Language of document : ECLI:EU:C:2008:297

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 22. Mai 20081(1)

Rechtssache C‑427/06

Birgit Bartsch

gegen

Bosch und Siemens Hausgeräte (BSH) Altersfürsorge GmbH

„Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts – Rechtliche Wirkungen von Richtlinien vor Ablauf ihrer Umsetzungsfrist – Horizontale Anwendung allgemeiner Grundsätze des Gemeinschaftsrechts – Diskriminierung wegen des Alters – Art. 13 EG – Richtlinie 2000/78/EG – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Hinterbliebenenversorgung – Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung – Verhältnismäßigkeit – Zeitliche Begrenzung von Urteilen des Gerichtshofs“





1.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen des Bundesarbeitsgerichts (Deutschland) betrifft eine Klausel in einer Regelung zur betrieblichen Altersversorgung, die die Witwe/den Witwer eines/einer im Privatsektor Beschäftigten, der/die während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses verstirbt, vom Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung ausschließt, sofern die betreffende Witwe/ der betreffende Witwer mehr als 15 Jahre jünger ist als der/die verstorbene Beschäftigte. Das Bundesarbeitsgericht fragt den Gerichtshof, ob eine solche Klausel im Widerspruch zu dem allgemeinen Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung steht, den der Gerichtshof im Urteil Mangold(2) festgestellt hat, und ersucht den Gerichtshof um weiter gehende Erläuterungen hinsichtlich der Umstände, unter denen dieser Grundsatz angewandt werden kann.

 Gemeinschaftsrecht

 Der Vertrag über die Europäische Union

2.        Art. 6 des Vertrags über die Europäische Union lautet:

„(1) Die Europäische Union beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam.

(2)   Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben.

…“

 Der EG-Vertrag

3.        Art. 13 EG, der mit dem Vertrag von Amsterdam eingeführt wurde, sieht vor:

„(1) Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrags kann der Rat im Rahmen der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.

(2)   …“

 Die Richtlinie 2000/78(3)

4.        In den Erwägungsgründen der Richtlinie 2000/78 wird Art. 6 Abs. 1 und 2 des Vertrags über die Europäische Union zitiert(4), und es werden eine Reihe völkerrechtlicher Verträge angeführt, die das allgemeine Menschenrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz und den Schutz vor Diskriminierung anerkennen(5). In Bezug auf die Diskriminierung wegen Alters wird in den Erwägungsgründen festgestellt, dass die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer(6) die soziale und wirtschaftliche Eingliederung älterer Menschen anstrebt und dass in den vom Europäischen Rat auf seiner Tagung am 10. und 11. Dezember 1999 in Helsinki vereinbarten beschäftigungspolitischen Leitlinien für 2000 betont wird, dass der Unterstützung älterer Arbeitnehmer besondere Aufmerksamkeit gebührt(7).

5.        Der 25. Erwägungsgrund beschäftigt sich speziell mit möglichen Rechtfertigungsgründen für die Ungleichbehandlungen wegen des Alters. Er lautet:

„Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters stellt ein wesentliches Element zur Erreichung der Ziele der beschäftigungspolitischen Leitlinien und zur Förderung der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung dar. Ungleichbehandlungen wegen des Alters können unter bestimmten Umständen jedoch gerechtfertigt sein und erfordern daher besondere Bestimmungen, die je nach der Situation der Mitgliedstaaten unterschiedlich sein können. Es ist daher unbedingt zu unterscheiden zwischen einer Ungleichbehandlung, die insbesondere durch rechtmäßige Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung gerechtfertigt ist, und einer Diskriminierung, die zu verbieten ist.“

6.        Laut Art. 1 bezweckt die Richtlinie die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der dort genannten Gründe in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.

7.        Art. 2 Abs. 1 bestimmt: „Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.“

8.        Laut Art. 2 Abs. 2 Buchst. a „liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person … in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde“. Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b „liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen [u. a.] eines bestimmten Alters … gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn: i) diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich“.

9.        Gemäß Art. 3 Abs. 1 gilt die Richtlinie für „alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf … die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich … des Arbeitsentgelts“.

10.      Art. 6 Abs. 1 behandelt die gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters:

„Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.“

Die Buchst. a bis c dieses Absatzes führen Beispiele für solche Arten der Ungleichbehandlung an. Hierzu gehören unter bestimmten Umständen die Festlegung besonderer Bedingungen für Jugendliche und ältere Arbeitnehmer, die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter und die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung.

11.      Nach Art. 6 Abs. 2 dürfen die Mitgliedstaaten ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 vorsehen, dass die Festsetzung bestimmter altersbezogener Bedingungen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit und die Verwendung von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen im Rahmen dieser Systeme keine Diskriminierung wegen des Alters darstellen, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt.

12.      Nach Art. 18 mussten die Mitgliedstaaten die Richtlinie 2000/78 spätestens bis zum 2. Dezember 2003 umsetzen. Den Mitgliedstaaten war es jedoch erlaubt, diese Frist hinsichtlich der Bestimmungen der Richtlinie über die Diskriminierung wegen des Alters und einer Behinderung um drei Jahre zu verlängern. Deutschland machte von dieser Option Gebrauch und hatte daher bis zum 2. Dezember 2006 Zeit, um diese Bestimmungen in nationales Recht umzusetzen.

 Die streitigen Versorgungsrichtlinien(8)

13.      Die Beklagte des Ausgangsverfahrens ist Trägerin der betrieblichen Altersversorgung der Bosch-Siemens Hausgeräte GmbH (im Folgenden: BSH(9)). § 6 der Richtlinien für die betriebliche Altersversorgung (im Folgenden: Versorgungsrichtlinien) legt die Voraussetzungen für das Ruhegeld fest. § 6 Abs. 4 sieht vor, dass an die Witwe/den Witwer eines Mitarbeiters, der während seines Beschäftigungsverhältnisses verstorben ist, eine Versorgung gezahlt wird, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Allerdings kommen Leistungen nicht in Betracht, wenn „die Witwe/der Witwer über 15 Jahre jünger als der ehemalige Mitarbeiter ist“ (im Folgenden: Altersabstandsklausel).

 Ausgangsverfahren und Vorabentscheidungsersuchen

14.      Frau Bartsch, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, wurde 1965 geboren. Sie ist die Witwe von Herrn Bartsch, der 1944 geboren wurde und 2004 während seines Beschäftigungsverhältnisses mit BSH verstarb. Abgesehen von der Altersabstandsklausel erfüllt sie alle Voraussetzungen für den Erhalt einer Witwenrente nach § 6 Abs. 4 der Versorgungsrichtlinien.

15.      Frau Bartsch beantragte bei BSH vergeblich die Zahlung eines Ruhegelds. Ihre Klage wurde vom Arbeitsgericht abgewiesen, und das Landesarbeitsgericht wies ihre Berufung zurück.

16.      Mit ihrer Revision an das vorlegende Gericht machte Frau Bartsch u. a. geltend, dass die Altersabstandsklausel gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße und deshalb unwirksam sei.

17.      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts kann der Revision von Frau Bartsch nach innerstaatlichem Recht kein Erfolg beschieden sein. Insbesondere sei der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz zwar Bestandteil des deutschen Arbeitsrechts, die Altersabstandsklausel stütze sich aber auf einen billigenswerten Grund, nämlich die Begrenzung der Risiken, die auf einem freiwilligen Versorgungssystem ruhten, und die Absicht, diese Risiken besser kalkulierbar zu machen(10). Diese Erwägungen stünden in einem engen Zusammenhang mit der Altersabstandsklausel.

18.      Das vorlegende Gericht fragt sich jedoch, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes nach deutschem Arbeitsrecht im Licht des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung wegen des Alters, den der Gerichtshof im Urteil Mangold festgestellt hat, Bestand haben können.

19.      Das vorlegende Gericht ist sich aufgrund des Urteils Mangold unsicher, ob der allgemeine Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung auf einen Sachverhalt unabhängig davon angewandt werden kann, ob dieser einen Bezug zum Gemeinschaftsrecht aufweist. Falls dies zu verneinen ist, möchte das Gericht wissen, ob ein solcher Bezug entweder durch Art. 13 EG oder durch die Richtlinie 2000/78 hergestellt wird, auch wenn die dem Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegenden Ereignisse vor Ablauf der Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie stattfanden(11).

20.      Das vorlegende Gericht verneint, dass der Grundsatz offenbar „horizontal“ auf solche Rechtsstreitigkeiten anwendbar sei, da das Urteil Mangold in einem Verfahren zwischen Privaten ergangen sei. In der Rechtssache Mangold sei es jedoch um eine nationale Rechtsvorschrift gegangen, die eine Ausnahme vom Verbot der Altersdiskriminierung vorgesehen habe. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob der Grundsatz nur auf solche Ausnahmebestimmungen horizontal anwendbar sei.

21.      Falls der Grundsatz anwendbar ist, ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass er auf den verstorbenen Arbeitnehmer und nicht auf den Hinterbliebenen anzuwenden sei. Es nimmt an, dass die Altersabstandsklausel zu einer mittelbaren Altersdiskriminierung führen könne, weil die Wahrscheinlichkeit für einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin, davon betroffen zu sein, mit seinem oder ihrem Alter zunehme. Für diesen Fall sieht das vorlegende Gericht die nach deutschem Recht für solch eine Klausel geltenden Rechtfertigungsgründe auch nach dem Gemeinschaftsrecht als angemessen an.

22.      Schließlich möchte das vorlegende Gericht in Anbetracht der Natur betrieblicher Altersversorgungssysteme sowie in Anbetracht des Grundsatzes des Vertrauensschutzes wissen, inwieweit dem allgemeinen Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung Rückwirkung zukommen sollte.

23.      Das vorlegende Gericht ersucht den Gerichtshof daher um die Beantwortung folgender Fragen:

1.      a)     Enthält das Primärrecht der EG ein Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, dessen Schutz die Gerichte der Mitgliedstaaten auch dann zu gewährleisten haben, wenn die möglicherweise diskriminierende Behandlung keinen gemeinschaftsrechtlichen Bezug aufweist?

b)      Falls die Frage zu 1a verneint wird: Wird ein solcher gemeinschaftsrechtlicher Bezug hergestellt durch Art. 13 EG oder – auch vor Ablauf der Umsetzungsfrist – durch die Richtlinie 2000/78?

2.      Ist ein sich aus der Beantwortung der Frage zu 1 ergebendes gemeinschaftsrechtliches Verbot der Diskriminierung wegen des Alters auch anwendbar zwischen privaten Arbeitgebern einerseits und ihren Arbeitnehmern oder Betriebsrentnern und deren Hinterbliebenen andererseits?

3.      Falls die Frage zu 2 bejaht wird:

a)      Wird von einem solchen Verbot der Diskriminierung wegen des Alters eine Regelung der betrieblichen Altersversorgung erfasst, nach der eine Hinterbliebenenversorgung einem hinterbliebenen Ehegatten nicht gewährt wird, wenn er mehr als 15 Jahre jünger ist als der verstorbene ehemalige Arbeitnehmer?

b)      Falls die Frage zu 3a bejaht wird: Kann es ein Rechtfertigungsgrund für eine derartige Regelung sein, dass der Arbeitgeber ein Interesse an der Begrenzung der aus der betrieblichen Altersversorgung folgenden Risiken hat?

c)      Falls die Frage zu 3b verneint wird: Kommt dem möglichen Verbot der Diskriminierung wegen des Alters im Betriebsrentenrecht unbegrenzte Rückwirkung zu, oder ist es für die Vergangenheit begrenzt und falls ja, in welcher Weise?

24.      BSH, Deutschland, das Vereinigte Königreich und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Diese Beteiligten und die Niederlande haben in der Verhandlung am 10. Oktober 2007 mündlich Stellung genommen.

25.      Auf Antrag des Vereinigten Königreichs ist die Rechtssache an die Große Kammer verwiesen worden.

 Frage 1

26.      In Frage 1a geht es im Wesentlichen darum, ob das Gemeinschaftsrecht ein Verbot der Altersdiskriminierung enthält, das selbst dann Anwendung findet, wenn die behauptete diskriminierende Behandlung keinen Bezug zum Gemeinschaftsrecht aufweist.

27.      Es ist hilfreich, diese Frage umfassender und in drei Stufen zu beantworten. Erstens: Gibt es einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der speziell die Diskriminierung wegen des Alters verbietet? Zweitens: Falls es ihn gibt, kann er selbst dann Anwendung finden, wenn der Sachverhalt, der zu dem Vorabentscheidungsersuchen geführt hat, nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt (Frage 1a)? Drittens: Fällt der Sachverhalt, der zu dem Vorabentscheidungsersuchen geführt hat, in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts (Frage 1b)?

 Das Urteil Mangold und seine Folgen

28.      Aus der Vorlageentscheidung geht eindeutig hervor, dass die Fragen des vorlegenden Gerichts auf der aus dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Mangold abgeleiteten Prämisse beruhen, dass es im Gemeinschaftsrecht einen allgemeinen Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung gibt.

29.      Das Vereinigte Königreich stellt diese Prämisse in Frage. Weder völkerrechtliche Verträge noch die Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten enthalten seiner Meinung nach eine hinreichende Grundlage für die Anerkennung eines solchen Grundsatzes. Die offenkundige Absicht der Verfasser von Art. 13 EG, dem Gemeinschaftsgesetzgeber zu ermöglichen, Maßnahmen zur Bekämpfung u. a. der Altersdiskriminierung festzulegen, impliziere, dass es einen solchen Grundsatz nicht gebe. BSH zieht in ähnlicher Weise die Existenz ausreichender Quellen zur Begründung eines solchen Grundsatzes in Zweifel. Deutschland zufolge würde ein solcher allgemeiner Grundsatz den Erlass und die Umsetzung der Richtlinie 2000/78 überflüssig machen. In der mündlichen Verhandlung traten die Niederlande den schriftlichen Erklärungen Deutschlands und des Vereinigten Königreichs bei.

30.      Im Urteil Mangold stellte der Gerichtshof fest, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf nicht in der Richtlinie 2000/78 selbst verankert ist. Stattdessen schaffe die Richtlinie einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der in ihr genannten Gründe, „wobei das grundsätzliche Verbot dieser Formen der Diskriminierung, wie sich aus der ersten und der vierten Begründungserwägung der Richtlinie ergibt, seinen Ursprung in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen und den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten hat“(12). Der Gerichtshof fuhr fort:

„75      Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ist somit als ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen. Fällt eine nationale Regelung in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts, was bei [der in Rede stehenden nationalen Bestimmung] als Maßnahme zur Umsetzung der Richtlinie 1999/70[(13)] der Fall ist …, hat der Gerichtshof, wenn er im Vorabentscheidungsverfahren angerufen wird, dem vorlegenden Gericht alle Auslegungshinweise zu geben, die es benötigt, um die Vereinbarkeit dieser Regelung mit diesem Grundsatz beurteilen zu können …

76      Folglich kann die Wahrung des allgemeinen Grundsatzes der Gleichbehandlung, insbesondere im Hinblick auf das Alter, als solche nicht vom Ablauf der Frist abhängen, die den Mitgliedstaaten zur Umsetzung einer Richtlinie eingeräumt worden ist, die die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen des Alters bezweckt …

77      Es obliegt daher dem nationalen Gericht, bei dem ein Rechtsstreit über das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters anhängig ist, im Rahmen seiner Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt, zu gewährleisten und die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu garantieren, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt …

78      … Es obliegt dem nationalen Gericht, die volle Wirksamkeit des allgemeinen Verbotes der Diskriminierung wegen des Alters zu gewährleisten, indem es jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt, auch wenn die Frist für die Umsetzung der Richtlinie [2000/78] noch nicht abgelaufen ist.“

31.      Das Urteil Mangold hat eine Reihe kritischer Stimmen in der Lehre hervorgerufen. Der allgemeine Tenor der Kritik lautet, der Gerichtshof habe (von sich aus, ohne Grund und gegen den Willen des Gesetzgebers) den Anwendungsbereich einer Richtlinie erweitert(14), um ihr vor Ablauf ihrer Umsetzungsfrist und horizontal Wirkung zu verleihen, indem er erstmals auf einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts verwiesen habe(15). Demzufolge hat eine Anzahl von Kommentatoren die Meinung vertreten, der Gerichtshof habe den Zweck der unmittelbaren Wirkung unterlaufen(16). Darüber hinaus wird die Entscheidung kritisiert, weil sie zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt habe(17).

32.      Vier Generalanwälte haben ebenfalls zum Urteil Mangold Stellung genommen.

33.      In der Rechtssache Chacón Navas(18) wies Generalanwalt Geelhoed auf die potenziell weitreichenden wirtschaftlichen und finanziellen Konsequenzen von Ansprüchen auf Gleichbehandlung hin, die auf die in Art. 13 EG genannten Verbote gestützt würden. Die Auslegung von Maßnahmen, die auf Art. 13 EG gestützt würden, dürfe nicht unter Berufung auf die Formulierung „im Rahmen der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten“ und noch weniger unter Berufung auf den allgemeinen Gleichheitssatz ausgeweitet werden. Ein solcher Ansatz griffe in die Abwägungen ein, die die Mitgliedstaaten in Ausübung der ihnen noch verbliebenen Zuständigkeiten vorgenommen hätten. Dementsprechend befürwortete er eine zurückhaltendere Auslegung, als sie der Gerichtshof in der Rechtssache Mangold vorgenommen habe.

34.      In der Rechtssache Lindorfer(19) schlug ich vor, das Verbot der Altersdiskriminierung, das der Gerichtshof im Urteil Mangold angeführt hatte, als spezielle Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz zu sehen. Dementsprechend vertrat ich die Auffassung, dass das Urteil Mangold am besten so zu lesen sei, dass Diskriminierung aufgrund des Alters schon immer durch den allgemeinen Gleichheitssatz ausgeschlossen gewesen sei und die Richtlinie 2000/78 einen besonderen, detaillierten Rahmen für den Umgang mit u. a. dieser Diskriminierung eingeführt habe. Ich werde diesen Auslegungsvorschlag nachfolgend weiter ausführen.

35.      Generalanwalt Mazák unterzog das Urteil Mangold in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Palacios de la Villa einer ausführlichen kritischen Bewertung(20). Er stellte fest, dass in völkerrechtlichen Verträgen und gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten, auf die im Urteil Mangold verwiesen werde, ein allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz verankert sei, hielt es aber für einen gewagten Vorschlag und einen bemerkenswerten Schritt, allein daraus das Bestehen eines spezifischen Verbots der Altersdiskriminierung abzuleiten. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz umfasse potenziell ein Verbot von Diskriminierungen aus jeder Art von Gründen, die als inakzeptabel gelten könnten, so dass ein spezifisches Diskriminierungsverbot einen besonderen Ausdruck dieses allgemeinen Grundsatzes darstelle. Eine ganz andere Sache sei es jedoch, aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz die Existenz eines Verbots der Diskriminierung aus einem spezifischen Grund abzuleiten, und die Gründe dafür seien keineswegs zwingend. Überdies seien weder Art. 13 EG noch die Richtlinie 2000/78 zwingender Ausdruck eines bezüglich aller dort genannten Diskriminierungen bereits existierenden Verbots. Der zugrunde liegende Gedanke habe in beiden Fällen vielmehr darin bestanden, es dem Gemeinschaftsgesetzgeber und den Mitgliedstaaten zu überlassen, geeignete Vorkehrungen mit entsprechender Wirkung zu ergreifen. Dies scheine der Gerichtshof selbst im Urteil Grant(21) zu sagen, in dem er die Schlussfolgerung gezogen habe, dass das Gemeinschaftsrecht nach seinem damaligen Stand eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung nicht erfasst habe.

36.      Zuletzt hat Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer in der Rechtssache Maruko(22) die Auffassung vertreten, dass der „grundlegende Charakter“ des Verbots der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung eine andere Dimension habe als die, die der Gerichtshof dem Verbot der Ungleichbehandlung wegen Alters im Urteil Mangold zugeschrieben habe.

37.      Der Gerichtshof hat nunmehr seine Urteile in diesen vier Rechtssachen verkündet. Trotz (oder möglicherweise in Anbetracht) der Stellungnahmen seiner Generalanwälte hat er in keinem dieser Urteile seine in der Rechtssache Mangold getroffene Entscheidung, dass es einen allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters gebe, überprüft oder auch nur erwähnt.

38.      Im Urteil Lindorfer hatte der Gerichtshof das mündliche Verfahren wiedereröffnet und eine neue Sitzung anberaumt, in der er die Beteiligten ersuchte, ihre Auffassung u. a. zu der Frage darzulegen, inwieweit das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters anzuwenden ist, wenn bei der Übertragung von in einem nationalen Ruhegehaltssystem erworbenen Ansprüchen auf das Versorgungssystem der Gemeinschaften versicherungsmathematische Werte berechnet werden. Dessen ungeachtet entschied er die Rechtssache ausschließlich auf der Grundlage des Verbots der Diskriminierung wegen des Geschlechts. Weniger überraschend ist, dass der Gerichtshof in den Urteilen Chacón Navas und Maruko, in denen es um Diskriminierung wegen einer Behinderung bzw. der sexuellen Ausrichtung ging, keinerlei Ausführungen zur Altersdiskriminierung machte.

39.      Im Urteil Palacios de la Villa ging es gerade um die Diskriminierung wegen Alters. Dort wies der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass die in Rede stehende nationale Regelung, wonach das Erreichen des in dieser Regelung für den Eintritt in den Ruhestand festgesetzten Alters automatisch zur Auflösung des Arbeitsvertrags führte, eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung zur Folge hatte. Der Gerichtshof stellte sodann fest, dass die Richtlinie 2000/78, deren Umsetzungsfrist zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits abgelaufen war, auf den Sachverhalt, der zu dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit führte, Anwendung fand. Infolgedessen konnte er die Rechtssache unter Einbeziehung der Richtlinie 2000/78 entscheiden. Nach Auffassung des Gerichtshofs war die Maßnahme durch ein legitimes Ziel, das in Beziehung zur Beschäftigungspolitik und zum Arbeitsmarkt stand, objektiv und angemessen gerechtfertigt; er sah sie auch als zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich an. Ein allgemeiner Grundsatz des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters wurde vom Gerichtshof nicht erwähnt.

40.      Der Ansatz des Gerichtshofs im Urteil Palacios de la Villa, wo er eine nationale Regelung, die ausdrücklich eine ungünstigere Behandlung wegen des Alters vorsieht, anhand der Richtlinie 2000/78 bewertet und im Ergebnis als zulässig erachtet hat, unterscheidet sich klar von dem Ansatz im Urteil Mangold, wo er entschieden hat, dass es dem nationalen Gericht obliege, jede Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet zu lassen, die dem Verbot der Altersdiskriminierung entgegenstehe.

41.      In der vorliegenden Rechtssache war (wie in der Rechtssache Mangold) die Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2000/78 zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht abgelaufen. Daher stellt sich dem Gerichtshof möglicherweise erneut die Frage, ob es einen spezifischen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters gibt.

 Gibt es im Gemeinschaftsrecht einen allgemeinen Grundsatz des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters?

42.      Der allgemeine Gleichheitssatz gehört zu den Grundlagen der Gemeinschaft(23). Bestimmungen über die Gleichheit vor dem Gesetz sind Teil der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten(24). Allgemeine Aussagen zur Gleichbehandlung finden sich ebenfalls in einer Reihe völkerrechtlicher Verträge(25). Insbesondere die Europäische Menschenrechtskonvention bestimmt in Art. 14 (unter der Überschrift „Verbot der Benachteiligung“): „Der Genuss der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ist ohne Benachteiligung zu gewährleisten, die insbesondere im Geschlecht, in der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, in den politischen oder sonstigen Anschauungen, in nationaler oder sozialer Herkunft, in der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, im Vermögen, in der Geburt oder im sonstigen Status begründet ist“(26). Der allgemeine Gleichheitssatz lässt sich daher mit guten Gründen als „grundsätzliches Verbot dieser [in Art. 13 EG aufgeführten] Formen der Diskriminierung“ ansehen, und er hat seinen „Ursprung“ in der Tat „in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen und den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten“(27).

43.      Die Wurzeln eindeutiger und spezifischer Verbote der Diskriminierung wegen des Alters reichen weniger weit zurück. Wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Lindorfer ausgeführt habe, ist ein solches spezielles Verbot sowohl im nationalen als auch im internationalen Kontext zu neu und zu unterschiedlich ausgestaltet, als dass es in dieses Schema passen könnte(28). In der Tat stellte die Kommission unlängst, nämlich im Jahre 1999, öffentlich fest: „Es gibt in den Mitgliedstaaten nur sehr wenige Rechtsvorschriften zur Diskriminierung wegen des Alters“(29).

44.      Es lohnt sich innezuhalten, um zu untersuchen, warum dies wohl so ist. Eine klassische Formulierung des Gleichheitssatzes wie die von Aristoteles: „Gleiches gleich behandeln“(30) lässt die entscheidende Frage unbeantwortet, welche Gesichtspunkte für die Gleichbehandlung als maßgeblich angesehen werden sollen und welche nicht(31). Alle Gruppen von Menschen ähneln einander in mancher Hinsicht und unterscheiden sich voneinander in anderer Hinsicht. Eine Maxime wie die des Aristoteles bleibt daher eine Regel ohne Inhalt, bis festgelegt wird, welche Unterschiede für die in Rede stehenden Zwecke maßgeblich sind. Wenn wir beispielsweise ein Gesetz, das Rothaarigen den Zutritt zu Restaurants verwehrt, als ungerecht kritisieren, so geschieht dies unter Zugrundelegung der Prämisse, dass die Haarfarbe im Hinblick auf den Genuss eines Essens im Restaurant unmaßgeblich ist. Es ist deshalb klar, dass sich die Kriterien, welche Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede maßgeblich sind, mit den grundlegenden moralischen Anschauungen einer bestimmten Person oder Gesellschaft wandeln(32).

45.      Eine kurze historische Betrachtung zeigt, dass mit Aussagen über „Gleichheit“, analysiert man sie im Detail, oft gemeint war „Gleichbehandlung in einer bestimmten Hinsicht von denjenigen, die sich im magischen Kreis befanden“ und nicht „Gleichbehandlung in jeder in Betracht kommenden Hinsicht von absolut jedermann“. Im Athen des Perikles konnten Bürger der Polis Gleichbehandlung hinsichtlich des Zugangs zur Justiz und des Aufstiegs innerhalb der Bürgerschaft beanspruchen(33); aber die Idee der Gleichheit schloss es aus, Metöken(34) oder Sklaven mit Bürgern in dieser Hinsicht gleich zu behandeln. Die spartanische Gleichheit – ein ganz anderes Modell – schloss in ähnlicher Weise Heloten(35) und Sklaven aus. Beide schlossen (natürlich) Frauen aus. In einer Zeit, die der unseren näher ist, wurde in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika zwar verkündet, dass „alle Menschen gleich erschaffen worden“ sind(36), doch bedurfte es des Bürgerkriegs und einer ziemlich langen Folgezeit, bevor sich eine echte Gleichbehandlung allmählich auf die Nachfahren schwarzer Sklaven erstreckte(37). Diskriminierung wegen der Religion schien während eines Großteils der Geschichte Europas und des Mittelmeerraums vollkommen natürlich – ja sogar von Gott bestimmt – zu sein.

46.      Kurz gesagt sind die Antworten auf die Fragen „Wen schützt der Gleichbehandlungsgrundsatz?“ und „Welche Aspekte des wirtschaftlichen, sozialen, politischen, bürgerlichen und privaten Lebens werden von diesem Grundsatz erfasst?“ nicht unveränderlich. Sie entwickeln sich mit der Gesellschaft. Infolgedessen spiegelt auch das Recht diesen Wandel wider, beginnend mit der ausdrücklichen Feststellung, dass bestimmte Formen diskriminierender Behandlung, die bislang nicht wahrgenommen oder (falls doch) toleriert wurden, nicht länger toleriert werden. Derartige Änderungen im Recht sind eine Ausdehnung – ein neuer und weiter gehender Ausdruck – des allgemeinen Gleichheitssatzes.

47.      Das Urteil Marshall I(38) deutet darauf hin, dass das EG-Recht das Alter nicht von seinen ersten Anfängen an als einen offensichtlich fragwürdigen Grund für Unterscheidungen ansah. In dem genannten Fall sah sich der Gerichtshof mit der Frage des Alters als Grund für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses konfrontiert. Er antwortete darauf mit der Feststellung, dass einige Bestimmungen der Richtlinie 76/207 zur Gewährleistung der Gleichbehandlung der Geschlechter bei den Arbeitsbedingungen unmittelbare Wirkung haben könnten und dass die Richtlinie zwar keine unmittelbare „horizontale“ Wirkung habe, sich Frau Marschall aber „vertikal“ auf diese berufen könne, weil ihr Arbeitgeber, die beklagte Gesundheitsbehörde, dem Staat zuzurechnen sei. Diese bekannte Entscheidung deutet wohl darauf hin, dass eine Differenzierung nach dem Alter (getrennt von der Frage des Geschlechts) im Jahr 1986 als relevant für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses und mithin als nach dem allgemeinen Gleichheitssatz des Gemeinschaftsrechts zulässig angesehen wurde. Andernfalls hätte sich Frau Marshall vermutlich auf das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters berufen, um ihr Hauptargument zu untermauern.

48.      Sobald sich der mögliche (neue) Anwendungsbereich des Grundsatzes herauskristallisiert hat, ist der nächste natürliche Schritt, ihn genauer festzulegen und Vorschriften zu erlassen, um die festgestellte Diskriminierung zu bekämpfen(39).

49.      Freilich mag es möglich sein, bestimmte Situationen (in denen eine eindeutige, plumpe oder willkürliche Altersdiskriminierung vorliegt) in der Weise zu regeln, dass man den Grundsatz der Gleichbehandlung unabhängig vom Alter in seiner reinen, schlichten Form anwendet. Wenn jedoch der Sachverhalt komplexer und die Trennlinie zwischen gerechtfertigter Differenzierung und ungerechtfertigter Diskriminierung weniger offensichtlich ist, schließen wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen notwendigerweise auch die Aufstellung geeigneter Definitionen ein. Art. 13 EG schafft eine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft, um verschiedene Formen inakzeptabler Ungleichbehandlung – darunter auch die Diskriminierung wegen des Alters – zu „bekämpfen“. Er ermächtigt den Gemeinschaftsgesetzgeber daher, sowohl (u. a.) Altersdiskriminierung genauer zu definieren als auch Vorschriften zu erlassen, die diese beseitigen sollen.

50.      Deshalb geht eine Argumentation, dass Art. 13 EG oder die Richtlinie 2000/78 überflüssig wäre, wenn es bereits einen Grundsatz des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters gegeben hätte, vollkommen fehl. Gerade weil nunmehr anerkannt ist, dass der allgemeine Gleichheitssatz auch die Gleichbehandlung unabhängig vom Alter umfasst, ist eine Ermächtigungsnorm wie Art. 13 EG erforderlich und wird zu Recht als Grundlage für detaillierte gesetzgeberische Maßnahmen herangezogen.

51.      Die Kehrseite der Medaille ist, dass es zu dem Zeitpunkt, zu dem Art. 13 in den EG-Vertrag eingefügt worden ist, keine detaillierten speziellen Verbote von „Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung“ geben konnte. Hätte es sie gegeben, wäre Art. 13 EG in der Tat Gefahr gelaufen, eine überflüssige Vorschrift zu sein(40). Und erst recht konnten sie zu diesem konkreten Zeitpunkt nicht wie Athene dem Kopf des Zeus in voller Rüstung entspringen.

52.      Die Analyse, die ich hier vorgenommen habe, wird durch eine genauere Prüfung der in Art. 13 EG enthaltenen Ermächtigungsnorm gestützt.

53.      Erstens bestimmt Art. 13 EG, dass er „[u]nbeschadet der sonstigen Bestimmungen [des] Vertrags“ (und mithin erst recht unbeschadet der dem Gemeinschaftsrecht zugrunde liegenden allgemeinen Grundsätze) Anwendung findet. Seine Heranziehung als Rechtsgrundlage für detaillierte Maßnahmen zur Bekämpfung u. a. der Diskriminierung wegen des Alters untergräbt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz. Vielmehr ermöglicht er speziellen Ausprägungen dieses allgemeinen Grundsatzes, sich wirksamer zu entfalten.

54.      Zweitens ermächtigt Art. 13 EG den Rat, nach Anhörung des Europäischen Parlaments (einstimmig) „geeignete Vorkehrungen [zu] treffen, um Diskriminierungen aus [verschiedenen besonderen] Gründen … zu bekämpfen“. Art. 13 definiert diese Arten der Diskriminierung nicht selbst. Er geht davon aus, dass diese unglücklicherweise existieren und ihnen (entschieden) entgegengetreten werden sollte. Der Linie des Art. 13 EG folgend geht die Richtlinie 2000/78 ebenfalls davon aus, dass bestimmte Formen der Diskriminierung existieren. Sie definiert –indem sie nicht auf spezielle Verbote solcher Formen von Diskriminierung Bezug nimmt, sondern (allgemein) auf die Notwendigkeit verweist, die Grundrechte zu achten – den Gehalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes jeweils in bestimmten Zusammenhängen als notwendige Vorstufe für die Gewährleistung seiner Einhaltung.

55.      Drittens hat der Gemeinschaftsgesetzgeber Maßnahmen auf der Grundlage getroffen, dass nach Art. 13 EG erlassene Richtlinien nicht nur die Anwendung der Verbote einer Diskriminierung aus den in dieser Vertragsbestimmung genannten Gründen erleichtern, sondern auch den genauen Geltungsbereich dieser Verbote in bestimmten Zusammenhängen festlegen(41). Meines Erachtens kann dies die Feststellung, dass das Grundprinzip (wonach Diskriminierung aufgrund des Alters verboten sein sollte) bereits bestanden hat, nicht entkräften. Mir scheint vielmehr, dass im Hinblick auf die rechtliche Durchführbarkeit ein Missstand nur wirksam bekämpft werden kann, wenn er sorgfältig und genau definiert worden ist.

56.      Der Grund hierfür ist im Wesentlichen, dass der Unterschied zwischen (zulässiger) Differenzierung und (unzulässiger) Diskriminierung(42) nicht in der unterschiedlichen Behandlung von Menschen begründet liegt, sondern darin besteht, ob die Gesellschaft die Kriterien, deren Anwendung zu einer Ungleichbehandlung führt, als gerechtfertigt oder im Gegenteil als willkürlich ansieht(43). Diesem Problem kann nur durch detaillierte Rechtsvorschriften begegnet werden: Die Anwendung bestimmter Kriterien unter bestimmten Umständen muss als zulässig oder als unzulässig eingestuft und diese Einstufung für rechtlich verbindlich erklärt werden.

57.      Ich stimme daher der Aussage des Gerichtshofs im Urteil Mangold zu, dass der Grundsatz – d. h. die Idee, dass Diskriminierungen aus einem der in Art. 13 EG aufgezählten Gründe nunmehr nicht hingenommen werden können – seinen Ursprung weder in der Richtlinie 2000/78 als einer Durchführungsrichtlinie noch in Art. 13 EG als solchem hat. Diesen muss man weiter zurück an anderer Stelle suchen(44).

58.      In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Lindorfer(45) habe ich ausgeführt, dass eine Diskriminierung aufgrund des Alters schon immer durch den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, der Bestandteil des Gemeinschaftsrechts ist, ausgeschlossen gewesen ist. Meines Erachtens schloss das Gemeinschaftsrecht seit seinen Anfängen tatsächlich bestimmte auf das Alter gegründete Unterscheidungen aus. Hätte ein Mitgliedstaat (z. B.) 1960 Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten mit Ausnahme von solchen im Alter zwischen 28 und 29 sowie zwischen 52 und 53 Jahren Freizügigkeit gewährt, hätte eine solche (unwahrscheinliche) Regelung vor dem Grundsatz der Gleichbehandlung, der immer Bestandteil des Gemeinschaftsrechts war, mit Sicherheit keinen Bestand gehabt. Eine Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern gemäß diesen beiden Altersspannen wäre als willkürlich und ungerechtfertigt angesehen worden. In der Zwischenzeit hat sich aber die gesellschaftliche Wahrnehmung subtilerer Formen der Ungleichbehandlung wegen des Alters von einer gedankenlosen Hinnahme hin zu einer zielbewussten Überprüfung gewandelt.

59.      Aus den Gründen, die ich genannt habe, sollte das Urteil Mangold meines Erachtens dahin gehend verstanden werden, dass eine Diskriminierung wegen des Alters ein spezifischer Ausdruck einer Diskriminierung ist, die der im Gemeinschaftsrecht wohlbekannte allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung verbietet – ein Grundsatz, der in der Tat viel älter ist als Art. 13 EG und die Richtlinie 2000/78. Art. 13 EG spielt dann die ihm zugewiesene Rolle, indem er bestimmte spezifische (neue) Formen der Diskriminierung ausdrücklich benennt und den Gemeinschaftsgesetzgeber ermächtigt, diese auf bestimmte Art und Weise und in bestimmten Zusammenhängen zu bekämpfen.

60.      Eine solche Auslegung steht auch im Einklang mit der Funktion und der Systematik der Richtlinie 2000/78.

61.      Erstens geht es in dieser Richtlinie speziell um die Bekämpfung von Diskriminierung wegen u. a. des Alters in Beschäftigung und Beruf(46). Zweifellos kann eine Altersdiskriminierung auch in anderen Zusammenhängen auftreten, diese sind aber (noch) nicht Gegenstand einer auf Art. 13 EG gestützten Durchführungsrichtlinie.

62.      Zweitens sollte nach dem eindeutigen Willen der Mitgliedstaaten die aus der Richtlinie folgende Gleichbehandlung nach Ablauf der Umsetzungsfrist tatsächlich „horizontal“ für „alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen“ gelten(47).

63.      Drittens geht die Richtlinie, auch wenn sie festlegt, was der Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf die von ihr erfassten Bereiche bedeutet(48), und zudem die unmittelbare und die mittelbare Diskriminierung definiert(49), doch eindeutig davon aus, dass auf das Alter gestützte Unterscheidungen im Kontext von Beschäftigung und Beruf nicht immer eine rechtswidrige Diskriminierung darstellen. Dementsprechend unterscheidet sie zwischen „einer Ungleichbehandlung, die insbesondere durch rechtmäßige Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung gerechtfertigt ist, und einer Diskriminierung, die zu verbieten ist“(50). Damit diese Unterscheidung getroffen werden kann, stellt sie deshalb eine Reihe spezieller Regeln auf, die die Parameter festlegen, welche Ungleichbehandlung wegen (u. a.) des Alters zulässig ist (und warum).

64.      Dass ein nuancierter Ansatz hinsichtlich des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters beabsichtigt war, wird zudem dadurch bekräftigt, dass sich der Gemeinschaftsgesetzgeber dafür entschieden hat, die gesetzgeberische Maßnahme nach Art. 13 EG in Gestalt einer Richtlinie zu erlassen. Rechtsprechung in Gestalt einer Verordnung hat zur Folge, dass die Gemeinschaftsbestimmung „in allen ihren Teilen verbindlich [ist] und … unmittelbar in jedem Mitgliedstaat [gilt]“(51). Eine Richtlinie hingegen ist „für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel“(52) Eine solche gesetzgeberische Maßnahme belässt dem einzelnen Mitgliedstaat aufgrund ihrer Natur ein höheres Maß an Flexibilität.

65.      Nachfolgend werde ich daher als Antwort vorschlagen, dass der allgemeine Gleichheitssatz unter bestimmten Umständen als Verbot einer Diskriminierung wegen des Alters wirkt, dass es aber nicht von Anfang an einen gesonderten detaillierten Grundsatz des Gemeinschaftsrechts gegeben hat, wonach eine Diskriminierung wegen des Alters immer verboten war. Für den Fall, dass ich mich insoweit irren sollte, werde ich gleichwohl noch ausführen, wie ich die einzelnen Vorlagefragen beantworten würde.

 Kann (irgend)ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts selbst dann Anwendung finden, wenn der Sachverhalt, der zu dem Vorabentscheidungsersuchen geführt hat, nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt?

66.      Diese Frage lässt sich recht schnell abhandeln. Alle Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben(53), stimmen darin überein, dass die Frage zu verneinen ist. Insbesondere kann der Gerichtshof einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens nur dann auslegen, wenn der Sachverhalt, der zu dem Vorabentscheidungsersuchen geführt hat, in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt(54).

 Fällt der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts?

67.      BSH, Deutschland, die Niederlande und das Vereinigte Königreich vertreten übereinstimmend die Auffassung, dass weder Art. 13 EG noch die Richtlinie 2000/78 vor Ablauf der Frist zu ihrer Umsetzung bewirke, dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts falle. Art. 13 EG sei lediglich eine Ermächtigungsnorm ohne unmittelbare Wirkung. Könnte er den erforderlichen Bezug herstellen, würde er nämlich die Altersdiskriminierung selbst unmittelbar verbieten und damit seinem ausdrücklichen Wortlaut widersprechen. Hinsichtlich der Richtlinie 2000/78 ergebe sich aus der Umsetzungsfrist und zudem der Natur einer Richtlinie, dass diese vor Ablauf der Umsetzungsfrist keinen Bezug zum Gemeinschaftsrecht herstellen könne. Während der Frist zu ihrer Umsetzung beschränkten sich die Wirkungen einer Richtlinie darauf, dass sie den Mitgliedstaat daran hindere, Maßnahmen zu erlassen, die mit ihr unvereinbar seien(55). Die Richtlinie erweitere jedoch während dieses Zeitraums den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts nicht. Eine solche Wirkung würde die gesetzgeberische Entscheidung unterlaufen. Schließlich setze die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehende Altersabstandsklausel – anders als die in der Rechtssache Mangold streitigen nationalen Bestimmungen – weder eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts um, noch sei sie während der Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78 erlassen worden.

68.      Die Kommission vertritt die entgegengesetzte Auffassung. Sie weist darauf hin, dass der Gerichtshof den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts in Fällen, in denen es um eine Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit im Hinblick auf die Freiheiten des Vertrags gegangen sei, sehr weit verstanden habe, räumt aber ein, dass die vorliegende Rechtssache keinen Bezug zu diesen Freiheiten oder einer derartigen Diskriminierung aufweise. Nach Auffassung der Kommission schließt die Tatsache, dass es sich bei Art. 13 EG um eine Ermächtigungsnorm handelt, nicht aus, dass der erforderliche Bezug zum Gemeinschaftsrecht durch diese Vorschrift hergestellt wird. Im Urteil Saldanha(56) habe der Gerichtshof entschieden, dass auch eine Ermächtigungsnorm im Vertrag(57) dazu führen könne, dass eine nationale Regelung in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts falle(58).

69.      Ich muss mit der Feststellung beginnen, dass allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, auch wenn sie für das ordnungsgemäße Funktionieren des EG-Rechts wesentlich sind, ihre Wirkung nicht abstrakt entfalten(59). Insbesondere nationale Maßnahmen können nur dann daraufhin überprüft werden, ob sie mit solchen allgemeinen Grundsätzen im Einklang stehen, wenn sie in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen(60). Damit dies der Fall ist, muss die in Rede stehende nationale Rechtsvorschrift(61) im Allgemeinen unter eine von drei Kategorien fallen. Sie muss EG-Recht umsetzen (unabhängig von dem Grad des Ermessens, über das der Mitgliedstaat verfügt, und unabhängig davon, ob die nationale Maßnahme über das zur Umsetzung unbedingt Erforderliche hinausgeht)(62). Sie muss sich auf eine nach EG-Recht zugelassene Ausnahme berufen(63). Oder sie muss sonst wie in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, weil eine spezifische materielle Vorschrift des EG-Rechts auf den Sachverhalt anwendbar ist(64).

70.      Die in der Rechtssache Mangold in Rede stehenden nationalen Vorschriften waren Maßnahmen staatlichen Rechts, die der betreffende Mitgliedstaat (Deutschland) speziell erlassen hatte, um eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung (die Umsetzung der Richtlinie 1999/70) zu erfüllen. Die Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie war seit Langem abgelaufen. Es gab daher einen gemeinschaftsrechtlichen Rahmen einschlägiger Regelungen – die Richtlinie 1999/70 und deren Umsetzung in nationales Recht –, auf die der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz (einschließlich der Gleichbehandlung unabhängig vom Alter) angewandt werden konnte.

71.      Aus dieser Perspektive betrachtet sind die zentralen Abschnitte der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Mangold wesentlich leichter zu verstehen. Nachdem der Gerichtshof festgestellt hatte, dass der allgemeine Gleichheitssatz ein Verbot der Altersdiskriminierung einschließt(65), rief er sich selbst seine Pflicht in Erinnerung, „dem vorlegenden Gericht alle Auslegungshinweise zu geben, die es benötigt, um die Vereinbarkeit [der nationalen] Regelung mit diesem Grundsatz beurteilen zu können“, sofern „[diese] Regelung in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts [fällt]“(66). Die in Rede stehende nationale Regelung war eine „Maßnahme zur Umsetzung der Richtlinie 1999/70“(67). Sie fiel somit in den Bereich des Gemeinschaftsrechts und sah außerdem etwas vor, an dem sich der allgemeine Gleichheitssatz – der in diesem Fall die (willkürliche) Diskriminierung wegen des Alters verbot – festmachen konnte.

72.      Da die allgemeinen Grundsätze für das gesamte System des Gemeinschaftsrechts wesentlich sind, kann, so fuhr er fort, „die Wahrung des allgemeinen Grundsatzes der Gleichbehandlung, insbesondere im Hinblick auf das Alter, als solche nicht vom Ablauf der Frist abhängen, die den Mitgliedstaaten zur Umsetzung [der] Richtlinie [2000/78] eingeräumt worden ist“(68), die lediglich „die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen des Alters bezweckt“(69). In dem besonderen Kontext der Rechtssache Mangold konnte dieser allgemeine Grundsatz jedoch ohne weitere Ausformulierung auf die nationale Regelung zur Umsetzung der Richtlinie angewendet werden. Es oblag daher dem vorlegenden Gericht den Grundsatz auf den bei ihm anhängigen Fall anzuwenden und, falls erforderlich, eine Regelung des nationalen Rechts unangewendet zu lassen, um wirksamen Schutz zu gewährleisten(70).

73.      In der vorliegenden Rechtssache gibt es keine einschlägige materielle Bestimmung des Gemeinschaftsrechts zur Regelung des Sachverhalts, an dem sich der allgemeine Gleichheitssatz festmachen könnte. Anders als in der Rechtssache Mangold gibt es keine nationale Regelung zur Umsetzung einer Richtlinie, für die die Umsetzungsfrist bereits abgelaufen ist. Es gibt keine einschlägige Bestimmung des Vertrags oder anderweitige sekundärrechtliche Gemeinschaftsvorschriften. Es gibt nur Art. 13 EG(71) (bei dem es sich um eine Ermächtigungsnorm handelt, der es an unmittelbarer Wirkung fehlt) und die Richtlinie 2000/78 (für die die Umsetzungsfrist zu der maßgeblichen Zeit noch nicht abgelaufen war und die dementsprechend außer Betracht zu bleiben hat).

74.      Unter diesen Umständen ist es nicht möglich, sich auf den allgemeinen Gleichheitssatz zu berufen, um sowohl eine anwendbare materielle Vorschrift des Gemeinschaftsrechts zu schaffen als auch festzulegen, wie diese materielle Vorschrift angewandt werden soll.

75.      Ich bin daher der Auffassung, dass es keine spezifische materielle Vorschrift des Gemeinschaftsrechts gibt, die als Grundlage für die Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes auf den Sachverhalt, der zu dem Vorabentscheidungsersuchen geführt hat, herangezogen werden könnte. Die Frage 1b ist meines Erachtens in diesem Sinne zu beantworten.

76.      Ich hätte die Frage der gleichen Untersuchung unterzogen, wenn es im Gegensatz zu meinen vorstehenden Ausführungen (anstelle eines allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes, der Gleichbehandlung unabhängig vom Alter einschließt) einen spezifischen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters gäbe.

77.      Diese Untersuchung ist daher meines Erachtens bei Weitem ausreichend, um dem vorlegenden Gericht eine Antwort zu geben. Im verbleibenden Teil meiner Schlussanträge werde ich daher hilfsweise (für den Fall, dass der Gerichtshof bei der ersten Frage zu einem anderen Ergebnis gelangen sollte) die Fragen 2 und 3 prüfen.

 Frage 2

78.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das vom Gerichtshof im Urteil Mangold festgestellte Verbot der Altersdiskriminierung horizontal angewandt werden kann(72).

 Können allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts horizontal angewandt werden?

79.      Es ist allgemein bekanntes Gemeinschaftsrecht, dass es möglich ist, sich vertikal gegenüber dem Staat auf allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zu berufen. So entschied der Gerichtshof z. B., dass verschiedene nationale Maßnahmen durch das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen waren, weil diese mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz(73) oder speziellen Ausprägungen dieses Grundsatzes – wie dem Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit in verschiedenen Zusammenhängen(74), der Achtung der Grundrechte(75), dem Grundsatz des Vertrauensschutzes(76) und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit(77) – nicht vereinbar waren.

80.      Die Frage ist, ob jeder allgemeine Grundsatz des Gemeinschaftsrechts horizontal angewandt werden kann oder können sollte.

81.      Im Urteil Bostock entschied der Gerichtshof, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung in einer Situation, die sich infolge der gemeinschaftlichen Milchquotenregelung ergeben hatte, die Beziehungen der Parteien eines Pachtvertrags u. a. nicht aufgrund seiner unmittelbaren Wirkung nachträglich verändern konnte(78). Im Urteil Otto kam er zu dem Ergebnis, dass das Recht, Antworten zu verweigern, mit denen Zuwiderhandlungen gegen Wettbewerbsvorschriften eingestanden würden, als Teil der Verteidigungsrechte des Einzelnen in einer Situation, in der sich zwei private Parteien gegenüberstehen, nicht geltend gemacht werden kann(79).

82.      Ich bin nicht der Auffassung, dass diese beiden Urteile zwangsläufig belegen, dass allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts niemals horizontal angewendet werden können. Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in der Rechtssache Bostock hätte einem innerstaatlichen Gesetz Rückwirkung verliehen (und damit andere fundamentale Grundsätze verletzt)(80). Der in der Rechtssache Otto geltend gemachte Grundsatz dient dem Schutz des Einzelnen vor verwaltungs- oder strafrechtlichen Sanktionen. Wenn Verfahren zwischen Privaten noch nicht einmal mittelbar eine solche Folge haben können, hat der Schutz keinen Sinn(81).

83.      Soweit allgemeine Grundsätze vertikal angewandt werden, ermöglichen sie, Grundrechte gegenüber dem Staat durchzusetzen. Würde man jedoch die Geltendmachung solcher Rechte auf vertikale Beziehungen beschränken, liefe dies auf dieselbe (manchmal künstliche) Unterscheidung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor hinaus, wie sie uns von den Richtlinien her vertraut ist(82).

84.      Zudem hat der Gerichtshof gelegentlich anerkannt, dass der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz horizontal angewandt werden kann, wenn er in eine materielle Bestimmung des Vertrags aufgenommen worden ist. So entschied er im Urteil Walrave und Koch, dass das nunmehr in den Art. 12 EG, 39 EG und 49 EG enthaltene Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit nicht nur für Akte der staatlichen Behörden, sondern auch für Maßnahmen privater Organisationen gilt, die eine kollektive Regelung im Arbeits- und Dienstbereich enthalten, und dass das Diskriminierungsverbot bei der Prüfung sämtlicher Rechtsbeziehungen zu beachten ist, die räumlich in der Gemeinschaft angesiedelt sind(83). Das Urteil Walrave und Koch betraf eine privatrechtliche Vereinigung, die eine Regulierungsfunktion hatte und deshalb möglicherweise einer staatlichen Einrichtung gleichgestellt werden konnte. In der Rechtssache Angonese, die den Zugang zur Beschäftigung in einer Privatbank betraf, ging der Gerichtshof weiter und entschied, dass „[d]as in [Art. 39 EG] ausgesprochene Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit … für Privatpersonen [gilt]“(84).

85.      Im Urteil Mangold wandte der Gerichtshof den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (der die Gleichbehandlung unabhängig vom Alter einschloss) auf einen privatrechtlichen Rechtsstreit zwischen Einzelnen an, auch wenn er einer nationalen Vorschrift unterlag, die von einem Träger öffentlicher Gewalt zur Erfüllung einer gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung (Richtlinie 1999/70) erlassen worden war. Meines Erachtens sollte man daher die Möglichkeit, dass ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts unter entsprechenden Umständen horizontal angewandt werden kann, nicht vorschnell ausschließen.

 Horizontale Anwendung in der vorliegenden Rechtssache?

86.      Ich habe bereits ausgeführt, dass der Sachverhalt, der Anlass für das Ausgangsverfahren ist, nicht in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt(85).

87.      Unter diesen Umständen bin ich der Auffassung, dass der allgemeine Gleichheitssatz und speziell der vom Gerichtshof im Urteil Mangold festgestellte Grundsatz der Gleichbehandlung unabhängig vom Alter nicht horizontal angewandt werden können. Damit akzeptiere ich, dass ein solcher Grundsatz (sowohl vertikal als auch horizontal) angewandt werden kann, soweit dies innerhalb eines spezifischen gemeinschaftsrechtlichen Rahmens geschieht(86).

88.      Fehlt es jedoch, wie in der vorliegenden Rechtssache, an einem solchen Rahmen, gibt es nichts, woran sich der allgemeine Gleichheitssatz und speziell der Grundsatz der Gleichbehandlung unabhängig vom Alter festmachen können. Es ist daher nicht möglich, ihn (vertikal oder horizontal) anzuwenden, sofern und solange der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht die erforderlichen detaillierten Maßnahmen nach Art. 13 EG erlassen hat und etwaige Umsetzungsfristen nicht abgelaufen sind. Wenn dies geschehen ist, wird der allgemeine Grundsatz – wie Generalanwalt Mazák ausgeführt hat(87) – für die Auslegung der Durchführungsbestimmungen herangezogen und wirkt eben nicht selbständig.

89.      Infolgedessen unterliegt die konkrete Art und Weise, in der ein Mitgliedstaat von der in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 vorgesehenen Ausnahme vom Verbot der Altersdiskriminierung Gebrauch macht, einer Prüfung durch den Gerichtshof im Licht des allgemeinen Gleichheitssatzes und insbesondere des Grundsatzes der Gleichbehandlung unabhängig vom Alter. Diese Prüfung gewährleistet, dass sich die vom Mitgliedstaat getroffenen sozialen und politischen Entscheidungen innerhalb der Ausnahmebedingungen und mithin innerhalb des Ermessensspielraums bewegen, der dem Mitgliedstaat belassen worden ist(88).

90.      Ich stimme außerdem dem Vereinigten Königreich zu, dass es nicht sachgerecht wäre, von einem privaten Arbeitgeber zu erwarten, dass er ohne Orientierungshilfe die sozialen und politischen Entscheidungen trifft, die der Ausnahme des Art. 6 Abs. 1 zugrunde liegen. Es ist ausdrücklich Sache des Mitgliedstaats, diese Entscheidungen zu treffen und die Verantwortung für sie zu tragen.

91.      Sobald jedoch ein Mitgliedstaat die Richtlinie 2000/78 umgesetzt hat, unterliegen sowohl die Bestimmungen, die der Mitgliedstaat durch gesetzgeberische Maßnahmen erlassen hat, als auch die Anwendung dieser Bestimmungen durch den einzelnen Arbeitgeber in seinen autonomen Regelungen mit seinen Arbeitnehmern einer Kontrolle durch die nationalen Gerichte und, falls erforderlich, auch durch diesen Gerichtshof. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 lässt keinen Zweifel daran, dass der allgemeine Gleichheitsgrundsatz und insbesondere der Grundsatz der Gleichbehandlung unabhängig vom Alter auf dem Weg über die Richtlinie für „alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf … c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich … des Arbeitsentgelts“ gelten.

92.      Nach dieser Analyse könnten, sobald die Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2000/78 abgelaufen ist(89), der allgemeine Gleichheitsgrundsatz und insbesondere der Grundsatz der Gleichbehandlung unabhängig vom Alter tatsächlich auf dem Weg über die Richtlinie 2000/78 „horizontal“ geltend gemacht werden, ohne dass es irgendeines anderen Anknüpfungspunkts bedürfte, damit das Arbeitsverhältnis in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt. Die von den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Richtlinie getroffenen Entscheidungen unterliegen einer Prüfung vor diesem Hintergrund.

93.      Dementsprechend schlage ich vor, dass, falls erforderlich, der Gerichtshof die zweite Frage des nationalen Gerichts dahin beantworten sollte, dass der allgemeine Gleichheitsgrundsatz und insbesondere der Grundsatz der Gleichbehandlung unabhängig vom Alter zwischen privaten Arbeitgebern einerseits und ihren Arbeitnehmern oder Betriebsrentnern und deren Hinterbliebenen andererseits nicht angewendet werden können, um eine privatrechtliche Regelung anzufechten, die nicht erlassen wurde, um eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung umzusetzen oder von einer gemeinschaftsrechtlich zulässigen Ausnahme Gebrauch zu machen, sofern es keine anderweitig einschlägige materielle Vorschrift des Gemeinschaftsrechts gibt.

 Frage 3

 Frage 3a

94.      Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob eine Regelung wie eine Altersabstandsklausel im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung vom Geltungsbereich des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes und insbesondere vom Geltungsbereich des Grundsatzes der Gleichbehandlung unabhängig vom Alter erfasst wird.

95.      Diese Frage lässt sich auf zwei Wegen prüfen. Zum einen: Welche Arten einer altersbezogenen Diskriminierung werden vom allgemeinen Gleichheitsgrundsatz und insbesondere vom Grundsatz der Gleichbehandlung unabhängig vom Alter erfasst? Zum anderen: Was will der Gemeinschaftsgesetzgeber mit dem in der Richtlinie 2000/78 aufgestellten Grundsatz der Gleichbehandlung unabhängig vom Alter erfassen?

 Prüfung auf der Grundlage eines allgemeinen Grundsatzes des Verbots der Altersdiskriminierung

96.      Zunächst ist zu klären, ob der allgemeine Grundsatz sowohl das relative als auch das absolute Alter erfasst. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, was unter „Diskriminierung wegen des relativen Alters“ verstanden wird. Der Begriff kann dazu verwendet werden, lediglich die ungünstigere Behandlung zu erfassen, die A (einem Einzelnen) widerfährt, weil er eine bestimmte Anzahl von Jahren älter (oder jünger) ist als B (eine andere Person) oder C (eine Gruppe von Personen). Weiter gefasst kann er auch dazu verwendet werden, um die weniger günstige Behandlung zu erfassen, die E und F (zwei Personen, die zusammen betrachtet werden) widerfährt, weil der Altersunterschied zwischen diesen als Paar größer oder kleiner ist als der Altersunterschied zwischen anderen vergleichbaren Paaren (G und H, I und J usw.).

97.      Meines Erachtens erfasst die Diskriminierung wegen des relativen Alters beide Fallgestaltungen. Bei beiden wird das Alter als Kriterium zur Rechtfertigung einer benachteiligenden Ungleichbehandlung herangezogen, und ich kann keinen plausiblen Grund erkennen, um zwischen ihnen zu unterscheiden. Dieselbe Logik führt mich zu der Schlussfolgerung, dass es keinen Grund gibt, Diskriminierungen aufgrund des relativen Alters vom Geltungsbereich des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes und insbesondere von dem des Grundsatzes der Gleichbehandlung unabhängig vom Alter auszunehmen. Das Alter einer Person, auch wenn es in relativen und nicht in absoluten Zahlen ausgedrückt wird, ist weiterhin die Grundlage für die Entscheidung, die sich auf diese nachteilig auswirkt..

98.      Dieser Ansatz löst auch das Problem, ob nur die sich aus der Altersabstandsklausel ergebende Diskriminierung, die den verstorbenen Arbeitnehmer betrifft, unter das Verbot fällt, oder ob auch die Diskriminierung erfasst wird, die den überlebenden Ehegatten (vorliegend Frau Bartsch) betrifft. Die Diskriminierung (im Vergleich zu Paaren, bei denen die Partner einen geringeren Altersunterschied zueinander aufweisen) ergibt sich aus ihren kombinierten Merkmalen und ist eindeutig altersbezogen. Es ist offensichtlich, dass eine Person wie Frau Bartsch, die mehr als 15 Jahre jünger ist als ihr verstorbener Ehegatte, eine weniger günstige Behandlung erfährt, als wenn sie in einer vergleichbaren Situation (nämlich Witwe) wäre, aber weniger als 15 Jahre jünger wäre als ihr verstorbener Ehegatte. Eine derartige Behandlung führt zu einer unmittelbaren Diskriminierung zwischen verschiedenen Kategorien von Arbeitnehmerwitwen in Bezug auf die Gewährung oder den Ausschluss von Versorgungsansprüchen. Die Benachteiligung ergibt sich geradewegs aus der Anwendung eines altersbezogenen Kriteriums (eines Altersabstands von über 15 Jahren) bei der Bestimmung von Versorgungsansprüchen. Frau Bartsch wird dadurch, dass sie die Versorgung nicht erhält, benachteiligt. Herr Bartsch ist in seiner Selbstbestimmung(90) beeinträchtigt worden, da es ihm nicht möglich war, eine angemessene Vorsorge für seine Ehefrau für die Zeit nach seinem Tod zu treffen, und da er dafür bestraft wurde, dass er von seiner Freiheit Gebrauch gemacht hat, eine Ehefrau zu wählen, die über 15 Jahre jünger ist als er.

99.      Eine analoge Anwendung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur unmittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts würde dazu führen, dass jegliche Ungleichbehandlung unmittelbar wegen des Alters verboten wäre, da eine unmittelbare Diskriminierung nicht objektiv gerechtfertigt werden kann (vgl. z. B. Urteil Dekker(91)). Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat jedoch in der Richtlinie 2000/78 eindeutig gewollt, dass bei bestimmten Kategorien derartiger Ungleichbehandlungen eine objektive Rechtfertigung möglich sein sollte(92). Dies untermauert meines Erachtens meine Untersuchung zur Frage 2.

 Prüfung auf der Grundlage der Richtlinie 2000/78

100. Gemäß Art. 3 Abs. 1 gilt die Richtlinie für „alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf … c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich … des Arbeitsentgelts“. Nach gefestigter Rechtsprechung fällt eine Hinterbliebenenrente als eine Leistung, die sich aus dem Arbeitsverhältnis des verstorbenen Ehegatten ableitet, unter den Begriff „Entgelt“ im Sinne von Art. 141 EG(93).

101. Der Arbeitsvertrag begründete ein Arbeitsverhältnis zwischen Herrn Bartsch und BSH. Die Hinterbliebenenversorgung ist „Entgelt“ im Sinne von Art. 141 EG und deshalb „Arbeitsentgelt“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78. Nach dem Ablauf der Frist zu ihrer Umsetzung ist die Wirksamkeit der Altersabstandsklausel daher anhand dieser Richtlinie zu prüfen.

102. Meines Erachtens gelten hinsichtlich der Frage, welche Arten altersbezogener Diskriminierung erfasst werden, für Richtlinien die gleichen Argumente, die für die Prüfung auf der Grundlage des allgemeinen Grundsatzes gegolten haben. Diese Argumente werden durch eine Reihe spezifischer Merkmale der Richtlinie bestätigt.

103. Erstens stellt der 25. Erwägungsgrund klar, dass Altersdiskriminierung im Sinne der Richtlinie ein weitgefasster Begriff ist. Dies stimmt auch mit den üblichen Auslegungsgrundsätzen überein, die verlangen, dass der Begriff der Diskriminierung in Art. 2 weit zu verstehen ist, während die Rechtfertigungen und Ausnahmen nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i und nach Art. 6 eng auszulegen sind. Art. 2 ist so zu verstehen, dass er nur für das absolute Alter gilt („Der Arbeitgeber behandelt einen 50‑Jährigen weniger günstig als einen 40‑Jährigen“), würde zu einer engen Auslegung des Grundsatzes in diesem Artikel führen. Dies ist nicht die Art und Weise, in der der Gerichtshof die geschlechtsbezogene Diskriminierung(94) oder irgendeine auf den Vertrag gestützte Freiheit ausgelegt hat.

104. Zweitens würde – wie die Kommission feststellt – ein Verständnis von Art. 2, wonach dieser nur für das absolute Alter gilt, es leichter machen, dem in ihm enthaltenen Diskriminierungsverbot auszuweichen. Ein gewitzter Arbeitgeber könnte das Verbot umgehen, indem er seine bestehenden Diskriminierungspraktiken ändert und das absolute Alter durch das relative Alter ersetzt.

105. Ich verstehe die Richtlinie daher dahin gehend, dass sie Diskriminierungen aufgrund sowohl des absoluten als auch des relativen Alters verbietet. Bei der Prüfung auf der Grundlage des allgemeinen Grundsatzes habe ich die Auffassung vertreten, dass die „Diskriminierung wegen des relativen Alters“ sowohl die diskriminierende Behandlung des verstorbenen Arbeitnehmers als auch die diskriminierende Behandlung des Hinterbliebenen umfasst(95). Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Grundsatz in Art. 2 der Richtlinie 2000/78, die den Gleichbehandlungsgrundsatz „verwirklichen“ soll(96), insoweit enger auszulegen ist als dieser allgemeine Grundsatz. 

106. Ich gehe daher im Weiteren davon aus, dass eine Altersabstandsklausel wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/78(97) sowohl in Bezug auf Herrn Bartsch als auch auf Frau Bartsch darstellen kann. Es ist jedoch daran zu erinnern, dass die Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht in Deutschland zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war.

 Frage 3b

107. Das vorlegende Gericht fragt, ob für den Fall, dass eine Bestimmung wie die Altersabstandsklausel zu unterschiedlicher Behandlung führt, das Interesse des Arbeitgebers an einer Begrenzung der mit der freiwilligen Altersversorgung eingegangenen Risiken (und sein Wunsch, diese Risiken besser kalkulierbar zu machen) ein Rechtfertigungsgrund für diese Diskriminierung sein kann(98). Allerdings ist ein Risiko meines Erachtens, sobald es kalkuliert worden ist, kein „Risiko“ mehr, sondern eine vorhersehbare Verpflichtung, für die Vorsorge getroffen werden kann. Es ist auch eindeutig, dass sich die Verpflichtungen, die sich voraussichtlich aus „Altersabständen“ ergeben, durch eine versicherungsmathematische Analyse kalkulieren lassen. Ich gehe daher nachfolgend davon aus, dass das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen möchte, ob das Interesse des Arbeitgebers an einer globalen Begrenzung der auf einem freiwilligen Versorgungssystem lastenden Kosten eine Diskriminierung rechtfertigen kann.

108. Die Richtlinie 2000/78 bietet einen geeigneten Rahmen für die Untersuchung dieser Frage. Könnte, wenn die Ereignisse, die zu dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen geführt haben, nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78 stattgefunden hätten, eine Altersabstandsklausel in einem privaten Zusatzversorgungssystem der Art, wie es von BSH verwaltet wird, gerechtfertigt sein?

109. Die Richtlinie 2000/78 definiert sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Diskriminierung. Die beiden Buchstaben in Art. 2 Abs. 2 haben den gleichen Anfangswortlaut: „[Es] … liegt eine … Diskriminierung vor, wenn …“. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a definiert die unmittelbare Diskriminierung, ohne im Anschluss daran auf die grundsätzliche Möglichkeit eines Rechtfertigungsgrundes hierfür einzugehen. Laut Art. 2 Abs. 2 Buchst. b hingegen „liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen … eines bestimmten Alters … gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn … diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich“. Mit anderen Worten: Wenn die Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b gegeben sind, soll keine mittelbare Diskriminierung angenommen werden (anderenfalls doch). Auf den ersten Blick scheint dies (im Umkehrschluss) nahezulegen, dass eine unter Art. 2 Abs. 2 Buchst. a fallende Diskriminierung nicht objektiv gerechtfertigt werden kann. Es gibt jedoch offensichtlich eine Überschneidung zwischen dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b und dem Rahmen für die (weitreichende) Rechtfertigung von Altersdiskriminierung aus objektiven Gründen, den Art. 6 absteckt.

110. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 befasst sich ausschließlich mit der Rechtfertigung einer bestimmten Art von Ungleichbehandlung: der Diskriminierung wegen des Alters. Er beginnt mit den Worten: „Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen …“. Hier macht der Gesetzgeber keinen Unterschied zwischen Art. 2 Abs. 2 Buchst. a (unmittelbare Diskriminierung) und Art. 2 Abs. 2 Buchst. b (mittelbare Diskriminierung). Vielmehr dürfen die Mitgliedstaaten vorsehen, dass alle von Art. 2 Abs. 2 erfassten Ungleichbehandlungen „keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel … gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind“. Bestimmte spezifische „legitime Ziele“ werden ausdrücklich aufgelistet („insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung“), wobei diese Liste (wegen der Verwendung des Worts „insbesondere“) nicht abschließend sein soll. Im Anschluss an diese Einleitung werden in den Buchst. a, b und c (wiederum nicht abschließend) bestimmte Arten der Ungleichbehandlung genannt, die teils eine unmittelbare(99) und teils eine mittelbare(100) Diskriminierung wegen des Alters beinhalten. Art. 6 Abs. 2 geht auf bestimmte Arten altersbezogener Ungleichbehandlung bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit ein.

111. Fairerweise muss darauf hingewiesen werden, dass bei den meisten Beispielen für „zulässige“ Ungleichbehandlungen in Art. 6 Abs. 1 unmittelbar das Alter als Entscheidungskriterium herangezogen wird („ältere Arbeitnehmer“, „Mindestanforderungen an das Alter“, „Höchstalter für die Einstellung“)(101). Entscheidungskriterien sind daher nicht „dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren“ (wie sie in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b im Rahmen der Definition der mittelbaren Diskriminierung genannt werden). Vielmehr geht es oft schlicht und einfach um Ungleichbehandlung wegen des Alters.

112. Die einzig mögliche logische Schlussfolgerung ist, dass die Richtlinie 2000/78 ausdrücklich besondere Arten einer Ungleichbehandlung, die unmittelbar wegen des Alters erfolgt, zulässt, sofern sie „objektiv und angemessen sind und … durch ein legitimes Ziel … gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind“. Diese Analyse des Textes wird durch das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Palacios de la Villa(102) gestützt, in dem es um eine Klausel im nationalen Recht ging, die die Zwangsversetzung in den Ruhestand betraf(103). Laut ihrem 14. Erwägungsgrund „berührt[(104)] [die Richtlinie 2000/78] nicht die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand“. Es gibt aber keine materielle Bestimmung in der Richtlinie, die Klauseln über Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand von ihrem Geltungsbereich ausnimmt. Der Gerichtshof stellte fest, dass eine solche Klausel unter die Richtlinie fällt und eine unmittelbare Altersdiskriminierung darstellt(105). Er entschied jedoch, dass sie einem Ziel dient, das nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie eine objektive und angemessene Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung wegen des Alters sein kann(106).

113. Die Altersabstandsklausel lässt sich keinem der spezifischen Beispiele in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a, b oder c genau zuordnen. Das Interesse des Arbeitgebers an einer globalen Begrenzung der auf einem freiwilligen Versorgungssystem lastenden Kosten(107) ähnelt den Aspekten, die der Ausnahme nach Art. 6 Abs. 2 zugrunde liegen. Ausnahmen sind einem allgemeinen Auslegungsgrundsatz zufolge eng auszulegen. Andererseits enthält Art. 6 eindeutig keine abschließende Auflistung der zulässigen Ausnahmen.

114. Hätte der Mitgliedstaat die Richtlinie 2000/78 bereits umgesetzt gehabt, hätte er (vermutlich) einige politische Entscheidungen getroffen. Hätte er sich dafür entschieden, auf Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie zurückzugreifen, um einem privaten Arbeitgeber zu erlauben, eine Bestimmung wie die Altersabstandsklausel in sein betriebliches Altersversorgungssystem aufzunehmen, hätte der Gerichtshof zunächst entscheiden müssen, ob die Altersabstandsklausel unter die Ausnahmeregelung fällt, und sodann (gegebenenfalls) die vorliegende Regelung auf ihre Verhältnismäßigkeit prüfen müssen.

115. Einerseits verfügen beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Ermessensspielraum(108).

116. Andererseits hat der Gerichtshof durchgehend strenge Maßstäbe an Versorgungssysteme angelegt, die, wie in der vorliegenden Rechtssache, bestimmte Kategorien von Personen ausschließen – im Gegensatz zu Systemen, die differenzierte Leistungen vorsehen. Insbesondere hat er den Ausschluss der Rückwirkung seiner Entscheidung in der Rechtssache Barber(109) so eingegrenzt, dass er auf die erstgenannte Art von Versorgungssystemen keine Anwendung fand(110). Der Gerichtshof war auch bei der Anerkennung von auf versicherungsmathematische Berechnungen gestützten Gründen als Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen zurückhaltend(111).

117. Das vorlegende Gericht führt aus, dass die Altersabstandsklausel mit dem innerstaatlichen Recht vereinbar sei, weil sie sich auf einen „billigenswerten Grund“ stütze, nämlich das Interesse des Arbeitgebers an einer globalen Begrenzung der auf einem freiwilligen Versorgungssystem lastenden Kosten(112). Diese Erwägungen wiesen ferner einen inneren Zusammenhang mit der Altersabstandsklausel auf. Die Kostenbegrenzung beruhe auf einem demografischen Kriterium: Je jünger die Hinterbliebenen im Verhältnis zu den Arbeitnehmern seien, denen die Altersversorgung zugesagt worden sei, desto länger sei der Zeitraum, während dessen der Arbeitgeber durchschnittlich Hinterbliebenenversorgung zu erbringen habe.

118. In Anbetracht des weiten Ermessens, über das die Mitgliedstaaten im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfügen, will ich akzeptieren, dass die von einem Mitgliedstaat getroffene politische Entscheidung, Altersabstandsklauseln in privaten Versorgungssystemen zuzulassen, grundsätzlich einem legitimen Ziel im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 dienen kann.

119. Jedoch würde ein Versorgungssystem, das – wie das der BSH – so funktioniert, dass eine Witwe in der Situation von Frau Bartsch(113) von jeglichen Leistungen aus dem System ausgeschlossen wird, meines Erachtens die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 1, dem zufolge die Mittel zur Erreichung legitimer Ziele „angemessen und erforderlich“ sein müssen, voraussichtlich nicht bestehen.

120. Erstens ergibt sich aus den Antworten des Prozessbevollmächtigten von BSH in der mündlichen Verhandlung, dass es dem Unternehmen bei der Schaffung des Versorgungssystems nur um die Frage ging, wie die (verfügbaren) Mittel verteilt werden.

121. Zweitens lassen sich ohne Schwierigkeiten weniger extreme Möglichkeiten als der völlige Ausschluss von Hinterbliebenen vorstellen, um die Kosten für freiwillige Versorgungssysteme zu begrenzen. Beispielsweise könnte an jüngere Hinterbliebene eine niedrigere Leistung gezahlt werden, die u. U. gestaffelt sein könnte, oder die Zahlungen könnten erst beginnen, wenn die Hinterbliebenen ein bestimmtes Alter erreicht haben.

122. Drittens lässt sich den Unterlagen, die dem Gerichtshof vorliegen, kein Hinweis entnehmen, dass eine Hinterbliebenenversorgung nur dann zu zahlen ist, wenn der Arbeitnehmer in oder nach Erreichen eines bestimmten Alters verstirbt. Sind also der Arbeitnehmer und sein Ehegatte gleich alt und stirbt der Arbeitnehmer mit 40 Jahren, erhält der Hinterbliebene eine Rente. Ein Hinterbliebener hingegen, der 16 Jahre jünger ist als sein in einem Arbeitsverhältnis stehender Ehegatte, welcher mit 56 Jahren verstorben ist, erhält nichts. Es gibt jedoch keine maßgeblichen Unterschiede zwischen diesen zwei Hinterbliebenen (die beide 40 Jahre alt sind) hinsichtlich ihrer Lebenserwartung und mithin hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer des Bezugs einer Hinterbliebenenversorgung.

123. Wird Frage 3b im Hinblick auf die spezifische Diskriminierung wegen des Alters anhand des allgemeinen Diskriminierungsverbots geprüft, lässt sich eine derartige Diskriminierung schwerlich rechtfertigen. Jedenfalls würde die Regelung am Maßstab der Verhältnismäßigkeit scheitern.

124. Ich würde daher, falls erforderlich, zu dem Ergebnis gelangen, dass eine Bestimmung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Altersabstandsklausel nicht damit gerechtfertigt werden kann, dass der Arbeitgeber ein Interesse daran hat, die von einem freiwilligen Versorgungssystem getragenen Gesamtkosten zu begrenzen.

 Frage 3c

125. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob dem möglichen Verbot der Diskriminierung wegen des Alters im Betriebsrentenrecht unbegrenzte Rückwirkung zukommt und, falls nein, in welcher Weise es begrenzt ist.

126. Obwohl das vorlegende Gericht im Rahmen seiner Vorlageentscheidung nach dem genauen Zeitpunkt fragt, ab dem das Verbot der Altersdiskriminierung anwendbar ist, und nach der Vereinbarkeit der Anwendung dieses Verbots mit dem Vertrauensschutz, ist offensichtlich, dass es in Frage 3c in Wirklichkeit darum geht, ob das Urteil in der vorliegenden Rechtssache zeitlich beschränkt werden sollte(114). Ich werde daher die Frage auf dieser Grundlage beantworten.

127. Die Rückwirkung eines Urteils wird nur ausnahmsweise und unter zwei Voraussetzungen begrenzt. Erstens muss andernfalls die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen bestehen; zweitens müssen die Einzelnen und die nationalen Behörden zu einem mit der Gemeinschaftsregelung unvereinbaren Verhalten veranlasst worden sein, weil eine objektive, bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Gemeinschaftsbestimmungen bestand(115). Diese Voraussetzungen sind kumulativ.

128. Jede Beschränkung der Rückwirkung eines Urteils muss zudem vom Gerichtshof in dem ersten Urteil festgelegt werden, in dem er über die erbetene Auslegung entscheidet(116).

129. Ich bin nicht der Auffassung, dass die Rückwirkung des Urteils im vorliegenden Fall eingeschränkt werden sollte.

130. Erstens gibt es für den Gerichtshof keine hinreichenden Anhaltspunkte (weder im Vorlagebeschluss noch im Vorbringen von BSH oder von Deutschland(117)), die darauf hindeuten, dass die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen besteht, falls der Gerichtshof die zeitlichen Wirkungen seines Urteils nicht beschränkt.

131. Zweitens hat der Gerichtshof sein Urteil in der Rechtssache Mangold zeitlich nicht beschränkt. Dies ist das Urteil, mit dem der Grundsatz festgestellt wurde, der vorliegend (gegebenenfalls) angewendet würde.

132. Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellte, dass der Gerichtshof die Anwendung dieses Grundsatzes auf ein privat finanziertes betriebliches Versorgungssystem hier zum ersten Mal prüfen muss, wäre die erste der zwei (kumulativen) Voraussetzungen noch nicht erfüllt.

133. Das Urteil in der vorliegenden Rechtssache sollte daher zeitlich nicht beschränkt werden.

 Ergebnis

134. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, in Beantwortung der Vorlagefragen wie folgt zu entscheiden:

1.      Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, Schutz gemäß dem im Gemeinschaftsrecht verankerten allgemeinen Gleichheitssatz (der die Gleichbehandlung unabhängig vom Alter einschließt) zu gewähren, wenn die geltend gemachte diskriminierende Behandlung nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt.

2.      Es gibt keine spezifische materielle Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die als Grundlage für die Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes (der die Gleichbehandlung unabhängig vom Alter einschließt) auf den Sachverhalt, der zu dem Vorabentscheidungsersuchen geführt hat, herangezogen werden könnte.


1 – Originalsprache: Englisch


2 – Urteil vom 22. November 2005, C‑144/04, Slg. 2005, I‑9981. Die Prämisse, dass dieser Grundsatz gefestigtes Recht ist, wird vom Vereinigten Königreich direkt und von Deutschland und den Niederlanden eher indirekt in Frage gestellt; vgl. unten, Nr. 29.


3 – Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16). Die Richtlinie 2000/78 ist eine von zwei Durchführungsrichtlinien, die nach Art. 13 EG erlassen wurden; bei der anderen handelt es sich um die Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180, S. 22; im Folgenden: Richtlinie gegen Rassendiskriminierung).


4 – Erster Erwägungsgrund.


5 – Vierter Erwägungsgrund, in dem die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit ihrer Resolution 217 A (III) vom 10. Dezember 1948 beschlossene und verkündete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: Europäische Menschenrechtskonvention) und das am 25. Juni 1958 angenommene Übereinkommen 111 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf angeführt werden


6 – Angenommen auf der Tagung des Europäischen Rates in Straßburg am 9. Dezember 1989.


7 – Sechster und achter Erwägungsgrund.


8 – Richtlinien der Bosch-Siemens Hausgeräte Altersfürsorge GmbH vom 1. Januar 1984 in der Fassung vom 1. April 1992.


9 – In den vorliegenden Schlussanträgen verwende ich die Abkürzung „BSH“ sowohl zur Bezeichnung der Beklagten des Ausgangsverfahrens (Bosch-Siemens Hausgeräte Altersfürsorge GmbH) als auch zur Bezeichnung der Bosch-Siemens Hausgeräte GmbH.


10 – In Nr. 107 der vorliegenden Schlussanträge schlage ich eine leicht abweichende Neuinterpretation der vom vorlegenden Gericht angeführten Rechtfertigung vor.


11 – Ich formuliere diese Frage in der nachfolgenden Nr. 27 um.


12 – Randnr. 74. … [Die anschließenden Ausführungen in der englischen Fassung dieser Fußnote betreffen nur die englische Fassung des Urteils.]


13 –      Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. L 175, S. 43).


14 – Vgl. z. B. J. Cavallini, „De la suppression des restrictions à la conclusion d’un contrat à durée déterminée lorsque le salarié est un senior“, La Semaine juridique Social 2005, S. 25 bis 28; O. Dubos, „La Cour de justice, le renvoi préjudiciel, l’invocabilité des directives: de l’apostasie à l’hérésie?“, La Semaine juridique 2006, S. 1295 bis 1297; O. LeClerc, „Le contrat de travail des seniors à l’épreuve du droit communautaire“, Recueil Dalloz 2006, S. 557 bis 561; M. Nicolella, „Une application anticipée des directives non transposées?“, Gazette du palais 2006, S. 22; E. Dubout, „Mangold“, Revue des affaires européennes 2005, S. 723 bis 733; A. Masson und C. Micheau, „The Werner Mangold Case: An Example of Legal Militancy“, European Public Law 2007, S. 587 bis 593; Editorial, Common Market Law Review 2006, S. 1 bis 8.


15 – Vgl. z. B. K. Riesenhuber, Urteilsanmerkung in European Review of Contract Law 2007, S. 62; J. Swift, „Pale, stale, male“, New Law Journal 2007, S. 532 bis 534; Editorial, Common Market Law Review, in der vorstehenden Fußnote angeführt. Dies bewertet D. Schiek, „The ECJ Decision in Mangold: A Further Twist on Effects of Directives and Constitutional Relevance of Community Equality Legislation“, Industrial Law Journal 2006, S. 329 bis 341, im Hinblick auf die Begründung von Rechten positiv.


16 – Vgl. z. B. Cavallini und Dubos sowie das Editorial in der Common Market Law Review, alle angeführt in Fn. 14.


17 – Vgl. z. B. Swift, Cavallini, Nicolella, Dubout, Masson/Micheau (angeführt in den Fn. 14 und 15); D. Martin, „L’arrêt Mangold – Vers une hiérarchie inversée du droit à l’égalité en droit communautaire?“, Journal des tribunaux du travail 2006, S. 109 bis 116.


18 – Rechtssache C‑13/05, Slg. 2006, I‑6467, Nrn. 46 bis 56 der Schlussanträge.


19 – Rechtssache C‑227/04 P, Slg. 2007, I‑6767, insbesondere Nrn. 52 bis 58 der Schlussanträge.


20 – Rechtssache C‑411/05, Slg. 2007, I‑0000, insbesondere Nrn. 87 bis 97 und Nrn. 132 bis 138 der Schlussanträge.


21 – Urteil vom 17. Februar 1998, C‑249/96, Slg. 1998, I‑621.


22 – Rechtssache C‑267/06, Slg. 2008, I‑0000, Nr. 78 der Schlussanträge und die dazugehörigen Fußnoten.


23 – Vgl. Urteil vom 3. Oktober 2006, Cadman, C‑17/05, Slg. 2006, I‑9583, Randnr. 28. Dieser Satz zieht sich mit geringfügigen Abweichungen durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs und taucht offenbar erstmalig im Urteil vom 19. Oktober 1977, Ruckdeschel, 117/76 und 16/77, Slg. 1977, 1753, Randnr. 7, auf.


24 – Vgl. den von der Kommission erstellten „Überblick über die gesetzlichen Antidiskriminierungsbestimmungen der Mitgliedstaaten“, der unter folgender Internetadresse verfügbar ist: http://ec.europa.eu/employment_social/labour_law/docs/reportmsdiscrimination_de.pdf.


25 – Vgl. vorstehende Fn. 5.


26 – Wie aus der Formulierung „in der vorliegenden Konvention festgelegt“ hervorgeht, ist Art. 14 keine selbständige Bestimmung, sondern greift in Verbindung mit anderen von der Konvention gewährleisteten Grundrechten ein. Das Protokoll Nr. 12 enthält allerdings ein solches selbständiges Diskriminierungsverbot (von den EU-Mitgliedstaaten haben nur Zypern, Finnland, Luxemburg, die Niederlande, Rumänien und Spanien das Protokoll ratifiziert). Anzumerken ist, dass die Diskriminierung wegen des Alters in keiner dieser langen (wenn auch nicht abschließenden) Aufzählungen speziell erwähnt wird.


27 – Alle Zitate sind dem in Fn. 2 angeführten Urteil Mangold, Randnr. 74, entnommen. Die Formulierung „die gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten“ wird gewöhnlich als Grundlage für die Feststellung eines allgemeinen Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts herangezogen (vgl. Art. 6 Abs. 2 EU, mit dem die frühere Rechtsprechung des Gerichtshofs kodifiziert wurde).


28 – Schlussanträge in der Rechtssache Lindorfer, angeführt in Fn. 19, Nr. 55, unter Bezugnahme auf das Urteil Mangold, angeführt in Fn. 2, Randnr. 74.


29 – Siehe den von der Kommission erstellten „Überblick über die gesetzlichen Antidiskriminierungsbestimmungen der Mitgliedstaaten“, angeführt in Fn. 24, S. 77; vgl. ferner M. Sargeant (Hrsg.), The Law on Age Discrimination in the EU (2008).


30 – Nikomachische Ethik, V.3. 1131a10-b15; Politik, III.9.1280 a8-15, III. 12. 1282b18-23.


31 – Vgl. ferner S. Gosepath, „Equality“, in E. N. Zalta (Hrsg.), The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Ausgabe Herbst 2007), im Internet verfügbar unter http://plato.stanford.edu/archives/fall2007/entries/equality/.


32 – Vgl. H. L. A. Hart, The Concept of Law (2. Aufl., 1994), S. 159 bis 163.


33 – Vgl. die Grabrede des Perikles für die Athener, die im ersten Jahr des (letztlich verheerenden) Krieges gegen Sparta gefallen waren: „Wir leben nämlich unter einer Verfassung, die nicht die Einrichtungen anderer nachäfft; vielmehr dienen wir selber eher als Vorbild, als dass wir andere nachahmen sollten. Der Name, den sie trägt, ist zwar der der Volksherrschaft, weil die Macht nicht in den Händen weniger, sondern einer größeren Zahl von Bürgern ruht; ihr Wesen aber ist, dass nach den Gesetzen zwar alle persönlichen Vorzüge niemandem ein Vorrecht verleihen, hinsichtlich seiner wirklichen Geltung aber jeder, wie er sich in etwas auszeichnet, im Staatsdienst seine volle Anerkennung findet: eine Anerkennung, die nicht auf Parteigetriebe, sondern auf wirklichem Verdienst ruht. Mag daher jemand arm sein, so ist ihm doch, sofern er nur dem Vaterland Nutzen zu stiften imstande ist, durch keine Niedrigkeit der Geburt der Weg zur Auszeichnung verschlossen.“ (Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges, Buch II, XXXV-XLVI, unter XXXVII, in der Übersetzung von J. F. C. Campe [1856]).


34 – Ein gebietsansässiger Fremder, der einige, aber nicht alle Rechte eines Bürgers besaß.


35 – Eine Klasse von Leibeigenen im alten Sparta, die eine Zwischenstellung zwischen den gewöhnlichen Sklaven und den freien Bürgern Spartas einnahm.


36 – „Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit“ (Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 [in der Übersetzung, die zwei Tage nach ihrer Verkündung in Philadelphia durch die Zeitung „Henrich Millers Philadelphischer Staatsboote“ veröffentlicht wurde]).


37 – Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten spielte dabei eine wichtige Rolle, bis sich die Auffassung durchgesetzt hatte, dass Diskriminierungen wegen der Rasse unzulässig sind. Vgl. z. B. das Urteil in der Sache Brown v Board of Education of Topeka, 349 U.S. 294 (1954), mit dem der Oberste Gerichtshof von seiner Entscheidung in der Sache Plessy v Ferguson, 163 U.S. 537 (1896), abrückte, der zufolge „getrennte, aber gleichwertige“ Einrichtungen, einschließlich der Schulen „für die weiße und die farbige Rasse“ verfassungsgemäß waren. Nur Richter John Marshall Harlan vertrat in der letztgenannten Sache eine abweichende Auffassung mit den Worten: „Die Verfassung ist farbenblind und kennt weder Klassen von Bürgern noch toleriert sie sie“.


38 – Urteil vom 26. Februar 1986, Marshall/Southampton and South-West Hampshire Area Health Authority, 152/84, Slg. 1986, 723.


39 – Vgl. R. Dworkin, Taking Rights Seriously (1977), S. 22 bis 28, der Vorschriften und Grundsätze nach ihrer Zielrichtung unterscheidet. Ein Grundsatz liefert eine Begründung für eine Richtung, erfordert aber keine spezielle Entscheidung. Eine Vorschrift legt Rechtsfolgen fest, die automatisch eintreten, wenn die festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Umgekehrt haben Vorschriften nicht das Gewicht, das Grundsätze besitzen: Wenn zwei Vorschriften miteinander im Widerstreit stehen, muss eine von ihnen unwirksam oder unanwendbar sein, wohingegen zwei im Widerstreit stehende Grundsätze gegeneinander abgewogen werden können.


40 – Weiter gehende detaillierte Maßnahmen zur Bekämpfung spezieller Formen von Diskriminierungen, die alle bereits nach allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts verboten waren, hätten möglicherweise vom Rat nach Art. 308 EG (früher Art. 235 EG-Vertrag) in Verbindung mit den in Art. 2 genannten Zielen der Gemeinschaft erlassen werden können. Die Mitgliedstaaten hielten offensichtlich für solche Maßnahmen eine eigenständige Rechtsgrundlage im Vertrag für erforderlich und haben diese ordnungsgemäß in Gestalt von Art. 13 EG geschaffen.


41 – Vgl. insoweit die Richtlinie gegen Rassendiskriminierung, insbesondere die Art. 2 („Der Begriff ‚Diskriminierung‘“) und 3 („Geltungsbereich“).


42 – Hinsichtlich dieser terminologischen Unterscheidung vgl. M. Bossuyt, L’interdiction de la discrimination dans le droit international des droits de l’homme (1976), S. 7 bis 27.


43 – Dementsprechend besteht (z. B.) das Rationierungen zugrunde liegende Prinzip darin, spezifische Kriterien anzuwenden, um zwischen potenziellen Empfängern zu differenzieren und auf diese Weise knappe Ressourcen zuzuteilen. Kriterien, die als gerechtfertigt angesehen werden, werden akzeptiert; andere Kriterien werden als willkürlich oder unfair abgelehnt. Was aber gerechtfertigt ist, wird durch die Auffassung bestimmt, den die Gesellschaft zu diesem speziellen Zeitpunkt und an diesem speziellen Ort vertritt. Vgl. außerdem die Schlussanträge von Generalanwalt Poiares Maduro vom 31. Januar 2008 in der Rechtssache Coleman, C‑303/06, Nr. 16, und meine Schlussanträge vom 24. April 2008 in der Rechtssache C‑353/06, Grunkin und Paul, Nrn. 62 und 71, sowie in Bezug auf das Merkmal der Willkür bei Diskriminierungen Bossuyt, angeführt in Fn. 42, S. 37 bis 39 und 97 bis 128.


44 – Der Übergang von einer Idee zu ihrer vollständigen Umsetzung ist meines Erachtens vielfach eher ein Entwicklungsprozess als das Ergebnis eines „Urknalls“. Beispielsweise wäre es schwierig, den genauen Zeitpunkt zwischen (ca.) 1780 und 1807 festzulegen, zu dem der Grundsatz auftauchte, der – dank der Arbeit von Reformern wie Peter Peckard, Thomas Clarkson und William Wilberforce – einen spezifischen Ausdruck in dem „Gesetz zur Abschaffung des Sklavenhandels [An Act for the Abolition of the Slave Trade]“ (47 Georgii III, Session 1, cap. XXXVI) fand.


45 – Angeführt in Fn. 19.


46 – Vgl. den Titel, die Erwägungsgründe und Art. 1.


47 – Art. 3 Abs. 1.


48 – Art. 2 Abs. 1.


49 – In Art. 2 Abs. 2 Buchst. a bzw. in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b. Die Formulierung dieser Vorschriften orientiert sich an der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs zur geschlechtsbezogenen Diskriminierung.


50 – Erwägungsgrund 25 und die detaillierten materiellen Bestimmungen von Art. 6 Abs. 1.


51 – Art. 249 EG.


52 – Ebd. Vgl. die Betonung, die der Gerichtshof auf diese Unterscheidung in seinem Urteil vom 14. Juli 1994, Faccini Dori, C‑91/92, Slg. 1994, I‑3325, Randnrn. 22 bis 24, gelegt hat, wo er die Ansicht verwarf, dass eine Richtlinie auch horizontale Wirkung haben könne (und damit die Vorschläge von drei Generalanwälten: den Vorschlag von Generalanwalt Van Gerven in der Rechtssache Marshall II, C‑271/91, Slg. 1993, I‑4367, den von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Vaneetveld, C‑316/93, Slg. 1994, I‑763, und den von Generalanwalt Lenz in der Rechtssache Faccini Dori).


53 – Frau Bartsch hat keine schriftlichen Erklärungen abgegeben und war in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten.


54 – Vgl. z. B. Urteile vom 15. Juni 1978, Defrenne III, 149/77, Slg. 1978, 1365, Randnrn. 27 und 30, und vom 29. Mai 1997, Kremzow, C‑299/95, Slg. 1997, I‑2629, Randnr. 15. Zum allgemeinen Grundsatz der Gleichheit und der Nichtdiskriminierung vgl. Urteil vom 12. Dezember 2002, Caballero, C‑442/00, Slg. 2002, I‑11915, Randnrn. 30 und 32, und Chacón Navas, angeführt in Fn. 18, Randnr. 56. Vgl. auch Urteil Mangold, angeführt in Fn. 2, Randnr. 75.


55 – In seinem Urteil vom 18. Dezember 1997, Inter-Environnement Wallonie, C‑129/96, Slg. 1997, I‑7411, Randnr. 45, entschied der Gerichtshof, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 10 Abs. 2 EG und Art. 249 Abs. 3 EG verpflichtet sind, während der Umsetzungsfrist den Erlass von Vorschriften zu unterlassen, die geeignet sind, das in der Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernstlich in Frage zu stellen (vgl. entsprechend Urteil vom 14. September 2006, Stichting Zuid-Hollandse Milieufederatie, C‑138/05, Slg. 2006, I‑8339, Randnr. 42, und die Nrn. 60 bis 63 meiner Schlussanträge in dieser Rechtssache). Darüber hinaus müssen es die nationalen Gerichte während der Umsetzungsfrist soweit wie möglich unterlassen, das innerstaatliche Recht auf eine Weise auszulegen, die die Erreichung des mit der Richtlinie verfolgten Ziels nach Ablauf der Umsetzungsfrist ernsthaft gefährden würde. Diese Verpflichtung wird jedoch durch allgemeine Rechtsgrundsätze, insbesondere den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot, begrenzt und kann nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem dienen; Urteil vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a., C‑212/04, Slg. 2006, I‑6057, Randnrn. 119 bis 123.


56 – Urteil vom 2. Oktober 1997, C‑122/96, Slg. 1997, I‑5325, Randnr. 23.


57 – Art. 54 Abs. 3 Buchst. g EG-Vertrag (jetzt Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG).


58 – Hinsichtlich der Richtlinie 2000/78 trägt die Kommission nichts Derartiges vor.


59 – Weiterführend hierzu T. Tridimas, The General Principles of EU Law (2. Aufl., 2006), S. 36 bis 42, und J. Temple Lang, „The Sphere in which Member States are Obliged to Comply with the General Principles of Law and Community Fundamental Rights Principles“, Legal Issues of European Integration 1991, S. 23 bis 35.


60 – Vgl. z. B. Urteile vom 30. September 1987, Demirel/Stadt Schwäbisch Gmünd, 12/86, Slg. 1987, 3719, Randnr. 28, und Kremzow, angeführt in Fn. 54, Randnrn. 15 bis 19.


61 – Mit „nationaler Rechtsvorschrift“ meine ich eine staatliche Regelung oder (falls die staatliche Regelung lediglich die Ermächtigung zum Regelungserlass auf eine halbstaatliche oder private Einrichtung überträgt) eine Regelung, die sich im Wesentlichen von einer staatlichen Vorschrift ableitet und bei der vernünftigerweise angenommen werden kann, dass ihre sozialen und politischen Entscheidungen die Vorgaben der staatlichen Stellen des Mitgliedstaats widerspiegeln (vgl. den vom Gerichtshof im Urteil vom 12. Juli 1990, Foster u. a., C‑188/89, Slg. 1990, I‑3313, Randnr. 22, vorgegebenen sorgfältigen Maßstab, der gilt, wenn eine Einrichtung im Sinne einer unmittelbaren vertikalen Wirkung als Teil des „Staates“ angesehen wird).


62 – Vgl. z. B. Urteile vom 27. September 1979, Eridania/Ministry for Agriculture and Forestry, 230/78, Slg. 1979, 2749, Randnr. 31, vom 18. Februar 1982, Zuckerfabrik Franken/Deutschland, 77/81, Slg. 1982, 681, Randnrn. 22 bis 28, vom 25. November 1986, Klensch, 201/85 und 202/85, Slg. 1986, 3477, Randnrn. 10 und 11, vom 13. Juli 1989, Wachauf/Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft, 5/88, Slg. 1989, 2609, Randnrn. 17 bis 22, sowie vom 10. Juli 2003, Booker Aquaculture und Hydro Seafood, C‑20/00 und C‑64/00, Slg. 2003, I‑7411, Randnrn. 88 bis 93.


63 – Vgl. z. B. Urteile vom 18. Juni 1991, ERT, C‑260/89, Slg. 1991, I‑2925, Randnrn. 41 bis 45, und vom 26. Juni 1997, Familiapress, C‑368/95, Slg. 1997, I‑3689, Randnr. 24.


64 – Vgl. z. B. Urteile vom 25. März 2004, Karner, C‑71/02, Slg. 2004, I‑3025, Randnrn. 48 bis 53 (potenzielle Behinderung des innergemeinschaftlichen Handels), vom 5. Mai 1981, Kommission/Vereinigtes Königreich, 804/79, Slg. 1981, 1045, Randnrn. 23 bis 30 (Mitgliedstaaten, die in einem Bereich ausschließlicher Gemeinschaftszuständigkeit als Sachwalter der Gemeinschaft handeln), sowie vom 18. Dezember 1997, Molenheide u. a., C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96, Slg. 1997, I‑7281, Randnrn. 45 bis 48 (von einem Mitgliedstaat in Ausübung seiner Zuständigkeiten in Bezug auf die Mehrwertsteuer erlassene Maßnahmen).


65 – Randnr. 74.


66 – Beide Zitate sind Randnr. 75 entnommen.


67 – Ebd.


68 – Randnr. 76.


69 – Ebd.


70 – Randnrn. 77 und 78. Die Regel des wirksamen Schutzes, auf die hier Bezug genommen wurde, geht auf das Urteil vom 9. März 1978, Simmenthal, 106/77, Slg. 1978, 629, zurück und ist mit Urteil vom 19. Juni 1990, Factortame, C‑213/89, Slg. 1990, I‑2433, bestätigt worden.


71 – Entgegen dem Vorbringen der Kommission unterscheidet sich der Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache von dem der in Fn. 56 angeführten Rechtssache Saldanha. In der letztgenannten Rechtssache entschied der Gerichtshof, dass Bestimmungen des Gesellschaftsrechts, die dem Schutz der Interessen der Gesellschafter dienen, in den Anwendungsbereich des EG-Vertrags fallen und für sie daher das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gilt. Dies ergibt sich aus Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG, dem zufolge „der Rat und die Kommission zur Durchführung der Niederlassungsfreiheit soweit erforderlich die Schutzbestimmungen koordinieren [können], die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des [Art. 48 EG] im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten“ (Randnr. 23). Diese Aussage muss im Zusammenhang mit einem ganzen Kapitel des EG-Vertrags über das Niederlassungsrecht ([Dritter Teil,] Titel III, Kapitel 2) sowie einem zum Zeitpunkt der Verkündung des Urteils Saldanha (1997) umfassenden System von Richtlinien gelesen werden; vgl. allgemein V. Edwards, EC Company Law (1999), und speziell zum Geltungsbereich von Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG, S. 5 bis 9. Diese Situation unterscheidet sich eindeutig von der vorliegenden Rechtssache.


72 – Meines Erachtens wird der Begriff „unmittelbare Wirkung“ (sei sie vertikal oder horizontal) unzutreffend verwendet, wenn er gebraucht wird, um die Auswirkungen eines allgemeinen Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts zu beschreiben. „Unmittelbare Wirkung“ einer Bestimmung des Vertrags oder einer Vorschrift in einer Richtlinie bedeutet, dass ein Einzelner sich auf den klaren, genauen und unbedingten Text des Gemeinschaftsrechts berufen kann, um eine entgegenstehende Vorschrift des nationalen Rechts außer Kraft zu setzen (oder eine Lücke zu füllen). Demgegenüber wird ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts auf einen Komplex von Gesetzesbestimmungen angewandt und wirkt sich auf deren Auslegung aus. Manchmal kann er zur Folge haben, dass eine bestimmte Auslegung unzulässig ist. Aber der allgemeine Grundsatz stellt als solcher keinen Ersatz für eine bestehende Gesetzesvorschrift dar. Meines Erachtens ist er deshalb nicht „unmittelbar wirksam“, auch wenn er sich zweifellos auf das sachgerechte rechtliche Ergebnis auswirken kann und dies manchmal auch tut.


73 – Vgl. z. B. Urteile Klensch und Wachauf, beide angeführt in Fn. 62 (und beide die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse betreffend), die Urteile, die Generalanwalt Tizzano in Fn. 27 seiner in Fn. 2 angeführten Schlussanträge in der Rechtssache Mangold zitiert, sowie die Schlussanträge von Generalanwältin Kokott vom 13. Dezember 2007 in der Rechtssache Marks & Spencer, C‑309/06, Slg. 2008, I‑0000 (Mehrwertsteuererstattung).


74 – Vgl. z. B. Urteile vom 13. Februar 1985, Gravier, 293/83, Slg. 1985, 593 (Zugang zur Berufsausbildung), vom 2. Februar 1988, Blaizot, 24/86, Slg. 1988, 379 (Zugang zum Universitätsunterricht), vom 27. September 1988, Kommission/Belgien, 42/87, Slg. 1988, 5445 (Ausbildungsbeihilfen), vom 20. Oktober 1993, Phil Collins u. a., C‑92/92 und C‑326/92, Slg. 1993, I‑5145 (geistige Eigentumsrechte), und vom 26. September 1996, Data Delecta, C‑43/95, Slg. 1996, I‑4661 (Gerichtsverfahren).


75 – Vgl. z. B. Urteile vom 15. Mai 1986, Johnston, 222/84, Slg. 1986, 1651 (wirksame gerichtliche Kontrolle im Zusammenhang mit „beruflichen Anforderungen“ als Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen), Wachauf, angeführt in Fn. 62 (Eigentumsrechte im Zusammenhang mit der gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse), und vom 11. Juli 2002, Carpenter, C‑60/00, Slg. 2002, I‑6279 (Recht auf Achtung des Familienlebens im Zusammenhang mit einer möglichen Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit).


76 – Vgl. z. B. Urteil vom 11. Juli 2002, Marks & Spencer, C‑62/00, Slg. 2002, I‑6325 (Vertrauensschutz im Zusammenhang mit einer neuen nationalen Verjährungsfrist, innerhalb deren die Erstattung von unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht eingezogenen Beträgen beantragt werden kann).


77 – Vgl. z. B. Urteile vom 19. Juni 1980, Testa, 41/79, 121/79 und 796/79, Slg. 1980, I‑1979 (Ermessen des Mitgliedstaats bei der Verlängerung der Dauer des Leistungsanspruchs bei Arbeitslosigkeit nach Art. 69 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71), und Molenheide u. a., angeführt in Fn. 64.


78 – Urteil vom 24. März 1994, Bostock, C‑2/92, Slg. 1994, I‑955, Randnr. 24. Eine Bewertung des Urteils Bostock und generell der Anwendung allgemeiner Grundsätze gegenüber Privaten findet sich bei Tridimas, angeführt in Fn. 59, S. 47 bis 50.


79 – Urteil vom 10. November 1993, Otto, C‑60/92, Slg. 1993, I‑5683, Randnr. 16.


80 – Vgl. Nr. 37 der Schlussanträge von Generalanwalt Gulmann [in der Rechtssache Bostock].


81 – Vgl. Urteil Otto, angeführt in Fn. 79, Randnr. 17.


82 – Einige, aber nicht alle Argumente für und wider die horizontale Wirkung von Richtlinien lassen sich auf allgemeine Grundsätze übertragen. Für eine Darstellung dieser Argumente siehe S. Prechal, Directives in EC Law (2. Aufl., 2005), S. 255 bis 261.


83 – Urteil vom 12. Dezember 1974, Walrave/Union Cycliste Internationale, 36/74, Slg. 1974, 1405, Randnrn. 17 und 28. Vgl. auch die Urteile vom 11. Dezember 2007, Viking, C‑438/05, Slg. 2007, I‑0000, Randnrn. 33 bis 38 und 57 bis 66, und vom 18. Dezember 2007, Laval, C‑341/05, Slg. 2007, I‑0000, Randnrn. 86 bis 111, in denen der Gerichtshof entschieden hat, dass die Art. 43 EG und 49 EG im Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Privatunternehmen gelten. Im Urteil Viking bezog sich der Gerichtshof nicht ausdrücklich auf das Art. 43 EG zugrunde liegende Diskriminierungsverbot. Im Urteil Laval jedoch erinnerte er an seine Rechtsprechung, wonach „Art. 12 EG, in dem das allgemeine Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verankert ist, autonom nur in durch das Gemeinschaftsrecht geregelten Fällen angewandt werden kann, für die der Vertrag kein besonderes Diskriminierungsverbot vorsieht … In Bezug auf den freien Dienstleistungsverkehr ist dieser Grundsatz durch Art. 49 EG verwirklicht und konkretisiert worden …“ (Randnrn. 54 und 55).


84 – Urteil vom 6. Juni 2000, Angonese, C‑281/98, Slg. 2000, I‑4139, Randnr. 36.


85 – Siehe Nrn. 67 bis 75.


86 – Vgl. die Ausführungen in den vorstehenden Nrn. 69 bis 76. Nach meinem Verständnis war die Rechtssache Mangold ein solcher Fall.


87 – Nr. 136 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Palacios de la Villa, angeführt in Fn. 20.


88 – Die Mitgliedstaaten „verfügen … unbestreitbar über einen weiten Ermessensspielraum bei der Wahl der Maßnahmen zur Erreichung ihrer Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik“; vgl. Urteile Mangold, angeführt in Fn. 2, Randnr. 63, und Palacios de la Villa, angeführt in Fn. 20, Randnr. 68. In der Rechtssache Mangold gelangte der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die fraglichen Maßnahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht standhielten (Randnr. 65). In der Rechtssache Palacios de la Villa sah er aber die Annahme der nationalen Behörden, dass die streitige Maßnahme angemessen und erforderlich sein kann, als nicht unvernünftig an (Randnr. 72).


89 – Dies war bei Deutschland am 2. Dezember 2006 der Fall; siehe Nr. 12.


90 – Zur Bedeutung der Entscheidungsfreiheit für die Selbstbestimmung vgl. die Schlussanträge von Generalanwalt Poiares Maduro in der Rechtssache Coleman, angeführt in Fn. 43, Nrn. 9 bis 11, und die in den dortigen Fußnoten angeführten Werke.


91 – Urteil vom 8. November 1990, C‑177/88, Slg. 1990, I‑3941, Randnr. 12. Vgl. ferner E. Ellis, EU Anti-Discrimination Law (2. Aufl., 2005), S. 111 bis 113.


92 – Vgl. die nachfolgenden Nrn. 109 bis 110.


93 – Vgl. Urteile vom 9. Oktober 2001, Menauer, C‑379/99, Slg. 2001, I‑7275, Randnr. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 7. Januar 2004, K. B., C‑117/01, Slg. 2004, I‑541, Randnr. 26.


94 – Infolgedessen schließt das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts das Verbot der Diskriminierung wegen einer Geschlechtsumwandlung ein. Vgl. Urteile vom 30. April 1996, P./S., C‑13/94. Slg. 1996, I‑2143, Randnrn. 17 bis 20, und vom 27. April 2006, Richards, C‑423/04, Slg. 2006, I‑3585, Randnr. 24. Im Urteil Grant, angeführt in Fn. 21, Randnr. 42 (das allerdings vor Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam und damit vor der Einfügung von Art. 13 in den EG-Vertrag ergangen ist), vertrat der Gerichtshof die Auffassung, dass es sich nicht auf die unterschiedliche Behandlung aufgrund der sexuellen Orientierung einer Person erstrecke.


95 – Siehe Nr. 98.


96 – Art. 1 der Richtlinie 2000/78.


97 – Gemäß dieser Vorschrift liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, „wenn eine Person [u. a. wegen des Alters] in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde“. Mittelbare Diskriminierung wird in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b definiert. Vgl. Nr. 109.


98 – Siehe oben, Nr. 17.


99 – Zum Beispiel die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung in bestimmten Fällen (Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c).


100 – Zum Beispiel die Festlegung von Mindestanforderungen an das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile (Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a). Das Dienstalter, obgleich ein „dem Anschein nach neutrales Kriterium“, wirkt sich wahrscheinlich mittelbar wie ein lebensalterbezogenes Kriterium aus.


101 – Vgl. die Ausführungen von Generalanwalt Jacobs zu den zwei Arten der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts und deren Verhältnis zu unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung in den Nrn. 34 bis 35 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Schnorbus, C‑79/99, Slg. 2000, I‑10997.


102 – Angeführt in Fn. 20.


103 – In der Rechtssache Palacios de la Villa, angeführt in Fn. 20, war die Umsetzungsfrist für die Richtlinie anders als in der vorliegenden Rechtssache allerdings bereits abgelaufen; vgl. die vorstehende Nr. 39.


104 – [Diese Fußnote betrifft nur den Wortlaut der englischen Fassung des 14. Erwägungsgrundes.]


105 – [Urteil Palacios de la Villa, angeführt in Fn. 20] Randnr. 51.


106 – [Ebd.] Randnr. 66.


107 – Siehe oben, Nr. 107.


108 – Vgl. Urteil Palacios de la Villa, angeführt in Fn. 20, Randnr. 68. Vgl. auch den 25. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78.


109 – Urteil vom 17. Mai 1990, C‑262/88, Slg. 1990, I‑1889. Die zeitliche Beschränkung dieser Entscheidung wurde in das Protokoll (Nr. 17) zu Artikel 141 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (1992) aufgenommen.


110 – Vgl. z. B. Urteile vom 28. September 1994, Vroege, C‑57/93, Slg. 1994, I‑4541, Randnrn. 27 bis 28, und Fisscher, C‑128/93, Slg. 1994, I‑4583, Randnrn. 49 bis 50, sowie vom 11. Dezember 1997, Magorrian und Cunningham, C‑246/96, Slg. 1997, I‑7153, Randnrn. 27 bis 29, und vom 10. Februar 2000, Sievers und Schrage, C‑270/97 und C‑271/97, Slg. 2000, I‑929, Randnrn. 39 bis 41.


111 – Im Urteil Lindorfer, angeführt in Fn. 19, Randnr. 56, entschied der Gerichtshof, dass das Erfordernis eines gesunden Finanzgebarens innerhalb eines Versorgungssystems nicht die Notwendigkeit höherer versicherungsmathematischer Werte für Frauen begründen könne. Vgl. auch die Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs, Nrn. 49 bis 69, und meine Schlussanträge, Nrn. 43 bis 50, in dieser Rechtssache. In den Urteilen vom 22. Dezember 1993, Neath, C‑152/91, Slg. 1993, I‑6935, und vom 28. September 1994, Coloroll, C‑200/91, Slg. 1994, I‑4389, entschied der Gerichtshof, dass die Unterschiedlichkeit der im Rahmen von durch Kapitalansammlung finanzierten Systemen mit feststehenden Leistungen gezahlten Arbeitgeberbeiträge, die sich aus der Anwendung versicherungsmathematischer Faktoren ergibt, nicht unter den (nunmehrigen) Art. 141 EG fällt. In seinen Schlussanträgen u. a. zu diesen Rechtssachen (Slg. 1993, I‑4893) vertrat Generalanwalt Van Gerven die Auffassung, dass die Notwendigkeit der Wahrung des finanziellen Gleichgewichts eines Betriebsrentensystems Unterschiede hinsichtlich der Arbeitnehmerbeiträge und der Leistungen, die auf versicherungsmathematische Faktoren gestützt würden, nicht rechtfertigen könne. Vgl. auch Urteile vom 16. Juli 1998, ICI, C‑264/96, Slg. 1998, I‑4695, vom 21. September 1999, St. Gobain, C‑307/97, Slg. 1999, I‑2651, vom 21. November 2002, X & Y, C‑436/00, Slg. 2002, I‑10829, vom 11. März 2004, de Lasteyrie du Saillant, C‑9/02, Slg. 2004, I‑2409, sowie vom 28. September 2006, Kommission/Niederlande, C‑282/04 und C‑283/04, Slg. 2006, I‑9141 (in dem der Gerichtshof die Anerkennung des Verlusts von Steuereinnahmen als Rechtfertigungsgrund für eine gegen Art. 43 EG verstoßende Diskriminierung ablehnte).


112 – Siehe oben, Nr. 107.


113 – D. h. eine Witwe, die über 15 Jahre jünger ist als ihr während seines Beschäftigungsverhältnisses mit BSH verstorbener Ehegatte. Die Altersabstandklausel findet keine Anwendung, wenn der ehemalige Arbeitnehmer im Ruhestand verstirbt; vgl. Nr. 13.


114 – Deutschland hat eine solche Begrenzung ausdrücklich beantragt.


115 – Vgl. Urteile Richards, angeführt in Fn. 94, Randnr. 42, und vom 18. Januar 2007, Brzeziński, C‑313/05, Slg. 2007, I‑513, Randnr. 57.


116 – Urteile Barber, angeführt in Fn. 109, Randnr. 41, Vroege, angeführt in Fn. 110, Randnr. 31, und vom 6. März 2007, Meilicke, C‑292/04, Slg. 2007, I‑1835, Randnrn. 36 bis 37.


117 – Deutschland trägt vor, dass von einer solchen Entscheidung eine große Zahl von Verträgen betroffen sein könnte, räumt jedoch ein, keine statistischen Nachweise hierfür zu besitzen.