Language of document : ECLI:EU:C:2010:230

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

29. April 2010(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Art. 43 EG und 49 EG – Richtlinien 92/50/EWG und 2004/18/EG – Öffentliche Rettungsdienste – Notfalltransport und qualifizierter Krankentransport – Transparenzgebot – Art. 45 EG – Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind – Art. 86 Abs. 2 EG – Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“

In der Rechtssache C‑160/08

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 16. April 2008,

Europäische Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer und D. Kukovec als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und J. Möller als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich der Niederlande, vertreten durch C. M. Wissels und Y. de Vries als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts (Berichterstatter) sowie der Richter E. Juhász, G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 11. Februar 2010

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Richtlinien 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) und 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) sowie gegen die Prinzipien der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, wie sie in den Art. 43 EG und 49 EG niedergelegt sind, verstoßen hat, dass sie Aufträge im Bereich öffentlicher Notfalltransportleistungen und qualifizierter Krankentransportleistungen (im Folgenden: öffentliche Krankentransportleistungen) nicht öffentlich ausgeschrieben bzw. nicht transparent vergeben hat und dass sie keine Bekanntmachungen über vergebene Aufträge veröffentlicht hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Richtlinie 92/50

2        Nach Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 92/50 gelten als „öffentliche Dienstleistungsaufträge“ die zwischen einem Dienstleistungserbringer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge.

3        Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie lautet:

„Die Auftraggeber sorgen dafür, dass keine Diskriminierung von Dienstleistungserbringern stattfindet.“

4        Nach ihrem Art. 7 Abs. 1 gilt diese Richtlinie für öffentliche Aufträge für Dienstleistungen, wenn deren geschätzter Wert ohne Mehrwertsteuer 200 000 Euro oder mehr beträgt.

5        Art. 10 dieser Richtlinie bestimmt:

„Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs IA und des Anhangs IB sind, werden nach den Vorschriften der Abschnitte III bis VI vergeben, wenn der Wert der Dienstleistungen des Anhangs IA größer ist als derjenige der Dienstleistungen des Anhangs IB. Ist dies nicht der Fall, so werden sie gemäß den Artikeln 14 und 16 vergeben.“

6        Die in Art. 10 der Richtlinie 92/50 genannten Abschnitte, die in vollem Umfang auf die von Art. 10 Satz 1 erfassten Fälle anwendbar sind, betreffen die Wahl der Vergabeverfahren und die Durchführung von Wettbewerben (Abschnitt III, Art. 11 bis 13), gemeinsame technische Vorschriften (Abschnitt IV, Art. 14), gemeinsame Bekanntmachungsvorschriften (Abschnitt V, Art. 15 bis 22) sowie gemeinsame Teilnahmebestimmungen, Eignungskriterien und Zuschlagskriterien (Abschnitt VI, Art. 23 bis 37).

7        Art. 14 dieser Richtlinie betrifft die technischen Spezifikationen, die in den Auftragsunterlagen enthalten sein müssen.

8        Art. 16 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)      Die Auftraggeber, die einen Auftrag vergeben, schicken dem Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften eine Bekanntmachung über die Ergebnisse des Vergabeverfahrens.

(2)      Die Bekanntmachungen werden wie folgt veröffentlicht:

–        bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen des Anhangs IA nach Maßgabe der Artikel 17 bis 20;

–        bei Wettbewerben nach Maßgabe des Artikels 17.

(3)      Bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen des Anhangs IB geben die Auftraggeber in ihrer Bekanntmachung an, ob sie mit der Veröffentlichung einverstanden sind.

…“

9        Zu den in Anhang IA der Richtlinie 92/50 aufgeführten Dienstleistungen gehören in Kategorie 2 „Landverkehr einschließlich Geldtransport- und Kurierdienste, ohne Postverkehr“ und in Kategorie 3 „Fracht- und Personenbeförderung im Flugverkehr, ohne Postverkehr“. Zu den in Anhang IB der Richtlinie 92/50 aufgeführten Dienstleistungen gehören in Kategorie 25 das „Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen“.

 Richtlinie 2004/18

10      Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und d der Richtlinie 2004/18 enthält folgende Definitionen:

„a)       ‚Öffentliche Aufträge‘ sind zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie.

d)      ‚Öffentliche Dienstleistungsaufträge‘ sind öffentliche Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang II, die keine öffentlichen Bau- oder Lieferaufträge sind.

…“

11      Art. 2 dieser Richtlinie bestimmt:

„Die öffentlichen Auftraggeber behandeln alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und nichtdiskriminierend und gehen in transparenter Weise vor.“

12      Nach ihrem Art. 7 Buchst. b gilt diese Richtlinie für die Vergabe öffentlicher Aufträge, deren geschätzter Wert ohne Mehrwertsteuer 249 000 Euro erreicht oder überschreitet. Dieser Betrag wurde schrittweise durch die Verordnung (EG) Nr. 1874/2004 der Kommission vom 28. Oktober 2004 zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für die Anwendung auf Verfahren zur Auftragsvergabe (ABl. L 326, S. 17) auf 236 000 Euro und dann durch die Verordnung (EG) Nr. 2083/2005 der Kommission vom 19. Dezember 2005 zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für die Anwendung auf Verfahren zur Auftragsvergabe (ABl. L 333, S. 28) auf 211 000 Euro herabgesetzt.

13      Die Richtlinie 2004/18 enthält in Titel II („Vorschriften für öffentliche Aufträge“) einen Art. 22, der bestimmt:

„Aufträge sowohl über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil A als auch über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B werden nach den Artikeln 23 bis 55 vergeben, wenn der Wert der Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil A höher ist als derjenige der Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B. In allen anderen Fällen wird der Auftrag nach Artikel 23 und Artikel 35 Absatz 4 vergeben.“

14      Die Art. 23 bis 55 der Richtlinie 2004/18, die in vollem Umfang auf die von Art. 22 Satz 1 dieser Richtlinie erfassten Fälle anwendbar sind, geben nacheinander die besonderen Vorschriften über die Verdingungsunterlagen und die Auftragsunterlagen (Art. 23 bis 27), die Verfahrensvorschriften (Art. 28 bis 34), die Vorschriften über die Veröffentlichung und die Transparenz (Art. 35 bis 43) sowie die Vorschriften über den Ablauf des Verfahrens (Art. 44 bis 55) an.

15      Art. 23 der Richtlinie 2004/18 betrifft die technischen Spezifikationen, die in den Auftragsunterlagen enthalten sein müssen.

16      Art. 35 Abs. 4 dieser Richtlinie bestimmt:

„Ein öffentlicher Auftraggeber, der einen öffentlichen Auftrag vergeben oder eine Rahmenvereinbarung geschlossen hat, sendet spätestens 48 Tage nach der Vergabe des Auftrags beziehungsweise nach Abschluss der Rahmenvereinbarung eine Bekanntmachung mit den Ergebnissen des Vergabeverfahrens ab.“

Bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen des Anhangs II Teil B gibt der öffentliche Auftraggeber in seiner Bekanntmachung an, ob er mit der Veröffentlichung einverstanden ist. …

…“

17      Die Dienstleistungen im Sinne der Kategorien 2 und 3 des Anhangs II Teil A sowie im Sinne von Kategorie 25 des Anhangs II Teil B der Richtlinie 2004/18 stimmen mit den Dienstleistungen im Sinne der entsprechenden Kategorien der Anhänge IA und IB der Richtlinie 92/50 überein.

 Sachverhalt

18      Bei der Kommission gingen mehrere Beschwerden u. a. von Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland ein, die mit der Vergabe von Aufträgen über öffentliche Krankentransportleistungen in diesem Mitgliedstaat in Zusammenhang standen.

 Allgemeiner Kontext

19      In Deutschland fällt die Organisation des Rettungsdienstes in die Zuständigkeit der Bundesländer.

20      Rettungsdienstleistungen werden in den meisten Bundesländern nach dem „dualen System“ erbracht, das auch „Trennungsmodell“ genannt wird. Es beruht auf der Unterscheidung zwischen dem öffentlichen Rettungsdienst, der etwa 70 % aller Rettungsdienstleistungen ausmacht, und der Erbringung von Rettungsdienstleistungen aufgrund von Genehmigungen nach den einschlägigen Landesgesetzen, deren Anteil am Gesamtaufkommen dieser Dienstleistungen etwa 30 % beträgt.

21      Der öffentliche Rettungsdienst erfasst üblicherweise Notfalltransportleistungen und qualifizierte Krankentransportleistungen. Der Notfalltransport bezeichnet die Beförderung von lebensbedrohlich verletzten oder erkrankten Personen unter fachgerechter Betreuung mit Notarzt- oder Rettungswagen. Der qualifizierte Krankentransport besteht in der Beförderung von kranken, verletzten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen, die keine Notfallpatienten sind, unter fachgerechter Betreuung mit Krankentransportwagen. Beide Arten von Leistungen stehen der Bevölkerung im gesamten betreffenden Gebiet im Allgemeinen rund um die Uhr zur Verfügung und schließen dabei häufig den Betrieb von ständig mit Personal und Einsatzfahrzeugen ausgestatteten Rettungswachen mit ein.

22      Medizinische Dienstleistungen sind bei der Notfallrettung sowie in eingeschränktem Maße beim qualifizierten Krankentransport verfügbar. Allerdings finden die Mehrzahl der Notfalltransporteinsätze und alle Einsätze des qualifizierten Krankentransports ohne ärztliche Beteiligung statt. Medizinische Leistungen werden beim Notfalltransport hauptsächlich von Rettungssanitätern erbracht. Notarztleistungen werden üblicherweise über separate Verträge mit den Krankenhäusern geregelt.

23      Im Bereich des öffentlichen Rettungsdienstes schließen die Gebietskörperschaften als Träger des Rettungsdienstes mit Leistungserbringern Verträge über die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit diesen Dienstleistungen. Die Vergütung der betreffenden Dienstleistungen erfolgt entweder unmittelbar durch den Auftraggeber nach dem sogenannten „Submissionsmodell“, auf das allein sich die vorliegende Klage bezieht, oder durch die Erhebung von Entgelten durch den Auftragnehmer bei den Patienten bzw. den Krankenkassen nach dem sogenannten „Konzessionsmodell“.

24      Die Urheber der an die Kommission gerichteten Beschwerden behaupteten, dass in Deutschland die Aufträge über öffentliche Krankentransportleistungen in der Regel nicht Gegenstand einer auf der Ebene der Europäischen Union veröffentlichten Ausschreibung seien und nicht transparent vergeben würden. Einige Beschwerdeführer trugen vor, dass in den Fällen, die zur Einreichung ihrer Beschwerde Anlass gegeben hätten, eine allgemeine Praxis in diesem Mitgliedstaat zum Ausdruck komme.

25      Die Untersuchungen durch die Kommission ergaben, dass in den Jahren 2001 bis 2006 zur Beschaffung von Notfalltransport- bzw. qualifizierten Krankentransportleistungen lediglich dreizehn Vergabebekanntmachungen von elf verschiedenen Gebietskörperschaften im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften und im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden waren. In demselben Zeitraum sei auch die Anzahl von Bekanntmachungen der Ergebnisse einer Auftragsvergabe äußerst gering gewesen, da es hierzu nur zwei Veröffentlichungen gegeben habe.

 Der Klage zugrunde liegende Fälle

26      Die bei der Kommission angezeigten und von ihr als Beispiele für die von der vorliegenden Klage erfasste Praxis dargestellten Fälle betreffen die Bundesländer Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen.

 Das Land Sachsen-Anhalt

27      Nach Angaben der Kommission führt die Stadt Magdeburg seit Oktober 2005 ein Genehmigungsverfahren zur Vergabe von entgeltlichen Verträgen über öffentliche Krankentransportleistungen durch. Leistungsgegenstand ist die Vorhaltung von Personal und Fahrzeugen für den Notfalltransport bzw. den qualifizierten Krankentransport für den Zeitraum 2007 bis 2011. Das Auftragsvolumen beläuft sich auf insgesamt 7,84 Millionen Euro pro Jahr. Eine unionsweite Vergabebekanntmachung wurde nicht veröffentlicht.

 Das Land Nordrhein-Westfalen

28      Nach Angaben der Kommission vergab die Stadt Bonn im Jahr 2004 einen Auftrag über öffentliche Krankentransportleistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2008. Gegenstand des fraglichen Auftrags war u. a. der Betrieb von vier Rettungswachen. Dieser Auftrag hatte ein Gesamtvolumen von mindestens 5,28 Millionen Euro. Er wurde nicht unionsweit, sondern nur national ausgeschrieben. Zumindest ein Bieter wurde nach Abgabe seiner Interessensbekundung ausgeschlossen, und das Vergabeverfahren wurde schließlich mangels eines wirtschaftlichen Ergebnisses aufgehoben. Der fragliche Auftrag wurde letztlich direkt an den bisherigen Dienstleistungserbringer vergeben.

29      Nach weiteren Angaben der Kommission hatte im Jahr 1998 ein Unternehmen gegenüber der Stadt Witten sein Interesse an der Übernahme des Betriebs der Rettungswache von Witten-Herbede bekundet. Der Betrieb dieser Rettungswache mit einem jährlichen Auftragsvolumen von 945 753 Euro wurde jedoch an das Deutsche Rote Kreuz (DRK) vergeben. Eine unionsweite Vergabebekanntmachung wurde nicht veröffentlicht.

 Das Land Niedersachsen

30      Nach Angaben der Kommission führte die Region Hannover im Jahr 2004 erstmals ein Vergabeverfahren für Aufträge über die Erbringung öffentlicher Krankentransportleistungen in ihrem Gebiet durch. An diesem Verfahren durften sich ausschließlich die bisher Beauftragten, nämlich der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), das DRK, die Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) und die RKT GmbH, beteiligen. Das Auftragsvolumen für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2009 belief sich auf annähernd 65 Millionen Euro.

31      Nach weiteren Angaben der Kommission beauftragte der Landkreis Hameln-Pyrmont im Jahr 1993 den Kreisverband des DRK mit der Erbringung öffentlicher Krankentransportleistungen in seinem Gebiet. Der Vertrag mit einer ursprünglichen Laufzeit von zehn Jahren wurde nicht gekündigt. Im Jahr 2003 wurde er ohne Veröffentlichung einer Vergabebekanntmachung um zehn Jahre verlängert. Zudem wurde im Jahr 1999 eine neue Rettungswache in der Gemeinde Emmerthal errichtet, mit deren Betrieb das DRK ebenfalls ohne vorherige Veröffentlichung einer Vergabebekanntmachung beauftragt wurde. Das Gesamtvolumen dieser Aufträge belief sich auf 7,2 Millionen Euro pro Jahr.

32      Die Kommission erhielt auch Informationen darüber, dass der Kreisverband des DRK seit 1992 öffentliche Krankentransportleistungen auf dem Gebiet des Landkreises Uelzen erbringt. Der zwischen diesem Landkreis und dem DRK-Kreisverband geschlossene Vertrag wurde im Jahr 2002 um die Dienstleistung des Betriebs der Rettungswache in Bad Bevensen erweitert, ohne dass eine Vergabebekanntmachung veröffentlicht worden wäre. Er umfasst einen Gesamtwert von 4,45 Millionen Euro pro Jahr.

 Das Land Sachsen

33      Nach den von der Kommission eingeholten Informationen betreffen die Verträge des Rettungszweckverbands Westsachsen mit dem ASB, dem DRK, der JUH und der Berufsfeuerwehr Zwickau mit einer ursprünglichen Laufzeit von vier Jahren die Landkreise Chemnitzer Land, Aue-Schwarzenberg, Zwickauer Land sowie die Stadt Zwickau. Diese Verträge mit einem Gesamtwert von 7,9 Millionen Euro pro Jahr wurden im Jahr 2003 ohne Veröffentlichung einer Vergabebekanntmachung um vier Jahre verlängert. Am Ende ihrer Laufzeit wurden sie bis zum 31. Dezember 2008 verlängert.

34      Die bestehenden Verträge des Rettungszweckverbands Chemnitz/Stollberg mit dem ASB, dem DRK, der JUH und der Berufsfeuerwehr Chemnitz mit einer ursprünglichen Laufzeit von vier Jahren betreffen den Landkreis Stollberg sowie die Stadt Chemnitz. Diese Verträge mit einem jährlichen Gesamtwert von 3,3 Millionen Euro wurden am 1. September 2002 ohne Veröffentlichung einer Vergabebekanntmachung um weitere vier Jahre verlängert. Am Ende ihrer Laufzeit wurden sie bis zum 31. Dezember 2008 verlängert.

35      Die bestehenden Verträge des Rettungszweckverbands Vogtland mit dem ASB, dem DRK, der JUH, der privaten Rettungsdienstgesellschaft Plauen und der Berufsfeuerwehr Plauen mit einer Laufzeit von vier Jahren betreffen den Landkreis Vogtland sowie die Stadt Plauen. Diese Verträge mit einem jährlichen Gesamtwert von 3,9 Millionen Euro wurden ohne Veröffentlichung einer Vergabebekanntmachung und mit Wirkung zum 1. Januar 2002 bzw. 1. Januar 2004 geschlossen. Am Ende ihrer Laufzeit wurden sie bis zum 31. Dezember 2008 verlängert.

 Vorverfahren

36      In einem Aufforderungsschreiben vom 10. April 2006 teilte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland mit, sie könnte

–        bei der Vergabe von entgeltlichen Dienstleistungsverträgen über Rettungsdienstleistungen, bei denen Verkehrsleistungen im Sinne von Kategorie 2 bzw. 3 des Anhangs IA der Richtlinie 92/50 bzw. des Anhangs II Teil A der Richtlinie 2004/18 überwögen, bis 31. Januar 2006 gegen Art. 10 der Richtlinie 92/50 in Verbindung mit den Abschnitten III bis VI dieser Richtlinie und, seit 1. Februar 2006, gegen Art. 22 der Richtlinie 2004/18 in Verbindung mit den Art. 23 bis 55 dieser Richtlinie verstoßen haben und

–        bei der Vergabe von entgeltlichen Dienstleistungsverträgen über Rettungsdienstleistungen, bei denen medizinische Leistungen im Sinne von Kategorie 25 des Anhangs IB der Richtlinie 92/50 bzw. des Anhangs II Teil B der Richtlinie 2004/18 überwögen, bis 31. Januar 2006 gegen Art. 10 der Richtlinie 92/50 in Verbindung mit Art. 16 dieser Richtlinie und seit 1. Februar 2006 gegen Art. 22 der Richtlinie 2004/18 in Verbindung mit Art. 35 Abs. 4 dieser Richtlinie sowie jedenfalls gegen die Prinzipien der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit, die in den Art. 43 EG und 49 EG niedergelegt seien, insbesondere gegen das von diesen Prinzipien umfasste Diskriminierungsverbot, verstoßen haben.

37      Die Bundesrepublik Deutschland antwortete auf dieses Mahnschreiben mit Schreiben vom 10. Juli 2006, in dem sie u. a. geltend machte, dass der öffentliche Rettungsdienst öffentlich-rechtlich organisiert sei und dass seine Ausübung der hoheitlichen Betätigung des Staates zuzuordnen sei. Verträge über Krankentransportleistungen könnten daher nicht als öffentliche Dienstleistungsaufträge eingestuft werden.

38      Da die Kommission diese Antwort nicht für zufriedenstellend hielt, übersandte sie der Bundesrepublik Deutschland am 15. Dezember 2006 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie an den im Mahnschreiben erhobenen Rügen unverändert festhielt und die Bundesrepublik aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um diese Zuwiderhandlung binnen zwei Monaten nach Eingang dieser Stellungnahme abzustellen.

39      Da die Bundesrepublik Deutschland in ihrem Antwortschreiben vom 22. Februar 2007 auf die mit Gründen versehene Stellungnahme an ihrer Auffassung festhielt, hat die Kommission beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

 Zur Klage

 Zur Zulässigkeit

40      Da die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klage und die mit ihr erhobenen Rügen zwingendes Recht sind, kann sie der Gerichtshof gemäß Art. 92 § 2 seiner Verfahrensordnung von Amts wegen prüfen. Ferner ist er befugt, von Amts wegen zu prüfen, ob die durch die Rechtsordnung der Union verliehenen Verfahrensgarantien eingehalten wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Mai 1991, Interhotel/Kommission, C‑291/89, Slg. 1991, I‑2257, Randnrn. 14 und 15).

41      Es ist darauf hinzuweisen, dass im Vertragsverletzungsverfahren das Vorverfahren dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit geben soll, den sich aus dem Recht der Union ergebenden Verpflichtungen nachzukommen und sich gegenüber den Rügen der Kommission wirksam zu verteidigen (Urteil vom 24. Juni 2004, Kommission/Niederlande, C‑350/02, Slg. 2004, I‑6213, Randnr. 18).

42      Der ordnungsgemäße Ablauf dieses Verfahrens ist nicht nur eine vom EG-Vertrag vorgeschriebene wesentliche Garantie für den Schutz der Rechte des betroffenen Mitgliedstaats, sondern auch dafür, dass ein etwaiges streitiges Verfahren einen eindeutig festgelegten Streitgegenstand hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Niederlande, Randnr. 19).

43      Daraus folgt, dass der Gegenstand einer Klage nach Art. 226 EG durch das in dieser Bestimmung vorgesehene Vorverfahren eingegrenzt wird und daher im gerichtlichen Verfahren nicht mehr erweitert werden kann. Die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission und die Klage müssen auf die gleichen Gründe und das gleiche Vorbringen gestützt sein, so dass der Gerichtshof eine Rüge, die nicht in der mit Gründen versehenen Stellungnahme erhoben wurde, nicht prüfen kann; die mit Gründen versehene Stellungnahme muss eine zusammenhängende und ausführliche Darstellung der Gründe enthalten, aus denen die Kommission zu der Überzeugung gelangt ist, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen eine seiner Verpflichtungen aus dem Vertrag verstoßen hat (vgl. Urteile Kommission/Niederlande, Randnr. 20, und vom 27. April 2006, Kommission/Deutschland, C‑441/02, Slg. 2006, I‑3449, Randnrn. 59 und 60).

44      Daher muss die Kommission bereits im Lauf des Vorverfahrens genau angeben, welche Bestimmung oder Bestimmungen der Verpflichtung zugrunde liegen, deren Nichteinhaltung dem Mitgliedstaat vorgeworfen wird (vgl. Urteil vom 22. März 2007, Kommission/Belgien, C‑437/04, Slg. 2007, I‑2513, Randnr. 39).

45      Im vorliegenden Fall ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Kommission sowohl im Mahnschreiben als auch in der mit Gründen versehenen Stellungnahme die auf einen Verstoß gegen die Art. 43 EG und 49 EG gestützte Rüge auf die Vergabe der Aufträge für öffentliche Krankentransportleistungen bezogen hat, die dadurch gekennzeichnet seien, dass der Wert der medizinischen Leistungen im Sinne des Anhangs IB der Richtlinie 92/50 bzw. des Anhangs II Teil B der Richtlinie 2004/18 höher sei als der Wert der Verkehrsleistungen im Sinne des Anhangs IA der Richtlinie 92/50 bzw. des Anhangs II Teil A der Richtlinie 2004/18.

46      Was die Vergabe von Aufträgen für derartige Leistungen angeht, bei denen dieses Wertverhältnis umgekehrt ist, betrafen die von der Kommission im Lauf des Vorverfahrens erhobenen Rügen einen Verstoß gegen die Richtlinien 92/50 und 2004/18. Die Rüge einer Verletzung der Art. 43 EG und 49 EG im Zusammenhang mit der Vergabe dieser Aufträge hingegen war im Mahnschreiben und in der mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht erwähnt.

47      Demgegenüber erhebt die Kommission jetzt in der Klageschrift die Rüge eines Verstoßes gegen die Art. 43 EG und 49 EG auch hinsichtlich der Vergabe der in der vorstehenden Randnummer genannten Aufträge, was eine rechtswidrige Erweiterung des im Laufe des Vorverfahrens umschriebenen Gegenstands der geltend gemachten Vertragsverletzung darstellt. Daher ist die Rüge eines Verstoßes gegen diese Artikel für unzulässig zu erklären, soweit sie die Vergabe dieser Aufträge betrifft.

48      Zum anderen ist, soweit bestimmte Abschnitte der Klageschrift dahin zu verstehen sind, dass die vorliegende Klage die Rüge enthält, durch die verschiedenen in Rede stehenden Auftragsvergaben sei Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/50 bzw. Art. 2 der Richtlinie 2004/18 verletzt worden, darauf hinzuweisen, dass diese beiden Bestimmungen im Laufe des Vorverfahrens nicht als Gegenstand eines von der Kommission geltend gemachten Verstoßes genannt wurden. Die Rüge einer Verletzung dieser Bestimmungen ist daher gleichfalls unzulässig.

49      Schließlich ergibt sich aus Art. 38 § 1 in Verbindung mit Art. 42 § 2 der Verfahrensordnung, dass der Streitgegenstand in der Klageschrift bestimmt werden muss und dass ein erstmals in der Erwiderung gestellter Antrag den ursprünglichen Gegenstand der Klage ändert und daher als neuer Antrag anzusehen und folglich als unzulässig zurückzuweisen ist.

50      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kommission in ihrer Klageschrift ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass sich die vorliegende Klage, obgleich die streitige Vergabepraxis auch in anderen Bundesländern anzutreffen sei, auf die Vergabepraxis in Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen beschränke.

51      Unter diesen Umständen stellt der in der Erwiderung enthaltene Antrag der Kommission, der auf die Feststellung gerichtet ist, dass die in Rede stehende Praxis im gesamten Bundesgebiet besteht, eine rechtswidrige Erweiterung des ursprünglichen Gegenstands der Klage dar. Daher sind die von der Kommission erhobenen Rügen für unzulässig zu erklären, soweit sie andere als die in der vorstehenden Randnummer genannten Länder betreffen.

52      Daher ist die Klage als unzulässig abzuweisen, soweit sie sich auf die Feststellung bezieht, dass

–        die Vergabe der Aufträge über öffentliche Krankentransportleistungen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Wert der Verkehrsleistungen im Sinne des Anhangs IA der Richtlinie 92/50 bzw. des Anhangs II Teil A der Richtlinie 2004/18 höher ist als der Wert der medizinischen Leistungen im Sinne des Anhangs IB der Richtlinie 92/50 bzw. des Anhangs II Teil B der Richtlinie 2004/18, gegen die Art. 43 EG und 49 EG verstößt;

–        ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/50 bzw. gegen Art. 2 der Richtlinie 2004/18 vorliegt und

–        in anderen Bundesländern als Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen eine unionsrechtswidrige Praxis der Vergabe von Aufträgen über öffentliche Rettungsdienstleistungen besteht.

 Zur Begründetheit

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

53      Die Kommission trägt erstens vor, dass ein Verstoß gegen die Art. 10 und 16 der Richtlinie 92/50 sowie gegen Art. 22 und Art. 35 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18 vorliege. Unabhängig vom jeweiligen Umfang des Wertes der Verkehrsleistungen und desjenigen der medizinischen Leistungen bei den einzelnen in ihrer Klage bezeichneten Aufträgen seien die Ergebnisse der Vergabe dieser Aufträge in keiner Weise bekannt gemacht worden.

54      Ferner liege ein Verstoß gegen das in den Art. 43 EG und 49 EG enthaltene Diskriminierungsverbot vor, das den Auftraggebern neben den sich aus den Richtlinien 92/50 und 2004/18 ergebenden Verpflichtungen auferlegt sei. Insoweit sei unter Berücksichtigung des Ursprungs der an die Kommission gerichteten Beschwerden und des wirtschaftlichen Umfangs der in Rede stehenden Dienstleistungen die im Urteil vom 13. November 2007, Kommission/Irland (C‑507/03, Slg. 2007, I‑9777, Randnrn. 29 und 30), aufgestellte Bedingung des Vorliegens eines eindeutigen grenzüberschreitenden Interesses im vorliegenden Fall erfüllt.

55      Die bei der Kommission angezeigten Fälle ließen eine allgemeine Praxis der Vergabe von Aufträgen über öffentliche Krankentransportleistungen unter Missachtung der unionsrechtlichen Bestimmungen zur Sicherstellung von Transparenz und Wettbewerb bei diesen Aufträgen erkennen. Die äußerst geringe Anzahl von Vergabeverfahren, die die Gebietskörperschaften europaweit ausgeschrieben hätten, nämlich dreizehn Vergabebekanntmachungen in einem Zeitraum von sechs Jahren, die von elf der über 400 Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland veröffentlicht worden seien, bestätige das Bestehen dieser Praxis.

56      Die Kommission vertritt zweitens die Meinung, dass die Missachtung der Regelung der Union über öffentliche Dienstleistungsaufträge durch die deutschen Gebietskörperschaften nicht durch Erwägungen gerechtfertigt werden könne, die auf eine hoheitliche Betätigung des Staates abstellten.

57      Die in der vorliegenden Rechtssache fraglichen Dienstleistungen fielen nicht in den Anwendungsbereich der Art. 45 EG und 55 EG, da sie als solche keine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellten. Insbesondere implizierten diese Dienstleistungen nicht, dass ihre Erbringer besondere Zwangs- oder Eingriffsbefugnisse besäßen.

58      Weder der Einsatz von Blaulicht und Einsatzhorn noch die Einräumung eines Vorfahrtsrechts im Sinne der deutschen Straßenverkehrsordnung für die Erbringer dieser Dienstleistungen, noch der Umstand, dass Notfallrettungsmaßnahmen auch ohne Einwilligung des Verletzten bzw. durch einen Rettungssanitäter ohne vollständige ärztliche Ausbildung erbracht werden könnten, seien Ausdruck solcher Befugnisse.

59      Selbst wenn, wie die Bundesrepublik Deutschland vortrage, der öffentliche Rettungsdienst für die öffentlichen Aufgabenträger die Ausübung unmittelbarer und spezifischer öffentlicher Gewalt darstellen sollte, würde die funktionelle Einbindung von mit der Erbringung von Krankentransportleistungen betrauten Helfern in die Planung, Organisation und Verwaltung dieser Dienstleistungen daher nicht bedeuten, dass diesen Helfern Hoheitsrechte oder Zwangsbefugnisse eingeräumt wären.

60      Drittens bestreitet die Kommission, dass im vorliegenden Fall eine erfolgreiche Berufung auf Art. 86 Abs. 2 EG möglich sei. Das Urteil vom 25. Oktober 2001, Ambulanz Glöckner (C‑475/99, Slg. 2001, I‑8089), habe keine Bedeutung für die Beurteilung der Vereinbarkeit der streitigen Praxis mit dem Unionsrecht über öffentliche Aufträge, und die Anwendbarkeit dieser Bestimmung hätte die Darlegung erfordert, dass die Anwendung der Binnenmarktregeln geeignet sei, einen funktionsfähigen und rentablen, qualitativ hochstehenden Rettungsdienst zu verhindern, was die Bundesrepublik Deutschland aber zu keinem Zeitpunkt behauptet habe.

61      Die Bundesrepublik Deutschland beanstandet in erster Linie bestimmte Tatsachenbehauptungen der Kommission.

62      Was erstens das von der Stadt Bonn durchgeführte Vergabeverfahren betreffe, sei der ausgeschlossene Bieter deshalb nicht weiter beteiligt worden, weil ihm wegen beruflicher Unzuverlässigkeit die Verlängerung der Erlaubnis nach dem nordrhein-westfälischen Rettungsdienstgesetz versagt worden sei, das die Behörden dieser Stadt bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags zu berücksichtigen hätten.

63      Was zweitens die Rettungswache in Bad Bevensen angehe, habe der Vorgang, der sich in einem im April 2004 geschlossenen Vertrag manifestiert habe, nur die Übernahme des Betriebs, des Personals und der Ausrüstung des Rettungsdienstes der Samtgemeinde Bevensen durch den DRK-Kreisverband sowie die Übernahme des Vertrags vom Juli 1984 zwischen der Samtgemeinde und dem Landkreis Uelzen bezweckt. Dieser Vertrag vom April 2004 stehe in der Kontinuität eines ursprünglichen Vertrags, der im Juli 1984 geschlossen worden sei und deshalb nicht unter die Richtlinie 92/50 falle. Er habe diesen ursprünglichen Vertrag weder nach seinem sachlichen oder räumlichen Gegenstand noch nach dem Leistungsangebot oder der Art der Finanzierung wesentlich geändert.

64      Drittens vertritt die Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf das Land Sachsen die Ansicht, dass der behauptete Verstoß mit Beendigung der zwischen 2002 und 2004 verlängerten Verträge sowie mit dem Inkrafttreten der Neuregelung in diesem Bundesland im Januar 2005, die nunmehr die Anwendung eines transparenten Verfahrens zur Vergabe von Aufträgen über öffentliche Krankentransportleistungen vorschreibe, nicht mehr vorliege.

65      In zweiter Linie macht die Bundesrepublik Deutschland, in diesem Punkt unterstützt durch das Königreich der Niederlande, geltend, dass öffentliche Krankentransportleistungen als Teil der öffentlichen Politik der Gefahrenabwehr und des Gesundheitsschutzes unter die in den Art. 45 EG und 55 EG genannte Ausnahmeregelung fielen, was sie vom Anwendungsbereich des Unionsrechts über öffentliche Aufträge ausnehme.

66      Für die Beurteilung, ob die fragliche Tätigkeit mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt verbunden sei, sei insoweit ihre Einordnung im nationalen Recht maßgebend. Im vorliegenden Fall unterliege die Organisation öffentlicher Krankentransportleistungen einschließlich der mit den Erbringern dieser Dienstleistungen geschlossenen Verträge öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Zudem und vor allem sei die diesen Leistungserbringern übertragene Tätigkeit mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt verbunden, wie das den Führern von Rettungsfahrzeugen zustehende Vorfahrtsrecht und die damit verbundenen Attribute, nämlich der Einsatz von Blaulicht und Einsatzhorn, bewiesen.

67      Ferner setzten die mit öffentlichen Krankentransportleistungen verbundenen Tätigkeiten typischerweise den Besitz von Sonderbefugnissen voraus, nämlich Planung, Organisation und Verwaltung der Leistungen, die Verpflichtung Dritter zu Auskünften bzw. Meldungen sowie Entscheidungen über den Einsatz anderer Fachdienste und die Beteiligung an der Bestellung dieses Dienstpersonals zu Verwaltungsvollzugsbeamten. Diese Tätigkeiten beruhten auf einer strengen Koordination der menschlichen und technischen Glieder der „Rettungskette“, die dauerhaft und flächendeckend nur von einer öffentlichen Stelle wahrgenommen werden könne.

68      Die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich der Niederlande sind der Ansicht, dass auch der Umstand, dass der öffentliche Rettungsdienst als solcher für die Aufgabenträger öffentliche Gewalt darstelle, für eine funktionelle Verbindung zwischen den Erbringern dieser Dienstleistungen und der Ausübung öffentlicher Gewalt spreche. Das Gleiche gelte für die Zusammenarbeit zwischen diesen Leistungserbringern und anderen, gleichfalls an der Planung, Organisation und Verwaltung dieser Dienstleistungen beteiligten Akteuren, wie Polizeikräfte, Katastrophenschutz und Feuerwehr, die Abwehr- bzw. Schutzaufgaben wahrnähmen sowie Räumungs-, Sicherungs- und Absperrmaßnahmen treffen und Hilfe beim Vollzug von Maßnahmen zur Unterbringung z. B. psychisch kranker Menschen leisten könnten, wobei diese Aufgaben und Maßnahmen für die Ausübung öffentlicher Gewalt kennzeichnend seien.

69      In dritter Linie macht die Bundesrepublik Deutschland, auch in diesem Punkt unterstützt durch das Königreich der Niederlande, hilfsweise geltend, dass die Krankentransportleistungen unter den Begriff der „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ im Sinne von Art. 86 Abs. 2 EG fielen, mit dem die Zulassung von Ausnahmen nicht nur von den Wettbewerbsregeln (vgl. Urteil Ambulanz Glöckner), sondern auch von den Grundfreiheiten und den Vorschriften über öffentliche Aufträge verbunden sei.

70      Eine Ausnahme von diesen Freiheiten und Vorschriften sei erforderlich, um Quersubventionierungen zwischen Gebieten mit dichter Bebauung, in denen die Erbringung von Krankentransportleistungen eher profitabel sei, zugunsten von insoweit sehr viel weniger profitablen Gebieten mit geringer Bevölkerungsdichte zu ermöglichen.

71      Auch der Zusammenhang zwischen Rettungsdiensten und Katastrophenschutz spreche für eine Ausnahme von den unionsrechtlichen Vorschriften über öffentliche Aufträge. Die staatliche Vorsorgepflicht für den Katastrophenschutz mache es nämlich erforderlich, die nationalen Hilfsorganisationen, für die in solchen Fällen eine Hilfspflicht bestehe und die gewährleisteten, dass tatsächlich eine Vielzahl ortsnah ansässiger ehrenamtlicher Helfer zur Verfügung stehe, zu schützen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

72      In Anbetracht der mit der Anwendung von Art. 45 Abs. 1 EG und von Art. 55 EG verbundenen Konsequenzen ist vorab zu prüfen, ob diese Bestimmungen im vorliegenden Fall tatsächlich anzuwenden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 2007, Kommission/Italien, C‑465/05, Slg. 2007, I‑11091, Randnr. 31).

–       Zur Ausnahme nach Art. 45 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 55 EG

73      Nach Art. 45 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 55 EG erstrecken sich die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr nicht auf Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind.

74      Wie die Generalanwältin in Nr. 51 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, fallen solche Tätigkeiten auch nicht in den Anwendungsbereich von Richtlinien, die, wie die Richtlinien 92/50 und 2004/18, der Durchführung der Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr dienen.

75      Es ist daher zu prüfen, ob die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Krankentransportleistungen den Tätigkeiten im Sinne von Art. 45 Abs. 1 EG zuzurechnen sind.

76      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Art. 45 EG und 55 EG als Ausnahmen von den Grundregeln der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs so auszulegen sind, dass sich ihre Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, die zu schützen diese Bestimmungen den Mitgliedstaaten erlauben, unbedingt erforderlich ist (vgl. u. a. Urteile vom 15. März 1988, Kommission/Griechenland, 147/86, Slg. 1988, 1637, Randnr. 7, vom 30. März 2006, Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, C‑451/03, Slg. 2006, I‑2941, Randnr. 45, und vom 22. Oktober 2009, Kommission/Portugal, C‑438/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 34).

77      Nach ständiger Rechtsprechung muss bei der Beurteilung einer etwaigen Anwendung der in den Art. 45 EG und 55 EG vorgesehenen Ausnahmen berücksichtigt werden, dass die diesen Ausnahmen durch diese Artikel gezogenen Grenzen dem Unionsrecht unterfallen (vgl. insbesondere Urteile vom 21. Juni 1974, Reyners, 2/74, Slg. 1974, 631, Randnr. 50, und Kommission/Portugal, Randnr. 35).

78      Nach gefestigter Rechtsprechung muss sich die in diesen Artikeln vorgesehene Ausnahmeregelung auf Tätigkeiten beschränken, die als solche unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind (vgl. Urteile Reyners, Randnr. 45, vom 13. Juli 1993, Thijssen, C‑42/92, Slg. 1993, I‑4047, Randnr. 8, und Kommission/Portugal, Randnr. 36).

79      Wie die Generalanwältin in Nr. 58 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, setzt diese Teilhabe eine hinreichend qualifizierte Ausübung von Sonderrechten, Hoheitsprivilegien oder Zwangsbefugnissen voraus.

80      Im vorliegenden Fall ist vorab zu betonen, dass der Beitrag zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, zu dem jeder verpflichtet sein kann, insbesondere indem er einer Person in lebens- oder gesundheitsbedrohender Lage Hilfe leistet, für eine Teilhabe an der Ausübung öffentlicher Gewalt nicht ausreicht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Oktober 1998, Kommission/Spanien, C‑114/97, Slg. 1998, I‑6717, Randnr. 37, und Kommission/Italien, Randnr. 38).

81      Was das Recht der Erbringer von Krankentransportleistungen betrifft, auf Mittel wie Blaulicht oder Einsatzhorn sowie das ihnen durch die deutsche Straßenverkehrsordnung eingeräumte Vorfahrtsrecht zurückzugreifen, so kommt in ihnen zwar die vorrangige Bedeutung zum Ausdruck, die der nationale Gesetzgeber der Gesundheit der Bevölkerung gegenüber den allgemeinen Regeln des Straßenverkehrs beigemessen hat.

82      Diese Rechte als solche können jedoch nicht als unmittelbare und spezifische Teilhabe an der Ausübung öffentlicher Gewalt betrachtet werden, da die betreffenden Leistungserbringer nicht mit vom allgemeinen Recht abweichenden Vorrechten oder Zwangsbefugnissen ausgestattet sind, um dessen Einhaltung zu gewährleisten, was, wie zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig ist, in die Zuständigkeit der Polizei- und Justizbehörden fällt (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Italien, Randnr. 39, und Kommission/Portugal, Randnr. 44).

83      Ebenso wenig können Aspekte, wie sie von der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf besondere organisatorische Befugnisse im Bereich der erbrachten Dienstleistungen, die Befugnis, bei Dritten Informationen einzuholen, oder den Einsatz anderer Fachdienste oder auch die Beteiligung an der Bestellung von Verwaltungsvollzugsbeamten im Zusammenhang mit den fraglichen Dienstleistungen angeführt worden sind, als Ausdruck einer hinreichend qualifizierten Wahrnehmung hoheitlicher bzw. vom allgemeinen Recht abweichender Befugnisse angesehen werden.

84      Auch der gleichfalls von der Bundesrepublik Deutschland betonte Umstand, dass die Erbringung öffentlicher Krankentransportleistungen eine Zusammenarbeit mit den öffentlichen Stellen sowie mit Angehörigen der Berufsgruppen mit sich bringe, die, wie die Angehörigen der Polizeikräfte, mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet seien, stellt keinen Gesichtspunkt dar, durch den die Tätigkeit der Erbringung dieser Dienstleistungen mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil Reyners, Randnr. 51).

85      Gleiches gilt für den ebenfalls von der Bundesrepublik Deutschland geltend gemachten Umstand, dass die Verträge über die in Rede stehenden Dienstleistungsaufträge öffentlich-rechtlicher Natur seien und dass die betreffenden Tätigkeiten für Rechnung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts ausgeübt würden, die Träger des öffentlichen Rettungsdienstes seien (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2007, Jundt, C‑281/06, Slg. 2007, I‑12231, Randnrn. 36 bis 39).

86      Folglich ist festzustellen, dass die Art. 45 EG und 55 EG auf die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Tätigkeiten keine Anwendung finden.

87      Daher ist zu prüfen, ob die von der Kommission behauptete Vertragsverletzung erwiesen ist.

–       Zu der von der Kommission behaupteten Vertragsverletzung

88      Zunächst ist erstens darauf hinzuweisen, dass nach den Angaben, die die Kommission in ihren beim Gerichtshof eingereichten Schriftsätzen gemacht hat, die vorliegende Klage unter den in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden verschiedenen Arten der Erbringung öffentlicher Krankentransportleistungen auf das sogenannte „Submissionsmodell“ beschränkt ist, wonach der Leistungserbringer, dem der Auftrag erteilt wurde, unmittelbar von dem Auftraggeber, mit dem er den Vertrag geschlossen hat, oder von einer mit diesem Auftraggeber in Verbindung stehenden Finanzierungseinrichtung vergütet wird.

89      Zweitens hat die Bundesrepublik Deutschland das Vorbringen der Kommission nicht bestritten, dass es sich bei den Gebietskörperschaften, die die einzelnen in der Klage bezeichneten Aufträge erteilt haben, um Auftraggeber im Sinne von Art. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/50 bzw. Art. 1 Abs. 9 der Richtlinie 2004/18 handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. November 2004, Kommission/Deutschland, C‑126/03, Slg. 2004, I‑11197, Randnr. 18).

90      Drittens kann der von der Bundesrepublik Deutschland geltend machte Umstand, dass die Verträge, mit denen diese Aufträge vergeben worden seien, dem öffentlichen Recht zuzurechnen seien, nicht verdecken, dass das von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 92/50 bzw. Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 verlangte vertragliche Element vorliegt. Vielmehr spricht er, wie die Kommission vorgetragen hat, für das Vorliegen dieses Elements (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2001, Ordine degli Architetti u. a., C‑399/98, Slg. 2001, I‑5409, Randnr. 73).

91      Die Schriftform und Entgeltlichkeit dieser Verträge werden von der Bundesrepublik Deutschland keineswegs in Abrede gestellt; sie widerspricht auch nicht den bezifferten Angaben der Kommission, wonach der jeweilige Wert der einzelnen in Rede stehenden Aufträge die in Art. 7 der Richtlinie 92/50 bzw. der Richtlinie 2004/18 festgelegten Schwellenwerte deutlich übersteigt.

92      Viertens ist zwischen den Verfahrensbeteiligten auch unstreitig, dass der Notfalltransport bzw. der qualifizierte Krankentransport, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht, den Kategorien 2 bzw. 3 des Anhangs IA der Richtlinie 92/50 bzw. des Anhangs II Teil A der Richtlinie 2004/18 und zugleich der Kategorie 25 des Anhangs IB der Richtlinie 92/50 bzw. des Anhangs II Teil B der Richtlinie 2004/18 zuzurechnen sind, so dass die Aufträge, die derartige Dienstleistungen zum Gegenstand haben, in den Anwendungsbereich von Art. 10 der Richtlinie 92/50 bzw. von Art. 22 der Richtlinie 2004/18 fallen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. September 1998, Tögel, C‑76/97, Slg. 1998, I‑5357, Randnr. 40).

93      Demgegenüber widerspricht die Bundesrepublik Deutschland bestimmten Tatsachenbehauptungen der Kommission. Sie tritt auch deren Vorbringen entgegen, dass diese Tatsachen eine allgemeine Praxis auf dem Gebiet der Vergabe von Aufträgen über öffentliche Krankentransportleistungen erkennen ließen.

 Zu den Tatsachenbehauptungen

94      Beruft sich die Kommission auf substantiierte Beschwerden, die wiederholte Verstöße gegen das Unionsrecht erkennen lassen, ist es nach ständiger Rechtsprechung Sache des betroffenen Mitgliedstaats, die in diesen Beschwerden behaupteten Tatsachen konkret zu widerlegen (vgl. Urteil vom 19. März 2009, Kommission/Griechenland, C‑489/06, Slg. 2009, I‑1797, Randnr. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

95      Im vorliegenden Fall bestreitet die Bundesrepublik Deutschland nicht die Richtigkeit der von der Kommission vorgetragenen Tatsachen in Bezug auf den von der Stadt Magdeburg in Sachsen-Anhalt vergebenen Auftrag, den Auftrag im Zusammenhang mit dem Betrieb der Rettungswache von Witten-Herbede in Nordrhein-Westfalen sowie die von der Region Hannover und vom Landkreis Hameln-Pyrmont in Niedersachsen vergebenen Aufträge; die betreffenden Aufträge sind in den Randnrn. 27 und 29 bis 31 des vorliegenden Urteils erwähnt.

96      Die Bundesrepublik tritt jedoch den Tatsachenbehauptungen der Kommission in Bezug auf die Aufträge entgegen, die von der Stadt Bonn, vom Landkreis Uelzen und von verschiedenen Gebietskörperschaften des Landes Sachsen vergeben wurden.

97      Was zunächst den in Randnr. 28 des vorliegenden Urteils erwähnten, von der Stadt Bonn vergebenen Auftrag betrifft, sind die Angaben der Bundesrepublik Deutschland zu den Gründen für den Ausschluss eines deutschen Bieters allerdings nicht geeignet, das von ihr nicht bestrittene Vorbringen der Kommission in Frage zu stellen, dass im Rahmen dieses Auftrags unionsrechtliche Vorschriften über die Transparenz im Bereich der öffentlichen Aufträge nicht eingehalten worden seien.

98      In Bezug auf den vom Landkreis Uelzen vergebenen, in Randnr. 32 des vorliegenden Urteils erwähnten Auftrag geht die von der Kommission erhobene Rüge, wie sich aus der Erörterung zwischen den Verfahrensbeteiligten vor dem Gerichtshof ergibt, dahin, dass der Gegenstand des im Jahr 1984 zwischen diesem Landkreis und dem DRK-Kreisverband geschlossenen Vertrags unter Missachtung des Unionsrechts über öffentliche Aufträge im Jahr 2004 auf den Betrieb der Rettungswache von Bad Bevensen ausgedehnt worden sei.

99      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass eine Änderung des ursprünglichen Auftrags u. a. dann als wesentlich und somit als neue Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie 92/50 bzw. der Richtlinie 2004/18 angesehen werden kann, wenn sie den Auftrag in großem Umfang auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2008, pressetext Nachrichtenagentur, C‑454/06, Slg. 2008, I‑4401, Randnr. 36).

100    Im vorliegenden Fall geht aus den Angaben in der Akte hervor, dass sich der Wert des Auftrags über den Betrieb der Rettungswache von Bad Bevensen auf 673 719,92 Euro, also einen Betrag beläuft, der deutlich über den in Art. 7 der Richtlinien 92/50 und 2004/18 festgelegten Schwellenwerten liegt.

101    Unter diesen Umständen ist die in Randnr. 98 des vorliegenden Urteils genannte Vertragserweiterung, wie die Kommission geltend macht, als wesentliche Änderung des ursprünglichen Auftrags anzusehen, die eine Einhaltung der maßgebenden Vorschriften des Unionsrechts über öffentliche Aufträge erforderlich gemacht hätte.

102    Was schließlich die im Land Sachsen vergebenen, in den Randnrn. 33 bis 35 des vorliegenden Urteils erwähnten Aufträge betrifft, ist der von der Bundesrepublik Deutschland geltend gemachte Umstand, dass der gerügte Verstoß mit Beendigung der zwischen 2002 und 2004 verlängerten Verträge und dem Inkrafttreten einer Neuregelung in diesem Bundesland im Januar 2005, mit der ein transparentes Verfahren zur Vergabe von Aufträgen über öffentliche Rettungsdienstleistungen eingeführt worden sei, nicht mehr vorliege, nicht geeignet, das von ihr nicht bestrittene Vorbringen der Kommission zu entkräften, dass diese Verträge unter Geltung der früheren Regelung ohne jede Transparenz auf Unionsebene mit Wirkung zum 31. Dezember 2008 verlängert worden seien.

103    Daher hatte die von der Kommission hinsichtlich dieser verschiedenen Aufträge des Landes Sachsen dargestellte Lage bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, dem für die Beurteilung des Vorliegens der behaupteten Vertragsverletzung maßgebenden Zeitpunkt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2009, Kommission/Spanien, C‑562/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 23), d. h. am 16. Februar 2007, noch Bestand.

104    Folglich sind sämtliche von der Kommission behaupteten Tatsachen als erwiesen anzusehen.

 Zur behaupteten Praxis

105    Die Bundesrepublik Deutschland wirft der Kommission vor, sich auf Einzelfälle zu berufen, um das Vorliegen einer allgemeinen Praxis der unionsrechtswidrigen Vergabe von Aufträgen über öffentliche Krankentransportleistungen geltend zu machen.

106    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission beim Gerichtshof die Feststellung beantragen kann, dass ein Verstoß gegen das Unionsrecht vorliegt, weil bei Behörden eines Mitgliedstaats eine diesem Recht entgegenstehende, anhand von Einzelfällen illustrierte allgemeine Praxis herrsche (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2007, Kommission/Irland, C‑248/05, Slg. 2007, I‑9261, Randnr. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

107    Die Feststellung einer behaupteten Vertragsverletzung auf der Grundlage einer in einem Mitgliedstaat bestehenden Verwaltungspraxis setzt allerdings einen hinreichend dokumentierten und detaillierten Nachweis der gerügten Praxis durch die Kommission voraus. Daraus muss sich ergeben, dass sich diese Verwaltungspraxis bis zu einem bestimmten Grad verfestigt hat und allgemein beachtet wird. Die Kommission kann sich hierfür nicht auf irgendeine Vermutung stützen (vgl. Urteile vom 7. Juni 2007, Kommission/Griechenland, C‑156/04, Slg. 2007, I‑4129, Randnr. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 19. März 2009, Kommission/Griechenland, Randnr. 48).

108    Hat die Kommission genügend Anhaltspunkte dafür beigebracht, dass sich bei den Behörden des beklagten Mitgliedstaats eine wiederholt angewandte, fortbestehende Praxis herausgebildet hat, die gegen das Unionsrecht verstößt, muss dieser Mitgliedstaat die angeführten Tatsachen und deren Folgen substantiiert bestreiten (vgl. Urteile vom 26. April 2005, Kommission/Irland, C‑494/01, Slg. 2005, I‑3331, Randnr. 47, und vom 25. Oktober 2007, Kommission/Irland, Randnr. 69).

109    Im vorliegenden Fall hat die Bundesrepublik Deutschland, wie aus den Randnrn. 95 bis 104 des vorliegenden Urteils hervorgeht, gegenüber den Tatsachenbehauptungen der Kommission betreffend wiederholte Verstöße gegen das Unionsrecht im Rahmen der Vergabe von Aufträgen über öffentliche Krankentransportleistungen in den Bundesländern Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen die Richtigkeit der behaupteten Tatsachen nicht entkräften können. Sie hat auch nichts dafür vorgetragen, dass in diesen Bundesländern bei anderen nach dem Submissionsmodell vergebenen Aufträgen das Unionsrecht über öffentliche Aufträge eingehalten worden wäre.

110    Vielmehr bestätigen, wie die Generalanwältin in Nr. 150 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, die Angaben der Kommission, denen die Bundesrepublik Deutschland nicht widersprochen hat und die die äußerst geringe Anzahl der Fälle bescheinigen, in denen ein Auftrag über öffentliche Krankentransportleistungen unter Einhaltung des Unionsrechts vergeben wurde, dass in den vier fraglichen Bundesländern eine Praxis herrscht, die über die von der Kommission mit dieser Klage vorgetragenen Einzelfälle hinausgeht.

111    Demnach ist die von der Kommission behauptete Praxis hinsichtlich der Bundesländer Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen als erwiesen anzusehen.

112    Daher ist zu prüfen, ob die von der Kommission behaupteten Verstöße gegen die Richtlinien 92/50 und 2004/18 sowie gegen die Art. 43 EG und 49 EG vorliegen.

 Zu den Verstößen, die in der Nichteinhaltung der Richtlinien 92/50 und 2004/18 bestehen sollen, sowie gegen die Art. 43 EG und 49 EG

113    Die Kommission trägt in ihrer Klage vor, dass in den Fällen der Vergabe von Aufträgen über öffentliche Krankentransportleistungen, die dadurch gekennzeichnet seien, dass der Wert der Verkehrsleistungen höher sei als derjenige der medizinischen Leistungen, die in Rede stehende Praxis gegen Art. 10 der Richtlinie 92/50 in Verbindung mit den Abschnitten III bis VI dieser Richtlinie bzw., seit 1. Februar 2006, gegen Art. 22 der Richtlinie 2004/18 in Verbindung mit den Art. 23 bis 55 dieser Richtlinie verstoßen habe. Nach diesen einzelnen Abschnitten bzw. Bestimmungen obliege es dem Auftraggeber u. a., für die Zwecke der Vergabe des betreffenden Auftrags unionsweit eine Vergabebekanntmachung zu veröffentlichen und die Bekanntmachung der Ergebnisse der Vergabe dieses Auftrags sicherzustellen.

114    In den Fällen der Vergabe von Aufträgen über öffentliche Krankentransportleistungen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Wert der medizinischen Leistungen höher ist als derjenige der Verkehrsleistungen, hält die Kommission die in Rede stehende Praxis für einen Verstoß gegen Art. 10 der Richtlinie 92/50 in Verbindung mit Art. 16 dieser Richtlinie bzw., seit 1. Februar 2006, gegen Art. 22 der Richtlinie 2004/18 in Verbindung mit Art. 35 Abs. 4 dieser Richtlinie. Diese Bestimmungen verpflichteten im Wesentlichen den Auftraggeber dazu, die Bekanntmachung der Ergebnisse der Vergabe des in Rede stehenden Auftrags sicherzustellen.

115    Die Kommission erhebt ferner die Rüge eines Verstoßes gegen die Art. 43 EG und 49 EG, die, wie sich aus den Randnrn. 45 bis 47 und 52 des vorliegenden Urteils ergibt, allerdings nur zulässig ist, soweit sie die Vergabe von Aufträgen betrifft, die der in der vorstehenden Randnummer genannten Fallgruppe zuzurechnen sind.

116    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EG der Kommission obliegt, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen, indem sie dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte liefert, anhand deren er das Vorliegen der Vertragsverletzung prüfen kann, ohne dass sie sich dabei auf irgendwelche Vermutungen stützen kann (vgl. Urteil vom 29. Oktober 2009, Kommission/Finnland, C‑246/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

117    Wie die Generalanwältin in Nr. 113 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist die Verpflichtung der Kommission zur genauen Festlegung des konkreten Gegenstands der behaupteten Vertragsverletzung unerlässlich dafür, dass der beklagte Mitgliedstaat richtig versteht, welche Maßnahmen im Fall der Feststellung dieser Vertragsverletzung von ihm verlangt werden, um die Vereinbarkeit der beanstandeten Lage mit dem Unionsrecht in vollem Umfang wiederherzustellen.

118    Im vorliegenden Fall geht aus der Akte hervor, dass die Kommission nach dem Hinweis in der mit Gründen versehenen Stellungnahme darauf, dass sie nicht über hinreichende Informationen verfüge, um festzustellen, welche Dienstleistungen, Verkehrsleistungen oder medizinische Leistungen, bei den bezeichneten Aufträgen einen höheren Wert hätten, wie die Generalanwältin in Nr. 96 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, bewusst davon abgesehen hat, diesen Aspekt im Rahmen der vorliegenden Klage zu behandeln, ohne dass der Akte zu entnehmen wäre, dass diese Entscheidung durch eine mutmaßlich mangelnde Zusammenarbeit seitens der deutschen Behörden im Laufe des Vorverfahrens vorgegeben gewesen wäre.

119    In ihrer Klageschrift hat sie nämlich ganz allgemein ausgeführt, dass sowohl bei Aufträgen über qualifizierte Krankentransportleistungen als auch bei solchen über Notfalltransportleistungen der Wert der medizinischen Leistungen erheblich sein könne und dass, da die streitigen Aufträge regelmäßig beide Arten von Leistungen zugleich umfassten, das Verhältnis der jeweiligen Werte dieser Leistungen je nach Auftrag unterschiedlich sei, so dass sowohl Aufträge denkbar seien, die dadurch gekennzeichnet seien, dass der Wert der Verkehrsleistungen höher sei als derjenige der medizinischen Leistungen, als auch solche, bei denen dies umgekehrt sei.

120    Indem sie sich für eine auf diese Annahmen gestützte Vorgehensweise entschieden hat, hat sie bewusst auf den Nachweis verzichtet, dass die in Rede stehenden Aufträge oder zumindest einige von ihnen dadurch gekennzeichnet waren, dass der Wert der Verkehrsleistungen höher war als der Wert der medizinischen Leistungen.

121    Hinsichtlich der Richtlinien 92/50 und 2004/18 hat sie ihre Rügen vielmehr darauf konzentriert, dass, unabhängig von der in Art. 10 der Richtlinie 92/50 bzw. in Art. 22 der Richtlinie 2004/18 vorgenommenen rechtlichen Unterteilung, bei der Vergabe jedes einzelnen dieser Aufträge gegen Art. 16 der Richtlinie 92/50 bzw. Art. 35 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18 verstoßen worden sei, weil die Ergebnisse der Vergabe dieser Aufträge nicht bekannt gemacht worden seien, was die Bundesrepublik Deutschland für keinen der genannten Aufträge bestritten hat.

122    In einem solchen Zusammenhang, in dem mangels hinreichend konkreter Angaben der Kommission nicht ausgeschlossen werden kann, dass keiner der in der Klage bezeichneten Aufträge dadurch gekennzeichnet ist, dass der Wert der Verkehrsleistungen höher ist als der Wert der medizinischen Leistungen, ist die Feststellung eines Verstoßes gegen die Richtlinien 92/50 und 2004/18 auf eine Verletzung von Art. 10 der Richtlinie 92/50 in Verbindung mit Art. 16 dieser Richtlinie bzw., seit 1. Februar 2006, von Art. 22 der Richtlinie 2004/18 in Verbindung mit Art. 35 Abs. 4 dieser Richtlinie zu beschränken, da diese Artikel auf jeden Fall auf Aufträge Anwendung finden, die, wie die hier in Rede stehenden, Verkehrsleistungen und zugleich medizinische Leistungen umfassen, und zwar unabhängig davon, in welchem Verhältnis die jeweiligen Werte dieser Dienstleistungen im Rahmen des betreffenden Auftrags zueinander stehen.

123    Wie die Generalanwältin in Nr. 93 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, hat die Kommission nicht weiter versucht, nachzuweisen, dass die in ihrer Klage bezeichneten Aufträge oder zumindest einige von ihnen dadurch gekennzeichnet waren, dass der Wert der medizinischen Leistungen höher war als derjenige der Verkehrsleistungen. Unter diesen Umständen, unter denen mangels hinreichender konkreter Angaben nicht ausgeschlossen werden kann, dass keiner der in Rede stehenden Aufträge durch einen solchen überwiegenden Wert gekennzeichnet ist, ist der Gerichtshof nicht in der Lage, einen Verstoß gegen die Art. 43 EG und 49 EG festzustellen. Diese Schlussfolgerung gilt auch für die Frage, ob bei den von der Kommission bezeichneten Aufträgen ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse gegeben ist.

124    Zu prüfen ist noch die Begründetheit des Vorbringens der Bundesrepublik Deutschland und des Königreichs der Niederlande betreffend den Rechtfertigungsgrund des Art. 86 Abs. 2 EG.

–       Zum Rechtfertigungsgrund des Art. 86 Abs. 2 EG

125    In den Randnrn. 55 und 60 des Urteils Ambulanz Glöckner hat der Gerichtshof die Notfalltransportleistungen als „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ im Sinne von Art. 86 Abs. 2 EG eingestuft.

126    Nach ständiger Rechtsprechung obliegt allerdings dem Mitgliedstaat, der sich auf Art. 86 Abs. 2 EG beruft, der Nachweis, dass sämtliche Tatbestandsmerkmale dieser Bestimmung erfüllt sind (vgl. u. a. Urteil vom 23. Oktober 1997, Kommission/Frankreich, C‑159/94, Slg. 1997, I‑5815, Randnr. 101).

127    Im vorliegenden Fall hat die Bundesrepublik Deutschland betont, es sei erforderlich, im Bereich der Krankentransportleistungen eine Quersubventionierung zwischen nach Maßgabe der Bevölkerungsdichte eher profitablen und weniger profitablen Gebieten sicherzustellen. Sie hat auch die Bedeutung hervorgehoben, die einem ortsnahen Dienst und der Zusammenarbeit mit den anderen am Rettungsdienst beteiligten Dienststellen zukomme, was die Vorhaltung von ortsnahem und im Not- oder Katastrophenfall leicht zu mobilisierendem Personal voraussetze.

128    Derartige Erwägungen könnten es zwar, wie die Kommission ausgeführt hat, rechtfertigen, dass der zuständige Auftraggeber zu speziellen Maßnahmen greift, die u. a. durch eine den Besonderheiten des zu versorgenden Gebiets angepasste Erhebung von Entgelten oder durch eine Verpflichtung zur Vorhaltung von ausreichenden menschlichen und technischen Mitteln an Ort und Stelle die Bereitstellung eines funktionsfähigen und im gesamten betreffenden Gebiet verfügbaren qualitativ hochstehenden Krankentransportdienstes unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen durch den Vertragspartner sicherstellen sollen.

129    Sie erklären hingegen nicht, weshalb die Verpflichtung, die Bekanntmachung der Ergebnisse der Vergabe des betreffenden Auftrags zu gewährleisten, geeignet sein soll, die Erfüllung dieser Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu verhindern.

130    Folglich ist das auf Art. 86 Abs. 2 EG gestützte Vorbringen zurückzuweisen.

131    Nach alledem ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Vergabe von Aufträgen über öffentliche Notfall- und qualifizierte Krankentransportleistungen nach dem Submissionsmodell in den Bundesländern Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 10 der Richtlinie 92/50 in Verbindung mit Art. 16 dieser Richtlinie bzw., seit 1. Februar 2006, aus Art. 22 der Richtlinie 2004/18 in Verbindung mit Art. 35 Abs. 4 dieser Richtlinie verstoßen hat, dass sie keine Bekanntmachungen über die Ergebnisse des Verfahrens zur Auftragsvergabe veröffentlicht hat.

132    Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

 Kosten

133    Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Der Gerichtshof kann nach Art. 69 § 3 der Verfahrensordnung die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da im vorliegenden Fall die Kommission und die Bundesrepublik Deutschland mit einzelnen Rügen jeweils unterlegen sind, sind ihnen jeweils ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

134    Nach Art. 69 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung trägt der Mitgliedstaat, der dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten ist, seine eigenen Kosten. Das Königreich der Niederlande trägt daher seine eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Bundesrepublik Deutschland hat im Rahmen der Vergabe von Aufträgen über öffentliche Notfall- und qualifizierte Krankentransportleistungen nach dem Submissionsmodell in den Bundesländern Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 10 der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge in Verbindung mit Art. 16 dieser Richtlinie bzw., seit 1. Februar 2006, aus Art. 22 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge in Verbindung mit Art. 35 Abs. 4 dieser Richtlinie verstoßen, dass sie keine Bekanntmachungen über die Ergebnisse des Verfahrens zur Auftragsvergabe veröffentlicht hat.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Europäische Kommission, die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich der Niederlande tragen ihre eigenen Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.