Language of document : ECLI:EU:C:2016:977

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

21. Dezember 2016(1)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Richtlinie 2000/78/EG – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Art. 2 Abs. 1 und 2 –Diskriminierung wegen des Alters – Kollektivvertrag – Verlängerung des Vorrückungszeitraums von der ersten in die zweite Bezugsstufe – Mittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters“

In der Rechtssache C‑539/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 24. September 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Oktober 2015, in dem Verfahren

Daniel Bowman

gegen

Pensionsversicherungsanstalt


erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter A. Arabadjiev (Berichterstatter) und S. Rodin,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Bowman, vertreten durch Rechtsanwalt P. Ringhofer,

–        der Pensionsversicherungsanstalt, vertreten durch die Rechtsanwälte J. Milchram, A. Ehm und T. Mödlagl,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und D. Martin als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 21 und 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie von Art. 2 Abs. 1 und 2 und von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Daniel Bowman und der Pensionsversicherungsanstalt wegen einer von dieser getroffenen Entscheidung, die auf eine kollektivvertragliche Regelung gestützt wurde, wonach zwischen der ersten und der zweiten Bezugsstufe ein längerer Vorrückungszeitraum vorgesehen ist als zwischen den folgenden Bezugsstufen.

 Rechtlicher Rahmen

 Richtlinie 2000/78

3        Nach ihrem Art. 1 ist Zweck der Richtlinie 2000/78 „die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten“.

4        Art. 2 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)      Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2)      Im Sinne des Absatzes 1

a)      liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b)      liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

i)      [D]iese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich …

…“

5        Art. 6 („Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters“) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

a)      die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;

b)      die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;

…“

 Österreichisches Recht

6        Vor der 80. Änderung sah der betreffende Kollektivvertrag, die Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (im Folgenden: DO.A), vor:

„§ 13 Anrechenbare Dienstzeit für die Einstufung in das Gehaltsschema

(1)      Für die Einstufung in das Gehaltsschema (§ 40) sind nachstehende, nach Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegte Dienstzeiten anzurechnen:

§ 40 Einstufung in das Gehaltsschema, Vorrückung

(1)       Die Angestellten sind … in die Bezugsstufe 1 der nach den Bestimmungen der §§ 37 bis 39 gebührenden Gehaltsgruppe (Dienstklasse) einzustufen. Sind Dienstzeiten gemäß § 13 anzurechnen, ist Abs 3 für die Einstufung sinngemäß anzuwenden.

(2)       … Die in den Bezugsstufen a bis c vor Vollendung des 18. Lebensjahres zugebrachten Zeiten gelten nicht als für die Einstufung in das Gehaltsschema anrechenbare Dienstzeiten. …

(3)       Der Angestellte rückt … nach Vollendung von je zwei Dienstjahren in die nächsthöhere Bezugsstufe seiner Gehaltsgruppe (Dienstklasse) vor (Zeitvorrückung).

…“

7        Diese Bestimmungen sehen in der Fassung der 80. Änderung der DO.A, mit der auch eine Übergangsbestimmung für vor dem 1. Januar 2011 eingestellte Bedienstete eingeführt wurde, Folgendes vor:

„§ 13 Anrechenbare Dienstzeit für die Einstufung in das Gehaltsschema

(1)      Für die Einstufung in das Gehaltsschema (§ 40) sind nachstehende, nach dem 30. Juni des Jahres, in dem nach der Aufnahme in die erste Schulstufe neun Schuljahre absolviert worden sind oder worden wären, zurückgelegte Dienstzeiten anzurechnen:


(2) a. bis zum Höchstausmaß von zusammen drei Jahren

b)      die über die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht hinausgehende Zeit eines Studiums an einer … Schule, in dem für dieses Studium nach den schulrechtlichen Vorschriften geltenden Mindestausmaß, höchstens jedoch im Ausmaß von drei Jahren;

§ 40 Einstufung in das Gehaltsschema, Vorrückung

(1)      Die Angestellten sind in die Bezugsstufe 1 der … gebührenden Gehaltsgruppe (Dienstklasse) einzustufen. Sind Dienstzeiten gemäß § 13 anzurechnen, ist Abs 3 für die Einstufung sinngemäß anzuwenden.

(3)      ln der Bezugsstufe 1 verbleibt der/die Angestellte fünf Jahre, von der folgenden Bezugsstufe an rückt er/sie nach Vollendung von je zwei Dienstjahren in die nächsthöhere Bezugsstufe seiner Gehaltsgruppe (Dienstklasse) vor (Zeitvorrückung).

…“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

8        Herr Bowman, geboren am 28. Juli 1961, steht seit dem 1. April 1988 in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zur Pensionsversicherungsanstalt. Auf das Arbeitsverhältnis gelangt ein Kollektivvertrag, die DO.A, zur Anwendung. Sein Gehalt beruht auf der bei seiner Einstellung erfolgten Einstufung, ohne dass zu diesem Zeitpunkt absolvierte Schulzeiten angerechnet worden wären. Herr Bowman ist seither nach den Bestimmungen der DO.A alle zwei Jahre in eine höhere Bezugsstufe vorgerückt, und seine Bezüge wurden dieser Vorrückung entsprechend erhöht.

9        Vor der 80. Änderung sah § 40 Abs. 2 DO.A in Bezug auf Verwaltungsangestellte, die zum Zeitpunkt ihrer Einstellung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, vor, dass sie vor Vollendung des 16. Lebensjahrs in die Bezugsstufe a, vor Vollendung des 17. Lebensjahrs in die Bezugsstufe b und vor Vollendung des 18. Lebensjahrs in die Bezugsstufe c der nach den Bestimmungen des § 37 DO.A gebührenden Gehaltsgruppe (Dienstklasse) einzustufen waren. Erst nach Vollendung des 18. Lebensjahrs erfolgte eine Einstufung in die erste Bezugsstufe, in die auch jeder Angestellte der Pensionsversicherungsanstalt einzustufen war, der nach der Vollendung des 18. Lebensjahrs eingestellt wurde, aber ohne dass Beschäftigungszeiten gleichzuhaltende Vordienstzeiten geltend gemacht werden konnten. Somit konnten keine Schulzeiten berücksichtigt werden. Außerdem war das Gehalt der Bezugsstufen a, b und c deutlich geringer als jenes der Bezugsstufe 1. Ein und dieselbe Tätigkeit wurde daher unterschiedlich entlohnt, je nachdem in welchem Lebensalter die Tätigkeit ausgeübt wurde.

10      Mit der 80. Änderung der DO.A wurden § 40 Abs. 2 ersatzlos aufgehoben und somit die Bezugsstufen a, b und c gestrichen. Die Einstufung sämtlicher Bediensteten der Pensionsversicherungsanstalt ohne anrechenbare Vorzeiten erfolgt seit dieser Änderung unabhängig von deren Alter beim Diensteintritt. Sie werden direkt in die erste Bezugsstufe eingestuft. Das für die jeweilige erste Bezugsstufe der jeweiligen Gehaltsgruppe vorgesehene Entgelt blieb durch die Neuregelung unverändert, so dass sämtliche Bediensteten unter 18 Jahren eine deutliche Gehaltserhöhung erhielten, welche je nach Gehaltsgruppe zwischen 100 und 200 Euro monatlich betrug.

11      Für die Vorrückung in die zweite Bezugsstufe ist seit der 80. Änderung der DO.A eine Dienstzeit von fünf Jahren erforderlich. Danach erfolgen Vorrückungen in die nächsten Bezugsstufen nach jeweils einer Dienstzeit von zwei Jahren. Mit der 18. Bezugsstufe endet die zweijährige Zeitvorrückung, der Vorrückungszeitraum wird auf vier Jahre ausgedehnt. Nach dieser sogenannten „Dienstalterszulage“ sind keine weiteren Vorrückungen mehr vorgesehen.

12      Herr Bowman erwarb vor Beginn seines Arbeitsverhältnisses bei der Pensionsversicherungsanstalt vom 1. September 1976 bis zum 30. Juni 1979 Schulzeiten im Ausmaß von zwei Jahren und zehn Monaten an einem österreichischen Bundesgymnasium. Nachdem durch die 80. Änderung der DO.A die Berücksichtigung von Schulzeiten ermöglicht worden war, stellte Herr Bowman am 17. Mai 2012 einen Antrag auf Neufestsetzung von Vordienstzeiten für den Vorrückungstermin gemäß § 13 DO.A in der Fassung ihrer 80. Änderung. Er verlangte in der Folge von der Pensionsversicherungsanstalt die Zahlung von 3 655,20 Euro brutto zuzüglich Zinsen und Kosten, die künftige Zahlung von Bezügen in jener Höhe, die sich ausgehend von einer Einstufung in Gehaltsgruppe F, Dienstklasse I, Bezugsstufe 17, ergibt, und die Festsetzung seiner nächsten Vorrückung auf den l. Oktober 2012.

13      Am 27. Mai 2012 stellte die Pensionsversicherungsanstalt fest, dass nach der DO.A in der Fassung ihrer 80. Änderung gegenüber der seinerzeitigen Dienstzeitfeststellung von Herrn Bowman zusätzlich höchstens drei Jahre angerechnet werden könnten, bei ihm aber keine Verbesserung bei der Einstufung bzw. beim Zeitvorrückungstermin eintrete, weil seit der Neuregelung die Vorrückung in die zweite Bezugsstufe statt wie bisher nach zwei Jahren erst nach fünf Jahren erfolge.

14      Das Arbeits- und Sozialgericht Wien (Österreich) gab der von Herrn Bowman gegen diese Entscheidung der Pensionsversicherungsanstalt erhobenen Klage statt. Es hielt die Verlängerung des Vorrückungszeitraums von der ersten in die zweite Bezugsstufe für eine mittelbare Diskriminierung des Klägers wegen des Alters.

15      Das Oberlandesgericht Wien (Österreich) gab der von der Pensionsversicherungsanstalt gegen dieses Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien erhobenen Berufung statt. Es stellte u. a. fest, dass die Möglichkeit zur Anrechnung von Schulzeiten allgemein mit der 80. Änderung der DO.A. eingeführt worden sei, zur gleichen Zeit wie die Maßnahme zur Verlängerung des Vorrückungszeitraums von der ersten in die zweite Bezugsstufe des durch diesen Kollektivvertrag festgelegten Gehaltsschemas, und dass Herr Bowman sowohl vor als auch nach dieser Änderung genauso behandelt worden sei wie die anderen Dienstnehmer, so dass er nicht wegen des Alters diskriminiert worden sei.

16      Herr Bowman erhob gegen diese Entscheidung Revision an das vorlegende Gericht, den Obersten Gerichtshof (Österreich). Dieser fragt sich, ob die Verlängerung des Vorrückungszeitraums von der ersten in die zweite Bezugsstufe des durch die DO.A festgelegten Gehaltsschemas eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters darstellt. Er weist u. a. darauf hin, dass die 80. Änderung der DO.A keine bestehende Ungleichbehandlung beseitigen, sondern durch die Anrechnung von Vordienstzeiten eine Aufwertung der Karriere ermöglichen sollte. Selbst wenn die Verlängerung des Vorrückungszeitraums von der ersten in die zweite Bezugsstufe eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters darstellen sollte, könnte sie trotzdem gerechtfertigt sein.

17      Unter diesen Umständen hat der Oberste Gerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 21 der Charta in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und 2 sowie Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 – auch unter Berücksichtigung des Art. 28 der Charta – dahin auszulegen, dass

a)      eine kollektivvertragliche Regelung, die für Beschäftigungszeiten am Beginn der Karriere einen längeren Vorrückungszeitraum vorsieht und die Vorrückung in die nächste Bezugsstufe daher erschwert, eine mittelbare Ungleichbehandlung aus Gründen des Alters darstellt,

b)      und im Fall der Bejahung dahin, dass eine solche Regelung insbesondere mit Rücksicht auf die geringe Berufserfahrung am Beginn der Karriere angemessen und erforderlich ist?

 Zur Vorlagefrage

18      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 21 der Charta sowie Art. 2 Abs. 1 und 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen sind, dass sie einem nationalen Kollektivvertrag wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, nach dem für einen Bediensteten, der für die Zwecke seiner Einstufung in die Bezugsstufen von der Anrechnung von Schulzeiten profitiert, für die Vorrückung von der ersten in die zweite Bezugsstufe ein längerer Zeitraum gilt als zwischen den folgenden Bezugsstufen.

19      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten und die Sozialpartner, wenn sie Maßnahmen treffen, die in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fallen, mit der für den Bereich der Beschäftigung und des Berufs das nunmehr in Art. 21 der Charta verankerte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters konkretisiert wird, unter Beachtung dieser Richtlinie vorgehen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. September 2011, Prigge u. a., C‑447/09, EU:C:2011:573, Rn. 48, und vom 11. November 2014, Schmitzer, C‑530/13, EU:C:2014:2359, Rn. 23).

20      Zunächst ist also zu prüfen, ob ein Kollektivvertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine Ungleichbehandlung wegen des Alters im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2000/78 bewirkt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nach dem Wortlaut dieser Vorschrift bedeutet, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Art. 1 dieser Richtlinie genannten Gründe geben darf. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie stellt klar, dass eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne des Abs. 1 vorliegt, wenn eine Person wegen eines der in Art. 1 der Richtlinie genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt. Eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne der Richtlinie 2000/78 liegt gemäß ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. b vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen eines bestimmten Alters gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

21      Was die Schulzeiten betrifft, um die es im Ausgangsverfahren geht, ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss, dass die durch die 80. Änderung der DO.A eingeführte Regelung im Unterschied zu der vorherigen die Anrechnung von Schulzeiten ermöglicht, soweit sie über die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht in dem für dieses Studium nach den schulrechtlichen Vorschriften geltenden Mindestausmaß hinausgehen, höchstens jedoch im Ausmaß von drei Jahren.

22      Im Übrigen wurde zwar der Vorrückungszeitraum von der ersten in die zweite Bezugsstufe infolge der 80. Änderung der DO.A um drei Jahre verlängert, die Vorrückung im Gehaltsschema erfolgt jedoch weiterhin nach den zurückgelegten Dienstjahren.

23      Folglich bewirkt, wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, ein Kollektivvertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, nach dem für Bedienstete, die für die Zwecke ihrer Einstufung in die Bezugsstufen von der Anrechnung von Schulzeiten profitieren, in der ersten Bezugsstufe eine längere Vorrückungszeit gilt als in den höheren Bezugsstufen, ihnen gegenüber keine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters.

24      Was die Frage betrifft, ob ein solcher Kollektivvertrag – wie das vorlegende Gericht nahelegt – zu einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Alters führt, ist zu prüfen, ob er trotz seiner neutralen Formulierung in Wirklichkeit eine viel größere Zahl von Personen eines bestimmten Alters oder einer bestimmten Altersgruppe benachteiligt.

25      Im vorliegenden Fall führt die 80. Änderung der DO.A dazu, dass jede Vorrückung in die zweite Bezugsstufe die Zurücklegung einer Dienstzeit von fünf Jahren erfordert, während die Vorrückungen ab dieser Bezugsstufe nach einer jeweils zweijährigen Dienstzeit erfolgen.

26      Dazu ist festzustellen, dass sich das vorlegende Gericht auf die Prämisse stützt, dass die Einführung eines längeren Vorrückungszeitraums von der ersten in die zweite Bezugsstufe als des für die Vorrückung in die folgenden Bezugsstufen geltenden hauptsächlich die von der Pensionsversicherungsanstalt neu eingestellten Arbeitnehmer betreffe, die sich für ihre Einstufung in die Bezugsstufen nicht mit Erfolg auf Vordienstzeiten berufen könnten. Die Gruppe der Arbeitnehmer, deren Gehalt niedriger sei, werde hauptsächlich durch jüngere Personen gebildet, so dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die durch die 80. Änderung der DO.A eingeführte Regelung jüngere Arbeitnehmer in Bezug auf das Entgelt benachteilige.

27      Es ist jedoch festzustellen, dass das Vorliegen einer mittelbaren Ungleichbehandlung wegen des Alters im vorliegenden Fall nicht allein auf dieser Feststellung beruhen kann.

28      Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten geht nämlich zum einen hervor, dass die durch die 80. Änderung der DO.A eingeführte Regelung vorsieht, dass sich die Einstufung der Bediensteten der Pensionsversicherungsanstalt in die Bezugsstufen, wie aus Rn. 21 des vorliegenden Urteils hervorgeht, u. a. aus den absolvierten Schulzeiten ergibt. Bei dieser Einstufung können diese Schulzeiten unabhängig vom Alter des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Einstellung berücksichtigt werden. Eine solche Regelung beruht daher auf einem Kriterium, das weder untrennbar mit dem Alter der Arbeitnehmer verbunden ist noch mittelbar daran anknüpft (vgl. entsprechend Urteil vom 7. Juni 2012, Tyrolean Airways Tiroler Luftfahrt Gesellschaft, C‑132/11, EU:C:2012:329, Rn. 29).

29      Zum anderen ist festzustellen, dass die Situation von Herrn Bowman, die das vorlegende Gericht dennoch veranlasst hat, die Vorlagefrage zu stellen, nicht der Situation eines Arbeitnehmers zu entsprechen scheint, der erst begonnen hat, Berufserfahrung zu sammeln, und sich nicht auf einschlägige Dienstzeiten berufen kann, da er, wie aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervorgeht, Schulzeiten und fast 30 Dienstjahre bei der Pensionsversicherungsanstalt nachweisen kann.

30      Mithin wird zwar auf einen jungen, neu eingestellten Arbeitnehmer, der nur über wenig Erfahrung verfügt und die Anrechnung seiner Schulzeiten für die Einstufung in das Gehaltsschema beantragt, konkret eine Verlängerung der Vorrückungszeit in der ersten Bezugsstufe angewandt, doch wird – wie die Situation von Herrn Bowman zeigt – dieselbe Verlängerung auch und auf gleicher Grundlage bei einem älteren Arbeitnehmer, virtuell oder rückwirkend, angewandt, der erhebliche Dienstzeiten bei der Pensionsversicherungsanstalt nachweisen kann und den gleichen Antrag stellt.

31      Wie aus der Antwort der Pensionsversicherungsanstalt auf eine schriftliche Frage des Gerichtshofs hervorgeht, ist nämlich der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Kollektivvertrag insoweit, als er die Anrechnung von Schulzeiten und die Verlängerung des Vorrückungszeitraums in der ersten Bezugsstufe des Gehaltsschemas vorsieht, auf alle Arbeitnehmer, die einen Antrag auf eine solche Anrechnung stellen, in gleicher Weise anzuwenden, und auch rückwirkend auf Arbeitnehmer, die bereits höhere Bezugsstufen erreicht haben.

32      Daraus folgt, dass ein Kollektivvertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, nach dem für alle Arbeitnehmer, die für die Zwecke ihrer Einstufung in das Gehaltsschema von der Anrechnung von Schulzeiten profitieren, in der ersten Bezugsstufe eine längere Vorrückungszeit gilt als in den höheren Bezugsstufen, ihnen gegenüber keine mittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters bewirkt.

33      Auf die Vorlagefrage ist daher zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen ist, dass er einem nationalen Kollektivvertrag wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, nach dem für einen Arbeitnehmer, der für die Zwecke seiner Einstufung in die Bezugsstufen von der Anrechnung von Schulzeiten profitiert, eine Verlängerung des Vorrückungszeitraums von der ersten in die zweite Bezugsstufe gilt, da diese Verlängerung auf alle Arbeitnehmer anzuwenden ist, die von der Anrechnung von Schulzeiten profitieren, und auch rückwirkend auf diejenigen, die bereits höhere Bezugsstufen erreicht haben.

 Kosten

34      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 2 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass er einem nationalen Kollektivvertrag wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, nach dem für einen Arbeitnehmer, der für die Zwecke seiner Einstufung in die Bezugsstufen von der Anrechnung von Schulzeiten profitiert, eine Verlängerung des Vorrückungszeitraums von der ersten in die zweite Bezugsstufe gilt, da diese Verlängerung auf alle Arbeitnehmer anzuwenden ist, die von der Anrechnung von Schulzeiten profitieren, und auch rückwirkend auf diejenigen, die bereits höhere Bezugsstufen erreicht haben.



Regan

Arabadjiev

Rodin

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Dezember 2016.

Der Kanzler

 

      Der Präsident der Sechsten Kammer

A. Calot Escobar

 

      E. Regan


1* Verfahrenssprache: Deutsch.