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Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 16. Juli 2015 (Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs – Deutschland) – Beteiligungsgesellschaft Larentia + Minerva mbH & Co. KG/Finanzamt Nordenham (C-108/14) und Finanzamt Hamburg/Mitte/Marenove Schiffahrts AG (C-109/14)

(Verbundene rechtssachen C-108/14 und C-109/14)1

(Vorlage zur Vorabentscheidung – Mehrwertsteuer – Sechste Richtlinie 77/388/EWG – Art. 17 – Recht auf Vorsteuerabzug – Teilweiser Abzug – Mehrwertsteuer, die von Holdinggesellschaften für die Beschaffung von Kapital entrichtet wurde, das sie in ihre Tochtergesellschaften investiert haben – An die Tochtergesellschaften erbrachte Dienstleistungen – Tochtergesellschaften in der Rechtsform einer Personengesellschaft – Art. 4 – Bildung einer Gruppe von Personen, die als ein Steuerpflichtiger behandelt werden können – Voraussetzungen – Erforderlichkeit eines Unterordnungsverhältnisses – Unmittelbare Wirkung)

Verfahrenssprache: Deutsch

Vorlegendes Gericht

Bundesfinanzhof

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kläger: Beteiligungsgesellschaft Larentia + Minerva mbH & Co. KG (C-108/14), Finanzamt Hamburg-Mitte (C–109/14)

Beklagte: Finanzamt Nordenham (C-108/14), Marenave Schiffahrts AG (C-109/14)

Tenor

Art. 17 Abs. 2 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24. Juli 2006 geänderten Fassung ist wie folgt auszulegen:

–    Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, und die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer ist grundsätzlich vollständig abzuziehen, es sei denn, dass bestimmte nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung mehrwertsteuerfrei sind. Im letzteren Fall darf das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten vorgenommen werden.

–    Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die nur bei einigen von ihnen an der Verwaltung teilnimmt, hinsichtlich der übrigen dagegen keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind nur zum Teil als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, so dass die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer nur im Verhältnis zu den der wirtschaftlichen Tätigkeit inhärenten Kosten nach von den Mitgliedstaaten festgelegten Aufteilungskriterien abgezogen werden kann, die bei der Ausübung dieser Befugnis Zweck und Systematik der Sechsten Richtlinie berücksichtigen und insoweit eine Berechnungsweise vorsehen müssen, die objektiv widerspiegelt, welcher Teil der Eingangsaufwendungen der wirtschaftlichen und der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit tatsächlich zuzurechnen ist, was zu prüfen Sache der nationalen Gerichte ist.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten.@@

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1 ABl. C 159 vom 26.5.2014.