Language of document : ECLI:EU:C:2017:958

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 12. Dezember 2017(1)

Rechtssache C15/16

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

gegen

Ewald Baumeister

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Märkte für Finanzinstrumente – Zugang zu Informationen der Aufsichtsbehörde für die Finanzmärkte in Bezug auf ein beaufsichtigtes Unternehmen – Richtlinie 2004/39/EG – Art. 54 Abs. 1 – Begriffe ‚Berufsgeheimnis‘ und ‚vertrauliche Informationen‘“






I.      Einleitung

1.        In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof ersucht, sich zur Auslegung von Art. 54 Abs. 1 der Richtlinie 2004/39/EG(2) in Bezug auf die Tragweite der Pflicht der nationalen Aufsichtsbehörden für die Finanzmärkte zur Wahrung des Berufsgeheimnisses und den Begriff „vertrauliche Informationen“ zu äußern, was ihn dazu veranlassen wird, seine auf das Urteil vom 12. November 2014, Altmann u. a.(3), zurückgehende Rechtsprechung zu ergänzen.

2.        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Ewald Baumeister und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Deutschland, im Folgenden: BaFin) wegen der Entscheidung der BaFin, dem Kläger des Ausgangsverfahrens den Zugang zu bestimmten die Phoenix Kapitaldienst GmbH (im Folgenden: Phoenix) betreffenden Dokumenten zu verweigern.

3.        Am Ende meiner Analyse werde ich dem Gerichtshof vorschlagen, in Anbetracht der Besonderheit der Finanzmarktaufsicht den Begriffen „vertrauliche Informationen“ und „Berufsgeheimnis“ eine möglichst große Tragweite beizumessen und zu entscheiden, dass alle bei einer nationalen Aufsichtsbehörde für die Finanzmärkte angefallenen Informationen, einschließlich Korrespondenz und Äußerungen, über ein beaufsichtigtes Unternehmen unabhängig von weiteren Voraussetzungen unter den Begriff „vertrauliche Informationen“ im Sinne von Art. 54 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2004/39 fallen und daher nach Art. 54 Abs. 1 Satz 1 dieser Richtlinie durch das Berufsgeheimnis geschützt sind.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

4.        In den Erwägungsgründen 2, 63 und 71 der Richtlinie 2004/39 heißt es:

„(2)      … [Es] ist … erforderlich, eine Harmonisierung in dem Umfang vorzunehmen, der notwendig ist, um Anlegern ein hohes Schutzniveau zu bieten und Wertpapierfirmen das Erbringen von Dienstleistungen in der gesamten Gemeinschaft im Rahmen des Binnenmarkts auf der Grundlage der Herkunftslandaufsicht zu gestatten. …

(63)      … In Anbetracht zunehmender grenzüberschreitender Tätigkeiten sollten die zuständigen Behörden einander die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben zweckdienlichen Informationen übermitteln, um eine wirksame Anwendung dieser Richtlinie auch in Situationen zu gewährleisten, in denen Verstöße oder mutmaßliche Verstöße für die Behörden in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten von Bedeutung sein können. Bei diesem Informationsaustausch ist die strikte Wahrung des Berufsgeheimnisses erforderlich, um die reibungslose Übermittlung dieser Informationen und den Schutz individueller Rechte zu gewährleisten.

(71)      Das Ziel der Schaffung eines integrierten Finanzmarktes, in dem die Anleger wirksam geschützt und Effizienz und Integrität des gesamten Marktes gesichert sind, erfordert die Festlegung gemeinsamer rechtlicher Anforderungen für Wertpapierfirmen unabhängig von ihrem Zulassungsort in der Gemeinschaft und für die Funktionsweise geregelter Märkte und anderer Handelssysteme, um zu verhindern, dass mangelnde Transparenz oder Störungen auf einem Markt das reibungslose Funktionieren des europäischen Finanzsystems insgesamt beeinträchtigen. …“

5.        Art. 17 („Allgemeine Verpflichtung zur laufenden Überwachung“) der Richtlinie bestimmt in Abs. 1:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Behörden die Tätigkeit von Wertpapierfirmen überwachen, um die Einhaltung der Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit gemäß dieser Richtlinie zu beurteilen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass geeignete Maßnahmen vorhanden sind, damit die zuständigen Behörden die notwendigen Informationen erhalten, um die Einhaltung dieser Bedingungen durch die Wertpapierfirmen zu prüfen.“

6.        Art. 54 („Berufsgeheimnis“) der Richtlinie sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Behörden, alle Personen, die für diese oder für Stellen, denen nach Artikel 48 Absatz 2 Aufgaben übertragen wurden, tätig sind oder waren, sowie die von den zuständigen Behörden beauftragten Wirtschaftsprüfer und Sachverständigen dem Berufsgeheimnis unterliegen. Diese dürfen vertrauliche Informationen, die sie in ihrer beruflichen Eigenschaft erhalten, an keine Person oder Behörde weitergeben, es sei denn in zusammengefasster oder allgemeiner Form, so dass die einzelnen Wertpapierfirmen, Marktbetreiber, geregelten Märkte oder anderen Personen nicht zu erkennen sind; davon unberührt bleiben Fälle, die unter das Strafrecht oder andere Bestimmungen dieser Richtlinie fallen.

(2)      Wurde gegen eine Wertpapierfirma, einen Marktbetreiber oder einen geregelten Markt durch Gerichtsbeschluss das Konkursverfahren eröffnet oder ihre Zwangsabwicklung eingeleitet, so dürfen vertrauliche Informationen, die sich nicht auf Dritte beziehen, in zivil- oder handelsrechtlichen Verfahren weitergegeben werden, sofern dies für das betreffende Verfahren erforderlich ist.

(3)      Unbeschadet der Fälle, die unter das Strafrecht fallen, dürfen die zuständigen Behörden, Stellen oder andere natürliche oder juristische Personen als die zuständigen Behörden vertrauliche Informationen, die sie gemäß dieser Richtlinie erhalten, nur zur Wahrnehmung ihrer Verantwortlichkeiten und Aufgaben – im Falle der zuständigen Behörden – innerhalb des Geltungsbereichs dieser Richtlinie oder – im Falle anderer Behörden, Stellen, natürlicher oder juristischer Personen – für die Zwecke, für die die Information übermittelt wurde, und/oder bei Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren, die sich speziell auf die Wahrnehmung dieser Aufgaben beziehen, verwenden. Gibt die zuständige Behörde oder andere Behörde, Stelle oder Person, die die Information übermittelt, jedoch ihre Zustimmung, so darf die Behörde, die die Information erhält, diese für andere Zwecke verwenden.

(4)      Vertrauliche Informationen, die gemäß dieser Richtlinie empfangen, ausgetauscht oder übermittelt werden, unterliegen den Vorschriften dieses Artikels über das Berufsgeheimnis. Dieser Artikel steht dem allerdings nicht entgegen, dass die zuständigen Behörden im Einklang mit dieser Richtlinie und mit anderen, für Wertpapierfirmen, Kreditinstitute, Pensionsfonds, OGAW, Versicherungs- und Rückversicherungsvermittler, Versicherungsunternehmen, geregelte Märkte oder Marktbetreiber geltenden Richtlinien vertrauliche Informationen mit Zustimmung der die Informationen übermittelnden zuständigen Behörde oder anderen Behörden, Stellen und sonstigen juristischen oder natürlichen Personen austauschen oder solche übermitteln.

(5)      Dieser Artikel steht dem Austausch oder der Übermittlung vertraulicher Informationen, die nicht von der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaats empfangen wurden, durch die zuständigen Behörden im Einklang mit de[m] jeweils maßgebenden nationale[n] Recht nicht entgegen.“

7.        Art. 56 („Pflicht zur Zusammenarbeit“) der Richtlinie bestimmt in Abs. 1:

„Die zuständigen Behörden der einzelnen Mitgliedstaaten arbeiten zusammen, wann immer dies zur Wahrnehmung der in dieser Richtlinie festgelegten Aufgaben erforderlich ist, und machen dazu von den ihnen entweder durch diese Richtlinie oder das nationale Recht übertragenen Befugnissen Gebrauch.

Die zuständigen Behörden leisten den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten Amtshilfe. Sie tauschen insbesondere Informationen aus und arbeiten bei Ermittlungen oder der Überwachung zusammen.

...“

B.      Deutsches Recht

8.        Die anwendbaren Bestimmungen des deutschen Rechts sind im Informationsfreiheitsgesetz vom 5. September 2005(4) in der durch das Gesetz vom 7. August 2013(5) geänderten Fassung (im Folgenden: IFG) sowie im Kreditwesengesetz vom 9. September 1998(6) in der durch das Gesetz vom 4. Juli 2013(7) geänderten Fassung (im Folgenden: KWG) enthalten.

9.        In § 1 Abs. 1 IFG heißt es:

„Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.“

10.      § 3 („Schutz von besonderen öffentlichen Belangen“) IFG bestimmt:

„Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht,

1.      wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf

d)      Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden,

4.      wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt.“

11.      § 5 IFG gewährleistet den „Schutz personenbezogener Daten“, und § 6 IFG betrifft den „Schutz des geistigen Eigentums und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“.

12.      § 9 KWG („Verschwiegenheitspflicht“) bestimmt in Abs. 1:

„Die bei der [BaFin] beschäftigten … Personen …, soweit sie zur Durchführung dieses Gesetzes tätig werden, dürfen die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Instituts oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist. Die von den beaufsichtigten Instituten und Unternehmen zu beachtenden Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes [vom 20. Dezember 1990(8)] bleiben unberührt. …“

III. Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits und Vorlagefragen

13.      Herr Baumeister gehört zu den Anlegern, die durch das betrügerische Verhalten von Phoenix geschädigt wurden. Im Jahr 2005 wurde über das Vermögen von Phoenix das Insolvenzverfahren eröffnet, nachdem sich herausgestellt hatte, dass ihr Finanzierungsmodell auf einem betrügerischen Schneeballsystem beruhte.

14.      Herr Baumeister beantragte gemäß § 1 Abs. 1 IFG Zugang zu bestimmten Unterlagen von Phoenix – dem Gutachten einer Sonderprüfung, Berichten von Wirtschaftsprüfern sowie internen Stellungnahmen, Berichten und Korrespondenz –, die im Zusammenhang mit der Aufsicht der BaFin über diese Gesellschaft angefallen waren. Die BaFin lehnte seinen Antrag ab.

15.      Am 12. März 2008 verpflichtete das Verwaltungsgericht die BaFin, Zugang zu den verlangten Akten zu gewähren, soweit diese keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthielten.

16.      Am 28. April 2010 forderte der Verwaltungsgerichtshof im Berufungsverfahren die Vorlage der Akten, um das Vorliegen der von der BaFin geltend gemachten Versagungsgründe zu überprüfen. Am 26. Juli 2010 verweigerte das Bundesministerium der Finanzen (Deutschland) als oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der angeforderten Dokumente.

17.      Am 12. Januar 2012 stellte der Verwaltungsgerichtshof fest, dass die Verweigerung der Vorlage rechtswidrig sei. Mit Beschluss vom 5. April 2013 wies der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts die gegen den Beschluss vom 12. Januar 2012 gerichteten Beschwerden der Beklagten und des Bundesministeriums der Finanzen zurück. In einem Parallelverfahren, in dem das Bundesministerium der Finanzen am 24. Oktober 2011 eine detailliertere, auf die einzelnen Aktenbestandteile bezogene Sperrerklärung vorgelegt hatte, stellte der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts mit Beschluss vom 5. April 2013 auf die Beschwerde der dortigen Klägerin unter Änderung des Beschlusses des Fachsenats des Verwaltungsgerichtshofs vom 9. März 2012 fest, dass die Verweigerung der Aktenvorlage nicht insgesamt, sondern lediglich teilweise rechtswidrig gewesen sei.

18.      Am 29. November 2013 stellte der Verwaltungsgerichtshof fest, dass Herr Baumeister nach § 1 Abs. 1 IFG Anspruch auf Einsicht in die angeforderten Akten habe. Entgegen der Auffassung der BaFin sei der Informationszugang nicht in genereller Weise nach § 3 Nr. 4 IFG in Verbindung mit § 9 KWG zu versagen. Schutzwürdig seien nur die einzelnen im konkreten Einzelfall zu ermittelnden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie personenbezogene Daten Dritter im Sinne von § 5 Abs. 1 IFG. Die BaFin habe das Vorliegen solcher schutzwürdiger Informationen im vorliegenden Fall nicht ausreichend vorgetragen, sondern lediglich pauschal geltend gemacht.

19.      Der Verwaltungsgerichtshof führte weiter aus, auch aus dem Unionsrecht ergebe sich nichts anderes, da es keine absolute Pflicht zur Verschwiegenheit für die Aufsichtsbehörde fordere, die in jedem Fall einen Ausschluss von der Pflicht zur Gewährung von Akteneinsicht zur Folge hätte. Dem Anspruch des Klägers stünden auch keine Rechte von Phoenix als Insolvenzschuldnerin oder des im Verfahren beigeladenen Insolvenzverwalters entgegen.

20.      Die BaFin legte gegen dieses Urteil beim Bundesverwaltungsgericht, dem vorlegenden Gericht, Revision ein. Dieses ist der Ansicht, die von ihm zu treffende Entscheidung hänge von der Prüfung mehrerer Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 2004/39 ab, mit denen sich der Gerichtshof im Urteil vom 12. November 2014, Altmann u. a.(9), nicht befasst habe.

21.      Hierzu führt das Bundesverwaltungsgericht aus, der Verwaltungsgerichtshof habe den von § 9 Abs. 1 KWG vermittelten Schutz in zweifacher Hinsicht zu eng gefasst.

22.      Zum einen decke § 9 Abs. 1 KWG nicht lediglich die nur beispielhaft erwähnten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie personenbezogene Daten ab, sondern allgemein alle Tatsachen, die nicht offenkundig, sondern einem begrenzten Personenkreis zugänglich seien und an deren Geheimhaltung das beaufsichtigte Unternehmen oder ein Dritter ein Interesse habe. Dies sei nicht nur bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Fall, deren Offenbarung geeignet sei, die Wettbewerbsposition eines auf dem Markt tätigen Unternehmens nachteilig zu beeinflussen, sondern vor allem auch bei Angaben über ein insolventes Institut (etwa zu Vertriebswegen und Kundendaten), die einen Vermögenswert besäßen, der zugunsten der Gläubiger verwertet werden könne.

23.      Zum anderen schütze § 9 Abs. 1 KWG auch – über seinen Wortlaut hinaus – Angaben und Informationen, deren Geheimhaltung allein im legitimen Interesse der BaFin liege. Dies folge aus dem mit der Richtlinie 2004/39 verfolgten Ziel einer wirksamen Aufsicht über die Tätigkeit von Wertpapierunternehmen. Das in Art. 54 Abs. 1 der Richtlinie 2004/39 vorgesehene Berufsgeheimnis müsse sich daher auf die dem sogenannten „aufsichtsrechtlichen Geheimnis“ zuzurechnenden Unterlagen erstrecken.

24.      Die Auslegung von Art. 54 Abs. 1 der Richtlinie 2004/39 werfe noch weitere Fragen auf, die geprüft werden müssten.

25.      Zunächst sei fraglich, ob § 9 Abs. 1 KWG unionsrechtskonform dahin auszulegen sei, dass der Geheimhaltungspflicht große Reichweite zukomme und die Einordnung der Aktenbestandteile als „vertraulich“ anhand rein formaler Merkmale ermögliche.

26.      Ein solches Verständnis der vertraulichen Informationen und des Berufsgeheimnisses, das der Herkunft der Angaben maßgebende Bedeutung beimesse und die unternehmensbezogenen Informationen nicht weiter nach ihrem Inhalt und den – insbesondere wirtschaftlichen – Auswirkungen einer Offenlegung bewerte und zuordne, gebe es in der Rechtsprechung zum unionsrechtlichen Begriff des Berufsgeheimnisses nicht. Das Gericht der Europäischen Union habe insoweit in Rechtssachen, in denen es um das Wettbewerbsrecht gegangen sei, drei Bedingungen aufgestellt, unter denen Angaben durch das Berufsgeheimnis geschützt werden könnten. Aufgrund der Besonderheiten der Finanzmarktaufsicht, bei der eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den beaufsichtigten Kreditinstituten und den Aufsichtsbehörden unerlässlich sei, sei es jedoch möglich, auf die Erfordernisse eines durch die Offenlegung entstandenen Nachteils und eines objektiv schützenswerten Interesses zu verzichten.

27.      Falls derart allgemeine Kriterien für die Bestimmung der vom Berufsgeheimnis erfassten Aktenbestandteile nicht mit der Richtlinie 2004/39 vereinbar sein sollten, bedürfe sodann der Klärung, welche Anforderungen an die Feststellung eines Berufsgeheimnisses sich aus der Richtlinie ergäben.

28.      Insbesondere müsse in Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission(10) geklärt werden, ob nachvollziehbar darzulegen sei, dass ein schutzwürdiges Interesse durch die Offenlegung der Informationen im konkreten Fall Nachteile erleide und ob es auf dem Gebiet der Finanzaufsicht eine Vermutung wie die im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001 festgelegte gebe, wonach die Offenlegung des Schriftverkehrs zwischen der Europäischen Kommission und den Unternehmen grundsätzlich sowohl den Schutz der Ziele von Untersuchungstätigkeiten als auch die Wahrung der geschäftlichen Interessen der betreffenden Unternehmen beeinträchtige.

29.      Schließlich stelle sich die Frage, wie lange die Informationen durch das Berufsgeheimnis geschützt blieben. Die Schutzwürdigkeit vertraulicher Informationen dürfte mit der Zeit abnehmen. Die Besonderheiten der Finanzmarktaufsicht könnten allerdings eine andere Bewertung rechtfertigen, die allein auf die ursprüngliche, bei der Übermittlung der Informationen an die Aufsichtsbehörde vorgenommene Qualifizierung als „Geschäftsgeheimnis“ abstelle.

30.      Sollten dagegen durch Zeitablauf eingetretene Änderungen in den Verhältnissen zu berücksichtigen sein, stelle sich die Frage, ob vermutet werden könne, dass nach gewisser Zeit die Aktualität einer Angabe, die ihr auf einem wettbewerbsorientierten Markt ihren wirtschaftlichen Wert vermittele, entfallen sei. Insoweit sei auf die Mitteilung der Kommission über die Regeln für die Einsicht in die wettbewerbsrechtlichen Akten(11) hinzuweisen, die in der Rechtsprechung des Gerichts gebilligt worden sei. Aus ihr gehe hervor, dass Angaben, die mindestens fünf Jahre alt und daher nicht mehr als aktuell anzusehen seien, nicht als vertraulich gelten könnten, es sei denn, dass der Betroffene nachweise, dass sie nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil seiner eigenen wirtschaftlichen Stellung oder der eines Dritten seien.

31.      Unter diesen Umständen hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      a)      Fallen unter den Begriff der „vertraulichen Informationen“ im Sinne von Art. 54 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2004/39 und damit unter das Berufsgeheimnis nach Art. 54 Abs. 1 Satz 1 dieser Richtlinie unabhängig von weiteren Voraussetzungen alle unternehmensbezogenen Angaben, die das beaufsichtigte Unternehmen an die Aufsichtsbehörde übermittelt hat?

b)      Erfasst das „aufsichtsrechtliche Geheimnis“ als Teil des Berufsgeheimnisses im Sinne von Art. 54 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/39 unabhängig von weiteren Voraussetzungen alle in den Akten enthaltenen Äußerungen der Aufsichtsbehörde einschließlich ihrer Korrespondenz mit anderen Stellen?

Wenn die Fragen a oder b zu verneinen sein sollten:

c)      Ist die Bestimmung über das Berufsgeheimnis in Art. 54 Abs. 1 der Richtlinie 2004/39 so auszulegen, dass bei der Qualifikation der Informationen als vertraulich

i)      es darauf ankommt, ob Informationen ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen oder der Zugang zu den Informationen das Geheimhaltungsinteresse konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte, oder

ii)      sonstige Umstände zu berücksichtigen sind, bei deren Vorliegen die Informationen unter das Berufsgeheimnis fallen, oder

iii)      sich die Aufsichtsbehörde hinsichtlich der in ihren Akten enthaltenen unternehmensbezogenen Angaben des beaufsichtigten Unternehmens und der darauf bezogenen Schriftstücke der Aufsichtsbehörde auf eine widerlegliche Vermutung berufen kann, dass insoweit Geschäfts- oder aufsichtsrechtliche Geheimnisse betroffen sind?

2.      Ist der Begriff der „vertraulichen Informationen“ im Sinne von Art. 54 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2004/39 so auszulegen, dass es für die Qualifizierung einer von der Aufsichtsbehörde übermittelten unternehmensbezogenen Angabe als schutzwürdiges Geschäftsgeheimnis bzw. als ansonsten schutzwürdige Information allein auf den Zeitpunkt der Übermittlung an die Aufsichtsbehörde ankommt?

Wenn Frage 2 zu verneinen ist:

3.      Ist bei der Frage, ob eine unternehmensbezogene Angabe ungeachtet von Veränderungen des wirtschaftlichen Umfeldes als Geschäftsgeheimnis zu schützen ist und folglich unter das Berufsgeheimnis gemäß Art. 54 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2004/39 fällt, in generalisierender Weise eine zeitliche Schranke – etwa von fünf Jahren – anzunehmen, nach deren Überschreitung in widerleglicher Weise vermutet wird, dass eine Angabe ihren wirtschaftlichen Wert verloren hat? Gilt Entsprechendes für das aufsichtsrechtliche Geheimnis?

IV.    Würdigung

32.      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass neben dem untersuchten Rechtsakt auch andere Rechtsakte der Union ähnliche Vorschriften über die Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses enthalten wie Art. 54 der Richtlinie 2004/39. In Bezug auf die Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten sind dies insbesondere Art. 102 der Richtlinie 2009/65/EG(12) sowie Art. 53 der Richtlinie 2013/36/EU(13) und in Bezug auf die europäischen Aufsichtsbehörden Art. 70 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010(14) sowie Art. 70 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010(15).

33.      Der Gerichtshof hat sich bislang allerdings weder zur Definition des Begriffs „Berufsgeheimnis“ noch zu den Konturen des Begriffs „vertrauliche Informationen“ im Rahmen des Systems der Finanzmarktaufsicht geäußert(16).

34.      Wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Vorlageentscheidung ausführt, hatte er jedoch Gelegenheit, sich zum Anspruch auf Zugang zu Verwaltungsdokumenten der Organe der Europäischen Union sowie zum Anspruch auf Zugang zu wettbewerbsrechtlichen Dokumenten zu äußern.

35.      Dabei hat der Gerichtshof etwa in Bezug auf den Anspruch auf Zugang zu Dokumenten, die der Kommission im Rahmen von Wettbewerbsverfahren vorliegen, u. a. klargestellt, dass die Offenlegung von Informationen in Verbindung mit Verfahren wegen Zuwiderhandlungen gegen die Art. 101 und 102 AEUV der Grundsatz ist(17) und dass diese Informationen auch gegen den Willen des betreffenden Unternehmens übermittelt werden können, wenn sie keine Geschäftsgeheimnisse(18) oder sonstigen vertraulichen Informationen darstellen, wenn ihre Offenlegung aufgrund eines übergeordneten Interesses notwendig ist(19) oder wenn die Informationen ihrem Wesen nach nicht durch das Berufsgeheimnis geschützt sind. Mit dieser Auslegung wird jedoch weder bezweckt noch bewirkt, der Kommission zu verbieten, Informationen über die Tatbestandsmerkmale einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV zu veröffentlichen, die aus keinem anderen Grund vor einer Veröffentlichung geschützt sind. Zudem hat der Gerichtshof ausgeführt, dass im Rahmen von Kronzeugenprogrammen Beschlüsse über Zuwiderhandlungen grundsätzlich zu veröffentlichen sind, sofern dies nicht dem Schutz von Inspektions- und Untersuchungstätigkeiten abträglich ist(20).

36.      Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass im Rahmen von Verfahren zur Anwendung der Wettbewerbsregeln die Offenlegung der Informationen und daher ihre erweiterte Zugänglichkeit der Grundsatz ist, sofern nicht nachgewiesen wird, dass die Informationen als Berufsgeheimnis geschützt werden müssen. Der gleiche Gedankengang gilt hinsichtlich des Anspruchs auf Zugang zu den Dokumenten der Unionsorgane(21).

37.      Gegen eine solche Auslegung ist zwar im Bereich des Anspruchs auf Zugang zu bestimmten Dokumenten der Unionsorgane oder des Wettbewerbsrechts nichts einzuwenden, doch ist sie nicht auf das Spezialgebiet des Systems der Finanzmarktaufsicht übertragbar. Zu bedenken ist nämlich das Ausmaß der Besonderheiten des Systems der Finanzmarktaufsicht, das meiner Ansicht nach – entgegen insbesondere den Ausführungen der Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen – jede Analogie mit anderen im Unionsrecht vorgesehenen Regelungen ausschließt. Dabei sind die Besonderheiten der Tätigkeit der Finanzmarktaufsicht und der Inhalt von Art. 54 der Richtlinie 2004/39, der den Grundsatz des Berufsgeheimnisses aufstellt, zu berücksichtigen sowie die praktischen Folgen, die ein Anspruch auf Zugang zu den im Besitz der Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten befindlichen Dokumenten für das System der Finanzmarktaufsicht hätte. Es ist in diesem Bereich tatsächlich unmöglich, Parallelen zu anderen Bereichen des Unionsrechts zu ziehen, da sich die im Rahmen des Systems der Finanzmarktaufsicht gesammelten Informationen hinsichtlich ihres Umfangs, ihrer möglichen Verwendung, ihrer möglichen Folgen und ihrer Ziele grundlegend von denen unterscheiden, über die die Unionsorgane in anderen Bereichen verfügen.

38.      Die Aufsichtsbehörden für die Finanzmärkte haben, wie aus ihrem Namen hervorgeht, im Wesentlichen die Aufgabe, die auf den Finanzmärkten tätigen Unternehmen zu beaufsichtigen und zu kontrollieren. Um dieser Aufgabe effizient nachzukommen, müssen sie Zugang zu Informationen über die von ihnen kontrollierten Unternehmen haben. Diese Informationen können entweder in Ausübung der ihnen durch die nationalen Regelungen übertragenen Zwangsbefugnisse gesammelt werden oder im Wege einer freiwilligen Übermittlung durch die beaufsichtigten Unternehmen, wobei der zweiten, auf der Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen und den Aufsichtsbehörden beruhenden Methode der Vorzug zu geben ist. Diese notwendige Zusammenarbeit zwischen den beaufsichtigten Unternehmen und den zuständigen Behörden rechtfertigt es, dass Letztere zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichtet sind, denn ohne eine solche Pflicht würden die für die Finanzmarktaufsicht erforderlichen Informationen den zuständigen Behörden von den beaufsichtigten Unternehmen nur zögerlich oder widerstrebend übermittelt(22).

39.      Diese Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses hat historisch gesehen mit der Internationalisierung der Finanzaktivitäten und der Notwendigkeit, den Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden der verschiedenen Mitgliedstaaten zu erleichtern, damit eine wirksame Aufsicht über grenzüberschreitende Transaktionen im Binnenmarkt stattfindet, an Bedeutung gewonnen(23). Um dies zu erreichen, hat sich der Unionsgesetzgeber schon in der Ersten Richtlinie 77/780/EWG(24) mit den Anforderungen an die Vertraulichkeit der ausgetauschten Informationen befasst und den Grundsatz des Berufsgeheimnisses aufgestellt, den es bis dahin allein im nationalen Recht gab. Zwar wurde der dadurch geschaffene rechtliche Rahmen durch die Richtlinie 2004/39 und durch spätere Rechtsvorschriften reformiert, doch blieben die in ihrem Art. 54 vorgesehenen Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflichten weitgehend unverändert bestehen(25).

40.      Das Kernproblem besteht somit in der Ermittlung eines mehr oder weniger breiten Spektrums der als „vertraulich“ einzustufenden Informationen, die im besonderen System der Finanzmarktaufsicht durch das Berufsgeheimnis geschützt werden müssen, auch wenn Art. 54 der Richtlinie 2004/39 eine allgemeine Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses vorsieht, von der es ausdrückliche und abschließend festgelegte Ausnahmen gibt(26).

41.      Der Grundgedanke des Unionsgesetzgebers in dem hier relevanten Bereich ist mithin der eines grundsätzlichen Verbots der Weitergabe, anders als im Bereich des Wettbewerbsrechts und des Rechts auf Zugang zu Dokumenten der Unionsorgane, denn in diesen beiden Fällen ist ein Recht auf Zugang zu den Dokumenten die Regel, von der Ausnahmen bestehen(27). Der vom Unionsgesetzgeber im Bereich der Finanzmarktaufsicht verfolgte Ansatz ist daher dem auf den Gebieten des Zugangs zu Verwaltungsdokumenten der Unionsorgane und des Wettbewerbsrechts(28), für die der Grundsatz der Transparenz gilt, gewählten Ansatz diametral entgegengesetzt. Für das Ausgangsverfahren kann man daher davon ausgehen, dass der Unionsgesetzgeber den Grundsatz der Transparenz als nachrangig gegenüber dem Erfordernis des ordnungsgemäßen Funktionierens der Finanzmärkte eingestuft hat.

42.      Diese speziellen Überlegungen lassen sich damit rechtfertigen, dass die Richtlinie 2004/39 nach ihrem zweiten Erwägungsgrund einen integrierten und harmonisierten Finanzmarkt schaffen soll, der den Anlegern ein hohes Schutzniveau bietet und die Erbringung von Dienstleistungen in der gesamten Union gestattet(29).

43.      Art. 54 der Richtlinie 2004/39 gewährleistet somit den reibungslosen Informationsaustausch, der impliziert, dass sowohl die beaufsichtigten Unternehmen als auch die zuständigen Behörden sicher sein können, dass die ausgetauschten vertraulichen Informationen vertraulich bleiben(30).

44.      Ohne eine einheitliche Auslegung der Fälle, in denen eine Weitergabe der Informationen an Dritte möglich ist, wäre dieses Ziel gefährdet, was dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/39 zuwiderlaufen würde(31). Deshalb wird den Aufsichtsbehörden durch Art. 54 Abs. 1 der Richtlinie die Weitergabe der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen in anderer als zusammengefasster oder allgemeiner Form, ohne jede Erkennbarkeit, untersagt(32). Der Gerichtshof hatte im Übrigen Gelegenheit, diesen Grundsatz im Urteil vom 12. November 2014, Altmann u. a.(33), hervorzuheben.

45.      Zwar entspricht die Vorgeschichte des Ausgangsrechtsstreits derjenigen der Rechtssache, in der das Urteil Altmann u. a. ergangen ist(34), doch ging es in dieser Rechtssache nur um den Umfang der in Art. 54 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/39 vorgesehenen Ausnahmen von der Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses, wenn die vertraulichen Informationen ein in Liquidation befindliches Unternehmen betreffen, dessen Tätigkeit betrügerischen Charakter hatte, so dass mehrere seiner Führungskräfte zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Im Rahmen des Ausgangsverfahrens wird der Gerichtshof im gleichen Kontext ersucht, weitere Erwägungen zur Einstufung als „vertrauliche Informationen“ und zur Tragweite des Berufsgeheimnisses im Sinne von Art. 54 Abs. 1 der Richtlinie 2004/39 anzustellen.

46.      In diesem Rahmen ist festzustellen, dass die Aufsichtsbehörden für die Finanzmärkte eine Aufsichtstätigkeit von allgemeinem Interesse wahrnehmen. Hierzu müssen sie über Dokumente verfügen, die substanzielle Informationen zu Lage, Entwicklung und Fortbestand des beaufsichtigten Unternehmens enthalten.

47.      Daher müssen die Sammlung und der Austausch dieser Informationen unter dem Siegel der Verschwiegenheit erfolgen, soweit sie für die Aufsichtstätigkeit erforderlich sind und unmittelbar mit ihr in Zusammenhang stehen. Die Aufsichtsbehörden müssen nämlich, um ihre Aufgabe erfüllen zu können, über vollständige, seriöse und zuverlässige Informationen verfügen. Damit die Aufsichtstätigkeit effektiv und effizient ist, müssen die beaufsichtigten Unternehmen den zuständigen Behörden gegenüber völlig transparent sein. Dies erfordert eine vertrauliche Behandlung der Informationen über diese Unternehmen, damit die Vorschriften über das Berufsgeheimnis nicht ihrer Wirkung beraubt werden. Diese Gründe können daher einen Eingriff in das Grundrecht auf Zugang zu den Dokumenten(35), über die die zuständigen Behörden verfügen, mit dem Ziel der Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens und der Stabilität des Systems der Finanzmarktaufsicht legitimieren. In diesem Sinne müssen sich die Merkmale, Aufgaben oder Rollen dieser Behörden auf die Zugänglichkeit der in ihrem Besitz befindlichen Dokumente und Informationen auswirken.

48.      Im Kontext des Systems der Finanzmarktaufsicht müssen die nationalen Aufsichtsbehörden, damit sie ihrer Aufsichtsfunktion bestmöglich gerecht werden können, das Vertrauen der beaufsichtigten Unternehmen genießen(36). Diese werden nämlich, wie bereits ausgeführt, eher geneigt sein, zuverlässige und seriöse Informationen an die Aufsichtsbehörden weiterzugeben, wenn sie wissen, dass diese Informationen durch einen Grundsatz der Vertraulichkeit geschützt sind.

49.      Das gleiche Vertrauen muss überdies zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden selbst bestehen, da der Unionsgesetzgeber vorgesehen hat, dass sie als Netzwerk tätig werden(37). Das bedeutet, dass der Informationsaustausch zwischen ihnen durch die Garantie der Vertraulichkeit der Informationen, die sie im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit erhalten haben und besitzen, gestärkt werden muss.

50.      Dieses notwendige Vertrauen ist auch unter dem Aspekt der Prävention wichtig, die mit den Aufgaben der Aufsichtsbehörden für die Finanzmärkte verbunden ist und voraussetzt, dass sie über Informationen verfügen, die dem Berufsgeheimnis und der Vertraulichkeit unterliegen. Die von den Aufsichtsbehörden ausgeübte Aufgabe der Prävention setzt nämlich voraus, dass die Informationen unter dem Siegel der Verschwiegenheit gesammelt und gegeben werden, da jede Weitergabe naturgemäß ernste Folgen haben kann, selbst bei Informationen, an denen auf den ersten Blick nur geringes Interesse bestehen mag, die aber in Wirklichkeit für das Funktionieren der Finanzmärkte und des Systems ihrer Beaufsichtigung wichtig sind.

51.      Auch wenn die Sensibilität bestimmter Informationen, über die die Aufsichtsbehörden verfügen, mitunter nicht ohne Weiteres auf der Hand liegt, kann ihre Weitergabe nämlich die Stabilität der Finanzmärkte beeinträchtigen. Bei den Aufsichtsbehörden für die Finanzmärkte anfallende Informationen, die a priori unbedeutend erscheinen mögen, können sich letztlich im besonderen Kontext des Funktionierens der Finanzmärkte für die auf diesem Markt agierenden und der Aufsicht unterstehenden Unternehmen als essenziell erweisen.

52.      Wäre keine strikte Vertraulichkeit der Informationen, über die die nationalen Aufsichtsbehörden verfügen, gewährleistet, bestünde somit die Gefahr der Rechtsunsicherheit und der Schwächung des Systems der Finanzmarktaufsicht(38). In Anbetracht des Risikos einer finanziellen Katastrophe für den Fall, dass das Vertrauen in das Funktionieren des Finanzmarkts und des Systems seiner laufenden Überwachung verloren geht, ist daher besondere Vorsicht geboten(39). Alles, was als Schwachstelle beim Schutz der Informationen angesehen werden könnte, wäre dem System der Aufsicht abträglich, weil es das Vertrauen beeinträchtigen würde, und jede Lücke im Schutz der Vertraulichkeit der Informationen, über die die zuständigen Behörden verfügen, könnte das reibungslose Funktionieren dieses Systems stören. Die Weitergabe der Informationen könnte das betreffende Unternehmen destabilisieren und zudem zu einem Verlust der Glaubwürdigkeit der Aufsichtsbehörden in den Augen der Akteure auf den Finanzmärkten führen, die diese Informationen übermitteln und den Aufsichtsbehörden dadurch die Erfüllung ihrer Aufgaben ermöglichen.

53.      Die nationalen Aufsichtsbehörden können zwar im Besitz von Informationen öffentlicher Natur sein, in dem Sinne, dass mit ihnen einer im Unionsrecht vorgesehenen Offenlegungspflicht Genüge getan wird, wie sie in den Art. 2 und 3 der Ersten Richtlinie 68/151/EWG(40) vorgesehen ist. Auch in diesem Fall bin ich jedoch der Ansicht, dass diese Behörden nicht als „einzige Anlaufstelle“ dienen sollen, so dass sie meines Erachtens nicht verpflichtet wären, einem Antrag auf Zugang zu solchen öffentlichen Informationen stattzugeben.

54.      Zusammenfassend bin ich der Ansicht, dass das in Art. 54 der Richtlinie 2004/39 als Grundsatz aufgestellte Berufsgeheimnis nicht von der Art der im Besitz der Aufsichtsbehörden befindlichen Informationen abhängig sein kann. Alle Informationen, über die diese Behörden verfügen, müssen als vertraulich angesehen werden, da sie nicht die Aufgabe haben, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren, sondern lediglich die auf den Finanzmärkten tätigen Unternehmen beaufsichtigen und dadurch zur Stabilität und zur Regulierung dieser Märkte beitragen sollen.

55.      Hinzuzufügen ist, dass sich meiner Meinung nach die in Art. 54 Abs. 1 der Richtlinie 2004/39 verwendeten Begriffe „Berufsgeheimnis“ und „vertrauliche Informationen“ überschneiden. In diesen beiden Begriffen kommt daher eine Redundanz zum Ausdruck, da sie in Wirklichkeit einen einzigen Gegenstand und denselben Gedanken beschreiben.

56.      Im Übrigen hat der Gerichtshof in Bezug auf die Erste Richtlinie 77/780 unter Hervorhebung der Bedeutung des Schutzes des Berufsgeheimnisses bereits im Urteil vom 11. Dezember 1985, Hillenius, eine weite Auslegung des vertraulichen Charakters der Informationen, über die die nationalen Aufsichtsbehörden der Kreditinstitute verfügten, vorgenommen(41), wobei er den Schlussanträgen des Generalanwalts Slynn folgte(42), der dafür plädierte, nicht zwischen verschiedenen Arten von Informationen zu unterscheiden, und dem Gerichtshof vorschlug, zu entscheiden, dass insbesondere Zeugenaussagen unter das Berufsgeheimnis fallen.

57.      Eine fallweise, von den Behörden, die mit Anträgen auf Zugang zu Dokumenten konfrontiert sind, konkret und individuell durchzuführende Beurteilung liefe Gefahr, das Aufsichtssystem zu fragmentieren, und könnte zu einer unterschiedlichen Behandlung je nach der subjektiven Beurteilung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten durch eine Behörde führen. Wie bereits ausgeführt, sprechen das Gebot einer einheitlichen Anwendung der Richtlinie 2004/39 und das damit verfolgte Harmonisierungsziel für eine Vereinheitlichung der Beurteilung des vertraulichen Charakters bei den Aufsichtsbehörden anfallender Informationen und daher mehr für die Existenz eines allgemeinen Grundsatzes der Vertraulichkeit als für eine fallweise Beurteilung der Anwendung des Berufsgeheimnisses. Im Ausgangsverfahren muss dieser allgemeine Grundsatz die Nichtweitergabe der von Herrn Baumeister begehrten Informationen rechtfertigen, damit das System der Finanzmarktaufsicht nicht geschwächt und seine Effizienz nicht untergraben wird.

58.      Insoweit sollte man sich am fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/39 orientieren, wonach die Integrität und Effizienz des Finanzsystems gewahrt werden muss, was in Bezug auf das System der Finanzmarktaufsicht den Grundsatz der Vertraulichkeit erfordert. Das setzt voraus, dass einer weiten Definition der Vertraulichkeit und des Berufsgeheimnisses der Vorzug gegeben wird. Man kann sich auch vom achten Erwägungsgrund der Richtlinie (EU) 2016/943(43) leiten lassen, der besagt, dass eine Fragmentierung des Binnenmarkts(44) und eine Schwächung des allgemeinen Abschreckungseffekts der im Bereich der Geschäftsgeheimnisse im Binnenmarkt einschlägigen Vorschriften verhindert werden sollten. Zudem heißt es im 14. Erwägungsgrund dieser Richtlinie, dass ein legitimes Interesse daran besteht, vertrauliche Informationen generell geheim zu halten, und hervorgehoben wird, dass eine legitime Erwartung besteht, dass diese Vertraulichkeit von den betreffenden Kreisen gewahrt wird.

59.      Daher ist trotz der schriftlichen Erklärungen der niederländischen Regierung und der Hinweise, die die Rechtsprechung bereits auf anderen Gebieten als dem der Finanzmarktaufsicht hat geben können, daran festzuhalten, dass die einheitliche Anwendung der Richtlinie 2004/39 untergraben würde, wenn den Mitgliedstaaten ein Ermessen bei der Bestimmung der Tragweite des Berufsgeheimnisses und der Konturen des Begriffs „vertrauliche Informationen“ zustünde oder wenn jede Aufsichtsbehörde mittels einer konkreten und individuellen Prüfung jedes Antrags auf Zugang zu Dokumenten subjektiv beurteilen könnte, welche Informationen weitergegeben werden dürfen, wobei dies zudem für die Behörden, die einen Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen herbeiführen müssten, mit einer beträchtlichen Arbeitsbelastung verbunden wäre(45).

60.      Insoweit ist davon auszugehen, dass der Unionsgesetzgeber selbst eine Abwägung vorgenommen und ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen in Betracht kommenden Interessen gefunden hat, indem er, wie oben ausgeführt(46), den allgemeinen Grundsatz der Nichtweitergabe der bei den Behörden der Finanzmarktaufsicht anfallenden Informationen aufgestellt hat, verbunden mit einer Reihe abschließender und als solche eng auszulegender Ausnahmen(47).

61.      In diesem Bereich bin ich der Ansicht, dass es weder Sache des Gerichtshofs ist, die Beurteilung des Unionsgesetzgebers durch seine eigene zu ersetzen, indem er Kriterien und genaue Modalitäten für die Bestimmung der die Tragweite des Berufsgeheimnisses kennzeichnenden Merkmale festlegt, noch Sache der Aufsichtsbehörden für die Finanzmärkte, sich auf die Suche nach diesem heiklen Gleichgewicht zu begeben, was zu Kasuistik führen und dadurch das harmonisierte Aufsichtssystem schwächen könnte, während die Vorgehensweise des Unionsgesetzgebers zu einem angemessenen Ausgleich zwischen den verschiedenen bestehenden Interessen führt.

62.      Um schließlich auf das Ausgangsverfahren zurückzukommen, scheint mir aus den dem Gerichtshof vorgelegten Erklärungen hervorzugehen, dass die Situation von Herrn Baumeister derzeit unter keine der in Art. 54 der Richtlinie 2004/39 vorgesehenen Ausnahmen fällt. Zudem hat die mündliche Verhandlung ergeben, dass es im Ausgangsverfahren um die Kostenfestsetzung zu gehen scheint, wobei ich mich frage, inwiefern in diesem Kontext die Erlangung vertraulicher Informationen, über die die BaFin verfügt, von Nutzen wäre.

63.      Angesichts dieser Gesichtspunkte kann der vorliegende Fall dem Gerichtshof keinen Anlass bieten, eine Bresche in den Grundsatz der Vertraulichkeit und die Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses für alle bei den nationalen Aufsichtsbehörden für die Finanzmärkte anfallenden Informationen zu schlagen.

64.      Folglich ist im besonderen Kontext der Finanzmarktaufsicht eine weite Auslegung des vertraulichen Charakters der den Aufsichtsbehörden zur Verfügung stehenden Informationen vorzunehmen, wonach ihre Weitergabe nur in den in Art. 54 der Richtlinie 2004/39 vorgesehenen Fällen möglich ist. Der Unionsgesetzgeber hat nämlich das Berufsgeheimnis als allgemeinen Grundsatz aufgestellt, und Ausnahmen von diesem Grundsatz der Vertraulichkeit können nur eng ausgelegt werden und nur in Betracht kommen, wenn sie in den Vorschriften der Richtlinie 2004/39 ausdrücklich vorgesehen sind. In diesem Sinne sind die Aufsichtsbehörden für die Finanzmärkte, außer in den in diesen Vorschriften abschließend aufgeführten Fällen, zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichtet, und zwar ohne zeitliche Begrenzung.

65.      Nach alledem ist davon auszugehen, dass alle bei einer nationalen Aufsichtsbehörde für die Finanzmärkte angefallenen Informationen, einschließlich Korrespondenz und Äußerungen, über ein beaufsichtigtes Unternehmen unabhängig von weiteren Voraussetzungen unter den Begriff „vertrauliche Informationen“ im Sinne von Art. 54 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2004/39 fallen und daher nach Art. 54 Abs. 1 Satz 1 dieser Richtlinie durch das Berufsgeheimnis geschützt sind.

V.      Ergebnis

66.      Im Licht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Bundesverwaltungsgerichts (Deutschland) wie folgt zu beantworten:

Alle bei einer nationalen Aufsichtsbehörde für die Finanzmärkte angefallenen Informationen, einschließlich Korrespondenz und Äußerungen, über ein beaufsichtigtes Unternehmen fallen unabhängig von weiteren Voraussetzungen unter den Begriff „vertrauliche Informationen“ im Sinne von Art. 54 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates und sind daher nach Art. 54 Abs. 1 Satz 1 dieser Richtlinie durch das Berufsgeheimnis geschützt.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. 2004, L 145, S. 1). Diese Richtlinie wurde mit Wirkung vom 3. Januar 2017 durch die Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (ABl. 2014, L 173, S. 349) aufgehoben. An die Stelle von Art. 54 der Richtlinie 2004/39 ist Art. 76 der Richtlinie 2014/65 getreten.


3      C‑140/13, EU:C:2014:2362.


4      BGBl. 2005 I S. 2722.


5      BGBl. 2013 I S. 3154.


6      BGBl. 1998 I S. 2776.


7      BGBl. 2013 I S. 1981.


8      BGBl. 1990 I S. 2954.


9      C‑140/13, EU:C:2014:2362.


10      ABl. 2001, L 145, S. 43.


11      Mitteilung der Kommission über die Regeln für die Einsicht in Kommissionsakten in Fällen einer Anwendung der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag [jetzt Artikel 101 und 102 AEUV], Artikel 53, 54 und 57 des EWR-Abkommens und der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 (ABl. 2005, C 325, S. 7).


12      Richtlinie des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. 2009, L 302, S. 32).


13      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338).


14      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission (ABl. 2010, L 331, S. 12).


15      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission (ABl. 2010, L 331, S. 84).


16      Der Gerichtshof ist derzeit in der Rechtssache Buccioni (C‑594/16) mit einem recht ähnlichen Vorabentscheidungsersuchen befasst.


17      Urteile vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau (C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 51), und vom 13. Januar 2017, Deza/ECHA (T‑189/14, EU:T:2017:4, Rn. 49 und 55 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


18      Zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vgl. Urteil vom 24. Juni 1986, AKZO Chemie und AKZO Chemie UK/Kommission (53/85, EU:C:1986:256, Rn. 28).


19      Urteil vom 14. März 2017, Evonik Degussa/Kommission (C‑162/15 P, EU:C:2017:205, Rn. 42 und 45). Mit diesem Rechtsmittel wurde das Urteil vom 28. Januar 2015, Evonik Degussa/Kommission (T‑341/12, EU:T:2015:51), angefochten, in dessen Rn. 94 drei Voraussetzungen für die Nichtverbreitung von Informationen der Kommission in einem Verfahren wegen Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht aufgestellt wurden, und zwar erstens, dass die Informationen nur einer beschränkten Zahl von Personen bekannt sind, zweitens, dass durch ihre Offenlegung dem Auskunftgeber oder Dritten ein ernsthafter Nachteil entstehen kann, und drittens, dass die Interessen, die durch die Offenlegung verletzt werden können, objektiv schützenswert sind. Der Gerichtshof hat diese drei Voraussetzungen in seinem Urteil zwar nicht ausdrücklich aufgegriffen, aber auch nicht in Frage gestellt.


20      Urteil vom 14. März 2017, Evonik Degussa/Kommission (C‑162/15 P, EU:C:2017:205, Rn. 95 und 96).


21      Vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 1. Juli 2008, Schweden und Turko/Rat (C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374), zur Anwendung der in der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Unionsorgane. Vgl. aus jüngster Zeit meine Schlussanträge in der Rechtssache ClientEarth/Kommission (C‑57/16 P, EU:C:2017:909, Nrn. 52 ff.).


22      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Rechtssache Altmann u. a. (C‑140/13, EU:C:2014:2168, Nr. 37).


23      Vgl. in diesem Sinne u. a. den 63. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/39.


24      Erste Richtlinie des Rates vom 12. Dezember 1977 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABl. 1977, L 322, S. 30).


25      Vgl. in diesem Sinne die Vorschriften (insbesondere den 153. Erwägungsgrund und Art. 76) der Richtlinie 2014/65, mit der die Richtlinie 2004/39 neu gefasst worden ist.


26      Urteil vom 12. November 2014, Altmann u. a. (C‑140/13, EU:C:2014:2362, Rn. 34 und 35).


27      Urteil vom 13. Januar 2017, Deza/ECHA (T‑189/14, EU:T:2017:4, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Grundregel besteht darin, der Öffentlichkeit größtmöglichen Zugang zu den Dokumenten der Unionsorgane zu gewähren. Die Ausnahmen von diesem Grundsatz sind eng auszulegen, so dass von der Offenlegung nur dann abgesehen werden darf, wenn der Zugang das geschützte Interesse tatsächlich konkret verletzen kann und die Gefahr einer Beeinträchtigung dieses Interesses absehbar und nicht rein hypothetisch ist (Rn. 51 und 52 dieses Urteils sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


28      Für diesen Bereich sieht die Mitteilung der EFTA-Überwachungsbehörde über die Regeln für die Einsicht in Akten der EFTA-Überwachungsbehörde in Fällen einer Anwendung der Artikel 53, 54 und 57 des EWR-Abkommens (ABl. 2007, C 250, S. 16) Zugangsregeln vor und stellt für den Bereich des Wettbewerbs den Grundsatz des Anspruchs auf Zugang auf (Rn. 19 bis 21). Gleiches gilt für das Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau (C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 51 ff.), auch wenn der Gerichtshof Ausnahmen von diesem grundsätzlichen Anspruch auf Zugang zulässt, die nach einer konkreten und individuellen Prüfung des Antrags gewährt werden (Rn. 63).


29      Vgl. Urteil vom 12. November 2014, Altmann u. a. (C‑140/13, EU:C:2014:2362, Rn. 26), sowie die Erwägungsgründe 31, 44 und 71 der Richtlinie 2004/39.


30      Urteile vom 11. Dezember 1985, Hillenius (110/84, EU:C:1985:495, Rn. 27), und vom 12. November 2014, Altmann u. a. (C‑140/13, EU:C:2014:2362, Rn. 31 und 32), sowie Erwägungsgründe 44 und 63 der Richtlinie 2004/39.


31      Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache UBS Europe u. a. (C‑358/16, EU:C:2017:606, Nr. 37).


32      Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache UBS Europe u. a. (C‑358/16, EU:C:2017:606, Nr. 30).


33      C‑140/13, EU:C:2014:2362.


34      C‑140/13, EU:C:2014:2362. In beiden Fällen geht es um die Anfechtung der Ablehnung eines auf § 1 Abs. 1 IFG gestützten Antrags auf Zugang zu bestimmten Phoenix betreffenden Dokumenten durch die BaFin (im vorliegenden Fall das Gutachten einer Sonderprüfung, Berichte der Wirtschaftsprüfer sowie interne Stellungnahmen, Berichte und Korrespondenz).


35      Zu dieser Einstufung als Grundrecht vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Léger in der Rechtssache Rat/Hautala (C‑353/99 P, EU:C:2001:392, Nrn. 55 und 77).


36      Urteil vom 12. November 2014, Altmann u. a. (C‑140/13, EU:C:2014:2362, Rn. 31).


37      Auch innerhalb dieses Netzwerks muss das Berufsgeheimnis, das die Rechte der Betroffenen schützen soll, beim Informationsaustausch zwischen den Aufsichtsbehörden vorrangig sein. Vgl. in diesem Sinne den 25. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABl. 2000, L 126, S. 1), den 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABl. 2006, L 177, S. 1) und den 153. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/65.


38      Urteil vom 12. November 2014, Altmann u. a. (C‑140/13, EU:C:2014:2362, Rn. 33).


39      Art. 17 der Richtlinie 2004/39 sieht eine laufende Überwachung der Finanzmärkte vor, was einen kontinuierlichen Informationsfluss zwischen den beaufsichtigten Unternehmen und den Aufsichtsbehörden voraussetzt.


40      Erste Richtlinie des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages [später Artikel 48 Absatz 2 EG, jetzt Artikel 54 Absatz 2 AEUV] im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. 1968, L 65, S. 8).


41      Urteil vom 11. Dezember 1985, Hillenius (110/84, EU:C:1985:495, Rn. 26).


42      Schlussanträge des Generalanwalts Slynn in der Rechtssache Hillenius (110/84, EU:C:1985:333).


43      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (ABl. 2016, L 157, S. 1).


44      Das System der Finanzmarktaufsicht ist eng mit der Verwirklichung des Binnenmarkts verbunden (vgl. Nr. 39 der vorliegenden Schlussanträge).


45      Nach der Rechtsprechung zur Übermittlung von Dokumenten der Unionsorgane müsste, wenn der Gerichtshof dieser Auslegung folgen würde, jede ersuchte Behörde verschiedene Interessen gegeneinander abwägen. Vgl. hierzu die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Kommission/Stichting Greenpeace Nederland (C‑673/13 P, EU:C:2016:213, Nr. 54). Analog wären im Ausgangsverfahren der Schutz des Systems der Finanzmarktaufsicht und die Interessen eines durch die betrügerischen Handlungen eines Unternehmens geschädigten Unternehmers gegeneinander abzuwägen, sogar außerhalb jedes laufenden Verfahrens.


46      Vgl. Nr. 41 der vorliegenden Schlussanträge.


47      Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache UBS Europe u. a. (C‑358/16, EU:C:2017:606, Nrn. 83 und 84) sowie Urteil vom 12. November 2014, Altmann u. a. (C‑140/13, EU:C:2014:2362, Rn. 34 und 35).