Language of document : ECLI:EU:C:2013:695

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

24. Oktober 2013(*)

„Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Entscheidung der Kommission, das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG zu eröffnen – Nichtigkeitsklage – Mit einer Nichtigkeitsklage anfechtbare Handlungen – Handlungen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollen – Frühere Eröffnungsentscheidung, die dieselben Maßnahmen betrifft“

In der Rechtssache C‑77/12 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 13. Februar 2012,

Deutsche Post AG mit Sitz in Bonn (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. Sedemund und T. Lübbig,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch B. Martenczuk und T. Maxian Rusche als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

UPS Europe NV/SA mit Sitz in Brüssel (Belgien),

UPS Deutschland Inc. & Co. OHG mit Sitz in Neuss (Deutschland),

Prozessbevollmächtigte: T. Ottervanger und E. Henny, advocaten,

Streithelferinnen im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis, J.‑C. Bonichot und A. Arabadjiev (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2013,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Deutsche Post AG (im Folgenden: DP) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 8. Dezember 2011, Deutsche Post/Kommission (T‑421/07, Slg. 2011, II‑8105, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 12. September 2007 mit dem Titel „Staatliche Beihilfe C 36/07 (ex NN 25/07) – Staatliche Beihilfe an die Deutsche Post AG – Aufforderung zur Stellungnahme gemäß Artikel 88 Absatz 2 [EG]“ (ABl. C 245, S. 21, im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat.

 Rechtlicher Rahmen

2        Die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) soll nach ihrem zweiten Erwägungsgrund die von der Kommission in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Anwendung von Art. 88 EG entwickelte und festgelegte kohärente Praxis kodifizieren und verstärken.

3        Art. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 sieht vor:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

c)      ‚neue Beihilfen‘ alle Beihilfen, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die keine bestehenden Beihilfen sind, einschließlich Änderungen bestehender Beihilfen;

f)      ‚rechtswidrige Beihilfen‘ neue Beihilfen, die unter Verstoß gegen Artikel [88] Absatz 3 des Vertrags eingeführt werden;

…“

4        Art. 6 („Förmliches Prüfverfahren“) der Verordnung bestimmt in Abs. 1 insbesondere, dass „[d]ie Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens … eine Zusammenfassung der wesentlichen Sach- und Rechtsfragen, eine vorläufige Würdigung des Beihilfecharakters der geplanten Maßnahme durch die Kommission und Ausführungen über ihre Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt [enthält]“.

5        Art. 7 („Entscheidungen der Kommission über den Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens“) der Verordnung bestimmt:

„(1)      Das förmliche Prüfverfahren wird unbeschadet des Artikels 8 durch eine Entscheidung nach den Absätzen 2 bis 5 dieses Artikels abgeschlossen.

(2)      Gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die angemeldete Maßnahme, gegebenenfalls nach entsprechenden Änderungen durch den betreffenden Mitgliedstaat, keine Beihilfe darstellt, so stellt sie dies durch Entscheidung fest.

(3)      Stellt die Kommission fest, dass, gegebenenfalls nach Änderung durch den betreffenden Mitgliedstaat, die Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der angemeldeten Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt ausgeräumt sind, so entscheidet sie, dass die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist (nachstehend ‚Positiventscheidung‘ genannt). In der Entscheidung wird angeführt, welche Ausnahmevorschrift des Vertrags zur Anwendung gelangt ist.

(4)      Die Kommission kann eine Positiventscheidung mit Bedingungen und Auflagen verbinden, die ihr ermöglichen, die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären bzw. die Befolgung ihrer Entscheidung zu überwachen (nachstehend ‚mit Bedingungen und Auflagen verbundene Entscheidung‘ genannt).

(5)      Gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die angemeldete Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, so entscheidet sie, dass diese Beihilfe nicht eingeführt werden darf (nachstehend ‚Negativentscheidung‘ genannt).

(6)      Entscheidungen nach den Absätzen 2, 3, 4 und 5 werden erlassen, sobald die in Artikel 4 Absatz 4 genannten Bedenken ausgeräumt sind. Die Kommission bemüht sich darum, eine Entscheidung möglichst innerhalb von 18 Monaten nach Eröffnung des Prüfverfahrens zu erlassen. Diese Frist kann von der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat einvernehmlich verlängert werden.

…“

6        Art. 10 („Prüfung, Auskunftsersuchen und Anordnung zur Auskunftserteilung“) der Verordnung sieht in Abs. 1 vor: „Befindet sich die Kommission im Besitz von Informationen gleich welcher Herkunft über angebliche rechtswidrige Beihilfen, so prüft sie diese Informationen unverzüglich.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

 Sachverhalt

7        Die Vorgeschichte des Rechtsstreits, der zur Klage vor dem Gericht geführt hat, wird in den Randnrn. 1 bis 36 des angefochtenen Urteils dargestellt und kann wie folgt zusammengefasst werden.

8        1989 wurde die Deutsche Bundespost in drei verschiedene Rechtseinheiten aufgespalten: die Deutsche Bundespost Postdienst (im Folgenden: DB-Postdienst), die Deutsche Bundespost Telekom (im Folgenden: DB-Telekom) und die Deutsche Bundespost Postbank (im Folgenden: DB-Postbank). Diese drei Rechtseinheiten wurden zum 1. Januar 1995 in Aktiengesellschaften umgewandelt. Die Tätigkeiten der DB-Postdienst wurden von DP übernommen.

9        Im Anschluss an eine am 7. Juli 1994 von UPS Europe NV/SA bei der Kommission eingelegte Beschwerde und eine 1997 vom Bundesverband Internationaler Express und Kurierdienste e.V. eingelegte weitere Beschwerde teilte die Kommission mit Schreiben vom 17. August 1999, veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 23. Oktober 1999 (ABl. C 306, S. 25), der Bundesrepublik Deutschland ihren Beschluss mit, in Bezug auf verschiedene Maßnahmen, aufgrund deren DP öffentliche Mittel in Anspruch genommen habe, das in Art. 88 Abs. 2 EG vorgesehene Verfahren zu eröffnen (im Folgenden: Eröffnungsentscheidung von 1999).

10      Am 19. Juni 2002 erließ die Kommission die Entscheidung 2002/753/EG über Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zugunsten der Deutschen Post AG (ABl. L 247, S. 27, im Folgenden: Negativentscheidung von 2002).

11      Die Negativentscheidung von 2002 wurde im Wesentlichen in vier Schritten begründet.

12      In einem ersten Schritt stellte die Kommission fest, dass sie in der Eröffnungsentscheidung von 1999 davon ausgegangen sei, dass die staatlichen Zahlungen, die DB‑Postdienst und in der Folge DP für ihre Aufgaben von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erhalten hätten, über die Nettomehrkosten dieses Auftrags hinausgegangen seien, und daher die Untersuchung von fünf mutmaßlichen Beihilfemaßnahmen angekündigt habe. Zu diesen Maßnahmen gehörten u. a. erstens staatliche Bürgschaften, aufgrund deren die Bundesrepublik Deutschland für die Verbindlichkeiten bürge, die die Deutsche Bundespost vor ihrer Umwandlung in drei Aktiengesellschaften eingegangen sei (im Folgenden: staatliche Bürgschaften), zweitens eine staatliche Finanzierung der Pensionen der Beschäftigten der DB‑Postdienst und von DP sowie drittens eine mögliche finanzielle Unterstützung an DP durch den Staat.

13      Zur finanziellen Unterstützung durch den Staat führte die Kommission aus, die Bundesrepublik Deutschland habe eingeräumt, dass zugunsten der DB-Postdienst und von DP zwei staatliche Transfers erfolgt seien, und zwar zum einen Transfers der DB-Telekom von 1990 bis 1994 auf der Grundlage von § 37 Abs. 3 des Postverfassungsgesetzes vom 8. Juni 1989 (BGBl. 1989 I S. 1026, im Folgenden: PostVerfG) und zum anderen der am 1. Januar 1995 auf der Grundlage von § 7 des Postumwandlungsgesetzes vom 14. September 1994 (BGBl. 1994 I S. 2339, im Folgenden: PostUmwG) erfolgte Verzicht der DB-Telekom auf eine Forderung gegen DP (im Folgenden: Transfers der DB-Telekom).

14      In einem zweiten Schritt wies die Kommission darauf hin, dass die Bundesrepublik Deutschland ihr mitgeteilt habe, dass DP zwischen 1990 und 1998 Gewinne im reservierten Bereich und Verluste in den Wettbewerbsbereichen und insgesamt, in allen Bereichen zusammen genommen, ein Defizit verzeichnet habe. Sie schloss daraus, dass ein mögliches Defizit im Bereich der Paketdienste weder durch die Gewinne im reservierten Bereich noch durch die in den Wettbewerbsbereichen erzielten Einnahmen ausgeglichen werden könne.

15      In einem dritten Schritt stellte die Kommission fest, dass die Deckung des Defizits bei DP im Bereich der Paketdienste in der Zeit von 1990 bis 1998 zwingend aus staatlichen Mitteln erfolgt sein müsse, und beschloss daher, zu prüfen, ob dieses Defizit im Zusammenhang mit den Aufgaben der DP von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse gestanden habe, wobei sie hervorhob, dass DP ein Vorteil im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG verblieben sei, wenn dieses Defizit nicht im Zusammenhang mit der Erfüllung einer solchen Aufgabe gestanden habe.

16      Die Kommission stellte insoweit fest, dass DP ab dem 1. Februar 1994 nicht die Verpflichtung, sondern die Möglichkeit gehabt habe, ihren Kunden im Bereich der Paketlieferungen Rabatte zu gewähren. Die Kommission wies darauf hin, dass angesichts der angewandten Rabatte die Einnahmen im Zeitraum von 1994 bis 1999 nicht ausgereicht hätten, um die Betriebskosten zu decken, was zu einem Defizit von 1 118,7 Mio. DM geführt habe, das nicht auf die Erfüllung einer DP obliegenden Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zurückzuführen sei.

17      Die Kommission wies sodann darauf hin, dass sich erstens die zur staatlichen Finanzierung der Pensionen verwendeten Mittel unter der Kontrolle der Bundesrepublik Deutschland befunden hätten, zweitens in Bezug auf die staatlichen Bürgschaften die Schuldurkunden von DP der unmittelbaren Kontrolle durch die Bundesrepublik Deutschland unterlägen und drittens hinsichtlich der finanziellen Unterstützung von DP durch die Bundesrepublik Deutschland die Transfers der DB-Telekom diesem Mitgliedstaat zuzurechnen seien.

18      Die Kommission führte aus, dass ohne die Transfers der DB-Telekom die Bundesrepublik Deutschland zur Unterstützung der DB-Postdienst und von DP auf die allgemeinen Haushaltsmittel hätte zurückgreifen müssen.

19      Die Kommission kam zu dem Schluss, dass der Wettbewerb verfälscht und der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt worden sei. Die Beihilfen seien auch mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, da sie nicht gemäß Art. 87 Abs. 2 und 3 EG gerechtfertigt seien und die Nettomehrkosten von 1 118,7 Mio. DM im Bereich der Paketlieferungen nicht als im Sinne von Art. 86 Abs. 2 EG aus den Aufgaben von DP von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse resultierende Belastung angesehen werden könnten.

20      In einem vierten Schritt gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass, sofern der Ausgleich der Bundesrepublik Deutschland für die Mehrkosten der Politik des nicht kostendeckenden Verkaufs die normalerweise mit der Erbringung von Haus-zu-Haus-Paketdiensten verbundenen Kosten verringert habe, dies einen Vorteil im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG und eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe in Höhe von 572 Mio. Euro darstelle.

21      Der verfügende Teil der Negativentscheidung von 2002 lautet:

Artikel 1

Die staatliche Unterstützung, die [die Bundesrepublik] Deutschland zugunsten [von DP] in Höhe von 572 Millionen Euro (1 118,7 Mio. DM) gewährt hat, ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

Artikel 2

(1)      [Die Bundesrepublik] Deutschland ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die in Artikel 1 genannte, rechtswidrig gewährte Beihilfe abzuschaffen und [von DP] zurückzufordern.

…“

22      Mit Urteil vom 1. Juli 2008, Deutsche Post/Kommission (T‑266/02, Slg. 2008, II‑1233), hat das Gericht die Negativentscheidung von 2002 für nichtig erklärt. Das von der Kommission gegen dieses Urteil eingelegte Rechtsmittel wurde mit Urteil des Gerichtshofs vom 2. September 2010, Kommission/Deutsche Post (C‑399/08 P, Slg. 2010, I‑7831), zurückgewiesen.

23      Am 11. Mai 2004 legte die UPS Europe NV/SA bei der Kommission eine weitere Beschwerde ein, mit der sie geltend machte, dass die Kommission in der Negativentscheidung von 2002 nicht alle in ihrer Beschwerde von 1994 aufgeführten Maßnahmen geprüft habe und dass die DP gewährten Vorteile den Betrag, dessen Rückzahlung die Kommission angeordnet habe, deutlich überstiegen. Auf diese Beschwerde und auf eine am 16. Juli 2004 von der TNT Post AG & Co. KG eingelegte weitere Beschwerde hin richtete die Kommission Auskunftsersuchen an die Bundesrepublik Deutschland, die diese beantwortete.

24      Am 26. April 2007 forderte die UPS Europe NV/SA die Kommission förmlich auf, die erforderlichen Maßnahmen betreffend ihre Beschwerde vom 11. Mai 2004 zu ergreifen.

25      Am 3. September 2007 erhoben die UPS Europe NV/SA und die UPS Deutschland Inc. & Co. OHG (im Folgenden zusammen: UPS) gemäß Art. 265 AEUV beim Gericht Klage auf Feststellung der Untätigkeit der Kommission, da diese es unterlassen habe, über die am 11. Mai 2004 eingereichte Beschwerde zu entscheiden. Mit Schriftsatz, der am 8. November 2007 bei der Kanzlei des Gerichts einging, nahm UPS ihre Klage zurück, und die Rechtssache wurde durch Beschluss des Gerichts vom 11. Dezember 2007, UPS Europe und UPS Deutschland/Kommission (T‑329/07), im Register gestrichen.

 Streitige Entscheidung

26      Mit Schreiben vom 12. September 2007 übermittelte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland die streitige Entscheidung.

27      Nach einem Hinweis auf die seit der Beschwerde von 1994 gegen DP eingeleiteten Verfahren nach den Art. 82 EG und 87 EG legte die Kommission in den Erwägungsgründen 14 und 15 der streitigen Entscheidung die „Gründe für die Ausweitung des Beihilfeverfahrens“ wie folgt dar:

„14.      Auf der Grundlage der Informationen, die im Rahmen der nachfolgenden Beihilfe- bzw. Kartelluntersuchung übermittelt wurden, erachtet es die Kommission als notwendig, alle Wettbewerbsverzerrungen, die durch die [DP] und ihrer Vorgängerin, der [DB-Postdienst], gewährten staatlichen Mittel hervorgerufen wurden, umfassend zu untersuchen. Die Kommission setzt daher [die Bundesrepublik] Deutschland sowie alle Beteiligten davon in Kenntnis, dass das [Eröffnungsverfahren von 1999] ergänzt wird, damit die neu übermittelten Informationen einbezogen und ein endgültiger Standpunkt in der Frage eingenommen wird, in welchem Umfang die gewährten staatlichen Mittel Beihilfen darstellen, die nicht mit den Beihilfevorschriften des EG-Vertrags als vereinbar erklärt werden können.

15.      Die Kommission möchte betonen, dass mit dieser ergänzenden Untersuchung keinesfalls die Negativentscheidung aus dem Jahr 2002 ersetzt werden soll. Die Negativentscheidung aus dem Jahr 2002 befasste sich mit der Auswirkung staatlicher Beihilfen auf die von [der DB‒Postdienst] und [DP] angebotenen Haus-zu-Haus-Paketdienste. Die Negativentscheidung aus dem Jahr 2002 stellte fest, dass Staatsbeihilfen in Höhe von 572 Mio. [Euro] zur Quersubventionierung dieser Geschäftstätigkeit genutzt wurden, ohne jedoch allgemein die Frage anzusprechen[,] ob [die DB-Postdienst] und [DP] aus staatlichen Mitteln überkompensiert worden sind. Das Ziel der jetzigen Untersuchung besteht somit darin, festzustellen, ob die [DB-Postdienst] und [DP] über die in der Negativentscheidung aus dem Jahr 2002 festgestellte rechtswidrige Beihilfe in Höhe von 572 Mio. [Euro] hinaus einen überhöhten Ausgleich für die Erfüllung ihres öffentlichen Versorgungsauftrags erhalten haben. Die Kommission wird alle öffentlichen Maßnahmen prüfen, die vom 1. Juli 1989 (Zeitpunkt der Gründung der [DB-Postdienst]) bis zum 31. Dezember 2007 (voraussichtlicher Zeitpunkt des Auslaufens des öffentlichen Versorgungsauftrags [von DP]) zugunsten der [DB-Postdienst] und [von DP] ergriffen wurden.“

28      In Abschnitt 3 („Beschreibung der staatlichen Maßnahmen zugunsten der DB-Postdienst und [von DP]“) der streitigen Entscheidung nannte die Kommission eine Reihe von Maßnahmen, deren Charakter als staatliche Beihilfe in Abschnitt 6 der streitigen Entscheidung geprüft wird. Hierzu vertrat sie in den Erwägungsgründen 72 bis 75 der streitigen Entscheidung die Ansicht, dass es sich bei den staatlichen Transfers der DB-Telekom auf der Grundlage von § 37 Abs. 3 PostVerfG und § 7 PostUmwG und bei den staatlichen Bürgschaften auf der Grundlage von § 40 Abs. 6 PostVerfG und § 2 Abs. 4 PostUmwG um staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG handele. Die Kommission hob in den Erwägungsgründen 76 bis 78 der streitigen Entscheidung ferner hervor, dass die Finanzierung der Pensionen der Beamten der DB-Postdienst und von DP einen Transfer staatlicher Mittel enthalten habe. Die Kommission wies insoweit darauf hin, dass sie prüfen wolle, ob die staatliche Finanzierung der Pensionen im zu untersuchenden Zeitraum vom 1. Juli 1989 bis 31. Dezember 2007 zu einem wirtschaftlichen Vorteil geführt habe und ob DP durch die Bedingungen, unter denen im Zeitraum von 1995 bis 1999 Frühpensionierungen erfolgt seien, ein wirtschaftlicher Vorteil verschafft worden sei.

29      In Abschnitt 7 („Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt“) der streitigen Entscheidung führte die Kommission aus, dass sie prüfen werde, inwieweit der Ausgleich, den die DB-Postdienst und DP erhalten hätten, zur Gewährleistung der Erfüllung ihrer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse vom 1. Juli 1989 bis 31. Dezember 2007 erforderlich gewesen sei. Anschließend legte die Kommission dar, welche Berechnungsmethode sie insoweit verwenden und welche Einnahmen sie berücksichtigen wolle.

30      In Abschnitt 8 („Beschluss“) der streitigen Entscheidung forderte die Kommission die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 88 Abs. 2 EG auf, „innerhalb eines Monats nach Eingang dieses Schreibens [ihre] Stellungnahme abzugeben und alle für die beihilferechtliche Würdigung der Maßnahmen sachdienlichen Informationen zu übermitteln“. Anschließend wies die Kommission diesen Mitgliedstaat auf „die Sperrwirkung des Artikels 88 Absatz 3 [EG]“ und die Pflicht zur Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe gemäß Art. 14 der Verordnung Nr. 659/1999 hin.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

31      Mit Klageschrift, die am 22. November 2007 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob DP Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung.

32      Zur Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage hat das Gericht in Randnr. 49 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass „nur Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen, Handlungen oder Entscheidungen [sind], gegen die die Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG gegeben ist“. In Randnr. 50 des angefochtenen Urteils hat das Gericht sodann hinzugefügt, dass eine Entscheidung über die Einleitung des förmlichen Verfahrens zur Prüfung einer staatlichen Beihilfe insbesondere hinsichtlich der Aussetzung der fraglichen Maßnahme eigenständige Rechtswirkungen erzeuge, wenn die Kommission eine in der Durchführung begriffene Maßnahme als neue Beihilfe qualifiziere. Dies gelte „nicht nur dann, wenn die in der Durchführung begriffene Maßnahme vom betroffenen Mitgliedstaat als bestehende Beihilfe angesehen wird, sondern auch dann, wenn dieser der Ansicht ist, die von der Entscheidung über die Einleitung betroffene Maßnahme falle nicht unter Art. 87 Abs. 1 EG“.

33      Hierzu hat das Gericht in den Randnrn. 52 und 53 des angefochtenen Urteils zunächst festgestellt, dass aus der streitigen Entscheidung hervorgehe, „dass sie vorgenommen wurde, um das förmliche Prüfverfahren für drei Maßnahmen einzuleiten, und zwar die Transfers der DB-Telekom, die staatlichen Garantien und die staatliche Finanzierung der Pensionen (im Folgenden: streitige Maßnahmen)“. Das Gericht hat ferner darauf hingewiesen, dass die Kommission in dieser Entscheidung „die Transfers der DB-Telekom und die staatlichen Garantien als neue Beihilfen qualifiziert [hat]“ und hinsichtlich der staatlichen Finanzierung der Pensionen „ihre Zweifel zum Ausdruck gebracht [hat], inwieweit diese Finanzierung [DP] einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft habe“.

34      In Randnr. 56 des angefochtenen Urteils hat das Gericht sodann ausgeführt, dass „[z]wischen den Parteien … unstreitig [ist], dass bereits das mit der Eröffnungsentscheidung von 1999 eingeleitete förmliche Prüfverfahren die streitigen Maßnahmen betraf, die auch in der [Negativentscheidung] von 2002 geprüft werden“. Hierzu hat das Gericht in den Randnrn. 57 bis 59 des angefochtenen Urteils hinzugefügt, dass die Eröffnungsentscheidung von 1999 die Deckung der Schulden von DP durch eine beschränkte staatliche Bürgschaft gemäß § 40 PostVerfG, die Übernahme des Defizits der Post-Unterstützungskasse und die Übertragung von Immobilienbesitz oder anderen Vermögensgegenständen durch den Staat auf DP betroffen habe.

35      Schließlich hat das Gericht in Randnr. 61 des angefochtenen Urteils folgende Erwägungen angestellt: „Im Hinblick darauf, dass die [streitige Entscheidung] dieselben Maßnahmen betrifft, die Gegenstand der Eröffnungsentscheidung von 1999 waren, dass die Kommission im Rahmen dieser Entscheidung und des darauf folgenden Verfahrens bereits erwähnt hatte, dass die streitigen Maßnahmen in den Anwendungsbereich von Art. 87 Abs. 1 EG fallen könnten, und dass die mit einem förmlichen Prüfverfahren verknüpften eigenständigen Rechtswirkungen folglich schon aufgrund der [Eröffnungsentscheidung von 1999] hervorgerufen wurden, kann die [streitige Entscheidung] somit keine solchen Wirkungen erzeugen und demnach keine Entscheidung darstellen, die mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden kann.“

36      Zur Frage, ob das hinsichtlich der streitigen Maßnahmen mit der Eröffnungsentscheidung von 1999 eingeleitete förmliche Prüfverfahren durch die Negativentscheidung von 2002 in vollem Umfang abgeschlossen wurde, hat das Gericht in den Randnrn. 64 bis 66 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass aus Art. 7 Abs. 1 bis 5 der Verordnung Nr. 659/1999 hervorgehe, dass das förmliche Prüfverfahren mit einer Entscheidung abgeschlossen werden müsse, in der die geprüfte Maßnahme ausdrücklich im Hinblick auf eine der Bestimmungen des Art. 7 Abs. 2 bis 5 der Verordnung qualifiziert werde.

37      Insoweit ist das Gericht in Randnr. 67 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kommission in der Negativentscheidung von 2002 die streitigen Maßnahmen über die in ihrem verfügenden Teil genannten 572 Mio. Euro hinaus nicht ausdrücklich im Hinblick auf die Bestimmungen des Art. 7 Abs. 2 bis 5 der Verordnung Nr. 659/1999 qualifiziert habe. In Randnr. 74 des angefochtenen Urteils hat das Gericht jedoch festgestellt, dass die Kommission nach dem Wortlaut der Negativentscheidung von 2002 „die streitigen Maßnahmen nur insoweit untersucht hat, als sie die Finanzierung bestimmter Tätigkeiten [von DP] in Bezug auf den Paketbereich betrafen“, so dass sie „in der [Negativentscheidung] von 2002 weder ausgeschlossen noch bestätigt [hat], dass diese Maßnahmen über die im verfügenden Teil der Entscheidung genannten 572 Millionen Euro hinaus mit dem EG-Vertrag unvereinbare Beihilfen seien“. In Randnr. 75 des angefochtenen Urteils hat das Gericht daraus den Schluss gezogen, dass beim Erlass der streitigen Entscheidung „das 1999 im Hinblick auf die streitigen Maßnahmen eingeleitete förmliche Prüfverfahren mit der [Negativentscheidung] von 2002 nicht über die in deren verfügendem Teil genannten 572 Millionen Euro hinaus abgeschlossen worden war“.

38      Hieraus hat das Gericht in Randnr. 78 des angefochtenen Urteils gefolgert, dass die streitige Entscheidung bei ihrem Erlass „weder die rechtliche Bedeutung der streitigen Maßnahmen noch die Rechtsstellung von [DP] geändert [hat]“.

39      Ferner hat das Gericht in den Randnrn. 77 und 79 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass diese Schlussfolgerung durch das Urteil Deutsche Post/Kommission nicht in Frage gestellt werde. In diesem Urteil habe sich das Gericht nämlich nicht zu der Frage geäußert, ob das 1999 im Hinblick auf die streitigen Maßnahmen eingeleitete förmliche Prüfverfahren abgeschlossen worden sei. Zudem habe dieses Urteil der Negativentscheidung von 2002 rückwirkend ihren rechtlichen Bestand genommen, so dass es „nichts an dem Ergebnis ändern [kann], dass die [Negativentscheidung] von 2002 keine Auswirkung darauf hatte, ob die [streitige Entscheidung] möglicherweise eigenständige Rechtswirkungen erzeugt“.

40      In Anbetracht dessen ist das Gericht in Randnr. 80 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage als unzulässig abzuweisen sei, da die streitige Entscheidung keine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 230 EG sei.

 Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

41      Mit ihrem Rechtsmittel beantragt DP, das angefochtene Urteil aufzuheben und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

42      Die Kommission beantragt,

–        das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen;

–        hilfsweise, das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen;

–        höchst hilfsweise, die Klage als unzulässig abzuweisen;

–        DP die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

43      UPS beantragt, das Rechtsmittel als unzulässig oder, hilfsweise, als unbegründet zurückzuweisen und DP die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

44      DP stützt ihr Rechtsmittel im Wesentlichen auf vier Gründe, und zwar erstens auf einen Verstoß gegen Art. 230 Abs. 4 EG, zweitens auf eine Verkennung der Tragweite und der Auswirkungen des durch die Kommission begangenen Verstoßes gegen grundlegende Verfahrensgrundsätze wie diejenigen des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und des ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahrens, drittens auf einen Verstoß gegen den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und eine Verletzung der Verteidigungsrechte und viertens auf einen Verstoß gegen die Begründungspflicht.

 Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 230 Abs. 4 EG

 Vorbringen der Parteien

45      DP macht geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, weil es verkannt habe, dass die streitige Entscheidung eine verbindliche Entscheidung im Sinne von Art. 230 Abs. 4 EG sei.

46      Zum einen habe das Gericht durch die Feststellung in Randnr. 61 des angefochtenen Urteils, dass die streitige Entscheidung keine eigenständigen Rechtswirkungen habe erzeugen können, da diese Wirkungen schon aufgrund der Eröffnungsentscheidung von 1999 hervorgerufen worden seien, einen offensichtlichen Rechtsfehler begangen. Die streitige Entscheidung gehe inhaltlich über die Eröffnungsentscheidung von 1999 hinaus.

47      Zum anderen habe das Gericht in Randnr. 75 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft den Standpunkt vertreten, dass beim Erlass der streitigen Entscheidung das 1999 im Hinblick auf die streitigen Maßnahmen eingeleitete förmliche Prüfverfahren mit der Negativentscheidung von 2002 nicht über die in deren verfügendem Teil genannten 572 Mio. Euro hinaus abgeschlossen worden sei. Insoweit folge aus der Begründung der Negativentscheidung von 2002, dass mit ihr das 1999 eingeleitete förmliche Prüfverfahren nach Art. 7 Abs. 5 der Verordnung Nr. 659/1999 in vollem Umfang abgeschlossen worden sei. Diese abschließende Wirkung sei auch durch das Urteil Deutsche Post/Kommission nicht entfallen.

48      Die Kommission trägt vor, der Gegenstand der streitigen Entscheidung sei nicht über den der Eröffnungsentscheidung von 1999 hinausgegangen. Keine neue, nach 1999 erlassene Maßnahme sei von der streitigen Entscheidung betroffen. Außerdem bestehe die Funktion einer Eröffnungsentscheidung nicht nur darin, den Verfahrensgegenstand zu definieren, sondern vor allem auch darin, den beteiligten Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Infolgedessen genüge die Tatsache, dass sie die streitige Entscheidung erlassen habe, als solche nicht, um zu belegen, dass diese einen weiteren Verfahrensgegenstand als die Eröffnungsentscheidung von 1999 gehabt haben müsse.

49      Zu den Wirkungen der Negativentscheidung von 2002 trägt die Kommission vor, diese Entscheidung sei im Urteil Deutsche Post/Kommission für nichtig erklärt worden, das durch das Urteil Kommission/Deutsche Post bestätigt worden sei. Eine solche Nichtigerklärung beseitige rückwirkend die Rechtswirkungen der Negativentscheidung von 2002. Außerdem habe die Negativentscheidung von 2002 jedenfalls nur einen Teil der streitgegenständlichen Beihilfen zum Gegenstand gehabt.

50      UPS führt zum einen aus, sie habe die Kommission 2004 gebeten, ihre Untersuchung fortzusetzen, da das 1999 eingeleitete förmliche Prüfverfahren mit der Negativentscheidung von 2002 nicht über die in deren verfügendem Teil genannten 572 Mio. Euro hinaus abgeschlossen worden sei. Zum anderen habe das 2007 eröffnete Prüfverfahren die Eröffnungsentscheidung von 1999 ergänzt, ohne jedoch die 1999 geäußerten Zweifel an der Rechtswirksamkeit und Vereinbarkeit der untersuchten Maßnahmen zu verstärken oder zu ändern. Folglich seien die eigenständigen Rechtswirkungen bereits durch die Eröffnungsentscheidung von 1999 hervorgerufen worden. Außerdem sei die Frage nach den rechtlichen Folgen der Negativentscheidung von 2002 für die Eröffnungsentscheidung von 1999 in Anbetracht der Nichtigerklärung der Negativentscheidung von 2002 bedeutungslos geworden.

 Würdigung durch den Gerichtshof

51      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Nichtigkeitsklage, die, wie im vorliegenden Fall, von einer natürlichen oder juristischen Person gegen eine Handlung eines Organs erhoben wird, nur dann gegeben, wenn die verbindlichen Rechtswirkungen dieser Handlung die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung beeinträchtigen können (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, Slg. 2011, I‑9639, Randnrn. 37 und 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Was speziell die verbindlichen Rechtswirkungen einer Entscheidung anbelangt, das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG in Bezug auf eine in der Durchführung begriffene und als neue Beihilfe eingestufte Maßnahme einzuleiten, ändert eine solche Entscheidung notwendigerweise die Rechtslage in Bezug auf die betreffende Maßnahme sowie die durch sie begünstigten Unternehmen, insbesondere was ihre weitere Umsetzung angeht. Nach dem Erlass einer solchen Entscheidung bestehen zumindest erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme, die den Mitgliedstaat veranlassen müssen, die Zahlung auszusetzen, da die Einleitung des Verfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG es ausschließt, dass eine sofortige Entscheidung ergeht, mit der die Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt würde und die es ermöglichen würde, die Durchführung der Maßnahme ordnungsgemäß fortzusetzen. Eine solche Entscheidung könnte vor einem nationalen Gericht geltend gemacht werden, das aufgerufen ist, alle Konsequenzen aus dem Verstoß gegen Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG zu ziehen. Schließlich kann sie die von der Maßnahme begünstigten Unternehmen veranlassen, auf jeden Fall neue Zahlungen zurückzuweisen oder Rückstellungen vorzunehmen, die für etwaige spätere Rückzahlungen erforderlich sind. Auch die Geschäftskreise werden in ihren Beziehungen zu den Beihilfeempfängern deren geschwächte Rechts- und Finanzlage berücksichtigen (vgl. Urteil vom 9. Oktober 2001, Italien/Kommission, C‑400/99, Slg. 2001, I‑7303, Randnr. 59).

53      Außerdem stellt, wie der Gerichtshof in den Randnrn. 62 und 63 des Urteils Italien/Kommission ausgeführt hat, eine solche Entscheidung, das Verfahren in Bezug auf eine Maßnahme zu eröffnen, die die Kommission als neue Beihilfe einstuft, keine bloß vorbereitende Maßnahme dar, da sie insbesondere hinsichtlich der Aussetzung der geprüften Maßnahme eigenständige Rechtswirkungen erzeugt.

54      Vorliegend ist festzustellen, dass die Kommission, wie das Gericht in Randnr. 53 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, in der streitigen Entscheidung die Transfers der DB-Telekom und die staatlichen Garantien als neue Beihilfen qualifiziert hat. Im Übrigen hat dieses Organ in Bezug auf die staatliche Finanzierung der Pensionen seine Zweifel zum Ausdruck gebracht, inwieweit diese Finanzierung DP einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft habe. Die Kommission hat im 106. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung auch auf die sich für die Bundesrepublik Deutschland aus dieser Entscheidung ergebende Pflicht hingewiesen, die mit der Entscheidung beanstandeten Maßnahmen auszusetzen.

55      Daraus folgt, dass die Eröffnungsentscheidung von 2007 eine Handlung darstellt, die die Interessen von DP durch eine qualifizierte Änderung ihrer Rechtsstellung beeinträchtigen kann; sie weist daher alle Merkmale einer anfechtbaren Handlung im Sinne des Art. 230 EG auf.

56      Entgegen der vom Gericht in den Randnrn. 55 bis 75 des angefochtenen Urteils vertretenen Ansicht steht die Existenz der Eröffnungsentscheidung von 1999, mit der die Kommission das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG in Bezug auf eine Reihe in der Durchführung begriffener Maßnahmen eröffnet hat, dieser Feststellung nicht entgegen.

57      Die Kommission hat nämlich das 1999 eröffnete förmliche Prüfverfahren jedenfalls durch ihre Negativentscheidung von 2002 abgeschlossen.

58      Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission in ihrer Negativentscheidung von 2002, wie DP zu Recht geltend macht, alle in der Eröffnungsentscheidung von 1999 beanstandeten Maßnahmen behandelt hat.

59      Insbesondere ging die Kommission, wie das Gericht in Randnr. 10 des angefochtenen Urteils hervorgehoben hat, in den Erwägungsgründen 12 bis 20 der Negativentscheidung von 2002 auf die Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland zu den fünf mutmaßlichen Beihilfemaßnahmen ein, auf die in der Eröffnungsentscheidung von 1999 Bezug genommen wurde.

60      Ferner ist hervorzuheben, dass die Kommission im 65. Erwägungsgrund der Negativentscheidung von 2002 eine der mutmaßlichen Beihilfemaßnahmen ausdrücklich mit der Feststellung für unbedenklich erklärte, dass DP die Postbank AG vom Staat ohne jede staatliche Beihilfe erworben habe.

61      In den Erwägungsgründen 92 bis 95 der Negativentscheidung von 2002 wies die Kommission sodann darauf hin, dass sich erstens die zur staatlichen Finanzierung der Pensionen verwendeten Mittel unter der Kontrolle der Bundesrepublik Deutschland befunden hätten, zweitens in Bezug auf die staatlichen Bürgschaften die Schuldurkunden von DP der unmittelbaren Kontrolle durch die Bundesrepublik Deutschland unterlägen und drittens hinsichtlich der finanziellen Unterstützung von DP durch die Bundesrepublik Deutschland die Transfers der DB-Telekom diesem Mitgliedstaat zuzurechnen seien.

62      Schließlich stellte die Kommission in den Erwägungsgründen 96 bis 99 der Negativentscheidung von 2002 eine Verfälschung des Wettbewerbs auf dem Markt der Haus-zu-Haus-Paketdienste und im 100. Erwägungsgrund eine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten fest, ohne dass sich diese Feststellungen auf eine der mutmaßlichen Beihilfemaßnahmen konzentriert hätten. Im Rahmen ihrer Prüfung der Vereinbarkeit der staatlichen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt bezog sich die Kommission in den Erwägungsgründen 101 bis 106 zudem allgemein auf „Beihilfen, die [DP] vorliegend gewährt werden“.

63      Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission das mit der Eröffnungsentscheidung von 1999 eröffnete Verfahren dadurch vollständig abschloss, dass sie in Art. 1 des verfügenden Teils der Negativentscheidung von 2002 die DP gewährte staatliche Unterstützung in Höhe von 572 Mio. Euro für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärte und in Art. 2 dieses verfügenden Teils der Bundesrepublik Deutschland die Rückforderung dieser Beihilfe aufgab.

64      Daher ist festzustellen, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, als es in Randnr. 75 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass das 1999 im Hinblick auf die streitigen Maßnahmen eingeleitete förmliche Prüfverfahren mit der Negativentscheidung von 2002 nicht über die in deren verfügendem Teil genannten 572 Mio. Euro hinaus abgeschlossen worden sei.

65      Im Übrigen trifft es zwar zu, dass die Negativentscheidung von 2002 im Urteil Deutsche Post/Kommission für nichtig erklärt wurde, was zur Folge hatte, dass der Entscheidung rückwirkend der rechtliche Bestand genommen wurde, doch hatte DP die Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung mit einer am 22. November 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift erhoben. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist aber im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift abzustellen (vgl. Urteile vom 27. November 1984, Bensider u. a./Kommission, 50/84, Slg. 1984, 3991, Randnr. 8, und vom 18. April 2002, Spanien/Rat, C‑61/96, C‑132/97, C‑45/98, C‑27/99, C‑81/00 und C‑22/01, Slg. 2002, I‑3439, Randnr. 23).

66      Da im vorliegenden Fall die Nichtigkeitsklage vor der Verkündung des Urteils Deutsche Post/Kommission erhoben wurde, ist folglich für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen, zu dem die Negativentscheidung von 2002 noch Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung war und damit noch rechtlichen Bestand hatte.

67      Daraus folgt, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, als es entschieden hat, dass die streitige Entscheidung keine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 230 EG sei. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben, ohne dass die übrigen von DP zur Stützung ihres Rechtsmittels geltend gemachten Gründe geprüft zu werden brauchen.

68      Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann dieser im Fall der Aufhebung der Entscheidung des Gerichts die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen. Im vorliegenden Fall ist der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung reif. Folglich ist die Sache an das Gericht zurückzuverweisen, und die Kostenentscheidung ist vorzubehalten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 8. Dezember 2011, Deutsche Post/Kommission (T‑421/07), wird aufgehoben.

2.      Die Rechtssache wird an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.

3.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.