URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
26. November 1998 (1)
„Artikel 86 EG-Vertrag Mißbrauch einer beherrschenden Stellung
Weigerung eines Presseunternehmens in beherrschender Stellung in einem
Mitgliedstaat, den Vertrieb einer Konkurrenztageszeitung eines anderen
Unternehmens desselben Mitgliedstaats in sein eigenes System zur
Hauszustellung von Zeitungen aufzunehmen“
In der Rechtssache C-7/97
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom
Oberlandesgericht Wien in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Oscar Bronner Gesellschaft mbH & Co KG
gegen
Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Gesellschaft mbH & Co KG,
Mediaprint Zeitungsvertriebsgesellschaft mbH & Co KG,
Mediaprint Anzeigengesellschaft mbH & Co KG
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 86
EG-Vertrag
erläßt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. J. G. Kapteyn sowie der Richter
J. L. Murray, H. Ragnemalm, R. Schintgen (Berichterstatter) und K. M. Ioannou,
Generalanwalt: F. G. Jacobs
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der Oscar Bronner Gesellschaft mbH & Co KG, vertreten durch
Rechtsanwältin Christa Fries, Baden,
der Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Gesellschaft mbH & Co
KG, der Mediaprint Zeitungsvertriebsgesellschaft mbH & Co KG und der
Mediaprint Anzeigengesellschaft mbH & Co KG, vertreten durch
Rechtsanwalt Stephan Ruggenthaler, Wien,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Klaus
Wiedner und Wouter Wils, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Oscar Bronner Gesellschaft
mbH & Co KG, der Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Gesellschaft
mbH & Co KG, der Mediaprint Zeitungsvertriebsgesellschaft mbH & Co KG und
der Mediaprint Anzeigengesellschaft mbH & Co KG sowie der Kommission in der
Sitzung vom 10. Februar 1998,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Mai
1998,
folgendes
Urteil
- 1.
- Das Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht hat mit Beschluß vom 1. Juli 1996,
beim Gerichtshof eingegangen am 15. Januar 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag
zwei Fragen nach der Auslegung von Artikel 86 EG-Vertrag zur
Vorabentscheidung vorgelegt.
- 2.
- Diese Fragen stellen sich im Rahmen einer Kartellrechtssache nach § 35 des
Bundesgesetzes vom 19. Oktober 1988 über Kartelle und andere
Wettbewerbsbeschränkungen (BGBl 1988/600) in der 1993 (BGBl 1993/693) und
1995 (BGBl 1995/520) geänderten Fassung (im folgenden: KartG) der Oscar
Bronner Gesellschaft mbH & Co KG (im folgenden: Antragstellerin) gegen die
Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Gesellschaft mbH & Co KG, die
Mediaprint Zeitungsvertriebsgesellschaft mbH & Co KG und die Mediaprint
Anzeigengesellschaft mbH & Co KG (im folgenden: Antragsgegnerinnen).
- 3.
- § 35 Absatz 1 KartG bestimmt:
„Das Kartellgericht hat auf Antrag den beteiligten Unternehmen aufzutragen, den
Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung abzustellen. Dieser Mißbrauch
kann insbesondere in folgendem bestehen:
1. der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung unangemessener Einkaufs-
oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen,
2. der Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen
Entwicklung zum Schaden der Verbraucher,
3. der Benachteiligung von Vertragspartnern im Wettbewerb durch
Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen,
4. der an die Vertragsschließung geknüpften Bedingung, daß die
Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch
nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.“
- 4.
- Die Antragstellerin befaßt sich mit der Redaktion und dem Verlag sowie mit der
Herstellung und dem Vertrieb der Tageszeitung „Der Standard“. 1994 hatte „Der
Standard“ am Markt der österreichischen Tageszeitungen einen Anteil von 3,6 %
bei der Druckauflage und von 6 % bei den Werbeeinnahmen.
- 5.
- Die Antragsgegnerin Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag
Gesellschaft mbH & Co KG verlegt die Tageszeitungen „Neue Kronen Zeitung“
und „Kurier“. Sie wickelt den Vertrieb und das Anzeigengeschäft für diese beiden
Zeitungen über ihre beiden Tochterunternehmen, die Antragsgegnerinnen
Mediaprint Zeitungsvertriebsgesellschaft mbH & Co KG und Mediaprint
Anzeigengesellschaft mbH & Co KG, ab, deren Kapital sie zu 100 % hält.
- 6.
- 1994 hatten die „Neue Kronen Zeitung“ und der „Kurier“ am österreichischen
Markt der Tageszeitungen einen Anteil von 46,8 % bei den Auflagen und von 42 %
bei den Werbeeinnahmen. Die beiden Tageszeitungen hatten eine Reichweite von
53,3 % bei der Bevölkerung ab dem 14. Lebensjahr in Privathaushalten und von
71 % bei allen Tageszeitungslesern.
- 7.
- Für den Vertrieb ihrer Tageszeitungen haben die Antragsgegnerinnen ein
landesweites Hauszustellungssystem geschaffen, das sie durch die Antragsgegnerin
Mediaprint Zeitungsvertriebsgesellschaft mbH & Co KG betreiben. Dieses System
garantiert die direkte Auslieferung der Zeitungen an die Abonnenten in den frühen
Morgenstunden.
- 8.
- Mit ihrem Antrag nach § 35 KartG möchte die Antragstellerin den
Antragsgegnerinnen auftragen lassen, den Mißbrauch ihrer marktbeherrschenden
Stellung dadurch abzustellen, daß sie den „Standard“ gegen Zahlung eines
angemessenen Entgelts in ihr Hauszustellungs-Vertriebssystem aufnehmen. Zur
Begründung macht die Antragstellerin geltend, die Postzustellung, die in der Regel
erst am späten Vormittag erfolge, stelle keine gleichwertige Alternative zur
Hauszustellung dar; außerdem wäre es für sie angesichts ihrer geringen
Abonnentenzahl völlig unrentabel, eine eigene Hauszustellung zu organisieren.
Überdies liege eine Diskriminierung der Antragstellerin darin, daß die
Antragsgegnerinnen die Tageszeitung „Wirtschaftsblatt“ in ihr
Hauszustellungssystem aufgenommen hätten, obwohl sie diese nicht verlegten.
- 9.
- Diesem Vorbringen halten die Antragsgegnerinnen entgegen, sie hätten ihr
Hauszustellungssystem unter hohem administrativem und finanziellem Aufwand
aufgebaut; außerdem würde es die Kapazität ihres Zustellungssystems überfordern,
wenn man dieses allen österreichischen Tageszeitungsverlegern öffnen würde. Auch
als marktbeherrschendes Unternehmen seien sie nicht verpflichtet, den Wettbewerb
durch Förderung von Konkurrenten zu subventionieren. Die Situation des
„Wirtschaftsblatt“ sei mit derjenigen des „Standard“ insofern nicht vergleichbar, als
der Verleger des „Wirtschaftsblatt“ die Unternehmen der Mediaprint-Gruppe
zugleich mit dem Druck und dem gesamten Vertrieb, also auch jenem über
Verkaufsstellen, betraut habe, so daß die Hauszustellung nur einen Teil eines
Gesamtpakets bilde.
- 10.
- Nach Ansicht des Kartellgerichts stellt es, wenn das Verhalten eines
Marktteilnehmers gegen Artikel 86 EG-Vertrag verstößt, denknotwendig auch
einen Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des inhaltsgleichen
§ 35 KartG dar, da ein nach Gemeinschaftsrecht verpöntes Verhalten wegen des
prinzipiellen Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht nach nationalem Recht
geduldet werden dürfe. Daher sei es eine Vorfrage, ob das Verhalten der
Antragsgegnerinnen gegen Artikel 86 EG-Vertrag verstoße. Die Anwendbarkeit von
Artikel 86 EG-Vertrag setze voraus, daß durch das mißbräuchliche Verhalten von
Marktteilnehmern der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden
könne. Diese Voraussetzung erscheine erfüllt, da die Gefahr bestehe, daß die
Antragstellerin infolge der Nichtzulassung zum Hauszustellungs-Vertriebssystem der
Antragsgegnerinnen völlig vom Tageszeitungsmarkt verdrängt werde, und da die
Antragstellerin als Verlegerin einer österreichischen und auch im Ausland
erhältlichen Tageszeitung am grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr teilnehme.
- 11.
- Das Kartellgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende
Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Artikel 86 EG-Vertrag so auszulegen, daß es die mißbräuchliche
Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung unter dem Gesichtspunkt
der mißbräuchlichen Behinderung des Marktzutrittes darstellt, wenn sich ein
Unternehmen, das sich mit dem Verlag, der Herstellung und dem Vertrieb
von Tageszeitungen befaßt und mit seinen Produkten auf dem
österreichischen Tageszeitungsmarkt eine überragende Marktstellung besitzt
(nämlich 46,8 %, gemessen an der Gesamtauflage, 42 %, gemessen an den
Einnahmen für Anzeigen, und 71 % Reichweite, gemessen an der Zahl aller
Tageszeitungen) und das einzige in Österreich existierende überregionale
Hauszustellungsvertriebssystem für Abonnenten betreibt, weigert, einem
anderen Unternehmen, das sich ebenfalls mit dem Verlag, der Herstellung
und dem Vertrieb einer Tageszeitung in Österreich befaßt, ein bindendes
Offert zur Aufnahme dieser Tageszeitung in ihr Hauszustellungssystem zu
legen, dies unter der weiteren Voraussetzung, daß es dem die Aufnahme in
das Hauszustellungssystem anstrebenden Unternehmen aufgrund der
geringen Auflagenhöhe und der damit verbundenen geringen
Abonnementdichte weder allein noch in Zusammenarbeit mit den übrigen
Unternehmen, die auf dem Markt Tageszeitungen anbieten, möglich ist,
unter Einsatz vertretbarer Kosten ein eigenes Hauszustellungssystem
aufzubauen und rentabel zu betreiben?
2. Stellt es einen Mißbrauch im Sinne des Artikels 86 EG-Vertrag dar, wenn
unter den bereits in Frage 1 näher dargestellten Umständen der
Betreiber des Hauszustellungssystems für Tageszeitungen die Aufnahme von
Geschäftsbeziehungen zum Verleger eines Konkurrenzproduktes davon
abhängig macht, daß ihn dieser nicht nur mit der Hauszustellung, sondern
auch mit weiteren angebotenen Leistungen (z. B. Vertrieb durch
Verkaufsstellen, Druck) im Rahmen eines Gesamtpakets beauftragt?
Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen
- 12.
- Die Antragsgegnerinnen und die Kommission vertreten die Auffassung, der
Ausgangsrechtsstreit betreffe nur österreichisches Wettbewerbsrecht, insbesondere
§ 35 KartG. Das Kartellgericht sei auf die Anwendung von nationalem
Wettbewerbsrecht spezialisiert und nicht zur Durchführung von Artikel 86 EG-Vertrag befugt, den es auch nicht unmittelbar anwenden könne.
- 13.
- Grundsätzlich sei das nationale Wettbewerbsrecht unabhängig vom
Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft neben diesem anwendbar; nach dem Urteil
Walt Wilhelm (vom 13. Februar 1969 in der Rechtssache 14/68, Slg. 1969, 1) sei
nur dann auf die Regel des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts abzustellen, wenn
die Gefahr bestehe, daß die Durchführung des nationalen Wettbewerbsrechts die
einheitliche Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln im
gesamten Gemeinsamen Markt und die uneingeschränkte Wirkung der auf der
Grundlage dieser Regeln vorgenommenen Handlungen beeinträchtige. Dies sei bei
einer Sachlage wie der des Ausgangsrechtsstreits jedoch nicht der Fall, bei der zum
einen nur die nationale Behörde befaßt sei und zum anderen auch eine für die
Antragsgegnerinnen günstige Entscheidung im Ausgangsverfahren, die auf § 35
KartG gestützt wäre, die Kommission nicht an einer Anwendung von Artikel 86
EG-Vertrag hindern würde.
- 14.
- Daher bestehe kein Zusammenhang zwischen der von dem innerstaatlichen Gericht
erbetenen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und der Realität oder dem
Gegenstand des Ausgangsverfahrens, so daß die Vorlagefragen nicht zu
beantworten seien.
- 15.
- Für den hypothetischen Charakter der Vorlagefragen spreche außerdem, daß eine
der Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 86 EG-Vertrag, die auch noch
die Funktion habe, den jeweiligen Anwendungsbereich von nationalem und
gemeinschaftsrechtlichem Wettbewerbsrecht zu begrenzen, nämlich diejenige einer
spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten, im
vorliegenden Fall höchstwahrscheinlich nicht erfüllt sei. Hierzu führt die
Kommission insbesondere aus, der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens sei insoweit
auf Österreich beschränkt, als eine österreichische Tageszeitung die Zulassung zu
einem Hauszustellungssystem begehre, das von einem österreichischen
Unternehmen betrieben werde und jedenfalls geographisch auf Österreich
beschränkt sei. Die Antragsgegnerinnen weisen darauf hin, daß die Antragstellerin
täglich weniger als 700 Exemplare des „Standard“ im Ausland verbreite, was
weniger als 0,8 % der Gesamtauflage entspreche.
- 16.
- Nach ständiger Rechtsprechung ist es allein Sache der nationalen Gerichte, die mit
dem Rechtsstreit befaßt sind und die Verantwortung für die zu erlassende
gerichtliche Entscheidung tragen, nach Maßgabe der jeweiligen Sach- und
Rechtslage sowohl die Notwendigkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß ihres
Urteils als auch die Rechtserheblichkeit der Fragen, die sie dem Gerichtshof
stellen, zu beurteilen. Wenn die von den nationalen Gerichten gestellten Fragen die
Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts betreffen, ist derGerichtshof daher grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (vgl. u. a. Urteile
vom 18. Oktober 1990 in den verbundenen Rechtssachen C-297/88 und C-197/89,
Dzodzi, Slg. 1990, I-3763, Randnrn. 34 und 35, und vom 8. November 1990 in der
Rechtssache C-231/89, Gmurzynska-Bscher, Slg. 1990, I-4003, Randnrn. 19 und 20).
- 17.
- Außerdem geht Artikel 177 EG-Vertrag von einer klaren Zuständigkeitsverteilung
zwischen den staatlichen Gerichten und dem Gerichtshof aus und gestattet es
diesem nicht, die Gründe des Vorlagebeschlusses zu überprüfen. Daher kann der
Gerichtshof die Entscheidung über ein von einem nationalen Gericht vorgelegtes
Ersuchen nur dann ablehnen, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen
der von diesem Gericht erbetenen Auslegung oder Prüfung der Gültigkeit einer
Vorschrift des Gemeinschaftsrechts und der Realität oder dem Gegenstand des
Ausgangsrechtsstreits besteht (Urteil vom 18. Januar 1996 in der Rechtssache C-446/93, SEIM, Slg. 1996, I-73, Randnr. 28).
- 18.
- Überdies hat das vorlegende Gericht, wie aus Randnummer 10 hervorgeht, im
Ausgangsverfahren die Notwendigkeit seines Vorabentscheidungsersuchens
ausdrücklich damit begründet, daß es ihm darum gehe, die Beachtung der Regel
des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen und demgemäß im nationalen
Recht keine Situation zu dulden, die gegen das Gemeinschaftsrecht verstieße.
- 19.
- Wie sich namentlich aus dem Urteil Walt Wilhelm ergibt, ist nicht auszuschließen,
daß ein und derselbe Sachverhalt sowohl unter das gemeinschaftsrechtliche als auch
unter das nationale Wettbewerbsrecht fällt, auch wenn diese Rechtsordnungen
einschränkende Praktiken unter unterschiedlichen Gesichtspunkten sehen (vgl. auch
Urteile vom 10. Juli 1980 in den verbundenen Rechtssachen 253/78 und 1/79 bis
3/79, Giry und Guerlain u. a., Slg. 1980, 2327, Randnr. 15, und vom 16. Juli 1992
in der Rechtssache C-67/91, Asociación Española de Banca Privada u. a., Slg. 1992,
I-4785, Randnr. 11).
- 20.
- Ist also ein nationales Gericht mit einem Rechtsstreit befaßt, der in Anwendung des
nationalen Wettbewerbsrechts einschränkende Praktiken betrifft, so ist es deswegen
nicht daran gehindert, den Gerichtshof um Auslegung des einschlägigen
Gemeinschaftsrechts, insbesondere des Artikels 86 EG-Vertrag, im Hinblick auf
den fraglichen Sachverhalt zu ersuchen, wenn seiner Ansicht nach ein Konflikt
zwischen dem Gemeinschaftsrecht und dem nationalen Recht möglich ist.
- 21.
- Schließlich ist festzustellen, daß die von den Antragsgegnerinnen und der
Kommission angeführten Umstände, die gegen eine spürbare Beeinträchtigung des
Handels zwischen Mitgliedstaaten sprechen sollen, unmittelbar die Anwendbarkeit
von Artikel 86 EG-Vertrag auf den Sachverhalt betreffen, der Gegenstand des
Ausgangsverfahrens ist. Insoweit unterliegen sie der Beurteilung durch das
nationale Gericht und sind für die Prüfung der Zulässigkeit der dem Gerichtshof
vorgelegten Fragen unerheblich.
- 22.
- Infolgedessen sind die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen zu beantworten.
Zur ersten Frage
- 23.
- Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es eine
mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86
EG-Vertrag darstellt, wenn ein Presseunternehmen, das einen überwiegenden
Anteil am Tageszeitungsmarkt in einem Mitgliedstaat hat und das einzige in diesem
Mitgliedstaat bestehende landesweite System der Hauszustellung von Zeitungen
betreibt, sich weigert, dem Verleger einer Konkurrenztageszeitung, der wegen der
geringen Auflagenhöhe dieser Zeitung nicht in der Lage ist, unter wirtschaftlich
vertretbaren Bedingungen allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Verlegern
ein eigenes Hauszustellungssystem aufzubauen und zu betreiben, gegen
angemessenes Entgelt Zugang zum genannten System zu gewähren.
- 24.
- Hierzu macht die Antragstellerin geltend, die in der Hauszustellung von
Tageszeitungen liegende Dienstleistung bilde einen eigenen Markt, da diese
Dienstleistung regelmäßig getrennt von anderen Leistungen angeboten und
nachgefragt werde. Außerdem handele es sich bei der in der Gestellung einer
Einrichtung liegenden Dienstleistung und der unter Nutzung dieser Einrichtung
erbrachten Dienstleistung nach der „essential facilities“-Lehre, wie sie vom
Gerichtshof im Urteil vom 6. April 1995 in den verbundenen Rechtssachen C-241/91 P und C-242/91 P (RTE und ITP/Kommission, Slg. 1995, I-743, im
folgenden: Urteil Magill) entwickelt worden sei, grundsätzlich um getrennte Märkte.
Als Inhaber einer solchen „essential facility“, nämlich des einzigen in Österreich
bestehenden landesweiten rentablen Hauszustellungssystems, seien die
Antragsgegnerinnen verpflichtet, ihr System zu marktüblichen Preisen und
Konditionen für Konkurrenzprodukte zu öffnen.
- 25.
- Weiter ergebe sich aus dem Urteil vom 6. März 1974 in den verbundenen
Rechtssachen 6/73 und 7/73 (Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223,
Randnr. 25), daß die Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung,
unmittelbar nachgelagerte Unternehmen zu beliefern, nur dann rechtmäßig sei,
wenn diese Weigerung sachlich gerechtfertigt sei. Die Entscheidung des
Gerichtshofes im Urteil vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 311/84 (CBEM,
Slg. 1985, 3261), daß es einen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 darstelle, wenn
ein Unternehmen, das auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung
innehabe, sich oder einem zur selben Gruppe gehörenden Unternehmen ohne
objektives Bedürfnis eine Hilfstätigkeit vorbehalte, die von einem dritten
Unternehmen im Rahmen seiner Tätigkeit auf einem benachbarten, aber
getrennten Markt ausgeübt werden könnte, so daß jeglicher Wettbewerb seitens
dieses Unternehmens ausgeschaltet zu werden drohe, lasse sich auch auf den Fall
eines Unternehmens übertragen, das eine beherrschende Stellung auf dem Markt
einer bestimmten Dienstleistung innehabe, die für die Tätigkeit eines anderen
Unternehmens auf einem anderen Markt unerläßlich sei.
- 26.
- Die Antragsgegnerinnen entgegnen, daß grundsätzlich auch für marktbeherrschende
Unternehmen das Recht auf Privatautonomie in dem Sinne gelte, daß sie in aller
Regel berechtigt seien, frei darüber zu entscheiden, wem sie ihre Leistungen
anbieten und insbesondere wem sie Zugang zu ihren unternehmenseigenen
Einrichtungen verschaffen wollten. So könne, wie der Gerichtshof im Urteil Magill
ausdrücklich ausgeführt habe, ein Kontrahierungszwang des Unternehmens in
beherrschender Stellung nur unter außergewöhnlichen Umständen auf Artikel 86
EG-Vertrag gestützt werden.
- 27.
- Nach den Urteilen Commercial Solvents/Kommission und CBEM lägen solche
außergewöhnlichen Umstände nur dann vor, wenn die Lieferverweigerung des
Unternehmens in beherrschender Stellung geeignet sei, jeglichen Wettbewerb auf
einem nachgeordneten Markt auszuschließen, was im Ausgangsverfahren nicht der
Fall sei, bei dem neben der Hauszustellung noch andere Vertriebssysteme
bestünden, die der Antragstellerin einen Absatz ihrer Tageszeitungen in Österreich
ermöglichten.
- 28.
- Selbst wenn solche außergewöhnlichen Umstände vorliegen sollten, wäre die
Kontrahierungsverweigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung doch
nicht mißbräuchlich, wenn sie objektiv gerechtfertigt sei. Im Ausgangsrechtsstreit
wäre dies dann der Fall, wenn die Aufnahme des „Standard“ in das
Hauszustellungssystem der Antragsgegnerinnen die Funktionsfähigkeit dieses
Systems gefährden würde oder aus Gründen der Kapazität dieses Systems nicht
möglich wäre.
- 29.
- Die Kommission weist darauf hin, daß es Sache des nationalen Gerichts sei, zu
prüfen, ob die Voraussetzungen des Artikels 86 EG-Vertrag vorlägen: Nur wenn
ein eigener Markt für Hauszustellungssysteme bestehe und die Antragsgegnerinnen
auf diesem Markt eine beherrschende Stellung innehätten, sei zu prüfen, ob ihre
Weigerung, die Antragstellerin zu diesem System zuzulassen, einen Mißbrauch
darstelle.
- 30.
- Wie sich aus dem Vorlagebeschluß ergebe, sei einem dritten Unternehmen der
Zugang zum Hauszustellungssystem der Antragsgegnerinnen gewährt worden. Ein
Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag könne nach Artikel 86 Buchstabe
c in der Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen
gegenüber Handelspartnern bestehen. Dies sei im Ausgangsrechtsstreit jedoch nicht
der Fall, da die von der Antragstellerin beanspruchte Leistung nicht etwa von
anderen Bedingungen als den für andere Handelspartner geltenden abhängig
gemacht worden sei, sondern überhaupt nicht angeboten worden wäre, wenn die
Antragsgegnerinnen nicht zugleich auch mit anderen Leistungen betraut worden
wären.
- 31.
- Um dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort zu geben, ist zunächst
daran zu erinnern, daß Artikel 86 EG-Vertrag die mißbräuchliche Ausnutzung
einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem
wesentlichen Teil desselben verbietet, soweit dies dazu führen kann, daß der
Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird.
- 32.
- Bei der Prüfung der Frage, ob ein Unternehmen eine beherrschende Stellung im
Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag einnimmt, ist, wie der Gerichtshof bereits
mehrfach ausgeführt hat, der Bestimmung des betroffenen Marktes und der
Abgrenzung des wesentlichen Teils des Gemeinsamen Marktes, auf dem dieses
Unternehmen gegebenenfalls mißbräuchliche Praktiken anwenden kann, die einen
wirksamen Wettbewerb verhindern, wesentliche Bedeutung beizumessen (vgl. Urteil
vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-242/95, GT-Link, Slg. 1997, I-4449,
Randnr. 36).
- 33.
- Nach gefestigter Rechtsprechung umfaßt der relevante Erzeugnis- oder
Dienstleistungsmarkt im Rahmen der Anwendung von Artikel 86 EG-Vertrag alle
Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die sich aufgrund ihrer Merkmale zur
Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen und mit anderen
Erzeugnissen oder Dienstleistungen nur in geringem Maße austauschbar sind (vgl.
in diesem Sinne Urteile vom 11. Dezember 1980 in der Rechtssache 31/80, L'Oréal,
Slg. 1980, 3775, Randnr. 25, und vom 3. Juli 1991 in der Rechtssache C-62/86,
AKZO/Kommission, Slg. 1991, I-3359, Randnr. 51).
- 34.
- Bei der Abgrenzung des im Ausgangsverfahren relevanten Marktes hat somit das
vorlegende Gericht insbesondere zu prüfen, ob die Hauszustellungssysteme einen
besonderen Markt darstellen oder ob andere Arten des Zeitungsvertriebs, wie der
Laden- oder Kioskverkauf oder die Postzustellung, mit ihnen in einem Maße
austauschbar sind, daß sie ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Das Gericht
wird bei der Beurteilung der Frage der beherrschenden Stellung, wie die
Kommission hervorgehoben hat, außerdem das etwaige Bestehen regionaler
Hauszustellungssysteme berücksichtigen müssen.
- 35.
- Wenn sich aus dieser Prüfung ergeben sollte, daß ein besonderer Markt für
Hauszustellungssysteme besteht und daß zwischen dem landesweit betriebenen
System der Antragsgegnerinnen und anderen, regionalen Systemen kein
ausreichender Grad der Austauschbarkeit besteht, so folgte daraus zwingend, daß
die Antragsgegnerinnen, die nach den Angaben des Vorlagebeschlusses Betreiberin
des einzigen landesweiten Hauszustellungssystems in Österreich sind, auf dem so
definierten Markt eine tatsächliche Monopolstellung und damit eine beherrschende
Stellung innehaben.
- 36.
- Außerdem stünde dann auch fest, daß die Antragsgegnerinnen auf einem
wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes eine beherrschende Stellung
innehaben, da nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes das Gebiet eines
Mitgliedstaats, auf das sich eine beherrschende Stellung erstreckt, einen
wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellen kann (vgl. in diesem Sinne
Urteile vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission,
Slg. 1983, 3461, Randnr. 28, und vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-323/93,
Centre d'insémination de la Crespelle, Slg. 1994, I-5077, Randnr. 17).
- 37.
- Schließlich wäre zu prüfen, ob es eine mißbräuchliche Ausnutzung einer
beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag darstellt, daß der
Betreiber des einzigen im gesamten Gebiet eines Mitgliedstaats bestehenden
Hauszustellungssystems, der dieses System für den Vertrieb seiner eigenen
Tageszeitungen benutzt, dem Verleger einer Konkurrenztageszeitung den Zugang
zu diesem System verweigert, weil der genannte Wettbewerber durch diese
Weigerung um einen für den Verkauf seiner Tageszeitung als wesentlich
angesehenen Vertriebsweg gebracht wird.
- 38.
- Zum einen hat es der Gerichtshof in seinen Urteilen Commercial
Solvents/Kommission und CBEM nur dann als mißbräuchlich angesehen, daß sich
ein Unternehmen, das auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung
innehat, weigert, einem Unternehmen, mit dem es auf einem benachbarten Markt
in Wettbewerb steht, die für die Ausübung von dessen Tätigkeit unerläßlichen
Rohstoffe (Urteil Commercial Solvents/Kommission, Randnr. 25) oder
Dienstleistungen (Urteil CBEM, Randnr. 26) zu liefern bzw. zu erbringen, wenn
das betreffende Verhalten geeignet war, jeglichen Wettbewerb durch dieses
Unternehmen auszuschalten.
- 39.
- Zum anderen hat der Gerichtshof im Urteil Magill (Randnrn. 49 und 50)
entschieden, daß die Verweigerung einer Lizenz durch den Inhaber eines
gewerblichen Schutzrechts selbst dann, wenn sie von einem Unternehmen in
beherrschender Stellung ausgesprochen wird, als solche keinen Mißbrauch einer
beherrschenden Stellung darstellt, daß aber unter außergewöhnlichen Umständendie Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber ein mißbräuchliches
Verhalten darstellen kann.
- 40.
- Im Urteil Magill hat der Gerichtshof das Vorliegen solcher außergewöhnlichen
Umstände darin gesehen, daß die streitige Weigerung ein Erzeugnis (Informationen
über die wöchentlichen Programme bestimmter Fernsehsender) betraf, dessen
Lieferung für die Ausübung der betreffenden Tätigkeit (Herausgabe eines
allgemeinen Fernsehprogrammführers) unentbehrlich in dem Sinne war, daß
demjenigen, der einen solchen Programmführer anbieten wollte, es ohne diese
Lieferung unmöglich war, den Programmführer zu verlegen und auf dem Markt
anzubieten (Randnr. 53), daß diese Weigerung das Auftreten eines neuen
Erzeugnisses, nach dem eine potentielle Nachfrage der Verbraucher bestand,
verhinderte (Randnr. 54), daß die Weigerung nicht durch sachliche Erwägungen
gerechtfertigt war (Randnr. 55) und daß sie geeignet war, jeglichen Wettbewerb auf
dem abgeleiteten Markt auszuschließen (Randnr. 56).
- 41.
- Selbst wenn diese Rechtsprechung zur Ausübung eines gewerblichen Schutzrechts
auf die Ausübung eines beliebigen Eigentumsrechts anwendbar wäre, ließe sich aus
dem Urteil Magill bei einem Sachverhalt wie dem, der Gegenstand der ersten
Vorlagefrage ist, nur dann auf einen Mißbrauch im Sinne des Artikels 86 EG-Vertrag schließen, wenn die Verweigerung der in der Hauszustellung liegenden
Dienstleistung zum einen geeignet wäre, jeglichen Wettbewerb auf dem
Tageszeitungsmarkt durch denjenigen, der die Dienstleistung begehrt,
auszuschalten, und nicht objektiv zu rechtfertigen wäre, und zum anderen die
Dienstleistung selbst für die Ausübung der Tätigkeit des Wettbewerbers in dem
Sinne unentbehrlich wäre, daß kein tatsächlicher oder potentieller Ersatz für das
Hauszustellungssystem bestünde.
- 42.
- Dies aber ist mit Sicherheit nicht einmal dann der Fall, wenn, wie im
Ausgangsverfahren, in einem Mitgliedstaat nur ein einziges landesweites
Hauszustellungssystem existiert und wenn zudem der Inhaber dieses Systems auf
dem Dienstleistungsmarkt, der durch dieses System gebildet wird oder zu dem
dieses System gehört, eine beherrschende Stellung innehat.
- 43.
- Zum einen steht nämlich fest, daß für Tageszeitungen andere Vertriebswege, wie
die Postzustellung oder Laden- oder Kioskverkauf, bestehen auch wenn sie für
den Vertrieb bestimmter Tageszeitungen weniger günstig sein dürften und von
den Verlegern dieser Tageszeitungen auch in Anspruch genommen werden.
- 44.
- Zum anderen sind keine technischen, rechtlichen oder auch nur wirtschaftlichen
Hindernisse ersichtlich, die geeignet wären, jedem anderen Verleger von
Tageszeitungen allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Verlegern die
Errichtung eines eigenen landesweiten Hauszustellungssystems und dessen Nutzung
für den Vertrieb der eigenen Tageszeitungen unmöglich zu machen oder zumindest
unzumutbar zu erschweren.
- 45.
- Daß die Schaffung eines solchen Systems keine realistische potentielle Alternative
darstelle und daher der Zugang zum bestehenden System unverzichtbar sei, ist
nicht schon mit der Behauptung dargetan, daß die Schaffung eines solchen Systems
wegen der geringen Auflagenhöhe der zu vertreibenden Zeitung oder Zeitungen
unrentabel sei.
- 46.
- Wie der Generalanwalt in Nummer 68 seiner Schlußanträge ausgeführt hat, könnte
der Zugang zum bestehenden System nur dann als unverzichtbar angesehen
werden, wenn zumindest dargetan wäre, daß es unrentabel wäre, für den Vertrieb
von Tageszeitungen mit einer Auflagenhöhe, die mit derjenigen der anhand des
vorhandenen Systems vertriebenen Tageszeitungen vergleichbar wäre, ein zweites
Hauszustellungssystem zu schaffen.
- 47.
- Aufgrund dessen ist auf die erste Frage zu antworten, daß es keine mißbräuchliche
Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag
darstellt, wenn ein Presseunternehmen, das einen überwiegenden Anteil am
Tageszeitungsmarkt in einem Mitgliedstaat hat und das einzige in diesem
Mitgliedstaat bestehende landesweite System der Hauszustellung von Zeitungen
betreibt, sich weigert, dem Verleger einer Konkurrenztageszeitung, der wegen der
geringen Auflagenhöhe dieser Zeitung nicht in der Lage ist, unter wirtschaftlich
vertretbaren Bedingungen allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Verlegern
ein eigenes Hauszustellungssystem aufzubauen und zu betreiben, gegen
angemessenes Entgelt Zugang zum genannten System zu gewähren.
Zur zweiten Frage
- 48.
- Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob es eine mißbräuchliche
Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag
darstellt, wenn dieses Unternehmen unter den in der ersten Frage näher
dargestellten Umständen dem Verleger einer Konkurrenztageszeitung den Zugang
zu seinem Hauszustellungssystem verweigert, wenn dieser es nicht zugleich auch mit
weiteren Dienstleistungen wie dem Vertrieb durch Verkaufsstellen oder dem Druck
beauftragt.
- 49.
- In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage erübrigt sich eine Beantwortung
dieser Frage.
Kosten
- 50.
- Die Auslagen der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben
hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das
Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen
Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
auf die ihm vom Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 1. Juli 1996
vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
Es stellt keine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im
Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag dar, wenn ein Presseunternehmen, das einen
überwiegenden Anteil am Tageszeitungsmarkt in einem Mitgliedstaat hat und das
einzige in diesem Mitgliedstaat bestehende landesweite System der Hauszustellung
von Zeitungen betreibt, sich weigert, dem Verleger einer Konkurrenztageszeitung,
der wegen der geringen Auflagenhöhe dieser Zeitung nicht in der Lage ist, unter
wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen allein oder in Zusammenarbeit mit
anderen Verlegern ein eigenes Hauszustellungssystem aufzubauen und zu
betreiben, gegen angemessenes Entgelt Zugang zum genannten System zu
gewähren.
Kapteyn Murray
Ragnemalm Schintgen Ioannou
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Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. November 1998.
Der Kanzler
Der Präsident der Sechsten Kammer
R. Grass
P. J. G. Kapteyn