SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
NIILO JÄÄSKINEN
vom 30. April 2014(1)
Rechtssache C‑101/13
U
gegen
Stadt Karlsruhe
(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg [Deutschland])
„Reisepässe – Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 – Mindestsicherheitsstandards für von den Mitgliedstaaten ausgestellte Pässe und Reisedokumente – Rechtliche Wirkung der Verweisung auf Teil 1 (maschinenlesbare Pässe) des Dokuments Nr. 9303 der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation – Primäres Identifizierungsmerkmal, sekundäres Identifizierungsmerkmal und optionale persönliche Datenelemente – Regelung eines Mitgliedstaats, nach der der Geburtsname auf der Personaldatenseite des Passes in dem für das primäre Identifizierungsmerkmal vorgesehenen Feld eingetragen wird, auch wenn er rechtlich nicht Teil des Namens des Betroffenen ist – Eintragung einer nicht übersetzten Abkürzung in dem für das primäre Identifizierungsmerkmal vorgesehenen Feld“
I – Einleitung
1. Das Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Deutschland), mit dem der Gerichtshof befasst ist, wurde im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einem deutschen Staatsangehörigen, Herrn U, und der Stadt Karlsruhe (Deutschland) betreffend deren Weigerung, die Wiedergabe seines Geburtsnamens in seinem deutschen Reisepass zu ändern, vorgelegt.
2. Nach deutschem Recht enthält der Reisepass nämlich, was die Bezeichnung seines Inhabers angeht, „Familienname und Geburtsname“, „Vornamen“ und „Doktorgrad“ des Inhabers. Daher enthält der Reisepass des Klägers des Ausgangsverfahrens im vorliegenden Fall neben seinem Familiennamen auch den Geburtsnamen, obwohl Letzterer dem vorlegenden Gericht zufolge rechtlich nicht Teil des Namens ist.
3. In diesem Zusammenhang fragt sich das vorlegende Gericht, wie die Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten(2) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 444/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009(3) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2252/2004) auszulegen ist. Diese Verordnung nimmt Bezug auf das Dokument Nr. 9303 (maschinenlesbare Reisedokumente) der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (im Folgenden: ICAO), speziell auf dessen Teil 1 über maschinenlesbare Pässe (im Folgenden: Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO)(4), der die Einzelheiten der Darstellung regelt.
4. Es ersucht den Gerichtshof insbesondere um Entscheidung über die Frage, ob und wie ein Geburtsname, der nicht mehr Teil des Namens einer Person ist, als primäres Identifizierungsmerkmal (Feld 6 des Passes), als sekundäres Identifizierungsmerkmal (Feld 7 des Passes) oder als ergänzender Zusatz (Feld 13) in den Pass eingetragen werden kann, auch unter Berücksichtigung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und von Art. 8 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK).
II – Rechtlicher Rahmen
A – Unionsrecht
5. Die Verordnung Nr. 2252/2004 aktualisiert eine Entschließung der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 17. Oktober 2000, mit der Mindestsicherheitsstandards für Pässe eingeführt worden waren. Diese Verordnung will höhere, einheitliche Sicherheitsstandards für Pässe und Reisedokumente zum Schutz vor Fälschungen festlegen(5).
6. Die Erwägungsgründe 8 und 9 lauten wie folgt:
„(8) Für die personenbezogenen Daten, die im Zusammenhang mit Pässen und Reisedokumenten zu verarbeiten sind, gilt die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr … Es sollte dafür Sorge getragen werden, dass keine weiteren Informationen auf dem Pass gespeichert werden, außer wenn dies in dieser Verordnung oder ihrem Anhang vorgesehen oder in dem betreffenden Reisedokument vermerkt ist.
(9) Entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist es erforderlich und angemessen, zur Erreichung des grundlegenden Ziels der Einführung gemeinsamer Sicherheitsnormen und interoperabler biometrischer Identifikatoren Vorschriften für alle Mitgliedstaaten festzulegen, die das Schengen-Übereinkommen vom 14. Juni 1985 … umsetzen. Diese Verordnung geht entsprechend Artikel 5 Absatz 3 des Vertrags nicht über das zur Erreichung der Ziele erforderliche Maß hinaus.“
7. Der Anhang dieser Verordnung wiederum legt das Mindestsicherheitsniveau fest, dem die Pässe und Reisedokumente der Mitgliedstaaten entsprechen müssen. Die Bestimmungen dieses Anhangs betreffen hauptsächlich die Personaldatenseite(6). Der Anhang verweist wie folgt auf Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO(7):
„Der Pass oder das Reisedokument enthält eine maschinenlesbare Personaldatenseite, die Teil 1 … des Dokuments Nr. 9303 der ICAO entspricht; ihre Ausstellungsweise muss den in dem genannten Dokument enthaltenen Spezifikationen für maschinenlesbare Pässe genügen.“
B – Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO
8. Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO betrifft maschinenlesbare Pässe(8). Er besteht aus vier Sektionen, von denen die letzte, Sektion IV, die technischen Spezifikationen für solche Pässe enthält. Sektion IV sieht im Wesentlichen Folgendes vor:
9. Die Vorderseite des Datenblatts eines maschinenlesbaren Passes besteht aus den Zonen I bis V, die zusammen eine „zone d’inspection visuelle“ („Sichtzone“) bilden, und der Zone VII, einer „zone de lecture automatique“ („maschinenlesbare Zone“)(9). Zone II enthält bestimmte persönliche Daten(10).
10. Auf der Personaldatenseite des Passes wird in den Feldern 6 und 7 der Zone II der „Name“ eingetragen.
11. Feld 6 ist für das „primäre Identifizierungsmerkmal“ und Feld 7 für das „sekundäre Identifizierungsmerkmal“ vorgesehen.
12. In Feld 13 können nach dem Ermessen des ausstellenden Staates oder der ausstellenden Einrichtung optionale persönliche Datenelemente, z. B. persönliche Identifikationsnummer oder digitaler Fingerabdruck aufgenommen werden („[é]léments de données personnelles facultatifs, tels que par exemple le numéro d’identification personnel ou l’empreinte digitale, à la discrétion de l’État émetteur ou de l’organisation émettrice“)(11).
C – Deutsches Recht
1. Namensrecht
13. Der Geburtsname, d. h. der in der Geburtsurkunde einer Person eingetragene Name, ist der Familienname der Eltern oder eines der Elternteile.
14. Der Familienname ist entweder der Geburtsname oder ein aufgrund einer Namensänderung erworbener Name.
15. Ein Familienname kann nämlich infolge Eheschließung gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)(12) oder aufgrund eines Antrags auf Namensänderung gemäß dem Namensänderungsgesetz vom 5. Januar 1938(13) geändert werden. Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass der Geburtsname – sofern nicht anderweitig angegeben – nach der Änderung rechtlich kein Bestandteil des Namens mehr ist(14), abweichend von der Rechtslage in anderen Mitgliedstaaten(15). Wie sich aus dem Wortlaut der Vorlagefragen ergibt, bezieht sich die vorliegende Rechtssache auf den letztgenannten Fall.
16. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass nach deutschem Recht jede Person einen Familiennamen und mindestens einen Vornamen hat, vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Personenstandsgesetzes vom 19. Februar 2007(16). Adelstitel sind im Übrigen nach dem Verfassungsrecht der Weimarer Republik Namensbestandteil(17). Dagegen ist ein akademischer Titel wie z. B. „Doktor“ kein eigentlicher Namensbestandteil, sondern ein Zusatz, der in den Personenstand aufgenommen und im Pass neben dem Familiennamen angeführt wird. Das Namensrecht ist nach § 12 BGB geschützt.
2. Passrecht
17. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Passgesetzes vom 19. April 1986(18) sind Deutsche, die aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes aus- oder in ihn einreisen, verpflichtet, einen gültigen Pass mitzuführen und sich damit über ihre Person auszuweisen.
18. § 4 Abs. 1 Satz 2 PassG bestimmt: „Der Pass enthält neben dem Lichtbild des Passinhabers, seiner Unterschrift, der Angabe der ausstellenden Behörde, dem Tag der Ausstellung und dem letzten Tag der Gültigkeitsdauer ausschließlich folgende Angaben über seine Person:
1. Familienname und Geburtsname,
2. Vornamen,
3. Doktorgrad,
4. Ordensname, Künstlername, …“
19. Fn. 6 der Anlage 11 zur Verordnung zur Durchführung des Passgesetzes (Passverordnung) vom 19. Oktober 2007(19) lautet: „Soweit ein Geburtsname existiert, kommt diesem mindestens eine vollständige Zeile zu. Am Beginn dieser Zeile werden fünf Zeichen durch die Zeichenfolge ‚GEB. ‘ bzw. ‚geb. ‘ belegt.“ Dieser Begriff ist nicht in anderen Sprachen wiedergegeben.
III – Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof
20. Im Ausgangsverfahren beantragt der Kläger, Herr U, die Änderung der Wiedergabe seines Geburtsnamens in seinem deutschen Pass(20). Sein Familienname ist F., und seine Vornamen sind S. P. Er hat einen Doktortitel. Sein Geburtsname lautet E.; er ist nicht Teil seines Namens. Die Eintragung in seinem Pass im mit „Name/Surname/Nom“ bezeichneten Feld lautet, wiedergegeben in zwei Zeilen:
„DR F.
GEB. E.“
21. Der Kläger macht geltend, die Wiedergabe seines Namens in seinem Reisepass sei falsch und führe zu Missverständnissen, wenn er geschäftlich im Ausland zu tun habe. Die Eintragung seines Geburtsnamens im Reisepass in dem für den Familiennamen vorgesehenen Feld, mit der vorangestellten Abkürzung „GEB.“, die nicht Bestandteil seines Namens sei, führe dazu, dass er – im Geschäftsverkehr mit Privaten und bei der Ausstellung von Visa – beispielsweise als „Mr. Geb E.“,als „Mr. E. F.“, als „DR. F. GEB E.“ oder als „S. E. Dr. F.“ registriert worden sei.
22. Aus diesem Grund begehrt er eine Änderung der Angaben in seinem Pass, damit die von ihm als unzutreffend angesehene Angabe beseitigt wird und unmissverständlich auch für Nicht-Deutsche zum Ausdruck kommt, dass sein Name „Dr. F.“ ist. Wie dies bewerkstelligt werden kann, ob durch Entfernung des Geburtsnamens, die Schaffung eines entsprechenden Datenfeldes („Geburtsname/Birthname/Nom de naissance“) oder sonst wie, wird von ihm nicht vorgegeben. Er begehrt nicht, dass die Eintragung des Geburtsnamens aus seinem Reisepass entfernt wird, sondern lediglich, dass die unzutreffende Aussage des Reisepasses beseitigt wird.
23. Unter diesen Umständen hat der Verwaltungsgerichtshof Baden‑Württemberg das Verfahren mit Entscheidung vom 26. Februar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Februar 2013, ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Muss nach dem Anhang zur Verordnung Nr. 2252/2004 die Ausstellungsweise der maschinenlesbaren Personaldatenseite der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässe allen obligatorischen Spezifikationen des Teils 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO genügen?
2. Wenn nach dem Namensrecht eines Mitgliedstaats der Name einer Person aus ihren Vornamen und ihrem Familiennamen besteht, ist der Mitgliedstaat nach dem Anhang zur Verordnung Nr. 2252/2004 in Verbindung mit den Regelungen unter Nr. 8.6 der Sektion IV des Teils 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO berechtigt, auch den Geburtsnamen als primäres Identifizierungsmerkmal im Feld 6 der maschinenlesbaren Personaldatenseite des Passes einzutragen?
3. Wenn nach dem Namensrecht eines Mitgliedstaats der Name einer Person aus ihren Vornamen und ihrem Familiennamen besteht, ist der Mitgliedstaat nach dem Anhang zur Verordnung Nr. 2252/2004 in Verbindung mit den Regelungen unter Nr. 8.6 der Sektion IV des Teils 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO berechtigt, auch den Geburtsnamen als sekundäres Identifizierungsmerkmal im Feld 7 der maschinenlesbaren Personaldatenseite des Passes einzutragen?
4. Falls Frage 2 oder 3 bejaht wird: Ist ein Mitgliedstaat, nach dessen Namensrecht der Name einer Person aus ihren Vornamen und ihrem Familiennamen besteht, aufgrund des Schutzes des Namens einer Person nach Art. 7 der Charta und Art. 8 EMRK verpflichtet, in der Datenfeldbezeichnung der maschinenlesbaren Personaldatenseite des Passes, in dem der Geburtsname eingetragen wird, anzugeben, dass in diesem Feld auch der Geburtsname eingetragen wird?
5. Falls Frage 4 verneint wird: Ist ein Mitgliedstaat, nach dessen Namensrecht der Name einer Person aus ihren Vornamen und ihrem Familiennamen besteht und nach dessen nationalem Passrecht die Datenfeldbezeichnungen auf der maschinenlesbaren Personaldatenseite des Passes auch in der englischen und französischen Sprache erscheinen und im Feld 6 der maschinenlesbaren Personaldatenseite des Passes in einer eigenen Zeile auch der Geburtsname und vor diesem Geburtsnamen die Abkürzung aus „geb.“ für „geboren“ einzutragen ist, aufgrund des Schutzes des Namens einer Person nach Art. 7 der Charta und Art. 8 EMRK verpflichtet, die Abkürzung „geb.“ für „geboren“ auch in der englischen und französischen Sprache anzugeben?
6. Wenn nach dem Namensrecht eines Mitgliedstaats der Name einer Person aus ihrem Vornamen und ihrem Familiennamen besteht, ist der Mitgliedstaat nach dem Anhang zur Verordnung Nr. 2252/2004 in Verbindung mit den Regelungen unter Nr. 8.6 der Sektion IV des Teils 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO berechtigt, den Geburtsnamen als optionales persönliches Datum im Feld 13 der maschinenlesbaren Personaldatenseite des Passes einzutragen?
24. Der Kläger des Ausgangsverfahrens sowie die deutsche Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Alle waren auch in der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2014 vertreten.
IV – Würdigung
A – Einleitende Bemerkungen
25. Zunächst ist festzustellen, dass der Name einer Person Teil ihrer Identität und ihres Privatlebens ist, deren Schutz in Art. 7 der Charta und in Art. 8 EMRK niedergelegt ist. Auch wenn der Name der Person in diesem Art. 8 nicht ausdrücklich erwähnt wird, betrifft er dennoch als Mittel der persönlichen Identifizierung und der Zuordnung zu einer Familie das Privat- und Familienleben dieser Person(21).
26. Die Angabe des Geburtsnamens in einem bestimmten Kontext muss daher objektiv gerechtfertigt sein im Sinne von Art. 8 der Charta, der ein Grundrecht auf den Schutz personenbezogener Daten aufstellt; dies scheint mir der Fall zu sein, wenn es für die Identifizierung einer Person erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in Deutschland kein umfassendes System zur Personenidentifizierung anhand einer Sozialversicherungsnummer oder eines Personenkennzeichens besteht, so dass der Geburtsname das einzige „dauerhafte“ Namenselement ist, das eine Unterscheidung zwischen Personen erlaubt, die denselben Namen tragen und am selben Tag in derselben Stadt bzw. Gemeinde geboren sind.
27. Was die spezifische Frage angeht, welche Arten persönlicher Daten in den Pass aufgenommen werden dürfen, war der Gerichtshof in der Rechtssache Schwarz(22) aufgerufen, sich zur Gültigkeit von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2252/2004, betreffend die Aufnahme biometrischer Daten in den Pass, im Hinblick auf die Charta zu äußern.
28. Daher bedarf die allgemeinere Frage, ob die Charta die Angabe des Geburtsnamens einer Person in ihrem Pass erlaubt, wenn dieser nach dem anwendbaren Recht nicht Teil ihres Namens ist, keiner eingehenden Erörterung. Allerdings weise ich darauf hin, dass eine solche Angabe dem Ziel zuwiderlaufen könnte, dem Betroffenen eine Abkehr von seinem früheren Namen zu erlauben, und gegebenenfalls die Gefahr einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder der ethnischen Herkunft erhöhen könnte.
29. Was zweitens die Rechtsprechung des Gerichtshofs angeht, ist festzustellen, dass der vorliegende Fall sich von einer Reihe anderer Rechtssachen betreffend die Namen von Personen unterscheidet, über die der Gerichtshof zu entscheiden hatte, insbesondere in grenzüberschreitenden Fällen, wie z. B. Garcia Avello(23), Grunkin und Paul(24), Sayn-Wittgenstein(25) sowie Runevič-Vardyn und Wardyn(26). Diese Rechtssachen, die allgemeine Fragen der Freizügigkeit oder der Unionsbürgerschaft aufwarfen, liefern nicht unmittelbar eine Antwort auf die in der vorliegenden Rechtssache aufgeworfenen Fragen. Allerdings könnten die Probleme, mit denen Herr U seinem Vorbringen zufolge konfrontiert ist, sich innerhalb der Europäischen Union stellen, soweit er seinen Pass als Reisedokument für die Mitgliedstaaten benutzt, die nicht dem Schengen-Raum angehören.
30. Drittens ist der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache aufgerufen, festzustellen, ob – und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen – eine nach deutschem Recht erforderliche Angabe, d. h. der Geburtsname, unter Berücksichtigung der Verordnung Nr. 2252/2004 und von Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO, auf den sie Bezug nimmt, in den Pass aufgenommen werden kann.
31. Herr U wendet sich nicht dagegen, dass sein Geburtsname im Pass angegeben wird, sondern begehrt lediglich, dass die Angaben im Pass klar und unmissverständlich erfolgen.
32. Der Gerichtshof wird seine Entscheidung im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung eines von einer internationalen Einrichtung verabschiedeten Dokuments zu treffen haben, das in der Union aufgrund der Bezugnahme in der Verordnung Nr. 2252/2004 anwendbar ist. Die von der ICAO verabschiedeten Dokumente, wie Teil 1 des Dokuments Nr. 9303, haben eine gewisse Vereinheitlichung der nationalen Praktiken zum Ziel. Dieser spezifische Kontext darf bei der Auslegung dieses Dokuments nicht unberücksichtigt bleiben.
33. Was die Reisedokumente angeht, ist im Übrigen auf den Unterschied zwischen Pässen und Personalausweisen hinzuweisen: Erstere sind im Unterschied zu Letzteren unionsrechtlich geregelt. Während nämlich sowohl die Personalausweise als auch die Pässe Gegenstand von Entschließungen des Rates waren, sind verbindliche Vorschriften nur für Pässe ergangen, im Rahmen der Verordnung Nr. 2252/2004. Personalausweise sind nur Gegenstand einer Entschließung von 2006, die von den im Rat vereinigten Vertretern der Mitgliedstaaten angenommen wurde(27). Die Verordnung Nr. 2252/2004 findet auf sie dagegen, wie es in ihrem Art. 1 Abs. 3 Satz 2 ausdrücklich heißt, keine Anwendung. Dies erklärt die bei den Mitgliedstaaten anzutreffenden Unterschiede bei der Wiedergabe des Geburtsnamens in den Pässen und den Personalausweisen(28).
34. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die dritte und die sechste Frage de facto hypothetisch sind, da sie sich auf Gesetzgebungsmaßnahmen beziehen, die vom deutschen Gesetzgeber nicht beschlossen wurden. Allerdings kann es für das vorlegende Gericht zweckmäßig sein, eine Antwort auf diese Fragen zu erhalten, soweit es einer Auslegung der einschlägigen Unionsvorschriften bedarf, um eine unionsrechtskonforme Auslegung des Passgesetzes vorzunehmen. Ich halte diese Fragen daher für zulässig.
B – Zur rechtlichen Wirkung der in der Verordnung Nr. 2252/2004 enthaltenen Bezugnahme auf Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO
35. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die teilweise maschinenlesbare Personaldatenseite der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässe gemäß dem Anhang der Verordnung Nr. 2252/2004 allen obligatorischen Spezifikationen des Teils 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO entsprechen und ihnen genügen muss.
36. Hierzu führt das vorlegende Gericht zutreffend aus, der Zweck der Verordnung Nr. 2252/2004 bestehe vor allem in der Erhöhung der Sicherheit der Reisedokumente in der Union durch die Einführung biometrischer Daten (biometrische Darstellung des Gesichtsbildes und Fingerabdruck). Nach dem Wortlaut des Anhangs der Verordnung seien die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle Spezifikationen von Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO zu beachten.
37. Meiner Ansicht nach ergibt sich aus dem genannten Anhang, dass die maschinenlesbare Personaldatenseite Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO entsprechen muss. Zudem hat die Art der Namenswiedergabe ganz entscheidende Bedeutung für den mit dem Reisepass vor allem bezweckten Identitätsnachweis und bedingt die Sicherheit des Dokuments. Hinzu kommt der Gesichtspunkt der Harmonisierung der Pässe in den internationalen Beziehungen, dem aus dem Blickwinkel der Sicherheit besondere Bedeutung zukommt. Entsprechend sind Familienname und Vorname als Bestandteile des nach einheitlichem Muster gestalteten Passes Gegenstand verschiedener Entschließungen seit 1981 gewesen(29).
38. Gewiss stellt Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO auf internationaler Ebene nur eine unverbindliche Empfehlung dar. Gleichwohl ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2252/2004 in Verbindung mit ihrem Anhang, dass die Union sich diese Empfehlung zu eigen gemacht und sie im abgeleiteten Recht als zwingende Vorschriften übernommen hat(30). Der Unionsgesetzgeber hat sich mit anderen Worten bemüht, eine größere Einheitlichkeit zu erreichen, was sich aus den von der Verordnung verfolgten Zielen im Rahmen der Errichtung des Binnenmarkts sowie des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts erklärt. Dieses Einheitlichkeitsziel kommt auch darin zum Ausdruck, dass das gewählte Instrument eine Verordnung ist und nicht etwa eine Richtlinie oder eine Empfehlung.
39. Demnach sind die in Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO enthaltenen Spezifikationen für maschinenlesbare Pässe zwingender Bestandteil der Verordnung Nr. 2252/2004 und damit der nach dem Unionsrecht verbindlichen Vorschriften, ohne indessen hierzu zu gehören. Ein solcher Fall, in dem das Unionsrecht den Bestimmungen internationaler Rechtsakte bzw. internationaler oder europäischer Standards verbindliche Rechtswirkungen verleiht, ist keine Ausnahme(31).
40. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die erste Frage des vorlegenden Gerichts dahin zu beantworten, dass nach dem Anhang der Verordnung Nr. 2252/2004 die maschinenlesbare Personaldatenseite der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässe den in Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO enthaltenen obligatorischen Spezifikationen entsprechen muss.
C – Zur Möglichkeit für einen Mitgliedstaat, die Eintragung des Geburtsnamens in den Feldern 6 (primäres Identifizierungsmerkmal) oder 7 (sekundäres Identifizierungsmerkmal) des Passes vorzusehen
41. Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Geburtsname des Klägers als primäres Identifizierungsmerkmal in Feld 6 (Frage 2) oder als sekundäres Identifizierungsmerkmal in Feld 7 (Frage 3) der maschinenlesbaren Personaldatenseite des Passes eingetragen werden kann, wenn der Geburtsname nach dem anwendbaren nationalen Recht nicht Teil des gesetzlichen Namens des Betroffenen ist.
42. Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO legt einen standardisierten Rahmen für die in einen Pass aufzunehmenden Elemente sowie die Form ihrer Darstellung fest.
43. Der Name der Person wird in die Felder 6 und 7 eingetragen. Der Inhalt von Feld 6 (primäres Identifizierungsmerkmal)(32) und Feld 7 (sekundäres Identifizierungsmerkmal)(33) wird in dem Dokument beschrieben.
44. Ich äußere mich hierzu anhand eines konkreten Beispiels: Im Fall einer Person namens „Anna Maria Eriksson“ enthielte Feld 6 also den Familiennamen („Eriksson“) und Feld 7 die Vornamen („Anna Maria“). Allerdings ist zu beachten, dass dieses Dokument andere Beispiele anführt, die eine Vielzahl von Namen berücksichtigen, die in den 191 ICAO-Staaten vorkommen können und die in den Pässen nach den Anweisungen dieses Dokuments einzutragen sind(34).
45. Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO führt in einer Tabelle(35) die Datenelemente für die „Sichtzone“ des maschinenlesbaren Passes auf. Diese Tabelle enthält Bestimmungen zum Namen in den Rubriken „06/07/II“, „06/II“ und „07/II“. Der Name soll, wenn möglich, in zwei Teile aufgeteilt werden, wobei der erste den Teil des Namens darstellt, den der Ausstellerstaat als das primäre Identifizierungsmerkmal (z. B. den Nachnamen, den Mädchennamen plus den Ehenamen, den Familiennamen) definiert, und der zweite die übrigen Komponenten des Namens darstellt, die der Ausstellerstaat als die das sekundäre Identifizierungsmerkmal ausmachenden ansieht (z. B. Vornamen, Initialen). Das primäre Identifizierungsmerkmal besteht aus den dominierenden Komponenten des Namens. Dieser Teil des Namens ist in Feld 6 einzutragen.. Das sekundäre Identifizierungsmerkmal besteht aus den übrigen Komponenten des Namens und ist in Feld 7 einzutragen(36).
46. Meines Erachtens bezwecken die Verordnung Nr. 2252/2004 und Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO tatsächlich eine gewisse Vereinheitlichung der Darstellung im Bereich der Namen, die von Land zu Land sehr unterschiedlich geregelt ist. Die wesentliche Funktion eines Passes ist es nämlich, den Behörden der anderen Staaten die Identifizierung eines Ausländers zu ermöglichen, auch wenn er häufig auf nationaler Ebene ebenfalls als Identifikationsdokument verwendet wird. Eine solche Identifikation kann aus mehreren Gründen wichtig sein, insbesondere in Fällen der Einbürgerung, der Einwanderung oder der Beantragung von Asyl(37).
47. Ein Mitgliedstaat kann vorsehen, dass der Geburtsname rechtlich ein Bestandteil des Namens bleibt, selbst nach dem Erwerb eines anderen Namens infolge Eheschließung oder Namensänderung. Dies ist allerdings dem vorlegenden Gericht zufolge in der Bundesrepublik Deutschland nicht der Fall. Ein Mitgliedstaat, der keine entsprechenden Vorschriften erlassen hat, kann den Geburtsnamen daher nicht in Feld 6 neben dem Familiennamen anführen, meines Erachtens ebenso wenig wie in Feld 7. Zwar verfügt nämlich der Staat über ein bestimmtes Ermessen bei der Einstufung der Elemente des gesetzlichen Namens als primäres Identifizierungsmerkmal oder als sekundäre Identifizierungsmerkmale; indessen steht es ihm nicht frei, Elemente, die nach seiner eigenen Rechtsordnung nicht zum gesetzlichen Namen gehören, als primäres Identifizierungsmerkmal oder als sekundäre Identifizierungsmerkmale einzustufen. Dies gilt gegebenenfalls sowohl für den Geburtsnamen als auch für die Abkürzung „GEB.“, die derzeit nach deutschem Recht in dem für das primäre Identifizierungsmerkmal vorgesehenen Feld eingetragen werden.
48. Diese Auslegung wird durch die Vorschriften betreffend die Einbeziehung der akademischen Titel und anderer vergleichbarer Angaben nach Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO bestätigt. Die einzige zulässige Ausnahme ist nämlich der Fall, in dem „un préfixe ou suffixe est considéré par l’État concerné comme faisant légalement partie du nom“ („ein vorangestelltes oder angehängtes Wort von dem betreffenden Staat als gesetzlicher Namensbestandteil angesehen wird“)(38) (Hervorhebung nur hier).
49. Im Übrigen verwehrt es die Verordnung Nr. 2252/2004 einem Mitgliedstaat nicht, mehrere Begriffe des gesetzlichen Namens zuzulassen, indem er z. B. zwischen dem Namen im zivilrechtlichen Sinn und dem im verwaltungsrechtlichen Sinn unterscheidet. Dies könnte seinen Spielraum bei der Wahl des primären Identifizierungsmerkmals erweitern. Allerdings scheint mir dies, was die Bundesrepublik Deutschland angeht, nicht der Fall zu sein.
50. Somit stellt sich in Bezug auf Feld 6 die Frage des Ermessensspielraums der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Bestimmung des primären Identifizierungsmerkmals bei einem Familiennamen, der aus mehreren Wörtern in der Weise zusammengesetzt ist, dass er den für dieses Feld im Pass vorgesehenen Raum überschreitet.
51. Außerdem ist in diesem Zusammenhang auf die Nennung des Mädchennamens bei verheirateten Frauen in dem Fall einzugehen, in dem das nationale Recht es zulässt, den Mädchennamen zu behalten und den Namen des Ehegatten hinzuzufügen, um daraus einen zusammengesetzten Namen zu bilden, oder vorsieht, dass der Name einer verheirateten Frau rechtlich gesehen aus ihrem Mädchennamen und ihrem Ehenamen besteht. Dieser Ansatz kann dagegen nicht die Einbeziehung eines Elements rechtfertigen, das rechtlich kein Namensbestandteil ist.
52. Was Feld 7 angeht, ist dieses meines Erachtens ebenfalls den Elementen vorbehalten, die Bestandteil des gesetzlichen Namens sind, insbesondere den Vornamen oder, im Fall sehr langer Namen, deren Anfangsbuchstaben, wie dies in Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO ausdrücklich vorgesehen ist.
53. Ich möchte hinzufügen, dass ein restriktiver Ansatz in Bezug auf die Elemente, die in die Felder 6 und 7 aufgenommen werden können, auch im Hinblick darauf gerechtfertigt ist, dass der Inhalt dieser beiden Felder – vorbehaltlich der Transkription entsprechend den in dem Dokument selbst vereinheitlichten Regeln – in der maschinenlesbaren Zone des unteren Teils der Passseite wiedergegeben werden muss. Mir scheint, dass nach deutschem Recht für die Felder 6 und 7 einerseits sowie die maschinenlesbare Zone andererseits ein unterschiedlicher Inhalt vorgesehen ist, in einer Weise, die den Anforderungen von Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO nicht entspricht(39).
Zwischenergebnis
54. Nach alledem schlage ich daher vor, auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass der Anhang der Verordnung Nr. 2252/2004 in Verbindung mit Teil 1 Sektion IV Nr. 8.6 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO dahin auszulegen ist, dass, wenn nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Name einer Person aus ihren Vornamen und ihrem Familiennamen besteht, dieser Mitgliedstaat nicht berechtigt ist, die Eintragung des Geburtsnamens als primäres Identifizierungsmerkmal in Feld 6 oder als sekundäres Identifizierungsmerkmal in Feld 7 der maschinenlesbaren Personaldatenseite des Passes einzutragen.
55. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass die vierte Frage vom vorlegenden Gericht nur für den Fall gestellt worden ist, dass Frage 2 oder 3 bejaht würde. Da dies nicht der Fall ist, braucht diese Frage nicht beantwortet zu werden.
56. Entsprechend ist die fünfte Frage vom vorlegenden Gericht nur für den Fall gestellt worden, dass die vierte Frage verneint wird. Da ich vorschlage, auf die vierte Frage nicht zu antworten, braucht auch die fünfte Frage nicht beantwortet zu werden.
D – Zur Möglichkeit für einen Mitgliedstaat, die Eintragung des Geburtsnamens in Feld 13 des Passes vorzusehen
57. Mit seiner sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob, wenn nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Name einer Person aus ihrem Vornamen und ihrem Familiennamen besteht, der Geburtsname des Klägers als „optionales persönliches Datum“ in Feld 13 der Personaldatenseite des Passes eingetragen werden kann(40).
58. Wie die Kommission zutreffend ausführt, ist diese Vorabentscheidungsfrage so zu verstehen, dass das vorlegende Gericht an einer Antwort nur insoweit interessiert ist, als der Geburtsname nicht Bestandteil des vollständigen Namens des Betroffenen ist und daher nicht als Element des „sekundären Identifizierungsmerkmals“ in Feld 7 eingetragen werden kann(41).
59. Aus Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO ergibt sich, dass der Inhalt von Feld 13 großenteils in das Ermessen des ausstellenden Staates gestellt ist(42), vorbehaltlich der Erwägungsgründe 8 und 9 der Verordnung Nr. 2252/2004, die die Informationen beschränken, die in den Pass aufgenommen werden können. Bei den in Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO angeführten Beispielen handelt es sich im Wesentlichen um Datenelemente, die einem zwingenden Allgemeininteresse an der Identifizierung einer Person dienen(43).
60. Ebenso wie die Kommission bin ich der Ansicht, dass ein Geburtsname, der nicht Bestandteil des vollständigen Namens einer Person ist, als optionales persönliches Datum in Feld 13 der Personaldatenseite des Passes eingetragen werden kann, wenn ein zwingendes Allgemeininteresse besteht, wobei anzumerken ist, dass diesem Feld eine Bezeichnung in mehreren Sprachen gegeben werden muss.
61. Wie bereits ausgeführt, könnte – angesichts der für deutsche Staatsangehörige bestehenden Möglichkeiten zur Namensänderung und des Fehlens eines umfassenden Systems zur Personenidentifizierung − ein solches zwingendes Allgemeininteresse darin bestehen, die Abfrage von Datenbanken (z. B. eine Schuldnerdatei oder das Strafregister) unter Verwendung des Geburtsnamens als Suchkriterium zu erlauben, im Hinblick auf dessen relative Stabilität(44).
62. Mit Rücksicht auf Satz 2 des achten Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 2252/2004 in Verbindung mit dem Interesse daran, dass der Pass überall in der Welt verstanden werden kann, sollte jegliche Eintragung des Geburtsnamens in Feld 13 jedoch die formalen Anforderungen an die Bezeichnung und die Mehrsprachigkeit nach Teil 1 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO einhalten. Das letztgenannte Dokument verlangt indessen, dass die Felder für zwingend vorgesehene Datenelemente in der „Sichtzone“ durch eine Überschrift in französischer, englischer oder spanischer Sprache gekennzeichnet sein müssen(45).
63. Daher ist die Nennung des Geburtsnamens in Feld 13, wie bereits oben in Nr. 26 ausgeführt, zulässig, sofern dies nach den Art. 7 und 8 der Charta gerechtfertigt ist(46). Allerdings muss die Überschrift des Feldes in diesem Fall auf Französisch, Englisch oder Spanisch erklären, dass dieses Feld den Geburtsnamen des Inhabers enthält. Die Erklärung darf nicht im Feld selbst enthalten sein, da dies zu Missverständnissen führen könnte.
64. Daher schlage ich vor, auf die sechste Frage wie folgt zu antworten: Wenn der Geburtsname nicht in die Felder 6 oder 7 des Passes eingetragen werden darf, hat der Mitgliedstaat gleichwohl die Möglichkeit, die Eintragung des Geburtsnamens als optionales persönliches Datum in Feld 13 der maschinenlesbaren Personaldatenseite des Passes vorzusehen, sofern ein zwingendes Allgemeininteresse besteht und der Inhalt dieser Eintragung in französischer, englischer oder spanischer Sprache durch die Überschrift von Feld 13 erläutert wird.
65. Ergänzend ist schließlich darauf hinzuweisen, dass diese Angabe – abgesehen von der Personaldatenseite – auch an anderer Stelle stehen könnte, wenn dies gerechtfertigt ist. Die Rückseite der Personaldatenseite oder eine benachbarte Seite enthält nämlich eine Zone VI mit dem Feld 20 für „éléments de données facultatifs supplémentaires“ („optionale zusätzliche Daten“), die eine geeignete Stelle ist, um gegebenenfalls den Geburtsnamen anzugeben, ergänzt um eine Erläuterung dieser Angabe in mehreren Sprachen. Der Geburtsname würde damit wie ein „optionales persönliches Datenelement“ behandelt(47). Im vorliegenden Fall ist allerdings keine diesbezügliche Vorlagefrage gestellt worden.
V – Ergebnis
66. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wie folgt zu beantworten:
1. Die Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten und ihr Anhang sind dahin auszulegen, dass die maschinenlesbare Personaldatenseite der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässe den in Teil 1 (maschinenlesbare Pässe) des Dokuments Nr. 9303 der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) enthaltenen obligatorischen Spezifikationen entsprechen muss.
2. Der Anhang der Verordnung Nr. 2252/2004 in Verbindung mit Teil 1 (maschinenlesbare Pässe) Sektion IV Nr. 8.6 des Dokuments Nr. 9303 der ICAO ist wie folgt auszulegen:
– Wenn nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Name einer Person aus ihren Vornamen und ihrem Familiennamen besteht, ist dieser Mitgliedstaat nicht berechtigt, die Eintragung des Geburtsnamens als primäres Identifizierungsmerkmal in Feld 6 oder als sekundäres Identifizierungsmerkmal in Feld 7 der maschinenlesbaren Personaldatenseite des Passes einzutragen;
– wenn der Geburtsname nicht in die Felder 6 oder 7 des Passes eingetragen werden darf, hat der Mitgliedstaat gleichwohl die Möglichkeit, die Eintragung des Geburtsnamens als optionales persönliches Datum in Feld 13 der maschinenlesbaren Personaldatenseite des Passes vorzusehen, sofern ein zwingendes Allgemeininteresse besteht und der Inhalt dieser Eintragung in französischer, englischer oder spanischer Sprache durch die Überschrift von Feld 13 erläutert wird.