Language of document : ECLI:EU:C:2016:993

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

21. Dezember 2016(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2003/87/EG – System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten – Verpflichtung zur Abgabe von Treibhausgasemissionszertifikaten für Flüge zwischen den Mitgliedstaaten der Union und den meisten Drittländern – Beschluss Nr. 377/2013/EU – Art. 1 – Vorübergehende Abweichung – Ausschluss von Flügen mit Ziel- und Startflughäfen in der Schweiz – Unterschiedliche Behandlung von Drittländern – Allgemeiner Grundsatz der Gleichbehandlung – Unanwendbarkeit“

In der Rechtssache C‑272/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Berufungsgericht [England und Wales] [Abteilung für Zivilsachen], Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 6. Mai 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Juni 2015, in dem Verfahren

Swiss International Air Lines AG

gegen

The Secretary of State for Energy and Climate Change,

Environment Agency

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz (Berichterstatter), der Richter E. Juhász und C. Vajda, der Richterin K. Jürimäe sowie des Richters C. Lycourgos,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Swiss International Air Lines AG, vertreten durch J. Robinson und M. Croft, Solicitors, D. Piccinin, Barrister, und M. Chamberlain, QC,

–        des Secretary of State for Energy and Climate Change, vertreten durch N. Cohen, Barrister,

–        der Environment Agency, vertreten durch J. Welsh, Solicitor,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Holt als Bevollmächtigten im Beistand von R. Palmer und J. Holmes, Barristers,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Grasso, avvocato dello Stato,

–        des Europäischen Parlaments, vertreten durch J. Rodrigues, R. van de Westelaken und A. Tamás als Bevollmächtigte,

–        des Rates der Europäischen Union, vertreten durch M. Simm und K. Michoel als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Mifsud-Bonnici und E. White als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Juli 2016

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit des Beschlusses Nr. 377/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. April 2013 über die vorübergehende Abweichung von der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft (ABl. 2013, L 113, S. 1) im Hinblick auf den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung sowie die Auslegung von Art. 340 AEUV.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Swiss International Air Lines AG (im Folgenden: Swiss International) einerseits sowie dem Secretary of State for Energy and Climate Change (Minister für Energie und Klimawandel, Vereinigtes Königreich) und der Environment Agency (Umweltagentur, Vereinigtes Königreich) andererseits über die Gültigkeit des Beschlusses Nr. 377/2013 und einen Ausgleich für die Treibhausgasemissionszertifikate, die Swiss International für die im Jahr 2012 mit Ziel- oder Startort in der Schweiz durchgeführten Flüge abgegeben hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 2003/87

3        Die Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl. 2003, L 275, S. 32) in der durch die Richtlinie 2008/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 (ABl. 2009, L 8, S. 3) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2003/87) bestimmt in Art. 12 Abs. 2a:

„Die Verwaltungsmitgliedstaaten stellen sicher, dass jeder Luftfahrzeugbetreiber bis zum 30. April jeden Jahres eine Anzahl von Zertifikaten abgibt, die den – gemäß Artikel 15 überprüften – Gesamtemissionen des vorangegangenen Kalenderjahres aus Luftverkehrstätigkeiten im Sinne von Anhang I, die der Luftfahrzeugbetreiber durchgeführt hat, entspricht. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die gemäß diesem Absatz abgegebenen Zertifikate anschließend gelöscht werden.“

4        In Art. 16 („Sanktionen“) dieser Richtlinie heißt es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten legen Vorschriften über Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die gemäß dieser Richtlinie erlassenen nationalen Vorschriften zu verhängen sind, und treffen die notwendigen Maßnahmen, um die Durchsetzung dieser Vorschriften zu gewährleisten. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission diese Vorschriften mit und melden ihr spätere Änderungen unverzüglich.

(2)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Namen der Betreiber und Luftfahrzeugbetreiber, die gegen die Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Abgabe einer ausreichenden Anzahl von Zertifikaten verstoßen, veröffentlicht werden.

(3)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Betreibern oder Luftfahrzeugbetreibern, die nicht bis zum 30. April jeden Jahres eine ausreichende Anzahl von Zertifikaten zur Abdeckung ihrer Emissionen im Vorjahr abgeben, eine Sanktion wegen Emissionsüberschreitung auferlegt wird. Die Sanktion wegen Emissionsüberschreitung beträgt für jede ausgestoßene Tonne Kohlendioxidäquivalent, für die der Betreiber oder Luftfahrzeugbetreiber keine Zertifikate abgegeben hat, 100 [Euro]. Die Zahlung der Sanktion entbindet den Betreiber nicht von der Verpflichtung, Zertifikate in Höhe dieser Emissionsüberschreitung abzugeben, wenn er die Zertifikate für das folgende Kalenderjahr abgibt.

…“

 Beschluss Nr. 377/2013

5        Die Erwägungsgründe 4 bis 6 und 9 des Beschlusses Nr. 377/2013 lauten:

„(4)      In Verhandlungen über Luftverkehrsabkommen der Union mit Drittstaaten sollte das Ziel verfolgt werden, die Flexibilität der Union zu sichern, Maßnahmen in Bezug auf Umweltangelegenheiten zu ergreifen, darunter auch Maßnahmen zur Eindämmung der Auswirkungen des Luftverkehrs auf den Klimawandel.

(5)      In der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) wurden Fortschritte in Bezug auf die Annahme eines weltweiten Rahmens für eine Politik zur Verringerung der Emissionen, der die Anwendung marktbasierter Maßnahmen auf die Emissionen der internationalen Luftfahrt erleichtert, durch die 38. Versammlung der ICAO, die vom 24. September bis zum 4. Oktober 2013 stattfinden wird, und auf die Ausarbeitung einer weltweiten marktbasierten Maßnahme (im Folgenden ‚MBM‘) erzielt. Solch ein Rahmen könnte einen erheblichen Beitrag zur Senkung der nationalen, regionalen und weltweiten CO2-Emissionen leisten.

(6)      Um diese Fortschritte zu erleichtern und weitere Impulse zu geben, ist es wünschenswert, die Durchsetzung von Verpflichtungen auszusetzen, die sich vor der 38. Versammlung der ICAO im Zusammenhang mit Flügen nach und von Flughäfen in Ländern außerhalb der Union ergeben, die keine Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsvereinigung (EFTA), überseeischen Gebiete oder Schutzgebiete von Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und keine Länder sind, die mit der Union einen Beitrittsvertrag unterzeichnet haben. Deswegen sollten Luftfahrzeugbetreibern in Bezug auf die Verpflichtungen aus der Richtlinie [2003/87], die sich für die Kalenderjahre 2010, 2011 und 2012 im Hinblick auf die Berichterstattung über überprüfte Emissionen und für die damit verbundene Abgabe von Zertifikaten für 2012 für Flüge nach und von solchen Flughäfen ergeben, keine Sanktionen auferlegt werden. Luftfahrzeugbetreiber, die diesen Verpflichtungen weiterhin nachkommen wollen, sollten diese Möglichkeit haben.

(9)      Die mit diesem Beschluss vorgesehene Abweichung sollte weder die ökologische Integrität gefährden noch das übergeordnete Ziel der Rechtsvorschriften der Union zum Klimawandel beeinträchtigen oder zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Dementsprechend und im Einklang mit dem übergeordneten Ziel der Richtlinie [2003/87], das Teil des Rechtsrahmens der Union zur Erreichung ihrer unabhängigen Verpflichtung, ihre Emissionen bis 2020 um 20 % gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken, ist, sollte jene Richtlinie auch künftig für Flüge von oder nach Flughäfen auf dem Gebiet eines Mitgliedstaats nach oder von Flughäfen in bestimmten eng mit der Union verbundenen oder verknüpften Gebieten oder Staaten außerhalb der Union gelten.“

6        Art. 1 des Beschlusses bestimmt:

„Abweichend von Artikel 16 der Richtlinie [2003/87] verhängen die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Verpflichtungen gemäß Artikel 12 Absatz 2a und Artikel 14 Absatz 3 der genannten Richtlinie für die Kalenderjahre 2010, 2011 und 2012 keine Sanktionen gegen Luftfahrzeugbetreiber für Luftverkehrstätigkeiten nach und von Flughäfen in Ländern außerhalb der Union, die keine EFTA-Mitgliedstaaten, überseeischen Gebiete oder Schutzgebiete von EWR-Staaten und keine Länder sind, die mit der Union einen Beitrittsvertrag unterzeichnet haben, wenn an diese keine kostenlosen Zertifikate für solche Tätigkeiten für das Jahr 2012 vergeben wurden oder wenn solche Zertifikate an sie vergeben wurden und sie bis zum dreißigsten Tag nach Inkrafttreten dieses Beschlusses den Mitgliedstaaten die Anzahl der Luftverkehrszertifikate für 2012, die dem Anteil der nachgewiesenen Tonnenkilometer solcher Tätigkeiten im Referenzjahr 2010 entspricht, zur Löschung zurückgegeben haben.“

7        Nach seinem Art. 6 trat der Beschluss am Tag seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, also am 25. April 2013, in Kraft und gilt ab dem 24. April 2013.

 Recht des Vereinigten Königreichs

8        Durch die Greenhouse Gas Emissions Trading Scheme (Amendment) Regulations 2013 (Verordnung von 2013 zur Änderung des Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten) änderte der Minister für Energie und Klimawandel in Umsetzung des Beschlusses Nr. 377/2013 die nationale Regelung des Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

9        Swiss International ist eine Luftfahrtgesellschaft mit Sitz in der Schweiz.

10      Für das Jahr 2012 erwarb sie kostenfrei und kostenpflichtig eine bestimmte Zahl von Treibhausgasemissionszertifikaten. Sie gab die den Emissionen im Zusammenhang mit den Flügen, die sie zwischen den Mitgliedstaaten des EWR und der Schweiz im Lauf dieses Jahres durchgeführt hatte, entsprechenden Zertifikate ab.

11      Vor dem High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Abteilung Queen’s Bench [Verwaltungsgericht], Vereinigtes Königreich), erhob Swiss International eine Klage, die zum einen auf die Nichtigerklärung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung abzielte, weil es gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung verstoße, dass Flüge mit Ziel- oder Startort in der Schweiz von der in dieser Regelung zur Umsetzung des Beschlusses Nr. 377/2013 vorgesehenen Abweichung von den Bestimmungen der Richtlinie 2003/87 ausgenommen seien.

12      Zum anderen beantragte Swiss International, die Abgabe der Zertifikate für die von ihr im Lauf des Jahres 2012 zwischen den Mitgliedstaaten des EWR und der Schweiz durchgeführten Flüge für nichtig zu erklären. Hilfsweise verlangte sie, ihr einen finanziellen Ausgleich für den Wert der von ihr abgegebenen kostenpflichtig erworbenen Zertifikate oder eine andere angemessene Form der Entschädigung zu gewähren.

13      Die Klage wurde abgewiesen, woraufhin Swiss International Berufung beim Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Berufungsgericht [England und Wales] [Abteilung für Zivilsachen], Vereinigtes Königreich) einlegte. Vor diesem Gericht nahmen die Parteien des Ausgangsverfahrens u. a. zum Antrag auf Nichtigerklärung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung Stellung. Insoweit trug Swiss International vor, der Beschluss Nr. 377/2013 verstoße dadurch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, dass Flüge zwischen den Mitgliedstaaten des EWR und der Schweiz von der für Flüge in oder aus nahezu alle(n) andere(n) Drittländer(n) eingeführten Abweichung von den Bestimmungen der Richtlinie 2003/87 ausgenommen würden.

14      Der Gerichtshof habe zwar in den Urteilen vom 22. Januar 1976, Balkan-Import-Export (55/75, EU:C:1976:8), vom 28. Oktober 1982, Faust/Kommission (52/81, EU:C:1982:369), und vom 10. März 1998, Deutschland/Rat (C‑122/95, EU:C:1998:94), entschieden, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht in jeder Hinsicht gelte, wenn die Union in ihren Außenbeziehungen Drittländer unterschiedlich behandele. Diese Rechtsprechung stelle aber eine begrenzte Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung dar, die sich ausschließlich auf Fälle beziehe, in denen die Union ihre Befugnisse im Bereich des auswärtigen Handelns ausgeübt habe, insbesondere durch den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags, der eine unterschiedliche Behandlung von Drittländern rechtfertige. Hinsichtlich der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden unterschiedlichen Behandlung von Flügen mit Ziel- oder Startort in der Schweiz gebe es jedoch weder ein solches Abkommen noch einen anderen Rechtsakt der Union im Bereich des auswärtigen Handelns.

15      Die unterschiedliche Behandlung sei auch nicht aus anderen Gründen gerechtfertigt. Sie könne insbesondere nicht mit der geografischen Nähe der Schweiz zur Union gerechtfertigt werden. Da die vom Beschluss Nr. 377/2013 vorgesehene Abweichung nur die vor seinem Erlass im Lauf des Jahres 2012 durchgeführten Flüge erfasse, könne der Wettbewerb nämlich durch seine Erstreckung auf Flüge mit Ziel- oder Startort in der Schweiz nicht verfälscht werden. Zum Ziel dieses Beschlusses, die unabhängige Verpflichtung der Union, ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 zu senken, nicht zu schwächen, sei festzustellen, dass die Schweiz an dieser unabhängigen Verpflichtung nicht beteiligt sei.

16      Der Minister für Energie und Klimawandel sowie die Umweltagentur traten diesem Vorbringen entgegen. Sie machten geltend, der Grundsatz der Gleichbehandlung gelte nicht für die unterschiedliche Behandlung von Drittländern, die im Beschluss Nr. 377/2013 vorgenommen werde, um internationale Verhandlungen auf ICAO-Ebene zu erleichtern. Überdies habe der Unionsgesetzgeber, selbst wenn der Grundsatz der Gleichbehandlung Anwendung finden sollte, die Grenzen seines Ermessens nicht überschritten, als er die im Beschluss vorgesehene vorübergehende Abweichung nicht auf eng mit der Union verbundene oder verknüpfte Drittländer wie die Schweizerische Eidgenossenschaft erstreckt habe.

17      Unter diesen Umständen hat der Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Berufungsgericht [England und Wales] [Abteilung für Zivilsachen]) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Verstößt der Beschluss Nr. 377/2013 gegen den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung, soweit er ein Moratorium für die Verpflichtung zur Abgabe von Emissionszertifikaten nach der Richtlinie 2003/87 für Flüge zwischen dem EWR und fast allen Nicht-EWR-Staaten einführt, dieses Moratorium aber nicht auf Flüge zwischen EWR-Staaten und der Schweiz erstreckt?

2.      Wenn ja, in welcher Weise ist einem Kläger in der Situation von Swiss International Abhilfe zu verschaffen, der Emissionszertifikate für Flüge abgegeben hat, die im Jahr 2012 zwischen EWR-Staaten und der Schweiz stattfanden, um diesen Kläger in die Lage zu versetzen, in der er gewesen wäre, wenn Flüge zwischen EWR-Staaten und der Schweiz nicht von dem Moratorium ausgenommen worden wären? Im Einzelnen:

a)      Ist das Register dahin zu berichtigen, dass es die geringere Zahl von Zertifikaten berücksichtigt, die ein solcher Kläger hätte abgeben müssen, wenn Flüge mit Ziel- oder Startort in der Schweiz in das Moratorium einbezogen worden wären?

b)      Wenn ja, welche Maßnahmen haben die zuständige nationale Behörde bzw. das nationale Gericht (gegebenenfalls) zu ergreifen, um eine Rückgabe der zusätzlichen abgegebenen Zertifikate an einen solchen Kläger zu erwirken?

c)      Hat ein solcher Kläger Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 340 AEUV gegen das Europäische Parlament und den Rat wegen eines Schadens, der ihm aufgrund der Abgabe zusätzlicher Zertifikate infolge des Beschlusses Nr. 377/2013 entstanden ist?

d)      Ist dem Kläger eine andere Form der Abhilfe zu gewähren, und, wenn ja, welche?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

18      Mit seiner ersten Frage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um die Prüfung, ob der Beschluss Nr. 377/2013 im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung gültig ist, soweit die in seinem Art. 1 vorgesehene vorübergehende Abweichung von den in Art. 12 Abs. 2a und Art. 16 der Richtlinie 2003/87 aufgestellten Verpflichtungen zur Abgabe von Treibhausgasemissionszertifikaten für die im Jahr 2012 durchgeführten Flüge zwischen den Mitgliedstaaten der Union und den meisten Drittländern u. a. nicht für Flüge mit Ziel- und Startflughäfen in der Schweiz gilt.

19      Art. 1 des Beschlusses Nr. 377/2013 trifft eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Flügen nach oder von Drittländern, die ausschließlich darauf beruht, ob das Ziel- oder Abflugland dieser Flüge außerhalb der Union liegt. Eine solche Unterscheidung impliziert, wie der Generalanwalt in Nr. 36 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, eine unterschiedliche Behandlung von Drittländern.

20      Da sich der Gerichtshof zur Gültigkeit des Beschlusses Nr. 377/2013 im Hinblick auf den nunmehr in den Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung äußern soll, stellt sich die Frage, ob eine solche unterschiedliche Behandlung von Drittländern unter diesen Grundsatz fällt.

21      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die externen Aspekte der internen Politikbereiche der Union unter ihre Befugnisse im Bereich der Außenbeziehungen fallen (vgl. entsprechend, zu einem im Bereich des Binnenmarkts und der gemeinsamen Agrarpolitik ergangenen Rechtsakt, Urteil vom 22. Januar 1976, Balkan-Import-Export, 55/75, EU:C:1976:8, Rn. 14).

22      Der Beschluss Nr. 377/2013 gehört zu den Maßnahmen, die im Rahmen der Zuständigkeiten der Union im Bereich der Außenbeziehungen erlassen wurden. Er soll, wie sich aus seinen Erwägungsgründen 5 und 6 ergibt, den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags über die Anwendung marktbasierter Maßnahmen auf Emissionen der internationalen Luftfahrt im Rahmen der ICAO erleichtern und wurde auf der Grundlage der externen Zuständigkeit im Bereich der Umwelt erlassen, die auf Art. 192 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 191 Abs. 1 vierter Gedankenstrich AEUV beruht.

23      Die Gestaltung der auswärtigen Beziehungen erfolgt aber über ein breites Spektrum von Maßnahmen, die sich nicht auf Maßnahmen gegenüber allen Drittländern beschränken, und kann somit auch ein oder mehrere Drittländer betreffen.

24      Die Organe und Einrichtungen der Union verfügen bei der Gestaltung der auswärtigen Beziehungen über eine große Bandbreite politischer Entscheidungsbefugnisse. Die Gestaltung der auswärtigen Beziehungen impliziert nämlich – wie das Vereinigte Königreich, das Parlament und der Rat im Rahmen des Verfahrens vor dem Gerichtshof hervorgehoben haben – zwangsläufig Entscheidungen politischer Natur. Die Union muss daher in der Lage sein, ihre politischen Entscheidungen zu treffen und nach Maßgabe der von ihr verfolgten Ziele eine Differenzierung zwischen Drittländern vorzunehmen, ohne gehalten zu sein, alle diese Länder gleich zu behandeln. Die Ausübung der außenpolitischen Prärogative durch die Organe und Einrichtungen der Union kann somit zur Folge haben, dass ein Drittland anders als andere Drittländer behandelt wird.

25      Hierzu ist hervorzuheben, dass das Unionsrecht keine ausdrückliche Verpflichtung der Union vorsieht, alle Drittländer gleich zu behandeln. Das Völkerrecht enthält, wie der Generalanwalt in Nr. 65 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, keinen allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung von Drittländern. Da eine Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Drittländern die Handlungsmöglichkeiten der Union auf internationaler Ebene einseitig beschränken würde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Union ein solches Erfordernis anerkennen konnte, ohne die Gleichbehandlung von Drittländern ausdrücklich in den Verträgen zu verankern.

26      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gibt es daher im AEU-Vertrag keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die Union in ihren Außenbeziehungen Drittländer unter allen Aspekten gleich behandeln müsste, und die Wirtschaftsteilnehmer können sich jedenfalls nicht mit Erfolg auf das Bestehen eines solchen Grundsatzes berufen (vgl. insbesondere Urteile vom 22. Januar 1976, Balkan-Import-Export, 55/75, EU:C:1976:8, Rn. 14, vom 28. Oktober 1982, Faust/Kommission, 52/81, EU:C:1982:369, Rn. 25, vom 10. März 1998, Deutschland/Rat, C‑122/95, EU:C:1998:94, Rn. 56, und vom 10. März 1998, T. Port, C‑364/95 und C‑365/95, EU:C:1998:95, Rn. 76).

27      Swiss International macht jedoch geltend, dass diese Rechtsprechung nur eine begrenzte Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung darstelle. Diese Ausnahme gelte nur in Fällen, in denen die Union ihre Befugnisse im Bereich des auswärtigen Handelns wahrgenommen habe, u. a. durch den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags, der eine unterschiedliche Behandlung von Drittländern rechtfertige. Bei dem Beschluss Nr. 377/2013, der erlassen worden sei, um den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags im Rahmen der ICAO zu fördern, fehle ein solches auswärtiges Handeln aber, so dass die sich aus diesem Beschluss ergebende unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt sein müsse.

28      Hierzu ist festzustellen, dass die genannte Rechtsprechung entgegen dem Vorbringen von Swiss International nicht dahin verstanden werden kann, dass sie die Beziehungen der Union zu Drittländern grundsätzlich der Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung unterwirft.

29      Die in Rn. 25 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung zielt vielmehr darauf ab, die Organe und Einrichtungen der Union von der Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Verhältnis zu Drittländern zu entbinden, um ihre politische Handlungsfähigkeit auf internationaler Ebene zu wahren. Der Gerichtshof hat daher allgemein festgestellt, dass eine unterschiedliche Behandlung von Drittländern nicht gegen das Unionsrecht verstößt, wobei er auf das Fehlen jeder Verpflichtung zur Gleichbehandlung von Drittländern abgestellt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Oktober 1982, Faust/Kommission, 52/81, EU:C:1982:369, Rn. 25 und 27, vom 10. März 1998, Deutschland/Rat, C‑122/95, EU:C:1998:94, Rn. 56, und vom 10. März 1998, T. Port, C‑364/95 und C‑365/95, EU:C:1998:95, Rn. 76).

30      Die Unanwendbarkeit des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf die Beziehungen der Union zu Drittländern wird durch die Art und Weise bestätigt, in der der Gerichtshof den in Rn. 26 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechungsgrundsatz umgesetzt hat. So hat er sich im Urteil vom 28. Oktober 1982, Faust/Kommission (52/81, EU:C:1982:369, Rn. 25), auf die Feststellung beschränkt, dass sich die unterschiedliche Behandlung bestimmter Einfuhren aus einer unterschiedlichen Behandlung von Drittländern ergibt, und daraus abgeleitet, dass diese unterschiedliche Behandlung nicht gegen das Unionsrecht verstößt. Desgleichen hat er entschieden, dass eine unterschiedliche Behandlung von Wirtschaftsteilnehmern, die aus Drittländern stammende Waren vertreiben, als zwangsläufige Folge einer unterschiedlichen Behandlung von Drittländern nicht gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt (vgl. Urteile vom 10. März 1998, Deutschland/Rat, C‑122/95, EU:C:1998:94, Rn. 56 bis 58, sowie vom 10. März 1998, T. Port, C‑364/95 und C‑365/95, EU:C:1998:95, Rn. 76 und 77).

31      Der Gerichtshof hat zwar in Rn. 15 des Urteils vom 22. Januar 1976, Balkan-Import-Export (55/75, EU:C:1976:8), eine Prüfung der Vergleichbarkeit bulgarischer und Schweizer Käsesorten durchgeführt, doch ist – wie das Parlament in seinen beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen ausgeführt hat – davon auszugehen, dass diese Prüfung nur ergänzend erfolgte und daher die Feststellung in Rn. 14 dieses Urteils, wonach der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht für die Beziehungen der Union zu Drittländern gilt, nicht in Frage stellen kann.

32      Daraus ergibt sich entgegen dem Vorbringen von Swiss International, dass durch die in Rn. 26 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung keine „Ausnahme“ vom Grundsatz der Gleichbehandlung geschaffen wurde, die eng auszulegen wäre.

33      Diese Rechtsprechung beschränkt sich zudem nicht auf Sachverhalte, die eine vorherige Ausübung externer Zuständigkeiten der Union durch ein auswärtiges Handeln wie einen völkerrechtlichen Vertrag voraussetzen, sondern zielt auf eine unterschiedliche Behandlung von Drittländern ab, die sich auch auf einseitige Maßnahmen der Union zur Förderung des Abschlusses eines völkerrechtlichen Vertrags wie den Beschluss Nr. 377/2013 erstreckt.

34      Der Gerichtshof hat die genannte Rechtsprechung entgegen dem Vorbringen von Swiss International auch in Fällen angewandt, in denen die unterschiedliche Behandlung von Drittländern nicht auf der vorherigen Ausübung externer Zuständigkeiten der Union, etwa durch den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags der Union, beruhte. So resultierte die unterschiedliche Behandlung von Drittländern in der Rechtssache, in der das Urteil vom 28. Oktober 1982, Faust/Kommission (52/81, EU:C:1982:369), ergangen ist, nicht aus einem völkerrechtlichen Vertrag der Union, sondern aus einer Unionsregelung, mit der die Erteilung von Einfuhrlizenzen für bestimmte Erzeugnisse aus allen Drittländern, mit Ausnahme von Drittländern, die sicherstellen konnten, dass die Ausfuhren dieser Erzeugnisse in die Union bestimmte Mengen nicht überstiegen, einseitig ausgesetzt wurde.

35      Daraus folgt, dass die in Art. 1 des Beschlusses Nr. 377/2013 festgelegte unterschiedliche Behandlung von Drittländern im Rahmen der Außenbeziehungen der Union nicht unter den Grundsatz der Gleichbehandlung fällt.

36      Unter diesen Umständen braucht zur Beantwortung der ersten Frage nicht geprüft zu werden, ob eine solche unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt werden kann.

37      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Prüfung des Beschlusses Nr. 377/2013 im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung nichts ergeben hat, was die Gültigkeit dieses Beschlusses berühren könnte, soweit die in seinem Art. 1 vorgesehene vorübergehende Abweichung von den in Art. 12 Abs. 2a und Art. 16 der Richtlinie 2003/87 aufgestellten Verpflichtungen zur Abgabe von Treibhausgasemissionszertifikaten für die im Jahr 2012 durchgeführten Flüge zwischen den Mitgliedstaaten der Union und den meisten Drittländern u. a. nicht für Flüge mit Ziel- und Startflughäfen in der Schweiz gilt.

 Zur zweiten Frage

38      In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu prüfen.

 Kosten

39      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Die Prüfung des Beschlusses Nr. 377/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. April 2013 über die vorübergehende Abweichung von der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung hat nichts ergeben, was die Gültigkeit dieses Beschlusses berühren könnte, soweit die in seinem Art. 1 vorgesehene vorübergehende Abweichung von den in Art. 12 Abs. 2a und Art. 16 der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates in der durch die Richtlinie 2008/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 geänderten Fassung aufgestellten Verpflichtungen zur Abgabe von Treibhausgasemissionszertifikaten für die im Jahr 2012 durchgeführten Flüge zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den meisten Drittländern u. a. nicht für Flüge mit Ziel- und Startflughäfen in der Schweiz gilt.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.