Language of document : ECLI:EU:C:2016:861

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

10. November 2016(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Eilvorabentscheidungsverfahren – Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Europäischer Haftbefehl – Rahmenbeschluss 2002/584/JI – Art. 1 Abs. 1 – Begriff ‚justizielle Entscheidung‘ – Art. 6 Abs. 1 – Begriff ‚ausstellende Justizbehörde‘ – Vom Justizministerium der Republik Litauen zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ausgestellter Europäischer Haftbefehl“

In der Rechtssache C‑477/16 PPU

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam, Niederlande) mit Entscheidung vom 2. September 2016, beim Gerichtshof eingegangen am selben Tag, in einem Verfahren betreffend die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gegen

Ruslanas Kovalkovas

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter E. Juhász und C. Vajda, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) und des Richters C. Lycourgos,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 111 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vom schriftlichen Verfahren abzusehen, und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Oktober 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman, H. Stergiou und B. Koopman als Bevollmächtigte,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, M. Hellmann, J. Möller und R. Riegel als Bevollmächtigte,

–        der hellenischen Regierung, vertreten durch E. Tsaousi als Bevollmächtigte,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten,

–        der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, U. Persson, N. Otte Widgren, H. Shev und F. Bergius als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Troosters und S. Grünheid als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Oktober 2016

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. 2002, L 190, S. 1) in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 (ABl. 2009, L 81, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenbeschluss).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen der in den Niederlanden erfolgenden Vollstreckung eines vom Justizministerium der Republik Litauen (im Folgenden: litauisches Justizministerium) gegen Herrn Ruslanas Kovalkovas erlassenen Europäischen Haftbefehls zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe in Litauen.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Die Erwägungsgründe 5 bis 9 des Rahmenbeschlusses lauten:

„(5)      Aus dem der Union gesetzten Ziel, sich zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu entwickeln, ergibt sich die Abschaffung der Auslieferung zwischen Mitgliedstaaten und deren Ersetzung durch ein System der Übergabe zwischen Justizbehörden. Die Einführung eines neuen, vereinfachten Systems der Übergabe von Personen, die einer Straftat verdächtigt werden oder wegen einer Straftat verurteilt worden sind, für die Zwecke der strafrechtlichen Verfolgung oder der Vollstreckung strafrechtlicher Urteile ermöglicht zudem die Beseitigung der Komplexität und der Verzögerungsrisiken, die den derzeitigen Auslieferungsverfahren innewohnen. Die bislang von klassischer Kooperation geprägten Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten sind durch ein System des freien Verkehrs strafrechtlicher justizieller Entscheidungen – und zwar sowohl in der Phase vor der Urteilsverkündung als auch in der Phase danach – innerhalb des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu ersetzen.

(6)      Der Europäische Haftbefehl im Sinne des vorliegenden Rahmenbeschlusses stellt im strafrechtlichen Bereich die erste konkrete Verwirklichung des vom Europäischen Rat als ‚Eckstein‘ der justiziellen Zusammenarbeit qualifizierten Prinzips der gegenseitigen Anerkennung dar.

(7)      Da das Ziel der Ersetzung des auf dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 beruhenden multilateralen Auslieferungssystems von den Mitgliedstaaten durch einseitiges Vorgehen nicht ausreichend erreicht werden kann und daher wegen seines Umfangs und seiner Wirkungen besser auf Unionsebene zu erreichen ist, kann der Rat gemäß dem Subsidiaritätsprinzip nach Artikel 2 [EU] und Artikel 5 [EG] Maßnahmen erlassen. Entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nach dem letztgenannten Artikel geht der vorliegende Rahmenbeschluss nicht über das für die Erreichung des genannten Ziels erforderliche Maß hinaus.

(8)      Entscheidungen zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls müssen ausreichender Kontrolle unterliegen; dies bedeutet, dass eine Justizbehörde des Mitgliedstaats, in dem die gesuchte Person festgenommen wurde, die Entscheidung zur Übergabe dieser Person treffen muss.

(9)      Die Rolle der Zentralbehörden bei der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls muss sich auf praktische und administrative Unterstützung beschränken.“

4        Art. 1 („Definition des Europäischen Haftbefehls und Verpflichtung zu seiner Vollstreckung“) des Rahmenbeschlusses sieht vor:

„(1)      Bei dem Europäischen Haftbefehl handelt es sich um eine justizielle Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat ergangen ist und die Festnahme und Übergabe einer gesuchten Person durch einen anderen Mitgliedstaat zur Strafverfolgung oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung bezweckt.

(2)      Die Mitgliedstaaten vollstrecken jeden Europäischen Haftbefehl nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und gemäß den Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses.

…“

5        Die Art. 3, 4 und 4a des Rahmenbeschlusses enthalten die Gründe, aus denen die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls abzulehnen ist oder abgelehnt werden kann. Art. 5 des Rahmenbeschlusses betrifft die vom Ausstellungsmitgliedstaat in bestimmten Fällen zu gewährenden Garantien.

6        Art. 6 („Bestimmung der zuständigen Behörden“) des Rahmenbeschlusses lautet:

„(1)      Ausstellende Justizbehörde ist die Justizbehörde des Ausstellungsmitgliedstaats, die nach dem Recht dieses Staats für die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls zuständig ist.

(2)      Vollstreckende Justizbehörde ist die Justizbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats, die nach dem Recht dieses Staats zuständig für die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls ist.

(3)      Jeder Mitgliedstaat unterrichtet das Generalsekretariat des Rates über die nach seinem Recht zuständige Justizbehörde.“

7        Art. 7 („Beteiligung der zentralen Behörde“) des Rahmenbeschlusses lautet:

„(1)      Jeder Mitgliedstaat kann eine oder, sofern es seine Rechtsordnung vorsieht, mehrere zentrale Behörden zur Unterstützung der zuständigen Justizbehörden benennen.

(2)      Ein Mitgliedstaat kann, wenn sich dies aufgrund des Aufbaus seines Justizsystems als erforderlich erweist, seine zentrale(n) Behörde(n) mit der administrativen Übermittlung und Entgegennahme der Europäischen Haftbefehle sowie des gesamten übrigen sie betreffenden amtlichen Schriftverkehrs betrauen.

Ein Mitgliedstaat, der von den in diesem Artikel vorgesehenen Möglichkeiten Gebrauch machen möchte, übermittelt dem Generalsekretariat des Rates die Angaben über die von ihm benannte(n) zentrale(n) Behörde(n). Diese Angaben sind für alle Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats verbindlich.“

 Niederländisches Recht

8        Mit der Overleveringswet (Übergabegesetz) wird der Rahmenbeschluss in niederländisches Recht umgesetzt. In Art. 1 dieses Gesetzes heißt es:

„In diesem Gesetz ist zu verstehen unter

b.      Europäischer Haftbefehl: die schriftlich festgehaltene Entscheidung einer Justizbehörde eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, die die Festnahme und Übergabe einer Person durch die Justizbehörde eines anderen Mitgliedstaats bezweckt;

i)      ausstellende Justizbehörde: die nach nationalem Recht für die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls zuständige Justizbehörde eines Mitgliedstaats der Europäischen Union;

…“

9        Art. 5 der Overleveringswet lautet:

„Die Übergabe erfolgt ausschließlich an die ausstellenden Justizbehörden anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und unter Beachtung der Bestimmungen, die dieses Gesetz enthält oder die auf ihm beruhen.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

10      Am 13. Februar 2012 verurteilte das Jonavos apylinkės teismas (Bezirksgericht Jonava, Litauen) Herrn Kovalkovas, einen litauischen Staatsangehörigen, wegen schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Im August 2013 erließ das litauische Justizministerium gegen Herrn Kovalkovas einen Europäischen Haftbefehl zum Zweck der Vollstreckung seiner verbleibenden Reststrafe von drei Jahren, elf Monaten und fünf Tagen in Litauen.

11      Die Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam, Niederlande) ist als vollstreckende Justizbehörde dieses Europäischen Haftbefehls mit der Festnahme von Herrn Kovalkovas und seiner Übergabe an die litauischen Behörden befasst worden.

12      Angesichts der Angaben in einem Gutachten des Rates vom 14. Dezember 2007 über die nationale Praxis in Bezug auf den Europäischen Haftbefehl (Gutachten im Rahmen der Vierten Runde der gegenseitigen Begutachtungen – „Praktische Anwendung des Europäischen Haftbefehls und der entsprechenden Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten“: Bericht über Litauen [12399/2/07 REV 2]) hat dieses Gericht Zweifel daran, ob bei einem von einer Behörde wie dem litauischen Justizministerium ausgestellten Europäischen Haftbefehl davon auszugehen ist, dass er von einer „Justizbehörde“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses ausgestellt wurde, und ob es sich bei einem solchen Haftbefehl infolgedessen um eine „justizielle Entscheidung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses handelt.

13      Insoweit möchte das Gericht wissen, ob die Begriffe „justizielle Entscheidung“ und „Justizbehörde“ im Sinne des Rahmenbeschlusses dahin auszulegen sind, dass es sich um autonome Begriffe des Unionsrechts handelt, oder ob es den Mitgliedstaaten freisteht, ihre Bedeutung und Tragweite festzulegen.

14      Sollte es sich um Begriffe handeln, für die das nationale Recht der Mitgliedstaaten maßgebend sei, könnten im Licht insbesondere der Erwägungsgründe 5, 6 und 9 des Rahmenbeschlusses Zweifel daran bestehen, ob die Entscheidung der Republik Litauen, das litauische Justizministerium als „ausstellende Justizbehörde“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses zu bestimmen, mit dem Rahmenbeschluss vereinbar sei, weil diese Entscheidung dessen Ziel zuwiderlaufen könnte, die Auslieferungsverfahren zu „entpolitisieren“.

15      Sollten die Begriffe als autonome Begriffe des Unionsrechts anzusehen sein, würden sie nach Ansicht des vorlegenden Gerichts, das auf Rn. 56 des Urteils vom 1. Juni 2016, Bob-Dogi (C‑241/15, EU:C:2016:385), verweist, implizieren, dass der Europäische Haftbefehl von einer Behörde erlassen wird, deren Status und Zuständigkeiten es ihr ermöglichen, im Stadium der Ausstellung des Europäischen Haftbefehls hinreichenden justiziellen Schutz zu bieten. Nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, auf dem der Rahmenbeschluss beruhe, sei es grundsätzlich ausgeschlossen, dass der Europäische Haftbefehl von einem Ministerium eines Mitgliedstaats ausgestellt werden könne. Dabei könnte es unerheblich sein, dass dem Europäischen Haftbefehl eine Entscheidung eines Gerichts dieses Mitgliedstaats zugrunde liege.

16      Ein von einem Ministerium ausgestellter Europäischer Haftbefehl könnte als von einer „Justizbehörde“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses ausgestellt angesehen werden, wenn er ausschließlich auf Ersuchen des Gerichts ausgestellt werde, von dem das Urteil stamme und das zu dessen Vollstreckung den Erlass eines Europäischen Haftbefehls für angebracht gehalten habe.

17      Unter diesen Umständen hat die Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Stellen die Ausdrücke „Justizbehörde“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses und „justizielle Entscheidung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses autonome Begriffe des Unionsrechts dar?

2.      Wenn die erste Frage bejaht wird: Anhand welcher Kriterien kann festgestellt werden, ob eine Behörde des Ausstellungsmitgliedstaats eine solche „Justizbehörde“ ist und der von ihr erlassene Europäische Haftbefehl infolgedessen eine solche „justizielle Entscheidung“ ist?

3.      Wenn die erste Frage bejaht wird: Fällt das litauische Justizministerium unter den Begriff „Justizbehörde“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses, und ist der von dieser Behörde erlassene Europäische Haftbefehl infolgedessen eine „justizielle Entscheidung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses?

4.      Wenn die erste Frage verneint wird: Steht die Benennung einer Behörde wie des litauischen Justizministeriums als ausstellende Justizbehörde im Einklang mit dem Unionsrecht?

 Zum Eilverfahren

18      Das vorlegende Gericht hat die Anwendung des in Art. 107 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vorgesehenen Eilvorabentscheidungsverfahrens beantragt.

19      Zur Stützung dieses Antrags macht es insbesondere geltend, dass Herr Kovalkovas derzeit, bis zu seiner tatsächlichen Übergabe an die litauischen Behörden, seiner Freiheit beraubt sei.

20      Erstens ist festzustellen, dass das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen die Auslegung des Rahmenbeschlusses betrifft, der zu den von Titel V („Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“) des Dritten Teils des AEU-Vertrags erfassten Bereichen gehört. Es kommt daher für ein Eilvorabentscheidungsverfahren in Betracht.

21      Zweitens ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu berücksichtigen, dass die Person, um die es im Ausgangsverfahren geht, derzeit ihrer Freiheit beraubt ist und dass ihre weitere Inhaftierung von der Entscheidung des Ausgangsverfahrens abhängt (Urteil vom 16. Juli 2015, Lanigan, C‑237/15 PPU, EU:C:2015:474, Rn. 24). Die Inhaftnahme von Herrn Kovalkovas wurde nämlich nach den Angaben des vorlegenden Gerichts im Rahmen der Vollstreckung des gegen ihn erlassenen Europäischen Haftbefehls angeordnet.

22      Unter diesen Umständen hat die Vierte Kammer des Gerichtshofs am 12. September 2016 auf Vorschlag der Berichterstatterin und nach Anhörung des Generalanwalts entschieden, dem Antrag des vorlegenden Gerichts stattzugeben und das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen dem Eilvorabentscheidungsverfahren zu unterwerfen.

23      Überdies ist entschieden worden, gemäß Art. 111 der Verfahrensordnung von dem in ihrem Art. 109 Abs. 2 vorgesehenen schriftlichen Verfahren abzusehen.

 Zu den Vorlagefragen

 Zu den ersten drei Fragen

24      Mit seinen ersten drei Fragen, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff „Justizbehörde“ in Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses ein autonomer Begriff des Unionsrechts ist und ob Art. 6 Abs. 1 dahin auszulegen ist, dass ein Exekutivorgan wie das litauische Justizministerium unter den Begriff „ausstellende Justizbehörde“ im Sinne dieser Vorschrift fällt, so dass ein von ihm zur Vollstreckung eines Urteils, mit dem eine Freiheitsstrafe verhängt wird, ausgestellter Europäischer Haftbefehl als „justizielle Entscheidung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses angesehen werden kann.

25      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass mit dem Rahmenbeschluss, wie sich insbesondere aus seinem Art. 1 Abs. 1 und 2 sowie seinen Erwägungsgründen 5 und 7 ergibt, das auf dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 beruhende multilaterale Auslieferungssystem durch ein auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruhendes System der Übergabe verurteilter oder verdächtiger Personen zwischen Justizbehörden zur Vollstreckung von Urteilen oder zur Strafverfolgung ersetzt werden soll (Urteil vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru, C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Der Rahmenbeschluss ist daher darauf gerichtet, durch die Einführung eines neuen vereinfachten und wirksameren Systems der Übergabe von Personen, die wegen einer Straftat verurteilt worden sind oder einer Straftat verdächtigt werden, die justizielle Zusammenarbeit zu erleichtern und zu beschleunigen, um zur Verwirklichung des der Union gesteckten Ziels beizutragen, zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu werden, und setzt ein hohes Maß an Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten voraus (Urteil vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru, C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Sowohl der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten als auch der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung haben im Unionsrecht fundamentale Bedeutung, da sie die Schaffung und Aufrechterhaltung eines Raums ohne Binnengrenzen ermöglichen. Konkret verlangt der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, namentlich in Bezug auf den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, von jedem Mitgliedstaat, dass er, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, davon ausgeht, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten (Urteil vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru, C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, der den „Eckstein“ der justiziellen Zusammenarbeit bildet, bedeutet nach Art. 1 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses, dass die Mitgliedstaaten grundsätzlich verpflichtet sind, einem Europäischen Haftbefehl Folge zu leisten. Die Ablehnung der Vollstreckung eines solchen Haftbefehls durch die vollstreckende Justizbehörde ist nämlich nur in den abschließend aufgezählten Fällen möglich, in denen sie nach Art. 3 des Rahmenbeschlusses abzulehnen ist oder nach den Art. 4 und 4a des Rahmenbeschlusses abgelehnt werden kann. Außerdem kann die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls nur an eine der in Art. 5 des Rahmenbeschlusses erschöpfend aufgeführten Bedingungen geknüpft werden (Urteil vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru, C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 79 und 80 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Nur Europäische Haftbefehle im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses sind jedoch gemäß dessen Vorschriften zu vollstrecken. Aus Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses geht hervor, dass es sich bei dem Europäischen Haftbefehl um eine „justizielle Entscheidung“ handelt; dies setzt voraus, dass er von einer „Justizbehörde“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses ausgestellt wird.

30      Nach der letztgenannten Vorschrift ist ausstellende Justizbehörde die Justizbehörde des Ausstellungsmitgliedstaats, die nach dem Recht dieses Staates für die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls zuständig ist.

31      Zwar verweist Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses, im Einklang mit dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, auf deren Recht, doch beschränkt sich diese Verweisung auf die Bestimmung der für die Ausstellung des Europäischen Haftbefehls zuständigen Justizbehörde. Sie betrifft mithin nicht die Definition des Begriffs „Justizbehörde“ als solche.

32      Unter diesen Umständen können Bedeutung und Tragweite des Begriffs „Justizbehörde“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses nicht der Beurteilung durch jeden Mitgliedstaat überlassen bleiben (vgl. entsprechend Urteile vom 17. Juli 2008, Kozłowski, C‑66/08, EU:C:2008:437, Rn. 43, und vom 16. November 2010, Mantello, C‑261/09, EU:C:2010:683, Rn. 38).

33      Folglich bedarf der Begriff „Justizbehörde“ in Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses in der gesamten Union einer autonomen und einheitlichen Auslegung, die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs unter Berücksichtigung sowohl des Wortlauts dieser Vorschrift als auch des Kontexts, in den sie sich einfügt, und des mit dem Rahmenbeschluss verfolgten Ziels zu ermitteln ist (vgl. entsprechend Urteil vom 28. Juli 2016, JZ, C‑294/16 PPU, EU:C:2016:610, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Dabei ist zum Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses festzustellen, dass sich der darin verwendete Begriff „Justizbehörde“ nicht allein auf die Richter oder Gerichte eines Mitgliedstaats beschränkt, sondern darüber hinaus die Behörden erfasst, die in der betreffenden Rechtsordnung zur Mitwirkung bei der Rechtspflege berufen sind (Urteil vom heutigen Tag, Poltorak, C‑452/16 PPU, Rn. 33).

35      Gleichwohl ist festzustellen, dass der Begriff „Justizbehörde“ in der genannten Vorschrift nicht dahin ausgelegt werden kann, dass es möglich wäre, ihn auch auf ein Exekutivorgan eines Mitgliedstaats wie ein Ministerium zu erstrecken.

36      Erstens erfasst der Begriff „Justiz“ in seiner gewöhnlichen Bedeutung nicht die Ministerien der Mitgliedstaaten. Er bezieht sich nämlich auf die Judikative, die, wie der Generalanwalt in Nr. 34 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nach dem für einen Rechtsstaat kennzeichnenden Grundsatz der Gewaltenteilung von der Exekutive zu trennen ist. Daher werden unter den Justizbehörden herkömmlich die an der Rechtspflege mitwirkenden Behörden verstanden, im Unterschied insbesondere zu Ministerien oder anderen Regierungsstellen, die zur Exekutive gehören.

37      Zweitens beruht der Rahmenbeschluss auf dem Grundsatz, dass die den Europäischen Haftbefehl betreffenden Entscheidungen in den Genuss aller für derartige Entscheidungen gebotenen Garantien kommen, insbesondere derjenigen, die sich aus den in Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses angesprochenen Grundrechten und allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben. Dies bedeutet, dass nicht nur die Entscheidung über die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls, sondern auch die Entscheidung über seine Ausstellung von einer Justizbehörde zu treffen ist, damit das gesamte im Rahmenbeschluss vorgesehene Verfahren der Übergabe zwischen Mitgliedstaaten unter justizieller Kontrolle stattfindet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Mai 2013, F., C‑168/13 PPU, EU:C:2013:358, Rn. 39, 45 und 46).

38      In diesem Kontext ermächtigt Art. 7 des Rahmenbeschlusses die Mitgliedstaaten, unter den dort genannten Voraussetzungen und wenn sich dies aufgrund des Aufbaus ihrer Justizsysteme als erforderlich erweist, eine zentrale Behörde, die keine Justizbehörde ist, mit der Übermittlung und Entgegennahme der Europäischen Haftbefehle zu betrauen.

39      Auch wenn ein Ministerium eines Mitgliedstaats unter den Begriff „zentrale Behörde“ im Sinne von Art. 7 des Rahmenbeschlusses fallen kann, geht jedoch aus diesem Artikel im Licht des neunten Erwägungsgrundes des Rahmenbeschlusses hervor, dass das Tätigwerden einer solchen zentralen Behörde auf die praktische und administrative Unterstützung der zuständigen Justizbehörden beschränkt bleibt. Die durch Art. 7 gebotene Möglichkeit kann sich somit nicht darauf erstrecken, dass die Mitgliedstaaten die Entscheidung über die Ausstellung des Europäischen Haftbefehls statt den zuständigen Justizbehörden der zentralen Behörde übertragen dürfen.

40      Drittens würde es den in den Rn. 25 bis 28 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Zielen des Rahmenbeschlusses zuwiderlaufen, wenn ein Exekutivorgan zur „ausstellenden Justizbehörde“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses bestimmt würde.

41      Mit dem Rahmenbeschluss soll nämlich ein vereinfachtes System der unmittelbaren Übergabe zwischen Justizbehörden geschaffen werden, das an die Stelle eines mit einem Eingriff und einer Beurteilung durch die politische Gewalt verbundenen Systems der klassischen Kooperation zwischen souveränen Staaten treten soll, um im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts den freien Verkehr strafrechtlicher justizieller Entscheidungen sicherzustellen.

42      Die Bestimmung eines Exekutivorgans wie des litauischen Justizministeriums zu der für die Ausstellung des Europäischen Haftbefehls zuständigen Behörde würde aber darauf hinauslaufen, der Exekutive die Entscheidungsbefugnis im Verfahren zur Übergabe gesuchter Personen einzuräumen, was durch den Rahmenbeschluss gerade ausgeschlossen werden soll.

43      Außerdem beruht der in Art. 1 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses verankerte Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, wonach die vollstreckende Justizbehörde den von der ausstellenden Justizbehörde erlassenen Haftbefehl zu vollstrecken hat, auf der Prämisse, dass vor der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls eine Justizbehörde zur Ausübung einer justiziellen Kontrolle tätig geworden ist.

44      Wird ein Europäischer Haftbefehl von einer zur Exekutive gehörenden Stelle wie dem litauischen Justizministerium ausgestellt, besteht aber für die vollstreckende Justizbehörde nicht die Gewissheit, dass die Ausstellung dieses Haftbefehls einer solchen justiziellen Kontrolle unterlag, so dass keine ausreichende Rechtfertigung für das in Rn. 26 des vorliegenden Urteils erwähnte hohe Maß an Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten besteht, das die tragende Grundlage des Rahmenbeschlusses darstellt.

45      Daher ist der Begriff „Justizbehörde“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses dahin auszulegen, dass ein Ministerium eines Mitgliedstaats wie das litauische Justizministerium nicht unter diesen Begriff fallen kann, so dass ein von ihm zur Vollstreckung eines Urteils, mit dem eine Freiheitsstrafe verhängt wird, ausgestellter Europäischer Haftbefehl nicht als „justizielle Entscheidung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses angesehen werden kann.

46      Diese Auslegung wird schließlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass das litauische Justizministerium nach den von der litauischen Regierung in ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs gemachten Angaben nur im engen Rahmen der Vollstreckung eines rechtskräftigen, von einem Gericht am Ende eines gerichtlichen Verfahrens erlassenen Urteils und nur auf Ersuchen eines Gerichts tätig wird.

47      Aus den von der litauischen Regierung in ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs gelieferten Informationen ergibt sich nämlich, dass die Entscheidung über die Ausstellung des Europäischen Haftbefehls letztlich vom litauischen Justizministerium getroffen wird und nicht von dem Gericht, das die dem Europäischen Haftbefehl zugrunde liegende Freiheitsstrafe verhängt hat. Das Ministerium überprüft die Einhaltung der für die Ausstellung erforderlichen Voraussetzungen und verfügt auch über ein Ermessen in Bezug auf deren Verhältnismäßigkeit.

48      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auf die ersten drei Fragen zu antworten, dass der Begriff „Justizbehörde“ in Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses ein autonomer Begriff des Unionsrechts ist und dass Art. 6 Abs. 1 dahin auszulegen ist, dass ein Exekutivorgan wie das litauische Justizministerium nicht zur „ausstellenden Justizbehörde“ im Sinne dieser Vorschrift bestimmt werden darf, so dass ein von ihm zur Vollstreckung eines Urteils, mit dem eine Freiheitsstrafe verhängt wird, ausgestellter Europäischer Haftbefehl nicht als „justizielle Entscheidung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses angesehen werden kann.

 Zur vierten Frage

49      In Anbetracht der Antworten auf die ersten drei Fragen ist die vierte Frage nicht zu beantworten.

 Zur zeitlichen Begrenzung der Wirkungen des vorliegenden Urteils

50      Die litauische Regierung sowie, in der mündlichen Verhandlung, die niederländische Regierung und die Europäische Kommission haben den Gerichtshof ersucht, die Wirkungen des vorliegenden Urteils zeitlich zu begrenzen, falls er entscheiden sollte, dass ein Exekutivorgan wie das litauische Justizministerium nicht unter den Begriff „Justizbehörde“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses fällt. Sie haben im Wesentlichen mögliche Folgen des vorliegenden Urteils für die Rechtssachen angeführt, in denen ein Europäischer Haftbefehl von einer Behörde ausgestellt wurde, die keine „Justizbehörde“ im Sinne dieser Vorschrift ist.

51      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung durch die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung seiner Befugnisse aus Art. 267 AEUV vornimmt, erläutert und verdeutlicht wird, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, dass die Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse anwenden können und müssen, die vor dem Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorliegen (Urteil vom 17. September 2014, Liivimaa Lihaveis, C‑562/12, EU:C:2014:2229, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Nur ganz ausnahmsweise kann sich der Gerichtshof aufgrund des allgemeinen der Unionsrechtsordnung innewohnenden Grundsatzes der Rechtssicherheit veranlasst sehen, die für alle Betroffenen bestehende Möglichkeit zu beschränken, sich auf eine von ihm ausgelegte Vorschrift zu berufen, um in gutem Glauben begründete Rechtsbeziehungen in Frage zu stellen. Eine solche Beschränkung ist nur dann zulässig, wenn zwei grundlegende Kriterien erfüllt sind, nämlich guter Glaube der Betroffenen und die Gefahr schwerwiegender Störungen (Urteile vom 27. Februar 2014, Transportes Jordi Besora, C‑82/12, EU:C:2014:108, Rn. 41, sowie vom 22. September 2016, Microsoft Mobile Sales International u. a., C‑110/15, EU:C:2016:717, Rn. 60).

53      Im vorliegenden Fall geht insbesondere aus dem in Rn. 12 des vorliegenden Urteils erwähnten Bericht des Rates vom 14. Dezember 2007 hervor, dass der Rat in der Vergangenheit gerügt hat, dass die Ausstellung Europäischer Haftbefehle durch das litauische Justizministerium mit dem Erfordernis der Bestimmung einer „Justizbehörde“ unvereinbar sei. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Republik Litauen zu einem mit dem Unionsrecht unvereinbaren Verhalten veranlasst wurde, weil eine objektive, bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Vorschriften des Unionsrechts bestand.

54      Daher sind die Wirkungen des vorliegenden Urteils nicht zeitlich zu begrenzen.

 Kosten

55      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Der Begriff „Justizbehörde“ in Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung ist ein autonomer Begriff des Unionsrechts; Art. 6 Abs. 1 ist dahin auszulegen, dass ein Exekutivorgan wie das litauische Justizministerium nicht zur „ausstellenden Justizbehörde“ im Sinne dieser Vorschrift bestimmt werden darf, so dass ein von ihm zur Vollstreckung eines Urteils, mit dem eine Freiheitsstrafe verhängt wird, ausgestellter Europäischer Haftbefehl nicht als „justizielle Entscheidung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299 geänderten Fassung angesehen werden kann.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Niederländisch.