Language of document : ECLI:EU:C:2015:601

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

16. September 2015(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Art. 7 – Leistung bei Alter – Weihnachtsgratifikation – Wohnortklausel“

In der Rechtssache C‑361/13

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 26. Juni 2013,

Europäische Kommission, vertreten durch A. Tokár, D. Martin und F. Schatz als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Slowakische Republik, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter S. Rodin, A. Borg Barthet, E. Levits (Berichterstatter) und der Richterin M. Berger,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Slowakische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 45 AEUV und 48 AEUV sowie Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166, S. 1, und Berichtigung in ABl. L 200, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 (ABl. L 284, S. 43) geänderten Form (im Folgenden: Verordnung Nr. 883/2004) verstoßen hat, dass sie es abgelehnt hat, Bezugsberechtigten, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als der Slowakischen Republik haben, die im Gesetz Nr. 592/2006 zur Gewährung einer Weihnachtsgratifikation an bestimmte Bezieher von Renten und zur Vervollständigung bestimmter Gesetze in der zuletzt geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. 592/2006) vorgesehene Weihnachtsgratifikation zu gewähren.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

2        Der 16. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:

„Innerhalb der Gemeinschaft ist es grundsätzlich nicht gerechtfertigt, Ansprüche der sozialen Sicherheit vom Wohnort der betreffenden Person abhängig zu machen; in besonderen Fällen jedoch – vor allem bei besonderen Leistungen, die an das wirtschaftliche und soziale Umfeld der betreffenden Person gebunden sind – könnte der Wohnort berücksichtigt werden.“

3        Im 37. Erwägungsgrund dieser Verordnung heißt es:

„Der Gerichtshof hat wiederholt festgestellt, dass Vorschriften, mit denen vom Grundsatz der ‚Exportierbarkeit‘ der Leistungen der sozialen Sicherheit abgewichen wird, eng ausgelegt werden müssen. Dies bedeutet, dass sie nur auf Leistungen angewendet werden können, die den genau festgelegten Bedingungen entsprechen. Daraus folgt, dass Titel III Kapitel 9 dieser Verordnung nur auf Leistungen angewendet werden kann, die sowohl besonders als auch beitragsunabhängig sind und in Anhang X dieser Verordnung aufgeführt sind.“

4        Art. 1 Buchst. w der Verordnung Nr. 883/2004 bestimmt:

„Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

...

w)      ‚Renten‘ nicht nur Renten im engeren Sinn, sondern auch Kapitalabfindungen, die an deren Stelle treten können, und Beitragserstattungen sowie, soweit Titel III nichts anderes bestimmt, Anpassungsbeträge und Zulagen“.

5        Art. 3 („Sachlicher Geltungsbereich“) dieser Verordnung sieht vor:

„(1)      Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:

...

d)      Leistungen bei Alter;

...

(2)      Sofern in Anhang XI nichts anderes bestimmt ist, gilt diese Verordnung für die allgemeinen und die besonderen, die auf Beiträgen beruhenden und die beitragsfreien Systeme der sozialen Sicherheit sowie für die Systeme betreffend die Verpflichtungen von Arbeitgebern und Reedern.

(3)      Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Artikel 70.

...

(5)      Diese Verordnung gilt nicht für:

a)      soziale und medizinische Fürsorge …

…“

6        Art. 7 („Aufhebung der Wohnortklauseln“) der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:

„Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, dürfen Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.“

 Slowakisches Recht

7        Art. 1 des Gesetzes Nr. 592/2006 sieht vor:

„(1)      Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, erhalten die Bezieher einer Altersrente, einer Frührente, einer Invalidenrente, einer Sozialrente, einer Witwen‑/Witwerrente oder einer auf einer besonderen Regelung beruhenden Waisenrente, die im Dezember des Kalenderjahrs einen Anspruch auf Zahlung dieser Rente und ihren Wohnsitz auf dem Gebiet der Slowakischen Republik haben, soweit der Betrag der im Dezember des Kalenderjahrs gezahlten Rente 60 % des vom nationalen Statistikamt bekannt gegebenen durchschnittlichen Monatslohns in der Slowakischen Republik im der Zahlung der Weihnachtsgratifikation vorhergehenden Jahr nicht übersteigt, von der Sozialversicherung eine Weihnachtsgratifikation, die eine staatliche Sozialleistung darstellt.

(2)      Die Bezieher einer Rente des Militär- und Polizeikorps, einer Invalidenrente des Militär- und Polizeikorps, einer Witwen‑/Witwerrente des Militär- und Polizeikorps oder einer auf einer besonderen Regelung beruhenden Waisenrente des Militär- und Polizeikorps, deren Rente ursprünglich als Altersrente, Invalidenrente, Teilinvalidenrente, Rente für Dienstjahre, Witwen‑/Witwerrente oder Waisenrente nach der allgemeinen Regelung im Bereich der sozialen Sicherheit bis zum 30. April 1998 gewährt wurde und nach der seit dem 1. Mai 1998 geltenden Regelung eine Leistung der Versicherung des Militär- und Polizeikorps geworden ist bzw. die bis zum 30. Juni 2002 gewährt wurde und nach einer besonderen Regelung eine Leistung der Versicherung des Militär- und Polizeikorps geworden ist, sowie die Bezieher einer Witwen‑/Witwerrente des Militär- und Polizeikorps oder einer Waisenrente des Militär- und Polizeikorps, die nach dem Tod einer Person, die Bezugsberechtigter einer umgewandelten Altersrente, einer umgewandelten Invalidenrente, einer umgewandelten Teilinvalidenrente oder einer umgewandelten Rente für Dienstjahre war, gewährt wurde, erhalten, wenn sie im Dezember des Kalenderjahrs einen Anspruch auf Zahlung dieser Rente und ihren Wohnsitz auf dem Gebiet der Slowakischen Republik haben, von der Sozialversicherungsabteilung des Innenministeriums, dem Nachrichtendienst, dem Büro für nationale Sicherheit, dem Ministerium für Transport, Post und Telekommunikation, dem Finanzministerium und dem militärischen Amt für soziale Sicherheit (im Folgenden: Behörden) eine Weihnachtsgratifikation, die eine staatliche Sozialleistung darstellt, soweit der Betrag der im Dezember des Kalenderjahrs gezahlten Rente den nach Abs. 1 berechneten Betrag nicht übersteigt.

(5)      Die Bezieher einer Altersrente oder einer Invalidenrente, die gleichzeitig eine Sozialrente beziehen, erhalten die in Abs. 1 genannte Weihnachtsgratifikation nur einmal, soweit die Summe der im Dezember des Kalenderjahrs gezahlten Altersrente und Sozialrente bzw. Invalidenrente und Sozialrente den nach Abs. 1 berechneten Betrag nicht übersteigt. Die in den Abs. 1 bis 3 genannten Bezieher einer Altersrente, einer Frührente, einer Invalidenrente, einer Sozialrente, einer Altersrente des Militär- und Polizeikorps oder einer Invalidenrente des Militär- und Polizeikorps, die gleichzeitig eine Witwen‑/Witwerrente, eine Waisenrente, eine Witwen‑/Witwerrente des Militär- und Polizeikorps oder eine Waisenrente des Militär- und Polizeikorps beziehen, erhalten die Weihnachtsgratifikation, soweit die Summe der Beträge der im Dezember des Kalenderjahrs gezahlten Renten den nach Abs. 1 berechneten Betrag nicht übersteigt. Wenn die Bezieher einer in den Abs. 1 bis 3 genannten Rente gleichzeitig eine Rente der Sozialversicherung und der Behörden beziehen, und soweit die Summe dieser im Dezember des Kalenderjahrs gezahlten Renten den nach Abs. 1 berechneten Betrag nicht übersteigt, wird die Weihnachtsgratifikation der Rente hinzugerechnet, deren Betrag am höchsten ist.

(8)      Der Betrag der Weihnachtsgratifikation

a)      ist 66,39 Euro, wenn der Betrag der Rente oder die Summe der Renten geringer oder gleich dem Mindesteinkommen für einen Erwachsenen nach der geltenden Sonderregelung ist …,

b)      wird nach der Formel im Anhang berechnet, wenn der Betrag der Rente oder die Summe der Renten höher als das Mindesteinkommen für einen Erwachsenen nach der geltenden Sonderregelung ist.“

8        Die im Anhang des Gesetzes Nr. 592/2006 enthaltene Formel sieht eine progressive Verringerung des Betrags der Weihnachtsgratifikation vor, soweit der Betrag der Rente oder die Summe der Renten das Mindesteinkommen für einen Erwachsenen übersteigt.

 Vorverfahren

9        Die Kommission übermittelte am 28. Februar 2012, nachdem sie eine Beschwerde von mehreren slowakischen Rentnern erhalten und hierüber mit der Slowakischen Republik korrespondiert hatte, diesem Mitgliedstaat ein Mahnschreiben, in dem sie geltend machte, dass die im Gesetz Nr. 592/2006 vorgesehene Weihnachtsgratifikation als „Leistung“ im Sinne der Verordnung Nr. 883/2004 anzusehen sei. Daher könne ihre Zahlung nach Art. 7 dieser Verordnung nicht vom Wohnsitz des Begünstigten abhängig gemacht werden.

10      Die Slowakische Republik antwortete auf das Mahnschreiben mit einem Schreiben vom 17. April 2012, in dem sie ausführte, dass die Weihnachtsgratifikation eine besondere staatliche Sozialleistung sei, die die in Art. 70 der Verordnung Nr. 883/2004 genannten Merkmale einer besonderen beitragsunabhängigen Geldleistung aufweise. Daher verstoße das die Gewährung dieser Weihnachtsgratifikation regelnde Gesetz weder gegen diese Verordnung noch gegen die Art. 45 AEUV und 48 AEUV.

11      Da das Vorbringen der Slowakischen Republik sie nicht überzeugte, richtete die Kommission am 22. November 2012 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an diesen Mitgliedstaat, in der sie ihn aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrem Eingang nachzukommen. In dieser Stellungnahme machte die Kommission geltend, dass die Weihnachtsgratifikation als eine „Leistung bei Alter“ im Sinne der Verordnung Nr. 883/2004 und nicht als eine „besondere beitragsunabhängige Geldleistung“ im Sinne von Art. 70 Abs. 2 dieser Verordnung anzusehen sei. Die Slowakische Republik müsse diesen Beitrag daher auch den Begünstigten zahlen, die nicht auf slowakischem Gebiet wohnten.

12      Die Slowakische Republik beantwortete die mit Gründen versehene Stellungnahme mit einem Schreiben vom 16. Januar 2013, in dem sie geltend machte, dass die Weihnachtsgratifikation eine Leistung der Sozialhilfe darstelle, die nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 falle.

13      Da das Vorbringen der Slowakischen Republik sie nicht überzeugte, beschloss die Kommission, die vorliegende Klage zu erheben.

 Zur Klage

 Zur Tragweite der Klage

 Vorbringen der Parteien

14      Sowohl in ihrer Klagebeantwortung als auch in ihrer Gegenerwiderung macht die Slowakische Republik erstens geltend, dass sich die Klage der Kommission, die darauf gestützt sei, dass die Weihnachtsgratifikation eine „Leistung bei Alter“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 883/2004 sei, nicht auf die Weigerung beziehen könne, die Weihnachtsgratifikation den nicht in der Slowakei wohnenden Beziehern von Renten zu gewähren, die andere Risiken abdeckten als das des Einkommensverlusts wegen Alters, wie etwa eine Invalidenrente, eine Witwen‑/Witwerrente, eine Waisenrente oder eine Sozialrente.

15      Daher geht die Slowakische Republik davon aus, dass die Kommission mit der Klage lediglich rügt, dass sie die Weihnachtsgratifikation den nicht in der Slowakei wohnenden Beziehern einer Altersrente, einer Frührente oder einer Rente des Militär- und Polizeikorps versagt.

16      Die Kommission hat sich hierzu nicht geäußert.

17      Die Slowakische Republik macht zweitens geltend, die Klage sei unzulässig, soweit sie den behaupteten Verstoß gegen die Art. 45 AEUV und 48 AEUV betreffe, da die Klageschrift insoweit keine dem Art. 120 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entsprechende Begründung enthalte.

18      Hierzu führt die Kommission in ihrer Erwiderung aus, dass die Art. 45 AEUV und 48 AEUV sowie die Verordnung Nr. 883/2004 einen einheitlichen und im vorliegenden Fall geeigneten Rechtsrahmen bildeten. Die Slowakische Republik habe dadurch, dass sie die Weihnachtsgratifikation nicht an außerhalb ihres Gebiets wohnende Begünstigte zahle, gegen die Verordnung Nr. 883/2004, den in Art. 48 AEUV genannten Grundsatz der Exportierbarkeit der Leistungen und das in Art. 45 AEUV verankerte Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Union verstoßen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

19      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass zur Beurteilung der Auswirkungen, die sich in Anbetracht des Kreises der von der Weihnachtsgratifikation Begünstigten aus dem Vortrag der Kommission, es handele sich bei der Weihnachtsgratifikation um eine Leistung bei Alter, ergeben, eine Einordnung der Weihnachtsgratifikation im Hinblick auf die Verordnung Nr. 883/2004, insbesondere Art. 3 Abs. 1 Buchst. d, in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof vorzunehmen ist.

20      Eine solche Beurteilung stellt eine materiell-rechtliche Frage dar und ist daher im Zuge der Prüfung der Begründetheit der Klage vorzunehmen.

21      Zweitens ergibt sich aus Art. 120 Buchst. c der Verfahrensordnung und der einschlägigen Rechtsprechung, dass die Klageschrift den Streitgegenstand angeben und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss und dass diese Angaben so klar und deutlich sein müssen, dass sie dem Beklagten die Vorbereitung seines Verteidigungsvorbringens und dem Gerichtshof die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe ermöglichen. Folglich müssen sich die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die eine Klage gestützt wird, zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben, und die Anträge der Klageschrift müssen eindeutig formuliert sein, damit der Gerichtshof nicht ultra petita entscheidet oder eine Rüge übergeht (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Tschechische Republik, C‑343/08, EU:C:2010:14, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Kommission/Spanien, C‑360/11, EU:C:2013:17, Rn. 26).

22      Die Kommission führt in der Klageschrift zwar aus, dass Art. 7 der Verordnung Nr. 883/2004, dessen Verletzung der Slowakischen Republik vorgeworfen wird, im Licht von Art. 48 AEUV auszulegen sei. Die Klageschrift enthält jedoch kein spezifisches Vorbringen zur Stützung der Rügen, die den geltend gemachten Verstoß gegen die Art. 45 AEUV und 48 AEUV betreffen.

23      Unter diesen Umständen sind die den Verstoß gegen die Art. 45 AEUV und 48 AEUV betreffenden Rügen als unzulässig anzusehen, und die Begründetheit der Klage der Kommission ist allein im Hinblick auf Art. 7 der Verordnung Nr. 883/2004 zu prüfen.

 Zur Begründetheit

 Vorbringen der Parteien

24      Die Kommission trägt vor, dass die Weihnachtsgratifikation eine „Leistung bei Alter“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 883/2004 sei und daher auch an die nicht in der Slowakei wohnenden Begünstigten gezahlt werden müsse. Die Slowakische Republik verstoße, indem sie vorsehe, dass allein die in diesem Mitgliedstaat wohnhaften Begünstigten die Gratifikation erhalten könnten, gegen Art. 7 der Verordnung Nr. 883/2004.

25      Die Weihnachtsgratifikation erfülle die beiden in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Voraussetzungen, unter denen eine bestimmte Leistung als eine in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 fallende Leistung der sozialen Sicherheit angesehen werden könne.

26      So werde die Weihnachtsgratifikation erstens aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestandsmerkmals ohne jede im Ermessen liegende individuelle Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit gewährt. Die Weihnachtsgratifikation werde nämlich allen Personen gewährt, die die in der nationalen Regelung vorgesehenen Bedingungen erfüllten, d. h. die eine der im Gesetz genannten Renten beziehen und daraus im Dezember des Kalenderjahrs einen Betrag erhalten, der 60 % des durchschnittlichen Monatslohns in der Slowakei nicht übersteigt. Diese Bedingungen seien allgemein und zwingend und ließen weder eine individuelle Behandlung noch ein Ermessen von Seiten der slowakischen Behörden zu.

27      Zweitens beziehe sich die Weihnachtsgratifikation auf die in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 genannten Risikokategorien. Im Einzelnen bestimme Art. 3 Abs. 1 Buchst. d dieser Verordnung, dass Leistungen bei Alter in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 fielen. Dies entspreche dem Anwendungsbereich des Gesetzes Nr. 592/2006, das vorsehe, dass die Weihnachtsgratifikation den Beziehern einer Altersrente oder einer Frührente, einer Invalidenrente, einer Witwen‑/Witwerrente oder einer Waisenrente oder auch einer Sozialrente gewährt werde.

28      Ferner stehe der Umstand, dass die Weihnachtsgratifikation als solche es nicht ermögliche, die Grundbedürfnisse des Begünstigten zu erfüllen, ihrer Einordnung als „Leistung bei Alter“ nicht entgegen, da sie eine „Erhöhung des Einkommens der Rentner“ im Sinne von Art. 1 Buchst. w der Verordnung Nr. 883/2004 bedeute.

29      Der Zweck der Weihnachtsgratifikation sei die Erhöhung des Einkommens der Rentenbezieher, was ihre Einordnung unter die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 883/2004 genannten und die u. a. von Art. 7 dieser Verordnung geregelten Leistungen bestätige.

30      Insoweit sei es unerheblich, dass die Weihnachtsgratifikation nicht auf die gleiche Weise finanziert werde wie die Rente selbst, da ein solches Erfordernis im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 stünde, deren praktische Wirksamkeit erheblich schwächen würde und sich auch nicht aus dem Urteil Noteboom (C‑101/04, EU:C:2005:51, Rn. 27) ableiten lasse, da die Verwendung des Adverbs „zudem“ für den Hinweis auf die geeignete Finanzierungsart der betroffenen Leistungen zeige, dass dieser Gesichtspunkt für die Argumentation des Gerichtshofs nicht unabdingbar gewesen sei.

31      Dass es sich in der Rechtssache, in der das Urteil Noteboom (C‑101/04, EU:C:2005:51) ergangen sei, um eine an alle Rentenberechtigten gezahlte Leistung mit Beitragscharakter gehandelt habe, verringere die Relevanz dieses Urteils für die vorliegende Rechtssache nicht. Der Umstand, dass die Weihnachtsgratifikation lediglich an einen bestimmten Kreis von Rentenberechtigten gezahlt werde, wäre nur dann von Interesse, wenn die Zugehörigkeit zu diesem Kreis von einer im Ermessen liegenden individuellen Prüfung abhinge, was nicht der Fall sei, da die Gratifikation an alle Personen gezahlt werde, die die gesetzlich festgelegten Bedingungen erfüllten.

32      Als Leistung bei Alter falle die Weihnachtsgratifikation daher unter Art. 7 der Verordnung Nr. 883/2004. Dieser Artikel, der im Licht von Art. 48 AEUV auszulegen sei, verlange von den Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass unter diese Verordnung fallende Leistungen nicht „aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat“. Aus diesem Artikel gehe hervor, dass Ausnahmen von dieser Regel in der Verordnung selbst vorgesehen sein müssten. Die Slowakische Republik könne daher die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation an außerhalb des slowakischen Hoheitsgebiets wohnende Personen nicht verweigern, da weder die Verordnung Nr. 883/2004 noch eine andere Bestimmung des Unionsrechts ihr die Möglichkeit dazu gebe.

33      Schließlich macht die Kommission geltend, dass die Weihnachtsgratifikation keine „besondere beitragsunabhängige Geldleistung“ im Sinne von Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 darstelle, da es sich um eine „Leistung“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung handele.

34      Die Slowakische Republik ist bereit, der Kommission zuzugestehen, dass die Weihnachtsgratifikation keine „besondere beitragsunabhängige Geldleistung“ im Sinne von Art. 3 Abs. 3 und Art. 70 der Verordnung Nr. 883/2004 ist.

35      Allerdings unterliege die Weihnachtsgratifikation entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht der Verordnung Nr. 883/2004, da sie die erforderlichen Bedingungen erfülle, um als „Leistung der Sozialhilfe“ eingestuft zu werden, die ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 ausgeschlossen sei.

36      Die Weihnachtsgratifikation solle nämlich nicht lediglich das Einkommen der Leistungsbezieher erhöhen, sondern vielmehr, indem nach der Höhe ihres Einkommens differenziert werde, die schwierige soziale Situation der Leistungsbezieher mit geringem Einkommen abmildern. Als besondere, nicht systematische Sozialleistung, die aus staatlichen Haushaltsmitteln finanziert werde, stelle diese Gratifikation eine Geste der Solidarität der gesamten Gesellschaft gegenüber einer Gruppe von Leistungsbeziehern mit geringem Einkommen dar, um ihnen in einer Zeit, in der sie persönlich die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen ihres geringen Einkommens spüren können, ein Mindesteinkommen zu sichern.

37      Die Gewährung der Weihnachtsgratifikation und die Berechnung ihres Betrags berücksichtige die persönliche Situation des Begünstigten, da die Gratifikation nur denjenigen Leistungsbeziehern gewährt werde, deren Unterstützungsleistungen 60 % des durchschnittlichen Monatslohns in der Slowakei nicht überstiegen, und ihr Betrag sinke progressiv, soweit die Summe ihrer Leistungen das Mindesteinkommen für einen Erwachsenen in diesem Mitgliedstaat übersteige.

38      In Anbetracht des einmaligen Charakters und des geringen Betrags dieser Gratifikation wäre mit einer genaueren Berücksichtigung der individuellen Situation jedes einzelnen Empfängers einschließlich der Bestimmung der genauen Höhe seines Vermögens und seines übrigen Einkommens ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand für die Sozialversicherung verbunden, die die Weihnachtsgratifikation zahle.

39      Die Gewährung und der Betrag der Weihnachtsgratifikation seien unabhängig von Beschäftigungs-, Zugehörigkeits- oder Beitragszeiten der Begünstigten. Auch wenn die nicht beitragsabhängige Finanzierung der Weihnachtsgratifikation als solche nicht maßgeblich für die Beantwortung der Frage sei, ob es sich um eine Leistung der Sozialversicherung handle oder nicht, bestätige sie in einer Gesamtschau mit dem Zweck und den Bezugsbedingungen, dass diese Gratifikation eine Leistung der Sozialhilfe sei.

40      Schließlich erfülle die Weihnachtsgratifikation keine der beiden Voraussetzungen, um als „Leistung der sozialen Sicherheit“ nach der Verordnung Nr. 883/2004 eingestuft zu werden, da die Begünstigten über keinen Rechtsanspruch auf diese Gratifikation verfügten und diese sich nicht auf die in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 genannten Risikokategorien beziehe.

41      Zu diesem letztgenannten Punkt führt die Slowakische Republik aus, dass die Weihnachtsgratifikation weder eine „Leistung bei Alter“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 883/2004 noch eine „Rente“ als solche im Sinne von Art. 1 Buchst. w dieser Richtlinie sei. Allein schon wegen ihres geringen Betrags und ihres einmaligen Charakters ziele sie nicht darauf ab, ausreichende Mittel zur Deckung des Bedarfs von Personen bereitzustellen, die nach Erreichung des Rentenalters ihre Beschäftigung aufgegeben haben.

42      Die Weihnachtsgratifikation entspreche auch keiner der anderen in Art. 1 Buchst. w der Verordnung Nr. 883/2004 genannten besonderen Leistungen, die als „Rente“ einzustufen seien, insbesondere keiner Zulage, da die Weihnachtsgratifikation nicht beitragsabhängig, unmittelbar durch den Mitgliedstaat und vollständig unabhängig von der Erhebung von Versicherungsbeiträgen auf andere vom Amt für soziale Sicherheit gezahlten Leistungen finanziert werde.

43      In jedem Fall sei der Ausschluss der Exportierbarkeit der in Rede stehenden Leistung nicht willkürlich, sondern ergebe sich aus den die besondere Lage in der Slowakei betreffenden Umständen. Diese spiegelten sich in den Bedingungen für die Gewährung der Weihnachtsgratifikation und in der Berechnung ihres Betrags nach Maßgabe von auf den Durchschnittslohn und den Mindestlohn in der Slowakei bezogenen Parametern wider. Die Exportierbarkeit einer solchen Leistung stünde in völligem Widerspruch zu ihrem Bezug zur innerstaatlichen sozialen Situation.

 Würdigung durch den Gerichtshof

44      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage Sache der Kommission ist, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen. Sie hat dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte zu liefern, die es diesem ermöglichen, das Vorliegen der Vertragsverletzung zu prüfen, ohne dass sie sich hierfür auf irgendeine Vermutung stützen kann (vgl. insbesondere Urteile Kommission/Niederlande, 96/81, EU:C:1982:192, Rn. 6, Kommission/Spanien, C‑404/00, EU:C:2003:373, Rn. 26, Kommission/Italien, C‑135/05, EU:C:2007:250, Rn. 26, und Kommission/Griechenland, C‑305/06, EU:C:2008:486, Rn. 41).

45      Zur Beurteilung der Begründetheit der vorliegenden Klage ist zu bestimmen, ob die Weihnachtsgratifikation eine „Leistung der sozialen Sicherheit“ im Sinne der Verordnung Nr. 883/2004 darstellt, für die die in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehene Aufhebung der Wohnortklauseln gilt.

46      Die Unterscheidung zwischen Leistungen, die in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 fallen, und Leistungen, die davon ausgenommen sind, hängt nicht davon ab, ob eine Leistung nach den nationalen Rechtsvorschriften eine „Leistung der sozialen Sicherheit“ darstellt, sondern in erster Linie von den Wesensmerkmalen der jeweiligen Leistung, insbesondere von ihrem Zweck und den Voraussetzungen ihrer Gewährung (Urteil Molenaar, C‑160/96, EU:C:1998:84, Rn. 19).

47      Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Leistung dann als eine Leistung der sozialen Sicherheit betrachtet werden, wenn sie den Begünstigten aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands ohne jede im Ermessen liegende individuelle Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit gewährt wird und wenn sie sich auf eines der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht (vgl. insbesondere Urteil da Silva Martins, C‑388/09, EU:C:2011:439, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Aus den Bestimmungen über die Gewährung der Weihnachtsgratifikation geht zunächst hervor, dass diese den Beziehern einer der in Art. 1 Abs. 1 und 2 des Gesetzes Nr. 592/2006 genannten Renten gewährt wird, die im Dezember des in Rede stehenden Kalenderjahrs einen Anspruch auf Zahlung dieser Rente haben, die in der Slowakei wohnen und deren Einkünfte aus gesetzlichen Renten geringer oder gleich 60 % des durchschnittlichen Monatslohns in der Slowakei in der Referenzperiode sind.

49      Sodann legt Art. 1 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 592/2006 die Regeln fest, nach denen den Beziehern von mehreren in Art. 1 Abs. 1 bis 3 genannten Renten die Weihnachtsgratifikation gewährt werden kann.

50      Schließlich ist in Art. 1 Abs. 8 des Gesetzes Nr. 592/2006 und dessen Anhang geregelt, wie der Betrag der Gratifikation zu berechnen ist.

51      Daraus folgt im Hinblick auf die erste Voraussetzung der Gewährung der Leistung ohne jede im Ermessen liegende individuelle Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit, dass die Gewährung der Weihnachtsgratifikation den in Art. 1 des Gesetzes Nr. 592/2006 abschließend aufgeführten Bedingungen unterliegt, ohne dass die zuständigen Behörden insoweit über einen Ermessensspielraum verfügen würden.

52      Zwar wird die Weihnachtsgratifikation unter Berücksichtigung der Renteneinkünfte des Begünstigten berechnet und dementsprechend gewährt oder versagt. Dabei handelt es sich jedoch um ein objektives und rechtlich festgelegtes Kriterium, bei dessen Vorliegen der Anspruch auf diese Gratifikation besteht, ohne dass die zuständige Behörde sonstige persönliche Verhältnisse berücksichtigen dürfte. Die Gewährung der Weihnachtsgratifikation hängt daher nicht von einer Einzelfallbeurteilung der persönlichen Bedürftigkeit des Antragstellers ab, wie sie für die Sozialhilfe charakteristisch ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Hughes, C‑78/91, EU:C:1992:331, Rn. 17, Acciardi, C-66/92, EU:C:1993:341, Rn. 15, und De Cuyper, C‑406/04, EU:C:2006:491, Rn. 23).

53      In Bezug auf die zweite Voraussetzung ist daran zu erinnern, dass die Weihnachtsgratifikation nach Ansicht der Kommission eine „Leistung bei Alter“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 883/2004 ist und eine „Erhöhung des Einkommens der Rentner“ im Sinne von Art. 1 Buchst. w dieser Verordnung bedeutet.

54      Nach der in Rn. 46 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist, um bestimmen zu können, ob die Weihnachtsgratifikation als „Leistung bei Alter“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 883/2004 einzustufen ist, auf ihre Wesensmerkmale, insbesondere ihren Zweck und die Voraussetzungen ihrer Gewährung, abzustellen.

55      Insoweit ist festzustellen, dass die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 883/2004 genannten Leistungen bei Alter sich im Wesentlichen dadurch auszeichnen, dass sie den Lebensunterhalt für Personen sicherstellen sollen, die bei Erreichen eines bestimmten Alters ihre Beschäftigung aufgeben und nicht mehr verpflichtet sind, sich der Arbeitsverwaltung zur Verfügung zu stellen (vgl. Urteil Valentini, 171/82, EU:C:1983:189, Rn. 14).

56      Ferner hat der Gerichtshof entschieden, dass insbesondere eine Leistung, die als Zulage ausschließlich den Empfängern einer Alters- und/oder Hinterbliebenenrente ausgezahlt wird, die aus genau den gleichen Mitteln wie die Alters- und Hinterbliebenenrenten finanziert wird, und die die Altersrente ergänzt, um es den Empfängern zu ermöglichen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, indem ihnen ein zusätzlicher Betrag gewährt wird, der es ihnen gegebenenfalls ermöglicht, Urlaub zu machen, als „Leistung bei Alter“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 883/2004 eingestuft werden kann (Urteil Noteboom, C‑101/04, EU:C:2005:51, Rn. 25 bis 29).

57      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Weihnachtsgratifikation nicht ausschließlich an Bezieher einer Altersrente, einer Frührente oder einer Altersrente des Militär- und Polizeikorps gezahlt wird, sondern der Kreis der Begünstigten auch die Bezieher anderer Renten wie z. B. einer Invalidenrente, einer Sozialrente, einer Witwen‑/Witwerrente oder einer Waisenrente umfasst.

58      Die Kommission erläutert jedoch nicht, aus welchen Gründen sie in Anbetracht eines so weiten persönlichen Anwendungsbereichs davon ausgeht, dass die Weihnachtsgratifikation als „Leistung bei Alter“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 883/2004 anzusehen ist.

59      Aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte ergibt sich, dass die Weihnachtsgratifikation dazu dient, den Beziehern dieser verschiedenen Renten, deren Einkünfte den im Gesetz festgelegten Schwellenwert nicht übersteigen, eine finanzielle Zulage zukommen zu lassen.

60      Soweit die Weihnachtsgratifikation den Beziehern von Altersrenten oder diesen gleichgestellten Renten gewährt wird, ergänzt sie die Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts von Personen, die ein gewisses Alter erreicht haben. Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Zweck der Weihnachtsgratifikation allein von der Art der Rente abhängt, deren Ergänzung sie dient.

61      Zum einen soll die in Form der Weihnachtsgratifikation gezahlte finanzielle Zulage, wie die Slowakische Republik geltend macht, die schwierige soziale Situation der Leistungsbezieher mit geringem Einkommen in einer Zeit abmildern, in der sie persönlich die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen ihres geringen Einkommens spüren können. Zum anderen ergibt sich die eigentliche Zielsetzung der Weihnachtsgratifikation auch aus den in Art. 1 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 592/2006 vorgesehenen Regeln zum Bezug dieser Gratifikation, wenn der Begünstigte mehrere Renten bezieht. Aus dieser Bestimmung geht im Wesentlichen hervor, dass die Bezieher mehrerer gesetzlicher Renten die Weihnachtsgratifikation nur einmal erhalten und auch nur dann, wenn die Summe der Renten den festgelegten Schwellenwert nicht übersteigt.

62      Daher ist davon auszugehen, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass die Weihnachtsgratifikation aufgrund ihrer Wesensmerkmale als „Leistung bei Alter“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 883/2004 eingestuft werden kann.

63      Die Klage der Kommission ist daher abzuweisen.

 Kosten

64      Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem entsprechenden Antrag der Slowakischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Slowakisch.