Language of document : ECLI:EU:C:2019:394

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE

vom 8. Mai 2019(1)

Rechtssache C674/17

Luonnonsuojeluyhdistys Tapiola Pohjois-Savo – Kainuu ry,

Beteiligte:

Risto Mustonen,

Kai Ruhanen,

Suomen riistakeskus

(Vorabentscheidungsersuchen des Korkein hallinto-oikeus [Oberstes Verwaltungsgericht, Finnland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 92/43/EWG (‚Habitatrichtlinie‘) – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Art. 12 Abs. 1 Buchst. a – Verbot der absichtlichen Tötung der in Anhang IV Buchst. a aufgeführten Arten – Art Canis lupus (Wolf) – Art. 16 Abs. 1 Buchst. e – Ausnahme – Voraussetzungen – Praxis der sogenannten ‚bestandspflegenden Jagd‘“






I.      Einleitung

1.        Mit seinem Vorabentscheidungsersuchen ersucht der Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht, Finnland) den Gerichtshof um Auslegung von Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/43/EWG(2), die gemeinhin als „Habitatrichtlinie“ bezeichnet wird.

2.        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Luonnonsuojeluyhdistys Tapiola – Pohjois-Savo Kainuu ry (Naturschutzverein Tapiola Pohjois-Savo – Kainuu, im Folgenden: Tapiola) und dem Suomen riistakeskus (Finnische Wildtierbehörde, im Folgenden: Behörde). Tapiola begehrt beim vorlegenden Gericht die Aufhebung von zwei Entscheidungen, mit denen die Behörde für das Jagdjahr 2015–2016 die Tötung von Wölfen im Rahmen der sogenannten „bestandspflegenden“ Jagdausübung gestattet hatte.

3.        Diese Jagdausübung hatte im Wesentlichen das Ziel, die „gesellschaftliche Toleranz“ bei den Bewohnern von an Wolfsreviere angrenzenden Gebieten gegenüber der Anwesenheit der Wölfe zu erhöhen, um die Wilderei zu verringern und somit den Erhaltungszustand der Wolfspopulation zu verbessern. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedstaaten die bestandspflegende Jagd auf der Grundlage von Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie gestatten können. Diese Bestimmung erlaubt den Mitgliedstaaten unter einer Reihe von Bedingungen, von ihrer Verpflichtung zur Sicherstellung des Verbots der absichtlichen Tötung der Wölfe als Exemplare einer streng geschützten Art nach dieser Richtlinie abzuweichen.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

4.        Nach Art. 1 Buchst. g der Habitatrichtlinie sind die „Arten von gemeinschaftlichem Interesse“ die Arten, die in dem in Art. 2 dieser Richtlinie bezeichneten Gebiet „bedroht sind“, „potenziell bedroht sind“, „selten sind“ oder „endemisch sind und infolge der besonderen Merkmale ihres Habitats und/oder der potenziellen Auswirkungen ihrer Nutzung auf ihren Erhaltungszustand besondere Beachtung erfordern“. Diese Arten „sind in Anhang II und/oder Anhang IV oder Anhang V aufgeführt bzw. können dort aufgeführt werden“.

5.        Art. 1 Buchst. i dieser Richtlinie definiert den „Erhaltungszustand einer Art“ als „die Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe der Populationen der betreffenden Arten in dem in Artikel 2 bezeichneten Gebiet auswirken können“ und nennt die Kriterien, die es erlauben, den Erhaltungszustand einer Art als „günstig“ zu betrachten.

6.        Art. 2 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)      Diese Richtlinie hat zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, für das der Vertrag Geltung hat, beizutragen.

(2)      Die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen zielen darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen.

(3)      Die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen tragen den Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie den regionalen und örtlichen Besonderheiten Rechnung.“

7.        Art. 12 Abs. 1 der Habitatrichtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchstabe a) genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen; dieses verbietet:

a)      alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren dieser Arten;

…“

8.        In Anhang IV Buchst. a dieser Richtlinie wird unter den streng zu schützenden Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse die Art Canis lupus, gemeinhin als „Wolf“ bezeichnet, ausgenommen u. a. die „finnischen Populationen innerhalb des Rentierhaltungsareals“, genannt.

9.        Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Sofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und unter der Bedingung, dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können die Mitgliedstaaten von den Bestimmungen der Artikel 12, 13 und 14 sowie des Artikels 15 Buchstaben a) und b) im folgenden Sinne abweichen:

a)      zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume;

b)      zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum;

c)      im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt;

d)      zu Zwecken der Forschung und des Unterrichts, der Bestandsauffüllung und Wiederansiedlung und der für diese Zwecke erforderlichen Aufzucht, einschließlich der künstlichen Vermehrung von Pflanzen;

e)      um unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tier- und Pflanzenarten des Anhangs IV zu erlauben.“

B.      Finnisches Recht

1.      Jagdgesetze

10.      Nach § 37 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 615/1993 über die Jagd in der durch das Gesetz Nr. 159/2011 geänderten Fassung (im Folgenden: Jagdgesetz) ist der Wolf unter dauerhaften Schutz gestellt. Gemäß § 41 Abs. 1 des Jagdgesetzes kann die Behörde jedoch eine Ausnahme von diesem Schutz genehmigen, vorbehaltlich der Einhaltung der Voraussetzungen nach den §§ 41a bis 41c dieses Gesetzes.

11.      § 41 Abs. 4 des Jagdgesetzes sieht vor, dass eine Verordnung der Regierung Regeln über das Genehmigungsverfahren und über die Voraussetzungen und die Modalitäten der Ausnahmen festlegen kann. Nach § 41 Abs. 5 dieses Gesetzes kann die jährliche Zahl der auf der Grundlage der Ausnahmen erfolgten Tötungen durch Verordnung des Land- und Forstwirtschaftsministeriums nach oben begrenzt werden.

12.      § 41a Abs. 1 des Jagdgesetzes setzt Art. 16 Abs. 1 Buchst. a bis d der Habitatrichtlinie in finnisches Recht um. § 41a Abs. 3 des Jagdgesetzes setzt Art. 16 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie um, indem er bestimmt, dass „[e]ine den Wolf betreffende Ausnahmegenehmigung … auch unter strenger Kontrolle selektiv und in begrenztem Ausmaß für den Fang oder die Tötung bestimmter Exemplare erteilt werden kann“.

2.      Verordnung Nr. 452/2013 der Regierung

13.      § 3 der Verordnung Nr. 452/2013 der Regierung sieht vor, dass eine Ausnahme nach § 41a Abs. 3 des Jagdgesetzes für den Fang oder die Tötung von Wölfen im Rentierhaltungsareal vom 1. Oktober bis zum 31. März und im Rest des Landes vom 1. November bis zum 31. März erteilt werden kann.

14.      Nach § 4 Abs. 1 dieser Verordnung kann eine Ausnahmegenehmigung nur für das begrenzte Gebiet erteilt werden, in dem die Voraussetzungen gemäß § 41a des Jagdgesetzes erfüllt sind. § 4 Abs. 3 dieser Verordnung bestimmt, dass die Ausnahmegenehmigungen gemäß § 41a Abs. 3 des Jagdgesetzes nur für die Jagd in einem Gebiet erteilt werden dürfen, in dem die betreffende Art ein starkes Vorkommen aufweist.

3.      Verordnungen des Land- und Forstwirtschaftsministeriums

15.      Für das Jagdjahr 2015–2016 bestimmte § 1 der Verordnung Nr. 1488/2015 des Land- und Forstwirtschaftsministeriums über die Jagd auf Wölfe aufgrund von Ausnahmegenehmigungen außerhalb des Rentierhaltungsareals (im Folgenden: Verordnung Nr. 1488/2015), die auf der Grundlage von § 41 Abs. 5 des Jagdgesetzes erlassen worden war, dass die Zahl der aufgrund von Ausnahmegenehmigungen nach § 41a Abs. 3 des Jagdgesetzes erlegten Wölfe höchstens 46 Exemplare betragen darf.

16.      Für jedes Jagdjahr im Zeitraum 2016–2018 beschränkte § 1 der Verordnung Nr. 1335/2016 des Land- und Forstwirtschaftsministeriums über die Jagd auf Wölfe aufgrund von Ausnahmegenehmigungen außerhalb des Rentierhaltungsareals (im Folgenden: Verordnung Nr. 1335/2016) die Zahl der aufgrund von Ausnahmegenehmigungen nach § 41 Abs. 1 des Jagdgesetzes insgesamt erlegten Wölfe auf höchstens 53 Exemplare. Nach § 3 Abs. 3 dieser Verordnung werden Wölfe, die aufgrund einer polizeilichen Anordnung getötet wurden oder im Verkehr umgekommen sind oder deren Verenden auf sonstigem Wege bekannt geworden ist, berücksichtigt.

4.      Plan zur Pflege des Wolfsbestandes

17.      Das Land- und Forstwirtschaftsministerium beschloss am 22. Januar 2015 einen neuen Plan zur Pflege des finnischen Wolfsbestandes (im Folgenden: Bestandspflegeplan)(3). Ziel dieses Plans war es, einen günstigen Erhaltungszustand des Wolfsbestands zu erreichen und zu bewahren. Als Mindestgröße einer lebensfähigen Wolfspopulation wurde darin eine Anzahl von 25 sich fortpflanzenden Paaren angesehen. Dieser Plan sah eine lokale Bestandspflege der Wolfspopulation vor, deren Ziel es war, die Existenz jedes Wolfsrudels zu sichern und zugleich die Koexistenz von Wolf und Mensch zu fördern.

18.      Im Bestandspflegeplan wurde darauf hingewiesen, dass seit dem Jahr 2007 keine Ausnahmegenehmigungen für die Tötung von Wölfen zwecks Bestandspflege (im Folgenden: Ausnahmegenehmigung zur Bestandspflege) erteilt worden waren. Nach dem Jahr 2007 war die Wolfspopulation in Finnland zurückgegangen und erreichte ihren niedrigsten Stand im Jahr 2013 mit einer geschätzten Zahl von rund 120 Exemplaren. Während dieser Zeit ist ein Wachstum dieser Population mittels einer Politik des strengen Schutzes angestrebt worden. Ausnahmen waren nur zur Verhütung von Schäden vorgesehen. Obwohl die Wolfspopulation zurückging, war in ländlichen Gebieten die Kritik hinsichtlich der Anwesenheit von Wölfen und der davon verursachten Probleme gleichgeblieben oder hatte sogar zugenommen. Der Grund für das Scheitern dieser Politik sei, dass die zuständige Verwaltung es nicht vermocht habe, auf die Ängste der Menschen zu reagieren, die in Wolfsrevieren wohnten. Frustrationsbedingt sei die gesellschaftliche Akzeptanz für die rechtswidrige Tötung von Wölfen gewachsen.

19.      Auf der Grundlage dieser Erwägungen beruhte der Bestandspflegeplan auf der Prämisse, dass der Erfolg der Politik der Erhaltung des Wolfsbestandes die Berücksichtigung der Besorgnisse und Bedürfnisse dieser Menschen voraussetze. Um darauf einzugehen und ein gesetzmäßiges Modell zur Bestandspflege dieser Population zu schaffen, das es ermöglicht, gegen Schaden anrichtende Exemplare vorzugehen und so die Wilderei zu verhindern, sah der Bestandspflegeplan die Möglichkeit vor, Ausnahmegenehmigungen zur Bestandspflege zu gewähren. Diese Ausnahmegenehmigungen würden die vom Land- und Forstwirtschaftsministerium mit Verordnung auf der Grundlage der vom Luonnonvarakeskus (Institut für natürliche Ressourcen, Finnland) übermittelten Informationen festgelegte jährliche Obergrenze von Exemplaren nicht überschreiten, die in Finnland aufgrund der bestandspflegenden Jagd getötet werden könnten.

20.      Die Ausnahmegenehmigungen zur Bestandspflege konnten nur für die Tötung oder den Fang bestimmter Exemplare von Wölfen, selektiv und in begrenztem Ausmaß, für ein Gebiet, in dem die Art stark verbreitet ist, und unter strenger Kontrolle erteilt werden. Die Behörde musste im Einzelfall die Lebensfähigkeit des betreffenden Wolfsrudels prüfen. In Sonderfällen konnte eine Ausnahmegenehmigung zur Bestandspflege für die Lebensgebiete von Wolfsexemplaren, die Schäden oder Nachteile verursachten, erteilt werden, wenn die Art dort stark verbreitet war.

21.      Insbesondere wurde es für notwendig erachtet, die Exemplare, die erlegt werden können, so auszuwählen, dass die Lebensfähigkeit des Wolfsrudels gesichert wird. Insoweit sah der Bestandspflegeplan vor, dass ein junges Exemplar des Rudels gejagt werden sollte oder gegebenenfalls das Exemplar, das für die im betreffenden Wolfsrevier wohnenden Menschen oder deren Eigentum Schäden oder Nachteile verursachte. Die Behörde musste im Einzelfall prüfen, ob es anderweitige zufriedenstellende Lösungen als die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gab.

III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

22.      Mit Entscheidungen vom 18. Dezember 2015 (im Folgenden: streitige Entscheidungen) erteilte die Behörde Herrn Risto Mustonen und Herrn Kai Ruhanen nach § 41 und § 41a Abs. 3 des Jagdgesetzes Jagdgenehmigungen zur Tötung von Wölfen zwischen dem 23. Januar und dem 21. Februar 2016 im Gebiet der Region Pohjois-Savo (Finnland).

23.      Mit den an Herrn Mustonen und Herrn Ruhanen gerichteten Entscheidungen wurde die Tötung von vier bzw. drei Wölfen genehmigt. Die Genehmigung war für jede Tötung auf das Reviergebiet eines bestimmten Rudels, das in diesen Entscheidungen festgesetzt wurde, beschränkt. Jedes der in Rede stehenden Rudel umfasste fünf bis sieben Exemplare und wurde als lebensfähig und stabil angesehen. Eine Reihe weiterer Rudel lebte im Umkreis der von den Jagdgenehmigungen betroffenen Gebiete.

24.      In diesen Entscheidungen stellte die Behörde fest, dass bestimmte Exemplare, die zu den in diesen Gebieten lebenden Rudeln gehörten, wiederholt Schäden oder Nachteile verursacht hätten. Insbesondere hätten Wölfe Hunde bei der Jagd verletzt. Zwar habe die Haltung der Hunde in Käfigen erlaubt, diese Schäden zu begrenzen, jedoch werde diese Lösung als im Rahmen der Jagd ungeeignet angesehen. Obwohl diese Gebiete abgelegen seien, wohnten dort Familien mit Kindern. Eltern seien um die Sicherheit ihrer Kinder besorgt gewesen.

25.      Die streitigen Entscheidungen waren mit Empfehlungen verbunden. Erstens wurde empfohlen, die Tötung eines Alphatiers zu vermeiden und die Jagd auf junge oder Schäden verursachende Exemplare zu richten. Zweitens empfahlen diese Entscheidungen, die Tötung eines mit einem Sendeband versehenen Exemplars zu vermeiden. Drittens hielten diese Entscheidungen ihre Adressaten an, gegebenenfalls die Mortalität zu berücksichtigen, die Wolfsexemplare oder Wolfsrudel, für die die Ausnahme gelte, betroffen habe und die behördlich vor dem Beginn der genehmigten Jagd bestätigt worden sei. Es wurde daher empfohlen, die Zahl der zu erlegenden Tiere so zu vermindern, dass die gesamte Mortalität die ursprünglich in den Jagdgenehmigungen genannte Zahl von Exemplaren nicht überschreitet.

26.      Diese Entscheidungen verwiesen auf den anwendbaren nationalen rechtlichen Rahmen und den Bestandspflegeplan. Die Behörde wies darin darauf hin, dass die aufgrund von Ausnahmegenehmigungen zur Bestandspflege, die innerhalb der Grenzen des Kontingents von höchstens 46 Exemplaren nach § 1 der Verordnung Nr. 1488/2015 gewährt worden seien, zulässigen Tötungen den günstigen Erhaltungszustand der Art oder dessen Erreichen in ihrem natürlichem Verbreitungsgebiet nicht gefährdeten. Darüber hinaus berief sich die Behörde darauf, dass es in den betroffenen Gebieten keine andere zufriedenstellende Lösung gebe als den Erlass von Ausnahmegenehmigungen zur Bestandspflege. Die Jagd erfolge unter strenger Kontrolle. Ihr selektiver und begrenzter Charakter werde mittels geografischer und mengenmäßiger Beschränkungen, die in den streitigen Entscheidungen festgelegt würden, sowie der Beachtung der darin vorgeschriebenen Jagdmethode konkretisiert.

27.      Am 31. Dezember 2015 erhob Tapiola Klage beim Itä-Suomen hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht von Ostfinnland) auf Aufhebung der streitigen Entscheidungen und Verbot ihrer Umsetzung. Das Verwaltungsgericht wies diese Klagen mit Entscheidungen vom 11. Februar 2016 als unzulässig ab. Tapiola legte gegen diese Entscheidungen Berufung ein. Mit Beschlüssen vom 29. Mai 2017 ließ der Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht) diese Berufung teilweise zu.

28.      Zur Stützung seiner Klage macht Tapiola geltend, dass die streitigen Entscheidungen u. a. gegen die Art. 12 und 16 der Habitatrichtlinie verstießen. Art. 16 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie betreffe ausschließlich den Fall, in dem der gute Erhaltungszustand der Population der betroffenen Art eine Ausnahme von den Verpflichtungen des strengen Schutzes dieser Art erfordere oder zulasse. Die Jagd könne dem Erhaltungszustand dieser Art, die in Finnland bereits stark gefährdet sei, jedoch schaden. Es sei im Übrigen nicht nachgewiesen worden, dass mit der Wolfsjagd die Ziele, die der Bestandspflegeplan ihr zugeordnet habe, erreicht werden könnten. Die Behörde habe jede Ausnahmegenehmigung zur Bestandspflege nur auf der Grundlage einer Beurteilung des von ihr betroffenen Gebiets erlassen, ohne die kumulierten Auswirkungen aller, jeweils unterschiedliche Gebiete betreffenden Ausnahmen auf den Erhaltungszustand des Wolfs zu berücksichtigen.

29.      In ihrer Klagebeantwortung weist die Behörde darauf hin, dass die bestandspflegende Jagd ein mit der Umsetzung des Bestandspflegeplans verbundener und auf zwei Jahre befristeter Versuch gewesen sei. Dieser Versuch sei nicht mehr fortgeführt worden, wie der Erlass der Verordnung Nr. 1335/2016 bezeuge. Die Behörde habe die Einhaltung der Voraussetzungen nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie eingehend geprüft. Außerdem hänge die Ebene, auf der die Auswirkung einer Ausnahme zu beurteilen sei, von der Biologie der Art ab. Im Fall der Wölfe entspreche diese Ebene nicht dem Rudel, sondern der Gesamtheit der Populationen, einschließlich derjenigen, die sich über die Staatsgrenzen hinausbewegten.

30.      In diesem Zusammenhang weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Art Canis lupus in Finnland stark gefährdet sei. Die Zahl der Wölfe habe dort im Lauf der Jahre erheblich geschwankt, wobei angenommen werde, dass diese Schwankungen mit der Wilderei im Zusammenhang stünden. Die geringe Größe der Wolfspopulation mache sie außerdem anfällig für Zufallseinflüsse.

31.      Das vorlegende Gericht wirft erstens die Frage auf, wie sich die Tatsache, dass sich eine Ausnahme in den Rahmen eines nationalen Bestandspflegeplans und einer nationalen Regelung zur Festsetzung einer Höchstzahl von jährlich genehmigten Tötungen im gesamten Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats einfügt, auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie auswirkt. Außerdem fragt sich dieses Gericht, ob diese Bestimmung es gestattet, dass die bestandspflegende Jagd auf eine lokale Population abzielt, deren Erhaltungszustand günstig ist, ohne dass der Erhaltungszustand der Wolfspopulation bezogen auf das gesamte nationale Gebiet beurteilt wird. Das vorlegende Gericht möchte auch wissen, ob eine Ausnahmegenehmigung zur Bestandspflege gewährt werden kann, selbst wenn der Erhaltungszustand dieser Population nicht günstig ist, sofern diese Ausnahme ihn nicht weiter verschlechtert.

32.      Zweitens hat das vorlegende Gericht Zweifel, ob die streitigen Entscheidungen die Bedingung am Beginn von Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie in Bezug auf das Fehlen einer anderweitigen zufriedenstellenden Lösung erfüllen. In diesem Zusammenhang stellt das vorlegende Gericht fest, dass es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber gebe, ob die bestandspflegende Jagd die Wilderei in dem Maße vermindere, dass sie auf den Erhaltungszustand des Wolfes insgesamt einen günstigen Gesamteinfluss habe. Dieses Gericht führt weiter aus, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ausnahmen auch das Ziel hätten, Schäden an Hunden zu vermeiden und das allgemeine Sicherheitsgefühl der im betreffenden Gebiet wohnenden Menschen zu verbessern. Es sei jedoch nicht ausdrücklich vorgetragen worden, dass diese Ausnahmen unter die von Art. 16 Abs. 1 Buchst. b und c der Habitatrichtlinie erfassten Fälle fielen.

33.      Aufgrund dieser Erwägungen hat der Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht) mit Entscheidung vom 28. November 2017, die beim Gerichtshof am 1. Dezember 2017 eingegangen ist, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Erlaubt es der Wortlaut von Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie, aufgrund von Anträgen einzelner Jäger regional begrenzte Ausnahmegenehmigungen für die bestandspflegende Jagd zu erteilen?

a)      Ist es bei der Beurteilung dieser Frage von Bedeutung, dass sich die Ermessensausübung bei der Entscheidung über die Ausnahmegenehmigungen nach einem nationalen Bestandspflegeplan sowie nach der in einer Verordnung festgelegten Obergrenze für die Zahl der erlegten Tierexemplare richtet, in deren Rahmen für das Gebiet des Mitgliedstaats jährlich Ausnahmegenehmigungen erteilt werden dürfen?

b)      Können bei der Beurteilung andere Gesichtspunkte wie das Ziel, Schäden an Hunden zu verhindern und das allgemeine Sicherheitsgefühl zu erhöhen, berücksichtigt werden?

2.      Kann die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für die bestandspflegende Jagd im Sinne der ersten Vorlagefrage damit begründet werden, dass es zur Verhinderung von Wilderei keine anderweitige zufriedenstellende Lösung im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie gibt?

a)      Können in diesem Fall die praktischen Schwierigkeiten bei der Überwachung von rechtswidriger Wilderei berücksichtigt werden?

b)      Ist bei der Beurteilung der Frage, ob es eine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt, möglicherweise auch das Ziel von Bedeutung, Schäden an Hunden zu verhindern, und das allgemeine Sicherheitsgefühl zu erhöhen?

3.      Wie ist die in Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie genannte Voraussetzung, die den Erhaltungszustand von Populationen von Arten betrifft, bei der Erteilung von regional begrenzten Ausnahmegenehmigungen zu bewerten?

a)      Ist der Erhaltungszustand einer Art sowohl bezogen auf ein bestimmtes Gebiet als auch auf das gesamte Gebiet des Mitgliedstaats oder bezogen auf ein noch größeres Verbreitungsgebiet der betreffenden Art zu beurteilen?

b)      Ist es möglich, dass die in Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie vorgesehenen Voraussetzungen einer Erteilung einer Ausnahmegenehmigung erfüllt sind, obwohl der Erhaltungszustand einer Art nach einer sachgerechten Beurteilung nicht als günstig im Sinne der Richtlinie angesehen werden kann?

c)      Falls die vorstehende Frage bejaht wird: In was für einer Situation könnte das in Betracht kommen?

34.      Tapiola, die Behörde, die finnische und die dänische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht. Diese haben ebenso wie Herr Ruhanen und die schwedische Regierung in der Sitzung vom 9. Januar 2019 mündlich verhandelt.

IV.    Würdigung

A.      Vorbemerkungen

35.      Die streitigen Entscheidungen gestatteten auf der Grundlage der Bestimmung des finnischen Rechts zur Umsetzung von Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie zusammen die Tötung von sieben Wölfen. Sie waren daher Teil der Umsetzung der im Bestandspflegeplan für die Behörde vorgesehenen Möglichkeit, die bestandspflegende Jagd innerhalb der von der nationalen Regelung auf 46 Exemplare für das Jagdjahr 2015–2016 festgelegten Grenzen zu genehmigen.

36.      Im Bestandspflegeplan hatte die Behörde als Hindernis für den Erfolg der Politik zum Schutz von Wölfen auf die mangelnde Zustimmung der Landbevölkerung, die in der Nähe von Wolfsrevieren wohnt, hingewiesen. Das Legitimitätsdefizit dieser Politik in den Augen dieser Bevölkerung habe ein Phänomen der Wilderei großen Ausmaßes mit sich gebracht. Der Bestandspflegeplan stellte einen Versuch dar, um zu beurteilen, ob die Legalisierung der Jagd auf eine vorab festgelegte Zahl von Wölfen zu einer Verringerung der Wilderei und letztlich zu einer Verbesserung des Erhaltungszustands der Wolfspopulation führen würde. Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, wurden in diesem Kontext auch die Ziele berücksichtigt, Verletzungen von Hunden durch Wölfe zu verhindern und das allgemeine Sicherheitsgefühl der Landbevölkerung zu erhöhen.

37.      Das vorlegende Gericht hat jedoch darauf hingewiesen, dass dieser Versuch nicht den Schluss zugelassen habe, dass die bestandspflegende Jagd wirksam sei, um die Wilderei zu bekämpfen und so den Erhaltungszustand der Wolfspopulation zu verbessern, was die finnische Regierung in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Dieser Versuch wurde außerdem nicht fortgeführt, wobei die Ausnahmen vom Verbot der absichtlichen Tötung von Wölfen später nur aus den in den finnischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung von Art. 16 Abs. 1 Buchst. b und c der Habitatrichtlinie genannten Gründen gewährt wurden.

38.      Mit seinen Vorlagefragen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die streitigen Entscheidungen, soweit sie von der Verpflichtung zur Sicherstellung des Verbots der absichtlichen Tötung des Wolfs nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Anhang IV Buchst. a der Habitatrichtlinie abwichen, die Voraussetzungen nach ihrem Art. 16 Abs. 1 Buchst. e einhielten und daher mit diesen Bestimmungen vereinbar waren(4).

39.      Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie macht jede Ausnahme von dieser Verpflichtung davon abhängig, dass zwei allgemeine Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens setzt der Erlass einer Ausnahme das Fehlen einer anderweitigen zufriedenstellenden Lösung voraus (Abschnitt B). Zweitens müssen die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen (Abschnitt C).

40.      Die Heranziehung dieser Bestimmung hat außerdem unter eine der Ausnahmeregelungen nach ihren Buchst. a bis e zu fallen. Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie, der im vorliegenden Fall einschlägig ist, gestattet den Erlass von Ausnahmen, die u. a. darauf abzielen, die Tötung von Exemplaren der Tierarten des Anhangs IV Buchst. a dieser Richtlinie zu erlauben(5), und zwar unter Beachtung ganz bestimmter Bedingungen (Abschnitt D).

41.      Die Überprüfung der Einhaltung aller dieser Voraussetzungen ist mit der Würdigung von Tatsachen verbunden, die ausschließlich in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts fällt. Die Antworten des Gerichtshofs auf die Vorlagefragen werden es jedoch erlauben, dieses bei der Erfüllung dieser Aufgabe zu unterstützen.

42.      Bevor ich mit der Prüfung dieser Fragen beginne, halte ich es für zweckdienlich, einige allgemeine Hinweise aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs darzulegen, die mich durch diese Prüfung leiten werden.

43.      Zunächst hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie, da er eine Ausnahmeregelung von den Verpflichtungen des strengen Schutzes der Arten des Anhangs IV Buchst. a dieser Richtlinie vorsieht, eng auszulegen ist(6).

44.      Sodann trifft, da diese Bestimmung eine Ausnahmeregelung einführt, die Beweislast für das Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen die Stelle des Mitgliedstaats, die über sie entscheidet. Außerdem kann eine Ausnahme nur auf der Grundlage von Entscheidungen genehmigt werden, die mit einer genauen und angemessenen Begründung versehen sind, in der auf die in dieser Bestimmung genannten Gründe, Bedingungen und Anforderungen Bezug genommen wird(7).

45.      Schließlich ist die Rechtsprechung zu Art. 9 der Vogelschutzrichtlinie(8), wonach die Mitgliedstaaten von den Verpflichtungen zum Schutz der wildlebenden Vogelarten unter vergleichbaren Bedingungen wie nach Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie abweichen können, auch für die Zwecke der Auslegung dieser Bestimmung relevant(9). Insbesondere hat der Gerichtshof entschieden, dass sich jede Abweichung nach Art. 9 der Vogelschutzrichtlinie auf wissenschaftliche Daten der Geografie, des Klimas, der Umwelt und der Biologie stützen muss(10). Dieser Grundsatz, wie andere Würdigungen aus der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung, auf die ich im Verlauf meiner weiteren Ausführungen eingehen werde(11), ist meiner Meinung nach auf Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie übertragbar.

B.      Zur Tragweite der Voraussetzung betreffend das Fehlen einer anderweitigen zufriedenstellenden Lösung

46.      Mit dem ersten Satz und Punkt b seiner ersten Frage sowie mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Ziel der Bekämpfung der Wilderei, gegebenenfalls in Verbindung mit den Zielen, Verletzungen von Hunden durch Wölfe zu verhindern und die Landbevölkerung zu beruhigen, den Erlass einer Ausnahmegenehmigung zur Bestandspflege nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie rechtfertigen kann. Insbesondere möchte es wissen, ob angesichts der praktischen Schwierigkeiten bei der Überwachung der Wilderei der Erlass einer solchen Ausnahme die Voraussetzung am Beginn von Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie erfüllt, wonach eine Ausnahme nur zulässig ist, sofern „es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt“.

47.      Diese Voraussetzung kann meines Erachtens als eine besondere Ausprägung des im Unionsrecht geltenden allgemeinen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit angesehen werden(12). Sie erfordert nämlich, dass der Mitgliedstaat, der beabsichtigt, eine Ausnahmeregelung zu erlassen, das rechtmäßig verfolgte Ziel deutlich angibt (Unterabschnitt 1). Wenn dieses Ziel festgelegt ist, hat dieser Mitgliedstaat nachzuweisen, dass die Ausnahme zu seiner Erreichung geeignet (Unterabschnitt 2) und erforderlich ist (Unterabschnitt 3)(13).

1.      Zur Festlegung der von den Ausnahmegenehmigungen zur Bestandspflege verfolgten Ziele

48.      Wie der Vorlageentscheidung zu entnehmen ist, verfolgten die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ausnahmen, ebenso wie der Bestandspflegeplan, in dessen Rahmen sie sich einfügten, gleichzeitig die Ziele, die Wilderei zu verringern, Schäden an Hunden zu vermeiden und das allgemeine Sicherheitsgefühl der in der Nähe von Wolfsrevieren wohnenden Personen zu verbessern. Die beiden letzten Ziele wurden als eng mit dem ersten verknüpft dargestellt, da ihre Verwirklichung nach Auffassung der Behörde zur Erhöhung der „gesellschaftlichen Toleranz“ bei der lokalen Bevölkerung gegenüber dem Wolf beitragen und als Folge die Wilderei verringern würde. Der Zweck der Ausnahmegenehmigungen zur Bestandspflege lag daher am Schnittpunkt zwischen dem Ziel der Erhaltung der Wolfspopulationen und den widerstreitenden menschlichen Interessen.

49.      Wie sich aus einer wörtlichen, systematischen und teleologischen Auslegung von Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie ergibt, stellen die genannten Ziele meiner Ansicht nach berechtigte Ziele dar, die zur Stützung einer sich auf diese Bestimmung gründenden Ausnahme geltend gemacht werden können.

50.      Erstens weise ich darauf hin, dass im Unterschied zu anderen Ausnahmeregelungen nach Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie Buchst. e dieser Bestimmung die Ziele, die mit dem Erlass einer Ausnahmeregelung verfolgt werden können, nicht nennt. Dieser Punkt sieht jedoch zusätzliche Voraussetzungen vor, die im Wesentlichen die begrenzte Anzahl von entnommenen Exemplaren, den selektiven Charakter der Entnahmen und die Begrenzung der Ausnahme durch strenge Kontrolle betreffen. Diese besonderen Anforderungen gleichen den weiten Ermessensspielraum aus, über den die Mitgliedstaaten für die Definition der mit der Ausnahme verfolgten Ziele verfügen.

51.      Unter diesen Umständen können die Ziele, die geeignet sind, den Erlass einer Ausnahmeregelung nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie zu rechtfertigen, sowohl die Verfolgung einer Verbesserung des Erhaltungszustands der Art als auch den Schutz der dieser entgegengesetzten Interessen umfassen. Diese Interessen umfassen die in den Buchst. a bis d dieser Bestimmung genannten, ohne auf sie beschränkt zu sein. In Anbetracht der besonders strengen Voraussetzungen in Buchst. e führt entgegen dem Vorbringen von Tapiola und der Kommission der Erlass einer Ausnahmeregelung auf dieser Grundlage zur Verfolgung von Zielen, die sich mit den in den Buchst. a bis d dieser Bestimmung genannten überschneiden, nicht zur Umgehung der dort vorgesehenen Ausnahmeregelungen.

52.      In der Praxis wird, wie die finnische und die dänische Regierung geltend gemacht haben, diese Bestimmung für die Ziele, die bereits von Art. 16 Abs. 1 Buchst. a bis d dieser Richtlinie erfasst sind, herangezogen werden, wenn nicht nachgewiesen ist, dass die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Ausnahmeregelungen erfüllt sind, da die in Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie vorgesehenen Modalitäten strenger sind als die, die mit den anderen Ausnahmeregelungen einhergehen(14).

53.      Zweitens folgt die von mir vorgeschlagene Auslegung dem Zweck von Art. 16 Abs. 1 Buchst. e im Licht von Art. 2 der Habitatrichtlinie. Dieser besteht darin, einen Spielraum zu schaffen, der den Mitgliedstaaten gestattet, den Anforderungen von Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur sowie den regionalen und örtlichen Besonderheiten Rechnung zu tragen(15) und gleichzeitig zu gewährleisten, dass die Erreichung des allgemeinen Ziels des strengen Schutzsystems für Arten von gemeinschaftlichem Interesse – d. h. ihren günstigen Erhaltungszustand zu bewahren oder wiederherzustellen – nicht beeinträchtigt wird(16).

54.      Allerdings müssen, wie die Kommission vorgebracht hat, die zur Stützung einer Ausnahme geltend gemachten Ziele in der Entscheidung über die Ausnahme klar, genau und substantiiert definiert werden(17). Denn nur eine solche Definition erlaubt es, die Angemessenheit und Notwendigkeit der Ausnahme zu überprüfen, die von den von ihr verfolgten Zielen abhängen(18). Wie sich aus einer entsprechenden Anwendung der Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie ergibt, kann eine auf Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie gestützte Ausnahme „nur eine konkrete und gezielte Anwendung …, um bestimmten Erfordernissen und besonderen Situationen Rechnung zu tragen“, darstellen(19).

55.      Es wird Sache des vorlegenden Gerichts sein, zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ausnahmen spezifische Probleme, die in den ihre Grundlage bildenden Entscheidungen klar und genau definiert waren, lösen sollten. Die folgenden Ausführungen werden es im Rahmen dieser Prüfung leiten können.

56.      Zum einen ist unstreitig, dass, wie die Behörde in den streitigen Entscheidungen feststellte, die Wilderei zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidungen eine große Herausforderung für den Erfolg der Politik zur Erhaltung der Wölfe darstellte – eine Feststellung, die das vorlegende Gericht als glaubwürdig angesehen hat. Im Übrigen stellte die Behörde darin fest, dass Hunde von Wölfen verletzt worden seien. Selbst angenommen, das Vorbringen von Tapiola, die Behörde habe ein statistisch erhöhtes Risiko von Schäden an Hunden nicht nachgewiesen, wäre erwiesen, stellt es das Bestehen des von dieser festgestellten Problems, sei es auch nur von begrenztem Umfang, nicht in Frage.

57.      Zum anderen war hingegen, wie die Kommission vorträgt, das Ziel, das allgemeine Sicherheitsgefühl der Bewohner der von den Ausnahmen betroffenen Gebiete zu verbessern, wahrscheinlich zu allgemein formuliert, um eine Prüfung seiner Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die Verfolgung dieses Ziels zu gestatten. Insbesondere ergibt sich aus der Vorlageentscheidung nicht, dass die Behörde das tatsächliche Vorliegen und das Ausmaß der Befürchtungen dieser Bewohner untermauert hätte, und im Übrigen auch nicht die Gefahren für ihre Sicherheit(20).

2.      Zur Eignung der Ausnahmegenehmigungen zur Bestandspflege zur Erreichung der verfolgten Ziele

58.      Die Bestimmung der Beweisanforderungen für die Feststellung, dass die Ausnahme geeignet ist, die zuvor festgelegten Ziele zu erreichen, bringt im Kontext der vorliegenden Rechtssache besondere Schwierigkeiten mit sich.

59.      Erstens war, soweit die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ausnahmen auf einem Versuch beruhten, mit dem geprüft werden sollte, ob eine begrenzte Genehmigung der rechtmäßigen Jagd dazu beitragen konnte, die Wilderei zu verringern und letztlich den Erhaltungszustand der Wolfspopulation zu verbessern, ihre Eignung zur Erreichung dieser Ziele zum Zeitpunkt ihres Erlasses durch die Behörde ungewiss.

60.      In diesem Kontext kann, entgegen der Auffassung von Tapiola, meines Erachtens nicht verlangt werden, dass beim Erlass solcher Ausnahmeregelungen ohne jede wissenschaftliche Unsicherheit in diesem Punkt nachgewiesen ist, dass sie die rechtswidrige Jagd verringern würde und das Ausmaß dieser Wirkung so groß wäre, dass die gesamte dem Menschen zurechenbare Mortalität gesenkt würde.

61.      Wie ich bereits ausgeführt habe(21), bietet Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie meiner Meinung nach eine Rechtsgrundlage für den Erlass von Ausnahmen zur Verbesserung des Erhaltungszustands der Populationen der betreffenden Art, wenn ihre Wirksamkeit im Hinblick auf die Erreichung dieses Ziels ein gewisses Maß an Unsicherheit mit sich bringt. Wie die finnische Regierung vorgebracht hat, kann man davon ausgehen, dass Ausnahmegenehmigungen zur Bestandspflege wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden das Ziel der Bekämpfung der Wilderei verfolgen, indem sie erlauben, die Auswirkung der Genehmigung der bestandspflegenden Jagd auf das Ausmaß der rechtswidrigen Jagd zu bewerten. Unter diesem Blickwinkel macht die Tatsache, dass der Versuch nicht erfolgreich war, solche Ausnahmen nicht für sich genommen für die Verfolgung des beschriebenen Ziels ungeeignet.

62.      Meiner Meinung nach ist die zuständige nationale Behörde für den Nachweis, dass die Ausnahmegenehmigungen zur Bestandspflege zur Erreichung dieses Ziels im Einklang mit den in den Nrn. 44 und 45 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Grundsätzen geeignet sind, nur verpflichtet, auf der Grundlage streng wissenschaftlicher Erkenntnisse die Annahme zu untermauern, dass die Genehmigung der bestandspflegenden Jagd die rechtswidrige Jagd verringern würde, und zwar in einem solchen Maß, dass sie eine positive Nettoauswirkung auf den Erhaltungszustand der Wolfspopulation hätte(22). Diese Annahme ist insbesondere zu prüfen, indem die Zahl der geplanten Ausnahmen mit den jüngsten Schätzungen der Zahl der rechtswidrigen Tötungen verglichen wird.

63.      Dieses Ergebnis wird durch den von Tapiola geltend gemachten Vorsorgegrundsatz nicht in Frage gestellt. Im Kontext der Habitatrichtlinie bedeutet dieser Grundsatz im Wesentlichen, dass bei Vorliegen vernünftiger Zweifel, unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse betreffend das Fehlen nachteiliger Auswirkungen einer menschlichen Betätigung auf die Erhaltung der Lebensräume und der geschützten Arten, diese Betätigung nicht genehmigt werden darf(23). Wie ich im Folgenden darlegen werde, ist diese Anforderung bereits in die ebenfalls am Beginn von Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie vorgesehene Bedingung einbezogen, wonach vor dem Erlass einer Ausnahmeregelung nachgewiesen werden muss, dass sie die Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der Populationen der betroffenen Art nicht beeinträchtigen wird(24). Der Vorsorgegrundsatz verpflichtet die zuständigen nationalen Behörden nicht, nachzuweisen, dass die Ausnahme den Erhaltungszustand dieser Populationen verbessern wird.

64.      Im vorliegenden Fall enthält die Vorlageentscheidung keine Angaben, wonach die Behörde die angeführte Annahme vor dem Erlass der streitigen Entscheidungen auf der Grundlage wissenschaftlicher Daten untermauert hätte. Das vorlegende Gericht wird daher prüfen müssen, ob die Behörde dieser Aufgabe nachgekommen ist.

65.      In diesem Zusammenhang macht die Behörde geltend, es sei nachgewiesen, dass die bestandspflegende Jagd geeignet sei, die Wilderei, zumindest kurzfristig, zu verringern. Tapiola und die Kommission tragen vor, dass die verfügbaren wissenschaftlichen Arbeiten eher auf das Gegenteil hindeuteten(25).

66.      Außerdem sollen nach den Informationen, die Tapiola und der Kommission vorliegen, in Finnland auf der Grundlage von Ausnahmegenehmigungen zur Bestandspflege im Jagdjahr 2015–2016 von einer Population von insgesamt zwischen 275 und 310 Exemplaren 43 oder 44 Wölfe getötet worden sein. Sollten diese Daten vom vorlegenden Gericht bestätigt werden, müsste die Annahme, dass die Tötung von fast 15 % dieser Population – ohne Berücksichtigung der aus anderen dem Menschen zurechenbaren Gründen festgestellten Mortalität – ihren Erhaltungszustand hätte verbessern können, ihrerseits zumindest Anlass zu gewisser Vorsicht geben.

67.      Tapiola fügt insoweit hinzu, dass die Zahl der von den Ausnahmegenehmigungen zur Bestandspflege betroffenen Wölfe die jährliche Zahl der rechtswidrigen Tötungen überschreite, die nach dem Bestandspflegeplan auf ungefähr 30 Exemplare geschätzt werde(26). Die bestandspflegende Jagd habe somit zur Tötung von 14 Exemplaren mehr als aufgrund der Wilderei geführt, und das unter der – zweifelhaften – Annahme, dass die bestandspflegende Jagd jegliche rechtswidrige Jagd beendet habe. Diese Daten scheinen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ihrer Richtigkeit durch das vorlegende Gericht, zu zeigen, dass diese Ausnahmen zur Erreichung ihres Ziels der Bekämpfung der Wilderei im Interesse des Schutzes der Art ungeeignet sind.

68.      Was zweitens die Eignung der Ausnahmegenehmigungen zur Bestandspflege betrifft, zu verhindern, dass Hunde von Wölfen verletzt werden, hängt diese grundsätzlich, wie die Kommission vorgebracht hat, von der Frage ab, ob diese Ausnahmen die Exemplare betrafen, die die festgestellten Verletzungen verursachten. Nach der Vorlageentscheidung – und wie die finnische Regierung in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat –, beschränkten sich die streitigen Entscheidungen darauf, ihren Adressaten zu empfehlen, die Jagd auf Schäden verursachende Exemplare zu richten, ohne sie dazu zu verpflichten.

69.      Allerdings kann nach dem Urteil vom 14. Juni 2007, Kommission/Finnland(27), nicht ausgeschlossen werden, dass die Genehmigung zum Abschuss eines Tiers eines Wolfsrudels, dem einige Tiere angehören, die Schäden verursachen, diesen Schäden vorbeugen oder sie verringern kann – selbst wenn nicht die Schäden verursachenden Exemplare gejagt werden –, indem die Angst des Wolfs vor dem Menschen geschürt wird. Nach Auffassung des Gerichtshofs hat jedoch die Behörde, die eine Ausnahmeregelung beschließt, diese Annahme mit konkreten Beweisen zu untermauern. Das vorlegende Gericht hat nicht angegeben, ob Beweise dieser Art im vorliegenden Fall vorgelegt wurden, was es zu prüfen haben wird.

3.      Zur Prüfung von etwaigen Alternativlösungen

70.      Wie sich aus der Rechtsprechung ergibt(28), verpflichtet Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie die Mitgliedstaaten, eine genaue und angemessene Begründung für die Annahme zu liefern, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung zur Erreichung der zur Stützung einer Ausnahme geltend gemachten Ziele gibt(29).

71.      Der Gerichtshof hat auch festgestellt, dass die ähnliche Begründungspflicht im Rahmen von Art. 9 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie nicht erfüllt ist, wenn die Ausnahme keine Angaben zum Fehlen einer anderen zufriedenstellenden Lösung oder keinen Verweis auf die einschlägigen technischen, juristischen und wissenschaftlichen Berichte enthält(30).

72.      Im vorliegenden Fall enthält, wie Tapiola und die Kommission hervorgehoben haben, die Vorlageentscheidung keinen Hinweis darauf, dass die Behörde begründet hätte, inwiefern das einzige Mittel zur Erreichung der zur Stützung der Ausnahmegenehmigungen zur Bestandspflege geltend gemachten Ziele darin bestanden habe, die Wolfsjagd teilweise zu legalisieren, oder weshalb eine so hohe Zahl von Ausnahmen hierzu erforderlich gewesen sei.

73.      Insoweit geht, wie die Kommission vorgebracht hat, aus dieser Entscheidung nicht hervor, dass die Behörde eine eingehende Analyse der praktischen Schwierigkeiten bei der Überwachung der Wilderei vorgenommen hätte, die sie zu der Schlussfolgerung hätte führen können, dass eine Politik der strengeren Überwachung und Bestrafung in Verbindung mit anderen vorbeugenden Maßnahmen keine zufriedenstellende Möglichkeit darstelle(31). Das vorlegende Gericht hat auch nicht dargelegt, ob die von Tapiola empfohlenen Alternativlösungen, wie die Erhöhung der bereitgestellten Mittel für die Ausstattung mit elektrifizierten Zäunen und eine aktivere Politik zur Information der Landbevölkerung(32), geprüft und unter Anführung von Gründen abgelehnt worden seien.

74.      Ohne ausdrücklich dieses Fehlen einer vorherigen Analyse zu bestreiten, trägt die Behörde vor, dass die Verschärfung der Sanktionen nicht von der Wilderei hätte abhalten können, da diese als ungerecht empfunden würden. Im Übrigen sah laut der Behörde, wie auch Herr Ruhanen und die finnische Regierung vorgebracht haben, der Bestandspflegeplan neben der bestandspflegenden Jagd zusätzliche Maßnahmen vor, um die Wilderei auf längere Sicht zu verhindern. Diese Maßnahmen umfassten Informationskampagnen, die Konsultation der Landbevölkerung und den Ersatz der von Wölfen verursachten Schäden.

75.      Was außerdem das Ziel anbelangt, zu verhindern, dass Hunde von Wölfen verletzt werden, geht, wie die Kommission ausgeführt hat, aus der Vorlageentscheidung nicht hervor, dass die Behörde erläutert hätte, inwiefern Ausnahmen, die auf die Schäden verursachenden Exemplare abzielen und gegebenenfalls mit ihrer Tötung durch Berufsjäger einhergehen, dieses Ziel nicht hätten erreichen können.

76.      Falls das vorlegende Gericht bestätigen sollte, dass die Behörde die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ausnahmen erließ, ohne zuvor genau und angemessen zu begründen, dass keine anderweitige Lösung erlaubt hätte, die verfolgten Ziele zu erreichen, müsste es zu dem Schluss kommen, dass diese Ausnahmen gegen Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie verstießen.

C.      Zur Auswirkung der Ausnahmen auf den Erhaltungszustand der Art

1.      Zu den geografischen Ebenen, auf denen der Erhaltungszustand der Populationen der betroffenen Arten zu beurteilen ist

77.      Für die Zwecke der Überprüfung der Einhaltung der Bedingung am Beginn von Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie, „dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet [trotz der Ausnahmeregelung] ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen“, haben die zuständigen nationalen Behörden in einem ersten Schritt den Erhaltungszustand zu prüfen, in dem sich diese Populationen befinden. Erst nach dieser Prüfung werden diese Behörden in der Lage sein, die Auswirkungen zu bewerten, die die Ausnahme auf den Erhaltungszustand dieser Populationen ausüben kann(33).

78.      Buchst. a der dritten Frage betrifft die geografischen Ebenen, auf denen in diesem Kontext der Erhaltungszustand einer Wolfspopulation zu bewerten ist. Das vorlegende Gericht fragt, ob diese Beurteilung neben der Ebene des von der Ausnahme betroffenen lokalen Gebiets auch bezogen auf das gesamte Gebiet des Mitgliedstaats oder auf grenzüberschreitender Ebene, wenn sich das natürliche Verbreitungsgebiet der in Rede stehenden Population über das Gebiet mehrerer Länder erstreckt, vorzunehmen ist.

79.      Insoweit ist, da die Habitatrichtlinie weder den Begriff „Population“ noch den Begriff „natürliches Verbreitungsgebiet“ definiert, die Bedeutung dieser Begriffe im Kontext ihres Art. 16 Abs. 1 im Licht des Zwecks dieser Richtlinie zu ermitteln. Nach ihrem Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 besteht dieser Zweck u. a. darin, einen günstigen Erhaltungszustand der Arten von gemeinschaftlichem Interesse „im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten“ zu bewahren oder wiederherzustellen. Der Begriff „günstiger Erhaltungszustand“ wird im Übrigen in Art. 1 Buchst. i dieser Richtlinie in Bezug auf die Populationen in diesem Gebiet definiert.

80.      In Anbetracht dieser Erwägungen kann der Begriff „Population“ im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie nicht auf das von einer Ausnahme betroffene lokale Rudel eingeschränkt werden. Unter diesem Blickwinkel hat der Gerichtshof im Urteil vom 14. Juni 2007, Kommission/Finnland(34), den Erhaltungszustand des Wolfs bezogen auf das gesamte Hoheitsgebiet beurteilt(35).

81.      Auf der gleichen Linie definiert der Leitfaden der Kommission den Begriff „Population“ als eine Gruppe von Exemplaren derselben Art, die zur selben Zeit am selben Ort leben und sich miteinander fortpflanzen können(36). Nach diesem Leitfaden umreißt der Begriff „natürliches Verbreitungsgebiet“ die räumlichen Grenzen, innerhalb derer die Population vorkommt(37).

82.      Unter diesem Blickwinkel sind, wie dieses Dokument sowie die Leitlinien der LCIE empfehlen und wie Tapiola, die finnische und die dänische Regierung sowie die Kommission geltend gemacht haben, der Erhaltungszustand der Populationen der betreffenden Arten sowie die Auswirkungen, die die geplante Ausnahme auf diesen haben kann, bezogen auf das Gebiet des Mitgliedstaats oder gegebenenfalls der betroffenen biogeografischen Region zu beurteilen, wenn sich die Grenzen dieses Mitgliedstaats mit mehreren biogeografischen Regionen überschneiden(38).

83.      Außerdem ist, wie alle Beteiligten, die schriftliche Erklärungen eingereicht haben, dargelegt haben, und wie der Leitfaden der Kommission(39) vorsieht, die Bewertung der Auswirkung einer Ausnahme auf der Ebene des Gebiets eines lokalen Rudels im Allgemeinen erforderlich, um ihre Auswirkung auf den Erhaltungszustand der in Rede stehenden Population in einem größeren Rahmen zu bestimmen. Da nämlich eine Ausnahme ein spezifisches Problem in einer besonderen Situation zu lösen hat(40), können sich ihre Folgen definitionsgemäß am unmittelbarsten in dem von dieser betroffenen lokalen Gebiet bemerkbar machen. Allerdings hängt der Erhaltungszustand einer Population auf nationaler oder biogeografischer Ebene von der kumulierten Auswirkung der verschiedenen, die lokalen Gebiete betreffenden Ausnahmen sowie gegebenenfalls von anderen lokalen Ursachen der dem Menschen zurechenbaren Mortalität ab(41).

84.      Hingegen schließe ich mich nicht dem Vorbringen der Behörde vor dem vorlegenden Gericht an, wonach es für den Nachweis der Erfüllung der hier geprüften Voraussetzung im vorliegenden Fall genüge zu beweisen, dass die Ausnahme das Verweilen der Wolfspopulationen in einem günstigen Erhaltungszustand in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet, definiert auf grenzüberschreitender Ebene, nicht gefährde. Zwar hat die Behörde den Umfang des natürlichen Verbreitungsgebiets der in Rede stehenden Wolfspopulation nicht angegeben, doch ergibt sich aus den von Tapiola vorgelegten Informationen, dass dieses gewisse Teile der Hoheitsgebiete Finnlands und Russlands umfassen könnte(42).

85.      Insoweit weise ich zunächst darauf hin, dass die Habitatrichtlinie nur die Erhaltung der Populationen der Arten von gemeinschaftlichem Interesse im Gebiet der Mitgliedstaaten sicherstellen soll. Sodann sind die Drittstaaten nicht an die sich aus dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen des strengen Schutzes dieser Arten gebunden. Daher verfügt ein Mitgliedstaat in der Praxis nicht über die Möglichkeit, die Zahl und den Typ von Exemplaren dieser Arten zu prüfen oder vernünftigerweise vorherzusehen, für die ein Drittstaat die Tötung genehmigen oder dulden könnte(43). Soweit die Auswirkung einer Ausnahme auf den Erhaltungszustand einer Population von der kumulierten Wirkung verschiedener Ursachen der dem Menschen zurechenbaren Mortalität abhängt, kann diese auf der Ebene eines Gebiets, das die Grenzen eines Drittstaats überschreitet, nicht beurteilt werden.

86.      Dieser Ansatz liegt meines Erachtens der Beurteilung des Gerichtshofs im Urteil vom 14. Juni 2007, Kommission/Finnland(44), zugrunde. Wie Tapiola vorgebracht hat, hat sich der Gerichtshof in diesem Urteil nur zum Erhaltungszustand des Wolfs auf der Ebene des finnischen Hoheitsgebiets geäußert, ohne diesen auf der Ebene der grenzüberschreitenden Population zu prüfen.

87.      Dieses Ergebnis berührt nicht die Frage, ob ein Mitgliedstaat nachweisen kann, dass die in Rede stehende Population einen günstigen Erhaltungszustand hat, wenn ihr natürliches Verbreitungsgebiet auf dem Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten liegt, indem er beweist, dass sie sich auf der Ebene der betreffenden grenzüberschreitenden Region in einem solchen Zustand befindet(45).

88.      Ich schließe daraus, dass in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden eine Ausnahmeregelung nach Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie nicht erlassen werden kann, ohne dass der Erhaltungszustand der Populationen der betreffenden Art sowie die Auswirkungen, die die geplante Ausnahme auf der Ebene des Gebiets des Mitgliedstaats in seiner Gesamtheit oder der biogeografischen Region in diesem, in der diese Ausnahme umgesetzt werden soll, auf ihn haben kann, bewertet worden sind.

2.      Zur Tragweite der Voraussetzung betreffend das Fehlen von Beeinträchtigungen der Wahrung eines günstigen Erhaltungszustands der in Rede stehenden Populationen

89.      Mit den Buchst. b und c der dritten Frage, die ich zusammen prüfen werde, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie zwangsläufig dem Erlass einer Ausnahmeregelung entgegensteht, wenn der Erhaltungszustand der Populationen der betreffenden Art nicht günstig ist.

90.      Dazu könnte aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, soweit darin die Rede davon ist, dass die von einer Ausnahme betroffenen Populationen „in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen“, geschlossen werden, dass der günstige Erhaltungszustand dieser Populationen eine Voraussetzung für ihren Erlass darstellt.

91.      Der Gerichtshof hat diese Auslegung jedoch im Urteil vom 14. Juni 2007, Kommission/Finnland(46), zurückgewiesen. Darin hat er entschieden, dass die genannte Voraussetzung erfüllt ist, auch wenn sich die fraglichen Populationen nicht in einem günstigen Erhaltungszustand befinden, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass die Ausnahme nicht geeignet ist, den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen zu verschlechtern oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands zu behindern. Daher genügt es, dass die Ausnahme im Hinblick auf den Erhaltungszustand der Art zumindest neutral ist – ein Fall, der nach dem Gerichtshof Ausnahmesituationen betrifft.

92.      Ich füge hinzu, dass die Bestimmungen der Habitatrichtlinie im Licht des in Art. 191 Abs. 2 AEUV verankerten Vorsorgegrundsatzes auszulegen sind(47), auf den Tapiola und die Kommission Bezug nehmen. Dieser Grundsatz impliziert, dass, wenn die Prüfung der besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten eine erhebliche Unsicherheit bestehen lässt, ob eine Ausnahme die Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der Populationen der betroffenen Art beeinträchtigen wird oder nicht, der Mitgliedstaat von ihrem Erlass oder ihrer Umsetzung Abstand zu nehmen hat(48).

3.      Zur Auswirkung des Bestandspflegeplans und der nationalen Regelung über die Höchstzahl der Exemplare, die getötet werden dürfen

93.      Mit Buchst. a seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es für die Beurteilung der Vereinbarkeit einer Ausnahme mit Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie darauf ankommt, dass sie sich in den Rahmen eines Bestandspflegeplans und einer nationalen Regelung zur Festsetzung einer Höchstzahl von Exemplaren einfügt, die in einem bestimmten Jagdjahr im Inland auf der Grundlage dieser Bestimmung getötet werden dürfen.

94.      Wie Tapiola, die Behörde, die finnische und die dänische Regierung sowie die Kommission bin ich der Meinung, dass dieser Umstand einen hierfür relevanten Faktor darstellt. Die Festlegung einer Höchstzahl der Entnahmen, die in diesem Gebiet genehmigt werden können, kann nämlich gewährleisten, dass die kumulative jährliche Wirkung der individuellen Ausnahmen sich nicht nachteilig auf die Erhaltung oder Wiederherstellung der Populationen der betroffenen Art in einem günstigen Erhaltungszustand auswirkt(49). Der Leitfaden der Kommission empfiehlt im Übrigen den Erlass von Managementplänen, da sie „die beste Möglichkeit [sind], die Einhaltung der strengen Anforderungen von Artikel 16 [der Habitatrichtlinie] nachzuweisen“(50).

95.      Natürlich müssen die Modalitäten des Managementplans und der in Rede stehenden Regelung dafür tatsächlich die Einhaltung dieser Anforderungen sicherstellen. Insbesondere muss, damit die Tötung einer das vorweg festgelegte Höchstkontingent ausschöpfenden Zahl von Exemplaren diesen Anforderungen entspricht, dieses Kontingent unter Berücksichtigung der kumulativen Wirkung der auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie gegründeten Ausnahmen, der Ausnahmen, die auf der Grundlage anderer Ausnahmebestimmungen genehmigt wurden, und der anderen dem Menschen zurechenbaren Sterblichkeitsursachen festgelegt worden sein(51). Wie Tapiola ausgeführt hat, kommt es unter dem Gesichtspunkt des Erhaltungszustands der Population allein auf die Zahl und die Art der gestorbenen Exemplare an, und nicht auf die Ursache ihres Todes.

96.      Im vorliegenden Fall hat die Behörde in den streitigen Entscheidungen darauf hingewiesen, dass die Obergrenze von 46 Exemplaren nach § 1 der Verordnung Nr. 1488/2015 es ermögliche, sicherzustellen, dass die Bewahrung oder die Wiederherstellung der Wolfspopulation in einem günstigen Erhaltungszustand nicht gefährdet sei.

97.      Tapiola und die Kommission stellen diese Beurteilung insbesondere im Hinblick auf die in Nr. 66 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Daten in Frage. Zum einen macht Tapiola geltend, dass diese Obergrenze in Anbetracht der Größe der Wolfspopulation und ihres Erhaltungszustands zu hoch gewesen sei. Zum anderen habe die bestandspflegende Jagd entgegen den Empfehlungen im Bestandspflegeplan und den auf dessen Grundlage genehmigten Ausnahmen eine erhebliche Zahl von Zuchttieren betroffen. Etwa die Hälfte der 43 oder 44 auf der Grundlage dieser Ausnahmen getöteten Wölfe – und insbesondere vier der sieben von Herrn Mustonen und Herrn Ruhanen erlegten Wölfe – seien Zuchttiere gewesen. Ich weise jedoch darauf hin, dass nach dem Bestandspflegeplan die Lebensfähigkeit eines Wolfsrudels es erforderte, auf die sich nicht fortpflanzenden Exemplare abzuzielen(52). Tapiola und die Kommission bemerken, dass sich die Wolfspopulation nach der Umsetzung dieser Ausnahmen drastisch verringert habe.

98.      Die Daten, auf die sich Tapiola und die Kommission berufen, stellen – soweit sie vom vorlegenden Gericht bestätigt werden – starke Indizien für den Nachweis dar, dass das in der finnischen Regelung vorweg festgesetzte Höchstkontingent gemeinsam mit dem fehlenden Verbot der Tötung von Zuchttieren nicht sicherstellte, dass die im Rahmen dieses Kontingents erteilten Ausnahmegenehmigungen zur Bestandspflege, einschließlich der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, das Verweilen oder die Wiederherstellung der Wolfspopulation in einem günstigen Erhaltungszustand nicht beeinträchtigen würden.

D.      Zur Tragweite der spezifischen Bedingungen nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie

99.      Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie macht den Rückgriff auf die darin vorgesehene Ausnahme von der Einhaltung von Bedingungen betreffend die Selektivität der Entnahmen, die Begrenzung und Spezifizierung der Anzahl der entnommenen Exemplare und die strenge Kontrolle der Bedingungen, unter denen diese Entnahmen erfolgen, abhängig. Eine vollständige Antwort auf die erste Vorlagefrage wird voraussetzen, dass der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht einige Klarstellungen zum Inhalt dieser Anforderungen in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden gibt.

100. Wie die vorstehenden Erwägungen gezeigt haben, schreibt die allgemeine Vorbedingung der fehlenden Beeinträchtigung oder der Bewahrung oder Wiederherstellung der in Rede stehenden Populationen in einem günstigen Erhaltungszustand, von deren Einhaltung Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie jede Ausnahmeregelung abhängig macht, bereits einige Beschränkungen hinsichtlich der Anzahl und gegebenenfalls der Arten der Exemplare, die entnommen werden können, vor.

101. Um den spezifischen Voraussetzungen nach Buchst. e dieser Bestimmung einen eigenständigen Inhalt zu verleihen und so ihre praktische Wirksamkeit zu wahren, müssen diese meines Erachtens dahin ausgelegt werden, dass sie außerdem die Möglichkeit beschränken, von den Verpflichtungen des strengen Schutzes der Populationen der betroffenen Arten abzuweichen, selbst wenn die geplante Ausnahmeregelung die Bewahrung oder Wiederherstellung dieser Populationen in einem günstigen Erhaltungszustand nicht verhindert.

102. Unter diesem Blickwinkel weist der Leitfaden der Kommission darauf hin, dass die in Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie vorgesehene Ausnahme mit zusätzlichen „erheblichen“ Einschränkungen gegenüber denjenigen im Zusammenhang mit den Ausnahmegründen in den anderen Punkten dieser Bestimmung verbunden ist, so dass sie „in der Praxis selten“ zur Anwendung gelange(53).

103. Die Kommission schlägt dort, meiner Meinung nach zu Recht, einen Test vor, nach dem eine Ausnahmeregelung auf der Grundlage von Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie nicht erlassen werden kann, wenn die Gefahr besteht, dass sie „in quantitativer und qualitativer Hinsicht (z. B. negative Einflüsse auf die Populationsstruktur) erhebliche negative Auswirkungen auf die betreffende Population hat“(54). Bei Bestehen einer solchen Gefahr wäre eine Ausnahme ausgeschlossen, auch wenn sie nicht so weit ginge, ihre Bewahrung oder Wiederherstellung in einem günstigen Erhaltungszustand zu verhindern.

104. Im Licht dieser Erwägungen ist die Tragweite der drei spezifischen Bedingungen nach Buchst. e dieser Vorschrift zu bestimmen.

105. Erstens kann die Auslegung der Bedingung betreffend die „begrenzte Anzahl“ von nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie erlaubten Entnahmen durch die Rechtsprechung zur vergleichbaren Bedingung hinsichtlich der „geringen Menge“ entnommener Exemplare nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Vogelschutzrichtlinie klargestellt werden.

106. Dazu hat der Gerichtshof entschieden, dass die Zahl der Vögel, die auf der Grundlage dieser Bestimmung gejagt werden dürfen, von der Populationsgröße der Art, ihrem Erhaltungszustand und ihren biologischen Eigenschaften abhängt. Diese Zahl ist im Licht von geografischen und klimatischen Daten, Umweltdaten und biologischen Daten und der Beurteilung der Lage hinsichtlich der Fortpflanzung und der Gesamtjahressterblichkeit der betroffenen Art aufgrund natürlicher Ursachen zu bestimmen(55).

107. Zweitens bezieht sich nach dem Leitfaden der Kommission(56) die Bedingung betreffend die Selektivität der Entnahmen von Exemplaren der betroffenen Art zunächst auf das Abzielen auf eine Art unter Ausschluss aller anderen Arten(57). Nach meinem Dafürhalten kann diese Bedingung, ausgelegt im Licht der allgemeinen Tragweite der spezifischen Bedingungen nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie, wie sie in Nr. 103 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt worden ist, je nach den Umständen auch ein genaueres Abzielen auf Exemplare oder Gruppen von bestimmten Exemplaren erfordern(58).

108. Unter diesem Blickwinkel hängt auch der Grad der Selektivität, wie die dänische und die schwedische Regierung sowie die Kommission im Wesentlichen geltend gemacht haben, von der Größe der in Rede stehenden Population, ihrem Erhaltungszustand und ihren biologischen Eigenschaften ab(59). Für gewisse Arten oder Populationen kann sich das Abzielen auf bestimmte Exemplare, die individuell auf der Grundlage gewisser biologischer Eigenschaften (insbesondere auf genetischer Ebene oder unter dem Gesichtspunkt ihrer Rolle innerhalb der Gruppe(60)) oder auch ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Exemplaren, die ein bestimmtes Gebiet bewohnen, bestimmt werden, als erforderlich erweisen.

109. Drittens bedeutet die Bedingung betreffend die Bindung der auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie gegründeten Ausnahmen an streng kontrollierte Voraussetzungen insbesondere, dass diese Voraussetzungen und die Art, in der ihre Einhaltung überwacht wird, es erlauben, den selektiven und begrenzten Charakter der Entnahmen der Exemplare der betroffenen Arten sicherzustellen.

110. Dazu hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass die Verwaltungsverfahren so gestaltet sein müssen, dass sowohl die Entscheidungen, mit denen abweichende Entnahmen nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Vogelschutzrichtlinie genehmigt werden, als auch die Art und Weise, in der diese Entscheidungen angewandt werden, einer effektiven und rechtzeitigen Kontrolle unterliegen(61).

111. Der Leitfaden der Kommission bestätigt diesen Ansatz, indem er darauf hinweist, dass die Ausnahmen Gegenstand klarer Genehmigungen in Bezug auf die Exemplare oder Gruppen von Exemplaren, die erlegt werden dürfen, auf deren Zahl sowie auf die Orte und Zeiten der genehmigten Entnahmen sein müssen(62). Insbesondere hat sich die zuständige nationale Behörde bei jeder auf Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie gegründeten Ausnahmeregelung vor ihrem Erlass von der Einhaltung der darin vorgesehenen Bedingungen zu vergewissern und ihre Auswirkung im Nachhinein zu überwachen(63).

112. Es wird Sache des vorlegenden Gerichts sein, zu bestimmen, ob die Behörde auf der Grundlage wissenschaftlicher Daten festgestellt hat, dass die territorialen und quantitativen Grenzen für die Ausnahmegenehmigungen zur Bestandspflege auch unter Berücksichtigung der Art und Weise, in der ihre Einhaltung kontrolliert wurde, ausreichten, um sicherzustellen, dass sie keine erheblichen negativen Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Wolfspopulation haben. Im Hinblick zum einen auf die hohe Anzahl der betroffenen Exemplare gegenüber der gesamten Wolfspopulation nach den von Tapiola und der Kommission geltend gemachten Zahlen (ihre Bestätigung vorausgesetzt)(64) und zum anderen auf das fehlende Verbot, auf Zuchtexemplare abzuzielen, scheint mir unwahrscheinlich, dass dies der Fall war.

V.      Ergebnis

113. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt auf die Vorlagefragen des Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht, Finnland) zu antworten:

1.      Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen in der durch die Richtlinie 2013/17/EU des Rates vom 13. Mai 2013 geänderten Fassung steht dem nicht entgegen, dass ein Mitgliedstaat von seiner Verpflichtung nach Art. 12 Buchst. a dieser Richtlinie, das Verbot der absichtlichen Tötung der Exemplare von in Anhang IV Buchst. a der Richtlinie 92/43 aufgeführten Arten, darunter die Art Canis lupus, sicherzustellen, abweicht, indem die Jagd auf den Wolf mit dem Ziel genehmigt wird, die Wilderei zu bekämpfen, Schäden an Hunden zu verhindern und/oder das allgemeine Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu verbessern, sofern dieser Mitgliedstaat nachweist, dass sämtliche Bedingungen nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie erfüllt sind.

2.      Soweit Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 92/43 in der durch die Richtlinie 2013/17 geänderten Fassung vorsieht, dass eine auf diese Bestimmung gegründete Ausnahmeregelung nur erlassen werden darf, wenn es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt, ist er dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat zu diesem Zweck die mit der Ausnahme verfolgten Ziele in der Entscheidung über diese Ausnahme klar und genau anzuführen und nachzuweisen hat, dass sie für die Verwirklichung dieser Ziele geeignet ist und keine andere Lösung es erlauben würde, sie zu erreichen.

3.      Soweit Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 92/43 in der durch die Richtlinie 2013/17 geänderten Fassung vorsieht, dass eine auf diese Bestimmung gegründete Ausnahmeregelung nur unter der Bedingung erlassen werden darf, dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahme ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, ist dahin auszulegen:

–        dass er dem entgegensteht, dass ein Mitgliedstaat eine solche Ausnahmeregelung erlässt, wenn der Erhaltungszustand der Population der betroffenen Art nur auf der Ebene des von der Ausnahme erfassten örtlichen Gebiets bewertet wurde, während auf der Ebene dieses Mitgliedstaats oder der von der Ausnahme erfassten biogeografischen Region innerhalb dieses Mitgliedstaats keine Bewertung vorgenommen wurde;

–        dass er dem nicht entgegensteht, dass ein Mitgliedstaat eine solche Ausnahmeregelung erlässt, wenn der Erhaltungszustand der Population der betreffenden Art nicht günstig ist, sofern ihn die Ausnahme weder weiter verschlechtert noch die Wiederherstellung dieser Population in einem günstigen Erhaltungszustand verhindert;

–        dass der Umstand, dass sich eine auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/43 in der durch die Richtlinie 2013/17 geänderten Fassung gegründete Ausnahmeregelung in den Rahmen eines nationalen Bestandspflegeplans und einer nationalen Regelung einfügt, mit der ein jährliches Höchstkontingent von Exemplaren festgesetzt wird, die auf dieser Grundlage im Inland erlegt werden dürfen, nur dann die Einhaltung dieser Bedingung gewährleistet, wenn dieses Kontingent in einer solchen Höhe festgesetzt wird, dass die Erteilung einer die Grenzen dieses Kontingents ausschöpfenden Zahl von Ausnahmegenehmigungen unter Berücksichtigung auch der etwaigen auf der Grundlage von Art. 16 Abs. 1 Buchst. a bis d dieser Richtlinie erlassenen Ausnahmeregelungen sowie anderer auf den Menschen zurückzuführender Sterblichkeitsursachen nicht die Bewahrung oder die Wiederherstellung dieser Populationen in einem günstigen Erhaltungszustand beeinträchtigt.

4.      Soweit Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 93/42 in der durch die Richtlinie 2013/17 geänderten Fassung vorsieht, dass eine auf diese Bestimmung gegründete Ausnahmeregelung erlassen werden kann, um unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Arten des Anhangs IV zu erlauben, ist er dahin auszulegen, dass diese Behörden vor ihrem Erlass festzustellen haben, dass eine solche Ausnahme nicht Gefahr läuft, erhebliche negative Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der betroffenen Population zu haben. Das Fehlen einer solchen Gefahr ist mittels der Begrenzung der Anzahl der von der Ausnahme erfassten Exemplare und mittels ihrer Selektivität sicherzustellen, nach Modalitäten, die von der Größe dieser Population, ihrem Erhaltungszustand und ihren biologischen Eigenschaften abhängen. Diese Bedingungen müssen in der Entscheidung über die Ausnahme genau definiert werden. Ihre Einhaltung muss streng kontrolliert werden.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Richtlinie des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7) in der durch die Richtlinie 2013/17/EU des Rates vom 13. Mai 2013 (ABl. 2013, L 158, S. 193) geänderten Fassung.


3      Der Bestandspflegeplan ist unter folgender Internetadresse abrufbar: https://mmm.fi/documents/1410837/1720364/Suomen_susikannan_hoitosuunnitelmat.pdf/cf2138e7-6a9b-4955-9b93-d719c734590f.


4      Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, bilden die Art. 12, 13 und 16 der Habitatrichtlinie gemeinsam ein in sich stimmiges Regelungssystem zum Schutz der Populationen der betroffenen Arten. Folglich verletzt jede mit Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie unvereinbare Ausnahme davon auch die Art. 12 oder 13. Vgl. Urteil vom 20. Oktober 2005, Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑6/04, EU:C:2005:626, Rn. 112).


5      Ich teile den Standpunkt von Tapiola nicht, wonach der Begriff „Entnahme“ im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie die Tötung von Exemplaren der betreffenden Tierarten nicht umfasse. Wie die anderen Beteiligten, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, vorbringen, stellt dieser Ausdruck einen Oberbegriff dar, der sowohl den Fang als auch die Tötung umfasst. Wie die dänische und die schwedische Regierung geltend machen, lässt sich die Verwendung dieses Begriffs insbesondere damit erklären, dass die Arten nach Anhang IV dieser Richtlinie neben Tierarten Pflanzenarten umfassen, für die der Begriff „Tötung“ unangemessen gewesen wäre. Der Leitfaden der Kommission zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der [Habitatrichtlinie] (Februar 2007, http://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/species/guidance/pdf/guidance_de.pdf, S. 64, Nr. 33, im Folgenden: Leitfaden der Kommission) bestätigt diese Auslegung. Trotz seines nicht bindenden Charakters enthält dieses Dokument ausführliche Hinweise für die Auslegung der Habitatrichtlinie. Die von mir vorgeschlagene Auslegung ergibt sich auch aus einer entsprechenden Anwendung der Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. 2010, L 20, S. 7), die sogenannte „Vogelschutzrichtlinie“. Der Gerichtshof hat nämlich entschieden, dass diese Bestimmung, die es erlaubt, von den Verpflichtungen zum Schutz nach dieser Richtlinie unter vergleichbaren Bedingungen wie den in Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie genannten abzuweichen, die Genehmigung der Jagd auf wildlebende Vogelarten rechtfertigen kann (vgl. u. a. Urteile vom 16. Oktober 2003, Ligue pour la protection des oiseaux u. a., C‑182/02, EU:C:2003:558, Rn. 10, sowie vom 15. Dezember 2005, Kommission/Finnland, C‑344/03, EU:C:2005:770, Rn. 31).


6      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Oktober 2005, Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑6/04, EU:C:2005:626, Rn. 111), vom 10. Mai 2007, Kommission/Österreich (C‑508/04, EU:C:2007:274, Rn. 110), und vom 14. Juni 2007, Kommission/Finnland (C‑342/05, EU:C:2007:341, Rn. 25).


7      Urteil vom 14. Juni 2007, Kommission/Finnland (C‑342/05, EU:C:2007:341, Rn. 25). Vgl. auch u. a. und entsprechend Urteile vom 8. Juni 2006, WWF Italia u. a. (C‑60/05, EU:C:2006:378, Rn. 34), sowie vom 21. Juni 2018, Kommission/Malta (C‑557/15, EU:C:2018:477, Rn. 47).


8      Siehe Fn. 5 der vorliegenden Schlussanträge.


9      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Oktober 2005, Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑6/04, EU:C:2005:626, Rn. 25). Vgl. auch Leitfaden der Kommission, S. 57, Nr. 4.


10      Vgl. Urteile vom 8. Juni 2006, WWF Italia u. a. (C‑60/05, EU:C:2006:378, Rn. 25), sowie vom 21. Juni 2018, Kommission/Malta (C‑557/15, EU:C:2018:477, Rn. 62).


11      Siehe insbesondere Nrn. 54, 71, 106 und 110 der vorliegenden Schlussanträge.


12      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Kommission/Finnland (C‑342/05, EU:C:2006:752, Nr. 24).


13      Vgl. in diesem Sinne Leitfaden der Kommission, S. 65, Nr. 36. Eine Prüfung der „Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn“, die darin besteht zu untersuchen, ob die Nachteile einer Ausnahme in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen, ist meines Erachtens bereits in die Voraussetzung einbezogen, die ebenfalls am Beginn von Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie vorgesehen ist, wonach die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen können (siehe Nrn. 77 ff. der vorliegenden Schlussanträge). Diese Bestimmung legt daher die Grenze fest, bei deren Überschreitung die Abwägung zwischen dem Interesse am Schutz der Art und den widerstreitenden Interessen zwangsläufig zugunsten des ersten auszufallen hat.


14      Ein Mitgliedstaat könnte sich beispielsweise auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie mit dem Ziel der Verhütung gewisser Schäden oder Nachteile berufen, wenn diese nicht die erforderliche Schwelle erreichen, um als „ernste“ Schäden im Sinne von Buchst. b dieser Bestimmung eingestuft zu werden. Außerdem könnte das Ziel der Erhaltung der Art, obwohl es auch im Rahmen von Art. 16 Abs. 1 Buchst. a oder d der Habitatrichtlinie verfolgt werden kann, eine Ausnahme auf der Grundlage von Buchst. e dieser Bestimmung rechtfertigen, wenn die erwarteten positiven Auswirkungen der Ausnahmeregelung auf den Erhaltungszustand der Art für die Anwendung der Buchst. a oder d dieser Bestimmung nicht hinreichend nachgewiesen ist (ich werde darauf in den Nrn. 61 ff. der vorliegenden Schlussanträge zurückkommen).


15      Vgl. Art. 2 Abs. 3 der Habitatrichtlinie.


16      Vgl. Art. 2 Abs. 2 der Habitatrichtlinie. Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 14. Juni 2007, Kommission/Finnland (C‑342/05, EU:C:2007:341‚ Rn. 29).


17      Vgl. dazu Leitfaden der Kommission, S. 56, Nr. 14.


18      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Kommission/Finnland (C‑342/05, EU:C:2006:752, Nr. 25) und von Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kommission/Malta (C‑557/15, EU:C:2017:613, Nr. 67). Überdies kann die klare und substantiierte Festlegung der Ziele der Ausnahme verhindern, dass ein Mitgliedstaat das Problem, das er lösen will, künstlich so formulieren kann, dass andere mögliche zufriedenstellende Lösungen ausscheiden (vgl. Schlussanträge von Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kommission/Malta, C‑557/15, EU:C:2017:613, Nr. 68).


19      Vgl. u. a. Urteile vom 8. Juli 1987, Kommission/Belgien (247/85, EU:C:1987:339, Rn. 7), vom 7. März 1996, Associazione Italiana per il WWF u. a. (C‑118/94, EU:C:1996:86, Rn. 21), sowie vom 11. November 2010, Kommission/Italien (C‑164/09, nicht veröffentlicht, EU:C:2010:672, Rn. 28). Vgl. auch Leitfaden der Kommission, S. 56, Nr. 14.


20      In diesem Zusammenhang macht die Kommission geltend, dass seit fast einem Jahrhundert kein Wolf einen Menschen angegriffen habe. Nach den Tapiola vorliegenden Daten sei in Fennoskandinavien seit dem Zweiten Weltkrieg kein Angriff auf den Menschen durch den Wolf verzeichnet worden.


21      Siehe Nr. 52 und Fn. 14 der vorliegenden Schlussanträge.


22      Solche Beweismittel können soziologische Studien, die in dem fraglichen Mitgliedstaat durchgeführt wurden, oder wissenschaftliche Daten zu den Folgen der bestandspflegenden Jagd, die in anderen Ländern genehmigt wurde, auf den Erhaltungszustand des Wolfs umfassen.


23      Vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 7. September 2004, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:482, Rn. 44), vom 8. November 2016, Lesoochranárske zoskupenie VLK (C‑243/15, EU:C:2016:838, Rn. 66), und vom 17. April 2018, Kommission/Polen (Waldgebiet Białowieża) (C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 117). Diese Urteile betrafen Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie, soweit er vorsieht, dass Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines „Natura-2000“-Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die dieses jedoch erheblich beeinträchtigen könnten, nur unter der Voraussetzung genehmigt werden können, dass sich die zuständige Behörde vergewissert hat, dass sie dieses Gebiet als solches nicht beeinträchtigen. Die Grundsätze, die der Gerichtshof dort herausgearbeitet hat, sind meines Erachtens entsprechend auf die Auslegung von Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie anwendbar, soweit er den Erlass jeder Ausnahme von den Verpflichtungen eines strengen Schutzes für Arten von gemeinschaftlichem Interesse davon abhängig macht, dass Beeinträchtigungen der Wahrung eines günstigen Erhaltungszustands der Populationen dieser Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet fehlen.


24      Siehe Nrn. 89 bis 92 der vorliegenden Schlussanträge.


25      Tapiola nimmt insbesondere Bezug auf die Artikel von Benítez-López, A., Alkemade, R., Schipper, A. M., Ingram, D. J., Verweij, P. A, Eikelboom, J. A. J., und Huijbregts, M. A. J., „The impact of hunting on tropical mammal and bird populations“, Science, 356 (6334), 2017, S. 180 bis 183, sowie von Epstein, Y., „Killing Wolves to Save Them? Legal Responses to ‚Tolerance Hunting‘ in the European Union and United States“, Review of European Community & International Environmental Law, Bd. 26, Nr. 1, 2017, S. 19 bis 29. Auch die Kommission führt den letzteren Artikel an.


26      Bestandspflegeplan, S. 15.


27      C‑342/05, EU:C:2007:341, Rn. 42.


28      Siehe Nr. 44 der vorliegenden Schlussanträge sowie Urteil vom 14. Juni 2007, Kommission/Finnland (C‑342/05, EU:C:2007:341, Rn. 31).


29      Diese Verpflichtung ergibt sich auch aus Art. 16 Abs. 3 Buchst. a der Habitatrichtlinie, der verlangt, dass im Bericht über die nach Abs. 1 genehmigten Ausnahmen, den die Mitgliedstaaten nach Abs. 2 dieses Artikels der Kommission vorzulegen haben, „der Grund der Ausnahme, einschließlich … gegebenenfalls der verworfenen Alternativlösungen und der benutzten wissenschaftlichen Daten“ angegeben werden.


30      Urteil vom 21. Juni 2018, Kommission/Malta (C‑557/15, EU:C:2018:477, Rn. 50 und 51). Vgl. auch Leitfaden der Kommission, S. 66, Nr. 40.


31      Die Kommission nennt als Beispiel das LIFE‑Programm in der Alpenregion (vgl. die Internetseite http://www.lifewolfalps.eu/en/anti-poaching/).


32      Außerdem weist Tapiola darauf hin, dass andere Mitgliedstaaten, nämlich die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich Schweden auf der Grundlage von Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie Ausnahmeregelungen zur Verhinderung der Wilderei ohne Tötung von Wölfen erlassen hätten. Meines Erachtens stellt die Tatsache, dass ein identisches Problem in anderen Mitgliedstaaten gegebenenfalls ohne Rückgriff auf eine Abweichung gelöst wurde, ohne für sich genommen entscheidend zu sein, ein starkes Indiz dar, dass es eine Alternativlösung zur beabsichtigten Ausnahme gibt. Vgl. in diesem Sinne entsprechend Schlussanträge von Generalanwalt Fennelly in der Rechtssache LRBPO und AVES (C‑10/96, EU:C:1996:430, Nr. 39).


33      Vgl. in diesem Sinne Leitfaden der Kommission, S. 67, Nr. 43.


34      C‑342/05, EU:C:2007:341, Rn. 27.


35      In Bezug auf das finnische Hoheitsgebiet weise ich darauf hin, dass die Art Canis lupus nur außerhalb des Rentierhaltungsareals eine streng geschützte Art von gemeinschaftlichem Interesse darstellt (vgl. Anhang IV Buchst. a der Habitatrichtlinie).


36      Leitfaden der Kommission, S. 67, Nr. 43. Vgl. auch Dokument der Expertengruppe Large Carnivore Initiative for Europe (LCIE) („Guidelines for Population Level Management Plans for Large Carnivores“, 1. Juli 2008, http://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/species/carnivores/pdf/guidelines_for_population_level_management.pdf, im Folgenden: Leitlinien der LCIE, S. 7 und 8). Dieses Dokument wurde im Auftrag der Kommission ausgearbeitet, um die besten Praktiken der Bestandspflege der großen Fleischfresser widerzuspiegeln. Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten insoweit die darin enthaltenen Leitlinien (vgl. Kommission, „Note to the Guidelines for Population Level Management Plans for Large Carnivores“, 1. Juli 2008, http://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/species/carnivores/pdf/guidelines_for_population_level_management_ec_note.pdf). Dieses Dokument ist zwar nicht verbindlich, enthält aber auch relevante Hinweise für die Auslegung der Habitatrichtlinie.


37      Leitfaden der Kommission, S. 11, Nr. 19. Nach den Leitlinien der LCIE (S. 9) können sich diese Grenzen bei einer Wolfspopulation über mehrere hundert Quadratkilometer erstrecken.


38      Vgl. Leitfaden der Kommission, S. 68, Nrn. 45 und 46, sowie Leitlinien der LCIE, S. 22. Nach Art. 1 Buchst. c Ziff. iii der Habitatrichtlinie umfasst das Gebiet der Union neun biogeografische Regionen, nämlich die alpine, die atlantische, die boreale, die kontinentale, die makaronesische, die mediterrane und die pannonische Region sowie die Schwarzmeer- und die Steppenregion. Das Dokument „Reporting Under Article 17 of the Habitats Directive – Explanatory Notes and Guidelines for the Period 2013-2018“ (Mai 2017, http://cdr.eionet.europa.eu/help/habitats_art17, S. 18) legt dar, dass, wenn sich das Gebiet eines Mitgliedstaats über mehrere biogeografische Regionen erstreckt, die Berichte über die Durchführung der Habitatrichtlinie, für die Art. 17 Abs. 1 dieser Richtlinie eine Einreichung alle sechs Jahre vorsieht, eine Bewertung auf der Ebene jeder dieser Regionen zu umfassen haben. Der Umfang der Pflicht zur Prüfung des Erhaltungszustands der Populationen der Arten von gemeinschaftlichem Interesse nach Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie spiegelt daher denjenigen der Pflichten zur Überwachung und Berichterstattung wider, die den Mitgliedstaaten gemäß Art. 17 Abs. 1 dieser Richtlinie obliegen.


39      Leitfaden der Kommission, S. 68, Nr. 46. Die Kommission spricht sich dort dafür aus, dass die Bewertung des Erhaltungszustands einer Population auf lokaler Ebene erfolge und dann der Situation in einem nationalen oder biogeografischen Rahmen gegenübergestellt werde.


40      Siehe Nr. 54 der vorliegenden Schlussanträge.


41      Siehe Nr. 95 der vorliegenden Schlussanträge.


42      Ich weise auch darauf hin, dass nach der Tabelle 4 und Anlage 1 der Leitlinien der LCIE (S. 48, 65 und 66) die auf finnischem Gebiet lebenden Wölfe Teil der Population von Karelien (Russland) sind, die die Wölfe in Finnland und in einem Teil des russischen Hoheitsgebiets umfasst. Vgl. auch Kommission, „Key actions for large carnivore populations“, 4. Februar 2015, http://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/species/carnivores/pdf/key_actions_large_carnivores_2015.pdf, S. 46. Allerdings geht aus der Vorlageentscheidung nicht hervor, dass die Behörde nachgewiesen hätte, dass sich die so definierte Population in einem günstigen Erhaltungszustand befinden würde.


43      Dies gilt erst recht wenn der fragliche Drittstaat, wie u. a. Russland, nicht Vertragspartei des am 19. September 1979 in Bern unterzeichneten Übereinkommens zur Erhaltung der europäischen freilebenden Tiere und wildwachsenden Pflanzen und ihrer natürlichen Lebensräume ist, das im Namen der Gemeinschaft mit dem Beschluss 82/72/EWG des Rates vom 3. Dezember 1981 (ABl. 1982, L 38, S. 1) abgeschlossen worden ist (im Folgenden: Berner Übereinkommen).


44      C‑342/05, EU:C:2007:341, Rn. 27.


45      Die Leitlinien der LCIE (S. 23, 26 und 27) sprechen für einen solchen Ansatz und betonen die Bedeutung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit für die Zwecke der Bestandspflege der Populationen der großen Fleischfresser. Vgl. in diesem Sinne auch Leitfaden der Kommission, S. 68, Nr. 46.


46      C‑342/05, EU:C:2007:341, Rn. 29.


47      Urteil vom 7. September 2004, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:482, Rn. 44).


48      Siehe Nr. 63 der vorliegenden Schlussanträge.


49      Vgl. hierzu Leitlinien der LCIE, S. 31.


50      Leitfaden der Kommission, S. 64, Nr. 33 (vgl. auch S. 70, Nr. 54). Vgl. auch die Leitlinien der LCIE, S. 30 und 31.


51      Vgl. Dokument „LCIE Policy Support Statement – Lethal Control and Hunting of Large Carnivores“ im Anhang zu den Leitlinien der LCIE, S. 72.


52      Siehe Nr. 21 der vorliegenden Schlussanträge.


53      Leitfaden der Kommission, S. 63, Nrn. 26 und 30.


54      Leitfaden der Kommission, S. 63, Nr. 28.


55      Vgl. Urteile vom 8. Juni 2006, WWF Italia u. a. (C‑60/05, EU:C:2006:378, Rn. 25 und 29), sowie vom 21. Juni 2018, Kommission/Malta (C‑557/15, EU:C:2018:477, Rn. 62). Der Gerichtshof hat entschieden, dass für die Prüfung der Einhaltung der Bedingung betreffend die „geringe Menge“ nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Vogelschutzrichtlinie eine Größenordnung von 1 % der jährlichen Gesamtsterblichkeitsrate oder weniger, je nachdem, ob die Art bejagt werden darf oder nicht, eine auf die verfügbaren wissenschaftlichen Arbeiten abstellende Bezugsgröße darstellt (vgl. insbesondere Urteile vom 15. Dezember 2005, Kommission/Finnland, C‑344/03, EU:C:2005:770, Rn. 53 und 54, sowie vom 21. Juni 2018, Kommission/Malta, C‑557/15, EU:C:2018:477, Rn. 63 bis 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).


56      Leitfaden der Kommission, S. 64, Nr. 32.


57      Vgl. in diesem Sinne auch die am 2. Dezember 2011 erlassene Entschließung Nr. 2 (1993) zur Tragweite der Art. 8 und 9 des Übereinkommens über die Erhaltung der europäischen wild lebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume (T‑PVS [2011], S. 36), S. 38. Diese Entschließung stellt eine Auslegungshilfe zum Berner Übereinkommen dar. Da sich die Habitatrichtlinie großteils an diesem Übereinkommen orientiert (vgl. dazu Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zum Schutz der natürlichen und naturnahen Lebensräume sowie der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten und zu den ergänzenden Anlagen [ABl. 1991, C 31, S. 1, Nr. 1.2] sowie Leitfaden der Kommission, S. 7 und 8, Nrn. 7 und 8), kann diese Entschließung und insbesondere ihr Anhang den Gerichtshof bei der Auslegung dieser Richtlinie anleiten.


58      Insoweit bezieht sich nach dem Leitfaden zu den Jagdbestimmungen der Vogelschutzrichtlinie (2008, http://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/wildbirds/hunting/docs/hunting_guide_de.pdf, S. 72) die Bedingung der Selektivität nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie auf die Art oder sogar Unterart, das Geschlecht oder die von der Ausnahmeregelung betroffene Altersklasse.


59      Dies gilt unbeschadet des grundsätzlichen Erfordernisses, spezifisch auf das Probleme bereitende Exemplar abzuzielen, wenn die Ausnahmeregelung darauf abzielt, bestimmte Schäden zu verhindern, auf das die dänische Regierung und die Kommission hingewiesen haben. Diese Anforderung ergibt sich jedoch bereits aus der Bedingung betreffend das Fehlen einer anderen zufriedenstellenden Lösung (insbesondere im Rahmen des Eignungstests, wie er in den Nrn. 68 und 69 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt worden ist).


60      Nach Auffassung der Kommission erfordert es die für das Gleichgewicht des Rudels vorrangige Rolle der sich fortpflanzenden Wolfsexemplare, dass diese erhalten werden. Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Kommission/Finnland (C‑342/05, EU:C:2006:752‚ Nr. 49).


61      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juni 2006, WWF Italia u. a. (C‑60/05, EU:C:2006:378, Rn. 47).


62      Leitfaden der Kommission, S. 63, Nr. 31.


63      Diese Verpflichtung geht auch aus Art. 16 Abs. 3 Buchst. d und e der Habitatrichtlinie hervor, nach dem in den Berichten der Mitgliedstaaten nach Abs. 2 dieses Artikels „die Behörde, die befugt ist, zu erklären, dass die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind“ sowie „die angewandten Kontrollmaßnahmen und die erzielten Ergebnisse“ anzugeben sind. Vgl. außerdem Leitfaden der Kommission, S. 72, Nr. 59.


64      Siehe Nr. 66 der vorliegenden Schlussanträge.