Language of document : ECLI:EU:C:2018:879

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

7. November 2018(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 97/81/EG – EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit – Paragraf 4 – Diskriminierungsverbot – Teilzeitarbeitnehmer – Altersrente – Berechnung der Rente – Berücksichtigung der vor Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie 97/81/EG geleisteten Dienstjahre – Unmittelbare Anwendung auf die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts, der unter der Geltung des alten Rechts entstanden ist“

In der Rechtssache C‑432/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court of the United Kingdom (Oberster Gerichtshof des Vereinigten Königreichs) mit Entscheidung vom 12. Juli 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Juli 2017, in dem Verfahren

Dermod Patrick O’Brien

gegen

Ministry of Justice, vormals Department for Constitutional Affairs,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter J.‑C. Bonichot, A. Arabadjiev (Berichterstatter), C. G. Fernlund und S. Rodin,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn O’Brien, vertreten durch C. Jones, Solicitor, und T. Burton, Barrister, sowie durch R. Crasnow, QC, und R. Allen, QC,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Brandon und C. Crane als Bevollmächtigte im Beistand von J. Cavanagh, QC, und R. Hill, Barrister,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek und N. Yerrell als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl. 1998, L 14, S. 9) in der durch die Richtlinie 98/23/EG des Rates vom 7. April 1998 geänderten Fassung (ABl. 1998, L 131, S. 10) (im Folgenden: Richtlinie 97/81).

2        Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Dermod Patrick O’Brien und dem Ministry of Justice (Ministerium der Justiz, Vereinigtes Königreich), vormals Department for Constitutional Affairs (Ministerium für Verfassungsfragen), über die Höhe der Altersrente, die ihm wegen seiner Tätigkeit als Teilzeitrichter zusteht.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Gemäß der Richtlinie 98/23 zur Ausdehnung der Richtlinie 97/81 auf das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland lief die Frist zur Umsetzung der Richtlinie 97/81 für diesen Mitgliedstaat am 7. April 2000 ab.

4        Nach Art. 1 der Richtlinie 97/81 soll mit ihr die am 6. Juni 1997 zwischen den europäischen Sozialpartnern (UNICE, CEEP und EGB) geschlossene Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (im Folgenden: Rahmenvereinbarung) durchgeführt werden.

5        Paragraf 4 („Grundsatz der Nichtdiskriminierung“) der Rahmenvereinbarung sieht vor:

„1.      Teilzeitbeschäftigte dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt.

2.      Es gilt, wo dies angemessen ist, der Pro-rata-temporis-Grundsatz.

3.      Die Anwendungsmodalitäten dieser Vorschrift werden von den Mitgliedstaaten und/oder den Sozialpartnern unter Berücksichtigung der Rechtsvorschriften der [Union] und der einzelstaatlichen gesetzlichen und tarifvertraglichen Bestimmungen und Gepflogenheiten festgelegt.

…“

 Recht des Vereinigten Königreichs

6        Die Zahlung der Richterpensionen ist im Judicial Pensions Act 1981 (Gesetz von 1981 über die Altersrenten der Angehörigen der Richterschaft, im Folgenden: Gesetz von 1981) und im Judicial Pensions and Retirement Act 1993 (Gesetz von 1993 über die Altersrenten und den Ruhestand der Angehörigen der Richterschaft, im Folgenden: Gesetz von 1993) geregelt.

7        Das Gesetz von 1981 gilt für Personen, die vor dem 31. März 1995 ernannt wurden, sofern sie sich nicht dafür entscheiden, ihre Altersrente nach dem Gesetz von 1993 zu beziehen. Das Gesetz von 1993 gilt für Personen, die am oder nach dem 31. März 1995 ernannt wurden.

8        Aufgrund dieser beiden Gesetze erhalten Personen eine Rente, die ein „qualifizierendes richterliches Amt“ (qualifying judicial office) wahrgenommen, das 65. Lebensjahr vollendet und – sofern sie unter das Gesetz von 1993 fallen – ihr Amt mindestens fünf Jahre ausgeübt haben.

9        Zum Zeitpunkt des Eintritts von Herrn O’Brien in den Ruhestand wurde nur bei Vollzeitrichtern und den ein Gehalt beziehenden Teilzeitrichtern davon ausgegangen, dass sie ein „qualifizierendes richterliches Amt“ ausüben, nicht aber bei Teilzeitrichtern, die, wie die Recorder, nach Tagessätzen bezahlt werden.

10      Sowohl nach dem Gesetz von 1981 als auch nach dem Gesetz von 1993 beruht die Höhe der Altersrente eines Vollzeitrichters auf seinem Gehalt im letzten Berufsjahr und der Zahl seiner Dienstjahre zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand.

11      Nach dem Gesetz von 1981 mussten Circuit Judges (Richter eines Gerichts zweiter Instanz) 15 Dienstjahre aufweisen, um Anspruch auf eine Altersrente in Höhe der Hälfte ihres letzten Jahresgehalts zu haben. Nach dem Gesetz von 1993 beträgt dieser Zeitraum 20 Jahre.

12      Nach beiden Gesetzen erhalten Richter mit geringeren Dienstzeiten einen der Dauer der Amtsausübung entsprechenden Anteil der vollen Rente. Außerdem erhielten sie beim Eintritt in den Ruhestand eine Einmalzahlung, deren Höhe sich nach der jährlichen Altersrente richtete.

13      Das Vereinigte Königreich setzte die Richtlinie 97/81 mit der Part-Time Workers (Prevention of Less Favourable Treatment) Regulations 2000 (Verordnung von 2000 über Teilzeitbeschäftigte [Verhinderung ungünstigerer Behandlung]) (SI 2000/1551) um, die am 1. Juli 2000 in Kraft traten. Sie sehen vor, dass Teilzeitbeschäftigte von ihren Arbeitgebern nicht ungünstiger behandelt werden dürfen als Vollzeitbeschäftigte in einer vergleichbaren Situation und dass insoweit der Pro-rata-temporis-Grundsatz gilt, es sei denn, dies ist nicht angemessen.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

14      Herr O’Brien wurde im Jahr 1962 zur Anwaltschaft zugelassen und im Jahr 1983 zum Queen’s Counsel ernannt. Er war vom 1. März 1978 bis zum 31. März 2005, als er im Alter von 65 Jahren in den Ruhestand trat, als Recorder am Crown Court (Krongericht) tätig. Als solcher erhielt er kein Gehalt, sondern eine Vergütung nach Tagessätzen.

15      Im Juni 2005 beantragte Herr O’Brien beim Ministerium für Verfassungsfragen die Zahlung einer Altersrente in gleicher Höhe, angepasst pro rata temporis, wie Vollzeitrichter, die gleiche oder ähnliche Aufgaben wahrgenommen hatten. Das Ministerium für Verfassungsfragen teilte ihm mit, dass er nicht zu den Kategorien von Richtern gehöre, die in den Genuss einer Richterpension kämen.

16      Im September 2005 rief Herr O’Brien das Employment Tribunal (Arbeitsgericht, Vereinigtes Königreich) an, wobei er geltend machte, er habe aufgrund der Richtlinie 97/81 und der Vorschriften zu ihrer Umsetzung in nationales Recht Anspruch auf eine solche Pension. Dieses Gericht gab seiner Klage statt, aber im Rechtsmittelverfahren unterlag er vor dem Employment Appeal Tribunal (Rechtsmittelgericht in Arbeitssachen, Vereinigtes Königreich) und sodann vor dem Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Rechtsmittelgericht [England und Wales] [Abteilung für Zivilsachen], Vereinigtes Königreich). Im Anschluss an ein beim Supreme Court of the United Kingdom (Oberster Gerichtshof des Vereinigten Königreichs) eingelegtes Rechtsmittel legte dieser dem Gerichtshof ein Ersuchen um Vorabentscheidung vor.

17      Mit Urteil vom 1. März 2012, O’Brien (C‑393/10, EU:C:2012:110), entschied der Gerichtshof – nachdem er festgestellt hatte, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, zu bestimmen, ob Herr O’Brien als Teilzeitbeschäftigter im Sinne von Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung anzusehen ist –, dass das nationale Recht nicht zwischen Vollzeit- und nach Tagessätzen bezahlten Teilzeitrichtern unterscheiden darf, es sei denn, dass objektive Gründe eine solche unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.

18      Im Anschluss an dieses Urteil entschied der Supreme Court of the United Kingdom (Oberster Gerichtshof des Vereinigten Königreichs) mit Urteil vom 6. Februar 2013, dass Herr O’Brien während der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zeit als Teilzeitbeschäftigter im Sinne von Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung anzusehen war und dass keine objektive Rechtfertigung für eine Abweichung von dem Grundsatz dargetan worden war, dass Teilzeitrichter und Vollzeitrichter, vorbehaltlich einer Anpassung pro rata temporis, auf der gleichen Grundlage zu vergüten sind. Herr O’Brien habe daher unter den gleichen Bedingungen wie ein Circuit Judge (Richter eines Gerichts zweiter Instanz) Anspruch auf eine Altersrente.

19      Die Rechtssache wurde sodann zur Ermittlung der Höhe der Herrn O’Brien zustehenden Altersrente an das Employment Tribunal (Arbeitsgericht) zurückverwiesen. Vor diesem Gericht stellte sich die Frage, ob dabei die gesamte Dienstzeit des Betroffenen seit seiner Ernennung am 1. März 1978, d. h. 27 Jahre, oder lediglich die Dienstzeit seit Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 97/81, d. h. weniger als fünf Jahre, zu berücksichtigen ist. Das Employment Tribunal (Arbeitsgericht) entschied, dass bei der Berechnung seine gesamte Dienstzeit zu berücksichtigen sei, während das Employment Appeal Tribunal (Rechtsmittelgericht in Arbeitssachen) zum gegenteiligen Ergebnis kam. Der Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Rechtsmittelgericht [England und Wales] [Abteilung für Zivilsachen]) bestätigte diese Entscheidung. Herr O’Brien hat dagegen ein Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht eingelegt.

20      Im Vorabentscheidungsersuchen wird ausgeführt, die Mehrheit der Mitglieder des Supreme Court of the United Kingdom (Oberster Gerichtshof des Vereinigten Königreichs) neige zu der Auffassung, dass die Richtlinie 97/81 ein Verbot der Diskriminierung von Teilzeitarbeitnehmern bewirke, wenn eine Altersrente fällig werde. Diese Richtlinie sei in zeitlicher Hinsicht anwendbar, wenn eine Altersrente nach dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens fällig werde. Falls ein Teil des Dienstalters davor erworben worden sei, gelte die Richtlinie für die künftigen Wirkungen dieses Sachverhalts.

21      Der Gerichtshof habe sich jedoch noch nicht dazu äußern können, ob eine berufliche Altersrente, wie aus dem Urteil vom 6. Oktober 1993, Ten Oever (C‑109/91, EU:C:1993:833), zu schließen sein könnte, als aufgeschobenes Entgelt zu betrachten sei, in Bezug auf das die Ansprüche während des Zeitraums erworben würden, in dem die entgoltene Tätigkeit ausgeübt werde. Würde man dem folgen, könnte sich die Richtlinie 97/81 nach dem allgemeinen Rückwirkungsverbot nicht auf die Rechte auswirken, die vor ihrem Inkrafttreten erworben oder, im Fall von Herrn O’Brien, nicht erworben worden seien, da die Richtlinie keine Vorschrift enthalte, die diesen Grundsatz außer Kraft setze. Auch wenn die meisten Mitglieder des vorlegenden Gerichts zu der Ansicht neigen, dass die dem Urteil vom 6. Oktober 1993, Ten Oever (C‑109/91, EU:C:1993:833), zu entnehmende Lösung nicht auf das Ausgangsverfahren übertragbar sei, halten sie es gleichwohl nicht für offensichtlich, wie im vorliegenden Fall zu entscheiden ist.

22      Unter diesen Umständen hat der Supreme Court of the United Kingdom (Oberster Gerichtshof des Vereinigten Königreichs) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Erfordert es die Richtlinie 97/81 und insbesondere der den Grundsatz der Nichtdiskriminierung betreffende Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung in ihrem Anhang, vor Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie zurückgelegte Dienstzeiten bei der Berechnung der Altersrente eines Teilzeitbeschäftigten zu berücksichtigen, wenn sie bei der Berechnung der Rente eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten berücksichtigt würden?

 Zur Vorlagefrage

23      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 97/81 dahin auszulegen ist, dass die vor Ablauf der Frist für ihre Umsetzung zurückgelegten Dienstzeiten, die bei der Ermittlung der Altersrente eines Vollzeitbeschäftigten berücksichtigt werden, auch bei der Ermittlung der Ansprüche auf Altersrente eines vergleichbaren Teilzeitbeschäftigten zu berücksichtigen sind.

24      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass Herr O’Brien seine Tätigkeit als Teilzeitrichter, für die er nach Tagessätzen bezahlt wurde, vom 1. März 1978 bis zum 31. März 2005 ausübte, d. h. im Wesentlichen in einem Zeitraum vor dem 7. April 2000, an dem die Frist für die Umsetzung der Richtlinie 97/81 im Vereinigten Königreich ablief. Während dieses Zeitraums war in der nationalen Regelung für die Altersrente der Richterberufe nicht vorgesehen, dass die nach Tagessätzen bezahlten Teilzeitrichter eine Altersrente für diese Tätigkeit erhalten.

25      Im Übrigen ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass die Richter nach der in England und Wales geltenden Regelung für die Altersrente der Richterberufe eine Altersrente nach Maßgabe der anspruchsbegründenden Dienstzeiten erhalten. Die einschlägigen Rentenregelungen sind „Letztgehaltsregelungen“, wonach die Altersrente der Richter durch Multiplikation eines bestimmten Teils der anspruchsbegründenden Bezüge im letzten Dienstjahr mit der Gesamtzahl der Dienstjahre und ‑tage bei Eintritt in den Ruhestand berechnet wird.

26      Nach ständiger Rechtsprechung ist bei Verfahrensvorschriften im Allgemeinen davon auszugehen, dass sie ab dem Datum ihres Inkrafttretens Anwendung finden (Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, C‑610/10, EU:C:2012:781, Rn. 45), während materiell-rechtliche Vorschriften gewöhnlich so ausgelegt werden, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte nur gelten, soweit aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. November 1981, Meridionale Industria Salumi u. a., 212/80 bis 217/80, EU:C:1981:270, Rn. 9, sowie vom 23. Februar 2006, Molenbergnatie, C‑201/04, EU:C:2006:136, Rn. 31).

27      Hinzuzufügen ist, dass eine neue Rechtsnorm ab dem Inkrafttreten des Rechtsakts anwendbar ist, mit dem sie eingeführt wird, und dass sie zwar nicht auf vor dessen Inkrafttreten entstandene und endgültig erworbene Rechtspositionen anwendbar ist, doch unmittelbar auf die künftigen Wirkungen unter dem alten Recht entstandener Rechtspositionen sowie auf neue Rechtspositionen Anwendung findet. Etwas anderes gilt – vorbehaltlich des Verbots der Rückwirkung von Rechtsakten – nur, wenn zusammen mit der neuen Rechtsnorm besondere Vorschriften erlassen werden, die speziell die Voraussetzungen für ihre zeitliche Geltung regeln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2015, Kommission/Moravia Gas Storage, C‑596/13 P, EU:C:2015:203, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Vorab ist festzustellen, dass weder die Richtlinie 97/81 noch die Rahmenvereinbarung von dem in der vorstehenden Randnummer dargestellten Grundsatz abweicht (Urteil vom 10. Juni 2010, Bruno u. a., C‑395/08 und C‑396/08, EU:C:2010:329, Rn. 54).

29      Daher ist zu prüfen, ob der schrittweise Erwerb von Ansprüchen auf eine Altersrente im Zeitraum vor Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 97/81 im Vereinigten Königreich dazu führt, dass die Rechtsposition des Klägers des Ausgangsverfahrens als zu diesem Zeitpunkt endgültig erworben anzusehen ist.

30      Die Regierung des Vereinigten Königreichs macht insoweit geltend, dass das aufgeschobene Entgelt in Form einer beruflichen Altersrente in gleicher Weise steige wie die übrigen Entgeltformen. Im Fall der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelungen für die Altersrente der Richterberufe werde die Rente auf der Grundlage aufeinanderfolgender Dienstzeiten erworben, von denen jede einen Rentenanspruch begründe, so dass sich die Rentenansprüche nach Maßgabe der Zurücklegung jeder Dienstzeit erhöhten. Da am Ende jeder Dienstzeit der dadurch erworbene Rentenanspruch seine Wirkungen erschöpft habe, könnten die vor dem Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 97/81 im Vereinigten Königreich erworbenen Rentenansprüche nicht berücksichtigt werden.

31      Unter Berufung auf die Urteile vom 17. Mai 1990, Barber (C‑262/88, EU:C:1990:209), und vom 6. Oktober 1993, Ten Oever (C‑109/91, EU:C:1993:833), hebt die Regierung des Vereinigten Königreichs insoweit die Besonderheit dieser Form des Entgelts hervor, die in einer zeitlichen Trennung zwischen der schrittweisen Entstehung des Rentenanspruchs während der Laufbahn des Arbeitnehmers und der tatsächlichen Gewährung der Leistung bestehe, die bis zur Erreichung eines bestimmten Alters aufgeschoben werde.

32      Zum einen ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich die Umstände der Ausgangsrechtssache von denen der Rechtssachen unterscheiden, in denen die genannten Urteile ergangen sind, die die zeitliche Anwendung der Wirkungen eines Urteils betrafen.

33      Insoweit darf die Frage der Rückwirkung einer Rechtsnorm nicht mit der Frage der zeitlichen Wirkungen eines Urteils des Gerichtshofs verwechselt werden. Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 17. Mai 1990, Barber (C‑262/88, EU:C:1990:209), ausgeführt hat, betreffen die Bedingungen, von denen die zeitliche Beschränkung der Wirkungen eines Urteils abhängt, das Vorliegen schwerwiegender Störungen, zu denen das Urteil für Vorgänge in der Vergangenheit führen könnte.

34      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Regierung des Vereinigten Königreichs den Gerichtshof zu keinem Zeitpunkt ersucht hat, die zeitlichen Wirkungen des Urteils vom 1. März 2012, O’Brien (C‑393/10, EU:C:2012:110), zu beschränken. Eine derartige Beschränkung wäre auch nur in dem Urteil selbst, mit dem über die begehrte Auslegung entschieden wird, zulässig (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Mai 1990, Barber, C‑262/88, EU:C:1990:209, Rn. 41).

35      Zum anderen ist dem Vorbringen des Vereinigten Königreichs, dass zwischen der Berechnung des für den Erwerb einer Altersrente erforderlichen Dienstalters und den Ansprüchen auf eine Altersrente zu unterscheiden sei, entgegenzuhalten, dass der Umstand, dass ein Rentenanspruch endgültig am Ende der entsprechenden Beschäftigungszeit erworben wird, nicht den Schluss zulässt, dass die Rechtsposition des Arbeitnehmers als endgültig erworben anzusehen ist. Insoweit ist festzustellen, dass sich der Arbeitnehmer erst später und unter Berücksichtigung der maßgeblichen Dienstzeiten tatsächlich auf diesen Anspruch berufen kann, um die Zahlung seiner Altersrente zu erwirken.

36      Daher ist unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, in denen sich die Entstehung von Rentenansprüchen auf Zeiträume sowohl vor als auch nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 97/81 erstreckt, davon auszugehen, dass für die Ermittlung dieser Ansprüche auch hinsichtlich der vor dem Inkrafttreten der Richtlinie zurückgelegten Dienstzeiten die Bestimmungen der Richtlinie gelten.

37      Diese Situation unterscheidet sich insoweit von der – von der Regierung des Vereinigten Königreichs zur Stützung ihres Vorbringens angeführten – Situation der Kollegen des Klägers des Ausgangsverfahrens, die vor Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 97/81 in den Ruhestand traten.

38      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Richtlinie 97/81 dahin auszulegen ist, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die vor Ablauf der Frist für ihre Umsetzung zurückgelegten Dienstzeiten bei der Ermittlung der Ansprüche auf Altersrente zu berücksichtigen sind.

 Kosten

39      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Die Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit ist in der durch die Richtlinie 98/23/EG des Rates vom 7. April 1998 geänderten Fassung dahin auszulegen, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die vor Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 97/81 in der durch die Richtlinie 98/23 geänderten Fassung zurückgelegten Dienstzeiten bei der Ermittlung der Ansprüche auf Altersrente zu berücksichtigen sind.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.