Language of document : ECLI:EU:C:2022:786

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

13. Oktober 2022(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Unionsmarken – Verordnung (EU) 2017/1001 – Art. 124 Buchst. a und d – Art. 128 – Zuständigkeit der Unionsmarkengerichte – Verletzungsklage – Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit – Rücknahme der Verletzungsklage – Entscheidung über die Widerklage – Eigenständigkeit der Widerklage“

In der Rechtssache C‑256/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht München (Deutschland) mit Entscheidung vom 15. April 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 22. April 2021, in dem Verfahren

KP

gegen

TV,

Gemeinde Bodman-Ludwigshafen

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter D. Gratsias (Berichterstatter), M. Ilešič, I. Jarukaitis, und Z. Csehi,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Gemeinde Bodman-Ludwigshafen, vertreten durch E. Stolz, Rechtsanwalt,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, É. Gippini Fournier und G. Wilms als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Mai 2022

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 124 Buchst. a und d sowie von Art. 128 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen KP auf der einen und TV sowie der Gemeinde Bodman-Ludwigshafen auf der anderen Seite aufgrund einer Klage wegen Verletzung einer Unionswortmarke und einer Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit dieser Marke.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In den Erwägungsgründen 4 und 32 der Verordnung 2017/1001 heißt es:

„(4)      … [Es] ist ein Markensystem der Union erforderlich, das den Unternehmen ermöglicht, in einem einzigen Verfahren Unionsmarken zu erwerben, die einen einheitlichen Schutz genießen und im gesamten Gebiet der Union wirksam sind. Der hier aufgestellte Grundsatz der Einheitlichkeit der Unionsmarke sollte gelten, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist.

(32)      Es ist entscheidend, dass sich Entscheidungen über die Gültigkeit und die Verletzung der Unionsmarke wirksam auf das gesamte Gebiet der Union erstrecken, da nur so widersprüchliche Entscheidungen der Gerichte und des [Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO)] und eine Beeinträchtigung des einheitlichen Charakters der Unionsmarke vermieden werden können. Die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1)] sollten für alle gerichtlichen Klagen im Zusammenhang mit den Unionsmarken gelten, es sei denn, dass die vorliegende Verordnung davon abweicht.“

4        Art. 1 („Unionsmarke“) Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 bestimmt:

„Die Unionsmarke ist einheitlich. Sie hat einheitliche Wirkung für die gesamte Union: sie kann nur für dieses gesamte Gebiet eingetragen oder übertragen werden oder Gegenstand eines Verzichts oder einer Entscheidung über den Verfall der Rechte des Inhabers oder die Nichtigkeit sein, und ihre Benutzung kann nur für die gesamte Union untersagt werden. Dieser Grundsatz gilt, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist“.

5        Nach Art. 6 („Erwerb der Unionsmarke“) dieser Verordnung wird die Unionsmarke durch Eintragung erworben.

6        In Art. 7 („Absolute Eintragungshindernisse“) Abs. 1 der Verordnung werden die Arten von Zeichen und Marken aufgeführt, die von der Eintragung ausgeschlossen sind. Diese Bestimmung stellt insbesondere klar:

„Von der Eintragung ausgeschlossen sind

b)      Marken, die keine Unterscheidungskraft haben;

c)      Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können;

d)      Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben zur Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung bestehen, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten üblich geworden sind;

…“

7        Art. 59 („Absolute Nichtigkeitsgründe“) Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 sieht vor:

„Die Unionsmarke wird auf Antrag beim [EUIPO] oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für nichtig erklärt,

a)      wenn sie entgegen den Vorschriften des Artikels 7 eingetragen worden ist“.

8        Art. 63 („Antrag auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit“) dieser Verordnung bestimmt in den Abs. 1 und 3:

„(1)      Ein Antrag auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit der Unionsmarke kann beim [EUIPO] gestellt werden:

a)      in den Fällen der Artikel 58 und 59 von jeder natürlichen oder juristischen Person sowie jedem Interessenverband von Herstellern, Erzeugern, Dienstleistungsunternehmen, Händlern oder Verbrauchern, der nach dem für ihn maßgebenden Recht prozessfähig ist;

(3)      Der Antrag auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit ist unzulässig, wenn entweder das [EUIPO] oder das in Artikel 123 genannte Unionsmarkengericht über einen Antrag wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien in der Hauptsache bereits entschieden hat und diese Entscheidung unanfechtbar geworden ist.“

9        Art. 122 („Anwendung der Unionsvorschriften über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen“) Abs. 1 und 2 dieser Verordnung lautet:

„(1)      Soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, sind die Unionsvorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen auf Verfahren betreffend Unionsmarken und Anmeldungen von Unionsmarken sowie auf Verfahren, die gleichzeitige oder aufeinander folgende Klagen aus Unionsmarken und aus nationalen Marken betreffen, anzuwenden.

(2)      Auf Verfahren, welche durch die in Artikel 124 genannten Klagen und Widerklagen anhängig gemacht werden,

a)      sind Artikel 4 und 6, Artikel 7 Nummern 1, 2, 3 und 5 sowie Artikel 35 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 nicht anzuwenden;

b)      sind Artikel 25 und 26 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 vorbehaltlich der Einschränkungen in Artikel 125 Absatz 4 der vorliegenden Verordnung anzuwenden;

c)      sind die Bestimmungen des Kapitels II der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012, die für die in einem Mitgliedstaat wohnhaften Personen gelten, auch auf Personen anzuwenden, die keinen Wohnsitz, jedoch eine Niederlassung in einem Mitgliedstaat haben.“

10      Art. 123 („Unionsmarkengerichte“) Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten benennen für ihr Gebiet eine möglichst geringe Anzahl nationaler Gerichte erster und zweiter Instanz, die die ihnen durch diese Verordnung zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen.“

11      Art. 124 („Zuständigkeit für Klagen betreffend Verletzung und Rechtsgültigkeit“) dieser Verordnung sieht vor:

„Die Unionsmarkengerichte sind ausschließlich zuständig

a)      für alle Klagen wegen Verletzung und – falls das nationale Recht dies zulässt – wegen drohender Verletzung einer Unionsmarke;

d)      für die in Artikel 128 genannten Widerklagen auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit der Unionsmarke.“

12      Art. 127 („Vermutung der Rechtsgültigkeit; Einreden“) Abs. 1 der Verordnung bestimmt:

„Die Unionsmarkengerichte haben von der Rechtsgültigkeit der Unionsmarke auszugehen, sofern diese nicht durch den Beklagten mit einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit angefochten wird.“

13      Art. 128 („Widerklage“) der Verordnung 2017/1001 sieht vor:

„(1)      Die Widerklage auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit kann nur auf die in dieser Verordnung geregelten Verfalls- oder Nichtigkeitsgründe gestützt werden.

(2)      Ein Unionsmarkengericht weist eine Widerklage auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit ab, wenn das [EUIPO] über einen Antrag wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien bereits eine unanfechtbar gewordene Entscheidung erlassen hat.

(4)      Das Unionsmarkengericht, bei dem Widerklage auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit einer Unionsmarke erhoben worden ist, nimmt die Prüfung der Widerklage erst dann vor, wenn entweder die betroffene Partei oder das Gericht dem [EUIPO] den Tag der Erhebung der Widerklage mitgeteilt hat. Das [EUIPO] vermerkt diese Information im Register. War beim [EUIPO] ein Antrag auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit der Unionsmarke bereits eingereicht worden, bevor die Widerklage erhoben wurde, wird das Gericht vom [EUIPO] hiervon unterrichtet; das Gericht setzt in diesem Fall das Verfahren gemäß Artikel 132 Absatz 1 so lange aus, bis abschließend über den Antrag entschieden wurde oder der Antrag zurückgezogen wird.

(6)      Ist die Entscheidung eines Unionsmarkengerichts über eine Widerklage auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit einer Unionsmarke unanfechtbar geworden, so wird eine Ausfertigung dieser Entscheidung dem [EUIPO] entweder durch das Gericht oder eine der Parteien des nationalen Verfahrens unverzüglich zugestellt. Das [EUIPO] oder jede andere betroffene Partei kann dazu nähere Auskünfte anfordern. Das [EUIPO] trägt einen Hinweis auf die Entscheidung im Register ein und trifft die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung des Tenors der Entscheidung.

(7)      Das mit einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit befasste Unionsmarkengericht kann auf Antrag des Inhabers der Unionsmarke nach Anhörung der anderen Parteien das Verfahren aussetzen und den Beklagten auffordern, innerhalb einer zu bestimmenden Frist beim [EUIPO] die Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit zu beantragen. Wird der Antrag nicht innerhalb der Frist gestellt, wird das Verfahren fortgesetzt; die Widerklage gilt als zurückgenommen. Die Vorschriften des Artikels 132 Absatz 3 sind anzuwenden.“

14      Art. 129 („Anwendbares Recht“) der Verordnung 2017/1001 lautet:

„(1)      Die Unionsmarkengerichte wenden die Vorschriften dieser Verordnung an.

(2)      In allen Markenfragen, die nicht durch diese Verordnung erfasst werden, wendet das betreffende Unionsmarkengericht das geltende nationale Recht an.

(3)      Soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, wendet das Unionsmarkengericht die Verfahrensvorschriften an, die in dem Mitgliedstaat, in dem es seinen Sitz hat, auf gleichartige Verfahren betreffend nationale Marken anwendbar sind.“

15      Art. 132 („Besondere Vorschriften über im Zusammenhang stehende Verfahren“) dieser Verordnung bestimmt:

„(1)      Ist vor einem Unionsmarkengericht eine Klage im Sinne des Artikels 124 – mit Ausnahme einer Klage auf Feststellung der Nichtverletzung – erhoben worden, so setzt es das Verfahren, soweit keine besonderen Gründe für dessen Fortsetzung bestehen, von Amts wegen nach Anhörung der Parteien oder auf Antrag einer Partei nach Anhörung der anderen Parteien aus, wenn die Rechtsgültigkeit der Unionsmarke bereits vor einem anderen Unionsmarkengericht im Wege der Widerklage angefochten worden ist oder wenn beim [EUIPO] bereits ein Antrag auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit gestellt worden ist.

(2)      Ist beim [EUIPO] ein Antrag auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit gestellt worden, so setzt es das Verfahren, soweit keine besonderen Gründe für dessen Fortsetzung bestehen, von Amts wegen nach Anhörung der Parteien oder auf Antrag einer Partei nach Anhörung der anderen Parteien aus, wenn die Rechtsgültigkeit der Unionsmarke im Wege der Widerklage bereits vor einem Unionsmarkengericht angefochten worden ist. Das Unionsmarkengericht kann jedoch auf Antrag einer Partei des bei ihm anhängigen Verfahrens nach Anhörung der anderen Parteien das Verfahren aussetzen. In diesem Fall setzt das [EUIPO] das bei ihm anhängige Verfahren fort.

(3)      Setzt das Unionsmarkengericht das Verfahren aus, kann es für die Dauer der Aussetzung einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen treffen.“

 Deutsches Recht

16      Nach § 33 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (im Folgenden: ZPO) kann bei dem Gericht der Klage eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht.

17      Nach § 261 („Rechtshängigkeit“) Abs. 3 Nr. 2 ZPO wird die Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

18      KP ist Inhaberin der Unionswortmarke Apfelzügle (im Folgenden: angegriffene Marke), die am 19. Oktober 2017 für Dienstleistungen der Klassen 35, 41 und 43 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung eingetragen wurde. Unstreitig bezeichnet der Begriff „Apfelzügle“ ein Gespann aus mehreren von einem Traktor gezogenen Anhängern bei der Apfelernte.

19      Am 26. September 2018 veröffentlichten TV, der einen Obsthof betreibt, und die Gemeinde Bodman-Ludwigshafen Werbeinformationen zu einer Verkostung der Apfelernte mit Apfelzüglefahrt.

20      KP erhob beim Landgericht München (Deutschland) eine Klage wegen Verletzung der angegriffenen Marke und beantragte, TV und der Gemeinde Bodman-Ludwigshafen zu untersagen, den Begriff „Apfelzügle“ für die von dieser Marke erfassten Dienstleistungen zu verwenden. Bei demselben Gericht erhoben TV und die Gemeinde Bodman-Ludwigshafen Widerklagen auf Erklärung der Nichtigkeit der angegriffenen Marke gemäß Art. 59 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 in Verbindung mit deren Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, c und d.

21      In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht München nahm KP die Verletzungsklage zurück.

22      Da TV und die Gemeinde Bodman-Ludwigshafen ihre Widerklagen trotz dieser Rücknahme weiterverfolgt hatten, stellte das Landgericht München mit Urteil vom 10. März 2020 fest, dass diese Klagen zulässig seien, erklärte die angegriffene Marke für die Dienstleistungen der Klasse 41 für nichtig und wies die Klagen im Übrigen ab.

23      Die Gemeinde Bodman-Ludwigshafen legte gegen dieses Urteil beim Oberlandesgericht München (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, Berufung ein, um die angegriffene Marke auch in Bezug auf die Dienstleistungen der Klassen 35 und 43 für nichtig erklären zu lassen.

24      In seiner Entscheidung führt das vorlegende Gericht aus, dass es zunächst die Zulässigkeit der von den Beklagten erhobenen Widerklagen unter Berücksichtigung der Klagerücknahme von KP zu beurteilen habe, wobei es insoweit nicht an die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts gebunden sei.

25      Insoweit äußert das vorlegende Gericht unter Berufung auf Sinn und Zweck der in der Verordnung 2017/1001 vorgesehenen Widerklage Zweifel an der Befugnis eines Unionsmarkengerichts, nach der Rücknahme der Verletzungsklage, in deren Folge die Widerklage erhoben worden sei, über eine solche Widerklage zu entscheiden.

26      Insbesondere weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass es sich bei der Eintragung einer Unionsmarke um einen Akt einer Unionseinrichtung handele und die nationalen Gerichte, außer in ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmefällen, wie der Erhebung einer Widerklage, nicht befugt seien, solche Akte für nichtig zu erklären, was im Übrigen in Art. 128 Abs. 7 der Verordnung 2017/1001 bestätigt werde. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts verfügt das EUIPO in diesem Bereich über die „eigentlich vorgesehene [Zuständigkeit]“, die ihm „vorrangig“ zugewiesen sei. Dies folge u. a. aus Art. 63 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001.

27      Überwiegend werde in der deutschen Rechtslehre vertreten, dass ein Fall wie der vorliegende nicht in der Verordnung 2017/1001 geregelt sei; vielmehr sei nach Art. 129 Abs. 3 dieser Verordnung deutsches Zivilprozessrecht anzuwenden, insbesondere § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, wonach die durch die Erhebung einer Widerklage begründete Zuständigkeit des Unionsmarkengerichts von einer Entscheidung über die Verletzungsklage unabhängig sei und somit auch bei einer Rücknahme der Verletzungsklage nicht entfalle.

28      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts besteht die Notwendigkeit, dem Beklagten eine Verteidigungsmöglichkeit einzuräumen, allerdings nicht mehr, wenn das Unionsmarkengericht wegen Klagerücknahme über die Verletzungsklage nicht mehr zu entscheiden habe. Dieses Verständnis werde auch durch das Urteil vom 19. Oktober 2017, Raimund (C‑425/16, EU:C:2017:776), gestützt. Somit dürfe das nationale Prozessrecht überhaupt erst dann zum Tragen kommen, wenn und solange eine nach europäischem Recht vorgesehene Klage anhängig sei. Der Nichtigkeitswiderkläger würde durch diese Auslegung auch nicht über Gebühr und unverhältnismäßig belastet, da er nach wie vor die Möglichkeit habe, das EUIPO nach Art. 63 der Verordnung 2017/1001 anzurufen.

29      Vor diesem Hintergrund hat das Oberlandesgericht München beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind Art. 124 Buchst. d und Art. 128 der Verordnung 2017/1001 so auszulegen, dass das Unionsmarkengericht selbst dann noch zu einer Entscheidung über die mit einer Widerklage im Sinne von Art. 128 der Verordnung 2017/1001 geltend gemachte Nichtigkeit einer Unionsmarke befugt ist, nachdem die auf diese Unionsmarke gestützte Verletzungsklage im Sinne von Art. 124 Buchst. a wirksam zurückgenommen wurde?

 Zur Vorlagefrage

30      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 124 Buchst. a und d sowie Art. 128 der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen sind, dass ein Unionsmarkengericht, das mit einer Verletzungsklage befasst ist, die auf eine Unionsmarke gestützt wird, deren Gültigkeit mit einer Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit angefochten wird, trotz der Rücknahme der Verletzungsklage zur Entscheidung über die Gültigkeit dieser Marke befugt bleibt.

31      Zur Beantwortung dieser Frage sind der Sinn und die Tragweite des Begriffs „Widerklage“ im Sinne dieser Verordnung zu klären.

32      Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen. Zudem sind Bedeutung und Tragweite von Begriffen, die das Unionsrecht nicht definiert, entsprechend ihrem üblichen Sinn und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, und der Ziele der Regelung, zu der sie gehören, zu bestimmen (Urteil vom 27. Januar 2022, Zinātnes parks, C‑347/20, EU:C:2022:59, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Die Verordnung 2017/1001 verweist jedoch hinsichtlich des Sinnes und der Tragweite des Begriffs „Widerklage“ nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten. Dieser Begriff ist daher als autonomer Begriff des Unionsrechts anzusehen und im Gebiet der Union einheitlich auszulegen (Urteile vom 3. September 2014, Deckmyn und Vrijheidsfonds, C‑201/13, EU:C:2014:2132, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 25. November 2021, État luxembourgeois [Information zu einer Gruppe von Steuerpflichtigen], C‑437/19, EU:C:2021:953, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Dass in Art. 129 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001 auf die nationalen Verfahrensvorschriften verwiesen wird, soweit in dieser Verordnung „nichts anderes bestimmt“ ist, kann diese Feststellung nicht entkräften.

35      Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass diese Verordnung nicht die Frage regelt, ob eine Widerklage trotz der Rücknahme der Verletzungsklage, in deren Folge sie erhoben wurde, fortbesteht. Die Antwort auf diese Frage hängt gerade davon ab, welche Tragweite der Unionsgesetzgeber diesem Rechtsbehelf beimessen wollte.

36      Da der Begriff „Widerklage“ in der Verordnung 2017/1001 nicht definiert ist, ist daher als Erstes festzustellen, dass, wie der Generalanwalt in Nr. 37 seiner Schlussanträge ausgeführt hat und wie insbesondere die in den betreffenden Bestimmungen dieser Verordnung verwendeten Begriffe in der dänischen (Modkrav), der griechischen (ανταγωγή) und der englischen Sprachfassung (counterclaim) untermauern, darunter grundsätzlich eine Gegenklage zu verstehen ist, die der Beklagte in einem vom Kläger gegen ihn betriebenen Verfahren vor demselben Gericht erhebt.

37      Was als Zweites den Kontext betrifft, in den sich diese Bestimmungen einfügen, ist erstens darauf hinzuweisen, dass, wie im 32. Erwägungsgrund der Verordnung 2017/1001 angesprochen, mit deren Art. 122 die Unionsvorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen auf Verfahren betreffend Unionsmarken anwendbar werden. Daher ist, wie der Generalanwalt in den Nrn. 50 und 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Begriff „Widerklage“ im Sinne der Verordnung 2017/1001 im Einklang mit diesen Vorschriften und der zu ihnen ergangenen Rechtsprechung auszulegen.

38      Insoweit geht aus der Rechtsprechung zu dem durch das Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in geänderter Fassung geschaffenen und dann nacheinander von der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) und der Verordnung Nr. 1215/2012 übernommenen System hervor, dass eine Widerklage nicht mit einem bloßen Verteidigungsmittel zu verwechseln ist. Obwohl sie im Rahmen eines mittels eines anderen Rechtsbehelfs eingeleiteten Verfahrens eingelegt wird, handelt es sich bei ihr um einen gesonderten und eigenständigen Antrag, dessen prozessuale Behandlung von der Klage unabhängig ist und der somit auch dann weiterverfolgt werden kann, wenn die Klage des Klägers abgewiesen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Oktober 2016, Kostanjevec, C‑185/15, EU:C:2016:763, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Nach alledem ist davon auszugehen, dass der Begriff „Widerklage“ im Sinne der Verordnung 2017/1001 als Rechtsbehelf zu verstehen ist, der zwar die Erhebung einer Verletzungsklage voraussetzt und daher mit dieser in Zusammenhang steht. Doch zielt dieser Rechtsbehelf darauf ab, den Streitgegenstand zu erweitern und die Anerkennung eines von der Klage gesonderten und selbständigen Anspruchs zu erreichen, insbesondere um die betreffende Marke für nichtig erklären zu lassen.

40      Daher erlangt die Widerklage dadurch, dass sie die Erweiterung des Streitgegenstands impliziert, trotz ihres Zusammenhangs mit der Klage Eigenständigkeit und besteht bei einer Rücknahme der Klage fort. Die Widerklage unterscheidet sich mithin von einem bloßen Verteidigungsmittel, und ihr Schicksal hängt nicht von demjenigen der Verletzungsklage ab, aus deren Anlass sie erhoben wurde.

41      Zweitens ergibt sich aus der allgemeinen Systematik der Verordnung 2017/1001, dass der Unionsgesetzgeber mit der Verwendung des Ausdrucks „Widerklage“ im Rahmen dieser Verordnung beabsichtigt hat, diesem denselben Sinn und dieselbe Tragweite zu geben, wie sie in den Rn. 36 bis 39 des vorliegenden Urteils erläutert worden sind.

42      Zwar behält diese Verordnung, wie das vorlegende Gericht ausführt, dem EUIPO eine Alleinzuständigkeit für die Gewährung oder Ablehnung der Eintragung von Unionsmarken vor (Urteil vom 21. Juli 2016, Apple and Pear Australia und Star Fruits Diffusion/EUIPO, C‑226/15 P, EU:C:2016:582, Rn. 50). Dies gilt jedoch nicht für die Gültigkeit solcher Marken. Zwar wurde die Bearbeitung von Anträgen auf Erklärung der Nichtigkeit und des Verfalls durch diese Verordnung grundsätzlich beim EUIPO zentralisiert; dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt, und die Zuständigkeit für die Erklärung der Nichtigkeit oder des Verfalls einer Unionsmarke ist gemäß den Art. 63 und 124 der Verordnung 2017/1001 den von den Mitgliedstaaten nach Art. 123 Abs. 1 dieser Verordnung benannten Unionsmarkengerichten und dem EUIPO gemeinsam übertragen worden (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Februar 2012, Celaya Emparanza y Galdos International, C‑488/10, EU:C:2012:88, Rn. 48).

43      Insoweit ist angesichts der vom vorlegenden Gericht geäußerten Zweifel an der genauen Tragweite dieser Zuständigkeitsverteilung noch hervorzuheben, dass die diesen Markengerichten übertragene Zuständigkeit die unmittelbare Anwendung einer in der Verordnung 2017/1001 vorgesehenen Zuständigkeitsregel darstellt und daher nicht als „Ausnahme“ von der Zuständigkeit des EUIPO in diesem Bereich angesehen werden kann.

44      Außerdem werden die fraglichen Zuständigkeiten nach dem Grundsatz der Priorität der mit der Sache befassten Instanz ausgeübt. Nach Art. 132 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Verordnung 2017/1001 und „[s]oweit keine besonderen Gründe für [die] Fortsetzung [des Verfahrens] bestehen“, liegt nämlich die Zuständigkeit bei der Instanz, die als Erste mit einem Rechtsstreit über die Gültigkeit einer Unionsmarke befasst wird.

45      Der Umstand, dass nach Art. 128 Abs. 7 der Verordnung 2017/1001 der Inhaber einer Marke, deren Rechtsgültigkeit vor einem Unionsmarkengericht im Wege einer Widerklage angefochten wird, bewirken kann, dass die Entscheidung über die Gültigkeit dieser Marke am Ende eines Verfahrens vor dem EUIPO getroffen wird, stellt diesen Prioritätsgrundsatz nicht in Frage. Wie sich schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt, räumt sie lediglich die Möglichkeit ein, das Verfahren auszusetzen, wobei das Unionsmarkengericht ebenso gut beschließen kann, selbst über die Widerklage zu entscheiden.

46      Das Gleiche gilt für den Fall von Art. 132 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung 2017/1001. Das Unionsmarkengericht ist nämlich nur dann verpflichtet, das bei ihm anhängige Verfahren auszusetzen, wenn gemäß Art. 128 Abs. 4 dieser Verordnung beim EUIPO ein Antrag auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit der fraglichen Unionsmarke bereits eingereicht worden war, bevor die Widerklage erhoben wurde.

47      Somit ist in Anbetracht des in den Rn. 42 bis 46 des vorliegenden Urteils beschriebenen Systems der Zuständigkeitsverteilung festzustellen, dass im Rahmen der Regelung, die durch die Verordnung 2017/1001, die gemäß ihrem vierten Erwägungsgrund und ihrem Art. 1 Abs. 2 die Einheitlichkeit der Unionsmarke festschreibt, geschaffen wurde, der Unionsgesetzgeber genau wie dem EUIPO auch den Unionsmarkengerichten im Rahmen ihrer Entscheidungen über Widerklagen eine Zuständigkeit für die Prüfung der Gültigkeit von Unionsmarken übertragen wollte.

48      Wie aus dem 32. Erwägungsgrund dieser Verordnung hervorgeht, haben die Entscheidungen über die Gültigkeit einer Unionsmarke sowohl dann, wenn sie vom EUIPO stammen, als auch dann, wenn sie auf eine vor einem Unionsmarkengericht erhobene Widerklage hin erlassen werden, in der gesamten Union Wirkung erga omnes (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Oktober 2017, Raimund, C‑425/16, EU:C:2017:776, Rn. 28 und 29).

49      Diese Wirkung erga omnes wird in Art. 128 Abs. 6 dieser Verordnung bestätigt, wonach ein Unionsmarkengericht eine Ausfertigung der unanfechtbar gewordenen Entscheidung über eine Widerklage auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit einer Unionsmarke dem EUIPO zuzustellen hat, das diese Entscheidung im Register eintragen und die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung des Tenors der Entscheidung treffen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Oktober 2017, Raimund, C‑425/16, EU:C:2017:776, Rn. 30).

50      Dagegen kommt der Entscheidung, die ein Unionsmarkengericht über eine Verletzungsklage erlässt, nur Wirkung inter partes zu, so dass diese Entscheidung, nachdem sie rechtskräftig geworden ist, nur die an dem entsprechenden Verfahren beteiligten Parteien bindet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Oktober 2017, Raimund, C‑425/16, EU:C:2017:776, Rn. 31).

51      So hat der Gerichtshof entschieden, dass ein solches Gericht über die Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit einer Unionsmarke, die gemäß Art. 128 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 im Rahmen eines Verfahrens wegen Verletzung dieser Marke nach Art. 124 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 erhoben wird, entscheiden muss, bevor es über die Verletzungsklage entscheiden kann, der derselbe absolute Nichtigkeitsgrund entgegengehalten wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Oktober 2017, Raimund, C‑425/16, EU:C:2017:776, Rn. 33 und 34).

52      Im Licht der Besonderheiten der Regelung über die Widerklage würde eine Auslegung dieses eigenständigen Rechtsbehelfs, der die Beurteilung der Gültigkeit von Unionsmarken zum Gegenstand hat, dahin, dass der Inhaber der Unionsmarke durch Rücknahme seiner Verletzungsklage einem Unionsmarkengericht die Möglichkeit nehmen könnte, über die im Rahmen dieses Verfahrens erhobene Widerklage auf Nichtigerklärung zu entscheiden, darauf hinauslaufen, die Tragweite der Zuständigkeit zu verkennen, die der Gesetzgeber den Unionsmarkengerichten übertragen wollte. Aus der allgemeinen Systematik der Verordnung 2017/1001 ergibt sich somit, dass eine Widerklage im Fall der Rücknahme der Klage fortbesteht.

53      Als Drittes schließlich werden der Sinn und die Tragweite des Begriffs „Widerklage“ im Sinne der Verordnung 2017/1001, wie sie in den Rn. 39 und 52 des vorliegenden Urteils erläutert worden sind, durch die mit der Verordnung 2017/1001 verfolgten Ziele bestätigt.

54      Zum einen ergibt sich aus der Rechtsprechung zu dem durch das Übereinkommen vom 27. September 1968 in geänderter Fassung geschaffenen und dann nacheinander von den Verordnungen Nrn. 44/2001 und 1215/2012 übernommenen System, dass die Möglichkeit der Erhebung einer Widerklage es den Parteien im Interesse einer geordneten Rechtspflege ermöglicht, ihre sämtlichen auf einer gemeinsamen Grundlage beruhenden wechselseitigen Ansprüche in ein und demselben Verfahren vor demselben Richter zu regeln, und damit u. a. überflüssige und mehrfache Verfahren vermeiden soll, die die Gefahr gegenläufiger Urteile bergen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. Mai 2018, Nothartová, C‑306/17, EU:C:2018:360, Rn. 21 und 22 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 21. Juni 2018, Petronas Lubricants Italy, C‑1/17, EU:C:2018:478, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wie aber dem 32. Erwägungsgrund der Verordnung 2017/1001 zu entnehmen ist, werden diese Ziele mit dem von dieser Verordnung als Ganzes und insbesondere in ihren Art. 124 und 128 vorgesehenen System verfolgt.

55      Daraus folgt, dass die Verwirklichung dieser Ziele bedeutet, dass ein Unionsmarkengericht trotz der Rücknahme der Klage über den Anspruch entscheiden können muss, den der Beklagte des Verletzungsverfahrens im Wege einer Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit der betreffenden Unionsmarke geltend macht.

56      Dagegen liefe es dem Grundsatz der Prozessökonomie zuwider, wenn die widerklagende Partei im Fall der Klagerücknahme durch den Kläger gezwungen wäre, ein Verfahren beim EUIPO einzuleiten, um sicherzustellen, dass sie sich in Zukunft nicht mehr gegen diesen verteidigen muss.

57      Zum anderen könnte, legte man den Begriff „Widerklage“ dahin aus, dass es einem Unionsmarkengericht nach Rücknahme der Klage nicht mehr möglich wäre, über eine Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit zu entscheiden, der Inhaber einer Unionsmarke, indem er in einem von ihm selbst eingeleiteten Verletzungsverfahren die Klage zurücknimmt, eine Unionsmarke, die unter Missachtung der in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 genannten absoluten Eintragungshindernisse eingetragen worden sein kann, gegebenenfalls bösgläubig weiter verwerten. Eine solche Situation würde jedoch die wirksame Erreichung der mit dieser Verordnung verfolgten Ziele gefährden (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 30. April 2015, Castel Frères/EUIPO, C‑622/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:297, Rn. 46 und 47 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 124 Buchst. a und d sowie Art. 128 der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen sind, dass ein Unionsmarkengericht, das mit einer Verletzungsklage befasst ist, die auf eine Unionsmarke gestützt wird, deren Gültigkeit mit einer Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit angefochten wird, trotz der Rücknahme der Verletzungsklage zur Entscheidung über die Gültigkeit dieser Marke befugt bleibt.

 Kosten

59      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 124 Buchst. a und d sowie Art. 128 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke

sind dahin auszulegen, dass

ein Unionsmarkengericht, das mit einer Verletzungsklage befasst ist, die auf eine Unionsmarke gestützt wird, deren Gültigkeit mit einer Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit angefochten wird, trotz der Rücknahme der Verletzungsklage zur Entscheidung über die Gültigkeit dieser Marke befugt bleibt.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Deutsch.