Language of document : ECLI:EU:C:2019:955

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

12. November 2019(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Urteil des Gerichtshofs, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt wird – Nichtdurchführung – Richtlinie 85/337/EWG – Genehmigung und Errichtung einer Windfarm – Projekt, das erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben kann – Fehlende vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung – Legalisierungspflicht – Art. 260 Abs. 2 AEUV – Antrag auf Verhängung eines Zwangsgelds und eines Pauschalbetrags“

In der Rechtssache C‑261/18

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 260 Abs. 2 AEUV, eingereicht am 13. April 2018,

Europäische Kommission, vertreten durch M. Noll-Ehlers und J. Tomkin als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Irland, vertreten durch M. Browne, G. Hodge und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von G. Gilmore, BL, J. Connolly und G. Simons, SC,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) und A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Safjan und S. Rodin, der Richter L. Bay Larsen und T. von Danwitz, der Richterin C. Toader, des Richters F. Biltgen, der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: R. Șereș, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. April 2019,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Juni 2019

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission,

–        festzustellen, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 260 AEUV verstoßen hat, dass es nicht die Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus Nr. 1 zweiter Gedankenstrich des Tenors des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), ergeben,

–        Irland zu verurteilen, an die Kommission einen Pauschalbetrag von 1 343,20 Euro, multipliziert mit der Zahl der Tage, die zwischen der Verkündung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), und dem Zeitpunkt der Durchführung dieses Urteils durch Irland oder dem Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache liegen, zu zahlen, wenn dieses Datum vor dem Zeitpunkt der Durchführung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), liegt, wobei der Mindestpauschalbetrag 1 685 000 Euro betragen sollte,

–        Irland zu verurteilen, an die Kommission ein Zwangsgeld von 12 264 Euro pro Tag ab dem Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache bis zum Zeitpunkt der Durchführung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), durch Irland zu zahlen, und

–        Irland die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtlicher Rahmen

 Richtlinie 85/337/EWG vor ihrer Änderung durch die Richtlinie 97/11

2        Art. 2 Abs. 1 und 2 sowie Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 1985, L 175, S. 40) sah vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor der Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden.

Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert.

(2)      Die Umweltverträglichkeitsprüfung kann in den Mitgliedstaaten im Rahmen der bestehenden Verfahren zur Genehmigung der Projekte durchgeführt werden oder, falls solche nicht bestehen, im Rahmen anderer Verfahren oder der Verfahren, die einzuführen sind, um den Zielen dieser Richtlinie zu entsprechen.

(3)      Die Mitgliedstaaten können in Ausnahmefällen ein einzelnes Projekt ganz oder teilweise von den Bestimmungen dieser Richtlinie ausnehmen.“

3        Art. 3 dieser Richtlinie bestimmte:

„Die Umweltverträglichkeitsprüfung identifiziert, beschreibt und bewertet in geeigneter Weise nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls gemäß den Artikeln 4 bis 11 die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts auf folgende Faktoren:

–        Mensch, Fauna und Flora,

–        Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft,

–        die Wechselwirkung zwischen den unter dem ersten und dem zweiten Gedankenstrich genannten Faktoren,

–        Sachgüter und das kulturelle Erbe.“

4        Art. 4 dieser Richtlinie lautete:

„(1)      Projekte der in Anhang I aufgeführten Klassen werden vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 3 einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen.

(2)      Projekte der in Anhang II aufgezählten Klassen werden einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen, wenn ihre Merkmale nach Auffassung der Mitgliedstaaten dies erfordern.

Zu diesem Zweck können die Mitgliedstaaten insbesondere bestimmte Arten von Projekten, die einer Prüfung zu unterziehen sind, bestimmen oder Kriterien und/oder Schwellenwerte aufstellen, anhand deren bestimmt werden kann, welche von den Projekten der in Anhang II aufgezählten Klassen einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen werden sollen.“

5        Art. 5 der Richtlinie 85/337 lautete:

„(1)      Bei Projekten, die nach Artikel 4 einer Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen werden müssen, ergreifen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Projektträger die in Anhang III genannten Angaben in geeigneter Form vorlegt, soweit

a)      die Mitgliedstaaten der Auffassung sind, dass die Angaben in einem bestimmten Stadium des Genehmigungsverfahrens und in Anbetracht der besonderen Merkmale eines spezifischen Projekts oder einer bestimmten Art von Projekten und der möglicherweise beeinträchtigten Umwelt von Bedeutung sind;

b)      die Mitgliedstaaten der Auffassung sind, dass von dem Projektträger unter anderem unter Berücksichtigung des Kenntnisstandes und der Prüfungsmethoden billigerweise verlangt werden kann, dass er die Angaben zusammenstellt.

(2)      Die vom Projektträger gemäß Absatz 1 vorzulegenden Angaben umfassen mindestens Folgendes:

–        eine Beschreibung des Projekts nach Standort, Art und Umfang;

–        eine Beschreibung der Maßnahmen, mit denen bedeutende nachteilige Auswirkungen vermieden, verringert und soweit möglich ausgeglichen werden sollen;

–        die notwendigen Angaben zur Feststellung und Beurteilung der Hauptauswirkungen, die das Projekt voraussichtlich auf die Umwelt haben wird;

–        eine nichttechnische Zusammenfassung der unter dem ersten, zweiten und dritten Gedankenstrich genannten Angaben.

(3)      Falls die Mitgliedstaaten dies für erforderlich halten, sorgen sie dafür, dass die Behörden, die über zweckdienliche Informationen verfügen, diese Informationen dem Projektträger zur Verfügung stellen.“

6        In Art. 6 der Richtlinie 85/337 hieß es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit die Behörden, die in ihrem umweltbezogenen Aufgabenbereich von dem Projekt berührt sein könnten, die Möglichkeit haben, ihre Stellungnahme zu dem Antrag auf Genehmigung abzugeben. Zu diesem Zweck bestimmen die Mitgliedstaaten allgemein oder von Fall zu Fall bei der Einreichung von Anträgen auf Genehmigung die Behörden, die anzuhören sind. Diesen Behörden werden die nach Artikel 5 eingeholten Informationen mitgeteilt. Die Einzelheiten der Anhörung werden von den Mitgliedstaaten festgelegt.

(2)      Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge,

–        dass der Öffentlichkeit jeder Genehmigungsantrag sowie die nach Artikel 5 eingeholten Informationen zugänglich gemacht werden;

–        dass der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben wird, sich vor Durchführung des Projekts dazu zu äußern.

…“

7        Art. 7 dieser Richtlinie lautete:

„Stellt ein Mitgliedstaat fest, dass ein Projekt erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt eines anderen Mitgliedstaats haben könnte, oder stellt ein Mitgliedstaat, der möglicherweise davon erheblich berührt wird, einen entsprechenden Antrag, so teilt der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Durchführung des Projekts vorgeschlagen wird, dem anderen Mitgliedstaat die nach Artikel 5 eingeholten Informationen zum gleichen Zeitpunkt mit, zu dem er sie seinen eigenen Staatsangehörigen zur Verfügung stellt. Diese Informationen dienen als Grundlage für notwendige Konsultationen im Rahmen der bilateralen Beziehungen beider Mitgliedstaaten auf der Basis von Gegenseitigkeit und Gleichwertigkeit.“

8        Art. 8 der genannten Richtlinie lautete:

„Die gemäß den Artikeln 5, 6 und 7 eingeholten Angaben sind im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu berücksichtigen.“

9        Art. 9 dieser Richtlinie hatte folgenden Wortlaut:

„Nachdem eine Entscheidung getroffen wurde, macht (machen) die zuständige(n) Behörde(n) der betroffenen Öffentlichkeit folgendes zugänglich:

–        den Inhalt der Entscheidung und die gegebenenfalls mit der Entscheidung verbundenen Bedingungen;

–        die Gründe und Erwägungen, auf denen ihre Entscheidung beruht, wenn dies die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vorsehen.

Die Mitgliedstaaten bestimmen die näheren Einzelheiten für diese Information.

Ist ein anderer Mitgliedstaat nach Artikel 7 unterrichtet worden, so wird er von der betreffenden Entscheidung ebenfalls unterrichtet.“

10      Art. 10 der Richtlinie 85/337 sah vor:

„Die Bestimmungen dieser Richtlinie berühren nicht die Verpflichtung der zuständigen Behörden, die von den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften und der herrschenden Rechtspraxis auferlegten Beschränkungen zur Wahrung der gewerblichen und handelsbezogenen Geheimnisse und des öffentlichen Interesses zu beachten.

Soweit Artikel 7 Anwendung findet, unterliegen die Übermittlung von Angaben an einen anderen Mitgliedstaat und der Empfang von Angaben eines anderen Mitgliedstaats den Beschränkungen, die in dem Mitgliedstaat gelten, in dem das vorgeschlagene Projekt durchgeführt werden soll.“

11      In Anhang II der Richtlinie 85/337 wurden die Projekte nach Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie aufgeführt, d. h. die Projekte, bei denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung nur dann notwendig war, wenn ihre Merkmale nach Auffassung der Mitgliedstaaten dies erforderten. So wurden in Anhang II Nr. 2 Buchst. a die Gewinnung von Torf und in dessen Nr. 2 Buchst. c die Gewinnung von nichtenergetischen Mineralien (ohne Erze), wie Marmor, Sand, Kies, Schiefer, Salz, Phosphate und Pottasche, genannt.

 Richtlinie 85/337 nach ihrer Änderung durch die Richtlinie 97/11

12      Art. 2 Abs. 1, 2 und Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 85/337 in der Fassung der Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 (ABl. 1997, L 73, S. 5) sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Genehmigungspflicht unterworfen und einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden. Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert.

(2)      Die Umweltverträglichkeitsprüfung kann in den Mitgliedstaaten im Rahmen der bestehenden Verfahren zur Genehmigung der Projekte durchgeführt werden oder, falls solche nicht bestehen, im Rahmen anderer Verfahren oder der Verfahren, die einzuführen sind, um den Zielen dieser Richtlinie zu entsprechen.

(3)      Unbeschadet des Artikels 7 können die Mitgliedstaaten in Ausnahmefällen ein einzelnes Projekt ganz oder teilweise von den Bestimmungen dieser Richtlinie ausnehmen.“

13      Art. 3 der Richtlinie bestimmt:

„Die Umweltverträglichkeitsprüfung identifiziert, beschreibt und bewertet in geeigneter Weise nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls gemäß den Artikeln 4 bis 11 die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts auf folgende Faktoren:

–        Mensch, Fauna und Flora,

–        Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft,

–        Sachgüter und kulturelles Erbe,

–        die Wechselwirkung zwischen den unter dem ersten, dem zweiten und dem dritten Gedankenstrich genannten Faktoren.“

14      Art. 4 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)      Projekte des Anhangs I werden vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 3 einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen.

(2)      Bei Projekten des Anhangs II bestimmen die Mitgliedstaaten vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 3 anhand

a)      einer Einzelfalluntersuchung

oder

b)      der von den Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien,

ob das Projekt einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen werden muss.

Die Mitgliedstaaten können entscheiden, beide unter den Buchstaben a) und b) genannten Verfahren anzuwenden.

(3)      Bei der Einzelfalluntersuchung oder der Festlegung von Schwellenwerten bzw. Kriterien im Sinne des Absatzes 2 sind die relevanten Auswahlkriterien des Anhangs III zu berücksichtigen.

(4)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die gemäß Absatz 2 getroffenen Entscheidungen der zuständigen Behörden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.“

15      In Anhang II Nr. 3 Buchst. i dieser Richtlinie werden Anlagen zur Nutzung von Windenergie zur Stromerzeugung (Windfarmen) genannt.

16      Nach Anhang II Nr. 13 ist die Änderung oder Erweiterung von bereits genehmigten, durchgeführten oder in der Durchführungsphase befindlichen Projekten des Anhangs I oder II, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben können, als Projekt anzusehen, das in den Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 2 der geänderten Richtlinie 85/337 fällt.

17      In Anhang III der Richtlinie 85/337 wird zu den Auswahlkriterien im Sinne von Art. 4 Abs. 3 erläutert, dass die Merkmale der Projekte insbesondere hinsichtlich Umweltverschmutzung und Belästigungen sowie Unfallrisiko, insbesondere mit Blick auf verwendete Stoffe und Technologien, zu beurteilen sind. In demselben Anhang heißt es, dass die ökologische Empfindlichkeit der geografischen Räume, die durch die Projekte möglicherweise beeinträchtigt werden, unter Berücksichtigung insbesondere der Belastbarkeit der Natur unter besonderer Berücksichtigung bestimmter Gebiete beurteilt werden muss, darunter Bergregionen und Waldgebiete.

 Urteil vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C215/06, EU:C:2008:380)

18      In seinem Urteil vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), hat der Gerichtshof entschieden, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 2, 4 und 5 bis 10 der Richtlinie 85/337 verstoßen hat, dass es nicht alle Maßnahmen getroffen hat, die erforderlich waren, um sicherzustellen, dass

–        die in den Geltungsbereich der Richtlinie 85/337 – sowohl in der ursprünglichen als auch in der durch die Richtlinie 97/11 geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 85/337) – fallenden Projekte, bevor sie vollständig oder teilweise ausgeführt werden, im Hinblick auf die Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung geprüft werden und, wenn aufgrund ihrer Art, Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen nach den Art. 5 bis 10 der Richtlinie 85/337 unterzogen werden und

–        vor der Erteilung der Genehmigungen für die Errichtung einer Windfarm und die damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten in Derrybrien, County Galway (Irland), sowie vor der Durchführung der Bauarbeiten eine Prüfung dieses Projekts hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Umwelt nach den Art. 5 bis 10 der Richtlinie 85/337 durchgeführt wurde.

19      Was die zweite Rüge in Bezug auf die fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung für die Windfarm und die damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten in Derrybrien (im Folgenden: Windfarm) anbelangt, hat der Gerichtshof das Vorliegen einer Vertragsverletzung aus den in den Rn. 94 bis 111 des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), genannten Gründen festgestellt.

20      Was insbesondere die ersten beiden Bauphasen des Vorhabens der Windfarm anbelangt, stellte der Gerichtshof in Rn. 98 dieses Urteils fest, dass Irland die entsprechenden Bauvorhaben einer Verträglichkeitsprüfung unterziehen musste, wenn bei ihnen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen war.

21      Hierzu stellte er in Rn. 103 des genannten Urteils fest, dass der Standort und die Größe der Projekte zur Gewinnung von Torf und Mineralien sowie zum Bau von Straßen und die Nähe des Geländes zu einem Fluss konkrete Merkmale waren, die dafür sprachen, dass bei diesen Projekten, die von dem Aufstellen von 46 Windkraftturbinen nicht getrennt werden konnten, mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen war und sie daher einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden mussten.

22      Zudem stellte der Gerichtshof zu dem Antrag auf Genehmigung der dritten Bauphase der Windfarm und dem Antrag auf Genehmigung zur Änderung der ersten beiden ursprünglich genehmigten Bauphasen in Rn. 110 dieses Urteils fest, dass das Aufstellen von 25 neuen Turbinen, die Errichtung neuer Versorgungswege und die Änderung der ursprünglich genehmigten Art von Windkraftturbinen, durch die eine höhere Elektrizitätserzeugung erreicht werden sollte, als Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen war, vor ihrer Genehmigung einem Genehmigungsverfahren und einer Umweltverträglichkeitsprüfung entsprechend den Voraussetzungen der Art. 5 bis 10 der Richtlinie 85/337 unterzogen werden mussten.

 Vorverfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof

23      Nach der Verkündung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), forderte die Kommission mit Schreiben vom 15. Juli 2008 Irland auf, binnen zwei Monaten nach Verkündung dieses Urteils Informationen zu dessen Durchführung ergriffenen Maßnahmen zu übermitteln. Mit Schreiben vom 3. September 2008 bestätigte Irland u. a., dass es dieses Urteil in vollem Umfang akzeptiere und vor Ende des Jahres 2008 eine aktualisierte Umweltverträglichkeitsprüfung im Einklang mit der Richtlinie 85/337 vorgesehen sei.

24      Mit Schreiben vom 10. März und 17. April 2009 informierte Irland nach einem Treffen mit der Kommission diese darüber, dass es ein Gesetzgebungsvorhaben zur Einführung eines Legalisierungsverfahrens vorbereite, das, beschränkt auf Ausnahmefälle, mittels „Ersatzgenehmigung“ die Legalisierung der Genehmigungen, die unter Verletzung der Richtlinie 85/337 erteilt worden seien, gestatte, und dass der Betreiber der Windfarm eine solche Genehmigung im Wege dieses Verfahrens beantragen werde.

25      Am 26. Juni 2009 übermittelte die Kommission Irland ein Mahnschreiben, in dem sie feststellte, dass sie zum einen nur einen Vorentwurf der von Irland zur Durchführung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), zu erlassenden Rechtsvorschriften erhalten habe und zum anderen noch immer auf Informationen über die beabsichtigte Umweltverträglichkeitsprüfung für die Windfarm warte. Am 9. September 2009 antwortete Irland auf dieses Mahnschreiben und bestätigte zum einen, dass die Gesetzesreform, die das Ersatzverfahren einführe, in Kürze erlassen werde, und zum anderen, dass der Betreiber der Windfarm prinzipiell zugestimmt habe, einen Antrag auf Ersatzgenehmigung zu stellen.

26      Am 22. März 2010 übersandte die Kommission Irland ein neues Mahnschreiben, in dem sie diesen Mitgliedstaat aufforderte, binnen zwei Monaten nach Erhalt des Schreibens Stellung zu nehmen. Irland antwortete mit Schreiben vom 18. Mai, 22. Juli und 13. September 2010. Im Schreiben vom 13. September 2010 unterrichteten die irischen Behörden die Kommission über den Erlass des Planning and Development (Amendment) Act 2010 (Gesetz über Raumplanung und ‑entwicklung [Änderung] von 2010, im Folgenden: PDAA) im Juli 2010. Teil XA des PDAA, insbesondere die Sections 177B und 177C, sieht ein Legalisierungsverfahren für Genehmigungen vor, die unter Verletzung der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung gewährt wurden.

27      Nach weiterem Austausch zwischen den irischen Behörden und der Kommission und nach der Mitteilung durch Irland über zusätzliche zwischen 2010 und 2012 erlassene gesetzliche Regelungen ersuchte die Kommission diesen Mitgliedstaat mit Schreiben vom 19. September 2012 u. a. darum, sie zu unterrichten, ob der Projektträger der Windfarm diesem Legalisierungsverfahren unterliege.

28      Mit Schreiben vom 13. Oktober 2012 teilte Irland mit, dass der Betreiber der Windfarm, der zu 100 % von einem halbstaatlichen Unternehmen gehalten werde, das in Teil XA des PDAA vorgesehene Legalisierungsverfahren nicht anwenden wolle, und dass es weder das nationale noch das Unionsrecht ermögliche, seine Anwendung zu verlangen. Insbesondere schreibe das Unionsrecht nicht vor, die erteilten, bestandskräftig gewordenen Genehmigungen für die Errichtung der Windfarm in Frage zu stellen; ferner stünden die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Verbots der Rückwirkung von Gesetzen sowie die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der Rücknahme dieser Genehmigungen entgegen.

29      Mit Schreiben vom 16. Dezember 2013 teilten die irischen Behörden der Kommission mit, dass der Betreiber der Windfarm seine Bereitschaft erklärt habe, für diese Windfarm eine „nicht förmliche“ Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, die jedoch nicht den Erfordernissen der Richtlinie 85/337 entspreche.

30      Im Lauf des Jahres 2014 übermittelte Irland der Kommission ein „Konzeptpapier“ mit einem „Fahrplan“ für die „nicht förmliche“ Umweltverträglichkeitsprüfung für die Windfarm. Dieser Mitgliedstaat verpflichtete sich anlässlich eines Treffens mit der Kommission vom 13. Mai 2014 auch, dieser den Entwurf eines „Absichtsprotokolls“ zu übermitteln, das vom Betreiber der Windfarm und dem irischen Umweltminister verabschiedet werden und eine Vereinbarung über die Durchführung einer nicht förmlichen Umweltanalyse vorsehen sollte. Dieser Entwurf wurde der Kommission am 11. März 2015 übermittelt, wobei die irischen Behörden am 7. März 2016 eine neue Fassung übermittelten.

31      Die Kommission wies wiederholt darauf hin, dass diese Unterlagen nicht genügten, damit Irland seinen Verpflichtungen nachkomme. Nach einem Treffen am 29. November 2016 teilten die Dienststellen der Kommission mit E‑Mail vom 15. Dezember 2016 den irischen Behörden mit, dass der endgültige Text des Absichtsprotokolls unterzeichnet bei der Kommission bis Ende 2016 eingehen müsse, widrigenfalls sie Anfang 2017 erneut den Gerichtshof anrufen werde.

32      Am 22. Dezember 2016 übermittelte Irland der Kommission eine neue Fassung des „Konzeptpapiers“ und ein „Rahmendokument“ vom 2. Dezember 2015. Im Begleitschreiben gaben die irischen Behörden an, dass die Unterzeichnung der beiden Dokumente für Ende Januar 2017 vorgesehen sei.

33      Nach weiterem Austausch mit den irischen Behörden teilte die Kommission mit Schreiben vom 26. Januar 2018 Irland mit, dass sie trotz der Unterzeichnung des „Konzeptpapiers“ der Ansicht sei, dass es weiterhin an der ihm obliegenden vollständigen Durchführung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), fehle. Neun Jahre nach der Verkündung dieses Urteils seien keine wesentlichen Fortschritte bei der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Windfarm erzielt worden.

34      Mit Schreiben vom 1. Februar 2018 räumte Irland ein, dass die Gespräche zur Lösung des Problems bereits seit mehreren Jahren andauerten. Es machte in diesem Schreiben jedoch auch geltend, dass es vor der Fortsetzung der zur Durchführung des Urteils erforderlichen Maßnahmen die Stellungnahme der Kommission zu den ihr mit Schreiben vom 22. Dezember 2016 übermittelten Dokumenten abgewartet habe.

35      Da die Kommission der Ansicht war, dass die Durchführung der Nr. 1 zweiter Gedankenstrich des Tenors des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), noch immer ausstand, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

36      Nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens in der vorliegenden Rechtssache hat die Kommission mit am 1. April 2019 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangenem Schreiben diesen über ein Schreiben der irischen Behörden unterrichtet, das sie am 29. März 2019 erhalten hatte (im Folgenden: Schreiben vom 29. März 2019), aus dem hervorgehe, dass der Betreiber der Windfarm sich zur Zusammenarbeit bereit erklärt habe, um das vom PDAA vorgesehene „Ersatzverfahren“ durchzuführen, und zwar „unverzüglich, so dass die Verwirklichung einer Umweltverträglichkeitsprüfung ex post gewährleistet wird“. Am 1. April 2019 haben auch die irischen Behörden dieses Schreiben an die Kanzlei des Gerichtshofs übermittelt.

 Zur Vertragsverletzung

 Vorbringen der Parteien

37      Nach Auffassung der Kommission hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), festgestellt, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 85/337 verstoßen hat, dass es nicht alle Maßnahmen getroffen hat, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass vor der Erteilung der Genehmigungen für die Errichtung einer Windfarm und die damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten sowie vor der Durchführung der Bauarbeiten eine Prüfung dieses Projekts hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Umwelt durchgeführt wurde. Irland bestreite nicht, dass es verpflichtet sei, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Vertragsverletzung abzuhelfen.

38      Es sei nicht Sache des Gerichtshofs gewesen, in diesem Urteil die spezifischen Maßnahmen festzulegen, um der festgestellten Vertragsverletzung abzuhelfen. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteile vom 7. Januar 2004, Wells, C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 64 und 65, sowie vom 28. Februar 2012, Inter-Environnement Wallonie und Terre wallonne, C‑41/11, EU:C:2012:103, Rn. 42, 43 und 46) ergebe sich hingegen, dass Irland verpflichtet sei, die rechtswidrigen Folgen des Unterbleibens der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Windfarm zu beheben und alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um diesem Versäumnis abzuhelfen. Jedenfalls reichten einfache vorbereitende Maßnahmen, wie sie in diesem Fall ergriffen worden seien, nicht aus.

39      Die Kommission stützt ihr Vorbringen auch auf die Urteile vom 26. Juli 2017, Comune di Corridonia u. a. (C‑196/16 und C‑197/16, EU:C:2017:589, Rn. 35), und vom 28. Februar 2018, Comune di Castelbellino (C‑117/17, EU:C:2018:129, Rn. 30), die bestätigten, dass die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen Maßnahmen treffen müssten, um dem Unterbleiben einer Umweltverträglichkeitsprüfung abzuhelfen, beispielsweise durch die Rücknahme oder die Aussetzung einer bereits erteilten Genehmigung, damit die Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden könne. Das Unionsrecht stehe einer Umweltverträglichkeitsprüfung zur Legalisierung nicht entgegen, sofern bestimmte Bedingungen eingehalten würden.

40      Im vorgerichtlichen Verfahren habe Irland zwei unterschiedliche Vorschläge gemacht (in den Rn. 24 und 29 des vorliegenden Urteils angeführt), um der unterbliebenen Prüfung der Auswirkungen der Windfarm abzuhelfen, ohne jedoch auch nur einen der beiden konkret umzusetzen.

41      Zum einen habe der Mitgliedstaat die Möglichkeit angeführt, eine nicht förmliche Prüfung durchzuführen. Zu ihrer Durchführung seien jedoch keine konkreten Maßnahmen ergriffen worden.

42      Zum anderen habe Irland seine Rechtsvorschriften geändert, um ein Verfahren einzuführen, dass die Legalisierung der unter Verletzung der unionsrechtlichen Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung erteilten Genehmigungen ermögliche. Nunmehr trage es jedoch vor, dass dieses in Teil XA des PDAA aufgeführte Verfahren nur für die Zukunft angewendet werden könne und der Betreiber der Windfarm, obwohl er zu 100 % von einem halbstaatlichen Unternehmen gehalten werde, nicht verpflichtet werden könne, dieses Verfahren anzuwenden.

43      Nach Ansicht der Kommission ist Irland jedoch verpflichtet, die in Rede stehenden Genehmigungen zurückzunehmen oder auszusetzen und eine korrigierende Ex-post-Prüfung durchzuführen, auch wenn diese Maßnahmen die erworbenen Rechte des Betreibers der Windfarm beeinträchtigten. Die Möglichkeit eines Mitgliedstaats, sich insoweit auf den Grundsatz der Verfahrensautonomie zu berufen, seien nach dem Urteil vom 17. November 2016, Stadt Wiener Neustadt (C‑348/15, EU:C:2016:882, Rn. 40), durch die Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz beschränkt.

44      Darüber hinaus gehe aus dem Urteil vom 14. Juni 2007, Medipac-Kazantzidis (C‑6/05, EU:C:2007:337, Rn. 43), hervor, dass für den Betreiber der Windfarm die sich aus den Unionsrichtlinien ergebenden Verpflichtungen gälten, da er zu 100 % von einer staatlich kontrollierten Einrichtung gehalten werde.

45      Im Übrigen könne die Verzögerung bei der Durchführung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), nicht gerechtfertigt werden. Obwohl in Art. 260 AEUV die Frist, innerhalb deren die Durchführung eines Urteils erfolgen müsse, nicht präzisiert werde, müsse diese Durchführung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteil vom 9. Dezember 2008, Kommission/Frankreich, C‑121/07, EU:C:2008:695, Rn. 21) sofort in Angriff genommen werden und innerhalb kürzest möglicher Frist abgeschlossen sein. Im vorliegenden Fall könnten weder die Komplexität der in Rede stehenden Problematik noch die vermeintliche Unterbrechung der Kommunikation zwischen Irland und der Kommission Ende 2016 die lange Untätigkeit dieses Mitgliedstaats rechtfertigen. Zudem habe sie darauf aufmerksam gemacht, dass der Monat Dezember 2016 die letzte Frist für die Durchführung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), sei.

46      In ihrer Erwiderung macht die Kommission geltend, Irland habe zur Legalisierung noch immer keine Umweltverträglichkeitsprüfung für die Windfarm durchgeführt. Dieser Mitgliedstaat habe daher nicht die Mindestmaßnahmen ergriffen, die erforderlich seien, um dem Urteil vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), nachzukommen.

47      Irland beantragt, die Klage der Kommission abzuweisen.

48      Es macht geltend, dass aus dem Urteil vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), und aus den Verfahrensunterlagen der Rechtssache, in der jenes Urteil ergangen sei, hervorgehe, dass Nr. 1 erster und zweiter Gedankenstrich des Urteilstenors in Wirklichkeit nur ein und dieselbe Vertragsverletzung betreffe, nämlich die unterbliebene vollständige Umsetzung der Richtlinie 85/337. Abgesehen von der Umsetzung dieser Richtlinie sei es folglich nicht erforderlich gewesen, spezifische Maßnahmen in Bezug auf die Windfarm zu ergreifen.

49      Im Übrigen habe es die Kommission in ihrer Klageschrift versäumt, die spezifischen Maßnahmen anzugeben, die Irland zur Durchführung jenes Urteils in Bezug auf Nr. 1 zweiter Gedankenstrich seines Tenors zu treffen habe.

50      Darüber hinaus seien mit dem Urteil die zwischen 1998 und 2003 erteilten Genehmigungen für die Errichtung der Windfarm nicht für nichtig oder ungültig erklärt worden. Eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, jetzt Art. 258 AEUV, könne die von Dritten erworbenen Rechte nicht berühren, insbesondere dann nicht, wenn diese Dritten in diesem Zusammenhang nicht angehört worden seien.

51      Die Modalitäten, die die Aufhebung einer nationalen Verwaltungsentscheidung ermöglichten, fielen in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Das Urteil vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380, Rn. 59), bestätige, dass die Verpflichtung, dem Unterbleiben einer Umweltverträglichkeitsprüfung abzuhelfen, durch den in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Verfahrensrahmen beschränkt sei. In Irland könne eine Baugenehmigung aber nur von dem zu diesem Zweck mit einer Direktklage befassten High Court (Hohes Gericht, Irland) für nichtig erklärt werden.

52      Insoweit ergebe sich aus dem Urteil vom 17. November 2016, Stadt Wiener Neustadt (C‑348/15, EU:C:2016:882), dass die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Beachtung bestimmter Bedingungen, die für Klagen gegen Entscheidungen im Bereich der Stadtplanung geltenden Fristen festsetzen könnten. Nach dem irischen Verfahrensrecht, das vor Erlass des PDAA gegolten habe, sei für die Einreichung von Anträgen auf Nichtigerklärung einer Baugenehmigung eine Frist von zwei Monaten vorgesehen gewesen. Der PDAA habe diese Frist auf acht Wochen festgesetzt. Folglich seien die für die Errichtung der Windfarm erteilten Genehmigungen bestandskräftig geworden.

53      Irland macht geltend, dass sich der Sachverhalt im vorliegenden Fall daher von denjenigen in den Rechtssachen unterscheide, zu denen die Urteile vom 26. Juli 2017, Comune di Corridonia u. a. (C‑196/16 und C‑197/16, EU:C:2017:589), und vom 28. Februar 2018, Comune di Castelbellino (C‑117/17, EU:C:2018:129), ergangen seien, auf die die Kommission Bezug nehme. Aus der Sachverhaltsdarstellung in diesen Urteilen ergebe sich, dass die in Rede stehenden Genehmigungen von einem nationalen Gericht tatsächlich für nichtig erklärt worden seien. Im Rahmen des an diese Nichtigerklärungen anschließenden Verfahrens zur Erteilung neuer Genehmigungen für die betreffenden Projekte seien Fragen im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung aufgeworfen worden.

54      Die vorliegende Rechtssache unterscheide sich auch von derjenigen, in der das Urteil vom 7. Januar 2004, Wells (C‑201/02, EU:C:2004:12), aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens im Rahmen eines Rechtsstreits über eine fristgerecht angefochtene nationale Genehmigung ergangen sei. Der Gerichtshof habe darin bekräftigt, dass das nationale Gericht zu prüfen habe, ob das nationale Recht es gestatte, eine bereits erteilte Genehmigung zurückzunehmen oder auszusetzen. Darüber hinaus habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 12. Februar 2008, Kempter (C‑2/06, EU:C:2008:78), bestätigt, dass bei Vorliegen einer bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung das Unionsrecht nicht verlange, dass eine nationale Behörde grundsätzlich verpflichtet sei, diese Entscheidung zurückzunehmen.

55      Im Übrigen müssten bei Vorliegen von Baugenehmigungen, die nicht mehr gerichtlich überprüfbar seien, die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit sowie das Eigentumsrecht der Inhaber solcher Genehmigungen beachtet werden.

56      In der vorliegenden Rechtssache verstoße aber die Rücknahme der erteilten, bestandskräftig gewordenen Genehmigungen gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. Irland sei daher nicht verpflichtet, diese für nichtig zu erklären oder zurückzunehmen. Erst recht sei es auch nicht verpflichtet, ex post eine Umweltverträglichkeitsprüfung auf der Grundlage der einschlägigen Bestimmungen des PDAA durchzuführen.

57      Hilfsweise macht Irland geltend, dass es nunmehr den Verpflichtungen aus dem Urteil vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), nachgekommen sei, indem es Maßnahmen getroffen habe, um eine nicht förmliche Prüfung außerhalb des bestehenden rechtlichen Rahmens in Derrybrien durchzuführen. Der in der Klageschrift dargelegte Überblick über die Zusammenarbeit zwischen Irland und der Kommission belege den guten Willen der irischen Regierung in dieser Hinsicht.

58      Zur Stützung dieses Vorbringens macht Irland u. a. geltend, dass die irische Regierung im Einvernehmen mit dem Projektträger der Windfarm ein „Konzeptpapier“ erstellt habe. Nach diesem Dokument müsse der Projektträger unter Beachtung eines Rahmendokuments einen Umweltbericht erstellen, der etwaige Abhilfemaßnahmen enthalten müsse. Dieses Dokument sehe auch vor, dass dieser Bericht in irgendeiner Form Gegenstand einer öffentlichen Anhörung sein werde.

59      Die Einleitung eines solchen Verfahrens stelle eine hinreichende Umsetzung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), dar, da die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung für ein Projekt, im Gegensatz zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie 85/337, die vollständig der Kontrolle der irischen Behörden unterliege, tatsächlich die Beteiligung Dritter erfordere.

60      Äußerst hilfsweise macht Irland geltend, dass es seinen Verpflichtungen spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem eine mögliche mündliche Verhandlung vor dem Gerichtshof in dieser Rechtssache anberaumt werde, nachgekommen sein werde.

61      Im Übrigen hänge die zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Windfarm erforderliche Dauer des Verfahrens damit zusammen, dass die Kommission nach Übermittlung einer neuen Fassung des „Konzeptpapiers“ zur Vorbereitung der Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Windfarm am 22. Dezember 2016 nicht reagiert habe. Die irischen Behörden hätten auf die formelle Genehmigung dieses Dokuments gewartet. Jedenfalls könne ein Mitgliedstaat nicht bestraft werden, weil er sich die erforderliche Zeit genommen habe, um im Hinblick auf die Durchführung eines Urteils des Gerichtshofs die geeigneten Maßnahmen zu ermitteln, oder weil ihm dies nicht gelungen sei.

62      In der mündlichen Verhandlung hat Irland bestätigt, dass es nicht mehr beabsichtige, eine nicht förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung für die Windfarm durchzuführen. Wie sich aus dem Schreiben vom 29. März 2019 ergibt, macht es nunmehr geltend, dass der Betreiber der Windfarm zur Zusammenarbeit bereit sei, um gemäß Teil XA des PDAA ein Legalisierungsverfahren einzuleiten. In dessen Rahmen werde so bald wie möglich eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß der Richtlinie 85/337 durchgeführt.

63      In Beantwortung der vom Gerichtshof in der mündlichen Verhandlung gestellten Fragen hat Irland erklärt, dass eine formelle Einwilligung des Betreibers der Windfarm noch nicht vorliege. Darüber hinaus sei nicht entschieden, ob dieser selbst eine Ersatzgenehmigung gemäß Section 177C des PDAA beantragen würde oder ob nach Section 177B des PDAA die zuständigen Behörden von Amts wegen das Legalisierungsverfahren einleiten würden.

 Würdigung durch den Gerichtshof

 Vorbemerkungen

64      Im Rahmen der vorliegenden, gemäß Art. 260 Abs. 2 AEUV erhobenen Klage macht die Kommission geltend, dass Irland dem Urteil vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), nur in Bezug auf den in Nr. 1 zweiter Gedankenstrich des Tenors jenes Urteils aufgegriffenen zweiten Klagegrund nicht nachgekommen sei. Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 2, 4 und 5 bis 10 der Richtlinie 85/337 verstoßen hat, dass es nicht alle Maßnahmen getroffen hat, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass vor der Erteilung der Genehmigungen für die Errichtung dieser Windfarm und die damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten sowie vor der Durchführung der Bauarbeiten eine Prüfung dieses Projekts hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Umwelt nach den Art. 5 bis 10 dieser Richtlinie durchgeführt werden.

 Zur Zulässigkeit der Klage

65      Soweit Irland im Wesentlichen geltend macht, dass es die Kommission unterlassen habe, den Gegenstand ihrer Klage zu definieren und die zur Durchführung der Nr. 1 zweiter Gedankenstrich des Tenors des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), erforderlichen Maßnahmen anzugeben, ist davon auszugehen, dass Irland in Wirklichkeit die Zulässigkeit der vorliegenden Klage beanstandet.

66      Hierzu führt die Kommission in ihrer Klageschrift aus, dass Irland zur Durchführung der Nr. 1 zweiter Gedankenstrich des Tenors des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), die rechtswidrigen Folgen beseitigen müsse, die sich aus der Verletzung der Pflicht zu einer vorherigen Umweltverträglichkeitsprüfung für die Windfarm ergäben, und zu diesem Zweck ein Legalisierungsverfahren für das in Rede stehende Projekt einleiten müsse. Dieses müsste eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das Projekt umfassen, die den Anforderungen der Richtlinie 85/337 entspreche.

67      Somit wirft Irland der Kommission zu Unrecht vor, die Maßnahmen, die sich aus dem Urteil vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), ergeben, nicht festgelegt und daher den Gegenstand ihrer Klage unzureichend bestimmt zu haben.

68      Daher ist festzustellen, dass das Vorbringen Irlands die Zulässigkeit der vorliegenden Klage nicht in Frage stellen kann.

 Zur Begründetheit

69      Irland bestreitet die Begründetheit der vorliegenden Klage und macht geltend, dass, außer der Umsetzung der Richtlinie 85/337 das Ergreifen spezifischer Maßnahmen in Bezug auf die Windfarm nicht erforderlich und insbesondere die Rücknahme der dem Betreiber dieser Windfarm erteilten, bestandskräftig gewordenen Genehmigungen nach seinem innerstaatlichen Recht nicht möglich sei.

70      Die Kommission ist dagegen der Ansicht, dass Irland, wie in Rn. 66 des vorliegenden Urteils ausgeführt, verpflichtet sei, die sich aus der festgestellten Vertragsverletzung ergebenden rechtswidrigen Folgen zu beseitigen und im Rahmen eines Legalisierungsverfahrens eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die Windfarm durchzuführen, die den Anforderungen dieser Richtlinie entspricht.

71      Unter diesen Umständen ist zu prüfen, welche Verpflichtungen einem Mitgliedstaat obliegen, wenn ein Projekt unter Verletzung der in der Richtlinie 85/337 vorgesehenen Pflicht zur Durchführung einer vorherigen Umweltverträglichkeitsprüfung genehmigt wurde, insbesondere dann, wenn die Genehmigung nicht innerhalb der im nationalen Recht vorgesehenen Frist angefochten wurde und damit in der nationalen Rechtsordnung bestandskräftig geworden ist.

72      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 85/337 Projekte im Sinne von Art. 4 dieser Richtlinie in Verbindung mit deren Anhang I oder II, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, vor Erteilung der Genehmigung einer Prüfung in Bezug auf solche Auswirkungen auf die Umwelt unterzogen werden müssen (Urteil vom 7. Januar 2004, Wells, C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 42).

73      Eine solche vorherige Prüfung ist durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, dass die zuständige Behörde bei ihrer Meinungsbildung die Auswirkungen auf die Umwelt bei allen technischen Planungs- und Entscheidungsprozessen so früh wie möglich berücksichtigt, um Umweltbelastungen von vornherein zu vermeiden, statt sie erst nachträglich in ihren Auswirkungen zu bekämpfen (Urteile vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland, C‑215/06, EU:C:2008:380, Rn. 58, und vom 26. Juli 2017, Comune di Corridonia u. a., C‑196/16 und C‑197/16, EU:C:2017:589, Rn. 33).

74      Demgegenüber enthält die Richtlinie 85/337 keine Bestimmungen dazu, welche Konsequenzen aus einem Verstoß gegen diese Verpflichtung zur vorherigen Prüfung zu ziehen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Juli 2017, Comune di Corridonia u. a., C‑196/16 und C‑197/16, EU:C:2017:589, Rn. 34).

75      Die Mitgliedstaaten sind nach dem in Art. 4 Abs. 3 EUV vorgesehenen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit allerdings verpflichtet, die rechtswidrigen Folgen eines solchen Verstoßes gegen das Unionsrecht zu beheben. Diese Verpflichtung richtet sich an jede Stelle des betreffenden Mitgliedstaats und insbesondere an die nationalen Behörden, die im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die erforderlichen Maßnahmen treffen müssen, um dem Unterbleiben einer Umweltverträglichkeitsprüfung abzuhelfen, beispielsweise durch die Rücknahme oder die Aussetzung einer bereits erteilten Genehmigung, damit die Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Januar 2004, Wells, C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 64, und vom 26. Juli 2017, Comune di Corridonia u. a., C‑196/16 und C‑197/16, EU:C:2017:589, Rn. 35).

76      Was die Möglichkeit angeht, dieses Unterbleiben im Nachhinein zu heilen, steht die Richtlinie 85/337 nationalen Vorschriften nicht entgegen, die in bestimmten Fällen die Legalisierung unionsrechtswidriger Vorgänge oder Handlungen zulassen; eine solche Möglichkeit darf jedoch nur eingeräumt werden, wenn sie den Betroffenen keine Gelegenheit bietet, die Vorschriften des Unionsrechts zu umgehen oder sie nicht anzuwenden, und somit die Ausnahme bleibt (Urteil vom 26. Juli 2017, Comune di Corridonia u. a., C‑196/16 und C‑197/16, EU:C:2017:589, Rn. 37 und 38).

77      Eine im Rahmen eines solchen Legalisierungsverfahrens nach dem Bau und der Inbetriebnahme einer Anlage vorgenommene Prüfung kann sich nicht auf die künftigen Umweltauswirkungen der Anlage beschränken, sondern muss auch die seit ihrer Errichtung eingetretenen Umweltauswirkungen berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Juli 2017, Comune di Corridonia u. a., C‑196/16 und C‑197/16, EU:C:2017:589, Rn. 41).

78      Demgegenüber steht die Richtlinie 85/337 einer nationalen Regelung entgegen, die es den nationalen Behörden, sogar unabhängig von dem Nachweis außergewöhnlicher Umstände, erlaubt, eine Genehmigung zur Legalisierung zu erteilen, die die gleichen Wirkungen hat wie die, die eine vorherige, nach einer gemäß Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung erteilte Genehmigung hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland, C‑215/06, EU:C:2008:380, Rn. 61, vom 17. November 2016, Stadt Wiener Neustadt, C‑348/15, EU:C:2016:882, Rn. 37, und vom 26. Juli 2017, Comune di Corridonia u. a., C‑196/16 und C‑197/16, EU:C:2017:589, Rn. 39).

79      Diese Richtlinie steht auch einer gesetzgeberischen Maßnahme entgegen, die es – ohne eine spätere Prüfung vorzuschreiben und unabhängig vom Vorliegen besonderer außergewöhnlicher Umstände – zulassen würde, dass bei einem Vorhaben, das einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 85/337 hätte unterzogen werden müssen, eine solche Prüfung als durchgeführt gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. November 2016, Stadt Wiener Neustadt, C‑348/15, EU:C:2016:882, Rn. 38).

80      Ebenso steht die Richtlinie 85/337 dem entgegen, dass Vorhaben, deren Genehmigung nicht mehr unmittelbar anfechtbar ist, weil die im nationalen Recht dafür vorgesehene Frist verstrichen ist, ohne Weiteres als im Hinblick auf die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung rechtmäßig genehmigt gelten (Urteil vom 17. November 2016, Stadt Wiener Neustadt, C‑348/15, EU:C:2016:882, Rn. 43).

81      In der vorliegenden Rechtssache ist unstreitig, dass Irland im Rahmen einer im Juli 2010 erfolgten Gesetzesreform ein Legalisierungsverfahren für Projekte in seine Rechtsvorschriften aufgenommen hat, die unter Verstoß gegen die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung genehmigt wurden. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass die Modalitäten dieses Verfahrens in Teil XA des PDAA vorgesehen sind, dessen Bestimmungen erlassen wurden, um den sich aus dem Urteil vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), ergebenden Anforderungen nachzukommen.

82      Wird u. a. durch „Endurteil des Gerichtshofs der Europäischen Union“ festgestellt, dass die Genehmigung für ein Projekt, für das eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich war, rechtswidrig erteilt wurde, stellt nach Teil XA Section 177B Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b des PDAA zum einen die zuständige Behörde dem Betreiber des Projekts eine schriftliche Mitteilung zu, in der dieser aufgefordert wird, einen Antrag auf Erteilung einer Ersatzgenehmigung zu stellen. Nach Teil XA Section 177B Abs. 2 Buchst. c des PDAA wird der Betreiber des Projekts mit dieser Mitteilung verpflichtet, gleichzeitig mit dem Antrag eine abhelfende Umweltverträglichkeitsprüfung („remedial environmental impact statement“) vorzulegen.

83      Zum anderen erlaubt Section 177C des Teils XA des PDAA unter den gleichen Umständen dem Betreiber eines Projekts, das unter Verletzung der Pflicht zur vorherigen Umweltverträglichkeitsprüfung genehmigt worden ist, die Einleitung eines Legalisierungsverfahrens zu beantragen. Wird dem Antrag stattgegeben, muss der Betreiber gemäß Section 177D Abs. 7 Buchst. b des Teils XA des PDAA eine abhelfende Umweltverträglichkeitsprüfung vorlegen.

84      Gleichwohl hatte Irland zum Bezugszeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens einer Vertragsverletzung nach Art. 260 Abs. 2 AEUV, d. h. zum Zeitpunkt des Ablaufs der in dem nach dieser Bestimmung versandten Mahnschreiben gesetzten Frist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, C‑610/10, EU:C:2012:781, Rn. 67), also nach dem in Rn. 26 des vorliegenden Urteils genannten Mahnschreiben vom 22. März 2010 Ende Mai 2010, es unterlassen, im Rahmen der Legalisierung der in Rede stehenden Genehmigungen eine neue Umweltverträglichkeitsprüfung für die Windfarm durchzuführen und damit die Rechtskraft der Nr. 1 zweiter Gedankenstrich des Tenors des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), missachtet.

85      Irland hat jedoch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass es ihm in Bezug auf die erteilten Genehmigungen für die Errichtung der Windfarm letztlich nicht möglich sei, das Legalisierungsverfahren von Amts wegen anzuwenden. Nachdem die dafür zuständigen Kommunalbehörden dieses Verfahren gemäß Teil XA Section 177B des PDAA eingeleitet hätten, hätten sie es nämlich wieder eingestellt. Obwohl diese Behörden dem Staat zuzurechnen seien, seien sie unabhängig und unterlägen daher nicht der Kontrolle durch die irische Regierung.

86      Auch könne Irland den Betreiber der Windfarm nicht zwingen, eine Ersatzgenehmigung gemäß Teil XA Section 177C des PDAA zu beantragen. Zwar stehe dieser Betreiber zu 100 % im Eigentum eines halbstaatlichen Unternehmens, dessen Anteile zu 90 % von Irland gehalten würden. Jedoch sei er in Bezug auf den laufenden Betrieb seiner Tätigkeiten unabhängig.

87      Ferner stünden die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes der Rücknahme einer Verwaltungsentscheidung wie den in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Genehmigungen entgegen, die aufgrund des Ablaufs der Klagefrist nicht mehr unmittelbar angefochten werden könne und folglich bestandskräftig sei.

88      Dieses Vorbringen Irlands ist jedoch zurückzuweisen.

89      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich ein Mitgliedstaat nach gefestigter Rechtsprechung nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen kann, um die Nichteinhaltung der aus dem Unionsrecht folgenden Verpflichtungen zu rechtfertigen (Urteile vom 2. Dezember 2014, Kommission/Griechenland, C‑378/13, EU:C:2014:2405‚ Rn. 29, und vom 24. Januar 2018, Kommission/Italien, C‑433/15, EU:C:2018:31‚ Rn. 56 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Daraus folgt, dass sich Irland zur Rechtfertigung der Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dem Urteil vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), nicht auf die Möglichkeiten der Einleitung eines Legalisierungsverfahrens einschränkende nationale Bestimmungen berufen kann, wie Teil XA Sections 177B und 177C des PDAA, die es gerade zur Sicherstellung der Durchführung jenes Urteils in sein nationales Recht aufgenommen hat.

90      Was die vermeintliche Unmöglichkeit für diesen Mitgliedstaat betrifft, die zuständigen Kommunalbehörden zu verpflichten, das in den irischen Rechtsvorschriften vorgesehene Legalisierungsverfahren einzuleiten, ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass nach der in Rn. 75 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung jede Stelle dieses Mitgliedstaats und insbesondere diese Kommunalbehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen Maßnahmen treffen müssen, um dem Unterbleiben einer Umweltverträglichkeitsprüfung für die Windfarm abzuhelfen.

91      Was sodann die Untätigkeit des Betreibers der Windfarm, ja sogar seine Weigerung, das Legalisierungsverfahren gemäß Teil XA Section 177C des PDAA einzuleiten, betrifft, gilt das in Rn. 89 des vorliegenden Urteils Gesagte entsprechend, da dieser Betreiber von Irland kontrolliert wird. Somit ist dieser Betreiber diesem Mitgliedstaat zuzurechnen, für den, wie die Kommission zu Recht geltend gemacht hat, die sich aus Unionsrichtlinien ergebenden Verpflichtungen gelten (Urteil vom 14. Juni 2007, Medipac-Kazantzidis, C‑6/05, EU:C:2007:337‚ Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

92      Was das Vorbringen Irlands anbelangt, die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes stünden der Rücknahme der dem Betreiber der Windfarm erteilten rechtswidrigen Genehmigungen entgegen, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass das Vertragsverletzungsverfahren auf der objektiven Feststellung des Verstoßes eines Mitgliedstaats gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag oder einem sekundären Rechtsakt beruht, und zum anderen darauf, dass auch wenn die Rücknahme eines rechtswidrigen Aktes innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen muss und dabei zu berücksichtigen ist, inwieweit der Betroffene eventuell auf die Rechtmäßigkeit des Aktes vertrauen durfte, eine solche Rücknahme doch grundsätzlich zulässig ist (Urteil vom 4. Mai 2006, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑508/03, EU:C:2006:287, Rn. 67 und 68).

93      Irland kann sich daher nicht auf die Rechtssicherheit und das berechtigte Vertrauen des betroffenen Betreibers in wohlerworbene Rechte berufen, um sich den Folgen zu widersetzen, die sich aus der objektiven Feststellung seines Verstoßes gegen die Verpflichtungen aus der Richtlinie 85/337 auf dem Gebiet der Umweltverträglichkeitsprüfung für bestimmte Projekte ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Mai 2006, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑508/03, EU:C:2006:287, Rn. 69).

94      Jedenfalls macht Irland lediglich geltend, dass die in Rede stehenden Genehmigungen nach Ablauf der Frist von zwei Monaten, bzw. der durch das PDAA festgelegten acht Wochen, nicht mehr unmittelbar angefochten und von den nationalen Behörden nicht in Frage gestellt werden könnten.

95      Mit diesem Vorbringen verkennt Irland jedoch die in Rn. 80 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der Vorhaben, deren Genehmigung nicht mehr unmittelbar anfechtbar ist, weil die im nationalen Recht dafür vorgesehene Frist verstrichen ist, nicht ohne Weiteres als im Hinblick auf die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung rechtmäßig genehmigt gelten können.

96      Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass eine Prüfung, die nach Errichtung und Inbetriebnahme der in Rede stehenden Anlage erfolgt, um der vor der Erteilung der Genehmigungen unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung abzuhelfen, zur Rücknahme oder Änderung dieser Genehmigungen führen kann, doch berührt diese Feststellung nicht die etwaige Möglichkeit eines Wirtschaftsteilnehmers, der nach der Regelung eines Mitgliedstaats gehandelt hat, die sich als mit dem Unionsrecht unvereinbar erwiesen hat, bei diesem Staat nach Maßgabe des nationalen Rechts Ersatz des durch die Handlungen und Unterlassungen dieses Staates entstandenen Schadens zu erheben.

97      Nach alledem ist festzustellen, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 260 Abs. 1 AEUV verstoßen hat, dass es nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus Nr. 1 zweiter Gedankenstrich des Tenors des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), ergeben.

 Zu den finanziellen Sanktionen

 Vorbringen der Parteien

98      Da die Kommission der Ansicht ist, dass Irland dem Urteil vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), noch immer nicht nachgekommen sei, beantragt sie, diesen Mitgliedstaat zu verurteilen, einen Pauschalbetrag von 1 343,20 Euro, multipliziert mit der Zahl der Tage, die zwischen der Verkündung dieses Urteils und dem Zeitpunkt seiner Durchführung durch Irland oder dem Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache liegen, zu zahlen, wenn dieses Datum vor dem Zeitpunkt der Durchführung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), liegt, wobei der Mindestpauschalbetrag 1 685 000 Euro betragen sollte.

99      Sie beantragt ferner, Irland zu verurteilen, ein Zwangsgeld von 12 264 Euro für jeden Tag ab dem Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache bis zum Zeitpunkt der Durchführung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), durch Irland zu zahlen.

100    Die Kommission schlägt unter Bezugnahme auf ihre Mitteilung „Anwendung von Artikel [260 AEUV]“ vom 12. Dezember 2005, SEK(2005) 1658, aktualisiert durch ihre Mitteilung „Aktualisierung der Daten für die Berechnung der Pauschalbeträge und Zwangsgelder, die die Kommission dem Gerichtshof bei Vertragsverletzungsverfahren vorschlägt“ vom 15. Dezember 2017 (ABl. 2017, C 431, S. 3), vor, dass die Höhe des Zwangsgelds je Tag berechnet wird, indem ein einheitlicher Grundbetrag von 700 Euro mit einem Schwerekoeffizienten von 2 auf einer Skala von 1 bis 20 und einem Dauerkoeffizienten von 3, d. h. dem höchsten Koeffizienten, multipliziert wird. Das ermittelte Ergebnis sei mit einem Faktor „n“ zu multiplizieren, der für Irland auf 2,92 festgelegt sei. Was die Berechnung des Pauschalbetrags betrifft, sei der Grundpauschalbetrag auf 230 Euro pro Tag festzulegen und mit dem Schwerekoeffizienten von 2 und dem auf 2,92 festgelegten Faktor „n“ zu multiplizieren. Die erhaltene Summe sei mit der Anzahl der Tage, an denen der Verstoß fortbestehe, zu multiplizieren.

101    In Bezug auf die Schwere der Vertragsverletzung ist die Kommission der Ansicht, dass die Ziele einer Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß der Richtlinie 85/337, die Feststellungen des Gerichtshofs in den Rn. 102 und 104 des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), sowie der Erdrutsch im Zusammenhang mit der Errichtung der Windfarm, der schwere Umweltschäden verursacht habe, zu berücksichtigen seien.

102    Im Übrigen zeigten die beim Gerichtshof anhängigen Rechtssachen, dass Irland bereits mehrfach gegen die Richtlinie 85/337 verstoßen habe. Auch wenn dieser Mitgliedstaat diese Richtlinie inzwischen umgesetzt habe, habe er doch keine Fortschritte bei der Behebung des in Rede stehenden Verstoßes, der über einen besonders langen Zeitraum andauere, erzielt.

103    Zur Dauer der Zuwiderhandlung macht die Kommission geltend, dass der Erlass von Legalisierungsmaßnahmen ausschließlich in die Verantwortung Irlands falle und nicht von der Stellungnahme der Kommission abhänge. Irland hätte derartige Maßnahmen so schnell wie möglich ergreifen müssen.

104    Irland ist der Auffassung, dass es in der vorliegenden Rechtssache dem Urteil vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), bereits nachgekommen sei, da es die seiner Kontrolle unterliegenden Maßnahmen ergriffen habe, indem es ein „Konzeptpapier“ erstellt habe, das eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die Windfarm durch den Betreiber dieses Parks vorsehe.

105    Der Umstand, dass für die Erstellung dieses Dokuments eine gewisse Zeit erforderlich gewesen sei, stelle keine Vertragsverletzung dar, da für die Festlegung des Inhalts dieses Dokuments die Kontakte mit der Kommission unerlässlich gewesen seien.

106    Im Übrigen würden in der Klageschrift der Kommission nicht die Maßnahmen genannt, deren Erlass zur Durchführung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), in Bezug auf Nr. 1 zweiter Gedankenstrich seines Tenors erforderlich sei. Die Festsetzung eines Zwangsgelds habe jedoch gerade die Durchführung dieses Urteils zum Ziel.

107    Jedenfalls unterscheide sich der Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache aus dem in Rn. 53 des vorliegenden Urteils angeführten Grund von denen, zu denen die Urteile vom 26. Juli 2017, Comune di Corridonia u. a. (C‑196/16 und C‑197/16, EU:C:2017:589), sowie vom 28. Februar 2018, Comune di Castelbellino (C‑117/17, EU:C:2018:129), ergangen seien. Sollte der Gerichtshof jedoch der Auffassung sein, dass diese Urteile die Argumentation der Kommission stützten, stellten sie einen Bruch mit der einschlägigen Rechtsprechung dar. Deshalb dürfe keine Sanktion wegen einer etwaigen Vertragsverletzung für den Zeitraum vor Juli 2017 verhängt werden.

108    Der Gerichtshof sei durch die Mitteilungen der Kommission nicht gebunden, sondern verpflichtet, eine angemessene und verhältnismäßige Sanktion zu verhängen. Die vorliegende Rechtssache sei einzigartig und anormal, was der Gerichtshof bei der Festlegung der Höhe der finanziellen Sanktionen berücksichtigen müsse.

109    In Bezug auf die Schwere des Verstoßes ist Irland der Ansicht, dass der Mindestkoeffizient anzuwenden sei, insbesondere angesichts der vollständigen Umsetzung der Richtlinie 85/337, des guten Glaubens Irlands und der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der vorliegenden Rechtssache. Zu berücksichtigen sei auch der von Irland erzielte Fortschritt in Bezug auf die Erfüllung seiner Verpflichtungen und der Umstand, dass nicht bewiesen sei, dass der Erdrutsch in Derrybrien mit dem Bau der Windfarm in Zusammenhang gestanden habe. Zudem habe Irland mit der Kommission konstruktiv zusammengearbeitet und sich entschlossen gezeigt, die in Rede stehenden Probleme zu lösen. Das Verstreichen der Zeit zwischen Dezember 2016 und Oktober 2017 sei auf ein bloßes Missverständnis zwischen Irland und der Kommission zurückzuführen und belege keine mangelnde Zusammenarbeit.

110    Angesichts der Besonderheiten der vorliegenden Rechtssache und der Schwierigkeiten bei der Einführung eines Legalisierungsmechanismus im Einklang mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sei die Anwendung eines Dauerkoeffizienten auch nicht angemessen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

111    Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des Gerichtshofs ist, in jeder Rechtssache und anhand der Umstände des Einzelfalls, mit dem er befasst ist, sowie nach Maßgabe des ihm erforderlich erscheinenden Grades an Überzeugungs- und Abschreckungswirkung die angemessenen finanziellen Sanktionen zu bestimmen, um insbesondere die Wiederholung ähnlicher Verstöße gegen das Unionsrecht zu verhindern (Urteil vom 14. November 2018, Kommission/Griechenland, C‑93/17, EU:C:2018:903, Rn. 107 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zum Pauschalbetrag

112    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Ausübung seines Ermessens auf dem betreffenden Gebiet kumulativ ein Zwangsgeld und einen Pauschalbetrag verhängen darf (Urteil vom 14. November 2018, Kommission/Griechenland, C‑93/17, EU:C:2018:903, Rn. 153).

113    Die Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags und die gegebenenfalls erfolgende Festsetzung seiner Höhe muss in jedem Einzelfall von der Gesamtheit der maßgebenden Aspekte abhängig gemacht werden, die sich sowohl auf die Merkmale der festgestellten Vertragsverletzung als auch auf die Haltung beziehen, die der Mitgliedstaat eingenommen hat, der von dem auf der Grundlage von Art. 260 AEUV eingeleiteten Verfahren betroffen ist. Insoweit gewährt diese Bestimmung dem Gerichtshof ein weites Ermessen bei der Entscheidung darüber, ob es einen Grund für die Verhängung einer derartigen Sanktion gibt, und gegebenenfalls bei der Bemessung ihrer Höhe (Urteil vom 14. November 2018, Kommission/Griechenland, C‑93/17, EU:C:2018:903, Rn. 154).

114    Außerdem ist es Sache des Gerichtshofs, in Ausübung seines Ermessens diesen Pauschalbetrag so festzusetzen, dass er zum einen den Umständen angepasst ist und zum anderen in angemessenem Verhältnis zu dem begangenen Verstoß steht. Zu den insoweit relevanten Faktoren zählen u. a. Aspekte wie die Schwere des festgestellten Verstoßes und der Zeitraum, in dem er seit der Verkündung des Urteils, mit dem er festgestellt wurde, fortbestanden hat sowie die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaats (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. Dezember 2014, Kommission/Italien, C‑196/13, EU:C:2014:2407, Rn. 117 und 118, sowie vom 14. November 2018, Kommission/Griechenland, C‑93/17, EU:C:2018:903‚ Rn. 156, 157 und 158).

115    Was erstens die Schwere der Zuwiderhandlung anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass das Umweltschutzziel eines der wesentlichen Ziele der Union darstellt und sowohl Querschnittscharakter aufweist als auch grundlegende Bedeutung besitzt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2012, Inter-Environnement Wallonie und Terre wallonne, C‑41/11, EU:C:2012:103, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

116    Die Umweltverträglichkeitsprüfung, wie sie in der Richtlinie 85/337 vorgesehen ist, ist einer der grundlegenden Mechanismen zum Schutz der Umwelt, da sie, wie in Rn. 73 des vorliegenden Urteils ausgeführt, erlaubt, Umweltbelastungen von vornherein zu vermeiden, statt sie erst nachträglich in ihren Auswirkungen zu bekämpfen.

117    Nach der in Rn. 75 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung verlangt das Unionsrecht im Fall der Verletzung der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung von den Mitgliedstaaten, zumindest die sich daraus ergebenden rechtswidrigen Folgen zu beheben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Juli 2017, Comune di Corridonia u. a., C‑196/16 und C‑197/16, EU:C:2017:589, Rn. 35).

118    Wie sich aus den Rn. 23 bis 36 des vorliegenden Urteils ergibt, sind seit der Feststellung der Vertragsverletzung wegen des Verstoßes gegen die Verpflichtung zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung vor der Genehmigung und der Errichtung der Windfarm im Urteil vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), über elf Jahre verstrichen, ohne dass Irland die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hätte, um Nr. 1 zweiter Gedankenstrich des Tenors jenes Urteils nachzukommen.

119    Zwar hat Irland im Juli 2010 den PDAA erlassen, dessen Teil XA ein Legalisierungsverfahren für unter Verstoß gegen die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung zugelassene Vorhaben vorsieht. Etwas mehr als zwei Jahre später teilte dieser Mitgliedstaat der Kommission jedoch mit, dass er das Legalisierungsverfahren nicht anwenden werde, obwohl er seit April 2009 das Gegenteil angegeben hatte. Irland schlug dagegen vor, ohne bestehende Rechtsgrundlage eine nicht förmliche Prüfung durchzuführen. Mit Schreiben vom 29. März 2019 und somit zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache hat Irland seinen Standpunkt nochmals geändert und behauptet nunmehr, dass der Betreiber der Windfarm die Anwendung des in Teil XA des PDAA vorgesehenen Legalisierungsverfahrens beantragen werde. In der mündlichen Verhandlung war Irland jedoch nicht in der Lage, anzugeben, ob dieses Verfahren von Amts wegen von den zuständigen Behörden gemäß Teil XA Section 177B des PDAA oder auf Antrag des Betreibers gemäß Teil XA Section 177C des PDAA eingeleitet werden würde. Irland konnte auch nicht den Zeitpunkt des Beginns dieses Verfahrens angeben. Bisher sind beim Gerichtshof dazu keine weiteren Informationen eingegangen.

120    Unter diesen Umständen zeigt das Verhalten Irlands, dass dieser Mitgliedstaat nicht gemäß seiner Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit gehandelt hat, um die in Nr. 1 zweiter Gedankenstrich des Tenors des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), festgestellte Vertragsverletzung abzustellen, was einen erschwerenden Umstand darstellt.

121    Da dieses Urteil noch nicht durchgeführt worden ist, kann der Gerichtshof daher nur einen Verstoß von besonders langer Dauer feststellen, der in Anbetracht des in der Richtlinie 85/337 vorgesehenen Umweltschutzziels von einiger Schwere ist (vgl. entsprechend Urteil vom 22. Februar 2018, Kommission/Griechenland, C‑328/16, EU:C:2018:98, Rn. 94).

122    Was zweitens die Dauer des Verstoßes betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass diese unter Berücksichtigung des Zeitpunkts zu bemessen ist, zu dem der Gerichtshof den Sachverhalt prüft, und nicht etwa des Zeitpunkts, zu dem die Kommission ihn damit befasst. Im vorliegenden Fall ist die Dauer des Verstoßes, nämlich mehr als elf Jahre ab dem Tag der Verkündung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), allerdings beträchtlich (vgl. entsprechend Urteil vom 22. Februar 2018, Kommission/Griechenland, C‑328/16, EU:C:2018:98, Rn. 99).

123    Obwohl Art. 260 Abs. 1 AEUV die Frist, innerhalb deren die Durchführung eines Urteils erfolgen muss, nicht präzisiert, verlangt nämlich das Interesse an einer sofortigen und einheitlichen Anwendung des Unionsrechts nach ständiger Rechtsprechung, dass diese Durchführung sofort in Angriff genommen werden und innerhalb kürzest möglicher Frist abgeschlossen sein muss (Urteil vom 22. Februar 2018, Kommission/Griechenland, C‑328/16, EU:C:2018:98, Rn. 100).

124    Was drittens die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaats betrifft, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die jüngste Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dieses Mitgliedstaats zu berücksichtigen ist, wie sie sich zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof darstellt (Urteil vom 22. Februar 2018, Kommission/Griechenland, C‑328/16, EU:C:2018:98, Rn. 101).

125    In Anbetracht aller Umstände der vorliegenden Rechtssache ist festzustellen, dass die wirksame Vorbeugung gegen eine zukünftige Wiederholung entsprechender Verstöße gegen das Unionsrecht die Verhängung eines Pauschalbetrags erfordert, dessen Höhe auf 5 000 000 Euro festzusetzen ist.

126    Folglich ist Irland zu verurteilen, an die Kommission einen Pauschalbetrag von 5 000 000 Euro zu zahlen.

 Zum Zwangsgeld

127    Nach ständiger Rechtsprechung ist die Verhängung eines Zwangsgelds grundsätzlich nur insoweit gerechtfertigt, als die Vertragsverletzung, die sich aus der Nichtdurchführung eines früheren Urteils ergibt, bis zur Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof andauert (Urteil vom 14. November 2018, Kommission/Griechenland, C‑93/17, EU:C:2018:903, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung).

128    Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass Irland, wie u. a. in den Rn. 118 und 119 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, im Rahmen eines Verfahrens zur Legalisierung der in Rede stehenden Genehmigungen, die unter Verletzung der in der Richtlinie 85/337 vorgesehenen Pflicht zur vorherigen Umweltverträglichkeitsprüfung erteilt wurden, noch immer keine Umweltverträglichkeitsprüfung für die Windfarm durchgeführt hat. Zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof liegen diesem keine Informationen vor, die eine etwaige Änderung dieser Situation bezeugen würden.

129    Demnach ist festzustellen, dass die Irland vorgeworfene Vertragsverletzung zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts des konkreten Falls durch den Gerichtshof fortbesteht.

130    Unter diesen Umständen ist die Verurteilung Irlands zur Zahlung eines Zwangsgelds ein angemessenes finanzielles Mittel, um diesen Mitgliedstaat zu veranlassen, die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die festgestellte Vertragsverletzung zu beenden und die vollständige Durchführung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), zu gewährleisten.

131    Was die Berechnung der Höhe des Zwangsgelds angeht, so ist nach ständiger Rechtsprechung das Zwangsgeld nach Maßgabe des Überzeugungsdrucks festzusetzen, der erforderlich ist, damit der mit der Durchführung eines Vertragsverletzungsurteils säumige Mitgliedstaat sein Verhalten ändert und die gerügte Zuwiderhandlung beendet. Bei der Ausübung seines Ermessens auf diesem Gebiet hat der Gerichtshof das Zwangsgeld so festzusetzen, dass es zum einen den Umständen angepasst ist und zum anderen in einem angemessenen Verhältnis zur festgestellten Vertragsverletzung und zur Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats steht (Urteil vom 14. November 2018, Kommission/Griechenland, C‑93/17, EU:C:2018:903, Rn. 117 und 118).

132    Die Vorschläge der Kommission zur Höhe des Zwangsgelds können den Gerichtshof nicht binden und stellen lediglich einen nützlichen Bezugspunkt dar. Dem Gerichtshof muss es freistehen, das verhängte Zwangsgeld in der Höhe und in der Form festzusetzen, die er für angemessen hält, um den betroffenen Mitgliedstaat dazu zu bringen, die Nichterfüllung der sich aus Unionsrecht ergebenden Verpflichtungen zu beenden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 2018, Kommission/Griechenland, C‑93/17, EU:C:2018:903, Rn. 119).

133    Bei der Festsetzung der Höhe des Zwangsgelds sind zur Gewährleistung des Charakters des Zwangsgelds als Druckmittel im Hinblick auf eine einheitliche und wirksame Anwendung des Unionsrechts grundsätzlich die Schwere des Verstoßes, seine Dauer und die Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats als Grundkriterien heranzuziehen. Bei der Anwendung dieser Kriterien ist insbesondere zu berücksichtigen, welche Folgen die Nichtdurchführung für die privaten und die öffentlichen Interessen hat und wie dringend es ist, dass der betreffende Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen nachkommt (Urteil vom 14. November 2018, Kommission/Griechenland, C‑93/17, EU:C:2018:903, Rn. 120).

134    In der vorliegenden Rechtssache erachtet der Gerichtshof in Anbetracht aller rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte, die zur Feststellung der Vertragsverletzung geführt haben, sowie der Erwägungen in den Rn. 115 bis 124 des vorliegenden Urteils die Verhängung eines Zwangsgelds in Höhe von 15 000 Euro pro Tag für angemessen.

135    Irland ist daher zu verurteilen, an die Kommission ein Zwangsgeld in Höhe von 15 000 Euro pro Tag zu zahlen, um den sich das Ergreifen von zur Durchführung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), erforderlichen Maßnahmen verzögert, und zwar beginnend mit dem Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils bis zu dem Tag, an dem das erste Urteil vollständig durchgeführt worden ist.

 Kosten

136    Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung Irlands beantragt hat und Irland mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Irland hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 260 Abs. 1 AEUV verstoßen, dass es nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die erforderlich sind, um das Urteil vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C215/06, EU:C:2008:380), durchzuführen.

2.      Irland wird verurteilt, an die Europäische Kommission einen Pauschalbetrag von 5 000 000 Euro zu zahlen.

3.      Irland wird verurteilt, an die Kommission ein Zwangsgeld in Höhe von 15 000 Euro pro Tag ab Verkündung des vorliegenden Urteils bis zum Tag der Durchführung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C215/06, EU:C:2008:380), zu zahlen.

4.      Irland trägt die Kosten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.