Language of document : ECLI:EU:C:2016:840

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

9. November 2016(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 1999/44/EG – Verbrauchsgüterkauf und Garantien für Verbrauchsgüter – Geltungsbereich – Begriff ‚Verkäufer‘ – Zwischenperson – Außergewöhnliche Umstände“

In der Rechtssache C‑149/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d’appel de Liège (Berufungsgericht Lüttich, Belgien) mit Entscheidung vom 16. März 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 30. März 2015, in dem Verfahren

Sabrina Wathelet

gegen

Garage Bietheres & Fils SPRL

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, der Richterin M. Berger (Berichterstatterin) sowie der Richter A. Borg Barthet, E. Levits und F. Biltgen,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der belgischen Regierung, vertreten durch J. Van Holm und J.‑C. Halleux als Bevollmächtigte,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Roussanov und G. Goddin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. April 2016

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. 1999, L 171, S. 12).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Sabrina Wathelet und der Garage Bietheres & Fils SPRL (im Folgenden: Werkstatt Bietheres) über den Verkauf eines Gebrauchtwagens.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Der neunte Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/44 lautet:

„Der Verkäufer muss dem Verbraucher gegenüber unmittelbar für die Vertragsmäßigkeit der Güter haften. Dieser klassische Grundsatz ist in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten verankert. Der Verkäufer muss allerdings nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts den Hersteller, einen früheren Verkäufer innerhalb derselben Vertragskette oder eine andere Zwischenperson in Regress nehmen können, es sei denn, dass er auf dieses Recht verzichtet hat. Diese Richtlinie berührt nicht den Grundsatz der Vertragsfreiheit in den Beziehungen zwischen dem Verkäufer, dem Hersteller, einem früheren Verkäufer oder einer anderen Zwischenperson. Die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bestimmen, gegen wen und wie der Verkäufer Regress nehmen kann.“

4        Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 1999/44 sieht vor:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter zur Gewährleistung eines einheitlichen Verbraucherschutz-Mindestniveaus im Rahmen des Binnenmarkts.“

5        Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 1999/44 definiert den Begriff „Verkäufer“ als „jede natürliche oder juristische Person, die aufgrund eines Vertrags im Rahmen ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit Verbrauchsgüter verkauft“.

6        Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 1999/44 bestimmt:

„Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Verbraucher dem Kaufvertrag gemäße Güter zu liefern.“

7        Art. 4 („Rückgriffsrechte“) dieser Richtlinie sieht vor:

„Haftet der Letztverkäufer dem Verbraucher aufgrund einer Vertragswidrigkeit infolge eines Handelns oder Unterlassens des Herstellers, eines früheren Verkäufers innerhalb derselben Vertragskette oder einer anderen Zwischenperson, so kann der Letztverkäufer den oder die Haftenden innerhalb der Vertragskette in Regress nehmen. Das innerstaatliche Recht bestimmt den oder die Haftenden, den oder die der Letztverkäufer in Regress nehmen kann, sowie das entsprechende Vorgehen und die Modalitäten.“

8        Art. 8 („Innerstaatliches Recht und Mindestschutz“) der Richtlinie 1999/44 lautet:

„(1)      Andere Ansprüche, die der Verbraucher aufgrund innerstaatlicher Rechtsvorschriften über die vertragliche oder außervertragliche Haftung geltend machen kann, werden durch die aufgrund dieser Richtlinie gewährten Rechte nicht berührt.

(2)      Die Mitgliedstaaten können in dem unter diese Richtlinie fallenden Bereich mit dem Vertrag in Einklang stehende strengere Bestimmungen erlassen oder aufrechterhalten, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen.“

 Belgisches Recht

9        Art. 1649bis des Code civil (Zivilgesetzbuch) bestimmt:

„§ 1 – Vorliegender Abschnitt ist auf den Verkauf von Verbrauchsgütern durch Verkäufer an Verbraucher anwendbar.

§ 2 – Für die Anwendung des vorliegenden Abschnitts versteht man unter:

2. ‚Verkäufern‘: natürliche oder juristische Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit Verbrauchsgüter verkaufen“.

 Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage

10      Im April 2012 kaufte Frau Wathelet als Verbraucherin bei der Werkstatt Bietheres einen Gebrauchtwagen. Den Kaufpreis von 4 000 Euro zahlte sie an die Werkstatt. Diese übergab ihr jedoch weder eine Quittung noch einen Zahlungsbeleg noch eine Verkaufsrechnung.

11      Die Werkstatt Bietheres führte das Fahrzeug auf eigene Kosten bei der technischen Überwachung vor und beantragte bei der zuständigen belgischen Behörde die Zulassung, deren Kosten von Frau Wathelet übernommen wurden.

12      Im Juli 2012 hatte das Fahrzeug eine Panne und wurde von Frau Wathelet, die noch immer keine Rechnung erhalten hatte, zur Reparatur in die Werkstatt Bietheres gebracht. Diese stellte einen Motorschaden fest.

13      Als Frau Wathelet ihr repariertes Fahrzeug abholen wollte, wurde ihr eine Reparaturrechnung über 2 000 Euro vorgelegt. Sie verweigerte die Bezahlung mit der Begründung, dass diese Kosten von der Werkstatt Bietheres als Verkäuferin des Fahrzeugs zu tragen seien.

14      Bei dieser Gelegenheit wurde Frau Wathelet mitgeteilt, dass das Fahrzeug niemals der Werkstatt gehört habe und diese es nicht für eigene Rechnung, sondern für Rechnung von Frau Donckels, einer Privatperson, verkauft habe. Die Werkstatt Bietheres sei lediglich als Vermittlerin aufgetreten.

15      Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts hatte Frau Donckels nicht den gesamten Verkaufspreis erhalten, weil die Werkstatt Bietheres 800 Euro für Reparaturen zurückbehalten hatte, durch die das Fahrzeug verkaufsfertig gemacht werden sollte.

16      Mit Schreiben an Frau Wathelet vom 17. November 2012 bekräftigte die Werkstatt Bietheres ihre Rolle als Vermittlerin beim fraglichen Verkauf. Ferner machte sie geltend, der Motorschaden sei ein normales Risiko im Rahmen des Kaufs eines Gebrauchtwagens unter Privatleuten. Sie weigere sich daher weiterhin, das Fahrzeug an Frau Wathelet herauszugeben, solange die Reparaturrechnung nicht zur Gänze bezahlt sei. Die Werkstatt Bietheres legte diesem Schreiben eine Quittung über den Betrag von 4 000 Euro bei, in die handschriftlich jeweils der Vor- und Nachname der nicht gewerblichen Eigentümerin und der Käuferin, Frau Wathelet, eingefügt worden war. Dieses Dokument weist allerdings lediglich die Unterschrift von Frau Donckels auf.

17      Im Dezember 2012 erhob die Werkstatt Bietheres gegen Frau Wathelet beim Tribunal de première instance de Verviers (erstinstanzliches Gericht Verviers, Belgien) Klage auf Zahlung der Reparaturrechnung in Höhe von 2 000 Euro zuzüglich der gesetzlichen Zinsen.

18      Mit Anträgen, die sie bei der Geschäftsstelle dieses Gerichts einreichte, erhob Frau Wathelet eine Widerklage, mit der sie die Auflösung des Kaufvertrags, die Rückzahlung des Betrags von 4 000 Euro zuzüglich Zinsen und die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2 147,46 Euro begehrte. Im Übrigen trat Frau Wathelet den Anträgen der Werkstatt Bietheres entgegen.

19      Das Tribunal de première instance de Verviers (erstinstanzliches Gericht Verviers) verurteilte Frau Wathelet zur Zahlung der Reparaturrechnung zuzüglich Zinsen und wies ihre Widerklage ab. Gegen dieses Urteil legte Frau Wathelet beim vorlegenden Gericht Berufung ein.

20      Dieses Gericht stellte fest, Frau Wathelet sei ein „Verbraucher“ und das Fahrzeug ein „Verbrauchsgut“ im Sinne des belgischen Zivilgesetzbuchs. Die Werkstatt Bietheres verkaufe Verbrauchsgüter im Rahmen ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit.

21      Die Werkstatt Bietheres bestritt allerdings, Partei des streitgegenständlichen Kaufvertrags zu sein. Sie sei von der Eigentümerin des fraglichen Fahrzeugs, Frau Donckels, mit dem Verkauf beauftragt worden, so dass es sich um einen Verkauf von Privat an Privat gehandelt habe.

22      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts sprechen jedoch ernsthafte, genaue und schlüssige Vermutungen dafür, dass Frau Wathelet nicht darüber informiert wurde, dass es sich um einen Verkauf von Privat an Privat handelte.

23      Unter diesen Umständen hat die Cour d’appel de Liège (Berufungsgericht Lüttich, Belgien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist der Begriff „Verkäufer“ von Verbrauchsgütern in Art. 1649bis des belgischen Code civil (Zivilgesetzbuch), der durch das Gesetz vom 1. September 1994 über den Schutz der Verbraucher beim Verkauf von Verbrauchsgütern eingefügt wurde, mit dem die Richtlinie 1999/44 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter in das belgische Recht umgesetzt wurde, dahin auszulegen, dass er nicht nur Gewerbetreibende erfasst, die als Verkäufer das Eigentum an einem Verbrauchsgut auf einen Verbraucher übertragen, sondern auch Gewerbetreibende, die als Vermittler für einen nicht gewerblichen Verkäufer handeln, und zwar unabhängig davon, ob sie für ihre Tätigkeit eine Vergütung erhalten und ob dem Kaufinteressenten mitgeteilt wurde, dass der Verkäufer eine Privatperson ist?

 Zur Vorlagefrage

24      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gemäß den Akten nicht die Werkstatt Bietheres, sondern Frau Donckels Eigentümerin des fraglichen Gebrauchtwagens war und es sich deshalb um einen Verkauf von Privat an Privat handelte, bei dem die Werkstatt Bietheres nur als Zwischenperson bzw. Vermittlerin diente.

25      Das vorlegende Gericht hat weiter festgestellt, dass der Kaufpreis nach Abzug der Kosten für die Reparatur, mit der das fragliche Fahrzeug verkaufsfertig gemacht worden war, an die Eigentümerin des Fahrzeugs weitergeleitet wurde. Die Akten enthalten ferner keine Anhaltspunkte dafür, dass die Werkstatt Bietheres von der Eigentümerin des Fahrzeugs nicht zu diesem Verkauf bevollmächtigt worden wäre.

26      Daraus folgt, dass die Werkstatt Bietheres im Ausgangsfall bei einem Verbrauchsgüterkauf als Gewerbetreibende für Rechnung der Eigentümerin des Verbrauchsguts – einer Privatperson, die eine Vollmacht für diesen Verkauf erteilt hatte – gehandelt hat.

27      Zu prüfen ist daher, ob der Verbraucher, der das Verbrauchsgut gekauft hat, unter solchen Umständen durch die Richtlinie 1999/44 dahin gehend geschützt wird, dass der Vermittler als Verkäufer im Sinne dieser Richtlinie angesehen werden kann.

28      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs folgt aus dem Erfordernis der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts, dass eine Unionsvorschrift, soweit sie für einen bestimmten Begriff nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der gesamten Europäischen Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten muss, die unter Berücksichtigung des Kontexts der Vorschrift und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Oktober 2011, Brüstle, C‑34/10, EU:C:2011:669, Rn. 25, und vom 15. Oktober 2015, Axa Belgium, C‑494/14, EU:C:2015:692, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Da Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 1999/44 den Begriff „Verkäufer“ definiert, ohne für seine Bedeutung auf die nationalen Rechtsordnungen zu verweisen, ist bei der Anwendung der Richtlinie davon auszugehen, dass diese Bestimmung einen autonomen Begriff des Unionsrechts enthält, der in der gesamten Union einheitlich auszulegen ist.

30      Ferner wird der Begriff „Verkäufer“ zwar auch in anderen Rechtsakten der Union verwendet, die spezielle, in Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 1999/44 enthaltene Definition findet sich jedoch nur in dieser Richtlinie. Somit handelt es sich, wie der Generalanwalt in Nr. 43 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, um einen Begriff, der anhand der mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele und unter Berücksichtigung der spezifischen Funktion des „Verkäufers“ im Rahmen der Richtlinie auszulegen ist.

31      Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 1999/44 definiert den Verkäufer als „jede natürliche oder juristische Person, die aufgrund eines Vertrags im Rahmen ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit Verbrauchsgüter verkauft“.

32      Es ist festzustellen, dass der so definierte Begriff „Verkäufer“ einen objektiven Charakter hat (vgl. entsprechend Urteil vom 3. September 2015, Costea, C‑110/14, EU:C:2015:538, Rn. 21, und Beschluss vom 19. November 2015, C‑74/15, Tarcâu, EU:C:2015:772, Rn. 27), der auf Gesichtspunkten wie dem Bestehen eines „Vertrags“, dem Verkauf eines „Verbrauchsguts“ und dem Vorliegen einer „beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit“ beruht.

33      Dieser Begriff verweist zwar nicht auf den des Vermittlers bzw. der Zwischenperson. Allgemeiner betrachtet, enthält die Richtlinie 1999/44 keine Definition des Begriffs „Zwischenperson“, obwohl dieser sowohl im neunten Erwägungsgrund als auch in Art. 4 der Richtlinie vorkommt. Die Richtlinie behandelt also im Rahmen eines Kaufvertrags nicht die Haftung der Zwischenperson gegenüber dem Verbraucher.

34      Dies allein schließt jedoch, wie der Generalanwalt in Nr. 51 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, nicht aus, dass der Begriff „Verkäufer“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 1999/44 dahin ausgelegt werden kann, dass er sich auf einen für Rechnung einer Privatperson handelnden Gewerbetreibenden erstreckt, wenn dieser sich aus Sicht des Verbrauchers als Verkäufer eines Verbrauchsguts aufgrund eines Vertrags im Rahmen seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit darstellt. Der Gewerbetreibende könnte nämlich beim Verbraucher den irrigen Eindruck erwecken, dass er das Verbrauchsgut als Eigentümer verkauft.

35      Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 1999/44 einer solchen Auslegung nicht entgegensteht.

36      Zweitens ist festzustellen, dass die teleologische Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 1999/44 anhand des Ziels der Richtlinie, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten (Urteil vom 3. Oktober 2013, Duarte Hueros, C‑32/12, EU:C:2013:637, Rn. 25), geeignet ist, die in Rn. 34 vertretene Auslegung zu stützen.

37      Nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 der Richtlinie 1999/44 ist der Verkäufer nämlich verpflichtet, dem Verbraucher dem Kaufvertrag gemäße Güter zu liefern und sie bei Vertragswidrigkeit entsprechend Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie nachzubessern oder zu ersetzen. Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie grenzt also den Kreis der Personen ein, gegen die der Verbraucher vorgehen kann, um seine Rechte aus der Richtlinie geltend zu machen. Demnach ist es unerlässlich, dass der Verbraucher von der Identität des Verkäufers und insbesondere von seiner Eigenschaft als Privatperson oder Gewerbetreibender Kenntnis erlangt, um von dem Schutz, den ihm die Richtlinie 1999/44 gewährt, profitieren zu können.

38      Wenn also unter Umständen wie denen des Ausgangsfalls ein Gewerbetreibender als Vermittler für eine Privatperson handelt, würde die fehlende Kenntnis des Verbrauchers von der Eigenschaft, in der der Gewerbetreibende beim Verkauf handelt, ihm seine durch die Richtlinie 1999/44 garantierten und nach deren Art. 7 Abs. 1 unabdingbaren Rechte nehmen.

39      Damit im Rahmen der Richtlinie 1999/44 ein wirksamer Verbraucherschutz gewährleistet ist, muss der Verbraucher davon in Kenntnis gesetzt werden, dass der Eigentümer eine Privatperson ist. Diese Auslegung ist geeignet, der Richtlinie praktische Wirksamkeit zu verleihen, und steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der das durch die Richtlinien der Union auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes geschaffene Schutzsystem davon ausgeht, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt (Urteil vom 4. Juni 2015, Faber, C‑497/13, EU:C:2015:357, Rn. 42).

40      Es besteht nämlich bezüglich des Informationsstands ein bedeutendes Ungleichgewicht zwischen dem Verbraucher und dem gewerblichen Vermittler, insbesondere wenn der Verbraucher nicht weiß, dass der Eigentümer der Kaufsache in Wirklichkeit eine Privatperson ist.

41      In einer Konstellation wie der des Ausgangsrechtsstreits, in der der Verbraucher angesichts der Verkaufsmodalitäten leicht irregeführt werden kann, ist ihm ein verstärkter Schutz zu gewähren. Die Haftung des Verkäufers nach der Richtlinie 1999/44 muss daher einem Vermittler auferlegt werden können, der mit seinem Auftreten gegenüber dem Verbraucher die Gefahr eines Irrtums erzeugt, indem er ihm den Eindruck vermittelt, dass er Eigentümer der Kaufsache sei.

42      Eine gegenteilige Auslegung, die den als Vermittler bzw. Zwischenperson handelnden Gewerbetreibenden in jedem Fall vom Geltungsbereich von Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 1999/44 ausnähme, würde das mit den Verbraucherschutzvorschriften der Union verfolgte und in Art. 169 AEUV verankerte Gesamtziel beeinträchtigen, das darin besteht, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten und damit das Vertrauen der Verbraucher zu fördern.

43      Was drittens die Frage der Vergütung des Vermittlers für seine Tätigkeit angeht, ist festzustellen, dass die zwischen dem nicht gewerblichen Eigentümer und dem Vermittler vertraglich geregelte Vergütung grundsätzlich nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie 1999/44 fällt. Daher ist es, wie die österreichische Regierung und die Europäische Kommission ausgeführt haben, für die Frage, ob der als Vermittler handelnde Gewerbetreibende als „Verkäufer“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 1999/44 einzustufen ist, unerheblich, ob er eine Vergütung erhält.

44      Es ist Sache des zuständigen nationalen Gerichts, zu prüfen, ob in einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden der Gewerbetreibende als „Verkäufer“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 1999/44 angesehen werden kann, wenn er dem Verbraucher nicht ordnungsgemäß mitgeteilt hat, dass er nicht der Eigentümer des fraglichen Verbrauchsguts ist; dabei hat es alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. entsprechend Urteil vom 4. Juni 2015, Faber, C‑497/13, EU:C:2015:357, Rn. 38 und 39). Insoweit können u. a. das Ausmaß der Beteiligung und die Intensität der Bemühungen, die der Vermittler beim Verkauf aufgewendet hat, die Umstände, unter denen das Verbrauchsgut dem Verbraucher präsentiert wurde, sowie das Verhalten des Verbrauchers relevant sein, um festzustellen, ob dieser hätte verstehen können, dass der Vermittler für Rechnung einer Privatperson handelte.

45      Nach alledem ist der Begriff „Verkäufer“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 1999/44 dahin auszulegen, dass er auch einen als Vermittler für Rechnung einer Privatperson handelnden Gewerbetreibenden erfasst, der dem Verbraucher/Käufer nicht ordnungsgemäß mitgeteilt hat, dass der Eigentümer der Kaufsache eine Privatperson ist, was das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen hat. Diese Auslegung hängt nicht davon ab, ob der Vermittler für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält.

 Kosten

46      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Der Begriff „Verkäufer“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ist dahin auszulegen, dass er auch einen als Vermittler für Rechnung einer Privatperson handelnden Gewerbetreibenden erfasst, der dem Verbraucher/Käufer nicht ordnungsgemäß mitgeteilt hat, dass der Eigentümer der Kaufsache eine Privatperson ist, was das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen hat. Diese Auslegung hängt nicht davon ab, ob der Vermittler für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Französisch.