Language of document : ECLI:EU:C:2021:47

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

21. Januar 2021(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Wettbewerb – Von der nationalen Wettbewerbsbehörde verhängte Sanktionen – Verjährungsfrist – Verjährungsunterbrechende Handlungen – Nationale Regelung, mit der nach der Einleitung einer Untersuchung die Möglichkeit ausgeschlossen wird, dass eine spätere Verfolgungs- oder Ermittlungshandlung die neue Verjährung unterbrechen könnte – Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung – Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Art. 25 Abs. 3 – Anwendungsbereich – Art. 4 Abs. 3 EUV – Art. 101 AEUV – Grundsatz der Effektivität“

In der Rechtssache C‑308/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Înalta Curte de Casaţie şi Justiţie (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien) mit Entscheidung vom 14. Februar 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 15. April 2019, in dem Verfahren

Consiliul Concurenței

gegen

Whiteland Import Export SRL

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer sowie der Richter A. Kumin, T. von Danwitz und P. G. Xuereb,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        des Consiliul Concurenţei, vertreten durch B. Chiriţoiu, C. Butacu, I. Dăsculţu und C. Pântea als Bevollmächtigte,

–        der Whiteland Import Export SRL, vertreten durch Rechtsanwalt D. Schroeder,

–        der rumänischen Regierung, zunächst vertreten durch C.‑R. Canţăr, O.‑C. Ichim und A. Rotăreanu, dann durch E. Gane, O.‑C. Ichim und A. Rotăreanu als Bevollmächtigte,

–        der luxemburgischen Regierung, zunächst vertreten durch T. Uri und C. Schiltz als Bevollmächtigte, dann durch T. Uri als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Meessen und I. Rogalski als Bevollmächtigte,

–        der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch C. Simpson, I. O. Vilhjálmsdóttir und C. Zatschler als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. September 2020

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 3 EUV, Art. 101 AEUV und Art. 25 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Consiliul Concurenței (Wettbewerbsrat, Rumänien) und der Whiteland Import Export SRL (im Folgenden: Whiteland) wegen einer Entscheidung, mit der gegen diese Gesellschaft eine Geldbuße wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsvorschriften verhängt wurde.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 gibt der Europäischen Kommission die Möglichkeit, gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen wegen Zuwiderhandlungen gegen die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften der Union Geldbußen zu verhängen. Art. 24 dieser Verordnung ermächtigt die Kommission, Zwangsgelder festzusetzen, insbesondere um diese Unternehmen und Unternehmensvereinigungen zu zwingen, Zuwiderhandlungen dieser Art abzustellen.

4        Art. 25 Abs. 1 und 3 der Verordnung sieht vor:

„(1)      Die Befugnis der Kommission nach den Artikeln 23 und 24 verjährt

a)      in drei Jahren bei Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften über die Einholung von Auskünften oder die Vornahme von Nachprüfungen,

b)      in fünf Jahren bei den übrigen Zuwiderhandlungen.

(3)      Die Verjährung der Befugnis zur Festsetzung von Geldbußen oder Zwangsgeldern wird durch jede auf Ermittlung oder Verfolgung der Zuwiderhandlung gerichtete Handlung der Kommission oder der Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats unterbrochen. Die Unterbrechung tritt mit dem Tag ein, an dem die Handlung mindestens einem an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen oder einer beteiligten Unternehmensvereinigung bekannt gegeben wird. Die Verjährung wird unter anderem durch folgende Handlungen unterbrochen:

a)      schriftliche Auskunftsverlangen der Kommission oder der Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats,

b)      schriftliche Nachprüfungsaufträge, die die Kommission oder die Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats ihren Bediensteten erteilen,

c)      die Einleitung eines Verfahrens durch die Kommission oder durch die Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats,

d)      die Mitteilung der von der Kommission oder der Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats in Betracht gezogenen Beschwerdepunkte.“

5        Art. 35 Abs. 1 dieser Verordnung lautet:

„Die Mitgliedstaaten bestimmen die für die Anwendung der Artikel [101 und 102 AEUV] zuständige(n) Wettbewerbsbehörde(n) so, dass die Bestimmungen dieser Verordnung wirksam angewandt werden. Sie ergreifen vor dem 1. Mai 2004 die notwendigen Maßnahmen, um diesen Behörden die Befugnis zur Anwendung der genannten Artikel zu übertragen. Zu den bestimmten Behörden können auch Gerichte gehören.“

 Rumänisches Recht

6        Art. 5 Abs. 1 der Legea concurenței nr. 21/1996 (Gesetz Nr. 21/1996 über den Wettbewerb) vom 10. April 1996 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 88 vom 30. April 1996) in seiner Fassung vor dem Inkrafttreten der Ordonanţa de urgenţă a Guvernului nr. 31/2015 (Dringlichkeitsverordnung der Regierung Nr. 31/2015) (im Folgenden: Wettbewerbsgesetz) bestimmt:

„Verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs auf dem rumänischen Markt oder einem Teil davon bezwecken oder bewirken, insbesondere

a)      die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;

…“

7        Art. 61 dieses Gesetzes lautet:

„(1)      Das Recht des Wettbewerbsrats, Verwaltungssanktionen wegen eines Verstoßes gegen dieses Gesetz zu verhängen, verjährt

a)      in drei Jahren bei Zuwiderhandlungen nach den Art. 51 und 52;

b)      in fünf Jahren bei den übrigen von diesem Gesetz vorgesehenen Verstößen.

(2)      Die Verjährungsfrist für den Erlass von Maßnahmen durch den Wettbewerbsrat beginnt mit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung begangen worden ist. Bei dauernden oder fortgesetzten Zuwiderhandlungen beginnt die Verjährungsfrist mit dem Tag, an dem die letzte in Rede stehende wettbewerbswidrige Handlung oder Tat beendet ist.“

8        Art. 62 des Gesetzes sieht vor:

„(1)      Jede auf eine Voruntersuchung oder die Einleitung einer Untersuchung wegen eines Gesetzesverstoßes gerichtete Maßnahme des Wettbewerbsrats unterbricht die Verjährung nach Art. 61. Die Unterbrechung der Verjährung tritt mit dem Tag ein, an dem die vom Wettbewerbsrat erlassene Maßnahme zumindest einem an der Zuwiderhandlung beteiligten Wirtschaftsteilnehmer oder einer beteiligten Vereinigung von Wirtschaftsteilnehmern bekannt gegeben wird.

(2)      Zu den Maßnahmen, die der Wettbewerbsrat erlassen kann und die die Verjährung unterbrechen, gehören hauptsächlich:

a)      schriftliche Auskunftsersuchen;

b)      die Entscheidung des Präsidenten des Wettbewerbsrats über die Einleitung einer Untersuchung;

c)      die Einleitung eines Gerichtsverfahrens.

(3)      Die Unterbrechung der Verjährung gilt für alle an der Zuwiderhandlung beteiligten Wirtschaftsteilnehmer oder Vereinigungen von Wirtschaftsteilnehmern.

(4)      Im Fall der Unterbrechung der Verjährung beginnt eine neue Verjährungsfrist derselben Dauer mit dem Tag, an dem der Wettbewerbsrat eine der Maßnahmen nach Abs. 2 erlassen hat. Die Verjährung tritt spätestens an dem Tag ein, an dem eine Frist abläuft, die der doppelten, auf die fragliche Zuwiderhandlung anwendbaren Verjährungsfrist entspricht, ohne dass der Wettbewerbsrat eine der von diesem Gesetz vorgesehenen Sanktionen verhängt hat.“

9        Art. 64 des Wettbewerbsgesetzes Nr. 21/1996 in seiner aus der Dringlichkeitsverordnung der Regierung Nr. 31/2015 hervorgegangenen Fassung (im Folgenden: geändertes Wettbewerbsgesetz), mit dem Art. 62 des Wettbewerbsgesetzes ersetzt worden ist, bestimmt:

„(1)      Jede auf eine Voruntersuchung oder Verfolgung wegen eines Gesetzesverstoßes gerichtete Maßnahme des Wettbewerbsrats unterbricht die Verjährung nach Art. 63 [früher Art. 61]. Die Unterbrechung der Verjährung tritt mit dem Tag ein, an dem die vom Wettbewerbsrat erlassene Maßnahme zumindest einem an der Zuwiderhandlung beteiligten Wirtschaftsteilnehmer oder einer beteiligten Vereinigung von Wirtschaftsteilnehmern bekannt gegeben wird.

(2)      Zu den Maßnahmen, die der Wettbewerbsrat erlassen kann und die die Verjährung unterbrechen, gehören hauptsächlich:

a)      schriftliche Auskunftsersuchen;

b)      die Entscheidung des Präsidenten des Wettbewerbsrats über die Einleitung einer Untersuchung;

c)      die Durchführung von Kontrollen;

d)      die Übermittlung des Untersuchungsberichts.

(3)      Die Unterbrechung der Verjährung gilt für alle an der Zuwiderhandlung beteiligten Wirtschaftsteilnehmer oder Vereinigungen von Wirtschaftsteilnehmern.

(4)      Im Fall der Unterbrechung der Verjährung beginnt eine neue Verjährungsfrist derselben Dauer mit dem Tag, an dem der Wettbewerbsrat eine der Maßnahmen nach Abs. 2 erlassen hat. Die Verjährung tritt spätestens an dem Tag ein, an dem eine Frist abläuft, die der doppelten, auf die fragliche Zuwiderhandlung anwendbaren Verjährungsfrist entspricht, ohne dass der Wettbewerbsrat eine der von diesem Gesetz vorgesehenen Sanktionen verhängt hat.

(5)      Die Verjährung für die Verhängung von Sanktionen wird unterbrochen, solange die Entscheidung des Wettbewerbsrats Gegenstand eines bei einem Gericht anhängigen Verfahrens ist.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

10      Mit Entscheidung vom 7. September 2009 leitete der Wettbewerbsrat von Amts wegen Untersuchungen auf dem Lebensmitteleinzelhandelsmarkt gegen mehrere Wirtschaftsteilnehmer und ihre Lieferanten, darunter Whiteland, ein, um festzustellen, ob diese Unternehmen gegen die Wettbewerbsvorschriften verstoßen hatten. Am 18. Juli 2012 wurden diese verschiedenen Untersuchungen verbunden.

11      Am 12. August 2014 übermittelte der Wettbewerbsrat Whiteland seinen Untersuchungsbericht. Am 23. Oktober 2014 fanden die Anhörungen vor dem Plenum des Wettbewerbsrats statt.

12      Am 9. Dezember 2014 erstellte der Wettbewerbsrat nach Abschluss seiner Beratung ein Beschlussprotokoll, in dem festgestellt wurde, dass die Unternehmen, gegen die ermittelt worden sei, Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des nationalen Wettbewerbsrechts sowie gegen Art. 101 AEUV begangen hätten. Es wurde ihnen vorgeworfen, in den Jahren 2006 bis 2009 wettbewerbswidrige Vereinbarungen getroffen zu haben, um den Wettbewerb auf dem relevanten Markt zu verfälschen und zu verhindern, indem sie den Verkaufs- und Wiederverkaufspreis der Produkte der Lieferanten festgelegt hätten.

13      Mit Bescheid Nr. 13 vom 14. April 2015 verhängte der Wettbewerbsrat Geldbußen gegen diese Unternehmen (im Folgenden: Bescheid 13/2015). Die gegen Whiteland verhängte Geldbuße wurde mit 2 324 484 rumänischen Lei (RON) (etwa 513 000 Euro) festgelegt, was 0,55 % des im Jahr 2013 erzielten Umsatzes entspricht.

14      Whiteland erhob bei der Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien) Klage auf Aufhebung des Bescheids 13/2015, soweit dieser sie betraf.

15      Zur Stützung ihrer Klage machte Whiteland insbesondere geltend, dass die Befugnis des Wettbewerbsrats, eine Sanktion gegen sie zu verhängen, der Verjährungsfrist von fünf Jahren nach Art. 61 Abs. 1 des Wettbewerbsgesetzes unterlegen habe und dass die Verjährung im vorliegenden Fall eingetreten gewesen sei, als diese nationale Behörde den Bescheid 13/2015 erlassen habe.

16      Mit Urteil vom 19. Januar 2016 gab die Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest) der Klage von Whiteland statt und hob den Bescheid 13/2015 auf, soweit er diese Gesellschaft betraf.

17      Nach der Feststellung, dass die Verjährungsfrist am 15. Juli 2009, dem Zeitpunkt, zu dem die Whiteland vorgehaltene Zuwiderhandlung geendet habe, zu laufen begonnen habe, vertrat das Gericht nämlich die Ansicht, dass die Entscheidung über die Einleitung der Untersuchung vom 7. September 2009 die Verjährung unterbrochen und eine neue am 7. September 2014 ablaufende Verjährungsfrist ausgelöst habe, so dass die Verjährung eingetreten gewesen sei, als der Wettbewerbsrat am 14. April 2015 den Bescheid 13/2015 erlassen habe.

18      Die Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest) wies die Argumentation des Wettbewerbsrats, wonach die wettbewerbswidrige Vereinbarung, an der Whiteland beteiligt gewesen sei, durch eine Zusatzvereinbarung bis zum 31. Dezember 2009 verlängert worden sei, insbesondere aufgrund der Tatsache zurück, dass der Wettbewerbsrat im Bescheid 13/2015 selbst darauf hingewiesen habe, dass die letzte wettbewerbswidrige Handlung von Whiteland am 15. Juli 2009 stattgefunden habe.

19      Schließlich stellte dieses Gericht klar, dass die vom Wettbewerbsrat nach der Entscheidung über die Einleitung der Untersuchung getroffenen Maßnahmen nach einer engen Auslegung der nationalen Vorschriften über Verjährungsfristen die neue Verjährung nicht hätten unterbrechen können und diese Entscheidung daher die letzte Handlung dieser Behörde sei, die diese Verjährung unterbrechen könne. Art. 25 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 sei insoweit nur auf die Kommission anwendbar und regele nicht die Verjährungsfristen für die Festsetzung von Geldbußen durch die nationalen Wettbewerbsbehörden.

20      Am 19. Januar 2016 legte der Wettbewerbsrat bei der Înalta Curte de Casație și Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien) gegen das Urteil der Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest) ein Rechtsmittel ein.

21      Der Wettbewerbsrat führte im Wesentlichen aus, dass entgegen der Ansicht der Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest) jedes auf Verfolgung der Zuwiderhandlung gerichtete prozessuale Vorgehen die Verjährung unterbreche. Darüber hinaus führe die Auslegung, wonach die Entscheidung über die Einleitung einer Untersuchung die letzte verjährungsunterbrechende Handlung sei, zu einer uneinheitlichen Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts und der unionsrechtlichen Wettbewerbsvorschriften, da Art. 25 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 im Unterschied zum Wettbewerbsgesetz vorsehe, dass u. a. die auf Verfolgung der Zuwiderhandlung gerichteten Handlungen die Verjährung unterbrächen.

22      Das vorlegende Gericht weist zunächst darauf hin, dass das geänderte Wettbewerbsgesetz nunmehr zwar vorsehe, dass jede auf eine Voruntersuchung oder Verfolgung wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht gerichtete Maßnahme des Wettbewerbsrats die Verjährung unterbreche, das auf das Ausgangsverfahren zeitlich anwendbare Gesetz aber das Wettbewerbsgesetz sei.

23      Unter diesen Bedingungen stellt sich das vorlegende Gericht die Frage, ob die von der Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest) vertretene enge Auslegung des Wettbewerbsgesetzes, wonach allein die auf eine Voruntersuchung oder die Einleitung einer Untersuchung gerichteten Maßnahmen des Wettbewerbsrats die Verjährung unterbrächen, mit Art. 4 Abs. 3 EUV, Art. 101 AEUV und dem Grundsatz der Effektivität vereinbar sei, und ob eine solche enge Auslegung dieses nationalen Gesetzes nicht zu einer uneinheitlichen Anwendung der Wettbewerbsvorschriften führe.

24      Das vorlegende Gericht führt hierzu aus, dass es auf nationaler Ebene zwei Rechtsprechungslinien gebe, wobei die erste für eine enge Auslegung der nationalen Vorschriften über Verjährungsfristen sei und die zweite eine flexible Auslegung dieser Vorschriften vertrete.

25      Nach der ersten der beiden Rechtsprechungslinien betreffe Art. 25 der Verordnung Nr. 1/2003 nur die Befugnis der Kommission, Sanktionen wegen Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsvorschriften der Union zu verhängen, und sei daher nicht auf den Wettbewerbsrat anwendbar. Für die zweite Rechtsprechungslinie müsse es hingegen eine Übereinstimmung zwischen Art. 25 der Verordnung Nr. 1/2003 und den nationalen Verjährungsvorschriften unter Berücksichtigung des Gebots der Kohärenz zwischen den Vorschriften des Unionsrechts und den nationalen Vorschriften geben, insbesondere wenn die nationalen Verjährungsvorschriften den Besitzstand der Union auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts umsetzten.

26      Das vorlegende Gericht leitet daraus ab, dass ihm die endgültige Feststellung obliege, ob die enge Auslegung der Art. 61 und 62 des Wettbewerbsgesetzes, die die Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest) vorgenommen habe, heranzuziehen sei oder ob den nationalen Vorschriften im Hinblick auf Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 101 Abs. 1 AEUV eine weitere und den Anforderungen des Unionsrechts entsprechende Auslegung zukommen solle.

27      In diesem Kontext weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Verordnung Nr. 1/2003 nicht die Verjährungsfristen für die Festsetzung von Geldbußen durch die nationalen Wettbewerbsbehörden regele und dass es mangels einer einschlägigen Unionsregelung Sache des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten sei, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollten.

28      Jedoch dürfen die nationalen Regelungen nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts die wirksame Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV durch die nationalen Wettbewerbsbehörden nicht beeinträchtigen.

29      Unter diesen Umständen hat die Înalta Curte de Casație și Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 101 AEUV dahin auszulegen, dass

1.      sie die Justizbehörden der Mitgliedstaaten verpflichten, die nationalen Vorschriften über die Verjährung des Rechts des Wettbewerbsrats, Verwaltungssanktionen zu verhängen, im Einklang mit der Regelung in Art. 25 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 auszulegen, und dass

2.      sie der Auslegung nationaler Rechtsvorschriften entgegenstehen, wonach unter einer verjährungsunterbrechenden Handlung nur die förmliche Handlung des Einleitens eines Verfahrens zur Verfolgung einer wettbewerbswidrigen Praxis verstanden wird, ohne dass die späteren auf die Verfolgung dieser Praxis gerichteten Maßnahmen in dieselbe Kategorie der verjährungsunterbrechenden Handlungen eingeordnet werden?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

30      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass zwar bestimmte Rechtsakte des Sekundärrechts der Union wie die Rahmenbeschlüsse und – unter bestimmten Bedingungen – die Richtlinien keine unmittelbare Wirkung haben, doch ihr zwingender Charakter für die nationalen Gerichte eine Verpflichtung zu unionsrechtskonformer Auslegung des nationalen Rechts zur Folge hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. November 1990, Marleasing, C‑106/89, EU:C:1990:395, Rn. 6 und 8, sowie vom 8. November 2016, Ognyanov, C‑554/14, EU:C:2016:835, Rn. 58).

31      Eine Verordnung der Union gilt hingegen nach Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Nach ständiger Rechtsprechung ist jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es den Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, gleichgültig, ob sie früher oder später als die Unionsnorm ergangen ist, unangewendet lässt (Urteil vom 8. September 2010, Winner Wetten, C‑409/06, EU:C:2010:503, Rn. 55).

32      Daher hängt die etwaige Erheblichkeit von Art. 25 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003, wonach die Verjährung der Befugnis zur Festsetzung von Geldbußen oder Zwangsgeldern durch jede auf Ermittlung oder Verfolgung der Zuwiderhandlung gerichtete Handlung der Kommission oder der Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats unterbrochen wird, im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens ausschließlich von der Frage ab, ob diese Bestimmung auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbar ist.

33      Somit ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage wissen möchte, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass die nationalen Gerichte verpflichtet sind, Art. 25 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 auf die Verjährung von Befugnissen einer nationalen Wettbewerbsbehörde zur Verhängung von Sanktionen wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union anzuwenden.

34      In diesem Zusammenhang sind nach ständiger Rechtsprechung für die Auslegung einer Unionsvorschrift, wenn deren Wortlaut nicht ausdrücklich ihre Tragweite begrenzt, wie es bei Art. 25 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 der Fall ist, ihr Kontext und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden, zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Mai 2020, Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság Dél-alföldi Regionális Igazgatóság, C‑924/19 PPU und C‑925/19 PPU, EU:C:2020:367, Rn. 113).

35      Was den Zusammenhang betrifft, in dem Art. 25 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 steht, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 25 Abs. 1 dieser Verordnung die Befugnis der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen und Zwangsgeldern wegen Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Wettbewerbsrechts einer Verjährungsfrist von fünf Jahren unterliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2011, ThyssenKrupp Nirosta/Kommission, C‑352/09 P, EU:C:2011:191, Rn. 166).

36      Da jedoch der Wortlaut von Art. 25 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 ausschließlich auf die Befugnis der Kommission nach den Art. 23 und 24 dieser Verordnung Bezug nimmt und diese nur die Befugnisse der Kommission im Bereich der Sanktionen regeln, ergibt sich aus dem Kontext von Art. 25 Abs. 3 der Verordnung nicht, dass diese Bestimmung auf nationale Wettbewerbsbehörden anwendbar wäre.

37      Zudem obliegt, wie der Generalanwalt in den Nrn. 50 und 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, im dezentralisierten System der Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften der Union, in dem die nationalen Wettbewerbsbehörden diese Vorschriften unmittelbar anwenden, die Festlegung der Verjährungsvorschriften für die Verhängung von Sanktionen durch diese Behörden den Mitgliedstaaten, sofern die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität eingehalten werden. Vor diesem Hintergrund unterliegen diese Behörden den nationalen Verjährungsvorschriften, so dass es grundsätzlich nicht erforderlich ist, die auf der Ebene der Union vorgesehenen und für die Kommission geltenden Verjährungsvorschriften auf sie anzuwenden.

38      Im Hinblick auf die Zielsetzung von Art. 25 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 ist darauf hinzuweisen, dass es Zweck von Art. 25 dieser Verordnung ist, eine Regelung einzuführen, die die Fristen festlegt, innerhalb deren die Kommission ohne einen Verstoß gegen das grundlegende Gebot der Rechtssicherheit Geldbußen und Zwangsgelder gegen Unternehmen verhängen kann, gegen die Verfahren nach den Wettbewerbsvorschriften der Union anhängig sind.

39      Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass Art. 25 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 keine Verjährungsvorschriften in Bezug auf die Befugnisse nationaler Wettbewerbsbehörden zur Verhängung von Sanktionen vorsieht.

40      Im vorliegenden Fall betrifft das Ausgangsverfahren die Verjährungsvorschriften, die für eine solche nationale Wettbewerbsbehörde gelten, die befugt ist, im Fall einer Zuwiderhandlung, insbesondere gegen die Wettbewerbsvorschriften der Union, Sanktionen zu verhängen, so dass Art. 25 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 auf diese Rechtssache nicht anwendbar ist.

41      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass die nationalen Gerichte nicht verpflichtet sind, Art. 25 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 auf die Verjährung von Befugnissen einer nationalen Wettbewerbsbehörde zur Verhängung von Sanktionen wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union anzuwenden.

 Zur zweiten Frage

42      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 101 AEUV im Licht des Grundsatzes der Effektivität dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung in der Auslegung durch die zuständigen nationalen Gerichte entgegenstehen, wonach die Entscheidung der nationalen Wettbewerbsbehörde über die Einleitung einer Untersuchung wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsvorschriften der Union die letzte Handlung dieser Behörde ist, die zur Unterbrechung der Verjährung ihrer Befugnis, Sanktionen zu verhängen, führen kann, und die es ausschließt, dass eine spätere Verfolgungs- oder Untersuchungshandlung diese Verjährung unterbrechen kann.

43      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass weder die Bestimmungen des AEUV über den Wettbewerb noch, wie sich aus der Antwort auf die erste Vorlagefrage ergibt, jene der Verordnung Nr. 1/2003 Verjährungsvorschriften für die Verhängung von Sanktionen durch die nationalen Wettbewerbsbehörden, sei es nach Unionsrecht oder nach ihrem nationalen Recht, vorsehen.

44      Im Übrigen stellt Art. 35 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 ausdrücklich klar, dass es jedem einzelnen Mitgliedstaat obliegt, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den nationalen Wettbewerbsbehörden die Befugnis zur Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV zu übertragen.

45      Daher ist es in Ermangelung einer verbindlichen unionsrechtlichen Regelung in diesem Bereich Sache der Mitgliedstaaten, die nationalen Verjährungsvorschriften für die Verhängung von Sanktionen durch die nationalen Wettbewerbsbehörden, einschließlich der Modalitäten der Hemmung und/oder Unterbrechung, zu erlassen und anzuwenden (vgl. entsprechend Urteil vom 14. Juni 2011, Pfleiderer, C‑360/09, EU:C:2011:389, Rn. 23).

46      Wie der Generalanwalt in Nr. 49 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, müssen die Mitgliedstaaten jedoch, auch wenn Erlass und Anwendung dieser Vorschriften in ihrer Zuständigkeit liegen, bei deren Ausübung das Unionsrecht und insbesondere den Grundsatz der Effektivität beachten. Daher dürfen sie die Verwirklichung des Unionsrechts nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren und müssen, speziell im Bereich des Wettbewerbsrechts, dafür sorgen, dass die Vorschriften, die sie erlassen oder anwenden, die wirksame Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV nicht beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2011, Pfleiderer, C‑360/09, EU:C:2011:389, Rn. 24). Die gemäß Art. 35 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 bestimmten Behörden müssen nämlich die wirksame Anwendung dieser Artikel im öffentlichen Interesse sicherstellen (Urteil vom 7. Dezember 2010, VEBIC, C‑439/08, EU:C:2010:739, Rn. 56).

47      Zudem sind die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet, durch ihre nationalen Rechtsvorschriften nicht die uneingeschränkte und einheitliche Anwendung des Unionsrechts zu beeinträchtigen und keine Maßnahmen zu ergreifen oder beizubehalten, die die praktische Wirksamkeit der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln ausschalten könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. März 1992, Batista Morais, C‑60/91, EU:C:1992:140, Rn. 11 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Allerdings ist die Festlegung angemessener Verjährungsfristen für die Festsetzung von Sanktionen durch die nationalen Wettbewerbsbehörden im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich die betroffenen Unternehmen und diese Behörden schützt, mit dem Unionsrecht vereinbar. Solche Fristen sind nämlich nicht geeignet, die Durchsetzung des Unionsrechts praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (vgl. entsprechend Urteil vom 17. November 2016, Stadt Wiener Neustadt, C‑348/15, EU:C:2016:882, Rn. 41).

49      Daher sind die nationalen Vorschriften, mit denen die Verjährungsfristen festgelegt werden, so auszugestalten, dass sie ein Gleichgewicht zwischen den Zielen, die Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Behandlung der Rechtssachen innerhalb angemessener Frist sicherzustellen, die allgemeine Grundsätze des Unionsrechts darstellen, auf der einen Seite und der tatsächlichen und wirksamen Durchsetzung der Art. 101 und 102 AEUV auf der anderen Seite herstellen, um das öffentliche Interesse zu wahren, das darin liegt, zu verhindern, dass das Funktionieren des Binnenmarkts durch Vereinbarungen oder wettbewerbsschädliche Praktiken beeinträchtigt wird.

50      Für die Beurteilung, ob eine nationale Verjährungsregelung ein solches Gleichgewicht herstellt, sind die Elemente dieser Regelung in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. entsprechend Urteil vom 28. März 2019, Cogeco Communications, C‑637/17, EU:C:2019:263, Rn. 45), zu denen u. a. der Zeitpunkt, zu dem die Verjährungsfrist zu laufen beginnt, deren Dauer sowie die Modalitäten ihrer Hemmung oder Unterbrechung zählen.

51      Es sind auch die besonderen Umstände in Wettbewerbssachen und insbesondere zu berücksichtigen, dass diese grundsätzlich eine komplexe Analyse der zugrunde liegenden Tatsachen und wirtschaftlichen Zusammenhänge erfordern (vgl. entsprechend Urteil vom 28. März 2019, Cogeco Communications, C‑637/17, EU:C:2019:263, Rn. 46).

52      Daher muss eine nationale Regelung, die den Zeitpunkt, zu dem die Verjährungsfrist zu laufen beginnt, deren Dauer und die Modalitäten ihrer Hemmung oder Unterbrechung festlegt, den wettbewerbsrechtlichen Besonderheiten und den Zielen der Umsetzung der Wettbewerbsvorschriften durch die betroffenen Personen angepasst sein, um nicht der vollen Wirksamkeit der Wettbewerbsvorschriften der Union zu schaden (vgl. entsprechend Urteil vom 28. März 2019, Cogeco Communications, C‑637/17, EU:C:2019:263, Rn. 47).

53      Eine nationale Verjährungsregelung, die aus ihr selbst innewohnenden Gründen systemisch der Verhängung effektiver und abschreckender Sanktionen wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union entgegensteht, ist geeignet, die Anwendung der Vorschriften dieses Rechts praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (vgl. entsprechend Urteil vom 17. Januar 2019, Dzivev u. a., C‑310/16, EU:C:2019:30, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54      Im vorliegenden Fall sieht die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung vor, dass die Verjährungsfrist für Sanktionen wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht fünf Jahre beträgt, dass diese Frist mit dem Tag beginnt, an dem die Zuwiderhandlung begangen worden ist, dass die Verjährung durch bestimmte Handlungen der nationalen Wettbewerbsbehörde unterbrochen werden kann und spätestens an dem Tag eintritt, an dem eine Frist abläuft, die der doppelten auf die Zuwiderhandlung anwendbaren Verjährungsfrist entspricht, ohne dass eine Sanktion verhängt worden ist.

55      Außerdem geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass nach einer engen Auslegung der nationalen Vorschriften über Verjährungsfristen zum für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt, die von einem Teil der nationalen Rechtsprechung und insbesondere von der Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest) im Ausgangsverfahren vertreten wird, die Entscheidung über die Einleitung einer auf Ermittlung oder Verfolgung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsvorschriften gerichteten Untersuchung die letzte Handlung der nationalen Wettbewerbsbehörde ist, die zur Unterbrechung der Verjährung ihrer Befugnis, Sanktionen zu verhängen, führen könne und keine der später zum Zweck der Ermittlung oder Verfolgung der Zuwiderhandlung erlassenen Handlungen diese Verjährung unterbrechen könne, auch wenn der Erlass solcher Handlungen einen wichtigen Schritt der Untersuchung darstelle und den Willen dieser Behörde bezeuge, die Zuwiderhandlung zu verfolgen.

56      Eine solche enge Auslegung der nationalen Regelung, mit der die Unterbrechung der Verjährung durch später im Rahmen der Untersuchung erlassene Handlungen ausnahmslos untersagt wird, kann sich als Hemmnis für die wirksame Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften der Union durch die nationalen Wettbewerbsbehörden erweisen, da diese Auslegung eine systemische Gefahr der Nichtahndung von Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union bergen könnte. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, wie in Rn. 51 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, die Rechtssachen auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts der Union grundsätzlich eine komplexe Analyse der zugrunde liegenden Tatsachen und wirtschaftlichen Zusammenhänge erfordern. Daher könnten sich solche Handlungen, die notwendigerweise die Verfahrensdauer verlängern, in einer erheblichen Zahl von Fällen mit hoher Komplexität als unerlässlich erweisen.

57      Es ist Sache des nationalen Gerichts, im Licht des Grundsatzes der Effektivität zu prüfen, ob die in Rn. 55 des vorliegenden Urteils erwähnte Auslegung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Verjährungsregelung unter Berücksichtigung aller Elemente der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Verjährungsregelung eine systemische Gefahr der Nichtahndung solcher Zuwiderhandlungen birgt.

58      Wäre dies der Fall, wäre es grundsätzlich Sache des vorlegenden Gerichts, ohne die Änderung der in Rede stehenden nationalen Regelung auf gesetzgeberischem Wege oder durch ein anderes verfassungsrechtliches Verfahren abzuwarten, die volle Wirksamkeit der in Rn. 47 des vorliegenden Urteils genannten Verpflichtungen zu gewährleisten, indem es diese Regelung so weit wie möglich im Licht des Unionsrechts und insbesondere anhand der unionsrechtlichen Wettbewerbsvorschriften in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof u. a. in Rn. 56 des vorliegenden Urteils auslegt oder sie erforderlichenfalls unangewendet lässt (vgl. entsprechend Urteil vom 5. Juni 2018, Kolev u. a., C‑612/15, EU:C:2018:392, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Im vorliegenden Fall sieht das geänderte Wettbewerbsgesetz nunmehr zwar vor, dass jede auf eine Voruntersuchung oder Verfolgung wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht gerichtete Maßnahme des Wettbewerbsrats die Verjährung unterbricht. Aus der Vorlageentscheidung geht jedoch hervor, dass dieses Gesetz auf das Ausgangsverfahren zeitlich nicht anwendbar ist und dieses weiterhin dem Wettbewerbsgesetz unterliegt.

60      Unter diesen Umständen ist es Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Vorschriften so weit wie möglich im Licht des Unionsrechts und insbesondere anhand des Wortlauts und des Zwecks von Art. 101 AEUV auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Januar 2007, ITC, C‑208/05, EU:C:2007:16, Rn. 68, und vom 13. Juli 2016, Pöpperl, C‑187/15, EU:C:2016:550, Rn. 43).

61      Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des innerstaatlichen Rechts, wonach es dem nationalen Gericht obliegt, das nationale Recht so weit wie möglich in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht auszulegen, ist dem System der Verträge immanent, da dem nationalen Gericht dadurch ermöglicht wird, im Rahmen seiner Zuständigkeit die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen, wenn es über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit entscheidet (Urteil vom 19. November 2019, A. K. u. a. [Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts], C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, Rn. 159).

62      Allerdings unterliegt der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts bestimmten Schranken. So findet die Verpflichtung des nationalen Gerichts, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt des Unionsrechts heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, einschließlich des Grundsatzes der Rechtssicherheit, und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 2016, Pöpperl, C‑187/15, EU:C:2016:550, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63      Die Frage, ob eine nationale Vorschrift wegen ihrer Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht unangewendet bleiben muss, stellt sich nur, wenn sie nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden kann (Urteil vom 7. August 2018, Smith, C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 41).

64      Im vorliegenden Fall lässt sich der Vorlageentscheidung entnehmen, dass eine solche Auslegung möglich erscheint, was jedoch vom vorlegenden Gericht abschließend zu prüfen ist. Da nämlich das vorlegende Gericht, wie in Rn. 24 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, selbst darauf hingewiesen hat, dass es zwei Rechtsprechungslinien auf nationaler Ebene gebe, wobei die erste für eine enge Auslegung der nationalen Vorschriften über Verjährungsfristen sei und die zweite eine flexible Auslegung dieser Vorschriften befürworte, folgt daraus, dass dieses Gericht über einen hinreichend weiten Spielraum für die Auslegung verfügt, die es den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Vorschriften geben kann.

65      Nach alledem ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 101 AEUV im Licht des Grundsatzes der Effektivität dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung in der Auslegung durch die zuständigen nationalen Gerichte entgegenstehen, wonach die Entscheidung der nationalen Wettbewerbsbehörde über die Einleitung einer Untersuchung wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsvorschriften der Union die letzte Handlung dieser Behörde ist, die zur Unterbrechung der Verjährung ihrer Befugnis, Sanktionen zu verhängen, führen kann, und die es ausschließt, dass eine spätere Verfolgungs- oder Untersuchungshandlung diese Verjährung unterbrechen kann, wenn sich in Ansehung aller Elemente der in Rede stehenden Verjährungsregelung erweist, dass ein solcher Ausschluss eine systemische Gefahr der Nichtahndung solcher Zuwiderhandlungen birgt, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

 Kosten

66      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass die nationalen Gerichte nicht verpflichtet sind, Art. 25 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln auf die Verjährung von Befugnissen einer nationalen Wettbewerbsbehörde zur Verhängung von Sanktionen wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union anzuwenden.

2.      Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 101 AEUV sind im Licht des Grundsatzes der Effektivität dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung in der Auslegung durch die zuständigen nationalen Gerichte entgegenstehen, wonach die Entscheidung der nationalen Wettbewerbsbehörde über die Einleitung einer Untersuchung wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsvorschriften der Union die letzte Handlung dieser Behörde ist, die zur Unterbrechung der Verjährung ihrer Befugnis, Sanktionen zu verhängen, führen kann, und die es ausschließt, dass eine spätere Verfolgungs- oder Untersuchungshandlung diese Verjährung unterbrechen kann, wenn sich in Ansehung aller Elemente der in Rede stehenden Verjährungsregelung erweist, dass ein solcher Ausschluss eine systemische Gefahr der Nichtahndung solcher Zuwiderhandlungen birgt, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Rumänisch.