Language of document : ECLI:EU:C:2020:1018

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 10. Dezember 2020(1)

Rechtssache C784/19

„TEAM POWER EUROPE“ EOOD

gegen

Direktor na Teritorialna direktsia na Natsionalna agentsia za prihodite – Varna

(Vorabentscheidungsersuchen des Administrativen sad – Varna [Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Entsendung von Arbeitnehmern – Soziale Sicherheit – Anzuwendende Rechtsvorschriften – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Art. 12 Abs. 1 – Verordnung (EG) Nr. 987/2009 – Art. 14 Abs. 2 – Leiharbeitsunternehmen – Gewöhnliche Ausübung der Tätigkeit – Bestimmung des Mitgliedstaats, in dem der Arbeitgeber seine Tätigkeit gewöhnlich ausübt – Verpflichtung, einen nennenswerten Teil der Tätigkeit der vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung zugunsten von Unternehmen mit Sitz in demselben Mitgliedstaat zu verrichten“






1.        Leiharbeitsunternehmen stellen Arbeitnehmer mit dem Ziel ein, sie anderen Unternehmen (im Folgenden als „entleihende Unternehmen oder Entleiher“ bezeichnet) zur Verfügung zu stellen. Im Rahmen eines Leiharbeitsvertrags zwischen einem Leiharbeitsunternehmen und einem entleihenden Unternehmen wird das Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Leiharbeitsunternehmen aufrechterhalten, jedoch wird der Arbeitnehmer der Aufsicht und Weisungsbefugnis des entleihenden Unternehmens unterstellt.

2.        Im Ausgangsrechtsstreit des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens hat das vorlegende Gericht zu entscheiden, welchen Sozialversicherungsvorschriften ein bulgarischer Arbeitnehmer unterliegt, der von einem Leiharbeitsunternehmen mit Sitz in Bulgarien vorübergehend einem deutschen Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wurde.

3.        Zur Klärung dieser Frage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um die Auslegung von Art. 14 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009(2) in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004(3).

4.        Die Beantwortung der Vorlagefrage erfordert die Feststellung, worum es sich bei den nennenswerten Tätigkeiten der Leiharbeitsunternehmen genau handelt. Insbesondere muss eine Unterscheidung zwischen „nennenswerten Tätigkeiten“ und „reinen internen Verwaltungstätigkeiten“ dieser Art von Unternehmen getroffen werden.

5.        Mit diesen beiden Begriffen übernimmt der Unionsgesetzgeber in Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 987/2009 die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004. Es ist nun Sache des Gerichtshofs, diese Rechtsprechung in Bezug auf Leiharbeitsunternehmen zu präzisieren.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Verordnung Nr. 883/2004

6.        Art. 2 („Persönlicher Geltungsbereich“) Abs. 1 bestimmt:

„(1)      Diese Verordnung gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.“

7.        Art. 11 („Allgemeine Regelung“) sieht vor:

„(1)      Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(3)      Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a)      eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

…“

8.        Art. 12 („Sonderregelung“) Abs. 1 legt fest:

„Eine Person, die in einem Mitgliedstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit 24 Monate nicht überschreitet und diese Person nicht eine andere entsandte Person ablöst.“

2.      Verordnung Nr. 987/2009

9.        Art. 14 („Nähere Vorschriften zu den Artikeln 12 und 13 der Grundverordnung [Nr. 883/2004]“) Abs. 2 bestimmt:

„Bei der Anwendung von Artikel 12 Absatz 1 der Grundverordnung [Nr. 883/2004] beziehen sich die Worte ,der gewöhnlich dort tätig ist‘ auf einen Arbeitgeber, der gewöhnlich andere nennenswerte Tätigkeiten als reine interne Verwaltungstätigkeiten auf dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem das Unternehmen niedergelassen ist, ausübt …“

10.      In Art. 19 („Unterrichtung der betreffenden Personen und der Arbeitgeber“) heißt es:

„(1)      Der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften nach Titel II der Grundverordnung [Nr. 883/2004] anzuwenden sind, unterrichtet die betreffende Person sowie gegebenenfalls deren Arbeitgeber über die Pflichten, die in diesen Rechtsvorschriften festgelegt sind. Er gewährt ihnen die erforderliche Unterstützung bei der Einhaltung der Formvorschriften aufgrund dieser Rechtsvorschriften.

(2)      Auf Antrag der betreffenden Person oder ihres Arbeitgebers bescheinigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften nach Titel II der Grundverordnung [Nr. 883/2004] anzuwenden sind, dass und gegebenenfalls wie lange und unter welchen Umständen diese Rechtsvorschriften anzuwenden sind.“

3.      Richtlinie 96/71/EG(4)

11.      Art. 1 bestimmt:

„(1)      Diese Richtlinie gilt für Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer gemäß Absatz 3 in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden.

(3)      Diese Richtlinie findet Anwendung, soweit die in Absatz 1 genannten Unternehmen eine der folgenden länderübergreifenden Maßnahmen treffen:

c)      als Leiharbeitsunternehmen oder als einen Arbeitnehmer überlassendes Unternehmen einen Arbeitnehmer einem entleihenden Unternehmen überlassen, das seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder dort seine Tätigkeit ausübt, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitsunternehmen oder dem einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht.

Muss ein Arbeitnehmer, der von einem Leiharbeitsunternehmen oder einem Arbeitnehmer überlassenden Unternehmen einem entleihenden Unternehmen gemäß Buchstabe c überlassen wird, Arbeit im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Buchstabe a, b oder c im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen verrichten, in dem der Arbeitnehmer normalerweise entweder für das Leiharbeitsunternehmen oder das Arbeitnehmer zur Verfügung stellende Unternehmen oder das entleihende Unternehmen arbeitet, so gilt der Arbeitnehmer als von dem Leiharbeitsunternehmen oder dem Arbeitnehmer zur Verfügung stellenden Unternehmen, mit dem der Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis steht, in das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats entsandt. Das Leiharbeitsunternehmen oder das einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellende Unternehmen ist als ein Unternehmen im Sinne von Absatz 1 zu betrachten und hält die entsprechenden Bestimmungen dieser Richtlinie und der Richtlinie 2014/67/EU des Europäischen Parlaments und des Rates uneingeschränkt ein.

…“

4.      Richtlinie 2008/104/EG(5)

12.      Art. 1 („Anwendungsbereich“) sieht vor:

„(1)      Diese Richtlinie gilt für Arbeitnehmer, die mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben oder ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen sind und die entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um vorübergehend unter deren Aufsicht und Leitung zu arbeiten.

…“

13.      Art. 2 („Ziel“) lautet:

„Ziel dieser Richtlinie ist es, für den Schutz der Leiharbeitnehmer zu sorgen und die Qualität der Leiharbeit zu verbessern, indem die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern gemäß Artikel 5 gesichert wird und die Leiharbeitsunternehmen als Arbeitgeber anerkannt werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass ein angemessener Rahmen für den Einsatz von Leiharbeit festgelegt werden muss, um wirksam zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Entwicklung flexibler Arbeitsformen beizutragen.“

5.      Richtlinie (EU) 2014/67/EU(6)

14.      In Art. 4 („Feststellung einer tatsächlichen Entsendung und Verhinderung von Missbrauch und Umgehung“) heißt es:

„(1)      Bei der Durchführung, Anwendung und Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG führen die zuständigen Behörden eine Gesamtbeurteilung aller tatsächlichen Umstände durch, die als notwendig erachtet werden, einschließlich insbesondere derjenigen, die in den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels genannt sind. Diese Umstände sollen den zuständigen Behörden bei Überprüfungen und Kontrollen behilflich sein sowie dann, wenn die Behörden Grund zu der Annahme haben, dass ein Arbeitnehmer möglicherweise nicht als entsandter Arbeitnehmer gemäß der Richtlinie 96/71/EG angesehen werden kann. Bei diesen Umständen handelt es sich um Anhaltspunkte für die vorzunehmende Gesamtbeurteilung, weswegen sie nicht isoliert betrachtet werden dürfen.

(2)      Um zu beurteilen, ob ein Unternehmen tatsächlich wesentliche Tätigkeiten ausübt, die über rein interne Management- und/oder Verwaltungstätigkeiten hinausgehen, nehmen die zuständigen Behörden unter Berücksichtigung eines weiten Zeitrahmens eine Gesamtbewertung aller tatsächlichen Umstände vor, die die von einem Unternehmen im Niederlassungsmitgliedstaat und erforderlichenfalls im Aufnahmemitgliedstaat ausgeübten Tätigkeiten charakterisieren. Diese Umstände können insbesondere Folgendes umfassen:

a)      der Ort, an dem das Unternehmen seinen Sitz und seine Verwaltung hat, Büroräume nutzt, Steuern und Sozialabgaben zahlt und gegebenenfalls nach nationalem Recht eine gewerbliche Zulassung besitzt oder bei der Handelskammer oder entsprechenden Berufsvereinigungen gemeldet ist;

b)      der Ort, an dem entsandte Arbeitnehmer eingestellt werden und von dem aus sie entsandt werden;

c)      das Recht, das auf die Verträge anzuwenden ist, die das Unternehmen mit seinen Arbeitnehmern und mit seinen Kunden abschließt;

d)      der Ort, an dem das Unternehmen seine wesentliche Geschäftstätigkeit ausübt und an dem es Verwaltungspersonal beschäftigt;

e)      die Zahl der im Niederlassungsmitgliedstaat erfüllten Verträge und/oder die Höhe des Umsatzes, der dort erzielt wird, wobei beispielsweise der Situation von neu gegründeten Unternehmen und von KMU Rechnung zu tragen ist.“

B.      Bulgarisches Recht

15.      Art. 107p des Kodeks na truda (Arbeitsgesetzbuch) bestimmt:

„(1)      In einem Arbeitsvertrag, der mit einem [Leiharbeitsunternehmen] geschlossen wird, ist festzulegen, dass der Arbeitnehmer einem entleihenden Unternehmen überlassen wird, um dort unter der Aufsicht und Leitung des entleihenden Unternehmens vorübergehend zu arbeiten.

(7)      Nachdem die [Leiharbeitsunternehmen] sich bei der Arbeitsagentur angemeldet haben, üben sie ihre Tätigkeit gemäß den im Zakon za nasarchvane na zaetostta (Gesetz über die Beschäftigungsförderung) festgelegten Bedingungen und Modalitäten aus.“

16.      Art. 4 des Kodeks za sotsialnoto osiguryavane (Sozialversicherungsgesetzbuch) sieht vor:

„Arbeiter und Angestellte genießen unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit, den Modalitäten der Vergütung und der Quelle ihrer Einkünfte Schutz nach dem vorliegenden Gesetzbuch bei gewöhnlichen Krankheiten, Mutterschaft, Invalidität aufgrund einer gewöhnlichen Krankheit, Alter oder Tod, Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und Arbeitslosigkeit …“

17.      Art. 2 Abs. 1 der Naredba za sluzhebnite komandirovki i spetsializatsii v chuzhbina (Verordnung über die Entsendung von Arbeitnehmern und Spezialisierungspraktika im Ausland) legt fest:

„Eine Entsendung ins Ausland liegt vor, wenn eine Person für die Verrichtung einer konkreten Arbeit auf Anweisung der diese Person entsendenden Einrichtung ins Ausland geschickt wird.“

II.    Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage

18.      Die Gesellschaft „Team Power Europe“ EOOD (im Folgenden: Team Power) wurde nach bulgarischem Recht gegründet und ist im Bereich der Verschaffung von Leiharbeit und Arbeitsvermittlung tätig.

19.      Team Power ist bei der Agentsia po zaetostta (Agentur für Arbeit, Bulgarien) als Leiharbeitsunternehmen registriert und verfügt über eine amtliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland(7).

20.      Am 8. Oktober 2018 schloss Team Power einen Arbeitsvertrag mit einem bulgarischen Staatsbürger (im Folgenden: Arbeitnehmer) ab. Nach dem Vertrag wurde der Arbeitnehmer nach Deutschland entsandt, wo er für die Gesellschaft CLW Clausthaler Laser- und Werkstofftechnik GmbH unter deren Leitung und Aufsicht arbeiten sollte.

21.      Der Vertrag sieht vor, dass die Pflichten des Arbeitnehmers mit der Position „Maschinenbediener – Metallbearbeitung“ vom Entleiher festgelegt werden und dass Team Power den Arbeitslohn zahlt.

22.      Am 9. Mai 2019 beantragte Team Power bei der Teritorialna direktsia na Natsionalna agentsia po prihodite (Territorialdirektion der Nationalen Agentur für Einnahmen, Bulgarien) eine Bescheinigung A1 zum Nachweis, dass der Arbeitnehmer während der Überlassung den bulgarischen Rechtsvorschriften unterliegt.

23.      In dem Antrag gab Team Power an, dass während der Überlassung das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem Arbeitnehmer bestehen bleibe, er Arbeitslohn von ihr erhalte und von ihr sozial- und krankenversichert werde.

24.      Mit Entscheidung vom 30. Mai 2019 versagte die zuständige Verwaltungsbehörde die Erteilung der beantragten Bescheinigung mit der Begründung, dass die zwei kumulativen Voraussetzungen, unter denen der Arbeitnehmer weiterhin dem bulgarischen Sozialversicherungsrecht unterliegen könne, nicht erfüllt seien, da die direkte Bindung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber nicht aufrechterhalten worden sei und der Arbeitgeber keinen nennenswerten Teil seiner Tätigkeit in Bulgarien ausübe.

25.      Mit Entscheidung vom 11. Juni 2019 bestätigte der Direktor na Teritorialna direktsia na Natsionalna agentsia za prihodite – Varna (Direktor der Territorialdirektion der Nationalen Agentur für Einnahmen – Varna) die ablehnende Entscheidung.

26.      Der Administrativen sad – Varna (Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien), der über die Klage gegen diesen Widerspruchsbescheid zu entscheiden hat, legt die folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

Ist Art. 14 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 dahin auszulegen, dass, um annehmen zu können, dass ein Leiharbeitsunternehmen gewöhnlich in dem Mitgliedstaat tätig ist, in dem es niedergelassen ist, es einen nennenswerten Teil der Tätigkeit der Arbeitnehmerüberlassung für Entleiher zu erbringen hat, die im selben Mitgliedstaat niedergelassen sind?

27.      Das vorlegende Gericht führt aus:

–        Seine Rechtsprechung in Bezug darauf, wann die zweite Voraussetzung des Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 erfüllt sei, sei uneinheitlich. Die Widersprüchlichkeit folge aus der unterschiedlichen Auslegung von Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 987/2009 im Rahmen der Feststellung, ob der Arbeitgeber „nennenswerte Tätigkeiten“ in dem Mitgliedstaat ausübe, in dem er niedergelassen sei.

–        Um zu beurteilen, ob diese Voraussetzung erfüllt sei, müssten alle Kriterien, die die Tätigkeiten des Arbeitgebers kennzeichneten, darunter auch die in den Rn. 42 und 43 des Urteils des Gerichtshofs vom 10. Februar 2000, FTS(8), genannten Kriterien, berücksichtigt werden.

–        Der Umstand, dass die entsandten Arbeitnehmer für den Entleiher andere Arbeiten verrichteten als die Haupttätigkeit des Unternehmens, das sie eingestellt und entsandt habe, sei unerheblich. Ein Leiharbeitsunternehmen übe daher seine Geschäftstätigkeit gewöhnlich im Mitgliedstaat seiner Betriebsstätte aus, wenn es üblicherweise nennenswerte Tätigkeiten in diesem Staat verrichte.

28.      Das vorlegende Gericht ist jedoch der Ansicht, dass den Urteilen des Gerichtshofs nicht zu entnehmen sei, ob es a) zur Erfüllung der zuvor genannten Voraussetzung ausreiche, wenn der Arbeitgeber Arbeitsverträge mit den in einen anderen Mitgliedstaat (den Beschäftigungsstaat, im vorliegenden Fall Deutschland) entsandten Arbeitnehmern im Entsendestaat(9) (im vorliegenden Fall Bulgarien) abschließe oder ob es b) darüber hinaus erforderlich sei, dass der Arbeitgeber Tätigkeiten der Arbeitnehmerüberlassung für Kunden verrichte, die im Entsendestaat (Bulgarien) tätig seien.

III. Verfahren vor dem Gerichtshof und Standpunkte der Parteien

29.      Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 22. Oktober 2019 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen.

30.      Team Power, die belgische, die bulgarische, die estnische, die finnische und die französische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Mit Ausnahme der estnischen Regierung haben sie alle, ebenso wie die polnische Regierung, an der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2020 teilgenommen.

IV.    Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

31.      Team Power und die Kommission vertreten übereinstimmend den Standpunkt, dass ein Leiharbeitsunternehmen die streitige Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen könne, obwohl es keinen nennenswerten Teil seiner Tätigkeit der Arbeitnehmerüberlassung für entleihende Unternehmen ausübe, die in dem Entsendestaat tätig seien, in dem das Unternehmen selbst niedergelassen sei.

32.      Nach Auffassung von Team Power gehört die Anzahl der im Entsendestaat ausgeführten Verträge nicht zu den im Urteil FTS genannten Kriterien. Die Erwähnung dieses Kriteriums im Beschluss A2 der Verwaltungskommission vom 12. Juni 2009(10) sei nicht bindend.

33.      Team Power fügt hinzu, auch der Umsatz sei nicht zu berücksichtigen, da dieses Kriterium nicht die spezifischen Merkmale von Leiharbeitsunternehmen widerspiegle. Aufgrund dieser Merkmale sei die Berücksichtigung quantitativer Kriterien auszuschließen.

34.      Nach Überzeugung der Kommission reicht es aufgrund der besonderen Merkmale der Leiharbeitsunternehmen aus, wenn ein Unternehmen über Mitarbeiter verfügt, die im Entsendestaat arbeiten, und dort die Arbeitnehmer einstellt, die den Entleihern vorübergehend zur Verfügung gestellt werden. Wenn diese Bedingung erfüllt sei, spreche nichts dagegen, dass das Leiharbeitsunternehmen Arbeitnehmer einstelle, um sie ausschließlich Entleihern mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten zu überlassen.

35.      Die Kommission weist jedoch darauf hin, dass das vorlegende Gericht andere Faktoren prüfen müsse, um Rechtsmissbrauch bzw. die betrügerische Anwendung von Unionsvorschriften ausschließen zu können(11).

36.      Die belgische, die bulgarische, die estnische, die finnische, die französische und die polnische Regierung sind der Auffassung, die Überlassung von Arbeitnehmern an Unternehmen mit Sitz im Entsendestaat müsse einen nennenswerten Teil der Tätigkeit der Leiharbeitsunternehmen darstellen. Dies gehe aus den im Urteil FTS festgelegten Kriterien hervor, die anschließend vom Unionsgesetzgeber kodifiziert und durch die Beschlüsse der Verwaltungskommission und den Praktischen Leitfaden zum anwendbaren Recht(12) ergänzt und an die besonderen Merkmale der Leiharbeitsunternehmen angepasst worden seien.

37.      Die an dem Verfahren beteiligten Regierungen stützen ihren Standpunkt auf mehrere Argumente:

–        Dem Beschluss Nr. 162 der Verwaltungskommission vom 31. Mai 1996(13) sei zu entnehmen, dass ein Leiharbeitsunternehmen seine Tätigkeit gewöhnlich auf dem Gebiet eines bestimmten Mitgliedstaats ausübe, wenn es gewöhnlich Arbeitnehmer an Entleiher im Gebiet dieses Mitgliedstaats überlasse, um sie dort zu beschäftigen. Dies gehe auch aus dem Praktischen Leitfaden hervor.

–        Im Urteil FTS, im Beschluss A2 von 2009 und im Praktischen Leitfaden werde als Beurteilungskriterium der über einen nennenswerten Zeitraum im jeweiligen Mitgliedstaat erzielte Umsatz erwähnt. Da der Umsatz nicht im Mitgliedstaat des entleihenden Unternehmens erzielt werde, müsse geklärt werden, ob das Leiharbeitsunternehmen Arbeitnehmer an Unternehmen im Entsendestaat oder nur an Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten überlasse.

–        In Übereinstimmung mit dem Beschluss A2 von 2009 und dem Praktischen Leitfaden sei ein weiteres wichtiges Kriterium die Anzahl der im Entsendestaat ausgeführten Verträge im Vergleich zu den in anderen Mitgliedstaaten ausgeführten Verträgen.

–        Die Vorschriften in diesem Bereich seien eng auszulegen, da sie eine Ausnahme von der allgemeinen Regel darstellten, dass Arbeitnehmer den Vorschriften des Mitgliedstaats unterlägen, in dem sie arbeiteten.

–        Mit dieser Ausnahmeregelung solle verhindert werden, dass ein Arbeitgeber, der seine Arbeitnehmer für einen begrenzten Zeitraum zur Arbeit in einen anderen Mitgliedstaat entsende, in diesem Mitgliedstaat Sozialversicherungsbeiträge zahlen müsse. Im Fall eines Leiharbeitsunternehmens könnten die Arbeitnehmer, da sie für ein anderes Unternehmen arbeiteten, nicht als „entsandte Arbeitnehmer“ im Sinne der streitigen Ausnahmeregelung angesehen werden.

–        Während im Urteil FTS nicht präzisiert worden sei, worum es sich bei den gewöhnlichen und charakteristischen Tätigkeiten der Leiharbeitsunternehmen handele, gehe aus den Schlussanträgen des Generalanwalts in dieser Rechtssache(14) hervor, dass sie wirklich eine Geschäftstätigkeit im Entsendestaat ausüben müssten. Dies sei vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. November 2000, Plum(15), bestätigt worden.

V.      Würdigung

A.      Vorüberlegungen

38.      Die Frage des vorlegenden Gerichts ist sehr präzise: Muss ein bulgarisches Leiharbeitsunternehmen, damit ein Arbeitnehmer, der von diesem Leiharbeitsunternehmen eingestellt wurde, um ihn einem deutschen Unternehmen zu überlassen, den bulgarischen Sozialversicherungsvorschriften unterliegt, einen nennenswerten Teil seiner Tätigkeit der Arbeitnehmerüberlassung zugunsten von Entleihern mit Sitz in Bulgarien ausüben?

39.      Die Verordnung Nr. 883/2004 stellt „ein vollständiges und einheitliches System von Kollisionsnormen [dar], das bezweckt, die Arbeitnehmer, die innerhalb der Europäischen Union zu- und abwandern, dem System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaats zu unterwerfen, so dass die Kumulierung anwendbarer nationaler Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, vermieden werden“(16).

40.      In diesem Sinne bestimmt Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004, dass Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegen. Nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. a handelt es sich dabei um den Mitgliedstaat, in dem die betreffende Person eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt. Auf diese Weise wird der Grundsatz der lex loci laboris festgeschrieben.

41.      Diese Kollisionsnorm lässt jedoch die in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung 883/2004 enthaltene Ausnahme zu: „Eine Person, die in einem Mitgliedstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats …“(17)

42.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs unterliegt die Anwendung dieser Vorschrift zwei Voraussetzungen: a) Zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer muss während der Dauer der Entsendung weiterhin eine arbeitsrechtliche Bindung(18) bestehen, und b) der Arbeitgeber muss im Entsendestaat „gewöhnlich eine nennenswerte Geschäftstätigkeit“(19) ausüben.

43.      Für das vorlegende Gericht steht außer Zweifel, dass die erste dieser Voraussetzungen (das Fortbestehen der arbeitsrechtlichen Bindung zwischen dem Leiharbeitsunternehmen und dem Arbeitnehmer) erfüllt ist(20), und es konzentriert sich auf die Schwierigkeiten bei der Auslegung der zweiten Voraussetzung.

44.      Diese Auslegungsschwierigkeiten beziehen sich insbesondere auf den Begriff der „gewöhnlichen Ausübung seiner Tätigkeiten“ in Bezug auf Arbeitgeber mit einem so besonderen Profil wie die Leiharbeitsunternehmen, auf die die Richtlinie 96/71 zur Anwendung kommt, da sie als „Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat … im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer … entsenden“ (Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 96/71).

B.      Begriff der „gewöhnlichen Ausübung von Tätigkeiten“

1.      Nennenswerte Tätigkeiten und interne Verwaltungstätigkeiten

45.      Der Gerichtshof hat den Begriff der „gewöhnlichen Ausübung der Tätigkeiten“ über mehrere Jahrzehnte hinweg in einer Rechtsprechung geprägt, die mit dem Urteil vom 17. Dezember 1970, Manpower(21), begründet und in darauffolgende Unionsvorschriften bis hin zur Richtlinie 2014/67 aufgenommen wurde.

46.      Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 987/2009, nach dessen Auslegung das vorlegende Gericht fragt, präzisiert, dass „sich die Worte ,der gewöhnlich dort tätig ist‘ auf einen Arbeitgeber [beziehen], der gewöhnlich andere nennenswerte Tätigkeiten als reine interne Verwaltungstätigkeiten auf dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem das Unternehmen niedergelassen ist, ausübt“.

47.      Mit der Aufnahme dieser Verdeutlichung in einen Gesetzestext hat der Unionsgesetzgeber zwei vom Gerichtshof vorgegebene Punkte übernommen: Es muss sich um eine „nennenswerte Geschäftstätigkeit“(22) handeln; eine „rein interne Verwaltungstätigkeit“(23) reicht nicht aus.

48.      Mit der Nennung in Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 987/2009 der gewöhnlichen Ausübung von „andere[n] nennenswerte[n] Tätigkeiten als reine interne Verwaltungstätigkeiten“(24) wollte der Gesetzgeber die qualitative Tendenz des in den Urteilen FTS und Plum verwendeten Begriffs „nennenswerte Geschäftstätigkeit“ betonen.

49.      Entscheidend ist also nicht die Anzahl der ausgeführten Tätigkeiten, sondern ihre Bedeutung für die Bestimmung des eigentlichen und charakteristischen Gegenstands des entleihenden Unternehmens. Wenn es sich dabei um ein Leiharbeitsunternehmen handelt, müssen seine Besonderheiten berücksichtigt werden, wie es der Gerichtshof im Urteil FTS getan hat.

50.      Nach diesem Urteil müssen „in einer Gesamtschau sämtliche Tätigkeiten eines Leiharbeitsunternehmens“(25) gewürdigt werden. Dabei sind „u. a.“ und nicht erschöpfend(26) die Kriterien zu berücksichtigen, die später zum größten Teil in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2014/67 aufgenommen wurden(27).

51.      Hier findet sich nicht das Kriterium, dass ein Großteil der Tätigkeiten des Leiharbeitsunternehmens darin bestehen muss, Personal an Entleiher zur Verfügung zu stellen, die in dem Mitgliedstaat niedergelassen sind, in dem das Leiharbeitsunternehmen selbst seinen Sitz hat. Dieses Kriterium erscheint jedoch in den Beschlüssen der Verwaltungskommission, wie dem Beschluss Nr. 128 vom 17. Oktober 1985(28) zur Durchführung des Artikels 14 Absatz 1 Buchstabe a) und des Artikels 14b Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71.

52.      Der Gerichtshof hat ausgeschlossen, dass er an solche Beschlüsse gebunden ist, auch wenn sie für die Institutionen, denen die Durchführung des Unionsrechts auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts übertragen ist, ein Hilfsmittel darstellen können(29). Außerdem wurde dieses besondere Kriterium im Urteil FTS nicht erwähnt, obwohl es bereits im Beschluss Nr. 128 von 1985 und im Beschluss Nr. 162/1996 auftauchte(30).

53.      Der Gerichtshof muss nun entscheiden, ob dieses besondere Erfordernis unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens eine zwingende Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahmeregelung aus Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 darstellt.

54.      Ich möchte darauf hinweisen, dass der Gerichtshof, wie die französische Regierung geltend macht, nicht definiert hat, was unter nennenswerte Tätigkeiten eines Leiharbeitsunternehmens zu verstehen ist. Das Urteil FTS geht nicht auf den Inhalt dieser Art von Tätigkeiten ein und ermöglicht daher auch keine Abgrenzung zwischen nennenswerten Tätigkeiten und rein internen Verwaltungstätigkeiten.

55.      Die im Urteil FTS aufgeführten Kriterien setzen in Wirklichkeit einen nennenswerten Inhalt voraus, konkretisieren diesen jedoch nicht näher. Ihr Nutzen ist daher relativ, solange nicht zuvor präzisiert wird, worin die durch solche Kriterien charakterisierten Tätigkeiten bestehen(31).

56.      So hängt z. B. die Bedeutung des Arbeitsplatzes des Verwaltungspersonals der Leiharbeitsunternehmen davon ab, welches Gewicht die Personalverwaltung bei den Tätigkeiten dieser Art von Unternehmen hat, die Arbeitnehmer einstellen, um sie anderen zur Verfügung zu stellen. Diesem Faktor kommt im Fall eines Bau- oder Reinigungsunternehmens eine andere Bedeutung zu als im Fall eines Leiharbeitsunternehmens.

57.      Folglich ist zu bestimmen, worin die charakteristische (nennenswerte) Tätigkeit eines Leiharbeitsunternehmens besteht, bzw. mit den Worten der französischen Regierung, was das „Cœur de métier“ dieser Unternehmen ist.

2.      Nennenswerte Tätigkeit und interne Verwaltungstätigkeit von Leiharbeitsunternehmen

58.      Alle Parteien sind sich darüber einig, dass die charakteristische Tätigkeit eines Leiharbeitsunternehmens darin besteht, Arbeitgeber an ein entleihendes Unternehmen oder einen Entleiher zu überlassen.

59.      Für diese Tätigkeit sind logischerweise eine Reihe von vorbereitenden Tätigkeiten zur Auswahl und Einstellung von Personal erforderlich, die die erschienenen Regierungen als rein interne Verwaltungstätigkeiten einstufen. Team Power und die Kommission machen hingegen geltend, dass diese vorbereitenden Tätigkeiten zur nennenswerten Tätigkeit der Leiharbeitsunternehmen gehörten und somit als typische Tätigkeit dieser Unternehmen einzustufen seien.

60.      Entsprechend ihren jeweiligen Prämissen

–        vertreten die erschienenen Regierungen(32) den Standpunkt, Team Power sei nur dann gewöhnlich in Bulgarien (dem Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen niedergelassen ist) tätig, wenn es an Unternehmen mit Sitz in diesem Mitgliedstaat Arbeitnehmer überlasse;

–        sind die Kommission und Team Power der Ansicht, die Ausübung der oben genannten vorbereitenden Tätigkeiten im Hoheitsgebiet von Bulgarien reiche für die Feststellung aus, dass das Leiharbeitsunternehmen gewöhnlich in diesem Mitgliedstaat tätig sei.

61.      Die Grundzüge der Rechtsprechung des Gerichtshofs in diesem Bereich entstanden im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten, in denen Arbeitnehmer von einem Leiharbeitsunternehmen überlassen(33) oder von einem Bauunternehmen entsandt(34) worden waren. Nach meiner Überzeugung kann der Kontrast zwischen den charakteristischen Tätigkeiten dieser beiden Arten von Arbeitgebern bei der Abgrenzung ihrer jeweiligen nennenswerten Tätigkeiten hilfreich sein.

62.      Die charakteristische Tätigkeit von Bauunternehmen ist die Ausführung eines physischen Werks. Für die Herstellung des Werks müssen sie eine Reihe von vorbereitenden Tätigkeiten durchführen (z. B. die Beschaffung von Material sowie die Auswahl und Einstellung von Arbeitnehmern), die schon an sich eine Organisations- und Verwaltungsstruktur erfordern.

63.      Insbesondere die Auswahl und Einstellung von Arbeitnehmern stellt für Bauunternehmen im Hinblick auf ihren Hauptzweck eine instrumentelle und rein interne Verwaltungstätigkeit dar. Sie ist insofern instrumentell, als die Bauunternehmen Arbeitnehmer zum Bauen benötigen, diese Tätigkeit sie jedoch nicht als Bauunternehmen kennzeichnet.

64.      Der Ort, an dem ein Bauunternehmen seine nennenswerte Tätigkeit ausübt, ist logischerweise der Ort, an dem es seine Bauwerke errichtet. Der Gerichtshof ist daher der Auffassung, dass sich solche Unternehmen nicht auf die Ausnahmeregelung aus Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 berufen können, wenn sie ihre Arbeitnehmer in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats (in dem sie selbst nicht niedergelassen sind) entsenden, in dem sie „– abgesehen von rein interner Verwaltungstätigkeit – [ihre] gesamte Geschäftstätigkeit ausüb[en]“(35).

65.      Bei der Auswahl, Anwerbung und Einstellung von Arbeitnehmern – die, wie ich hier noch einmal betonen möchte, für die charakteristische Tätigkeit eines Bauunternehmens instrumentell sind – handelt es sich um die charakteristischen und spezifischen Tätigkeiten der Leiharbeitsunternehmen(36). Während es sich bei einem Bauunternehmen um ein Unternehmen handelt, das Bauwerke errichtet, ist ein Leiharbeitsunternehmen ein Unternehmen, das von ihm zuvor ausgewählte und eingestellte Arbeitnehmer an andere Unternehmen überlässt.

66.      Die Auswahl und Einstellung der Arbeitnehmer ist folglich für die Tätigkeit der Arbeitnehmerüberlassung von wesentlicher Bedeutung. Es handelt sich um ein Kontinuum, bei dem sowohl der Zeitpunkt der Arbeitnehmerüberlassung im engeren Sinne als auch der Prozess der Auswahl der Person, deren Arbeit zur Verfügung gestellt wird, von Bedeutung sind. Für ein Leiharbeitsunternehmen ist die Auswahl und Einstellung der Arbeitnehmer ebenso wichtig wie die Suche nach Entleihern, an die die Arbeitnehmer überlassen werden sollen.

67.      Aus diesem Grund stimme ich mit der Kommission darin überein, dass bei Leiharbeitsunternehmen die in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 genannte Bedingung von dem Zeitpunkt an erfüllt ist, in dem die Unternehmen über eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern verfügen, deren Aufgabe es ist, Arbeitnehmer auszuwählen, um sie vorübergehend Entleihern zu überlassen, die in einem beliebigen Mitgliedstaat niedergelassen sind, und nicht nur oder nicht hauptsächlich in dem Mitgliedstaat, in dem das Leiharbeitsunternehmen selbst niedergelassen ist.

68.      Es ist daher zu unterscheiden zwischen a) den Mitarbeitern des Leiharbeitsunternehmens, die für die Auswahl, Einstellung und das Angebot von Arbeitnehmern an die entleihenden Unternehmen zuständig sind, und b) den Arbeitnehmern, die ausgewählt und eingestellt und – unter Aufrechterhaltung der arbeitsrechtlichen Bindung mit dem Leiharbeitsunternehmen – den entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Während Erstere die charakteristische Tätigkeit des Leiharbeitsunternehmens ausüben, stellen Letztere den Gegenstand der vom Leiharbeitsunternehmen erbrachten Dienstleistung dar.

69.      Wenn Leiharbeitsunternehmen als rechtmäßige Erbringer einer Dienstleistung (der vorübergehenden Überlassung von Arbeitnehmern an andere Wirtschaftsteilnehmer) anerkannt werden(37), kann diese Dienstleistung eine länderübergreifende Dimension annehmen und wird durch die in Art. 56 AEUV garantierte Freiheit geschützt. Insoweit dürfen ihr keine ungerechtfertigten Einschränkungen auferlegt werden.

70.      Ungeachtet der Erwägungen, die ich im Anschluss zur Bekämpfung von Missbrauch und Betrug in diesem Bereich anstellen werde, sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass durch Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 „u. a. der freie Dienstleistungsverkehr zugunsten von Unternehmen gefördert werden [soll], die davon Gebrauch machen, um Arbeitnehmer in andere Mitgliedstaaten als den Staat zu entsenden, in dem sie ihren Sitz haben. [Die Vorschrift] soll somit dazu dienen, Hindernisse für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu überwinden sowie die gegenseitige wirtschaftliche Durchdringung zu begünstigen, indem administrative Komplikationen, insbesondere für die Arbeitnehmer und die Unternehmen, vermieden werden.“(38) In diesem Zusammenhang sind auch die Tätigkeiten der Leiharbeitsunternehmen einzuordnen.

71.      Für die Entscheidung, ob die Tätigkeit der Mitarbeiter des Leiharbeitsunternehmens, die für die Auswahl, Einstellung und das Angebot von Arbeitnehmern zuständig sind, im Entsendestaat ausgeübt wird, können die nationalen Behörden einige der im Urteil FTS genannten Kriterien anwenden. Dazu gehören z. B.: a) der Ort, an dem das Leiharbeitsunternehmen seinen Sitz hat, b) der Ort, an dem es seine Verwaltung hat, c) die Zahl der im Mitgliedstaat seiner Betriebsstätte bzw. in dem anderen Mitgliedstaat Beschäftigten und d) der Ort, an dem das Leiharbeitsunternehmen die Arbeitnehmer einstellt, deren Arbeitskraft es anbietet.

72.      Bei den aufgezählten Kriterien handelt es sich nicht um alle Kriterien, die im Urteil FTS genannt werden. Es fehlen die Kriterien des Ortes des Vertragsschlusses zwischen dem Leiharbeitsunternehmen und dem Entleiher, das Kriterium der auf die Verträge anwendbaren Rechtsvorschriften sowie das Kriterium des im Entsendestaat und in anderen Mitgliedstaaten erzielten Umsatzes.

73.      Nach meiner Überzeugung belegen diese letzten drei Kriterien nicht die tatsächliche Verbindung zwischen dem Leiharbeitsunternehmen und dem Entsendestaat. Eine solche Verbindung hängt vielmehr davon ab, dass die Mitarbeiter, die die charakteristische Tätigkeit des Leiharbeitsunternehmens selbst ausüben, die Arbeitnehmer in diesem Mitgliedstaat auswählen, einstellen und anbieten.

74.      Insbesondere kann das Kriterium des Umsatzes zur Bestimmung des Ortes der Arbeitnehmerüberlassung herangezogen werden, aber nicht, um festzustellen, wo die zu überlassenden Arbeitnehmer ausgewählt und eingestellt werden, was, wie ich betonen möchte, den harten Kern der charakteristischen Tätigkeit der Leiharbeitsunternehmen ausmacht.

75.      Bei der Prüfung der tatsächlichen Verbindung des Leiharbeitsunternehmens mit dem Entsendestaat, in dem es niedergelassen ist, sind die Kriterien aus dem Urteil FTS, die ich unter Nr. 71 genannt habe, diejenigen, die wirklich wichtig sind. Die anderen Kriterien sind zwar auch von Bedeutung, jedoch nicht für den Nachweis dieser Verbindung, sondern zur Verhinderung von Rechtsmissbrauch und Betrug.

76.      Wenn folglich die nennenswerte Tätigkeit des Leiharbeitsunternehmens (d. h. die Auswahl der Arbeitnehmer, um sie den entleihenden Unternehmen zu überlassen) im Entsendestaat stattfindet, in dem das Unternehmen über Personal und eine Organisationsstruktur verfügt, die den Kriterien aus dem Urteil FTS entspricht, ist es nicht mehr von Bedeutung, wie viele Arbeitnehmer das Leiharbeitsunternehmen in einen anderen Mitgliedstaat entsendet und wie viele Arbeitnehmer es im Vergleich dazu gegebenenfalls an Unternehmen mit Sitz in Bulgarien überlässt.

C.      Missbrauch und Betrug

77.      Dem Gerichtshof zufolge stellt „[d]er in dieser Rechtsprechung aufgestellte Grundsatz des Verbots von Betrug und Rechtsmissbrauch … einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, der von den Rechtsunterworfenen zu beachten ist. Die Anwendung der Unionsrechtsvorschriften kann nämlich nicht so weit gehen, dass Vorgänge geschützt werden, die zu dem Zweck durchgeführt werden, betrügerisch oder missbräuchlich in den Genuss von im Unionsrecht vorgesehenen Vorteilen zu gelangen“(39).

78.      Eine Dienstleistung, deren Zweck die Arbeitnehmerüberlassung ist, erfolgt in einem „aus beruflicher und sozialer Sicht besonders sensiblen Bereich“, da sich „[w]egen der Besonderheiten der mit dieser Art von Tätigkeit verbundenen Arbeitsbeziehungen … die Ausübung dieser Tätigkeit unmittelbar sowohl auf die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt als auch auf die berechtigten Interessen der betroffenen Arbeitnehmer aus[wirkt]“(40).

79.      Es muss folglich verhindert werden, dass die Leiharbeitsunternehmen die in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 vorgesehene Möglichkeit missbrauchen. Diese Möglichkeit darf nicht zulasten des Anspruchs der entsandten Arbeitnehmer auf das im Beschäftigungsmitgliedstaat geltende Sozialversicherungssystem gehen, da es sich hierbei um den allgemeinen Grundsatz handelt(41).

80.      Dies könnte der Fall sein, wenn die Gründung eines Leiharbeitsunternehmens es den Unternehmen ermöglichen würde, „sich rein künstlicher Konstruktionen zu bedienen, um die unionsrechtliche Regelung allein zu dem Zweck zu nutzen, die Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen [Sozialversicherungs]systemen auszunutzen“(42). Ein solches Leiharbeitsunternehmen wäre eine reine „Briefkastenfirma“ oder „Strohfirma“(43), die zur Verdeckung einer Arbeitnehmerüberlassung innerhalb desselben Wirtschaftsteilnehmers zwischengeschaltet wird, der das Leiharbeitsunternehmen nutzt, um die Zahlung von höheren Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen im Beschäftigungsstaat zu umgehen.

81.      Das Ziel, Missbräuche beim Abschluss von Leiharbeitsverträgen zu verhindern, kann „bei Fehlen anderweitiger Rechtfertigungsgründe … nicht einen quasigenerellen Ausschluss dieser Arbeitsform, etwa den Ausschluss von Leiharbeit in einem ganzen Wirtschaftszweig oder die Festlegung einer Quote für solche Art Verträge, rechtfertigen … Eine Maßnahme, die die missbräuchliche Ausübung eines Rechts verhindern soll, darf nicht einer Versagung des fraglichen Rechts gleichkommen.“(44)

82.      Es muss folglich ein Gleichgewicht gefunden werden zwischen der rechtmäßigen Nutzung der Freiheit der Leiharbeitsunternehmen, Dienstleistungen für entleihende Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten zu erbringen (indem sie ihnen vorübergehend Arbeitnehmer überlassen), einerseits und der Bekämpfung von Betrug und Rechtsmissbrauch andererseits(45).

83.      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs „für sich allein keinen Missbrauch darstellt, wenn eine Gesellschaft ihren – satzungsmäßigen oder tatsächlichen – Sitz nach dem Recht eines Mitgliedstaats begründet, um in den Genuss günstigerer Rechtsvorschriften zu kommen“(46).

84.      Als allgemeine Regel kann sich ein Leiharbeitsunternehmen somit in dem Mitgliedstaat mit den seiner Ansicht nach günstigsten Rechtsvorschriften niederlassen, um von dort aus seine Arbeitnehmer im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen vorübergehend an Unternehmen in anderen Staaten zu entsenden.

85.      Zu diesem Zweck müssen die zuständigen Behörden erstens prüfen, ob das Leiharbeitsunternehmen über eine ausreichende Verwaltungsstruktur verfügt, die mit eigenem Personal im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, von dem aus es tätig ist, Arbeitnehmer auswählt und einstellt. Weiterhin ist zu prüfen, ob das Unternehmen alle Anforderungen aus den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats erfüllt.

86.      Zweitens müssen sie sich vergewissern, dass die arbeitsrechtliche Bindung zwischen dem Leiharbeitsunternehmen und dem Arbeitnehmer, der dem Entleiher überlassen wird, tatsächlich und dauerhaft besteht(47). Die entsendete Person muss „unmittelbar vor Beginn ihrer Entsendung bereits den Rechtsvorschriften [der sozialen Sicherheit] des Mitgliedstaats unterlegen haben, in dem das Unternehmen, bei dem sie eingestellt wird, seinen Sitz hat“(48).

87.      Drittens können die Behörden es als Hinweis auf eine Betrugsabsicht ansehen, wenn das Leiharbeitsunternehmen die Arbeitnehmer nur einem oder einigen wenigen Unternehmen aus einem einzigen Beschäftigungsstaat überlässt, in dem das Leiharbeitsunternehmen selbst nicht niedergelassen ist, und es zu diesen Unternehmen nennenswerte Verbindungen (über Aktienbeteiligungen oder ähnliche Beziehungen) aufweist.

88.      Sicherlich ist die Nachfrage nach Arbeitnehmern, die von Leiharbeitsunternehmen überlassen werden, in der Union sehr ungleichmäßig verteilt(49). Es kann daher nicht erwartet werden, dass alle Leiharbeitsunternehmen ihr Angebot an alle Mitgliedstaaten richten. Die geografische Nähe ist daher ein Faktor, der eventuell bei der Abgrenzung des Markts, in dem sie sich entscheiden, tätig zu werden, zu berücksichtigen ist.

89.      In der vorliegenden Rechtssache erklärt Team Power, dass es sich bei den Arbeitnehmern, die sie potenziellen Entleihern zur Verfügung stelle, um bulgarische Arbeitnehmer mit Wohnsitz in Bulgarien handle, die „vor allem“ Unternehmen mit Sitz in Deutschland überlassen würden(50). Das Leiharbeitsunternehmen macht jedoch geltend, dass der Umstand, dass es keine Arbeitnehmer in andere Mitgliedstaaten entsende, im Wesentlichen auf die Praxis der bulgarischen Behörden zurückzuführen sei, die dem Ausgangsverfahren zugrunde liege(51).

90.      Wenn es dies für notwendig erachtet, muss das vorlegende Gericht diesen Punkt und alle tatsächlichen Umstände prüfen, die den Verdacht auf Betrug oder Missbrauch bei der Inanspruchnahme der in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 vorgesehenen Ausnahmeregelung ausräumen könnten(52).

91.      Wenn Missbrauch und betrügerische Absichten ausgeschlossen werden können, spricht nichts dagegen, dass ein Leiharbeitsunternehmen mit Sitz in Bulgarien die streitige Ausnahmeregelung in Anspruch nimmt, um seine Dienstleistungen an Entleiher in anderen Mitgliedstaaten zu erbringen, selbst wenn es keinen nennenswerten Teil dieser Dienstleistungen an in Bulgarien ansässige Unternehmen erbringt.

VI.    Ergebnis

92.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Administrativen sad – Varna (Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien) wie folgt zu antworten:

Art. 14 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2009, L 284, S. 1) ist dahin auszulegen, dass ein Leiharbeitsunternehmen, sofern nicht Betrug oder Missbrauch festgestellt werden, für die Annahme, dass es gewöhnlich in dem Mitgliedstaat tätig ist, in dem es niedergelassen ist, nicht unbedingt einen nennenswerten Teil der Tätigkeit der Arbeitnehmerüberlassung für Entleiher erbringen muss, die im selben Mitgliedstaat niedergelassen sind.


1      Originalsprache: Spanisch.


2      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2009, L 284, S. 1), geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 465/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 (ABl. 2012, L 149, S. 4).


3      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, berichtigt in ABl. 2004, L 200, S. 1), wiederum geändert durch die Verordnung Nr. 465/2012. Mit der Verordnung Nr. 883/2004 wurde mit Wirkung zum 1. Mai 2010 die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. 1971, L 149, S. 2), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 631/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2004, L 100, S. 1), aufgehoben.


4      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1). Der Wortlaut des hier wiedergegebenen Art. 1 beinhaltet die Änderungen, die durch die Richtlinie (EU) 2018/957 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 2018, L 173, S. 16) vorgenommen wurden.


5      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. 2008, L 327, S. 9).


6      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt‑Informationssystems („IMI-Verordnung“) (ABl. 2014, L 159, S. 11).


7      Die Erlaubnis wurde erteilt von der Agentur für Arbeit Düsseldorf der deutschen Bundesagentur für Arbeit.


8      Rechtssache C‑202/97, EU:C:2000:75, im Folgenden: Urteil FTS.


9      Ich benutze die Begriffe „Entsendestaat“ und „Beschäftigungsstaat“ für den Staat, in dem das Leiharbeitsunternehmen niedergelassen ist, bzw. den Staat, in dem das entleihende Unternehmen den dorthin entsandten Arbeitnehmer beschäftigt. Diese Terminologie wird häufig in den Beschlüssen der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, die gemäß Art. 71 der Verordnung Nr. 883/2004 eingesetzt wurde (im Folgenden: Verwaltungskommission), verwendet.


10      Beschluss zur Auslegung des Artikels 12 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der auf entsandte Arbeitnehmer sowie auf Selbstständige, die vorübergehend eine Tätigkeit in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat ausüben, anzuwendenden Rechtsvorschriften (ABl. 2010, C 106, S. 5, im Folgenden: Beschluss A2 von 2009).


11      Das vorlegende Gericht müsse z. B. prüfen, ob Team Power die Arbeitnehmer nur an ein oder zwei deutsche Unternehmen überlasse, wer Team Power gegründet habe, welche Verbindungen das Leiharbeitsunternehmen zu den deutschen Unternehmen aufweise und wie viele Mitarbeiter ihm für seine Tätigkeit in Bulgarien zur Verfügung ständen.


12      Praktischer Leitfaden zum anwendbaren Recht in der Europäischen Union (EU), im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und in der Schweiz: (https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=471&langId=de) (im Folgenden: Praktischer Leitfaden).


13      Beschluss zur Auslegung des Artikels 14 Absatz 1 und des Artikels 14b Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates hinsichtlich der auf entsandte Arbeitnehmer anzuwendenden Rechtsvorschriften (ABl. 1996, L 241, S. 28, im Folgenden: Beschluss Nr. 162 von 1996).


14      Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs (C‑202/97, EU:C:1999:33).


15      Rechtssache C‑404/98, EU:C:2000:607, im Folgenden: Urteil Plum.


16      Urteil vom 6. Februar 2018, Altun u. a. (C‑359/16, EU:C:2018:63, im Folgenden: Urteil Altun, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).


17      Voraussetzung ist, dass die voraussichtliche Dauer der Arbeit 24 Monate nicht überschreitet und der entsandte Arbeitnehmer nicht einen anderen Arbeitnehmer ablöst.


18      Bei dieser arbeitsrechtlichen Bindung muss es sich nach dem Urteil vom 17. November 2016, Betriebsrat der Ruhrlandklinik (C‑216/15, EU:C:2016:883, Rn. 36), nicht unbedingt um einen Arbeitsvertrag handeln: „Eine Beschränkung des Arbeitnehmerbegriffs im Sinne der Richtlinie 2008/104 auf Personen, die nach nationalem Recht unter diesen Begriff fallen, insbesondere auf diejenigen Personen, die mit dem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben, könnte die Verwirklichung dieser Ziele gefährden und folglich die praktische Wirksamkeit der Richtlinie durch eine übermäßige und ungerechtfertigte Einschränkung ihres Anwendungsbereichs beeinträchtigen.“


19      Vgl. statt aller Urteil Altun, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung.


20      Im Ausgangsverfahren ist dies jedoch streitig, und die Behörde bezweifelt das Bestehen einer arbeitsrechtlichen Bindung zwischen Team Power und dem Arbeitnehmer.


21      Rechtssache 35/70, EU:C:1970:120, im Folgenden: Urteil Manpower. Im Rahmen der Auslegung eines entfernten Vorgängers von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 (nämlich Art. 13 Buchst. a der Verordnung Nr. 3 des Rates der EWG vom 25. September 1958, geändert durch die Verordnung Nr. 24/64 des Rates der EWG vom 10. März 1964 [ABl. 1964, 47, S. 746]) wurde im Urteil Manpower festgestellt, dass Art. 13 Buchst. a nur deshalb darauf abstellt, „dass der Arbeitnehmer einem Betrieb im Sitzstaat des Unternehmens angehören muss, … um die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf Arbeitnehmer zu beschränken, die von normalerweise in ihrem Sitzstaat tätigen Unternehmen eingestellt wurden“ (Urteil Manpower, Rn. 16, Hervorhebung nur hier).


22      Urteil FTS, Rn. 40, 42 und 45, und Urteil Plum, Rn. 21.


23      Urteil Plum, Rn. 22.


24      Hervorhebung nur hier.


25      Urteil FTS, Rn. 42.


26      Urteil FTS, Rn. 43.


27      Vgl. oben, Nr. 14 der vorliegenden Schlussanträge. Im Urteil FTS, Rn. 43, werden u. a. genannt „der Ort, an dem das Unternehmen seinen Sitz und seine Verwaltung hat, die Zahl der im Mitgliedstaat seiner Betriebsstätte bzw. in dem anderen Mitgliedstaat in der Verwaltung Beschäftigten, der Ort, an dem die entsandten Arbeitnehmer eingestellt werden, der Ort, an dem der Großteil der Verträge mit den Kunden geschlossen wird, das Recht, dem die Verträge unterliegen, die das Unternehmen mit seinen Arbeitnehmern bzw. mit seinen Kunden schließt, sowie der während eines hinreichend charakteristischen Zeitraums im jeweiligen Mitgliedstaat erzielte Umsatz“.


28      ABl. 1986, C 141, S. 6, im Folgenden: Beschluss Nr. 128 von 1985. In dieselbe Richtung geht Nr. 2 Buchst. b Ziff. ii erster Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 162 von 1996.


29      Vgl. statt aller Urteil vom 11. Juli 2018, Kommission/Belgien (C‑356/15, EU:C:2018:555, Rn. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Gleiche gilt für den Praktischen Leitfaden: Urteil vom 8. Mai 2019, Inspecteur van de Belastingdienst (C‑631/17, EU:C:2019:381, Rn. 41).


30      Es könnte von Bedeutung sein, dass nach Erlass des Urteils FTS das Kriterium in den Beschluss Nr. 181 vom 13. Dezember 2000 zur Auslegung des Artikels 14 Absatz 1, des Artikels 14a Absatz 1 und des Artikels 14b Absätze 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates hinsichtlich der auf entsandte Arbeitnehmer sowie auf Selbstständige, die vorübergehend eine Tätigkeit in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat ausüben, anzuwendenden Rechtsvorschriften (ABl. 2001, L 329, S. 73) nicht mehr aufgenommen wurde.


31      Im Urteil FTS selbst heißt es, dass es „vom jeweiligen Einzelfall abhängt, welche Kriterien zu berücksichtigen sind“ (Rn. 43).


32      So ist z. B. die finnische Regierung der Ansicht, dass die Überlassung von Arbeitnehmern und die Personalverwaltung im Entsendestaat nicht ausreichten, um eine nennenswerte Tätigkeit im Entsendestaat nachzuweisen. Für die Feststellung, ob ein Leiharbeitsunternehmen nennenswerte Tätigkeiten im Entsendestaat ausübe, sei erforderlich, dass es Arbeitnehmer an entleihende Unternehmen mit Sitz in diesem Mitgliedstaat überlasse.


33      Insbesondere Urteil FTS; außerdem Urteil vom 10. Februar 2011, Vicoplus u. a. (C‑307/09 bis C‑309/09, EU:C:2011:64).


34      Urteile Manpower, Plum und Altun.


35      Urteil Plum, Rn. 22. Hervorhebung nur hier.


36      Nach Ansicht der finnischen Regierung handelt es sich selbst unter der Annahme, dass die Überlassung von Arbeitnehmern ein fester Bestandteil der Tätigkeiten von Leiharbeitsunternehmen ist, um eine ureigene Aufgabe eines jeden Unternehmens, so dass allein der Ort, an dem die Unternehmen tätig seien, für die die Leiharbeitsunternehmen ihre Dienstleistungen erbrächten, das relevante Kriterium sein könne. Dieser Ansatz berücksichtigt jedoch nicht, dass zwar alle Unternehmen Personal zwecks Ausübung ihrer Tätigkeit einstellen, das charakteristische Merkmal der Leiharbeitsunternehmen jedoch gerade darin besteht, dass sie Arbeitnehmer einstellen, um sie an andere Unternehmen zu überlassen. Während die Einstellung für andere Unternehmen eine Tätigkeit darstellt, die zu ihrer charakteristischen Tätigkeit akzessorisch ist, handelt es sich für Leiharbeitsunternehmen um ihre Haupttätigkeit. Aus diesem Grund ist sie als Kriterium für die Bestimmung des Ortes, an dem die Leiharbeitsunternehmen diese Haupttätigkeit ausüben, von Bedeutung.


37      Die unionsrechtliche Anerkennung von Leiharbeitsunternehmen ist in jenen Mitgliedstaaten auf Widerstand gestoßen, in deren Rechtsvorschriften bisher die Tätigkeit der Arbeitnehmerüberlassung verboten oder sogar als Straftat der unerlaubten Überlassung von Arbeitnehmern eingestuft wurde.


38      Urteil vom 25. Oktober 2018, Walltopia (C‑451/17, EU:C:2018:861, Rn. 38). In diesem Sinne auch Urteil FTS, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung.


39      Urteil Altun, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung.


40      Urteil vom 17. Dezember 1981, Webb (279/80, EU:C:1981:314, Rn. 18). Aus diesem Grund zielt die Richtlinie 2008/104, wie es in ihrem zwölften Erwägungsgrund heißt, darauf ab, „einen diskriminierungsfreien, transparenten und verhältnismäßigen Rahmen zum Schutz der Leiharbeitnehmer fest[zulegen] und … gleichzeitig die Vielfalt der Arbeitsmärkte und der Arbeitsbeziehungen“ zu wahren.


41      Um dieses Sozialversicherungssystem in Anspruch nehmen zu können, müssen die Arbeitnehmer, die entsendet werden sollen, logischerweise zuvor in dem Staat, in dem sie ansässig sind, einen Arbeitsvertrag erhalten. Leiharbeitsunternehmen können Chancen auf Zugang zum Arbeitsmarkt (wenn auch in einem anderen Mitgliedstaat und mit Befristung) für neue Arbeitnehmer oder für Arbeitnehmer, die bessere Bedingungen anstreben, erhöhen, vorausgesetzt, dass die Unternehmen die für ihre Tätigkeit geltenden Vorschriften einhalten. Dies ist Art. 2 der Richtlinie 2008/104 zu entnehmen, wonach sie „wirksam zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Entwicklung flexibler Arbeitsformen beizutragen“ haben.


42      Urteil vom 16. Juli 2020, AFMB (C‑610/18, EU:C:2020:565, Rn. 69).


43      Der Gerichtshof verwendete diese Begriffe im Urteil vom 28. Juni 2007, Planzer Luxemburg (C‑73/06, EU:C:2007:397, Rn. 62), zur Bezeichnung von Unternehmen mit einer rein fiktiven Niederlassung.


44      Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache AKT (C‑533/13, EU:C:2014:2392, Nr. 122).


45      Entgegen der Auffassung der estnischen Regierung führen meine Argumente nicht zu einer „weiten Auslegung“ der streitigen Ausnahmeregelung, die eine höhere Gefahr von Betrug und Missbrauch mit sich brächte. Anstatt eine Auslegung von Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 987/2009, der die Leiharbeitsunternehmen selbst nicht erfasst, auf diese Unternehmen auszudehnen, muss eine Vorschrift, die sie selbstverständlich mit einschließt, auf sie angewandt werden.


46      Urteile vom 9. März 1999, Centros (C‑212/97, EU:C:1999:126, Rn. 27), vom 30. September 2003, Inspire Art (C‑167/01, EU:C:2003:512, Rn. 96) und vom 25. Oktober 2017, Polbud – Wykonawstwo (C‑106/16, EU:C:2017:804, Rn. 40).


47      Vgl. Nrn. 42 und 43 der vorliegenden Schlussanträge sowie Fn. 18, 19 und 20.


48      Urteil vom 25. Oktober 2018, Walltopia (C‑451/17, EU:C:2018:861, Rn. 35).


49      Nach den von Team Power vorgelegten Informationen bezüglich dieser Differenz sind in Slowenien 5,9 % der Arbeitnehmer über ein Leiharbeitsunternehmen beschäftigt, in Griechenland hingegen nur 0,2 % (Rn. 11.2 ihrer schriftlichen Erklärungen).


50      Rn. 2.6 und 2.7 der schriftlichen Erklärungen von Team Power.


51      Ebd. Die bulgarische Regierung wendet ein, die Arbeitnehmerüberlassung an Unternehmen mit Sitz in Deutschland sei „die übliche Arbeitsweise von Team Power“.


52      Bei der mündlichen Verhandlung hat die bulgarische Regierung ausgeschlossen, dass das Verhalten von Team Power betrügerisch oder missbräuchlich sei, und hervorgehoben, dass es ihrer Ansicht nach in dem Rechtsstreit nicht um einen derartigen Verdacht, sondern ausschließlich um die objektive Auslegung der Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 gehe.