Language of document : ECLI:EU:C:2018:640

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

7. August 2018(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 2011/92/EU – Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten Projekten – Anhang II – Nr. 1 Buchst. d – ‚Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart‘ – Trassenaufhieb im Zusammenhang mit der Errichtung und Bewirtschaftung einer Freileitung für die Übertragung elektrischer Energie“

In der Rechtssache C‑329/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 19. Mai 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Juni 2017, in dem Verfahren

Gerhard Prenninger,

Karl Helmberger,

Franziska Zimmer,

Franz Scharinger,

Norbert Pühringer,

Agrargemeinschaft Pettenbach,

Marktgemeinde Vorchdorf,


Marktgemeinde Pettenbach,

Gemeinde Steinbach am Ziehberg

gegen

Oberösterreichische Landesregierung,

Beteiligte:

Netz Oberösterreich GmbH,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. Malenovský sowie der Richter M. Safjan und D. Šváby (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Prenninger u. a., vertreten durch Rechtsanwalt W. List,

–        der Netz Oberösterreich GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte H. Kraemmer und M. Mendel,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. C. Becker und C. Zadra als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 und Anhang II der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012, L 26, S. 1, im Folgenden: UVP‑Richtlinie).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Gerhard Prenninger und acht weiteren Klägern und der Oberösterreichischen Landesregierung darüber, ob für das Vorhaben der Errichtung der Freistromleitung „110 kV-Leitung Vorchdorf-Steinfeld-Kirchdorf“ eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Die Erwägungsgründe 3, 7, 9 und 11 der UVP-Richtlinie lauten:

„(3)      Es sollte eine Harmonisierung der Grundsätze für die Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden, insbesondere hinsichtlich der Art der zu prüfenden Projekte, der Hauptauflagen für den Projektträger und des Inhalts der Prüfung. Die Mitgliedstaaten können jedoch strengere Umweltschutzvorschriften festlegen.

(7)      Die Genehmigung für öffentliche und private Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, sollte erst nach einer Prüfung der möglichen erheblichen Umweltauswirkungen dieser Projekte erteilt werden. Diese Prüfung sollte anhand sachgerechter Angaben des Projektträgers erfolgen, die gegebenenfalls von den Behörden und von der Öffentlichkeit, die möglicherweise von dem Projekt betroffen ist, ergänzt werden können.

(9)      Projekte anderer Klassen haben nicht unter allen Umständen zwangsläufig erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt; sie sollten einer Prüfung unterzogen werden, wenn sie nach Auffassung der Mitgliedstaaten möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.

(11)      Legen die Mitgliedstaaten derartige Schwellenwerte oder Kriterien fest oder nehmen sie Einzelfalluntersuchungen vor, um zu bestimmen, welche Projekte wegen der Erheblichkeit ihrer Auswirkungen auf die Umwelt einer Prüfung unterzogen werden sollten, so sollten sie den in dieser Richtlinie aufgestellten relevanten Auswahlkriterien Rechnung tragen. Entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip werden diese Kriterien in konkreten Fällen am besten durch die Mitgliedstaaten angewandt.“

4        Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:

„Gegenstand dieser Richtlinie ist die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.“

5        Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Genehmigungspflicht unterworfen und einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden. Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert.“

6        Art. 4 Abs. 2 der UVP-Richtlinie bestimmt:

„Bei Projekten des Anhangs II bestimmen die Mitgliedstaaten vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 4, ob das Projekt einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen werden muss. Die Mitgliedstaaten treffen diese Entscheidung anhand

a)      einer Einzelfalluntersuchung

oder

b)      der von den Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien.

Die Mitgliedstaaten können entscheiden, beide unter den Buchstaben a und b genannten Verfahren anzuwenden.“

7        In Anhang II der Richtlinie sind die „[i]n Artikel 4 Absatz 2 genannte[n] Projekte“ aufgeführt. Nach Nr. 1 Buchst. d dieses Anhangs gehören zu den Projekten in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischzucht „Erstaufforstungen und Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart“.

 Nationales Recht

8        § 3 des Bundesgesetzes über die Prüfung der Umweltverträglichkeit (Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 – UVP‑G 2000), BGBl. Nr. 697/1993, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 4/2016, betrifft den Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung. Er stellt den Grundsatz auf, dass die in Anhang 1 dieses Gesetzes angeführten Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind, und legt dar, welches Verfahren und welche Voraussetzungen dabei zu beachten sind.


9        Anhang 1 des UVP‑G 2000 bestimmt:

„Der Anhang enthält die gemäß § 3 UVP-pflichtigen Vorhaben.

In Spalte 1 und 2 finden sich jene Vorhaben, die jedenfalls UVP-pflichtig sind und einem UVP-Verfahren (Spalte 1) oder einem vereinfachten Verfahren (Spalte 2) zu unterziehen sind. …

In Spalte 3 sind jene Vorhaben angeführt, die nur bei Zutreffen besonderer Voraussetzungen der UVP-Pflicht unterliegen. Für diese Vorhaben hat ab den angegebenen Mindestschwellen eine Einzelfallprüfung zu erfolgen. Ergibt diese Einzelfallprüfung eine UVP-Pflicht, so ist nach dem vereinfachten Verfahren vorzugehen.

Z 46

a) Rodungenl4a) auf einer Fläche von mindestens 20 ha;

…“


10      Das Bundesgesetz vom 3. Juli 1975, mit dem das Forstwesen geregelt wird (Forstgesetz 1975), BGBl. Nr. 440/1975, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2016, sieht in § 13 („Wiederbewaldung“) vor:

„…

(10)      Soweit der Bestand einer energiewirtschaftlichen Leitungsanlage die volle Entwicklung des Höhenwachstums auf der Trasse ausschließt und eine Ausnahmebewilligung nach § 81 Abs. 1 lit. b erteilt wurde, hat der Leitungsberechtigte nach jeder Fällung für die rechtzeitige Wiederbewaldung der Trassenfläche zu sorgen.“

11      § 17 („Rodung“) dieses Gesetzes bestimmt:

„(1)      Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) ist verboten.

…“

12      Der im VI. Abschnitt („Nutzung der Wälder“) des Gesetzes enthaltene § 81 („Ausnahmebewilligung“) sieht vor:

„(1)      Die Behörde hat auf Antrag Ausnahmen vom Verbot des § 80 Abs. 1 zu bewilligen, wenn

b)      Trassenaufhiebe zum Zwecke der Errichtung und für die Dauer des rechtmäßigen Bestandes einer energiewirtschaftlichen Leitungsanlage erforderlich sind,

…“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

13      Mit Schreiben vom 29. März 2016 stellte die Netz Oberösterreich GmbH bei der oberösterreichischen Landesregierung den Antrag, festzustellen, ob das von ihr vorgelegte Vorhaben zur Errichtung der Freistromleitung „110 kV-Leitung Vorchdorf-Steinfeld-Kirchdorf“ einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sei.

14      Mit Bescheid vom 14. Juni 2016 stellte die oberösterreichische Landesregierung fest, dass für dieses Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei.

15      Herr Prenninger und acht weitere Kläger erhoben gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Österreich), die als unbegründet abgewiesen wurde.

16      Das Bundesverwaltungsgericht stellte erstens fest, dass das in Rede stehende Vorhaben die Errichtung einer elektrischen Leitungsanlage auf einer Gesamtlänge von 23,482 km samt Neubau eines Umspannwerks und Erweiterung eines bestehenden Umspannwerks umfasse.

17      Zweitens unterschied es zwischen der „Rodungsfläche“ von 0,4362 ha und Flächen im Ausmaß von 17,82 ha, auf denen ein „Trassenaufhieb“ stattfinden solle – d. h. Flächen, auf denen sich Bäume unterhalb von Leitungen befänden, die gefällt werden müssten, damit der Mindestabstand zu den Leitungsseilen gewahrt werde.

18      Drittens stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass ein solcher Trassenaufhieb nicht als „Rodung“ im Sinne des nationalen Rechts eingeordnet werden könne, da dies voraussetze, dass der betreffende Waldboden nicht mehr für Zwecke der Waldkultur verwendet werde. Aus dem fraglichen Vorhaben ergebe sich aber, dass die betreffende Fällungsfläche weiterhin normal forstlich bewirtschaftet werde, da es immer wieder zu Schlägerungen von Bäumen, zur Bringung des Holzes und zu Neupflanzungen von Bäumen komme.

19      Eine solche Auslegung werde durch Anhang II Nr. 1 Buchst. d der UVP-Richtlinie bestätigt. Die Wendung „Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart“ im Sinne dieser Bestimmung sei dahin auszulegen, dass sie ebenso die Umwandlung der Waldfläche in eine andere Bodennutzungsart verlange.

20      Herr Prenninger und acht weitere Kläger erhoben gegen dieses Erkenntnis Revision an das vorlegende Gericht, den Verwaltungsgerichtshof (Österreich).

21      Der Verwaltungsgerichtshof sieht wie das Bundesverwaltungsgericht in einem Trassenaufhieb keine Nutzung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur, so dass er nicht als Rodung im Sinne des nationalen Rechts anzusehen sei.

22      Er hat jedoch Zweifel, ob eine solche Auslegung des Begriffs „Rodung“ mit der UVP-Richtlinie im Einklang steht. Aus dem Wortlaut von Nr. 1 Buchst. d ihres Anhangs II gehe zwar hervor, dass nur Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart erfasst seien. Folglich wäre es denkbar, dass ein Trassenaufhieb, der nicht zu einer solchen Umwandlung führe, sondern in der erklärten Absicht der Walderhaltung erfolge, nicht unter die Wendung „Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart“ im Sinne dieser Bestimmung falle.

23      Im Urteil vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380), habe der Gerichtshof aber die Genehmigung der Abholzung eines Waldes, der keine Umweltverträglichkeitsprüfung vorangegangen sei, als Verstoß Irlands gegen seine unionsrechtlichen Verpflichtungen eingestuft. In Rn. 109 seines Urteils habe er auf die ökologische Empfindlichkeit des betreffenden geografischen Raumes hingewiesen, die zu den relevanten Auswahlkriterien des Anhangs III der UVP-Richtlinie gehöre und unter Berücksichtigung insbesondere der „Belastbarkeit der Natur“, bei besonderer Berücksichtigung der Bergregionen und Waldgebiete, beurteilt werden müsse. Solche Erwägungen könnten als Ausweitung der Wendung „Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart“ im Sinne von Anhang II Nr. 1 Buchst. d der UVP-Richtlinie verstanden werden oder als Hinweis darauf, dass eine andere als die in Rn. 22 des vorliegenden Urteils angeführte Auslegung dieser Wendung in Betracht komme.

24      Vor diesem Hintergrund hat der Verwaltungsgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist die UVP-Richtlinie dahin auszulegen, dass „Trassenaufhiebe“ zum Zwecke der Errichtung und für die Dauer des rechtmäßigen Bestands einer energiewirtschaftlichen Leitungsanlage „Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart“ im Sinne des Anhangs II Nr. 1 Buchst. d der UVP-Richtlinie darstellen?

 Zur Vorlagefrage

25      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Anhang II Nr. 1 Buchst. d der UVP-Richtlinie dahin auszulegen ist, dass Trassenaufhiebe zum Zweck der Errichtung und der Bewirtschaftung einer energiewirtschaftlichen Freileitungsanlage wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden für die Dauer ihres rechtmäßigen Bestands „Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen.

26      Zunächst ist festzustellen, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen geltend machen, dass die von dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Trassenaufhieb betroffenen Flächen ein anderes Ausmaß hätten. Ihres Erachtens sind davon 39 ha betroffen und nicht, wie vom vorlegenden Gericht angegeben, 17,82 ha.

27      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 267 des Vertrags, der auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, die Würdigung des Sachverhalts in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts fällt. Der Gerichtshof ist insbesondere nur befugt, sich auf der Grundlage des ihm vom nationalen Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung oder zur Gültigkeit einer Unionsvorschrift zu äußern. Hierbei ist es Sache des nationalen Gerichts, die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Tatsachen festzustellen und daraus die Folgerungen für seine Entscheidung zu ziehen (Urteil vom 8. Mai 2008, Danske Svineproducenter, C‑491/06, EU:C:2008:263, Rn. 23).

28      Nach Art. 4 Abs. 2 der UVP-Richtlinie bestimmen die Mitgliedstaaten entweder anhand einer Einzelfalluntersuchung oder anhand der von ihnen festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien, ob die in Anhang II der Richtlinie aufgeführten Projekte einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden müssen.

29      Zu diesen Projekten zählen nach Anhang II Nr. 1 Buchst. d Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart.

30      Der Gerichtshof hat hierzu bereits ausgeführt, dass es sich bei den in diesem Anhang enthaltenen Begriffen um autonom auszulegende Begriffe des Unionsrechts handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2008, Ecologistas en Acción-CODA, C‑142/07, EU:C:2008:445, Rn. 29).

31      Im Übrigen ist nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden.

32      Aus dem Wortlaut von Anhang II Nr. 1 Buchst. d der UVP-Richtlinie folgt, dass er nicht alle Abholzungen betrifft, sondern nur solche, die dazu dienen, die betreffenden Böden einer neuen Nutzung zuzuführen.

33      Da durch einen Trassenaufhieb wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Errichtung und die Bewirtschaftung einer Freileitung zur Übertragung elektrischer Energie ermöglicht werden sollen, werden die betreffenden Böden einer neuen Nutzung zugeführt. Infolgedessen fällt ein solcher Trassenaufhieb unter Anhang II Nr. 1 Buchst. d der UVP-Richtlinie.

34      Diese Auslegung wird auch durch das mit der UVP-Richtlinie verfolgte Ziel gestützt.

35      Der Gerichtshof hat nämlich festgestellt, dass das wesentliche Ziel der UVP-Richtlinie nach deren Art. 2 Abs. 1 darin besteht, dass Projekte, bei denen u. a. aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, vor Erteilung der Genehmigung einer vorherigen Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden (Urteil vom 19. September 2000, Linster, C‑287/98, EU:C:2000:468, Rn. 52).

36      Außerdem hat der Gerichtshof des Öfteren festgestellt, dass die UVP-Richtlinie einen großen Anwendungsbereich hat und dass ihr Zweck sehr weit reicht (Urteile vom 24. Oktober 1996, Kraaijeveld u. a., C‑72/95, EU:C:1996:404, Rn. 31, sowie vom 28. Februar 2008, Abraham u. a., C‑2/07, EU:C:2008:133, Rn. 32).

37      Es würde aber dem wesentlichen Ziel der UVP-Richtlinie sowie dem ihr zuerkannten weiten Anwendungsbereich zuwiderlaufen, wenn vom Anwendungsbereich ihres Anhangs II Arbeiten in Form eines Trassenaufhiebs ausgenommen würden, weil sie in diesem Anhang nicht ausdrücklich aufgeführt sind. Eine solche Auslegung würde es nämlich den Mitgliedstaaten ermöglichen, sich bei der Genehmigung eines Trassenaufhiebs, unabhängig von dessen Umfang, den ihnen nach der UVP-Richtlinie obliegenden Pflichten zu entziehen.

38      Daraus folgt, dass Trassenaufhiebe zur Errichtung und Bewirtschaftung einer Freileitung zur Übertragung elektrischer Energie unter Anhang II Nr. 1 Buchst. d der UVP-Richtlinie fallen.

39      Diese Auslegung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der österreichische Gesetzgeber mit der Genehmigung solcher Trassenaufhiebe das Ziel der Walderhaltung verfolgt haben soll. Zum einen hat der Gerichtshof entschieden, dass das Anstreben positiver Auswirkungen auf die Umwelt für die Frage, ob ein Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss, nicht von Bedeutung ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2008, Ecologistas en Acción-CODA, C‑142/07, EU:C:2008:445, Rn. 41).

40      Zum anderen ändert der Umstand, dass die gefällten Bäume umgehend entweder auf natürliche oder auf künstliche Weise durch andere forstliche Gewächse ersetzt werden, nichts daran, dass die vom Trassenaufhieb betroffenen Böden eine neue Nutzung erfahren haben, und zwar als Hilfsmittel für die Übertragung elektrischer Energie.

41      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Anhang II Nr. 1 Buchst. d der UVP-Richtlinie dahin auszulegen ist, dass Trassenaufhiebe zum Zweck der Errichtung und der Bewirtschaftung einer energiewirtschaftlichen Freileitungsanlage wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden für die Dauer ihres rechtmäßigen Bestands „Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen.

 Kosten

42      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

Anhang II Nr. 1 Buchst. d der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten ist dahin auszulegen, dass Trassenaufhiebe zum Zweck der Errichtung und der Bewirtschaftung einer energiewirtschaftlichen Freileitungsanlage wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden für die Dauer ihres rechtmäßigen Bestands „Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen.

Malenovský

Safjan

Šváby

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. August 2018.

Der Kanzler

 

Der Präsident der Achten Kammer

A. Calot Escobar

 

J. Malenovský


*      Verfahrenssprache: Deutsch.