Language of document : ECLI:EU:C:2013:569

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

19. September 2013(*)

„Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger – Richtlinie 2008/115/EG – Art. 11 Abs. 2 – Rückkehrentscheidung, die mit einem Einreiseverbot einhergeht – Grundsätzlich auf fünf Jahre beschränkte Dauer des Einreiseverbots – Nationale Regelung, wonach das Einreiseverbot unbefristet ist, sofern kein Befristungsantrag gestellt wird – Art. 2 Abs. 2 Buchst. b – Drittstaatsangehörige, die aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind – Nichtanwendung der Richtlinie“

In der Rechtssache C‑297/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Amtsgericht Laufen (Deutschland) mit Entscheidung vom 13. Juni 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Juni 2012, in den Strafverfahren gegen

Gjoko Filev,

Adnan Osmani

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter J. Malenovský, U. Lõhmus (Berichterstatter) und M. Safjan sowie der Richterin A. Prechal,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und N. Graf Vitzthum als Bevollmächtigte,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande und V. Kreuschitz als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348, S. 98) und insbesondere des Art. 11 Abs. 2 dieser Richtlinie.

2        Es ergeht im Rahmen von Strafverfahren, die gegen Herrn Filev, einen Staatsangehörigen der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien, und Herrn Osmani, einen Staatsangehörigen der Republik Serbien, eingeleitet wurden, nachdem diese mehr als fünf Jahre nach ihrer Ausweisung aus Deutschland unter Verstoß gegen die unbefristeten Einreiseverbote, mit denen die gegen sie erlassenen Ausweisungsbescheide einhergingen, nach Deutschland eingereist waren.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Die Erwägungsgründe 4, 5 und 14 der Richtlinie 2008/115 lauten:

„(4)      Eine wirksame Rückkehrpolitik als notwendiger Bestandteil einer gut geregelten Migrationspolitik muss mit klaren, transparenten und fairen Vorschriften unterlegt werden.

(5)      Mit dieser Richtlinie sollte eine Reihe von horizontalen Vorschriften eingeführt werden, die für sämtliche Drittstaatsangehörige gelten, die die Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllen.

(14)      Die Wirkung der einzelstaatlichen Rückführungsmaßnahmen sollte durch die Einführung eines Einreiseverbots, das die Einreise in das Hoheitsgebiet sämtlicher Mitgliedstaaten und den dortigen Aufenthalt verbietet, europäischen Zuschnitt erhalten. Die Dauer des Einreiseverbots sollte in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt werden und im Regelfall fünf Jahre nicht überschreiten. …“

4        Art. 2 („Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2008/115 bestimmt in seinem Abs. 2:

„Die Mitgliedstaaten können beschließen, diese Richtlinie nicht auf Drittstaatsangehörige anzuwenden:

b)      die nach einzelstaatlichem Recht aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind oder gegen die ein Auslieferungsverfahren anhängig ist.“

5        Art. 3 Nr. 6 der Richtlinie 2008/115 definiert den Begriff „Einreiseverbot“ als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht“.

6        Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/115 lautet:

„Eine Rückkehrentscheidung sieht unbeschadet der Ausnahmen nach den Absätzen 2 und 4 eine angemessene Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise vor. Die Mitgliedstaaten können in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorsehen, dass diese Frist nur auf Antrag der betreffenden Drittstaatsangehörigen eingeräumt wird. In einem solchen Fall unterrichtet der Mitgliedstaat die betreffenden Drittstaatsangehörigen davon, dass die Möglichkeit besteht, einen solchen Antrag zu stellen.“

7        Art. 11 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/115 bestimmt:

„(1)      Rückkehrentscheidungen gehen mit einem Einreiseverbot einher,

a)      falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde oder

b)      falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde.

In anderen Fällen kann eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen.

(2)      Die Dauer des Einreiseverbots wird in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt.“

 Deutsches Recht

8        Das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. 2008 I, S. 162, im Folgenden: Aufenthaltsgesetz), geändert durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl. 2011 I, S. 2258, im Folgenden: Gesetz vom 22. November 2011), enthält folgenden § 11 Abs. 1:

„Ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Eine Befristung erfolgt nicht, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen von Satz 7 zulassen.“

9        Nach § 14 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes ist die Einreise eines Ausländers nach Deutschland u. a. dann unerlaubt, wenn er nach § 11 Abs. 1 nicht einreisen darf, es sein denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Abs. 2.

10      § 95 („Strafvorschriften“) des Aufenthaltsgesetzes sieht in Abs. 2 Nr. 1 vor:

„(2)      Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.      entgegen § 11 Abs. 1 Satz 1

a)      in das Bundesgebiet einreist oder

b)      sich darin aufhält“.

11      § 456a der Strafprozessordnung bestimmt:

„(1)      Die Vollstreckungsbehörde kann von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung absehen, wenn der Verurteilte wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert, an einen internationalen Strafgerichtshof überstellt oder wenn er aus dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgewiesen wird.

(2)      Kehrt der Ausgelieferte, der Überstellte oder der Ausgewiesene zurück, so kann die Vollstreckung nachgeholt werden. …“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

 Sachverhalt in Bezug auf Herrn Filev

12      Nach Einstellung des Verfahrens über seinen Asylantrag wurde Herr Filev durch Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 29. Oktober 1992 aufgefordert, das deutsche Hoheitsgebiet zu verlassen. In den Jahren 1993 und 1995 wurde er in die Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien abgeschoben; die Wirkung der Abschiebungen war unbefristet.

13      Am 28. April 2012 reiste Herr Filev erneut nach Deutschland ein und wurde dort einer Polizeikontrolle unterzogen. Diese Kontrolle ergab, dass er 1992 ausgewiesen worden war. Daraufhin wurde ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet, und er wurde in Untersuchungshaft genommen.

14      Am 3. Mai 2012 beantragte die Anklagebehörde in der Hauptverhandlung vor dem vorlegenden Gericht, Herrn Filev wegen Verstoßes gegen § 95 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b des Aufenthaltsgesetzes aufgrund unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 15 Euro zu verurteilen.

 Sachverhalt in Bezug auf Herrn Osmani

15      Am 19. November 1999 erging gegen Herrn Osmani ein Ausweisungsbescheid der Stadt Stuttgart (Deutschland) gemäß den Vorschriften des damals gültigen Ausländergesetzes, das eine Ausweisung bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz vorsah. Die Wirkung der Ausweisung war unbefristet.

16      Am 10. Juni 2003 wurde Herr Osmani wiederum wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Nachdem er einen Teil dieser Strafe verbüßt hatte, wurde er am 30. Juni 2004 entlassen und unbefristet abgeschoben. Gemäß § 456a der Strafprozessordnung ordnete die Staatsanwaltschaft Stuttgart die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe von 474 Tagen für den Fall an, dass Herr Osmani erneut nach Deutschland einreisen würde.

17      Am 29. April 2012 reiste Herr Osmani erneut nach Deutschland ein und wurde einer Polizeikontrolle unterzogen, bei der festgestellt wurde, dass gegen ihn ein Ausweisungsbescheid ergangen war. Daraufhin wurde ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet. In der Hauptverhandlung vor dem vorlegenden Gericht am 3. Mai 2012 beantragte die Anklagebehörde, Herrn Osmani wegen Verstößen gegen § 95 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b des Aufenthaltsgesetzes zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung zu verurteilen.

18      Zum Zeitpunkt der Einreichung des Vorabentscheidungsersuchens verbüßte Herr Osmani den Rest der Freiheitsstrafe, zu der er 2003 verurteilt worden war.

 Vorlagefragen in den beiden Verfahren

19      Das vorlegende Gericht hat im Hinblick auf Art. 11 Abs. 2 und die Erwägungsgründe 4 und 5 der Richtlinie 2008/115 Bedenken, § 11 Abs. 1 und § 95 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b des Aufenthaltsgesetzes in den bei ihm anhängigen Rechtssachen anzuwenden.

20      Insoweit weist es darauf hin, dass nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 die Dauer eines Einreiseverbots fünf Jahre grundsätzlich nicht überschreiten dürfe. Diese Bestimmung habe in Deutschland zwischen dem 24. Dezember 2010, dem Zeitpunkt, bis zu dem diese Richtlinie nach ihrem Art. 20 Abs. 1 Unterabs. 1 spätestens umzusetzen gewesen sei, und dem 26. November 2011, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes vom 22. November 2011 zur Umsetzung dieser Richtlinie, unmittelbare Wirkung gehabt, so dass Ausweisungen und Abschiebungen, die mehr als fünf Jahre vor dem erstgenannten Zeitpunkt erfolgt seien, nicht mehr als Grundlage für eine strafrechtliche Verurteilung nach § 95 des Aufenthaltsgesetzes dienen könnten. Außerdem sehe § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes in der durch das Gesetz vom 22. November 2011 geänderten Fassung keine Befristung der Wirkung derartiger Maßnahmen vor, sondern räume dem Betroffenen lediglich das Recht ein, eine solche Befristung zu beantragen.

21      Das vorlegende Gericht legt dar, dass Herr Filev zum einen erkennbar wohl keine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115 darstelle. Zum anderen habe er keinen Antrag auf Befristung seiner Ausweisung und seiner Abschiebungen gestellt, mit der Folge, dass diese seit beinahe 20 Jahren Wirkungen hervorriefen.

22      In Bezug auf Herrn Osmani weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass er nach § 95 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz wegen seiner Einreise nach Deutschland nach seiner Ausweisung 1999 und/oder seiner Abschiebung 2004 Sanktionen unterliege und dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/115 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräume, die Richtlinie nicht anzuwenden, wenn eine Person aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sei. Während des Zeitraums, in dem die Richtlinie in Deutschland unmittelbare Wirkung gehabt habe, sei jedoch keine Ausnahme nach dieser Bestimmung in das deutsche Recht übernommen worden, vielmehr sei eine derartige Ausnahme durch § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes in der durch das Gesetz vom 22. November 2011 geänderten Fassung eingeführt worden.

23      Unter diesen Umständen hat das Amtsgericht Laufen beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, und zwar die ersten drei in beiden Ausgangsrechtssachen und die vierte nur in der, die Herrn Osmani betrifft:

1.      Ist Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 dahin gehend auszulegen, dass es Mitgliedstaaten untersagt ist, verwaltungsrechtliche Ausweisungen bzw. Abschiebungen mit Strafe zu bewehren, wenn die Ausweisung/Abschiebung bei der Wiedereinreise älter als fünf Jahre ist?

2.      Ist Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 dahin gehend auszulegen, dass es der Bundesrepublik Deutschland untersagt ist, verwaltungsrechtliche Ausweisungen/Abschiebungen mit Strafe zu bewehren, die vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 22. November 2011 älter als fünf Jahre waren?

3.      Ist eine einzelstaatliche Regelung unionskonform im Sinne von Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115, die vorsieht, dass Ausweisungen/Abschiebungen grundsätzlich unbefristet wirksam sind, es sei denn, der Betroffene stelle einen Antrag auf Befristung? Entspricht eine derartige Norm Nr. 4 der Erwägungen der Richtlinie im Sinne einer gut geregelten Migrationspolitik durch klare, transparente und faire Vorschriften?

4.      Ist die Richtlinie 2008/115 dahin gehend auszulegen, dass es Mitgliedstaaten untersagt ist, Ausweisungen/Abschiebungen, die während des Zeitraums der Nichtumsetzung der Richtlinie fünf Jahre und älter waren, später wieder zur Grundlage einer strafrechtlichen Ahndung zu machen, wenn die Ausweisung/Abschiebung auf einer strafrechtlichen Verurteilung basierte?

24      Auf Antrag des vorlegenden Gerichts hat die hierfür bestimmte Kammer geprüft, ob es erforderlich ist, die vorliegende Rechtssache im Eilverfahren nach Art. 104b § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs in ihrer zum Zeitpunkt dieses Antrags geltenden Fassung zu entscheiden. Sie hat nach Anhörung des Generalanwalts beschlossen, diesem Antrag nicht stattzugeben.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur dritten Frage

25      Mit seiner dritten Frage, die zuerst zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Vorschrift wie § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes entgegensteht, die die Befristung eines Einreiseverbots an die Voraussetzung knüpft, dass der betroffene Drittstaatsangehörige einen Antrag auf eine derartige Befristung stellt.

26      Nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2008/115 wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre.

27      Es ist festzustellen, dass aus den Worten „[d]ie Dauer des Einreiseverbots wird … festgesetzt“ klar hervorgeht, dass eine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten besteht, alle Einreiseverbote – grundsätzlich auf höchstens fünf Jahre – zu befristen, unabhängig von einem hierauf gerichteten Antrag des betroffenen Drittstaatsangehörigen.

28      Diese Auslegung ergibt sich auch aus Satz 2 des 14. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2008/115, der ebenfalls vorsieht, dass die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt werden und im Regelfall fünf Jahre nicht überschreiten sollte.

29      Im Übrigen wird die genannte Auslegung erstens durch die Definition des Begriffs „Einreiseverbot“ in Art. 3 Nr. 6 der genannten Richtlinie gestützt, die sich u. a. auf eine Entscheidung bezieht, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt „für einen bestimmten Zeitraum“ untersagt wird.

30      Zweitens bestimmt Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/115 hinsichtlich der Frist für eine freiwillige Ausreise, die im Rahmen einer Rückkehrentscheidung festzusetzen ist, dass die Mitgliedstaaten in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorsehen können, dass diese Frist nur auf Antrag des betreffenden Drittstaatsangehörigen eingeräumt wird. Dieser Wortlaut legt nahe, dass der Unionsgesetzgeber, wenn er den Mitgliedstaaten eine solche Möglichkeit in Bezug auf die Befristung eines Einreiseverbots hätte einräumen wollen, dies in Art. 11 Abs. 2 dieser Richtlinie ausdrücklich bestimmt hätte.

31      Entgegen dem Vorbringen der deutschen Regierung in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen genügt es für die Erreichung des Ziels von Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 nicht, wenn eine solche Befristung eines Einreiseverbots im innerstaatlichen Recht von einem Antrag des betreffenden Drittstaatsangehörigen abhängig gemacht wird.

32      Dieses Ziel besteht nämlich u. a. darin, zu gewährleisten, dass die Dauer eines Einreiseverbots fünf Jahre nicht überschreitet, es sei denn, die betreffende Person stellt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit dar.

33      Selbst wenn das innerstaatliche Recht, wie die deutsche Regierung in Bezug auf ihr innerstaatliches Recht ausführt, vorsieht, dass der betreffende Drittstaatsangehörige über die Möglichkeit, eine Befristung des gegen ihn verhängten Einreiseverbots zu beantragen, unterrichtet wird und diese Unterrichtungspflicht von den zuständigen nationalen Behörden stets befolgt wird, ist jedoch nicht gewährleistet, dass der betreffende Drittstaatsangehörige einen solchen Antrag tatsächlich stellt. Wird ein solcher Antrag nicht gestellt, kann das Ziel von Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 nicht als erreicht angesehen werden.

34      Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Vorschrift wie § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes entgegensteht, die die Befristung eines Einreiseverbots davon abhängig macht, dass der betreffende Drittstaatsangehörige einen Antrag auf eine derartige Befristung stellt.

 Zur ersten und zur zweiten Frage

35      Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen ist, dass er es verbietet, einen Verstoß gegen ein Verbot, in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einzureisen und sich dort aufzuhalten, das mehr als fünf Jahre vor dem Zeitpunkt verhängt wurde, zu dem der betreffende Drittstaatsangehörige erneut in dieses Hoheitsgebiet eingereist oder die innerstaatliche Regelung zur Umsetzung dieser Richtlinie in Kraft getreten ist, strafrechtlich zu ahnden.

36      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass zwar weder Art. 63 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b EG, der in Art. 79 Abs. 2 Buchst. c AEUV übernommen wurde, noch die Richtlinie 2008/115, die u. a. auf der Grundlage der erstgenannten dieser beiden Bestimmungen erlassen wurde, die strafrechtliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten im Bereich der illegalen Einwanderung und des illegalen Aufenthalts ausschließen, die Mitgliedstaaten ihre Rechtsvorschriften in diesem Bereich jedoch so ausgestalten müssen, dass die Wahrung des Unionsrechts gewährleistet ist. Insbesondere dürfen sie keine strafrechtliche Regelung anwenden, die die Verwirklichung der mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele gefährden und die Richtlinie damit ihrer praktischen Wirksamkeit berauben könnte (vgl. Urteile vom 28. April 2011, El Dridi, C‑61/11 PPU, Slg. 2011, I‑3015, Randnrn. 54 und 55, und vom 6. Dezember 2011, Achughbabian, C‑329/11, Slg. 2011, I‑12695, Randnr. 33).

37      Daraus folgt, dass ein Mitgliedstaat einen Verstoß gegen ein Einreiseverbot, das in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115 fällt, nicht strafrechtlich ahnden darf, wenn die Aufrechterhaltung der Wirkungen dieses Verbots nicht mit Art. 11 Abs. 2 dieser Richtlinie im Einklang steht.

38      Daher ist anhand der Umstände der Ausgangsverfahren zu prüfen, ob der genannte Art. 11 Abs. 2 es verbietet, die Wirkung unbefristeter Einreiseverbote, die vor dem Zeitpunkt verhängt wurden, zu dem der betreffende Mitgliedstaat die Richtlinie 2008/115 hätte umsetzen müssen, über die in dieser Bestimmung vorgesehene Höchstdauer eines solchen Verbots, d. h. grundsätzlich fünf Jahre, hinaus aufrechtzuerhalten.

39      Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die genannte Richtlinie keine Übergangsbestimmungen für Einreiseverbote enthält, die erlassen wurden, bevor sie anwendbar wurde.

40      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gilt indessen eine neue Vorschrift, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, unmittelbar für die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts, der unter der Geltung der alten Vorschrift entstanden ist (vgl. Urteile vom 29. Januar 2002, Pokrzeptowicz-Meyer, C‑162/00, Slg. 2002, I‑1049, Randnr. 50, vom 10. Juni 2010, Bruno u. a., C‑395/08 und C‑396/08, Slg. 2010, I‑5119, Randnr. 53, und vom 1. März 2012, O’Brien, C‑393/10, Randnr. 25).

41      Daraus ergibt sich, dass die Richtlinie 2008/115 auf nach dem Zeitpunkt, ab dem sie in dem betreffenden Mitgliedstaat anwendbar war, eingetretene Wirkungen von Einreiseverboten, die gemäß den vor diesem Zeitpunkt geltenden innerstaatlichen Vorschriften erlassen wurden, Anwendung findet (vgl. entsprechend Urteil vom 30. November 2009, Kadzoev, C‑357/09 PPU, Slg. 2009, I‑11189, Randnr. 38).

42      Daher ist bei der Beurteilung, ob die Aufrechterhaltung der Wirkung derartiger Verbote insbesondere hinsichtlich der in Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 für Einreiseverbote vorgesehenen Höchstdauer von grundsätzlich fünf Jahren mit dieser Bestimmung vereinbar ist, auch der Zeitraum zu berücksichtigen, in dem dieses Verbot in Kraft war, bevor die Richtlinie 2008/115 anwendbar war (vgl. entsprechend Urteile Kadzoev, Randnr. 36, sowie Bruno u. a., Randnr. 55).

43      Diesen Zeitraum nicht zu berücksichtigen, stünde nicht im Einklang mit dem Ziel des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115, das, wie in Randnr. 32 des vorliegenden Urteils festgestellt, darin besteht, zu gewährleisten, dass die Dauer eines Einreiseverbots außer in den im Satz 2 dieser Bestimmung genannten Fällen fünf Jahre nicht überschreitet (vgl. entsprechend Urteil Kadzoev, Randnr. 37).

44      Daraus folgt, dass Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 es verbietet, die Wirkungen unbefristeter Einreiseverbote wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die vor dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/115 verhängt wurden, über die in dieser Bestimmung vorgesehene Höchstdauer des Verbots hinaus aufrechtzuerhalten, es sei denn, diese Verbote wurden gegen Drittstaatsangehörige verhängt, die eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellen.

45      Folglich ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen ist, dass er es verbietet, einen Verstoß gegen ein Verbot, in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einzureisen und sich dort aufzuhalten, das mehr als fünf Jahre vor dem Zeitpunkt verhängt wurde, zu dem der betreffende Drittstaatsangehörige erneut in dieses Hoheitsgebiet eingereist oder die innerstaatliche Regelung zur Umsetzung dieser Richtlinie in Kraft getreten ist, strafrechtlich zu ahnden, es sei denn, dieser Drittstaatsangehörige stellt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit dar.

 Zur vierten Frage

46      Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen ist, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach eine Ausweisung oder Abschiebung, die mehr als fünf Jahre vor dem Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt, zu dem diese Richtlinie hätte umgesetzt werden müssen, und dem Zeitpunkt, zu dem sie tatsächlich umgesetzt wurde, erfolgte, später erneut als Grundlage für eine strafrechtliche Verfolgung dienen kann, wenn diese Maßnahme im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der genannten Richtlinie aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion vorgenommen wurde.

 Zur Zulässigkeit

47      Die deutsche Regierung hält die vierte Frage für unzulässig, da ihre Beantwortung für die Entscheidung des Herrn Osmani betreffenden Ausgangsverfahrens nicht erforderlich sei. Die Einreise von Herrn Osmani nach Deutschland, die zu der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Strafverfolgung geführt habe, sei nicht in dem Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt, zu dem die Richtlinie 2008/115 hätte umgesetzt werden müssen, und dem Zeitpunkt, zu dem sie tatsächlich umgesetzt worden sei, sondern nach letzterem Zeitpunkt erfolgt. Daher komme es nicht darauf an, ob sich die in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehene Ausnahme in dem genannten Zeitraum habe auswirken können.

48      Hierzu genügt die Feststellung, dass sich die vierte Frage nicht auf die etwaigen Auswirkungen der genannten Ausnahme in dem in der vorstehenden Randnummer genannten Zeitraums bezieht, sondern darauf, wie sich das Bestehen dieses Zeitraums auf die Möglichkeit eines Mitgliedstaats auswirkt, sich nach Inkrafttreten der innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie auf diese Ausnahme zu berufen. Diese Frage erscheint für die Entscheidung des Rechtsstreits, der Herrn Osmani betrifft, erheblich.

49      Somit ist die vierte Frage des vorlegenden Gerichts zulässig.

 Zur Beantwortung der Frage

50      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/115 beschließen können, diese nicht auf Drittstaatsangehörige anzuwenden, die u. a. nach einzelstaatlichem Recht aufgrund oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind (vgl. in diesem Sinne Urteile El Dridi, Randnr. 49, und Achughbabian, Randnr. 41).

51      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht keine Zweifel daran hat, dass Herr Osmani in den persönlichen Anwendungsbereich der genannten Bestimmung fällt. Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich nämlich, dass er zum einen im Jahr 1999 gemäß den Bestimmungen des Ausländergesetzes, die eine Ausweisung von Ausländern vorsahen, die gegen die Vorschriften des deutschen Betäubungsmittelgesetzes verstoßen, unbefristet ausgewiesen wurde. Zum anderen wurde Herr Osmani im Jahr 2004, als er eine Freiheitsstrafe verbüßte, zu der er wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden war, mit unbefristeter Wirkung abgeschoben.

52      Macht ein Mitgliedstaat von der in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/115 vorgesehenen Möglichkeit spätestens bei Ablauf der Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie Gebrauch, hat dies zur Folge, dass die darin genannten Drittstaatsangehörigen zu keinem Zeitpunkt vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie erfasst werden.

53      Sofern hingegen ein Mitgliedstaat nach Ablauf der genannten Umsetzungsfrist von dieser Möglichkeit noch keinen Gebrauch gemacht hat, insbesondere weil er die Richtlinie 2008/115 noch nicht in seinem nationalen Recht umgesetzt hat, kann er sich nicht auf das Recht berufen, den persönlichen Anwendungsbereich dieser Richtlinie gemäß ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. b gegenüber Personen einzuschränken, auf die die Wirkungen der Richtlinie bereits anwendbar waren.

54      Unter diesen Umständen kann eine Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie 2008/115 gemäß ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. b, die erst nach Ablauf der Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie erfolgt, auch einer Person wie Herrn Osmani nicht entgegengehalten werden, der am 30. Juni 2004 abgeschoben wurde und nach dem Inkrafttreten der nationalen Vorschriften, mit denen von der in der genannten Bestimmung vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde, in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats einreiste.

55      Einer Person wie Herrn Osmani, der sich bereits unmittelbar auf die betreffenden Bestimmungen der Richtlinie 2008/115 berufen konnte, entgegenzuhalten, dass von der in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde, hätte nämlich zur Folge, die Situation dieser Person zu verschlechtern.

56      Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die vierte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen ist, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach eine Ausweisung oder Abschiebung, die mehr als fünf Jahre vor dem Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt, zu dem diese Richtlinie hätte umgesetzt werden müssen, und dem Zeitpunkt, zu dem sie tatsächlich umgesetzt wurde, erfolgte, später erneut als Grundlage für eine strafrechtliche Verfolgung dienen kann, wenn diese Maßnahme im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der genannten Richtlinie aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion vorgenommen wurde und der betreffende Mitgliedstaat von der in dieser Bestimmung vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat.

 Kosten

57      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Vorschrift wie § 11 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet entgegensteht, die die Befristung eines Einreiseverbots davon abhängig macht, dass der betreffende Drittstaatsangehörige einen Antrag auf eine derartige Befristung stellt.

2.      Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 ist dahin auszulegen, dass er es verbietet, einen Verstoß gegen ein Verbot, in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einzureisen und sich dort aufzuhalten, das mehr als fünf Jahre vor dem Zeitpunkt verhängt wurde, zu dem der betreffende Drittstaatsangehörige erneut in dieses Hoheitsgebiet eingereist oder die innerstaatliche Regelung zur Umsetzung dieser Richtlinie in Kraft getreten ist, strafrechtlich zu ahnden, es sei denn, dieser Drittstaatsangehörige stellt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit dar.

3.      Die Richtlinie 2008/115 ist dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach eine Ausweisung oder Abschiebung, die mehr als fünf Jahre vor dem Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt, zu dem diese Richtlinie hätte umgesetzt werden müssen, und dem Zeitpunkt, zu dem sie tatsächlich umgesetzt wurde, erfolgte, später erneut als Grundlage für eine strafrechtliche Verfolgung dienen kann, wenn diese Maßnahme im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der genannten Richtlinie aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion vorgenommen wurde und der betreffende Mitgliedstaat von der in dieser Bestimmung vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.