Language of document : ECLI:EU:C:2012:454

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

12. Juli 2012(*)

„Art. 56 AEUV – Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs – Glücksspiele – Regelung eines Mitgliedstaats, wonach die Werbung für in anderen Staaten gelegene Spielbanken verboten ist, wenn das gesetzliche Spielerschutzniveau in diesen Staaten nicht dem im Inland gewährleisteten Niveau entspricht – Rechtfertigung – Zwingende Gründe des Allgemeininteresses – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C‑176/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 28. März 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 14. April 2011, in dem Verfahren

HIT hoteli, igralnice, turizem dd Nova Gorica,

HIT LARIX, prirejanje posebnih iger na srečo in turizem dd

gegen

Bundesminister für Finanzen

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot, der Richterin A. Prechal, des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der HIT hoteli, igralnice, turizem dd Nova Gorica und der HIT LARIX, prirejanje posebnih iger na srečo in turizem dd, vertreten durch Rechtsanwalt R. Vouk,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und J. Bauer als Bevollmächtigte,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und M. Jacobs als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck, advocaat,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch E.‑M. Mamouna als Bevollmächtigte,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch S. Centeno Huerta als Bevollmächtigte,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, A. Barros, A. Silva Coelho und P. I. Valente als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und I. Rogalski als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. April 2012

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 AEUV.

2        Die vorgelegte Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der HIT hoteli, igralnice, turizem dd Nova Gorica und der HIT LARIX, prirejanje posebnih iger na srečo in turizem dd (im Folgenden zusammen: HIT und HIT LARIX) auf der einen Seite und dem Bundesminister für Finanzen auf der anderen Seite über die Abweisung ihrer Anträge auf Erteilung einer Werbebewilligung in Österreich für von ihnen in Slowenien betriebene Spielbanken.

 Rechtlicher Rahmen

 Nationales Recht

3        § 21 („Spielbanken, Konzession“) des Glücksspielgesetzes vom 28. November 1989 (BGBl I 1989/620 in der im BGBl I 2010/54 veröffentlichten Fassung, im Folgenden: GSpG) nennt die Voraussetzungen für die Erteilung von Konzessionen für den Betrieb von Spielbanken in Österreich. Er schreibt u. a. vor, dass der Konzessionär die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft mit Aufsichtsrat und Sitz in Österreich haben, über ein Grundkapital von mindestens 22 Millionen Euro verfügen und aufgrund der Umstände erwarten lassen muss, dass er unter Beachtung der Vorschriften des GSpG über den Schutz der Spielteilnehmer und über die Geldwäschevorbeugung die Konzession am besten ausübt.

4        § 25 („Spielbankbesucher“) GSpG enthält im Wesentlichen eine Reihe von Maßnahmen, die bezwecken, die Spielteilnehmer gegen Gefahren des Glücksspiels wie etwa die Entwicklung von Spielsucht oder die Verleitung zu übermäßigen Ausgaben zu schützen (u. a. ist der Besuch der Spielbank ausschließlich volljährigen Personen vorbehalten, es besteht die Pflicht der Spielbankleitung zur Einholung von Auskünften über spielsüchtig erscheinende Personen bei einer unabhängigen Einrichtung, die Bonitätsauskünfte erteilt, gegebenenfalls wird ein Gespräch mit dem Spielteilnehmer geführt, um herauszufinden, ob die Teilnahme am Spiel sein konkretes Existenzminimum gefährdet, und der Besuch der Spielbank kann vorübergehend oder dauerhaft untersagt werden).

5        Nach dieser Bestimmung haben die Spielbankbesucher auch die Möglichkeit, innerhalb von drei Jahren nach den von ihnen erlittenen Verlusten unmittelbar eine zivilrechtliche Klage gegen die Spielbankleitung wegen Verletzung ihrer Pflichten zum Schutz der Spielteilnehmer zu erheben. Die Haftung der Spielbankleitung im Zusammenhang mit der Gültigkeit des Spielvertrags oder mit Verlusten aus dem Spiel wird in dieser Bestimmung abschließend geregelt und besteht nur bis zur Höhe des konkreten Existenzminimums.

6        In § 56 („Zulässige Werbung“) GSpG heißt es:

„(1)      Die Konzessionäre und Bewilligungsinhaber nach diesem Bundesgesetz haben bei ihren Werbeauftritten einen verantwortungsvollen Maßstab zu wahren. Die Einhaltung dieses verantwortungsvollen Maßstabes ist ausschließlich im Aufsichtswege durch den Bundesminister für Finanzen zu überwachen und nicht dem Klagswege nach §§ 1 ff. UWG zugänglich. Abs. 1 Satz 1 stellt kein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB dar.

(2)      Spielbanken aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes dürfen im Inland den Besuch ihrer ausländischen, in Mitgliedstaaten der … Union oder Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes gelegenen Betriebsstätten gemäß den Grundsätzen des Abs. 1 bewerben, wenn dem Betreiber der Spielbank dafür eine Bewilligung durch den Bundesminister für Finanzen erteilt wurde. Eine solche Bewilligung ist zu erteilen, wenn der Betreiber der Spielbank dem Bundesminister für Finanzen nachgewiesen hat, dass

1.      die für den Betrieb der Spielbank erteilte Konzession § 21 entspricht und im Konzessionserteilungsland, das ein Mitgliedstaat der … Union oder ein Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes ist, ausgeübt wird, und

2.      die gesetzlichen Spielerschutzbestimmungen dieses Mitgliedstaates der … Union oder Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes den inländischen zumindest entsprechen.

Entsprechen die Werbemaßnahmen nicht den Anforderungen nach Abs. 1, kann dem Betreiber der ausländischen Spielbank die Werbung durch den Bundesminister für Finanzen untersagt werden.“

 Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage

7        Bei HIT und HIT LARIX handelt es sich um zwei Aktiengesellschaften mit Sitz in Slowenien. Sie sind Inhaberinnen von Konzessionen für die Veranstaltung von bestimmten Glücksspielen in Slowenien und bieten diese Dienste tatsächlich in mehreren Betriebsstätten in diesem Mitgliedstaat an.

8        HIT und HIT LARIX beantragten Bewilligungen nach § 56 GSpG, um in Österreich ihre in Slowenien niedergelassenen Glücksspielbetriebe, u. a. Spielbanken, zu bewerben. Mit zwei am 14. Juli 2009 erlassenen Bescheiden wurden diese Anträge vom Bundesminister für Finanzen mit der Begründung abgewiesen, HIT und HIT LARIX hätten nicht dargetan, dass die slowenischen gesetzlichen Glücksspielbestimmungen (im Folgenden: slowenische Rechtsvorschriften) ein Schutzniveau gewährleisteten, das mit dem in Österreich geltenden vergleichbar sei, was aber nach § 56 Abs. 2 Z 2 GSpG Voraussetzung für die Erteilung der beantragten Bewilligungen sei.

9        HIT und HIT LARIX erhoben gegen die abweisenden Bescheide Beschwerde und machten im Wesentlichen geltend, diese Bescheide verletzten sie in ihrem unionsrechtlich garantierten Recht auf Dienstleistungsfreiheit.

10      Vor dem vorlegenden Gericht wirft der Bundesminister für Finanzen HIT und HIT LARIX vor, nicht dargetan zu haben, dass die slowenischen Rechtsvorschriften eine gesetzliche Warn- und Sperrpflicht der Spielbankleitung oder ein Monitoring-System vorsähen, die mit den nach der österreichischen Rechtsordnung bestehenden vergleichbar wären. Ebenso wenig sei nachgewiesen worden, dass die slowenischen Rechtsvorschriften nähere Regelungen zum Jugendschutz in Spielsalons enthielten und die Spielbankbesucher eine unmittelbare Klagemöglichkeit vor den slowenischen Gerichten bei Pflichtverletzungen des Konzessionärs hätten.

11      Die Verpflichtung der Republik Österreich zum Schutz der Verbraucher, die sich in ihrem Hoheitsgebiet befänden, erlösche nicht, wenn diese – durch Werbung angeregt – Spielbanken in anderen Mitgliedstaaten mit deutlich niedrigeren Spielerschutzstandards als die in Österreich geltenden besuchten, da sowohl diese Werbung als auch die dadurch ausgelösten Besuche dieser Spielbanken durch österreichische Gebietsansässige sittlich und finanziell schädliche Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft mit sich bringen und damit in Österreich ansässige Personen und Familien sowie die öffentliche Gesundheit ernstlich gefährden könnten. Außerdem sei die Vergleichbarkeitsprüfung Ausfluss des unionsrechtlichen Kohärenzgebots.

12      Das vorlegende Gericht führt die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs an und stellt fest, dass § 56 Abs. 2 GSpG danach grundsätzlich eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Sinne von Art. 56 AEUV darstelle. Eine solche Beschränkung könne jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sofern sie verhältnismäßig sei.

13      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zählten zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen könnten, die Ziele der nationalen Regelungen im Spiel- und Wettbereich, mit denen der Schutz der Empfänger der jeweiligen Dienstleistungen und allgemeiner der Verbraucher sowie der Schutz der Sozialordnung angestrebt werde. Überdies sei es aufgrund des Fehlens einer auf europäischer Ebene harmonisierten Regelung im Bereich der Glücksspiele Sache jedes Mitgliedstaats, das Spielerschutzniveau zu bestimmen, das er gewährleisten wolle.

14      Das vorlegende Gericht schließt im vorliegenden Fall nicht aus, dass aufgrund der den Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs in diesem Bereich offenstehenden Dispositionsbefugnis die Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs aus den Gründen, die der fraglichen österreichischen Regelung zugrunde lägen, gerechtfertigt sein könnte.

15      Der Verwaltungsgerichtshof hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist eine Regelung eines Mitgliedstaats, die die Werbung für im Ausland gelegene Betriebsstätten von Spielbanken in diesem Mitgliedstaat nur dann erlaubt, wenn die gesetzlichen Spielerschutzbestimmungen an diesen Standorten den inländischen entsprechen, mit der Dienstleistungsfreiheit zu vereinbaren?

 Zur Vorlagefrage

 Zum Vorliegen von Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs

16      Art. 56 AEUV verlangt die Aufhebung jeder Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs – auch wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleister und Dienstleister aus den anderen Mitgliedstaaten gilt –, sofern sie geeignet ist, die Tätigkeiten des Dienstleisters, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, in dem er rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Im Übrigen gilt die Dienstleistungsfreiheit sowohl zugunsten des Dienstleisters als auch des Dienstleistungsempfängers (vgl. u. a. Urteil vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C‑403/08 und C‑429/08, Slg. 2011, I‑9083, Randnr. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17      Speziell zur Glücksspielwerbung hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine nationale Regelung, die bewirkt, dass die Werbung in einem Mitgliedstaat für Glücksspiele, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig veranstaltet werden, verboten ist, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2010, Sjöberg und Gerdin, C‑447/08 und C‑448/08, Slg. 2010, I‑6921, Randnrn. 33 und 34).

18      Eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche stellt ebenfalls eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, da sie den Zugang in Österreich ansässiger Verbraucher zu den Dienstleistungen, die in Spielbanken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat angeboten werden, behindert, indem sie die Werbung für diese Tätigkeiten in Österreich von einer Bewilligung abhängig macht, die u. a. voraussetzt, dass der Betreiber der betreffenden Spielbank nachweist, dass die gesetzlichen Spielerschutzbestimmungen des Mitgliedstaats, in dem die Spielbank betrieben wird, den österreichischen zumindest entsprechen (im Folgenden: streitige Voraussetzung).

19      Folglich stellt eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche eine Beschränkung des in Art. 56 AEUV gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehrs dar.

 Zur Rechtfertigung der Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs

20      Zu prüfen ist, inwieweit die im Ausgangsverfahren fragliche Beschränkung im Rahmen der Ausnahmeregelungen, die in den nach Art. 62 AEUV auf diesem Gebiet anwendbaren Art. 51 AEUV und 52 AEUV ausdrücklich vorgesehen sind, zulässig oder gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

21      Hierzu ist der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entnehmen, dass Beschränkungen der Glücksspieltätigkeiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2010, Carmen Media Group, C‑46/08, Slg. 2010, I‑8149, Randnr. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Jedoch müssen die Beschränkungen durch die Mitgliedstaaten den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen, d. h., sie müssen geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist außerdem darauf hinzuweisen, dass eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen. Auf jeden Fall dürfen die Beschränkungen nicht diskriminierend angewandt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C‑42/07, Slg. 2009, I‑7633, Randnrn. 59 bis 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass mit der fraglichen nationalen Regelung und insbesondere mit der streitigen Voraussetzung das Ziel verfolgt wird, die Verbraucher vor den Gefahren des Glücksspiels zu schützen; wie sich aus Randnr. 21 des vorliegenden Urteils ergibt, kann dieses Ziel ein zwingender Grund des Allgemeininteresses sein, mit dem Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt werden können.

24      Der Gerichtshof hat insoweit wiederholt entschieden, dass die Regelung der Glücksspiele zu den Bereichen gehört, in denen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. In Ermangelung einer Harmonisierung des betreffenden Gebiets ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, in diesen Bereichen im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben (Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Allein der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, kann daher keinen Einfluss auf die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben. Diese sind allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und auf das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen (Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Nach Ansicht der österreichischen Regierung steht die im Ausgangsverfahren fragliche Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen. So sei die Zahl der Spielbanken in Österreich auf höchstens 15 beschränkt, und die Spielbankbetreiber seien verpflichtet, strenge Spielerschutzvorschriften einzuhalten wie etwa die Pflicht, die Identität der Spielteilnehmer mindestens fünf Jahre aufzubewahren, und die Pflicht der Spielbankleitung, das Spielverhalten daraufhin zu beobachten, ob die Häufigkeit und Intensität der Teilnahme am Spiel das Existenzminimum des Spielers gefährde.

27      In der Praxis habe die Anwendung dieser Präventivmaßnahmen zu einer wesentlichen Verringerung der Spielteilnehmer geführt, denn 2011 sei für über 80 000 Personen der Besuch von Spielbanken in Österreich eingeschränkt oder ihnen gänzlich verwehrt gewesen. Daher würden die Spieler ohne die streitige Voraussetzung noch mehr veranlasst, die Grenze zu überschreiten und sich in Spielbanken in anderen Mitgliedstaaten, in denen gegebenenfalls kein vergleichbarer rechtlicher Schutz gewährleistet sei, größeren Gefahren auszusetzen.

28      Hierzu ist festzustellen, dass nach der streitigen Voraussetzung die Erteilung einer Werbebewilligung in Österreich für im Ausland ansässige Spielbanken von einem vorherigen Vergleich der Spielerschutzniveaus in den verschiedenen beteiligten Rechtsordnungen abhängt.

29      Ein solches Bewilligungserfordernis kann grundsätzlich den Verhältnismäßigkeitsanforderungen genügen, wenn es sich darauf beschränkt, die Werbebewilligung für in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Glücksspielbetriebe davon abhängig zu machen, dass die Regelung dieses anderen Mitgliedstaats im Hinblick auf das legitime Ziel, seine Bewohner vor den Gefahren des Glücksspiels zu schützen, im Wesentlichen gleichwertige Garantien bietet wie die nationale Regelung.

30      In Anbetracht des vom Gerichtshof als zwingender Grund des Allgemeininteresses anerkannten Ziels, die Bevölkerung vor den Gefahren des Glücksspiels zu schützen, dürfte eine solche Voraussetzung für die Wirtschaftsbeteiligten keine übermäßige Belastung darstellen.

31      Da es den Mitgliedstaaten freisteht, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen (vgl. Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung), geht eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche nicht über das hinaus, was erforderlich ist, sofern sie sich darauf beschränkt, für die Erteilung der Werbebewilligung den Nachweis zu fordern, dass die anwendbare Regelung in dem anderen Mitgliedstaat einen im Wesentlichen gleichwertigen Schutz vor den Gefahren des Glücksspiels gewährleistet wie sie selbst.

32      Anders wäre es allerdings – und die Regelung müsste als unverhältnismäßig angesehen werden –, wenn sie fordern würde, dass in dem anderen Mitgliedstaat identische Vorschriften gelten, oder wenn sie Vorschriften verlangen würde, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schutz vor den Gefahren des Glücksspiels stehen.

33      Im Verfahren nach Art. 267 AEUV, der auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, fällt die Würdigung des Sachverhalts in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts (vgl. Urteil vom 8. September 2010, Stoß u. a., C‑316/07, C‑358/07 bis C‑360/07, C‑409/07 und C‑410/07, Slg. 2010, I‑8069, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Daher ist es Sache des vorlegenden Gerichts, sich zu vergewissern, dass sich die streitige Voraussetzung darauf beschränkt, die Werbebewilligung für Glücksspielbetriebe mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat davon abhängig zu machen, dass die Regelung dieses anderen Mitgliedstaats im Hinblick auf das legitime Ziel, den Einzelnen vor den Gefahren des Glücksspiels zu schützen, im Wesentlichen gleichwertige Garantien bietet wie die nationale Regelung.

35      Das vorlegende Gericht wird insbesondere prüfen können, ob § 56 Abs. 2 Z 1 GSpG durch den Gesamtverweis auf § 21 nicht Voraussetzungen aufstellt, die über den Verbraucherschutz hinausgehen.

36      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die die Werbung in diesem Mitgliedstaat für in einem anderen Mitgliedstaat gelegene Betriebsstätten von Spielbanken nur dann erlaubt, wenn die gesetzlichen Spielerschutzbestimmungen dieses anderen Mitgliedstaats im Wesentlichen gleichwertige Garantien bieten wie die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen des ersten Mitgliedstaats.

 Kosten

37      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die die Werbung in diesem Mitgliedstaat für in einem anderen Mitgliedstaat gelegene Betriebsstätten von Spielbanken nur dann erlaubt, wenn die gesetzlichen Spielerschutzbestimmungen dieses anderen Mitgliedstaats im Wesentlichen gleichwertige Garantien bieten wie die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen des ersten Mitgliedstaats.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.