Language of document : ECLI:EU:C:2015:344

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MELCHIOR WATHELET

vom 21. Mai 2015(1)

Rechtssache C‑137/14

Europäische Kommission

gegen

Bundesrepublik Deutschland

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 2011/92/EU – Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten – Art. 11 – Richtlinie 2010/75/EU – Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) – Art. 25 – Zugang zu Gerichten“





 Einführung

1.        Mit ihrer Klage vom 21. März 2014 beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten(2) und Art. 25 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung)(3) verstoßen hat.

2.        Wie in den Rechtssachen, in denen die Urteile Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289) und Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712) ergangen sind, betrifft die vorliegende Rechtssache den Zugang zu Gerichten, konkreter, die Tragweite des Rechts, vor einem Gericht oder einer anderen unabhängigen und unparteiischen Stelle die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen betreffend die Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren im Umweltbereich anzufechten.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

3.        Art. 11 der Richtlinie 2011/92 sieht Folgendes vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die

a)      ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ

b)      eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.

(2)      Die Mitgliedstaaten legen fest, in welchem Verfahrensstadium die Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen angefochten werden können.

(3)      Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weitreichenden Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation, welche die in Artikel 1 Absatz 2 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne von Absatz 1 Buchstabe a dieses Artikels. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die – im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b dieses Artikels – verletzt werden können.

(4)      Dieser Artikel schließt die Möglichkeit eines vorangehenden Überprüfungsverfahrens bei einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis einer Ausschöpfung der verwaltungsbehördlichen Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.

Die betreffenden Verfahren werden fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer durchgeführt.

(5)      Um die Effektivität dieses Artikels zu fördern, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Öffentlichkeit praktische Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zugänglich gemacht werden.“

4.        Art. 24 der Richtlinie 2010/75 lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig und in effektiver Weise die Möglichkeit erhält, sich an folgenden Verfahren zu beteiligen:

a)      Erteilung einer Genehmigung für neue Anlagen;

b)      Erteilung einer Genehmigung für wesentliche Änderungen;

c)      Erteilung oder Aktualisierung einer Genehmigung für eine Anlage, für die die Anwendung von Artikel 15 Absatz 4 vorgeschlagen wird;

d)      Aktualisierung der Genehmigung oder der Genehmigungsauflagen für eine Anlage im Einklang mit Artikel 21 Absatz 5 Buchstabe a.

(2)      Wurde eine Entscheidung über die Erteilung, Überprüfung oder Aktualisierung einer Genehmigung getroffen, so macht die zuständige Behörde der Öffentlichkeit – in Bezug auf die Buchstaben a, b und f auch über das Internet – folgende Informationen zugänglich:

a)      den Inhalt der Entscheidung einschließlich einer Kopie der Genehmigung sowie späterer Aktualisierungen;

b)      die Gründe, auf denen die Entscheidung beruht;

c)      die Ergebnisse der vor der Entscheidung durchgeführten Konsultationen und ihre Berücksichtigung im Rahmen der Entscheidung;

d)      die Bezeichnung des für die betreffende Anlage oder Tätigkeit maßgeblichen BVT‑Merkblatts;

e)      Angaben zur Festlegung der in Artikel 14 genannten Genehmigungsauflagen einschließlich der Emissionsgrenzwerte in Bezug zu den besten verfügbaren Techniken und mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerten;

f)      im Falle der Gewährung einer Ausnahme gemäß Artikel 15 Absatz 4 die genauen Gründe für die Gewährung der Ausnahme nach den Kriterien des genannten Absatzes und die damit verbundenen Auflagen;

(3)      Die zuständige Behörde macht der Öffentlichkeit ferner Folgendes – zumindest in Bezug auf Buchstabe a auch über das Internet – zugänglich:

a)      relevante Informationen zu den vom Betreiber bei der endgültigen Einstellung der Tätigkeiten getroffenen Maßnahmen gemäß Artikel 22;

b)      die Ergebnisse der entsprechend den Genehmigungsauflagen erforderlichen Überwachung der Emissionen, die bei der zuständigen Behörde vorliegen.

(4)      Die Absätze 1, 2 und 3 dieses Artikels gelten vorbehaltlich der Einschränkungen in Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 2003/4/EG.“

5.        Art. 25 der Richtlinie 2010/75 bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen gemäß Artikel 24 anzufechten, sofern die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)      Sie haben ein ausreichendes Interesse;

b)      sie machen eine Rechtsverletzung geltend, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert.

(2)      Die Mitgliedstaaten legen fest, in welchem Verfahrensstadium die Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen angefochten werden können.

(3)      Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weitreichenden Zugang zu Gerichten zu gewähren.

Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation, die sich für den Umweltschutz einsetzt und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne von Absatz 1 Buchstabe a.

Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die – im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b – verletzt werden können.

(4)      Die Absätze 1, 2 und 3 schließen die Möglichkeit eines vorangehenden Überprüfungsverfahrens bei einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lassen das Erfordernis einer Ausschöpfung der verwaltungsbehördlichen Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.

Die betreffenden Verfahren werden fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer durchgeführt.

(5)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Öffentlichkeit praktische Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zugänglich gemacht werden.“

6.        Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 spiegeln die in Art. 9 Abs. 2 des durch den Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. L 124, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigten Übereinkommens vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (im Folgenden: Übereinkommen von Århus)(4) aufgestellten Anforderungen wider.

7.        Die Europäische Gemeinschaft hat das Übereinkommen von Århus am 25. Juni 1998 unterzeichnet und am 17. Februar 2005 ratifiziert. Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens von Århus sieht Bestimmungen über den Zugang zu gerichtlichen oder anderen Verfahren zwecks Anfechtung der materiell- und verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen in Fällen vor, in denen gemäß Art. 6 des Übereinkommens eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist.

8.        Zur Angleichung des Unionsrechts an das Übereinkommen von Århus wurde vor der Ratifikation des Übereinkommens durch die Gemeinschaft die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten(5) erlassen. Mit ihr wurden zum einen die Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten(6) durch Einfügung eines Art. 10a und zum anderen die Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung(7) durch Einfügung eines Art. 15a geändert, um sie mit Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens von Århus in Einklang zu bringen.

9.        Nach Art. 6 der Richtlinie 2003/35 müssen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft setzen, um der Richtlinie ab dem 25. Juni 2005 nachzukommen.

10.      Die Richtlinie 85/337 wurde durch die Richtlinie 2011/92 aufgehoben, kodifiziert und ersetzt. Die Richtlinie 96/61 wurde durch die Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung(8) aufgehoben, kodifiziert und ersetzt, die ihrerseits später durch die Richtlinie 2010/75 aufgehoben wurde. Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 haben in Bezug auf ihre Wirkungen denselben Inhalt wie Art. 10a der Richtlinie 85/337 und Art. 15a der Richtlinie 96/61. Die Frist zur Umsetzung von Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 blieb auf den 25. Juni 2005 festgesetzt.

B –    Deutsches Recht

11.      In den nachfolgenden Nummern werden die einschlägigen Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) genannt.

12.      § 42 VwGO lautet:

„(1)       Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2)       Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.“

13.      § 113 VwGO bestimmt :

„(1)      Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. …“

14.      Im vorliegenden Fall sind die in den nachfolgenden Nummern genannten Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) einschlägig.

15.      § 44 VwVfG lautet:

„(1)       Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

(2)       Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.       der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt;

2.       der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt;

3.       den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein;

4.       den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann;

5.       der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht;

6.       der gegen die guten Sitten verstößt.

      …“

16.      § 46 VwVfG bestimmt:

„Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.“

17.      § 73 VwVfG sieht vor:

„(1)       Der Träger des Vorhabens hat den Plan der Anhörungsbehörde zur Durchführung des Anhörungsverfahrens einzureichen.

(2)       Innerhalb eines Monats nach Zugang des vollständigen Plans fordert die Anhörungsbehörde die Behörden, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird, zur Stellungnahme auf und veranlasst, dass der Plan in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirken wird, ausgelegt wird.

(3)       Die Gemeinden nach Absatz 2 haben den Plan innerhalb von drei Wochen nach Zugang für die Dauer eines Monats zur Einsicht auszulegen. Auf eine Auslegung kann verzichtet werden, wenn der Kreis der Betroffenen und die Vereinigungen nach Absatz 4 Satz 5 bekannt sind und ihnen innerhalb angemessener Frist Gelegenheit gegeben wird, den Plan einzusehen.

(4)       Jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, kann bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist schriftlich oder zur Niederschrift bei der Anhörungsbehörde oder bei der Gemeinde Einwendungen gegen den Plan erheben. Im Falle des Absatzes 3 Satz 2 bestimmt die Anhörungsbehörde die Einwendungsfrist. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Hierauf ist in der Bekanntmachung der Auslegung oder bei der Bekanntgabe der Einwendungsfrist hinzuweisen. …

…“

18.      Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz vom 7. Dezember 2006, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (im Folgenden: UmwRG), findet nach seinem § 1 Abs. 1 Satz 1 Anwendung für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach dem UVPG eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann.

19.      Die einschlägigen Bestimmungen dieses Gesetzes sind in den nachfolgenden Nummern wiedergegeben.

20.      § 2 UmwRG sieht vor:

„(1)      Eine … anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung kann, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung

1.      geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht,

2.      geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein, und

3.      zur Beteiligung in einem Verfahren nach § 1 Absatz 1 Satz 1 berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.

(2)      Eine Vereinigung, die nicht … anerkannt ist, kann einen Rechtsbehelf nach Absatz 1 nur dann einlegen, wenn

1.      sie bei Einlegung des Rechtsbehelfs die Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllt,

2.      sie einen Antrag auf Anerkennung gestellt hat und

3.      über eine Anerkennung aus Gründen, die von der Vereinigung nicht zu vertreten sind, noch nicht entschieden ist.

(3)      Hat die Vereinigung im Verfahren nach § 1 Absatz 1 Gelegenheit zur Äußerung gehabt, ist sie im Verfahren über den Rechtsbehelf mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die sie im Verfahren nach § 1 Absatz 1 nicht oder nach den geltenden Rechtsvorschriften nicht rechtzeitig geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können.

(4)      Ist eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 nach den geltenden Rechtsvorschriften weder öffentlich bekannt gemacht noch der Vereinigung bekannt gegeben worden, müssen Widerspruch oder Klage binnen eines Jahres erhoben werden, nachdem die Vereinigung von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können. …

(5)      Rechtsbehelfe nach Absatz 1 sind begründet,

1.      soweit die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen gegen Rechtsvorschriften verstößt, die dem Umweltschutz dienen und für die Entscheidung von Bedeutung sind,

2.      bei Rechtsbehelfen in Bezug auf Bebauungspläne, soweit die Festsetzungen des Bebauungsplans, die die Zulässigkeit eines UVP-pflichtigen Vorhabens begründen, gegen Rechtsvorschriften verstoßen, die dem Umweltschutz dienen,

und der Verstoß Belange des Umweltschutzes berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert. Bei Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Nr. 1 muss zudem eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen.“

21.      § 4 UmwRG bestimmt:

„(1)      Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 kann verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des [UVPG]

1. erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder

2. erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit

nicht durchgeführt worden und nicht nachgeholt worden ist. …

(3)      Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nummer 1 und 2 [VwGO].“

22.      § 5 UmwRG lautet:

„(1)      Dieses Gesetz gilt für Verfahren nach § 1 Absatz 1 Satz 1, die nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden sind oder hätten eingeleitet werden müssen; Halbsatz 1 findet keine Anwendung auf Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1, die vor dem 15. Dezember 2006 Bestandskraft erlangt haben.

(3)      Bereits begonnene Anerkennungsverfahren, die auf dieses Gesetz gestützt werden, sind nach den bis zum 28. Februar 2010 geltenden Rechtsvorschriften vom Umweltbundesamt zu Ende zu führen.

(4)      Entscheidungsverfahren nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Genehmigungsverfahren nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder Rechtsbehelfsverfahren nach § 2, die am 12. Mai 2011 anhängig waren oder nach diesem Tag eingeleitet worden sind und die am 29. Januar 2013 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen worden sind, sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes in der ab dem 29. Januar 2013 geltenden Fassung zu Ende zu führen. Abweichend von Satz 1 findet § 4a Absatz 1 nur auf gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren Anwendung, die ab dem 29. Januar 2013 eingeleitet worden sind.“

II – Vorverfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof

23.      Am 18. Dezember 2006 ging bei der Kommission eine Beschwerde ein, in der geltend gemacht wurde, dass Art. 10a der Richtlinie 85/337, jetzt Art. 11 der Richtlinie 2011/92, und Art. 15a der Richtlinie 96/61, jetzt Art. 25 der Richtlinie 2010/75, durch § 2 UmwRG nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden seien.

24.      Auf diese Beschwerde hin richtete die Kommission am 1. Oktober 2012 ein Mahnschreiben an die Bundesrepublik Deutschland wegen Verstoßes gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75. Die Bundesrepublik Deutschland beantwortete dieses Mahnschreiben mit Schreiben vom 30. November 2012. Am 26. April 2013 übermittelte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland eine mit Gründen versehene Stellungnahme, auf die diese am 10. Juli 2013 antwortete.

25.      Die Kommission hat am 21. März 2014 die vorliegende Klage erhoben.

26.      Mit ihrer Klage beantragt die Kommission, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 verstoßen hat, dass sie

–        die Bestimmungen der Richtlinie 2011/92 grundsätzlich als keine subjektiven Rechte verleihend ansieht und damit deren gerichtliche Geltendmachung durch Einzelpersonen weitgehend ausschließt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO);

–        die Aufhebung von Entscheidungen aufgrund von Verfahrensfehlern auf das vollständige Fehlen einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung oder das Fehlen einer erforderlichen Vorprüfung (§ 4 Abs. 1 UmwRG) und auf Fälle, in denen der Kläger nachweist, dass der Verfahrensfehler für das Ergebnis der Entscheidung kausal war (§ 46 VwVfG) und eine Rechtsposition des Klägers betroffen ist, beschränkt;

–        die Klagebefugnis und den gerichtlichen Prüfumfang auf Einwendungen beschränkt, die bereits innerhalb der Einwendungsfrist im Verwaltungsverfahren, das zur Annahme der Entscheidung geführt hat, eingebracht wurden (§ 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 VwVfG);

–        in Verfahren, die nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet und vor dem 12. Mai 2011 abgeschlossen wurden, die Klagebefugnis von Umweltvereinigungen auf Rechtsvorschriften beschränkt, die Rechte Einzelner begründen (§ 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 4 UmwRG);

–        in Verfahren, die nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet und vor dem 12. Mai 2011 abgeschlossen wurden, den Umfang der gerichtlichen Prüfung von Rechtsbehelfen von Umweltvereinigungen auf Rechtsvorschriften, die Rechte Einzelner begründen, beschränkt (§ 2 Abs. 1 UmwRG alte Fassung in Verbindung mit § 5 Abs. 4 UmwRG);

–        allgemein Verwaltungsverfahren, die vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet wurden, vom Geltungsbereich des UmwRG ausnimmt (§ 5 Abs. 1 UmwRG).

27.      Die Bundesrepublik Deutschland beantragt, die Klage der Kommission abzuweisen und dieser die Kosten aufzuerlegen.

28.      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 13. August 2014 ist die Republik Österreich als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Bundesrepublik Deutschland zugelassen worden. Die Republik Österreich beantragt, die Klage abzuweisen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

29.      In der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2015 haben die Kommission und die Bundesrepublik Deutschland mündliche Erklärungen abgegeben.

III – Zur Klage

A –    Zur ersten Rüge, mit der die durch § 113 Abs. 1 VwGO vorgegebene Beschränkung der gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen beanstandet wird

1.      Vorbringen der Parteien

30.      Die Kommission macht geltend, dass § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, da er die gerichtliche Überprüfung von Entscheidungen auf Vorschriften beschränke, die Rechte Einzelner begründeten, nicht mit Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 vereinbar sei. Sie verweist darauf, dass der Gerichtshof in Rn. 37 des Urteils Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289), und in Rn. 48 des Urteils Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712) ausgeführt habe, dass die betroffene Öffentlichkeit grundsätzlich jeden Verfahrensfehler geltend machen können müsse. Nach Ansicht der Kommission läuft die in Rede stehende Beschränkung wie auch die weiteren in der vorliegenden Klage angesprochenen Beschränkungen dem Ziel entgegen, im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 und 3 des Übereinkommens von Århus einen weiten Rechtsschutz zu gewähren.

31.      Die Bundesrepublik Deutschland trägt vor, dass der Gerichtshof im Urteil Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289, Rn. 45), festgestellt habe, dass es dem nationalen Gesetzgeber freistehe, die Rechte, deren Verletzung ein Einzelner im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, Handlung oder Unterlassung im Sinne von Art. 11 der Richtlinie 2011/92 geltend machen könne, zu beschränken. Sie weist hierzu darauf hin, dass nach § 42 Abs. 2 VwGO die Zulässigkeit einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage voraussetze, dass der Individualkläger geltend mache, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung „in seinen Rechten“ verletzt zu sein; einen allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch des Einzelnen kenne das Recht in Deutschland nicht.

32.      Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland sind die Art und der Umfang der Prüfung durch die nationalen Gerichte nicht Inhalt der Regelungen in Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75. Zudem habe sich der Gerichtshof zu diesen Fragen noch nicht umfassend geäußert und verfügten die Mitgliedstaaten im Bereich der Gerichtsbarkeit über einen Regelungsspielraum. Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 enthielten keine detaillierten Anforderungen an den Prüfungsumfang des Rechtsschutzes, sondern lediglich die Vorgabe, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren zu schaffen, das die Anfechtung der materiell- und verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen und Unterlassungen ermögliche.

33.       Eine rechtliche Ausgestaltung wie in § 113 Abs. 1 VwGO, die eine Aufhebung der Genehmigungsentscheidung an die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte des Individualklägers knüpfe, vermeide Wertungswidersprüche bei der Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung. Wenn die Zulässigkeit der Klage – wie bei § 42 Abs. 2 VwGO – von der Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Rechten abhänge, sei dies Ausdruck einer Wertung, wonach bei Individualklagen auch nur solche Rechtsverstöße zu der vom Kläger gewünschten Rechtsfolge – Aufhebung der Genehmigung – führen könnten.

34.      Nach Ansicht der Republik Österreich können gemäß Art. 11 der Richtlinie 2011/92 die Mitgliedstaaten den Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren von der Voraussetzung entweder eines ausreichenden Interesses oder alternativ der Geltendmachung einer Rechtsverletzung, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordere, abhängig machen. Sowohl die nähere Ausgestaltung des für den Zugang zu einem Überprüfungsverfahren notwendigen Interesses als auch der „Rechtsverletzung“ sei dem innerstaatlichen Recht vorbehalten. Die Republik Österreich halte ausdrücklich fest, dass Art. 11 dieser Richtlinie ein Inhalt, wonach allen Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit, die ein rechtliches Interesse nachweisen könnten, Gerichtszugang gewährt werden müsse, nicht zukomme. Den Mitgliedstaaten stehe im Rahmen von Art. 11 der Richtlinie 2011/92 ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der auch eine Einschränkung der Klagebefugnis für Einzelne auf subjektiv-öffentliche Rechte(9) erlaube.

2.      Würdigung

a)      Zulässigkeit der vorliegenden Rüge

35.      Nach Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 38 § 1 Buchst. c seiner Verfahrensordnung obliegt es der Kommission, in jeder nach Art. 258 AEUV erhobenen Klage genau die Rügen anzugeben, über die der Gerichtshof entscheiden soll, und zumindest in gedrängter Form die rechtlichen und tatsächlichen Umstände darzulegen, auf die diese Rügen gestützt sind. Daraus folgt, dass die Klage der Kommission eine zusammenhängende und detaillierte Darlegung der Gründe enthalten muss, aus denen diese zu der Überzeugung gelangt ist, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen eine der ihm nach den Verträgen obliegenden Verpflichtungen verstoßen hat(10).

36.      Sowohl aus dem Vorbringen der Kommission als auch aus ihrem Antrag zur vorliegenden Rüge ergibt sich, dass diese konkret auf die Unvereinbarkeit von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 gerichtet ist. Zwar ist die Formulierung des diese Rüge betreffenden Antrags der Kommission nicht sehr glücklich, doch ist der Klageschrift eindeutig die Meinung der Kommission zu entnehmen, dass die gerichtliche Kontrolle von Verwaltungsakten nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO insoweit beschränkt sei, dass der Verwaltungsrichter eine rechtswidrige Handlung nur dann aufhebe, wenn sie den Kläger in seinen Rechten verletze, und dass diese Beschränkung gegen Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 verstoße.

37.      Darüber hinaus enthalten sowohl die Klagebeantwortung der Bundesrepublik Deutschland als auch der Streithilfeschriftsatz der Republik Österreich klare und präzise Aussagen zu dieser Rechtsfrage. Außerdem hat die Bundesrepublik Deutschland in der mündlichen Verhandlung betont, dass die in Rede stehende, durch § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgegebene Beschränkung einen Grundpfeiler des deutschen Verwaltungsrechts bilde und nicht gegen Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 verstoße, was bestätigt, dass sie die Tragweite der Rüge in vollem Umfang verstanden hat.

38.      Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass sowohl die Kommission als auch die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der vorliegenden Rüge auch Ausführungen zu § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG gemacht haben.

39.      Den Erklärungen der Bundesrepublik Deutschland ist zu entnehmen, dass in Anwendung dieser Bestimmungen das Unterbleiben einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung oder einer erforderlichen Vorprüfung des Einzelfalls hinsichtlich der Pflicht, eine solche durchzuführen, einen Verstoß darstellt, der auch bei Individualklagen unmittelbar zur Aufhebung der betreffenden Entscheidung führt. Diese Bestimmungen stellten daher eine Art lex specialis gegenüber § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 46 VwVfG insoweit dar, als sie – um in bestimmten konkreten Fällen Anlass zur Aufhebung eines Verwaltungsakts zu geben – weder verlangten, dass der Einzelne die Verletzung eines subjektiven Rechts dartue, noch, dass zwischen dem Verfahrensfehler und dem Ergebnis der angefochtenen Entscheidung ein Kausalzusammenhang bestehe. Sie milderten daher die Anforderungen von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 46 VwVfG ab.

40.      Die Kommission hält dem in ihrer Klageschrift und in ihrer mündlichen Erläuterung in der Sitzung entgegen, dass § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG von den Gerichten in Deutschland nicht in der von der Bundesrepublik Deutschland dargestellten Weise angewandt bzw. verstanden werde.

41.      Dies vorausgeschickt, gilt der die vorliegende Rüge betreffende Antrag der Kommission ausschließlich § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dementsprechend meine ich, dass sich die vorliegende Rüge nur auf die Tragweite von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO und nicht auf § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG bezieht. Soweit der Bundesrepublik Deutschland vorgeworfen wird, durch die Rechtsprechung zu § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG gegen Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 verstoßen zu haben, ist die erste Rüge folglich unzulässig.

42.      Ich werde daher meine Schlussanträge hinsichtlich der ersten Rüge auf § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO beschränken. Die zweite Rüge wird sich hingegen ausdrücklich auf die Vereinbarkeit von § 4 Abs. 1 UmwRG mit dem Unionsrecht erstrecken.

b)      Begründetheit

i)      Vorbemerkungen

43.      Es ist darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Rüge von natürlichen und juristischen Personen (im Folgenden: Einzelne) erhobene Klagen betrifft und nicht die von nichtstaatlichen Umweltorganisationen, die nach Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 über einen privilegierten Zugang zu den Gerichten verfügen(11).

44.      Nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2010/75 muss es möglich sein, Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen im Sinne der Richtlinie 2011/92 über die Öffentlichkeitsbeteiligung bzw. im Sinne von Art. 24 der Richtlinie 2010/75(12) zum Gegenstand eines Überprüfungsverfahrens vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle zu machen, um ihre „materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit … anzufechten“.

45.      Mangels unionsrechtlicher Vorschriften in diesem Bereich ist es Aufgabe der einzelnen Mitgliedstaaten, in der innerstaatlichen Rechtsordnung die Verfahrensmodalitäten der Rechtsbehelfe zu regeln, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sofern diese Modalitäten nach dem Äquivalenzgrundsatz nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechender innerstaatlicher Rechtsbehelfe und nach dem Effektivitätsgrundsatz die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren(13).

46.      Hinzu kommt, dass die betreffenden Bestimmungen des Unionsrechts im Licht der Ziele des Übereinkommens von Århus auszulegen sind, das die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die ein ausreichendes Interesse haben oder eine Rechtsverletzung geltend machen, an der Erhaltung, dem Schutz und der Verbesserung der Umweltqualität sowie am Schutz der menschlichen Gesundheit beteiligen wollte(14).

47.      Ersichtlich soll mit den betreffenden unionsrechtlichen Bestimmungen der betroffenen Öffentlichkeit ein weiter Zugang zu Gerichten gewährt werden. Dies ist ihr Leitgedanke und bildet somit eine wichtige Quelle für die Auslegung. Im Einklang mit den Schlussanträgen der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289, Nr. 70), bin ich der Meinung, dass „[d]as Ziel, einen ‚weiten Zugang‘ zu Gerichten zu gewähren, … die Parameter für die Ausübung des gesetzgeberischen Ermessens der Mitgliedstaaten [vorgibt]“.

ii)    Die Beschränkung der Zulässigkeit von Rechtsbehelfen Einzelner in Anwendung von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92 und von Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2010/75

48.      Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2010/75 sehen für die Mitgliedstaaten eindeutig die Möglichkeit vor, die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen Einzelner(15) festzulegen und damit zu beschränken, sofern diese Beschränkung mit dem Ziel in Einklang steht, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gestatten diese Bestimmungen den Mitgliedstaaten, für die Beschränkung der Zulässigkeit von Einzelnen eingelegter Rechtsbehelfe zwischen zwei Kriterien zu wählen.

49.      In Rn. 38 des Urteils Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289), hat der Gerichtshof entschieden, dass „[i]n Bezug auf die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Rechtsbehelfe … diese Bestimmung[en] zwei Fälle [nennen]: Die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs kann von einem ‚ausreichenden Interesse‘ oder davon abhängen, dass der Rechtsbehelfsführer eine ‚Rechtsverletzung‘ geltend macht, je nachdem, welche dieser Voraussetzungen in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist“(16). Die in Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 vorgesehenen Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen Einzelner schließen es daher aus, dass Einzelne Popularklagen erheben, um die Rechtmäßigkeit der unter die betreffenden Richtlinien fallenden Verwaltungsentscheidungen anzufechten(17).

iii) Prüfung der Begründetheit der Klage

50.      Ich weise darauf hin, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92 und nach Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2010/75 die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen zwar von Bedingungen abhängig machen können, dass es aber nach denselben Bestimmungen möglich sein muss, Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen im Sinne dieses Artikels zum Gegenstand eines gerichtlichen Überprüfungsverfahrens zu machen, um ihre materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit anzufechten.

51.      Außerdem haben nach ständiger Rechtsprechung Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2010/75 in keiner Weise die Gründe beschränkt, die zur Stützung eines entsprechenden Rechtsbehelfs vorgebracht werden können(18).

iv)    Das im deutschen Recht herangezogene Kriterium der Verletzung eines subjektiven Rechts des Klägers als einen Anspruch auf Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts begründende Voraussetzung

–       § 42 Abs. 2 VwGO und § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO

52.      Es steht fest, dass in Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO und § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO das deutsche Verwaltungsrecht die Zulässigkeit von Einzelnen erhobener Klagen und zugleich deren Anspruch auf Aufhebung eines Verwaltungsakts beschränkt.

53.      § 42 Abs. 2 VwGO macht die Zulässigkeit von Einzelnen erhobener Klagen davon abhängig, dass der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung in seinen Rechten verletzt zu sein. Diese Beschränkung ist meines Erachtens in Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 ausdrücklich angesprochen, wobei die Bundesrepublik Deutschland sich eindeutig für die zweite der Zulässigkeitsvoraussetzungen entschieden hat, denen die Mitgliedstaaten die Rechtsbehelfe nach diesen Artikeln unterwerfen dürfen.

54.      § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO hingegen, die einzige in der vorliegenden Rüge angesprochene Bestimmung(19), betrifft die Begründetheit der von einem Einzelnen erhobenen Klage. Nach dieser Bestimmung hebt das Verwaltungsgericht einen rechtswidrigen Verwaltungsakt nur auf, soweit durch ihn ein subjektives Recht des Klägers verletzt ist. Die Bundesrepublik Deutschland trägt überdies vor, dass die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts der Prüfung vorausgehe, ob durch die festgestellte Rechtswidrigkeit Rechte des Klägers verletzt seien. Zudem werde der Verwaltungsakt nur aufgehoben, wenn diese Rechtswidrigkeit den Kläger in seinen Rechten verletze(20). In der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2015 hat die Bundesrepublik Deutschland ihr Vorbringen nuanciert und erläutert, dass die deutschen Gerichte in bestimmten Fällen richterlichen Pragmatismus walten ließen und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nicht prüften, wenn subjektive Rechte nicht verletzt seien.

55.      Folglich erfordert die Aufhebung eines Verwaltungsakts nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zumindest, dass die vom Richter festgestellte Rechtswidrigkeit mit der Verletzung eines subjektiven Rechts des Klägers „zusammenfällt“(21), und zwar selbst dann, wenn dessen Klage nach § 42 Abs. 2 VwGO zulässig ist.

–       Verstoß gegen Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75

56.      Aus Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92 und aus Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2010/75 geht eindeutig hervor, dass die Voraussetzung, dass der Kläger „eine Rechtsverletzung“ geltend macht, im Rahmen der Zulässigkeit und nicht der Begründetheit zu prüfen ist.

57.      Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2010/75 keineswegs das Vorbringen beschränkt haben, das in der Sache zur Stützung eines nach diesen Bestimmungen eingelegten Rechtsbehelfs geltend gemacht werden kann. Jedoch führt die durch § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgegebene Beschränkung des Anspruchs auf Aufhebung eines Verwaltungsakts zu einer Beschränkung des Vorbringens, das von Einzelnen zur Stützung ihrer Klagen mit Erfolg in der Sache geltend gemacht werden kann.

58.      Dadurch nämlich, dass § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO den Anspruch Einzelner, die Aufhebung eines Verwaltungsakts zu erwirken, auf den Fall beschränkt, dass vom deutschen Verwaltungsrichter (vorab oder zeitgleich) die Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsakts festgestellt wird, schafft er über die Zulässigkeitsvoraussetzung hinaus ein zusätzliches, in Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 keineswegs vorgesehenes Hindernis für das Recht auf Zugang zu Gerichten und beeinträchtigt Zielsetzung und Wirksamkeit dieser beiden Bestimmungen in erheblicher Weise, indem er Reichweite und Nutzen der gerichtlichen Überprüfung verringert.

59.      Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Bundesrepublik Deutschland in der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2015 auf eine Frage des Gerichtshofs nach dem Nutzen, den die alleinige Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts für einen Einzelnen habe, eingeräumt hat, dass die deutsche Verwaltung den rechtswidrigen Verwaltungsakt eventuell zurücknehmen könne, hierzu aber nicht verpflichtet sei.

60.      Auch wenn nicht jede – noch so geringfügige – Rechtswidrigkeit(22) zwangsläufig zur Aufhebung eines Verwaltungsakts führen muss, hat doch die alleinige Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts durch den deutschen Verwaltungsrichter nicht den gleichen rechtlichen Wert wie die Aufhebung dieses Verwaltungsakts.

61.      Außerdem erschwert die Beschränkung des Anspruchs Einzelner, die Aufhebung eines für rechtswidrig erklärten Verwaltungsakts zu erwirken, den Schutz der Umwelt, denn aus dem 27. Erwägungsgrund der Richtlinie 2010/75 geht eindeutig hervor, dass die betroffene Öffentlichkeit „[a]ls Beitrag zum Schutz des Rechts, in einer für die Gesundheit und das Wohlbefinden des Einzelnen angemessenen Umwelt zu leben, … Zugang zu Rechtsmitteln haben [sollte]“(23).

62.      Ich halte die erste Rüge daher für begründet.

63.      Folglich hat die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 verstoßen, dass sie in Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO den Anspruch Einzelner, die Aufhebung eines Verwaltungsakts zu erwirken, auf den Fall beschränkt, dass vom deutschen Verwaltungsrichter die Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsakts festgestellt wird oder worden ist.

B –    Zur zweiten Rüge, mit der das Bestehen eines Anspruchs auf Aufhebung eines Verwaltungsakts nur in Fällen unterbliebener Umweltverträglichkeitsprüfung und die Beschränkung dieses Anspruchs in Fällen durchgeführter, aber fehlerhafter Umweltverträglichkeitsprüfung (§ 4 Abs. 1 UmwRG) und das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verfahrensfehler und sowohl dem Ergebnis der Entscheidung als auch der Beeinträchtigung einer dem Kläger zustehenden materiellen Rechtsposition (§ 46 VwVfG und § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) beanstandet wird

64.      Die vorliegende Rüge ist somit in zwei Teile gegliedert. Der erste betrifft die Vereinbarkeit von § 4 Abs. 1 UmwRG mit Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 und der zweite die Vereinbarkeit von § 46 VwVfG und von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit diesen Artikeln.

1.      Erster Teil: Bestehen eines Anspruchs auf Aufhebung eines Verwaltungsakts nur in Fällen unterbliebener Umweltverträglichkeitsprüfung und Beschränkung dieses Anspruchs in Fällen durchgeführter, aber fehlerhafter Umweltverträglichkeitsprüfung (§ 4 Abs. 1 UmwRG)

a)      Vorbringen der Parteien

65.      Nach Ansicht der Kommission kann gemäß § 4 Abs. 1 UmwRG – abgesehen von den durch § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgegebenen zusätzlichen Anforderungen – eine Genehmigungsentscheidung nur dann aufgehoben werden, wenn keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde. Sei jedoch eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden, die aber nicht den Anforderungen der Richtlinie 2011/92 entsprochen habe, sei eine Anfechtung nach dieser nationalen Bestimmung nicht möglich. § 4 Abs. l UmwRG sei daher mit Art. 11 der Richtlinie 2011/92 nicht vereinbar.

66.      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe sich, dass eine zur Umsetzung einer Richtlinie erlassene Vorschrift, insbesondere wenn sie dem Einzelnen Rechte verleihe, hinreichend klar und bestimmt sein müsse, damit die Begünstigten in der Lage seien, alle ihre Rechte zu kennen und sie gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen(24). In Deutschland sei dies nicht der Fall, und die Bundesrepublik Deutschland müsse gemäß der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit die entsprechenden Maßnahmen hierfür ergreifen.

67.      Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland regelt § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG nur die Fälle einer überhaupt nicht durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung oder Vorprüfung zur Umweltverträglichkeitsprüfung sowie einer durchgeführten Vorprüfung zur Umweltverträglichkeitsprüfung, die nicht den Anforderungen von § 3a Satz 4 UVPG entspricht.

68.      Bei allen anderen Verfahrensfehlern, also auch bei Fehlern bei der Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen, seien nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine Anfechtung vor Gericht möglich und ein Aufhebungsanspruch gegeben. Der Aufhebungsanspruch entfalle ausnahmsweise nur dann, wenn die Voraussetzungen von § 46 VwVfG erfüllt seien.

b)      Würdigung

69.      Zwar bezieht sich die Zusammenfassung dieses ersten Teils der vorliegenden Rüge, wie sie sich aus den Anträgen in der Klageschrift ergibt, auf die beiden unionsrechtlichen Bestimmungen, doch ist festzustellen, dass sich die Ausführungen zu diesem Teil der Rüge nur auf Art. 11 der Richtlinie 2011/92 beziehen. Außerdem betrifft § 4 Abs. 1 UmwRG nur das Unterbleiben einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder der Vorprüfung im Einzelfall, ob die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist, was Gegenstand der Richtlinie 2011/92 ist. Hinzu kommt, dass die in der mündlichen Verhandlung hierzu befragte Kommission selbst nicht erläutern konnte, inwieweit Art. 25 der Richtlinie 2010/75 für den ersten Teil der vorliegenden Rüge von Bedeutung sei. Diese ist meines Erachtens dahin zu verstehen, dass sie einzig und allein auf Art. 11 der Richtlinie 2011/92 beschränkt ist.

70.      Bei diesem ersten Teil der zweiten Rüge geht es darum, wie Art. 11 der Richtlinie 2011/92 in deutsches Recht umgesetzt wurde. Sie stellt darauf ab, dass § 4 Abs. 1 UmwRG auf die Fälle beschränkt sei, in denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder die Vorprüfung, ob die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist, unterblieben sei.

71.      Bei ihrer Darlegung des nationalen Rechts führt die Bundesrepublik Deutschland aus, dass „[das UmwRG] Vorschriften zur Umsetzung von Artikel 11 der [Richtlinie 2011/92] sowie Artikel 25 der [Richtlinie 2010/75 enthält]“(25). Sie erläutert weiter, dass „§ 4 UmwRG … die Rechtsfolge des Unterbleibens einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) oder einer erforderlichen Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit [regelt]. Ein solcher Verfahrensfehler führt nach § 4 Absatz 1 und 3 zur Aufhebung der Entscheidung. Für andere Verfahrensfehler, etwa die fehlerhafte Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, enthält die Regelung keine Bestimmungen; diese Verfahrensfehler sind nach § 46 VwVfG zu beurteilen“(26).

72.      Mit seiner zweiten Frage in der Rechtssache, in der das Urteil Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 38) ergangen ist, wollte das Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) vom Gerichtshof wissen, ob Art. 10a der Richtlinie 85/337, der denselben Inhalt wie Art. 11 der Richtlinie 2011/92 hat(27), „dahin auszulegen [sei], dass er die Mitgliedstaaten daran hindert, die Anwendbarkeit der zur Umsetzung dieses Artikels ergangenen Vorschriften allein auf den Fall zu beschränken, dass die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung aufgrund des Unterbleibens einer Umweltverträglichkeitsprüfung angefochten wird, und nicht auf den Fall zu erstrecken, dass eine solche Prüfung zwar durchgeführt wurde, aber fehlerhaft war“.

73.      Generalanwalt Cruz Villalón hat in Nr. 63 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:422) darauf hingewiesen, dass nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland „das deutsche Recht diese Anforderungen bereits erfüllt [habe], da nach Maßgabe des neben § 4 Abs. 1 UmwRG anzuwendenden § 46 VwVfG die Aufhebung einer Genehmigungsentscheidung auch bei einer fehlerhaften Durchführung einer UVP [habe] verlangt werden könne[n]“.

74.      In Rn. 37 des Urteils in dieser Rechtssache hat der Gerichtshof jedoch entschieden, dass „[d]ie Anwendbarkeit der nationalen Vorschriften zur Umsetzung [von Art. 10a der Richtlinie 85/337] daher nicht allein auf den Fall beschränkt werden [kann], dass die Anfechtung der Rechtmäßigkeit auf das Unterbleiben einer Umweltverträglichkeitsprüfung gestützt wird. Der Ausschluss ihrer Anwendbarkeit in dem Fall, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung zwar durchgeführt wurde, aber mit – unter Umständen schwerwiegenden – Fehlern behaftet ist, würde den Bestimmungen der Richtlinie 85/337 über die Beteiligung der Öffentlichkeit weitgehend ihre praktische Wirksamkeit nehmen. Ein solcher Ausschluss liefe daher dem in Art. 10a der Richtlinie genannten Ziel zuwider, einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren.“

75.      Dem Urteil Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 32) ist somit eindeutig zu entnehmen, dass nach Auffassung des Gerichtshofs im deutschen Recht die Lücken bzw. Defizite von § 4 Abs. 1 UmwRG in der Umsetzung von Art. 10a der Richtlinie 85/337 (und somit von Art. 11 der Richtlinie 2011/92) weder geschlossen noch behoben waren.

76.      Da ich keinen Grund sehe, diese Rechtsprechung in Zweifel zu ziehen, halte ich den ersten Teil der zweiten Rüge für begründet(28).

77.      Folglich hat die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 11 der Richtlinie 2011/92 verstoßen, dass sie die Tragweite von § 4 Abs. 1 UmwRG auf die Aufhebung von Entscheidungen aufgrund von Verfahrensfehlern auf das vollständige Fehlen einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung oder das Fehlen einer erforderlichen Vorprüfung beschränkt.

2.      Zweiter Teil: Erfordernis eines Kausalzusammenhangs und der Beeinträchtigung einer materiellen Rechtsposition

a)      Vorbringen der Parteien

78.      Die Kommission macht geltend, dass nach ständiger Rechtsprechung in Deutschland zur Anwendung von § 46 VwVfG die Anfechtung eines Verfahrensfehlers bei einer Entscheidung hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung durch eine Einzelperson nur dann zur Aufhebung der Entscheidung führe, wenn die konkrete Möglichkeit bestehe, dass diese Entscheidung ohne diesen Fehler anders ausgefallen wäre („Kausalitätserfordernis“).

79.      Außerdem obliege es im Allgemeinen dem Kläger, die mögliche Kausalität zu belegen.

80.      Bei der Anwendung der Richtlinie 2011/92 sei der Ausgang des Entscheidungsverfahrens nicht der wichtigste Aspekt. Die Richtlinie 2011/92 solle im Wesentlichen sicherstellen, dass alle direkten und indirekten Auswirkungen eines Projekts, welches erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben könnte, geprüft würden, dass die Öffentlichkeit über das geplante Projekt informiert werde und die Gelegenheit erhalte, sich an den Entscheidungsverfahren zu beteiligen. Der Überprüfung der Einhaltung von Verfahrensfehlern komme daher in diesem Bereich eine besondere Bedeutung zu. Das nationale Recht sollte im Fall eines erheblichen Fehlers bei der Anwendung der verfahrensrechtlichen Anforderungen deshalb die Aufhebung der Entscheidung vorsehen, ohne dass der Kläger einen Kausalzusammenhang mit dem Ausgang der Entscheidung beweisen müsse. In Bezug auf die Richtlinie 2011/92 seien zumindest Verstöße gegen die Informations- und Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit als erhebliche Verfahrensfehler anzusehen.

81.      Dem Urteil Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 52) sei zu entnehmen, dass in Deutschland sowohl die Beweislastverteilung als auch die richterliche Kontrolle nicht den Anforderungen der Richtlinie 2011/92 entsprächen. Im Hinblick auf die entsprechenden Vorschriften des Übereinkommens von Århus vertrete das Århus „Compliance Committee“ die gleiche Ansicht(29).

82.      Zudem könne nach ständiger Rechtsprechung in Deutschland gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ein Verfahrensfehler einer Entscheidung hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung nur dann zur Aufhebung dieser Entscheidung führen, wenn der Verfahrensfehler ein subjektives Recht des Klägers verletze. Diese Bedingung verstoße gegen Art. 11 der Richtlinie 2011/92. Sei eine Klage zulässig, dürfe das Gericht Verfahrensfehler nicht außer Acht lassen, auch wenn diese kein subjektives Recht des Klägers verletzten.

83.      Die Bundesrepublik Deutschland hält dem entgegen, dass § 46 VwVfG mit Art. 11 der Richtlinie 2011/92 vereinbar sei. Ein Kausalitätserfordernis beeinträchtige grundsätzlich nicht die Verwirklichung der Ziele dieser Bestimmung. Zudem finde § 46 VwVfG nur Anwendung bei der Verletzung von Verfahrensvorschriften, die nicht unter § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG fielen.

84.      Ferner sei § 46 VwVfG als Gegennorm zugunsten der Behörde gegen den Aufhebungsanspruch ausgestaltet. Als Gegennorm werde § 46 VwVfG von den Gerichten im Rahmen der Begründetheit der Klage geprüft.

85.      Eine fehlerhaft durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung könne daher gemäß § 46 VwVfG stets gerügt werden und führe stets zu einem Aufhebungsanspruch des Klägers, sofern der Verfahrensfehler nicht offensichtlich irrelevant für das Ergebnis der Entscheidung sei. Wie der Gerichtshof im Urteil Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 49) festgestellt habe, gefährde eine sorgsame Begrenzung des Prüfungsumfangs bei Verfahrensfehlern nicht die Verwirklichung der Ziele der UVP-Richtlinie, wenn dies Verfahrensfehler betreffe, die nicht zwangsläufig Folgen mit möglichen Auswirkungen auf die Entscheidung hätten.

86.      Die Annahme, dass es dem Rechtsbehelfsführer obliege, den Nachweis einer Verletzung seiner Rechte zu führen, sei mit Blick auf die geltende Rechtslage dagegen nicht zutreffend.

87.      Allerdings werde erwogen, in die Novelle des UmwRG eine klarstellende Regelung zur Umsetzung von Art. 11 der Richtlinie 2011/92 aufzunehmen.

b)      Würdigung

88.      Vorab sei darauf hingewiesen, dass sich das Vorbringen der Kommission auf die Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 46 VwVfG auf Verfahrensfehler bezieht.

89.      Es steht fest, dass § 4 Abs. 1 UmwRG nur das Unterbleiben einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder einer Vorprüfung des Einzelfalls hinsichtlich der Pflicht, eine solche durchzuführen, nicht aber den Fall ihrer fehlerhaften Durchführung betrifft. Im letztgenannten Fall wird die angefochtene Entscheidung nur aufgehoben, wenn der Verfahrensfehler sowohl die Bedingung der Verletzung eines subjektiven Rechts des Klägers gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO als auch die Anforderungen von § 46 VwVfG erfüllt.

90.      Im Einklang mit meinem Ergebnis zur ersten Rüge bin ich der Meinung, dass bei fehlerhafter Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder Vorprüfung des Einzelfalls hinsichtlich der Pflicht, eine solche durchzuführen, die von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgegebenen Beschränkungen für die Begründung eines Anspruchs auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung gegen Art. 11 der Richtlinie 2011/92 verstoßen.

91.      Zu § 46 VwVfG, der Verfahrensfehler betrifft, geht aus den Erklärungen der Bundesrepublik Deutschland und aus dem Wortlaut dieser Bestimmung selbst klar hervor, dass sie das Kriterium des Erfordernisses eines Kausalzusammenhangs zwischen dem geltend gemachten Verfahrensfehler und dem Ergebnis der angegriffenen endgültigen Entscheidung aufstellt (im Folgenden: Kausalitätskriterium)(30).

92.      In den Rn. 47 und 48 des Urteils Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712) hat der Gerichtshof entschieden, dass der Unionsgesetzgeber, „die Möglichkeit, einen Verfahrensfehler geltend zu machen, nicht an die Voraussetzung knüpfen [wollte], dass dieser Fehler Auswirkungen auf den Inhalt der angegriffenen endgültigen Entscheidung hatte. … Im Übrigen kommt, da die Richtlinie u. a. zur Festlegung von Verfahrensgarantien dient, die insbesondere eine bessere Information und eine Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung öffentlicher und privater Projekte mit unter Umständen erheblichen Umweltauswirkungen ermöglichen sollen, der Überprüfung der Einhaltung der Verfahrensregeln in diesem Bereich besondere Bedeutung zu. Die betroffene Öffentlichkeit muss daher, im Einklang mit dem Ziel, ihr einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, zur Stützung eines Rechtsbehelfs, mit dem die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen im Sinne der Richtlinie angefochten wird, grundsätzlich jeden Verfahrensfehler geltend machen können.“

93.      Folglich ist das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs gemäß Art. 11 der Richtlinie 2011/92 grundsätzlich ausgeschlossen.

94.      Der Gerichtshof hat diese Beurteilung in Rn. 49 des angeführten Urteils jedoch mit der Feststellung eingeschränkt, dass nicht jeder Verfahrensfehler zwangsläufig das Ergebnis der angegriffenen endgültigen Entscheidung berühre und dementsprechend nicht zwangsläufig ein Recht verletze. Unter diesen Umständen könne das Recht eines Mitgliedstaats vorsehen, dass der Rechtsbehelf nicht zulässig sei.

95.      Meines Erachtens muss diese Einschränkung nicht nur für die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs, sondern in gleicher Weise auch für seine Begründetheit gelten, allerdings unter der Voraussetzung, dass der betreffende Verfahrensfehler geringfügig ist und daher „eine bessere Information und eine Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung öffentlicher und privater Projekte“ nicht beeinträchtigt.

96.      Da das Recht auf eine bessere Information und eine Beteiligung der Öffentlichkeit ersichtlich einer der Eckpfeiler der Richtlinie 2011/92(31) sowie Sinn und Zweck ihres Art. 11 ist, schließe ich mich den Schlussanträgen des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:422, Nr. 106) an, in denen er festgestellt hat, dass „[f]ür besonders wichtige Verfahrensvorschriften … insoweit auf das Erfordernis einer Kausalität für das Ergebnis des Verwaltungsverfahrens vollständig verzichtet werden [muss]“.

97.      Es ist jedoch festzustellen, dass mit Ausnahme der in § 44 VwVfG(32) und in § 4 Abs. 1 UmwRG angesprochenen Fehler das deutsche Recht nach § 46 VwVfG in jedem Fall, also auch bei die Information und die Beteiligung der Öffentlichkeit betreffenden Fehlern, für die Begründung der Aufhebung einer angegriffenen endgültigen Entscheidung einen Kausalzusammenhang zwischen dem geltend gemachten Verfahrensfehler und dem Ergebnis dieser Entscheidung verlangt.

98.      Unabhängig von der Frage der Beweislast hierfür erschwert meines Erachtens diese sich aus § 46 VwVfG ergebende Anforderung die Ausübung der Rechte der Einzelnen auf einen Rechtsbehelf und auf Zugang zu den Gerichten übermäßig und verstößt daher gegen Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75.

99.      Zur Frage der Beweislast hat der Gerichtshof in Rn. 52 des Urteils Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712) jedenfalls ausgeführt, dass es in Deutschland „jedoch im Allgemeinen dem Rechtsbehelfsführer [obliegt], zum Nachweis einer Rechtsverletzung zu belegen, dass nach den Umständen des konkreten Falls die angegriffene Entscheidung ohne den geltend gemachten Verfahrensfehler möglicherweise anders ausgefallen wäre. Ihm die Beweislast für das Vorliegen des Kausalitätskriteriums aufzubürden, kann jedoch die Ausübung der ihm durch die Richtlinie 85/337 verliehenen Rechte übermäßig erschweren, insbesondere unter Berücksichtigung der Komplexität der fraglichen Verfahren und des technischen Charakters der Umweltverträglichkeitsprüfungen.“

100. Ich weise darauf hin, dass die Bundesrepublik Deutschland im Übrigen erwägt, eine klarstellende Regelung zur Beweislast im Zusammenhang mit dem Kausalitätskriterium zu erlassen(33).

101. Folglich hat die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 verstoßen, dass sie in Anwendung von § 46 VwVfG für die Begründung eines Anspruchs auf Aufhebung der angegriffenen endgültigen Entscheidung das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs zwischen den die Information und die Beteiligung der Öffentlichkeit betreffenden Verfahrensfehlern und dem Ergebnis dieser Entscheidung aufstellt.

C –    Dritte Rüge, mit der das Verbot, Einwendungen zu erheben (§ 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 VwVfG), beanstandet wird

1.      Vorbringen der Parteien

102. Nach Ansicht der Kommission verstößt die Beschränkung der Klagebefugnis auf im Verwaltungsverfahren vorgebrachte Einwendungen gemäß § 2 Abs. 3 UmwRG, § 73 Abs. 4 VwVfG und der deutschen Rechtsprechung gegen Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75. Diese Präklusionsregeln erschwerten das Recht der betroffenen Öffentlichkeit, die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen anzufechten, übermäßig. Sie verhinderten den von den Richtlinien 2011/92 und 2010/75 sowie vom Übereinkommen von Århus geforderten weiten Zugang zu Gerichten und schränkten den wirksamen Rechtsschutz der betroffenen Öffentlichkeit ein.

103. Die Kommission weist darauf hin, dass das gerichtliche Verfahren ein eigenständiges Verfahren sei, in dem eine vollständige Überprüfung der verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Rechtmäßigkeit einer Entscheidung möglich sein müsse und zulässige Klagegründe nicht auf solche beschränkt werden dürften, die in der kurzen Frist für Einwendungen im Verwaltungsverfahren bereits vorgebracht worden seien.

104. Die Kommission teilt die Auffassung der Bundesrepublik Deutschland nicht, dass die deutschen Präklusionsregeln aus Gründen der Rechtssicherheit und der Effizienz von Verfahren notwendig seien. Nach Auffassung der Kommission sind die Ausschlussfristen für die gerichtliche Anfechtung von Entscheidungen von Verwaltungsbehörden ausreichend, um die Rechtssicherheit und Verfahrenseffizienz zu gewährleisten.

105. Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland sind die Regelungen von § 2 Abs. 3 UmwRG und von § 73 Abs. 4 VwVfG mit Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 vereinbar.

106. Präklusionsregelungen seien in der Bundesrepublik Deutschland ein fester Bestandteil des nationalen Rechtssystems. Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 erlaubten es den Mitgliedstaaten ausdrücklich, Instrumente ihres nationalen Rechtssystems in dem betreffenden Bereich beizubehalten.

107. Die materielle Präklusion beruhe auf dem Gedanken der Verwirkung. Ihre Funktion sei vor allem, den Ausgleich widerstreitender Interessen zu einem Vorhaben möglichst bereits im Verwaltungsverfahren herbeizuführen. Präklusionsvorschriften hätten daher besondere Bedeutung im Rahmen von mehrpoligen Rechtsverhältnissen zwischen den geschützten Rechtssphären des Vorhabenträgers einerseits und den durch das Vorhaben potenziell betroffenen Dritten andererseits.

108. Die Präklusion erschwere nicht diese Überprüfung oder mache sie gar unmöglich, sondern sie unterstütze, dass dem Gericht ein möglichst abschließend ermittelter Sachverhalt zur Überprüfung vorgelegt werde, der alle relevanten Gesichtspunkte enthalte und umfassend geprüft worden sei. Lediglich solche Umstände, die der Kläger im Verwaltungsverfahren vorwerfbar nicht vorgebracht habe, seien von der Präklusion erfasst.

109. Die Republik Österreich vertritt die Auffassung, dass die Festlegung konkreter Präklusionsregelungen zur Ausgestaltung des nationalen Verfahrens zähle. Sie obliege daher – entsprechend der den Mitgliedstaaten zukommenden grundsätzlichen Verfahrensautonomie – jedenfalls den Mitgliedstaaten.

110. Es sei ein Grundprinzip des österreichischen und des deutschen Verwaltungsrechts und der jeweiligen Genehmigungsverfahren im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungen, dass Personen ihre Rechte in einem Verwaltungsverfahren nur insoweit geltend machen könnten, als sie sich in diesem Verwaltungsverfahren auch beteiligten.

111. Die Präklusionsregelung sei ein wichtiges Instrument für die Gewährleistung eines zügigen und effizienten Verwaltungsverfahrens. Andernfalls könnte durch das Erheben erstmaliger Einwendungen zu völlig neuen Themen oder auch von bisher nicht am Verfahren beteiligten Personen die Entscheidungsreife eines Verfahrens beliebig in die Länge gezogen werden. Dies würde der Rechtssicherheit im Allgemeinen und dem Interesse des Projektwerbers an einer Entscheidung binnen angemessener Frist im Besonderen diametral zuwiderlaufen.

2.      Würdigung

112. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie und vorbehaltlich der Einhaltung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität zwar über einen Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung von Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75(34).

113. Es ist jedoch daran zu erinnern, dass es nach diesen Bestimmungen möglich sein muss, Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen im Sinne der Richtlinie 2011/92 über die Öffentlichkeitsbeteiligung bzw. im Sinne von Art. 24 der Richtlinie 2010/75 zum Gegenstand eines Überprüfungsverfahrens vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle zu machen, um ihre materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit anzufechten, ohne dass in irgendeiner Weise die Gründe beschränkt wären, die zur Stützung eines entsprechenden Rechtsbehelfs vorgebracht werden können(35).

114. § 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 VwVfG beschränken jedoch eindeutig die Gründe, die ein Rechtsbehelfsführer zur Stützung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs vorbringen kann.

115. Zwar schließen Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2010/75 die Möglichkeit eines vorausgehenden Überprüfungsverfahrens bei einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lassen das Erfordernis einer Ausschöpfung der verwaltungsbehördlichen Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht, doch erlauben sie keineswegs, die Gründe zu beschränken, die ein Rechtsbehelfsführer zur Stützung eines später eingelegten gerichtlichen Rechtsbehelfs vorbringen kann.

116. Im Einklang mit der Stellungnahme der Kommission ist festzustellen, dass gerichtliche Rechtsbehelfe eigenständig und vom Verwaltungsverfahren und verwaltungsverfahrensrechtlichen Rechtsbehelfen unabhängig sind.

117. Dementsprechend bin ich der Meinung, dass die in Rede stehenden nationalen Vorschriften für den Zugang zu den Gerichten eine zusätzliche, in Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 nicht vorgesehene Hürde errichten.

118. Diese zusätzliche Hürde lässt sich meines Erachtens nicht aus Gründen der Rechtssicherheit rechtfertigen, da die Ausschlussfristen für die gerichtliche Anfechtung von Entscheidungen der Verwaltungsbehörden hierfür ausreichend sind.

119. Was das die Effizienz der Verwaltungsverfahren betreffende Vorbringen angeht, trifft zwar zu, dass sich die Möglichkeit, „Einwendungen“ erstmals im Zuge eines gerichtlichen Rechtsbehelfs zu erheben, als „problematisch“ erweisen kann, doch genügt der Hinweis, dass das eigentliche von Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 verfolgte Ziel darin besteht, einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Der Unionsgesetzgeber hat diesem Ziel gegenüber der Effizienz der Verwaltungsverfahren eindeutig den Vorrang gegeben, um zur Erhaltung, zum Schutz und zur Verbesserung der Umweltqualität sowie zum Schutz der menschlichen Gesundheit beizutragen(36).

120. Folglich hat die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 verstoßen, dass sie in § 2 Abs. 3 UmwRG und in § 73 Abs. 4 VwVfG die Klagebefugnis und den gerichtlichen Prüfumfang auf Einwendungen beschränkt, die bereits innerhalb der Einwendungsfrist im Verwaltungsverfahren, das zur Annahme der Entscheidung geführt hat, eingebracht wurden.

D –    Zur vierten und zur fünften Rüge, mit denen die zeitliche Beschränkung der Anwendung von Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 beanstandet wird

1.      Vorbringen der Parteien

a)      Zur vierten Rüge

121. Die Kommission erinnert daran, dass die ursprüngliche Fassung von § 2 Abs. 1 UmwRG nicht mit Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 vereinbar gewesen sei, da in dieser Fassung die Klagebefugnis von Umweltverbänden u. a. auf Rechtsvorschriften beschränkt gewesen sei, die Rechte Einzelner begründet hätten. Sie weist darauf hin, dass der Bundestag am 8. November 2012 im Anschluss an das Urteil Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289), eine Änderung des UmwRG beschlossen habe, das am 29. Januar 2013 in Kraft getreten sei und mit der die Worte „Rechte Einzelner begründen“ in § 2 Abs. 1 UmwRG gestrichen worden seien, um die bisherige Rechtsverletzung abzustellen.

122. Die Neufassung des UmwRG habe jedoch lediglich eine eingeschränkte zeitliche Geltung, da § 5 Abs. 4 des geänderten UmwRG vorsehe, dass lediglich solche Verfahren, die am 12. Mai 2011 (dem Tag der Verkündung des Urteils Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen, C‑115/09, EU:C:2011:289) noch anhängig gewesen oder nach diesem Tag eingeleitet worden seien und die am 29. Januar 2013 (dem Tag des Inkrafttretens des geänderten UmwRG) noch nicht rechtskräftig abgeschlossen gewesen seien, nach der Neufassung des UmwRG zu Ende zu führen seien.

123. Für Verfahren, die nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet und vor dem 12. Mai 2011 abgeschlossen worden seien, werde die Klagebefugnis von Umweltvereinigungen somit weiter auf Rechtsvorschriften beschränkt, die Rechte Einzelner begründeten. Aufgrund der im deutschen Verwaltungsrecht bestehenden Parallelität zwischen Zulässigkeit einer Klage und der richterlichen Kontrolldichte in der Begründetheitsprüfung habe diese zeitliche Begrenzung auch einen Einfluss auf die richterliche Kontrolldichte.

124. Die Übergangsvorschrift von § 5 Abs. 4 UmwRG verlängere für die Klagen von Umweltverbänden eine unionsrechtswidrige Rechtslage, indem für solche Verfahren weiterhin die Überprüfung der Verfahrensvorschriften weitgehend ausgeschlossen sei. In dieser zeitlichen Hinsicht verstoße § 2 Abs. 5 UmwRG im Hinblick auf die nach der Übergangsbestimmung von § 5 Abs. 1 und 4 ausgenommenen Verfahren gegen Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75.

125. Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland ist § 5 Abs. 4 UmwRG ausschließlich deklaratorischer Natur und beinhaltet keine Rechtsgestaltung. Er habe lediglich den Sinn, dem Rechtsanwender die Anwendung des UmwRG zu erleichtern. Nach § 5 Abs. 4 UmwRG seien noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Rechtsbehelfsverfahren nach den neuen, seit dem 29. Januar 2013 geltenden Regelungen des UmwRG zu Ende zu führen. Keine Auswirkungen habe die Rechtsänderung hingegen auf Rechtsbehelfsverfahren, die bereits vor dem Erlass des Urteils Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289), rechtskräftig abgeschlossen worden seien; diese müssten im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs(37) nicht neu aufgerollt werden.

b)      Zur fünften Rüge

126. Die Kommission rügt, dass der Ausschluss der Verwaltungsverfahren, die vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden seien, in § 5 Abs. 1 erster Halbsatz und Abs. 4 UmwRG gegen Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 verstoße. Das Vorliegen dieses Verstoßes habe der Gerichtshof in Rn. 30 des Urteils Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712) bestätigt. Außerdem verstoße § 5 Abs. 1 zweiter Halbsatz UmwRG, der Entscheidungen, die vor dem 15. Dezember 2006 (dem Tag des Inkrafttretens des UmwRG) bestandskräftig geworden seien, von der Anwendung des UmwRG ausnehme, gegen Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75.

127. Die Bundesrepublik Deutschland teilt mit, sie bereite eine Änderung des UmwRG vor, die Rn. 31 des Urteils Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712) umsetzen werde, in der der Gerichtshof entschieden habe, dass nach Art. 11 der Richtlinie 2011/92 Verfahren, die vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden seien, nicht vom Anwendungsbereich des UmwRG ausgeschlossen werden dürften. § 5 Abs. 1 zweiter Halbsatz UmwRG nimmt nach Meinung der Bundesrepublik Deutschland zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens bestandskräftige Entscheidungen im Einklang mit der Rechtskraft vom Anwendungsbereich aus. Zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege sollten die nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordenen Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden. Ein Mitgliedstaat sei nicht verpflichtet, eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung zu überprüfen und aufzuheben, falls sich zeige, dass sie gegen Unionsrecht verstoße(38). Dies gelte in gleicher Weise für abgeschlossene Verwaltungsverfahren, gegen deren Entscheidung überhaupt kein Rechtsbehelf eingelegt worden sei und die deshalb bestandskräftig, d. h. unanfechtbar, geworden seien.

2.      Würdigung

a)      Vorbemerkungen

128. Die Frist für die Umsetzung von Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 war auf den 25. Juni 2005 festgesetzt.

129. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich aber eindeutig, dass das UmwRG, mit dem diese Bestimmungen in deutsches Recht umgesetzt werden, mehrere Bestimmungen, nämlich § 5 Abs. 1 erster und zweiter Halbsatz sowie Abs. 4 enthält, die in einigen Punkten die Anwendung dieses Gesetzes auf die Zeit nach dem 25. Juni 2005 beschränkt haben.

130. Die Bundesrepublik Deutschland rechtfertigt diese Beschränkungen mit der Rechtskraft.

131. Zwar kommt dem Grundsatz der Rechtskraft sowohl in der Unionsrechtsordnung als auch in den nationalen Rechtsordnungen erhebliche Bedeutung zu, doch kann sich kein Mitgliedstaat auf interne Schwierigkeiten oder auf Bestimmungen seiner nationalen Rechtsordnung, auch nicht auf solche verfassungsrechtlicher Art, berufen, um die Nichteinhaltung der sich aus Unionsrichtlinien ergebenden Verpflichtungen zu rechtfertigen(39).

132. Zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege sollen nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können. Daher gebietet es das Unionsrecht einem nationalen Gericht nicht, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften über die Erlangung der Rechtskraft auf eine Gerichtsentscheidung abzusehen, selbst wenn dadurch einer mit dem Unionsrecht unvereinbaren nationalen Situation abgeholfen werden könnte(40).

133.  Allerdings fällt es im Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV, nachdem der Gerichtshof einen Verstoß gegen eine Bestimmung des Unionsrechts festgestellt hat (der einzigen, dem Gerichtshof durch diesen Artikel übertragenen Aufgabe), in die Zuständigkeit des betreffenden Mitgliedstaats, nach Art. 260 Abs. 1 AEUV die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergeben, da die Frage, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, nicht Gegenstand eines Urteils nach Art. 258 AEUV ist(41).

134. Der von der Bundesrepublik Deutschland geltend gemachte Umstand – unterstellt, er wäre erwiesen –, dass die durch § 5 Abs. 1 zweiter Halbsatz und Abs. 4 UmwRG eingeführte zeitliche Beschränkung der Anwendung dieses Gesetzes zur Wahrung der Rechtskraft und, entsprechend, der Beständigkeit bestandskräftig gewordener Verwaltungsverfahren erforderlich gewesen sei, fällt gegebenenfalls daher jedenfalls unter die Durchführung des Urteils, mit dem die Vertragsverletzung festgestellt wird, und kann im Rahmen der vorliegenden Rügen auf die Feststellung der Vertragsverletzung keinen Einfluss haben.

135. Nach diesen Bemerkungen werde ich zunächst die fünfte Rüge prüfen.

b)      Zur fünften Rüge, mit der der Aufschub der zeitlichen Anwendung im Allgemeinen beanstandet wird

136. In Rn. 31 des Urteils Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712) hat der Gerichtshof entschieden, dass „die in der Richtlinie 2003/35, mit der Art. 10a in die Richtlinie 85/337 eingefügt wurde, vorgesehene Umsetzungsfrist bis zum 25. Juni 2005 dahin auszulegen ist, dass die zur Umsetzung des genannten Artikels ergangenen Vorschriften des nationalen Rechts auch für behördliche Genehmigungsverfahren gelten müssen, die vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden waren, in denen aber erst nach diesem Zeitpunkt eine Genehmigung erteilt wurde“(42).

137. Nach § 5 Abs. 1 erster Halbsatz UmwRG gilt dieses Gesetz aber nur für Verwaltungsverfahren, die nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden sind oder hätten eingeleitet werden müssen.

138. Daher bin ich der Meinung, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 verstoßen hat, dass sie gemäß § 5 Abs. 1 erster Halbsatz UmwRG alle vor dem 25. Juni 2005 eingeleiteten Verfahren, selbst wenn sie nach diesem Zeitpunkt zur Erteilung einer Genehmigung geführt haben, von der Anwendung dieses Gesetzes ausgenommen hat.

139. Darüber hinaus sieht § 5 Abs. 1 zweiter Halbsatz UmwRG vor, dass Halbsatz 1 keine Anwendung auf Verwaltungsverfahren findet, in denen die Entscheidung vor dem 15. Dezember 2006, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des UmwRG, Bestandskraft erlangt hat.

140. Demnach nimmt diese Bestimmung des nationalen Rechts die Verwaltungsverfahren, die zwischen dem 25. Juni 2005 (Ablauf der Umsetzungsfrist) und dem 15. Dezember 2006 zur Erteilung einer Genehmigung geführt haben, von der Anwendung des UmwRG aus.

141. Daher bin ich der Meinung, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 verstoßen hat, dass sie gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Halbsatz UmwRG Verwaltungsverfahren, in denen die Entscheidung vor dem 15. Dezember 2006 Bestandskraft erlangt hat, von der Anwendung des UmwRG ausgenommen hat.

c)      Zur vierten Rüge, mit der die zeitliche Beschränkung der Anwendung von Vorschriften über die Rechtsbehelfe von Umweltverbänden beanstandet wird

142. Nach Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2010/75 ist davon auszugehen, dass die Umweltverbände über ein ausreichendes Interesse verfügen oder Rechte haben, die verletzt werden können, je nachdem, welche dieser Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist(43). Demnach verfügen diese Verbände nach diesen Artikeln seit deren Inkrafttreten am 25. Juni 2005 über einen privilegierten Zugang zu Gerichten.

143. Im Urteil Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289, Rn. 36), hat der Gerichtshof jedoch ausgeführt, dass nach dem deutschen Recht die Zulässigkeit einer von einem Umweltverband erhobenen Klage davon abhänge, dass diese geltend mache, die angegriffene Verwaltungsentscheidung verletze ein Rechtsgut eines Einzelnen, das nach dem nationalen Recht als subjektiv-öffentliches Recht qualifiziert werden könne. Der Gerichtshof hat entschieden, dass „es dem nationalen Gesetzgeber zwar [freisteht], die Rechte, deren Verletzung ein Einzelner im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, Handlung oder Unterlassung im Sinne von Art. 10a der Richtlinie 85/337 geltend machen kann, auf subjektiv-öffentliche Rechte zu beschränken, doch kann eine solche Beschränkung nicht als solche auf Umweltverbände angewandt werden, weil dadurch die Ziele des Art. 10a Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie 85/337 missachtet würden“(44). Die Umweltverbände müssen zwingend die nationalen Rechtsvorschriften, die die Rechtsvorschriften der Union im Bereich der Umwelt umsetzen, sowie die unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Umweltrechts der Union geltend machen können(45).

144. Zwar hat die Bundesrepublik Deutschland das UmwRG geändert, um die Verletzung des Rechts der Umweltverbände auf privilegierten Zugang zu Gerichten abzustellen, wobei die Neufassung am 29. Januar 2013 in Kraft getreten ist, doch ist diese Änderung zeitlich begrenzt. Sie ist nämlich nach § 5 Abs. 4 UmwRG auf Entscheidungsverfahren, Genehmigungsverfahren oder Rechtsbehelfsverfahren beschränkt, die am 12. Mai 2011 anhängig waren oder nach diesem Tag eingeleitet worden sind und die am 29. Januar 2013 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen worden sind.

145. Entsprechend den Bemerkungen der Kommission ist daher auf die übrigen, von diesen Änderungen nicht erfassten Verfahren weiterhin die alte Fassung des UmwRG anzuwenden.

146. Da die Umweltverbände seit dem 25. Juni 2005 über einen privilegierten Zugang zu den Gerichten verfügen und die zur Umsetzung dieses Artikels ergangenen Vorschriften des deutschen Rechts auch für behördliche Genehmigungsverfahren gelten müssten, die vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden waren, in denen aber erst nach diesem Zeitpunkt eine Genehmigung erteilt wurde, bin ich der Meinung, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 verstoßen hat, dass sie nach der Neufassung von § 5 Abs. 4 UmwRG das Recht der Umweltverbände auf privilegierten Zugang zu Gerichten zeitlich beschränkt hat.

IV – Kosten

147. Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission nicht beantragt hat, die Bundesrepublik Deutschland zur Tragung der Kosten zu verurteilen, trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

148. Gemäß Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wonach die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen, trägt die Republik Österreich ihre eigenen Kosten.

V –    Ergebnis

149. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof, zunächst hinsichtlich der die beiden angesprochenen Richtlinien betreffenden Rügen und schließlich hinsichtlich der Rüge, die sich nur auf die Richtlinie 2011/92 bezieht, vor, wie folgt zu entscheiden:

1.         Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten und Art. 25 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) verstoßen, dass sie

–        in Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung den Anspruch Einzelner, die Aufhebung eines Verwaltungsakts zu erwirken, auf den Fall beschränkt, dass vom deutschen Verwaltungsrichter die Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsakts festgestellt wird oder worden ist,

–        in Anwendung von § 46 Verwaltungsverfahrensgesetz für die Begründung eines Anspruchs auf Aufhebung der angegriffenen endgültigen Entscheidung das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs zwischen den die Information und die Beteiligung der Öffentlichkeit betreffenden Verfahrensfehlern und dem Ergebnis dieser Entscheidung aufstellt,

–        in § 2 Abs. 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und in § 73 Abs. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz die Klagebefugnis und den gerichtlichen Prüfumfang auf Einwendungen beschränkt, die bereits innerhalb der Einwendungsfrist im Verwaltungsverfahren, das zur Annahme der Entscheidung geführt hat, eingebracht wurden,

–        gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Halbsatz Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Verwaltungsverfahren, in denen die Entscheidung vor dem 15. Dezember 2006 Bestandskraft erlangt hat, von der Anwendung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ausgenommen hat, und

–        nach der Neufassung von § 5 Abs. 4 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz das Recht der Umweltverbände auf privilegierten Zugang zu Gerichten zeitlich beschränkt hat.

2.         Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 11 der Richtlinie 2011/92 verstoßen, dass sie die Tragweite von § 4 Abs. 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz auf die Aufhebung von Entscheidungen aufgrund von Verfahrensfehlern auf das vollständige Fehlen einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung oder das Fehlen einer erforderlichen Vorprüfung beschränkt.

3.         Die Europäische Kommission, die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Österreich tragen ihre eigenen Kosten.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 –      ABl. 2012, L 26, S. 1.


3 – ABl. L 334, S. 17.


4 – Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens von Århus lautet:


      „Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit,


      a) die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ


      b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsprozessrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert,


      Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Artikel 6 und – sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 – sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.


      Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmt sich nach den Erfordernissen innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen dieses Übereinkommens einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren.


      Absatz 2 schließt die Möglichkeit eines vorangehenden Überprüfungsverfahrens vor einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis der Ausschöpfung verwaltungsbehördlicher Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.“


            


5 –      ABl. L 156, S. 17.


6 – ABl. L 175, S. 40.


7 – ABl. L 257, S. 26.


8 – ABl. L 24, S. 8.


9 – Im Sinne von dem Einzelnen durch das öffentliche Recht verliehenen subjektiven Rechten.


10 – Urteil Kommission/Niederlande (C‑508/10, EU:C:2012:243, Rn. 35 und 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).


11 – In Rn. 45 des Urteils Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289), hat der Gerichtshof entschieden, dass „es dem nationalen Gesetzgeber zwar [freisteht], die Rechte, deren Verletzung ein Einzelner im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, Handlung oder Unterlassung im Sinne von Art. 10a der Richtlinie 85/337 geltend machen kann, auf subjektiv-öffentliche Rechte zu beschränken, doch kann eine solche Beschränkung nicht als solche auf Umweltverbände angewandt werden, weil dadurch die Ziele des Art. 10a Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie 85/337 missachtet würden“.


12 –      Mit der Überschrift „Zugang zu Informationen und Beteiligung der Öffentlichkeit am Genehmigungsverfahren“.


13 – Vgl. Urteile Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289, Rn. 43), und Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 28). Die Kommission hat im Rahmen der vorliegenden Klage nicht behauptet, dass die in Rede stehende Bestimmung den Äquvalenzgrundsatz nicht beachte. Die vorliegende Rüge bezieht sich daher auf den Effektivitätsgrundsatz. Ich weise darauf hin, dass die beiden angeführten Urteile Art. 10a der Richtlinie 85/337 betreffen. Ich erinnere allerdings daran, dass Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 hinsichtlich ihrer Wirkungen den gleichen Inhalt haben wie Art. 10a der Richtlinie 85/337. Daher ist die Rechtsprechung zu diesem Artikel mutatis mutandis auf die in der vorliegenden Klage in Rede stehenden Bestimmungen anwendbar. Siehe Nr. 10 der vorliegenden Schlussanträge.


14 – Vgl. Urteile Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289, Rn. 41), und Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 45).


15 – Demgegenüber wird nach Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2011/92 und nach Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2010/75 das Interesse bestimmter Nichtregierungsorganisationen als ausreichend angesehen. Siehe Fn. 11 der vorliegenden Schlussanträge.


16 – Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 lassen den Mitgliedstaaten einen beträchtlichen Spielraum hinsichtlich der Bestimmung dessen, was eine Rechtsverletzung darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen, C‑115/09, EU:C:2011:289, Rn. 55, und Gemeinde Altrip u. a., C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 50).


17 –      Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289), die in Nr. 42 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, dass „[d]ie Vorschrift in der Aarhus-Konvention über die Popularklage … in Art. 9 Abs. 3 der Konvention enthalten [ist], der noch nicht in das Unionsrecht integriert wurde … Folglich besteht nach dem Unionsrecht für die Mitgliedstaaten bisher keine Verpflichtung zur Einführung einer Popularklage.“


18 – Vgl. Urteile Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289, Rn. 37), und Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 36).


19 – Vgl. Nrn. 38 bis 41 der vorliegenden Schlussanträge.


20 – Die Bundesrepublik Deutschland führt aus, dass „[g]emäß § 113 Abs. 1 S[atz] 1 VwGO … das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid [aufhebt], soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. … Geregelt wird, wann das Gericht im Verwaltungsprozess den Verwaltungsakt aufheben muss. Das Gericht prüft danach in zwei Schritten. Im ersten Schritt wird vollumfänglich geprüft, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, also irgendeinen Rechtsfehler aufweist. Im zweiten Schritt prüft das Gericht, ob der Kläger ‚dadurch‘, d. h. durch die gefundenen Rechtsfehler, in ‚seinen‘ Rechten verletzt ist.“ Hervorhebung nur hier. Vgl. Rn. 40 der Klagebeantwortung der Bundesrepublik Deutschland.


21 – In der Rechtssache Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712) hatte das vorlegende Gericht (das deutsche Bundesverwaltungsgericht) den Gerichtshof zur unionsrechtlichen Rechtmäßigkeit dieses Erfordernisses des „Zusammenfallens“ bzw. der „Parallelität“ befragt. Der Gerichtshof hat diese Frage jedoch nicht beantwortet, da „das vorlegende Gericht selbst keine näheren Angaben zu dessen Merkmalen gemacht hat und [er] den Gründen der Vorlageentscheidung nicht zu entnehmen vermag, ob eine Prüfung dieses Kriteriums für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits zweckdienlich sein kann“ (siehe Rn. 55).


22 – Verfahrensrechtlicher oder materiell-rechtlicher Art.


23 – Ich schließe mich insoweit den Schlussanträgen des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:422, Nrn. 92 bis 101) an, in denen er die Ansicht vertritt, dass im Rahmen der Begründetheit die Verpflichtung des Einzelnen, ein subjektives Recht geltend zu machen, mit dem Effektivitätsgrundsatz nicht vereinbar sei und die betreffenden unionsrechtlichen Bestimmungen nicht umsetze.


24 – Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑530/11, EU:C:2014:67, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


25 – Hervorhebung nur hier. Siehe Rn. 6 der Klagebeantwortung.


26 – Siehe Rn. 8 der Klagebeantwortung.


27 – Siehe Nr. 10 der vorliegenden Schlussanträge.


28 – Dieser erste Teil der zweiten Rüge schließt sich denknotwendig an die erste Rüge an. § 4 Abs. 1 UmwRG kann keine ordnungsgemäße Umsetzung von Art. 10a der Richtlinie 85/337 (und somit von Art. 11 der Richtlinie 2011/92) gewährleisten, da er nicht bei fehlerhafter Umweltverträglichkeitsprüfung gilt, die hingegen von § 113 Satz 1 VwGO erfasst wird, der Gegenstand der ersten Rüge war und die für begründet zu erklären ich dem Gerichtshof vorgeschlagen habe.


29 – In Rn. 83 seines Berichts vom 20. Dezember 2013 fänden sich diesbezüglich folgende Feststellungen: „Therefore, it would not be compatible with the Convention to allow members of the public to challenge the procedural legality of the decisions subject to article 6 of the Convention in theory, while such actions were systematically refused by the courts in practice, as either not admissible or not well founded, on the grounds that the alleged procedural errors were not of importance for the decisions (i.e. that the decision would not have been different, if the procedural error would not take place)“. („Es wäre daher mit dem Übereinkommen nicht vereinbar, Mitgliedern der Öffentlichkeit zu erlauben, die verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen nach Art. 6 des Übereinkommens theoretisch in Zweifel zu ziehen, während derartige Rechtsbehelfe von den Gerichten systematisch mit der Begründung als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen würden, dass sich die geltend gemachten Verfahrensfehler nicht auf die Entscheidungen auswirkten (d. h. die Entscheidung ohne den Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre)“.


30 – § 46 VwVfG gilt seinem Wortlaut nach nur für sogenannte „relative“ Verfahrensfehler, also solche, mit denen ein Verwaltungsakt behaftet ist, der nicht nach § 44 VwVfG „nichtig“ ist (sogenannte „absolute“ Verfahrensfehler).


31 – Und der Richtlinie 2010/75.


32 – § 44 VwVfG gilt seinem Wortlaut nach nur für „besonders schwerwiegende“ Verfahrensfehler. Außerdem handelt es sich bei den in § 44 Abs. 2 VwVfG aufgeführten Fehlern nicht wirklich um solche auf dem Gebiet der Information und der Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung öffentlicher und privater Projekte.


33 – Vgl. Rn. 69 der Klagebeantwortung.


34 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 30).


35 – Vgl. Nr. 44 der vorliegenden Schlussanträge.


36 – Vgl. entsprechend Urteil Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 27 bis 29).


37 – Vgl. Urteile Köbler (C‑224/01, EU:C:2003:513), Kapferer (C‑234/04, EU:C:2006:178) und Fallimento Olimpiclub (C‑2/08, EU:C:2009:506).


38 – Vgl. Urteile Köbler (C‑224/01, EU:C:2003:513), Kapferer (C‑234/04, EU:C:2006:178) und Fallimento Olimpiclub (C‑2/08, EU:C:2009:506).


39 – Urteil Kommission/Italien (100/77, EU:C:1978:78, Rn. 21).


40 – Urteil Impresa Pizzarotti (C‑213/13, EU:C:2014:2067, Rn. 58 und 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).


41 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Ungarn (C‑288/12, EU:C:2014:237, Rn. 33 und 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


42 – Hervorhebung nur hier.


43 – Vgl. Urteil Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289, Rn. 40).


44 – Urteil Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289, Rn. 45).


45 – Ebd. (Rn. 48).