedoch mit der innerstaatlichen Rechtsvorschrift zu befassen, durch die Art. 5 Abs. 2 umgesetzt wird (hier Art. 7:23 Abs. 1 BW). Die Frage einer von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung von Art. 5 Abs. 2 stellt sich daher gar nicht. Es ist vielmehr Sache des vorlegenden Gerichts, das nationale Recht mit Art. 5 konform auszulegen(50).

77.      Sollte das vorlegende Gericht allerdings feststellen, dass Frau Faber Verbraucherin ist und Art. 7:23 Abs. 1 BW beachtet hat, ist fraglich, ob es von Amts wegen die Beweislastregel in Art. 7:18 Abs. 2 BW anwenden muss, durch den Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 in niederländisches Recht umgesetzt wird. Die vierte Frage braucht nur unter diesem Gesichtspunkt behandelt zu werden.

78.      Die Beweislastregel des Art. 5 Abs. 3 dient dazu, die Haftung des Verkäufers wegen Vertragswidrigkeit festzustellen. Wenn ein erstinstanzliches Gericht keine einschlägigen Tatsachenfeststellungen getroffen hat (weil es z. B. der Auffassung ist, dass der Verbraucher infolge einer verspäteten Anzeige sein Recht auf Abhilfe verwirkt hat), ist es wohl unwahrscheinlich, dass eine Rechtsmittelinstanz, bei der anschließend ein Rechtsmittel anhängig gemacht wird, stets in der Lage ist, diese Regel anzuwenden. Ich weiß nicht, ob man in einem solchen Fall nach innerstaatlichem Verfahrensrecht eine Lösung finden kann (etwa durch Verweisung der Sache zurück an das erstinstanzliche Gericht zur weiteren Aufklärung). Mir erscheint es daher recht zweifelhaft, ob die Frage einer von Amts wegen gebotenen Prüfung der in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 enthaltenen Regel für die Entscheidung des vorlegenden Gerichts über das Rechtsmittel von Frau Faber sachdienlich ist.

79.      Auch wenn dem Gerichtshof im Rahmen des vorliegenden Verfahrens die Entscheidung darüber versagt ist, welche niederländischen Vorschriften zum zwingenden Recht gehören, so kann er doch die vierte (und auch die sechste) Frage durch Hinweise zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 beantworten. Diese Vorschrift sieht zwingend den Schutz des Verbrauchers durch eine teilweise Beweislastumkehr vor, um diesem die Geltendmachung seiner Rechte aus der Richtlinie 1999/44, insbesondere der im Fall einer Haftung des Verkäufers zur Verfügung stehenden Abhilfemöglichkeiten, zu erleichtern. Weder die Mitgliedstaaten noch die Parteien eines Verbrauchervertrags dürfen die Beweislast verschärfen(51). Die Beweislast verlagert sich zugunsten der Verbraucher, weil sich diese in Bezug auf die Informationen über die Kaufsache und deren Zustand zum Zeitpunkt der Lieferung im Allgemeinen gegenüber dem Verkäufer in einer schwächeren Position befinden. Ohne die (zumindest) teilweise Beweislastumkehr wäre die wirksame Wahrnehmung der Verbraucherrechte in einem Bereich, in dem die Hauptursache für Rechtsstreitigkeiten mit Verkäufern liegt, ernsthaft beeinträchtigt(52). Meiner Meinung nach gebietet der Effektivitätsgrundsatz daher, Art. 5 Abs. 3 von Amts wegen anzuwenden, vorausgesetzt, das nationale Gericht verfügt über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen und ändert nicht den von den Parteien festgelegten Verfahrensgegenstand. Soweit Art. 5 Abs. 3 ähnliche Charakteristika aufweist, wie sie für innerstaatliche Vorschriften des zwingenden Rechts kennzeichnend sind, kann ein nationales Gericht wie das des Ausgangsverfahrens aufgrund des Effektivitätsgrundsatzes auch verpflichtet sein, alle Bestimmungen des nationalen Rechts von Amts wegen anzuwenden, durch die Art. 5 Abs. 3 umgesetzt wird.

 Fünfte Frage

80.      Die Niederlande haben von der in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Obliegenheit des Verbrauchers zur Vornahme einer Anzeige vorzusehen(53). Mit der fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, anhand welcher Kriterien festzustellen ist, ob der Verbraucher diese Obliegenheit erfüllt hat.

81.      Meiner Ansicht nach sind insoweit die nationalen Beweisvorschriften maßgeblich. Solange das nationale Recht keine kürzere Frist als zwei Monate vorsieht, keine Vorschriften enthält, durch die die Pflichten nach Art. 5 inhaltlich geändert werden, und auch im Übrigen in Einklang mit den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität steht, schränkt die Richtlinie 1999/44 die Befugnis der Mitgliedstaaten, die ihnen als geeignet erscheinenden Beweisregeln festzulegen und anzuwenden, nicht ein.

82.      So schreibt Art. 5 Abs. 2 z. B. nicht vor, auf welche Weise der Verbraucher den Verkäufer unterrichten muss. Die genannte Bestimmung schließt weder aus noch verlangt sie, dass der Verkäufer eher schriftlich als mündlich zu unterrichten ist. Da eine solche Unterrichtung jedoch Voraussetzung für die Ausübung der durch die Richtlinie 1999/44 garantierten Rechte ist, meine ich, dass das nationale Recht keine Bedingungen vorsehen darf, die dem Verbraucher den Nachweis, dass er den Verkäufer für die Zwecke des Art. 5 Abs. 2 ordnungsgemäß und rechtzeitig unterrichtet hat, unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Auch dies ergibt sich aus dem Effektivitätsgrundsatz.

83.      Ebenso wenig darf das nationale Recht Beweisregeln enthalten, die mit dem Inhalt der in Art. 5 Abs. 2 festgelegten Obliegenheiten und anderer Teile von Art. 5 unvereinbar sind. Demzufolge kann ein Mitgliedstaat meines Erachtens nicht verlangen, dass der Verbraucher gleichzeitig mit der Unterrichtung des Verkäufers über die Vertragswidrigkeit diese Vertragswidrigkeit auch beweist. Dies ergibt sich bei einem Vergleich des Wortlauts von Art. 5 Abs. 2 mit dem von Art. 5 Abs. 3. Die Unterrichtung des Verkäufers darüber, dass die Vertragswidrigkeit festgestellt wurde (Art. 5 Abs. 2), ist nicht dasselbe wie der in Art. 5 Abs. 3 genannte Beweis dieser Vertragswidrigkeit(54). Der Verbraucher unterrichtet den Verkäufer über die Vertragswidrigkeit, um seine Rechte aus der Richtlinie 1999/44 zu wahren. Hierzu gehören nicht nur die ihm zur Verfügung stehenden Abhilfemöglichkeiten nach Art. 3 Abs. 3, sondern auch die zu seinen Gunsten bestehenden Fristen- und Beweisregeln nach Art. 5 Abs. 3. Die (gegebenenfalls erforderliche) Unterrichtung des Verkäufers kann logisch nicht nach der Ausübung der in diesen anderen Bestimmungen vorgesehenen Rechte oder nach der Berufung auf diese Rechte erfolgen. Die Anzeige muss vorgenommen werden, bevor der Verbraucher Abhilfe verlangt und in diesem Zusammenhang die notwendigen Beweise für die Haftung des Verkäufers vorlegt. In ihrem ursprünglichen Vorschlag für die Richtlinie 1999/44 hatte die Kommission dargelegt, dass die (jetzt) in Art. 5 Abs. 2 festgelegte Voraussetzung „die Rechtssicherheit [stärkt] und … den Käufer zu einer gewissen Sorgfalt unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers [zwingt]“(55).

84.      Daraus folgt meines Erachtens, dass Art. 5 Abs. 2 Genüge getan ist, wenn der Verbraucher den Verkäufer in einer Weise unterrichtet, dass dieser auf eine mögliche Vertragswidrigkeit und damit auf seine mögliche Haftpflicht aufmerksam gemacht wird. Der Verbraucher muss in seiner Anzeige an den Verkäufer die Kaufsache und den Kaufvertrag bezeichnen. Er muss den Bezug zwischen der Sache und dem Verkäufer aufzeigen. Ohne diese Angaben vermag der Verkäufer nicht zu erkennen, wegen welcher Kaufsache er möglicherweise in Anspruch genommen wird. In der Anzeige müssen außerdem die Umstände beschrieben werden, die den Verbraucher veranlassen, den Verkäufer über die Vertragswidrigkeit zu unterrichten. Es mag verschiedene Gründe geben, weshalb der Verbraucher der Ansicht ist, dass die an ihn gelieferte Sache bei der Lieferung oder zu einem späteren Zeitpunkt nicht dem entsprach, was zu erhalten er aufgrund der Beschreibung dieser Sache im Vertrag oder aufgrund sonstiger Informationen, die der Verkäufer möglicherweise gegeben hat oder die anderweitig verfügbar waren, vernünftigerweise erwarten durfte. In diesem Stadium braucht der Verbraucher die Vertragswidrigkeit und ihre mögliche Ursache jedoch nicht zu beweisen.

85.      Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte der Bestimmung. Im ursprünglichen Kommissionsvorschlag für Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 a. E. hieß es „vom Zeitpunkt an gerechnet, zu dem er die Vertragswidrigkeit festgestellt hat oder hätte feststellen müssen“ statt „nach dem Zeitpunkt, zu dem er die Vertragswidrigkeit festgestellt hat“. Laut der Begründung des Vorschlags geht es in diesem Satz „um eine gewisse Sorgfaltspflicht des Verbrauchers, die gekaufte Sache in Augenschein zu nehmen“. Damit sei jedoch nicht beabsichtigt, „dem Verbraucher eine zwingende Verpflichtung [aufzuerlegen], die betreffende Sache genauestens zu prüfen oder Versuche durchzuführen, um ihre Funktionstüchtigkeit oder Leistungen zu beurteilen“(56).

 Sechste Frage

86.      Mit der sechsten Frage ersucht das vorlegende Gericht im Wesentlichen um Hinweise zur Beweislast nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44. Falls ein Mitgliedstaat vom Verbraucher eine Unterrichtung des Verkäufers gemäß Art. 5 Abs. 2 verlangt, ist diese Frage nur dann von Belang, wenn der Verbraucher zunächst diese Unterrichtung ordnungsgemäß und rechtzeitig vorgenommen hat und anschließend insbesondere Abhilfe nach Art. 3 der Richtlinie 1999/44 verlangen will. Die Vermutung nach Art. 5 Abs. 3 gilt, sofern sie nicht mit der Art des Gutes oder der Art der Vertragswidrigkeit unvereinbar ist. Da das vorlegende Gericht jedoch nicht um Hinweise zu dieser Ausnahmeregelung bittet, werde ich dem hier auch nicht weiter nachgehen.

87.      Art. 5 Abs. 3 sieht eine teilweise Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers vor, der, sofern eine bestimmte Frist nicht überschritten ist, nicht dartun muss, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand. Es ist also immer noch Sache des Verbrauchers, vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die gelieferte Sache nicht den Qualitäts-, Leistungs- und Eignungsstandards einer Sache entsprach, die zu erhalten er nach dem Vertrag und den in Art. 2 Abs. 2 genannten Maßstäben vernünftigerweise erwarten konnte. Dargelegt werden muss die mangelnde Entsprechung, nicht die Ursache hierfür. So genügt es bei dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht, wenn ein Verbraucher wie Frau Faber lediglich nachweist, dass es zu einem Brand gekommen ist. Sie muss vielmehr darlegen, weshalb sie aufgrund des Brandes der Auffassung ist, dass das ihr gelieferte Fahrzeug nicht einem Fahrzeug entsprach, das zu erhalten sie aufgrund des Vertrags und anderer relevanter Informationen erwartet hatte. Unter den Umständen, wie sie hier vorliegen, mag es genügen, wenn Frau Faber nachweist, dass der Gegenstand nicht mehr (ordnungsgemäß) die Funktion erfüllen kann, für die er erworben wurde (weil Frau Faber das Fahrzeug nicht mehr nutzen kann), ohne dass sie aber angeben muss, weshalb es dazu gekommen ist(57).

88.      Der Verbraucher braucht hingegen nicht darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die mangelnde Entsprechung dem Verkäufer zuzurechnen ist (was vermutlich eine Untersuchung des Zustands der Sache vor oder bei der Lieferung an den Verbraucher erfordern würde). Ein solches Erfordernis könnte die Regelung des Art. 5 Abs. 3 vollkommen unterlaufen. Zudem handelt es sich bei der Haftung des Verkäufers nach Maßgabe der Richtlinie 1999/44 nicht um eine Verschuldenshaftung. Dies ergibt sich u. a. aus Art. 4, der dem Verkäufer ein Rückgriffsrecht gegen den Hersteller verleiht, dessen Handeln oder Unterlassen zu der Vertragswidrigkeit geführt hat. Im Übrigen wäre es nicht praktikabel, dem Verbraucher diese Beweislast aufzuerlegen, da angenommen werden darf, dass der Verkäufer grundsätzlich über mehr (und detailliertere) Informationen über die Sache und deren Zustand zum Zeitpunkt der Lieferung verfügt. Vom Verbraucher kann nicht die Vorlage von Beweismitteln verlangt werden, die ihm nicht zugänglich sind(58). Dies liefe auch dem ureigenen Zweck der widerlegbaren Vermutung nach Art. 5 Abs. 3 und der allgemeinen Zielsetzung der Richtlinie 1999/44 zuwider.

89.      Dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 und des achten Erwägungsgrundes der Richtlinie 1999/44 lässt sich entnehmen, dass sich die Beweislast dann auf den Verkäufer verlagert, der zur Abwendung seiner Haftung zu beweisen hat, dass die Vertragswidrigkeit zum Zeitpunkt der Lieferung nicht bestand(59), oder in sonstiger Weise das Vorbringen des Verbrauchers widerlegen und die Beweismittel anfechten muss. Zu diesem Zweck kann er z. B. dartun, dass der Mangel auf einer Handlung oder Unterlassung, die in die Zeit nach der Lieferung des Gutes fällt, oder auf einem Umstand beruht, den der Verkäufer nicht zu vertreten hat. Erst in diesem späteren Stadium kommt es für den Erfolg der Klage des Verbrauchers darauf an, dass Letzterer Beweise für die Ursache der Vertragswidrigkeit erbringt.

90.      Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass in Art. 5 Abs. 3 angegeben ist, wer was in welcher Reihenfolge zu beweisen hat. Nicht vorgeschrieben ist hingegen, wie das Vorliegen der einzelnen Elemente zu beweisen ist. Meiner Ansicht nach ist dies mangels unionsrechtlicher Vorschriften Sache der innerstaatlichen verfahrensrechtlichen Beweisvorschriften, wobei selbstverständlich ebenfalls die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet sein müssen(60).

 Ergebnis

91.      Nach alledem bin ich der Ansicht, dass der Gerichtshof das Vorabentscheidungsersuchen des Gerechtshof Arnhem-Leeuwarden in folgendem Sinne beantworten sollte:

In einem Fall, in dem ein Käufer gestützt auf Bestimmungen des nationalen Rechts, die u. a. auf Verbraucherverträge Anwendung finden, einen Verkäufer auf Schadensersatz verklagt, ohne ausdrücklich geltend zu machen, Verbraucher zu sein, kann eine innerstaatliche Verfahrensvorschrift ein nationales Gericht nicht an der Prüfung, ob es sich bei dem Betreffenden tatsächlich um einen Verbraucher im Sinne der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter handelt, und dementsprechend nicht an der Anwendung des nationalen Verbraucherschutzrechts in seiner richtlinienkonformen Auslegung hindern. Dieses Erfordernis steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass das nationale Gericht über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt, wobei sich diese Grundlagen bereits aus den Akten ergeben können oder dadurch, dass das nationale Gericht die Möglichkeit hat, sich die Grundlagen gemäß dem innerstaatlichen Verfahrensrecht zu verschaffen. Das nationale Gericht darf nicht über den Verfahrensgegenstand hinausgehen, den die Parteien festlegen. Dieselbe Verpflichtung zu einer Prüfung von Amts wegen und dieselben Voraussetzungen gelten auch im Rechtsmittelverfahren, wenn i) sich mindestens eine Partei auf Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts beruft, durch die (zumindest teilweise) die Richtlinie 1999/44 umgesetzt wird, und ii) eine Partei, je nachdem, ob sie Verbraucher ist (oder nicht), in den Genuss des durch diese Bestimmungen gewährten erweiterten Schutzes kommen kann (oder nicht). An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn der Verbraucher anwaltlich vertreten war.

Der Effektivitätsgrundsatz gebietet, Art. 5 Abs. 3 von Amts wegen zu prüfen, vorausgesetzt, das nationale Gericht verfügt über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen und ändert nicht den von den Parteien festgelegten Verfahrensgegenstand. Soweit Art. 5 Abs. 3 ähnliche Charakteristika aufweist, wie sie für innerstaatliche Vorschriften des zwingenden Rechts kennzeichnend sind, kann ein nationales Gericht wie das des Ausgangsverfahrens aufgrund des Effektivitätsgrundsatzes auch verpflichtet sein, diejenige Bestimmung des nationalen Rechts von Amts wegen anzuwenden, durch die Art. 5 Abs. 3 umgesetzt wird.

Die Richtlinie 1999/44 schränkt die Befugnis der Mitgliedstaaten zur Festlegung und Anwendung der Beweisregeln für das nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44 bestehende Erfordernis, wonach der Verbraucher den Verkäufer über die Vertragswidrigkeit unterrichten muss, nicht ein, solange das nationale Recht i) keine kürzere Frist als zwei Monate vorsieht, ii) keine Vorschriften enthält, durch die die Pflichten nach Art. 5 der Richtlinie 1999/44 inhaltlich geändert werden, und iii) die einschlägigen Vorschriften auch im Übrigen nicht ungünstiger sind als diejenigen, die für auf innerstaatliches Recht gestützte Klagen gelten, und nicht so ausgestaltet sind, dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 sieht eine teilweise Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers vor, der, sofern eine bestimmte Frist nicht überschritten ist, nicht dartun muss, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand. Es ist also immer noch Sache des Verbrauchers, darzulegen, dass die gelieferte Sache nicht dem entsprach, was zu erhalten er nach dem Vertrag und den in Art. 2 Abs. 2 genannten Maßstäben vernünftigerweise erwarten konnte. Der Verbraucher braucht hingegen nicht zu beweisen, dass die mangelnde Entsprechung dem Verkäufer zuzurechnen ist.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. L 171, S. 12). Die Richtlinie wurde nach dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum geändert durch die Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher (ABl. L 304, S. 64).


3 – [AdÜ: Betrifft nicht die deutsche Sprachfassung der vorliegenden Schlussanträge.]


4 – Erster Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/44. Art. 169 Abs. 1 AEUV lautet: „Zur Förderung der Interessen der Verbraucher und zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus leistet die Union einen Beitrag zum Schutz der Gesundheit, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher sowie zur Förderung ihres Rechtes auf Information, Erziehung und Bildung von Vereinigungen zur Wahrung ihrer Interessen.“


5 – Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 1999/44.


6 – Die für diese Definition geltenden Ausnahmen kommen in der vorliegenden Rechtssache wohl nicht zum Tragen. Siehe auch unten, Nr. 55.


7 –      Vgl. auch 17. Erwägungsgrund. Außerdem können die Mitgliedstaaten nach Art. 7 Abs. 1 im Fall gebrauchter Güter vorsehen, dass der Verkäufer und der Verbraucher sich auf Vertragsklauseln oder Vereinbarungen einigen können, denen zufolge der Verkäufer weniger lange haftet. Die Niederlande haben von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.


8 –      Vgl. auch 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/44 sowie Art. 169 Abs. 4 AEUV.


9 – Aus den Akten des nationalen Gerichts geht nicht hervor, ob Frau Faber als Fahrzeugeigentümerin vor der Demontage von Hazet oder Reuvers kontaktiert wurde.


10 – Vgl. z. B. Urteil LCL Le Crédit Lyonnais (C‑565/12, EU:C:2014:190, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).


11 – Vgl. z. B. Urteil VB Pénzügyi Lízing (C‑137/08, EU:C:2010:659, Rn. 49).


12 – Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29).


13 – Siehe weiter hierzu unten, Nr. 62.


14 – Vgl. z. B. Urteil Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).


15 – Wenngleich ich der Kommission und der niederländischen Regierung darin zustimme, dass durchaus Tatsachenangaben in erheblichem Umfang vorliegen, um diese Frage entscheiden zu können.


16 – Vgl. im Bereich des Verbraucherschutzes z. B. Urteil Sánchez Morcillo und Abril García (C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).


17 – Eine aufschlussreiche Erörterung dieses Themas findet sich in den Schlussanträgen von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache van Schijndel und van Veen (C‑430/93 und C‑431/93, EU:C:1995:185, Nrn. 24 bis 30). Eine andere Meinung vertritt Generalanwalt Darmon in der Rechtssache Verholen u. a. (C‑87/90 bis C‑89/90, EU:C:1991:223, Nr. 19).


18 – Vgl. zur Richtlinie 1999/44 Urteil Duarte Hueros (C‑32/12, EU:C:2013:637, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dies war die erste Rechtssache, in der es um die gerichtliche Geltendmachung der aus der Richtlinie 1999/44 erwachsenden Verbraucherrechte ging. Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Duarte Hueros (EU:C:2013:128, Nr. 3).


19 – Vgl. z. B. Urteil Sánchez Morcillo und Abril García (EU:C:2014:2099, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).


20 – Vgl. z. B. Urteil Asturcom Telecomunicaciones (C‑40/08, EU:C:2009:615, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).


21 – Urteil van Schijndel und van Veen (C-430/93 und C-431/93, EU:C:1995:441, Rn. 13 und 14 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch z. B. Urteil Jőrös (C‑397/11, EU:C:2013:340, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).


22 – Vgl. z. B. Urteil Sánchez Morcillo und Abril García (EU:C:2014:2099, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).


23 – Vgl. z. B. Urteile Sánchez Morcillo und Abril García (EU:C:2014:2099, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung) und Kušionová (EU:C:2014:2189, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).


24 – Siehe oben, Nrn. 25 und 26.


25 – Siehe oben, Nr. 54.


26 – Die Rechtsprechung bezieht sich auf Richtlinien über u. a. missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen und über Verbraucherkredite.


27 – Vgl. die im Urteil van der Weerd u. a. (C‑222/05 bis C‑225/05, EU:C:2007:318, Rn. 40) getroffene Unterscheidung.


28 – Die Richtlinie 93/13 bezweckt ebenso wie die Richtlinie 1999/44 ein hohes Schutzniveau für Verbraucher. Die Kommission (unterstützt vom Parlament) hatte sogar beabsichtigt, bestimmte Aspekte des Güterkaufs und der Garantien sowie der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen in einem einzigen Rechtsakt zu harmonisieren. Der Rat hielt jedoch eine gesonderte Behandlung dieser Angelegenheiten für angemessener. Vgl. die Zusammenfassung dieser Diskussion in dem (von der Kommission vorgelegten) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbrauchsgüterkauf und ‑garantien, KOM(95) 520 endg., S. 2 (ABl. 1996, C 307, S. 8) (und die dort genannten Dokumente). Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 lautet: „Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“


29 – Vgl. z. B. Urteil Pannon GSM (C‑243/08, EU:C:2009:350, Rn. 32).


30 – Vgl. z. B. Urteil Kušionová (EU:C:2014:2189, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).


31 – Vgl. z. B. Urteil Kušionová (EU:C:2014:2189, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).


32 – Vgl. z. B. Urteil VB Pénzügyi Lízing (EU:C:2010:659, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).


33 – Urteil Océano Grupo Editorial und Salvat Editores (C‑240/98 bis C‑244/98, EU:C:2000:346, Rn. 26).


34 – Urteil Cofidis (C‑473/00, EU:C:2002:705, Rn. 38).


35 – Urteil Kušionová (EU:C:2014:2189, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung) (nach dem dort zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Verbraucher keine Klage zur Geltendmachung seiner Rechte erhoben).


36 – Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Duarte Hueros (EU:C:2013:128, Nrn. 43, 44, 47 und 48).


37 – Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44.


38 – Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44. Vgl. auch siebter Erwägungsgrund.


39 – Der achte Erwägungsgrund deutet darauf hin, dass es sich nicht um eine erschöpfende Aufzählung handelt.


40 – Siehe unten, Nrn. 80 bis 90.


41 – Man vergleiche dies z. B. mit der Reihenfolge der Begründung im Urteil VB Pénzügyi Lízing (EU:C:2010:659, Rn. 49).


42 – Vgl. Urteil Duarte Hueros (EU:C:2013:637, Rn. 25).


43 –      Meines Erachtens gilt diese Verpflichtung ungeachtet des Art. 9, dem zufolge die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zur Unterrichtung der Verbraucher über das innerstaatliche Recht ergreifen, mit dem diese Richtlinie 1999/44 umgesetzt wird, und, falls angebracht, Berufsorganisationen dazu aufrufen, die Verbraucher über ihre Rechte zu unterrichten, und sie gilt auch dann, wenn der Verbraucher im Vertrag selbst oder aufgrund anderer konkreter Umstände des Einzelfalls über seine Rechte unterrichtet sein mag, insbesondere in Fällen, in denen das innerstaatliche und/oder das Unionsrecht vorschreiben, dass solche Angaben in den Vertrag aufgenommen oder dem Verbraucher vor Vertragsschluss mitgeteilt werden.


44 – Ich räume ein, dass sich aus dieser Lösung auch Konsequenzen für andere Bereiche des Unionsrechts ergeben, in denen eine schwächere Partei in einem Vertragsverhältnis mit einer stärkeren Partei oder mit einer öffentlichen Einrichtung in ähnlicher Weise ausdrücklich geschützt wird. Als offenkundiges Beispiel ist insoweit der unionsrechtliche Schutz von Arbeitnehmern in diesen beiden Arten von Beziehungen zu nennen.


45 – Vgl. zu einzelnen Bestimmungen über missbräuchliche Vertragsklauseln Urteil Océano Grupo Editorial und Salvat Editores (EU:C:2000:346, Rn. 26). Zu anderen Bereichen vgl. Urteile Mostaza Claro (C‑168/05, EU:C:2006:675, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung) sowie Rampion und Godard (C‑429/05, EU:C:2007:575, Rn. 65).


46 – Zu Art. 6 der Richtlinie 93/13 vgl. z. B. Urteile Jőrös (EU:C:2013:340, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung) und Asbeek Brusse und de Man Garabito (C‑488/11, EU:C:2013:341, Rn. 49).


47 – Dies könnte bei einigen eigenständigen Regelungen des Art. 5 der Richtlinie 1999/44 der Fall sein, auf den ich im Rahmen der fünften und der sechsten Frage eingehe.


48 – Vgl. auch Urteil Rampion und Godard (EU:C:2007:575, Rn. 65).


49 – Vgl. z. B. Urteil Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).


50 – Vgl. Erwägungsgründe 22 und 24 sowie Art. 8 der Richtlinie 1999/44.


51 – Vgl. 22. Erwägungsgrund sowie Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44.


52 – Vgl. sechster Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/44.


53 – Siehe oben, Nrn. 19 bis 23.


54 –      Soweit ersichtlich, findet sich diese Unterscheidung auch in anderen Sprachfassungen von Art. 5 der Richtlinie 1999/44.


55 – KOM(95) 520 endg. (in Fn. 28 angeführt, S. 16).


56 – KOM(95) 520 endg. (in Fn. 28 angeführt, S. 16).


57 – Wie ein Mitglied des Gerichts es während der Befragung in der mündlichen Verhandlung formuliert hat: Ein Fahrzeug, das für seinen Zweck geeignet ist, geht nicht plötzlich in Flammen auf.


58 – Vgl. auch z. B. zu Verbraucherkrediten die Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache CA Consumer Finance (C‑449/13, EU:C:2014:2213, Nr. 37).


59 – Diese Regelung beabsichtigte auch die Kommission mit ihrem Vorschlag für die Bestimmung: vgl. KOM(95) 520 endg. (in Fn. 28 angeführt, S. 16).


60 – Vgl. z. B. Urteil Arcor (C‑55/06, EU:C:2008:244, Rn. 191 und die dort angeführte Rechtsprechung).