Language of document : ECLI:EU:C:2011:27

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

25. Januar 2011(*)

„Luftverkehr – Bewilligung zur Durchführung gewerblicher Ballonfahrten – Art. 12 EG – Wohnsitz- oder Sitzerfordernis – Verwaltungsstrafrechtliche Sanktionen“

In der Rechtssache C‑382/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (Österreich) mit Entscheidung vom 19. August 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 25. August 2008, in dem Verfahren

Michael Neukirchinger

gegen

Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, J.‑C. Bonichot und D. Šváby, der Richter A. Rosas, U. Lõhmus, E. Levits und L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Neukirchinger,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und G. Eberhard als Bevollmächtigte,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz und M. Szpunar als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Traversa und B.‑R. Killmann als Bevollmächtigte,

–        der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch X. Lewis als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. September 2010

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 ff. EG.

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Neukirchinger und der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen über einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft, mit dem dem Berufungswerber des Ausgangsverfahrens eine Verwaltungsstrafe wegen Nichtbeachtung der Vorschriften über die Durchführung von Ballonfahrten auferlegt wurde.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Die ersten drei Erwägungsgründe der Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen (ABl. L 240, S. 1) lauten:

„Es ist von Bedeutung, gemäß Artikel 8 A des Vertrages bis zum 31. Dezember 1992 eine Luftverkehrspolitik für den Binnenmarkt festzulegen.

Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist.

Im Bereich des Luftverkehrs sind bei der Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs die Besonderheiten dieses Wirtschaftszweigs zu berücksichtigen.“

4        Art. 1 der Verordnung Nr. 2407/92 bestimmt:

„(1)      Diese Verordnung betrifft die Voraussetzungen für die Erteilung und die Aufrechterhaltung von Betriebsgenehmigungen durch die Mitgliedstaaten an in der Gemeinschaft niedergelassene Luftfahrtunternehmen.

(2)      Die Beförderung von Fluggästen, Post und/oder Fracht mit Luftfahrzeugen ohne Motorantrieb und/oder mit ultraleichten Motorflugzeugen sowie Rundflüge, mit denen keine Beförderung zwischen verschiedenen Flughäfen verbunden ist, fallen nicht unter diese Verordnung. Für diese Fälle gelten die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften für Betriebsgenehmigungen, soweit vorhanden, sowie die gemeinschaftlichen und die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften für das Luftverkehrsbetreiberzeugnis (Air Operator’s Certificate, AOC).“

5        Die Verordnung Nr. 2407/92 ist durch die Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (Neufassung) (ABl. L 293, S. 3) aufgehoben worden. Nach ihrem Art. 28 („Inkrafttreten“) ist diese Verordnung am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, die am 31. Oktober 2008 erfolgte, in Kraft getreten.

 Nationales Recht

6        § 11 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 2. Dezember 1957 über die Luftfahrt (Luftfahrtgesetz – LFG, BGBl. 1957/253) in der Fassung des am 26. Juni 2008 kundgemachten Bundesgesetzes (BGBl. I 2008/83) bestimmt:

„Luftfahrzeuge sind Fahrzeuge, die sich zur Fortbewegung von Personen oder Sachen in der Luft ohne mechanische Verbindung mit der Erde eignen, gleichgültig, ob sie schwerer als Luft (zum Beispiel Flugzeuge, Segelflugzeuge, Hänge‑ oder Paragleiter, Schwingenflugzeuge, Hubschrauber, Tragschrauber und Fallschirme) oder leichter als Luft (zum Beispiel Luftschiffe und Freiballone) sind.“

7        § 102 Abs. 1 LFG lautet:

„Unternehmen, die im gewerblichen Luftverkehr Fluggäste, Post und/oder Fracht mit Luftfahrzeugen ohne Motorantrieb oder mit ultraleichten Motorflugzeugen befördern oder ausschließlich Rundflüge, mit denen keine Beförderung zwischen verschiedenen Flugplätzen verbunden ist, durchführen wollen, haben beim Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie oder bei einer auf Grund einer Übertragung gemäß § 140b zuständigen Behörde eine Beförderungsbewilligung gemäß den §§ 104 ff. und eine Betriebsaufnahmebewilligung gemäß § 108 zu beantragen.“

8        § 104 LFG sieht vor:

„(1)      Im Antrag auf Erteilung der Beförderungsbewilligung ist das Vorhandensein der finanziellen Mittel zur Gründung und zum Betrieb des Unternehmens glaubhaft zu machen.

(2)      Im Antrag sind außerdem anzugeben:

a)      Familien‑ und Vorname (Firma), Wohnsitz (Sitz) und Betriebsstätte des Unternehmens,

b)      Name, Wohnort und Staatsbürgerschaft der zur Vertretung des Unternehmens berechtigten Personen,

c)      die vorgesehenen Tätigkeiten, wie zum Beispiel Rundflüge,

d)      …

e)      der vorgesehene Flugbereich, das ist jenes Gebiet, auf das sich der geplante Betrieb erstrecken soll,

f)      die Anzahl und Baumuster der vorgesehenen Luftfahrzeuge,

g)      die vorgesehene Betriebsorganisation.

…“

9        § 106 LFG bestimmt:

„(1)      Die Beförderungsbewilligung ist zu erteilen, wenn

a)      der Antragsteller die Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum [vom 2. Mai 1992, ABl. 1994 L 1, S. 1] besitzt, in Österreich wohnhaft ist, verlässlich und fachlich geeignet ist,

b)      die Sicherheit des Betriebes gewährleistet ist und die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens glaubhaft gemacht wurde und

c)      der Abschluss von dem § 164 oder der Verordnung (EG) Nr. 785/2004 entsprechenden Versicherungen nachgewiesen wurde.

(2)      Ist der Unternehmer keine physische Person, so muss das Unternehmen seinen Sitz im Inland haben und die Anteilsrechte müssen überwiegend im Eigentum von Staatsangehörigen einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum stehen.“

10      § 108 LFG lautet:

„(1)      Der Betrieb eines Luftbeförderungsunternehmens darf nur auf Grund einer auf Antrag des Inhabers der Beförderungsbewilligung vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie oder von einer auf Grund einer Übertragung gemäß § 140b zuständigen Behörde erteilten Bewilligung aufgenommen werden (Betriebsaufnahmebewilligung).

(2)      Die Aufnahme des Betriebes ist zu bewilligen, wenn die im Bescheid über die Beförderungsbewilligung auferlegten Verpflichtungen erfüllt sind und die Verkehrssicherheit gewährleistet ist. Die Bewilligung ist schriftlich zu erteilen, andernfalls liegt ein mit Nichtigkeit bedrohter Fehler vor.“

11      Nach § 169 Abs. 1 Z 4 LFG ist in Fällen der gewerbsmäßigen Beförderung von Personen im Luftverkehr ohne die nach § 102 LFG erforderlichen Bewilligungen eine Geldstrafe von mindestens 3 630 Euro zu verhängen.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12      Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen mit einem Straferkenntnis vom 22. Jänner 2008 Herrn Neukirchinger eine Geldstrafe von 3 630 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 181 Tagen auferlegte.

13      Dem Betroffenen wurde zur Last gelegt, er habe am 19. Juni 2007 in Kallham im Land Oberösterreich von einem im Ortschaftsbereich Wies gelegenen Wiesenstück aus Fluggäste mit einem Heißluftballon im gewerblichen Luftverkehr vorschriftswidrig ohne Beförderungsbewilligung gemäß den §§ 104 ff. LFG und ohne Betriebsaufnahmebewilligung gemäß § 108 LFG befördert.

14      Herr Neukirchinger, der Inhaber einer in Deutschland erteilten Betriebsgenehmigung zur Beförderung von Personen und Sachen mit Ballonen im gewerblichen Luftverkehr ist, erhob gegen dieses Straferkenntnis Berufung an das vorlegende Gericht, wobei er insbesondere geltend machte, dass ein Flugunternehmer, der Inhaber einer in Deutschland erteilten Betriebsgenehmigung sei, aufgrund der Freizügigkeit in Österreich tätig werden dürfe.

15      Das vorlegende Gericht vertritt vor dem Hintergrund, dass sich Herr Neukirchinger in Erbringung seiner Dienstleistung vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat begeben habe, die Auffassung, dass der im Ausgangsverfahren vorliegende Sachverhalt grundsätzlich unter die Dienstleistungsfreiheit falle.

16      Das vorlegende Gericht stellt weiters fest, dass Herrn Neukirchinger für das Jahr 2008 vom Landeshauptmann des Landes Oberösterreich als für den betreffenden Tätigkeitsbereich zuständige Luftfahrtbehörde erster Instanz eine für ganz Oberösterreich gültige generelle Außenstartbewilligung im Sinne des § 9 LFG erteilt worden sei. Die Erteilung einer solchen Bewilligung impliziere im Übrigen, dass diese Behörde die Gültigkeit der Herrn Neukirchinger in Deutschland erteilten Bewilligung anerkenne.

17      Da der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich der Auffassung ist, dass es für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits einer Auslegung der Art. 49 ff. EG bedürfe, hat er das Verfahren unterbrochen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind die Art. 49 ff. EG dahin gehend auszulegen, dass sie einer nationalen Norm entgegenstehen, die für eine in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Person, die über eine nach dessen Rechtsordnung erteilte Bewilligung zur Durchführung gewerblicher Ballonfahrten (in Deutschland) verfügt, für die Durchführung von Ballonfahrten in Österreich den Sitz oder Wohnsitz im Inland fordert (§ 106 LFG)?

2.      Sind die Art. 49 ff. EG dahin gehend auszulegen, dass diesen eine nationale Norm entgegensteht, wonach ein in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassener und nach dessen Rechtsordnung anerkannter Bewilligungsinhaber zur Durchführung gewerblicher Ballonfahrten für die Durchführung von Ballonfahrten in einem anderen Mitgliedstaat eine weitere Bewilligung zu erwirken hätte, deren Prüferfordernisse im Ergebnis inhaltsgleich mit der ihm im Herkunftsland bereits verliehenen Bewilligung sind, jedoch mit der zusätzlichen Voraussetzung, dass der Antragsteller seinen Sitz oder Wohnsitz im Inland (hier in Österreich) hat?

3.      Stehen die Regelungen des § 102 in Verbindung mit den §§ 104 und 106 LFG dem Art. 49 EG entgegen, wenn der in Deutschland niedergelassene Bewilligungsinhaber in Ausübung seiner Bewilligung in Österreich verwaltungsstrafrechtlich belangt und ihm dadurch der Zugang zum Markt verwehrt wird? Dies vor dem Hintergrund, dass nach § 106 Abs. 1 LFG eine derartige Bewilligung und Betriebsaufnahmebewilligung ohne Gründung einer gesonderten Niederlassung und/oder eines Wohnsitzes und ohne österreichische Umregistrierung eines bereits in Deutschland registrierten Heißluftballons nicht erlangt werden kann?

18      Mit Beschluss vom 21. April 2010 ist das mündliche Verfahren wiedereröffnet worden, und die in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezeichneten Beteiligten sind aufgefordert worden, ihre allfällige Auffassung zu der Frage zu äußern, welche Vorschrift des Primär- oder des abgeleiteten Rechts der Union angesichts von Art. 51 Abs. 1 EG auf den freien Verkehr einer Dienstleistung, die darin besteht, im gewerblichen Luftverkehr Fluggäste im Heißluftballon zu befördern, gegebenenfalls anzuwenden sein könnte.

 Zu den Vorlagefragen

 Vorbemerkungen

19      Wie der Generalanwalt in den Nrn. 25 bis 30 seiner Schlussanträge festgestellt hat, fällt eine Dienstleistung wie die im Ausgangsverfahren fragliche in den Bereich des Verkehrs und im Besonderen in den Bereich der Luftfahrt nach Art. 80 Abs. 2 EG.

20      Mangels eines gegenteiligen Hinweises im EG-Vertrag ist der Begriff der Luftfahrt im Sinne dieser Bestimmung nämlich so zu verstehen, dass er auch eine Beförderung umfasst, die das vorlegende Gericht als Beförderung von Fluggästen mit Heißluftballonen im gewerblichen Luftverkehr einstuft. Wie der Generalanwalt in Nr. 26 seiner Schlussanträge ausführt, fallen Heißluftballone nach dem am 7. Dezember 1944 in Chicago unterzeichneten Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt außerdem auch in den Geltungsbereich dieses Abkommens.

21      Nach Art. 80 Abs. 2 EG entziehen sich Seeschifffahrt und Luftfahrt zwar, solange der Gemeinschaftsgesetzgeber nichts anderes bestimmt, den Vorschriften über die gemeinsame Verkehrspolitik des Titels V im Dritten Teil des Vertrags, sie unterliegen jedoch aus den gleichen Gründen wie die übrigen Verkehrsarten den allgemeinen Vertragsvorschriften (Urteile vom 4. April 1974, Kommission/Frankreich, 167/73, Slg. 1974, 359, Randnr. 32, sowie vom 30. April 1986, Asjes u. a., 209/84 bis 213/84, Slg. 1986, 1425, Randnr. 45).

22      Was jedoch den freien Dienstleistungsverkehr betrifft, gilt Art. 49 EG gemäß Art. 51 Abs. 1 EG nicht als solcher für den Bereich der Luftfahrt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Dezember 1989, Corsica Ferries France, C‑49/89, Slg. 1989, 4441, Randnr. 10 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 5. November 2002, Kommission/Dänemark [„open skies“], C‑467/98, Slg. 2002, I‑9519, Randnr. 123).

23      Hinsichtlich einer Beförderung von Fluggästen mit Heißluftballonen im gewerblichen Luftverkehr wie der im Ausgangsverfahren fraglichen ist festzustellen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber auf der Grundlage von Art. 80 Abs. 2 EG mehrere Maßnahmen erlassen hat, die – wie die Europäische Kommission ausführt – diese Art der Luftfahrt betreffen können. Dies gilt zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt für die Verordnung (EG) Nr. 1592/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2002 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Europäischen Agentur für Flugsicherheit (ABl. L 240, S. 1) und für die Verordnung (EWG) Nr. 3922/91 des Rates vom 16. Dezember 1991 zur Harmonisierung der technischen Vorschriften und der Verwaltungsverfahren in der Zivilluftfahrt (ABl. L 373, S. 4) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1900/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 (ABl. L 377, S. 176) geänderten Fassung.

24      Was im Besonderen die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen betrifft, wurde Art. 84 Abs. 2 EWG-Vertrag (später Art. 84 Abs. 2 EG-Vertrag, nach Änderung dann Art. 80 Abs. 2 EG) durch den Erlass der Verordnung Nr. 2407/92 durchgeführt, die zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt galt.

25      Zwar trifft es zu, dass der Rat Betriebsgenehmigungen für Luftfahrtunternehmen nach Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2407/92 vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen hat, insbesondere, wenn die Beförderung von Fluggästen mit Luftfahrzeugen ohne Motorantrieb, also auch mit Heißluftballonen, erfolgt. Der Rat hat in dieser Bestimmung ausdrücklich klargestellt, dass für derartige Beförderungen ausschließlich die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften für Betriebsgenehmigungen sowie die einzelstaatlichen und die unionsrechtlichen Rechtsvorschriften für das Luftverkehrsbetreiberzeugnis gelten.

26      Wie jedoch aus den ersten beiden Erwägungsgründen der Verordnung Nr. 2407/92 hervorgeht, hat der Rat mit dem Erlass dieser Verordnung das Ziel verfolgt, bis zum 31. Dezember 1992 eine Luftverkehrspolitik für den Binnenmarkt festzulegen, der einen Raum ohne Binnengrenzen umfasst, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Die Verpflichtung der Gemeinschaft, bis zu diesem Zeitpunkt den Binnenmarkt, auch im Bereich des Verkehrs, zu verwirklichen, war in Art. 8a EWG-Vertrag (nach Änderung Art. 7a EG-Vertrag, nach weiterer Änderung dann Art. 14 EG) vorgesehen.

27      Diese weite Zielsetzung umfasst auch grundsätzlich eine Beförderung von Fluggästen mit Heißluftballonen im gewerblichen Luftverkehr wie die im Ausgangsverfahren fragliche.

28      Demnach ist der Ausschluss in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2407/92 zwar offensichtlich dadurch zu erklären, dass die Besonderheiten des Luftverkehrssektors nicht rechtfertigen, dass eine Beförderung von Fluggästen mit Heißluftballonen im gewerblichen Luftverkehr wie die im Ausgangsverfahren fragliche den Vorschriften dieser Verordnung unterliegt; daraus folgt aber nicht, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber mit diesem Ausschluss eine solche Beförderungsart gänzlich vom Anwendungsbereich des Vertrags ausnehmen wollte.

29      Folglich fällt eine Beförderung von Fluggästen mit Heißluftballonen im gewerblichen Luftverkehr wie die im Ausgangsverfahren fragliche in den Anwendungsbereich des EG-Vertrags und unterliegt demnach einer allgemeinen Vorschrift dieses Vertrags wie dem Art. 12 EG.

30      Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, sind die Vorlagefragen somit unter dem Gesichtspunkt des Art. 12 EG zu prüfen, in dem das allgemeine Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit verankert ist (vgl. u. a. Urteile vom 11. Januar 2007, Lyyski, C‑40/05, Slg. 2007, I‑99, Randnr. 33, und vom 5. März 2009, UTECA, C‑222/07, Slg. 2009, I‑1407, Randnr. 37).

 Zu den Fragen 1 bis 3

31      Mit seinen Fragen 1 bis 3, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 12 EG einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die für die Durchführung von Ballonfahrten in diesem Mitgliedstaat unter Androhung von verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen im Fall der Nichtbeachtung dieser Regelung

–        verlangt, dass eine Person, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaft oder niedergelassen ist und in diesem zweiten Mitgliedstaat über eine Bewilligung zur Durchführung gewerblicher Ballonfahrten verfügt, im ersten Mitgliedstaat einen Wohnsitz oder einen Gesellschaftssitz hat, und

–        diese Person verpflichtet, eine weitere Bewilligung zu erwirken, ohne dass angemessen berücksichtigt wird, dass die Prüferfordernisse im Ergebnis inhaltsgleich mit denen für die Bewilligung sind, die ihr im zweiten Mitgliedstaat bereits verliehen wurde.

32      Die Vorschriften über die Gleichbehandlung von Inländern und Ausländern verbieten nach ständiger Rechtsprechung nicht nur offene Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit oder – bei Gesellschaften – des Sitzes, sondern auch alle verdeckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen (Urteil vom 27. Oktober 2009, ČEZ, C‑115/08, Slg. 2009, I‑10265, Randnr. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Erstens führt eine Regelung eines Mitgliedstaats wie die im Ausgangsverfahren fragliche, soweit sie das Vorliegen eines Wohnsitzes oder eines Gesellschaftssitzes in diesem Mitgliedstaat als Voraussetzung für die Durchführung von gewerblichen Ballonfahrten vorschreibt, ein Unterscheidungsmerkmal ein, das bei natürlichen Personen im Ort ihres Wohnsitzes und bei Gesellschaften im Ort ihres Gesellschaftssitzes besteht.

34      Was zum einen das Unterscheidungsmerkmal des Wohnsitzes betrifft, führt dieses in der Praxis zum gleichen Ergebnis wie eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, weil die Gefahr besteht, dass es sich hauptsächlich zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirkt, da Gebietsfremde meist Ausländer sind (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 29. April 1999, Ciola, C‑224/97, Slg. 1999, I‑2517, Randnr. 14, vom 16. Januar 2003, Kommission/Italien, C‑388/01, Slg. 2003, I‑721, Randnr. 14, und vom 15. März 2005, Bidar, C‑209/03, Slg. 2005, I‑2119, Randnr. 53).

35      Eine solche unterschiedliche Behandlung kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu dem Zweck steht, der mit den nationalen Rechtsvorschriften zulässigerweise verfolgt wird (Urteil Bidar, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte geht jedoch nicht hervor, dass in Bezug auf eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche eine solche Rechtfertigung gegeben ist.

37      Was zum anderen das Unterscheidungsmerkmal des Ortes des Gesellschaftssitzes angeht, stellt es grundsätzlich eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, wie aus der in Randnr. 32 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung hervorgeht.

38      Zweitens verpflichtet eine Regelung eines Mitgliedstaats wie die im Ausgangsverfahren fragliche eine in einem anderen Mitgliedstaat wohnhafte oder niedergelassene Person, die in diesem zweiten Mitgliedstaat Inhaberin einer Bewilligung zur Durchführung gewerblicher Ballonfahrten ist, im ersten Mitgliedstaat eine weitere Bewilligung zu erwirken, ohne dass angemessen berücksichtigt wird, dass die Prüferfordernisse im Ergebnis inhaltsgleich mit denen für die Bewilligung sind, die ihr im zweiten Mitgliedstaat bereits verliehen wurde. Auf diese Weise führt eine solche Regelung ein Unterscheidungsmerkmal ein, das in der Praxis zum gleichen Ergebnis führt wie eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit.

39      Durch die Weigerung, die im zweiten Mitgliedstaat erteilte Bewilligung zu berücksichtigen, verpflichtet eine solche Regelung die betreffende Person nämlich dazu, ein zweites Mal alle Schritte zu unternehmen, die für die Erlangung einer Bewilligung erforderlich sind, wenn sie im Hoheitsgebiet des ersten Mitgliedstaats gewerbliche Ballonfahrten durchführen will. Die von diesem Mitgliedstaat auferlegte Verpflichtung betrifft in der Praxis grundsätzlich Angehörige anderer Mitgliedstaaten oder Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat.

40      Die österreichische Regierung macht geltend, dass die Verpflichtung, eine von den österreichischen Behörden erteilte Bewilligung zu erwirken, durch das Interesse am Schutz des Lebens und der Gesundheit der beförderten Personen und durch das Interesse an der Sicherheit der Luftfahrt gerechtfertigt sei. Im Übrigen wendet sie sich gegen die Feststellung des vorlegenden Gerichts, dass die Prüferfordernisse für die Herrn Neukirchinger in Deutschland erteilte Bewilligung und die Erfordernisse in Österreich im Ergebnis inhaltsgleich seien.

41      Zu diesem Einwand ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Rahmen der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Gerichten der Union und denen der Mitgliedstaaten in Bezug auf den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die Vorlagefrage einfügt, von den Feststellungen des vorlegenden Gerichts auszugehen hat (Urteile vom 25. Oktober 2001, Ambulanz Glöckner, C‑475/99, Slg. 2001, I‑8089, Randnr. 10, und vom 13. November 2003, Neri, C‑153/02, Slg. 2003, I‑13555, Randnr. 35). Es ist daher nicht Sache des Gerichtshofs, über eine Beurteilung zu befinden, wie sie das vorlegende Gericht in Bezug auf die Ähnlichkeit der Regelungen der beiden betroffenen Mitgliedstaaten über die Voraussetzungen für die Erteilung der im Ausgangsverfahren fraglichen Bewilligungen vorgenommen hat.

42      Was den Schutz der Interessen betrifft, auf die die österreichische Regierung hinweist, stellen diese zweifellos rechtmäßige Ziele dar. Dass ein Mitgliedstaat eine Person wie Herrn Neukirchinger dazu verpflichtet, eine weitere Bewilligung zu erwirken, ohne dass angemessen berücksichtigt wird, dass die Prüferfordernisse im Ergebnis inhaltsgleich mit denen für die Bewilligung sind, die dem Betreffenden im zweiten Mitgliedstaat bereits verliehen wurde, ist jedoch, wie die polnische Regierung und die Kommission zu Recht vortragen, im Hinblick auf die verfolgten rechtmäßigen Ziele nicht verhältnismäßig. Da die Voraussetzungen für die Erteilung der im Ausgangsverfahren fraglichen Beförderungsbewilligungen in den beiden Mitgliedstaaten nämlich im Ergebnis inhaltsgleich sind, ist anzunehmen, dass die Interessen, auf die die österreichische Regierung hinweist, bei der Erteilung der ersten Bewilligung in Deutschland bereits berücksichtigt wurden.

43      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche in Wirklichkeit eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit darstellt, die durch die im Fall der Nichtbeachtung dieser Regelung verhängten verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen verstärkt wird.

44      Folglich ist auf die Fragen zu antworten, dass Art. 12 EG einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die für die Durchführung von Ballonfahrten in diesem Mitgliedstaat unter Androhung von verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen im Fall der Nichtbeachtung dieser Regelung

–        verlangt, dass eine Person, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaft oder niedergelassen ist und in diesem zweiten Mitgliedstaat über eine Bewilligung zur Durchführung gewerblicher Ballonfahrten verfügt, im ersten Mitgliedstaat einen Wohnsitz oder einen Gesellschaftssitz hat, und

–        diese Person verpflichtet, eine weitere Bewilligung zu erwirken, ohne dass angemessen berücksichtigt wird, dass die Prüferfordernisse im Ergebnis inhaltsgleich mit denen für die Bewilligung sind, die ihr im zweiten Mitgliedstaat bereits verliehen wurde.

 Kosten

45      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Art. 12 EG steht einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, die für die Durchführung von Ballonfahrten in diesem Mitgliedstaat unter Androhung von verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen im Fall der Nichtbeachtung dieser Regelung

–        verlangt, dass eine Person, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaft oder niedergelassen ist und in diesem zweiten Mitgliedstaat über eine Bewilligung zur Durchführung gewerblicher Ballonfahrten verfügt, im ersten Mitgliedstaat einen Wohnsitz oder einen Gesellschaftssitz hat, und

–        diese Person verpflichtet, eine weitere Bewilligung zu erwirken, ohne dass angemessen berücksichtigt wird, dass die Prüferfordernisse im Ergebnis inhaltsgleich mit denen für die Bewilligung sind, die ihr im zweiten Mitgliedstaat bereits verliehen wurde.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.