Language of document : ECLI:EU:C:2015:544

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

Juliane Kokott

vom 3. September 2015(1)

Rechtssache C‑422/14

Christian Pujante Rivera

gegen

Gestora Clubs Dir SL

und

Fondo de Garantía Salarial

(Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de lo Social de Barcelona [Spanien])

„Richtlinie 98/59/EG – Art. 1 – Massenentlassungen – Berechnung der numerischen Schwellenwerte für die Anwendung der Richtlinie – Berücksichtigung befristet beschäftigter Arbeitnehmer – Entlassungen gleichzustellende Beendigungen von Arbeitsverträgen“





I –    Einleitung

1.        Unter welchen Voraussetzungen die Richtlinie 98/59/EG über Massenentlassungen(2) zur Anwendung kommt, ist immer wieder Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten(3). Im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren hat sich der Gerichtshof erneut mit den Schwellenwerten zu befassen, bei deren Erreichen die von einer Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer in den Genuss des Schutzes kommen, den ihnen die genannte Richtlinie vermittelt. Diese Garantien sind letztlich Ausfluss des Grundrechts auf Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung (vgl. Art. 30 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union).

2.        Im Hintergrund dieses Verfahrens steht ein Rechtsstreit um die betriebsbedingte Kündigung eines spanischen Arbeitnehmers, Herrn Pujante Rivera, aus dem Jahr 2013. Dieser wirft seinem ehemaligen Arbeitgeber mit Blick auf die Vielzahl an Vertragsbeendigungen unterschiedlichster Form, zu denen es in zeitlichem Zusammenhang mit seiner Entlassung kam, vor, das in der Richtlinie 98/59 vorgesehene Verfahren für Massenentlassungen missachtet zu haben.

3.        Auf dem Spiel steht dabei letztlich der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses von Herrn Pujante Rivera. Denn wenngleich einem Arbeitgeber Entlassungen durch die Richtlinie keineswegs verboten werden, muss er doch bei Vorliegen einer Massenentlassung bestimmte unionsrechtliche Informations- und Konsultationspflichten erfüllen. Missachtet er diese Pflichten, so kann dies nach spanischem Recht die Unwirksamkeit der einzelnen Entlassungen zur Folge haben.

4.        Konkret stellt sich im vorliegenden Fall erstens die Frage, ob auch lediglich befristet beschäftigte Arbeitnehmer mitzählen, wenn es darum geht, zu ermitteln, ob der den Anwendungsbereich der Richtlinie eröffnende Schwellenwert der Richtlinie 98/59 erreicht ist. Zweitens wird zu klären sein, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Modalitäten der Beendigungen von Arbeitsverträgen, die einer Entlassung im Sinne der Richtlinie grundsätzlich gleichstehen, bei der genannten Schwellenwertermittlung zu berücksichtigen sind. Schließlich ist drittens zu erörtern, wie eine auf den eigenen Wunsch einer Arbeitnehmerin erfolgte Vertragsbeendigung für die Zwecke der Richtlinie zu qualifizieren ist, wenn diese Vertragsbeendigung letztlich nur eine Reaktion auf eine zuvor von Arbeitgeberseite einseitig vorgenommene wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen war.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

5.        Mit der Richtlinie 98/59 wurden die Richtlinie 75/129/EWG(4) und die zu deren Änderung erlassene Richtlinie 92/56/EWG(5) kodifiziert und aufgehoben.

6.        Art. 1 der Richtlinie 98/59 lautet auszugsweise:

„(1)      Für die Durchführung dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a)      ‚Massenentlassungen‘ sind Entlassungen, die ein Arbeitgeber aus einem oder mehreren Gründen, die nicht in der Person der Arbeitnehmer liegen, vornimmt und bei denen … die Zahl der Entlassungen

i)      … innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen

–        mindestens 10 in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 100 Arbeitnehmern,

–        mindestens 10 v. H. der Arbeitnehmer in Betrieben mit in der Regel mindestens 100 und weniger als 300 Arbeitnehmern,

–        mindestens 30 in Betrieben mit in der Regel mindestens 300 Arbeitnehmern,

ii)      …

beträgt;

b)      …

Für die Berechnung der Zahl der Entlassungen gemäß Absatz 1 Buchstabe a) werden diesen Entlassungen Beendigungen des Arbeitsvertrags gleichgestellt, die auf Veranlassung des Arbeitgebers und aus einem oder mehreren Gründen, die nicht in der Person der Arbeitnehmer liegen, erfolgen, sofern die Zahl der Entlassungen mindestens fünf beträgt.

(2)      Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf

a)      Massenentlassungen im Rahmen von Arbeitsverträgen, die für eine bestimmte Zeit oder Tätigkeit geschlossen werden, es sei denn, dass diese Entlassungen vor Ablauf oder Erfüllung dieser Verträge erfolgen;

…“

B –    Nationales Recht

7.        Art. 41 des spanischen Estatuto de los Trabajadores(6) (im Folgenden: Arbeitnehmerstatut) sieht vor:

„(1)      Die Unternehmensleitung kann wesentliche Änderungen der Arbeitsbedingungen festlegen, wenn hierfür nachgewiesene wirtschaftliche, technische, organisatorische oder produktionsbedingte Gründe bestehen. … Als wesentliche Änderungen der Arbeitsbedingungen sind unter anderem solche anzusehen, die einen der folgenden Bereiche betreffen:

a)       Arbeitszeitmodell

b)       Beginn, Ende und Aufteilung der Arbeitszeit

c)       Schichtarbeitssystem

d)       Vergütungssystem und Höhe von Lohn und Gehalt

e)       Arbeits- und Leistungssystem

f)       Arbeitsaufgaben …

(2)      …

(3)      … In den unter Buchst. a), b), c), d) und f) des Absatzes 1 dieses Artikels vorgesehenen Fällen hat der Arbeitnehmer, wenn er durch die wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen einen Schaden erleidet, das Recht, sein Arbeitsverhältnis zu kündigen, sowie Anspruch auf eine Entschädigung …“

8.        In Art. 50 des Arbeitnehmerstatuts („Beendigung auf Verlangen des Arbeitnehmers“) wird festgelegt:

„(1)      Gründe, aus denen der Arbeitnehmer die Vertragsbeendigung verlangen kann, sind:

a)      wesentliche Änderungen der Arbeitsbedingungen, die unter Verletzung von Artikel 41 dieses Gesetzes vorgenommen wurden und die zu einer Beeinträchtigung der Würde des Arbeitnehmers führen;

…“

9.        Art. 51 des Arbeitnehmerstatuts („Massenentlassung“) lautet auszugsweise:

„(1)      Als Massenentlassung im Sinne dieses Gesetzes gilt die Beendigung von Arbeitsverträgen aus wirtschaftlichen, technischen, organisatorischen oder produktionsbedingten Gründen, wenn sich die Beendigung innerhalb eines Zeitraums von 90 Tagen mindestens auswirkt auf:

a)      10 Arbeitnehmer in Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten.

b)      10 v. H. der Arbeitnehmer in Unternehmen mit 100 bis 300 Beschäftigten.

c)      30 Arbeitnehmer in Unternehmen mit 300 oder mehr Beschäftigten.

Für die Berechnung der Zahl der Vertragsbeendigungen im Sinne dieses Abs. 1 Unterabs. 1 werden auch alle sonstigen Beendigungen berücksichtigt, die im Referenzzeitraum auf Veranlassung des Arbeitgebers aus anderen Gründen erfolgen, die nicht in der Person des Arbeitnehmers liegen …, sofern wenigstens fünf Arbeitnehmer betroffen sind.

…“

10.      Nach Art. 122 Abs. 2 Buchst. b der Ley 36/2011 Reguladora de la Jurisdicción Social(7) ist eine Vertragsbeendigung nichtig, wenn sie unter Umgehung der bestehenden Vorschriften für Massenentlassungen erfolgt ist.

III – Sachverhalt und Vorlagefragen

11.      Dem vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren liegt ein Rechtsstreit zwischen Herrn Pujante Rivera und seinem früheren Arbeitgeber, dem Unternehmen Gestora Clubs Dir (im Folgenden: Gestora), zugrunde.

12.      Anfang September 2013 beschäftigte Gestora 126 Arbeitnehmer, davon 114 unbefristet und 12 befristet.

13.      Zwischen dem 16. und dem 26. September 2013 beendete Gestora die Arbeitsverhältnisse von zehn seiner Beschäftigten aus objektiven Gründen, darunter auch jenes mit Herrn Pujante Rivera. Hierfür wurden jeweils wirtschaftliche, produktionsbedingte und organisatorische Gründe angeführt. In den 90 Tagen vor und nach dem 26. September 2013 kam es darüber hinaus zu 31 weiteren Vertragsbeendigungen. Dabei handelte es sich um 23 Beendigungen infolge Ablaufs der vereinbarten Vertragsdauer, fünf freiwillige Beendigungen, eine Kündigung aus disziplinarischen Gründen, die später unter Zahlung einer Entschädigung als unstatthaft anerkannt wurde, eine Beendigung während der Probezeit sowie schließlich eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Art. 50 des Arbeitnehmerstatuts.

14.      Die von letzterer Beendigung betroffene Arbeitnehmerin erhielt am 15. September 2013 eine auf Art. 41 des Arbeitnehmerstatuts gestützte Mitteilung über die Änderung ihrer Vertragsbedingungen, die in der Herabsetzung ihres Festgehalts um 25 % bestand und auf dieselben objektiven Gründe gestützt war, wie sie in den anderen Einzelbeendigungen zwischen dem 16. und dem 26. September 2013 geltend gemacht worden waren. Fünf Tage darauf willigte die betroffene Arbeitnehmerin in einen Aufhebungsvertrag ein. In einem späteren behördlichen Schlichtungsverfahren erkannte Gestora allerdings an, dass die der Arbeitnehmerin mitgeteilten Änderungen des Arbeitsvertrags den von Art. 41 des Arbeitnehmerstatuts gesteckten Rahmen überschritten hatten, und stimmte einer Beendigung des Arbeitsvertrags nach Art. 50 des Arbeitnehmerstatuts unter Zahlung einer Entschädigung zu.

15.      Herr Pujante Rivera focht seinerseits die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses an. Seiner Ansicht nach hätte Gestora angesichts der Gesamtzahl aller Vertragsbeendigungen im Zeitraum von 90 Tagen vor und nach seiner Entlassung ein Verfahren für eine Massenentlassung durchführen müssen. Zum Zweck der Berechnung der numerischen Schwelle, die für die Durchführung eines solchen Verfahrens maßgeblich ist, wären seiner Meinung nach neben den Vertragsbeendigungen aus objektiven Gründen sämtliche weiteren in diesem Zeitraum erfolgten Beendigungen, mit Ausnahme der fünf freiwilligen, mitzuzählen gewesen.

16.      Demgegenüber vertrat Gestora die Auffassung, dass für die Berechnung der numerischen Schwelle neben den zehn Beendigungen aus objektiven Gründen zwar auch die später als unstatthaft anerkannte Kündigung aus disziplinarischen Gründen zu berücksichtigen war, nicht jedoch die sonstigen Vertragsbeendigungen. Ein Massenentlassungsverfahren war daher ihrer Ansicht nach nicht durchzuführen.

17.      Der mittlerweile mit dem Rechtsstreit befasste Juzgado de lo Social de Barcelona hegt in diesem Zusammenhang Zweifel an der Auslegung der Richtlinie 98/59 und legte unserem Gerichtshof mit Beschluss vom 1. September 2014, eingegangen am 12. September 2014, die folgenden drei Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1)      Sofern befristet beschäftigte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverträge infolge des regulären Ablaufs der vereinbarten Vertragsdauer enden, nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/59/EG nicht in deren Anwendungs- und Schutzbereich fallen, entspricht es dann dem Zweck der Richtlinie, dass – umgekehrt – diese Beendigungen bei der Bestimmung der Zahl der „in der Regel“ im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind, wenn es um die Berechnung der numerischen Schwelle der Massenentlassung (10 % oder 30 Arbeitnehmer) nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie geht?

2)      Das Gebot der „Gleichstellung“ von „Beendigungen des Arbeitsvertrages“ mit „Entlassungen“ in Art. 1 Abs. 1 letzter Unterabsatz der Richtlinie 98/59 steht unter dem Vorbehalt „sofern die Zahl der Entlassungen mindestens fünf beträgt“. Ist dieser Vorbehalt in dem Sinne auszulegen, dass er sich auf die „Entlassungen“ bezieht, die vom Arbeitgeber nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie zuvor vorgenommen oder veranlasst wurden, und nicht etwa auf die Anzahl der „gleichzustellenden Vertragsbeendigungen“, die mindestens vorhanden sein müssen, damit das Gleichstellungsgebot greift?

3)      Umfasst der Begriff „Beendigungen des Arbeitsvertrags, die auf Veranlassung des Arbeitgebers und aus einem oder mehreren Gründen, die nicht in der Person der Arbeitnehmer liegen, erfolgen“, der im letzten Unterabsatz des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 98/59 definiert ist, auch eine zwischen dem Arbeitgeber und der Arbeitnehmerin einvernehmlich erfolgte Vertragsbeendigung, die, obwohl sie auf Verlangen der Arbeitnehmerin zustande kommt, eine Reaktion auf eine vorher vorgenommene Änderung von Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber infolge einer Unternehmenskrise darstellt und schließlich mit einer Summe entschädigt wird, deren Höhe der Entschädigung für eine unstatthafte Kündigung entspricht?

18.      Im Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof haben Herr Pujante Rivera, Gestora, das Königreich Spanien, die Republik Polen und die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen.

IV – Rechtliche Würdigung

A –    Zur Zulässigkeit

19.      Gestora bestreitet die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens, da sie die in Rede stehenden Bestimmungen der Richtlinie 98/59, wie auch jene des nationalen Rechts, als sehr klar und sich nicht widersprechend ansieht und folglich eine Befassung unseres Gerichtshofs für nicht erforderlich hält.

20.      Dazu ist anzumerken, dass sich die innerstaatlichen Gerichte nach ständiger Rechtsprechung gemäß Art. 267 AEUV an den Gerichtshof wenden können, wenn sie es für angebracht halten und sich ihnen in einem anhängigen Rechtsstreit Fragen betreffend die Auslegung oder die Gültigkeit einer unionsrechtlichen Regelung stellen. Der Umstand allein, dass die Bestimmungen, um deren Auslegung ersucht wird, bereits ausgelegt worden sind, oder dass Grund zur Annahme besteht, dass sie keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel lassen, hat nicht die Unzuständigkeit des Gerichtshofs zur Folge.(8)

21.      Das Vorabentscheidungsersuchen ist daher zulässig.

B –    Zur ersten Frage

22.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob bei der Bestimmung des Schwellenwerts der in der Regel in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 98/59 auch befristet beschäftigte Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind. Alle Verfahrensbeteiligten mit Ausnahme von Herrn Pujante Rivera bejahen dies.

23.      Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 98/59 regelt die quantitativen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Massenentlassung. In den drei Alternativen dieser Vorschrift wird jeweils sowohl auf eine Mindestanzahl an Entlassungen innerhalb eines Betriebs als auch auf die Zahl der in der Regel in diesem Betrieb tätigen Arbeitnehmer abgestellt.

24.      Für die Beantwortung der ersten Frage ist daher zu prüfen, ob befristet Beschäftigte als Arbeitnehmer im Sinne der genannten Bestimmung anzusehen sind.

25.      Der Unionsgesetzgeber hat den Begriff der Arbeitnehmer im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 98/59 weder definiert, noch hat er zu diesem Zweck auf das Recht der Mitgliedstaaten verwiesen. Wie der Gerichtshof bereits wiederholt entschieden hat, ist dieser Arbeitnehmerbegriff autonom und einheitlich auszulegen.(9) Andernfalls stünden die Berechnungsmodalitäten für die in dieser Bestimmung vorgesehenen Schwellenwerte und damit diese Schwellenwerte selbst zur Disposition der Mitgliedstaaten, was ihnen erlauben würde, den Anwendungsbereich der Richtlinie zu verändern und ihr somit ihre volle Wirksamkeit zu nehmen.(10)

26.      Folglich ist der Begriff der Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie 98/59 anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der Betroffenen kennzeichnen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält.(11)

27.      Der Arbeitnehmerbegriff ist somit weit zu verstehen und maßgeblich mit der Weisungsgebundenheit einer vergüteten Tätigkeit umrissen. Diese Voraussetzungen sind auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen gegeben. Personen, deren Arbeitsverhältnisse auf eine bestimmte Dauer ober bis zum Abschluss einer bestimmten Tätigkeit gelten, sind daher als Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie 98/59 anzusehen, sofern ihre Arbeitstätigkeit weisungsgebunden erfolgt und sie eine Gegenleistung in Form einer Vergütung erhalten.

28.      Aus dem Begriff des Arbeitnehmers im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 98/59 folgt somit, dass bei der Ermittlung der in der Regel in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer auch Personen mit befristeten Arbeitsverhältnissen miteinzubeziehen sind. In dieselbe Richtung geht auch die bisherige Rechtsprechung, wonach bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i. der Richtlinie nicht – und sei es auch nur zeitweilig – unberücksichtigt bleiben dürfen.(12)

29.      Entgegen den Erwägungen des vorlegenden Gerichts steht dies nicht im Widerspruch zu dem Umstand, dass nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/59 auf befristet beschäftigte Arbeitnehmer die in der Richtlinie vorgesehenen Verfahren grundsätzlich keine Anwendung finden, so dass diese Arbeitnehmer insoweit vom „Anwendungsbereich der Richtlinie“ ausgenommen sind.

30.      Zum einen ist nämlich darauf hinzuweisen, dass befristet beschäftigte Arbeitnehmer ausweislich des letzten Halbsatzes von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a sehr wohl dem Anwendungsbereich der Richtlinie 98/59 unterfallen, wenn ihr Arbeitsverhältnis vor Ablauf oder Erfüllung des Vertrags beendet wird.

31.      Zum anderen sind die personelle Bereichsausnahme für befristet beschäftigte Arbeitnehmer einerseits und die in der Richtlinie festgelegte Methode der Schwellenwertberechnung andererseits vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Zielsetzungen zu sehen. Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/59 nimmt befristet Beschäftigte nur insofern vom Anwendungsbereich der Richtlinie aus, als für sie in Fällen, in denen ihr Beschäftigungsverhältnis regulär mit Zeitablauf bzw. abgeschlossener Tätigkeit endet, kein gleich gelagertes Schutzbedürfnis wie für unbefristet Beschäftigte besteht. Die in der Richtlinie vorgesehenen Konsultations- und Informationspflichten kommen für sie daher im Regelfall nicht zum Tragen.

32.      Indem der Unionsgesetzgeber demgegenüber in Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i. der Richtlinie 98/59 das Vorliegen einer Massenentlassung sowohl von einer Mindestanzahl an Entlassungen als auch von der Zahl der im jeweiligen Betrieb in der Regel tätigen Arbeitnehmer abhängig gemacht hat, bringt er zum Ausdruck, dass Arbeitgebern die Last der Durchführung des in der Richtlinie vorgesehenen Verfahrens nur auferlegt sein soll, wenn der entsprechende Betrieb eine bestimmte Mindestgröße aufweist. Diese Betriebsgröße soll sich nach der Zahl der regelmäßig dort beschäftigten Arbeitnehmer bemessen, ohne dass in diesem Zusammenhang die Natur der Arbeitsverhältnisse von Relevanz wäre.(13)

33.      Wenig stichhaltig ist darüber hinaus das Argument des vorlegenden Gerichts, die Berücksichtigung befristet beschäftigter Arbeitnehmer bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl eines Betriebs ziehe einen „unlogischen und den Zielen der Richtlinie klar widersprechenden Effekt“ nach sich, da es zu einer Verfälschung des Schwellenwerts zum Nachteil der Arbeitnehmer komme.

34.      Dieses Argument vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil ein solcher für die Arbeitnehmer nachteiliger Effekt allenfalls in der zweiten Alternative von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i. der Richtlinie 98/59 auftreten könnte. Nur dort bemisst sich nämlich die Mindestanzahl entlassener Arbeitnehmer prozentual nach der Anzahl der Beschäftigten. Demgegenüber ist dies in den anderen beiden Alternativen der Vorschrift gerade nicht der Fall. Dort erweist sich die Berücksichtigung befristet beschäftigter Arbeitnehmer bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl somit als für die Arbeitnehmer vorteilhaft und dem Arbeitnehmerschutz zuträglich, weil der Schwellenwert insgesamt einfacher erreicht werden kann. Sie entspricht damit der Zielsetzung der Richtlinie.(14)

35.      Es bestehen folglich keine zwingenden Gründe, nach denen aufgrund systematischer oder teleologischer Erwägungen befristet beschäftigte Arbeitnehmer bei der Bestimmung der Beschäftigtenzahl im Rahmen von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 98/59 entgegen dem Wortlaut dieser Norm unberücksichtigt bleiben müssten.

36.      Gleichwohl ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass in sämtlichen der drei in Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 98/59 enthaltenen Alternativen von den in der Regel im Betrieb tätigen Arbeitnehmern die Rede ist. Daraus folgt, dass es bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl eines Betriebs weder auf eine Stichtags- noch auf eine Durchschnittsbetrachtung ankommen kann. Die Wendung in der Regel lässt vielmehr darauf schließen, dass auf die Anzahl der bei gewöhnlichem Geschäftsgang beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen ist. Dies kann etwa zur Folge haben, dass zur Abdeckung erhöhten Arbeitsanfalls während einer Spitzenbelastung vorübergehend beschäftigte Arbeitnehmer außer Acht bleiben, da es sich bei ihnen nicht um in der Regel im Betrieb tätige Arbeitnehmer handelt.

37.      Auf die erste Frage ist damit zu antworten, dass befristet beschäftigte Arbeitnehmer bei der Bestimmung der Zahl der in der Regel, d. h. bei gewöhnlichem Geschäftsgang, in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 98/59 zu berücksichtigen sind.

C –    Zur zweiten Frage

38.      Die zweite Vorlagefrage betrifft Art. 1 Abs. 1 letzter Unterabsatz der Richtlinie 98/59. Nach dieser Bestimmung werden für die Berechnung der Zahl der Entlassungen gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie den Entlassungen im eigentlichen Sinne bestimmte sonstige Beendigungen von Arbeitsverträgen gleichgestellt. Dieses Gleichstellungsgebot steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass „die Zahl der Entlassungen mindestens fünf beträgt“.

39.      Das vorlegende Gericht möchte nun geklärt wissen, ob sich dieser Vorbehalt auf die Zahl der Entlassungen bezieht, die vom Arbeitgeber nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59 vorgenommen werden, oder aber auf die Zahl der diesen Entlassungen gleichzustellenden Vertragsbeendigungen. Darüber sind die Verfahrensbeteiligten geteilter Meinung.

40.      Aus dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 letzter Unterabsatz der Richtlinie 98/59 ist klar zu folgern, dass eine Mindestanzahl von fünf Entlassungen, nicht jedoch von fünf sonstigen Vertragsbeendigungen vorliegen muss, damit das Gleichstellungsgebot greift. Ein Blick auf andere Sprachfassungen der Richtlinie bestätigt dies.(15)

41.      Diese Auslegung wird überdies durch den achten Erwägungsgrund der Richtlinie 98/59 gestützt, nach dem im Hinblick auf die Berechnung der Schwellenwerte den Entlassungen bestimmte andere Arten einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gleichgestellt werden, sofern die Zahl der Entlassungen mindestens fünf beträgt.

42.      Zwar mag es, wie Gestora vorträgt, zutreffen, dass bei Vorliegen von nicht mehr als vier „echten“ Entlassungen selbst eine sehr große Anzahl an gleichzustellenden Beendigungen unberücksichtigt bleibt und damit die Richtlinie 98/59 keine Anwendung findet. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Unionsgesetzgeber diese Konsequenz bewusst in Kauf genommen hat.

43.      Wie nämlich aus der Systematik der Richtlinie 98/59 zu schließen ist, sollen Hauptgegenstand der Richtlinie „echte“ Entlassungen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a sein. Diesen werden andere Vertragsbeendigungen lediglich unter bestimmten Umständen gleichgestellt. Die Entstehungsgeschichte der Richtlinie zeigt, dass der Unionsgesetzgeber davon Abstand genommen hat, beide Formen der Vertragsbeendigung unter einen einheitlichen Tatbestand zu fassen.(16)

44.      Entgegen dem Vorbringen der Republik Polen wird damit auch kein ungerechtfertigter, zusätzlicher Schwellenwert für die Anwendbarkeit der Richtlinie 98/59 geschaffen, wenn im Rahmen von Art. 1 Abs. 1 letzter Unterabsatz auf eine Mindestanzahl von fünf „echten“ Entlassungen abgestellt wird. Vielmehr kommt es dadurch – im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie 98/59(17) – zu einer Erleichterung der Anwendungsvoraussetzungen für das Verfahren der Massenentlassung. Während nämlich Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59 grundsätzlich einen absoluten Mindestwert von zehn echten Entlassungen verlangt, wird dieser Mindestwert effektiv auf fünf gesenkt, sofern gleichzeitig zumindest fünf gleichzustellende Vertragsbeendigungen vorliegen.

45.      Schließlich ist die Auffassung des Königreichs Spanien zurückzuweisen, nach der auch eine nationale Regelung mit der Richtlinie 98/59 vereinbar sei, die, damit das Gleichstellungsgebot greife, nicht eine Mindestanzahl von fünf „echten“ Entlassungen, sondern von fünf gleichzustellenden Vertragsbeendigungen verlange. Denn soweit Spanien in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass nach nationalem Recht eine Vielzahl an Beendigungsformen unter diesen Begriff falle und das Erfordernis damit leicht zu erfüllen sei, zeigt der Sachverhalt dieses Verfahrens gerade das Gegenteil. Darüber hinaus handelt es sich auch nicht um eine für betroffene Arbeitnehmer günstigere Abweichung von den Richtlinienvorgaben, die vorzusehen den Mitgliedstaaten nach Art. 5 der Richtlinie unbenommen bleibt.

46.      Die zweite Frage ist folglich dahin zu beantworten, dass sich die in Art. 1 Abs. 1 letzter Unterabsatz der Richtlinie 98/59 enthaltene Wendung „sofern die Zahl der Entlassungen mindestens fünf beträgt“ auf die Zahl der Entlassungen im eigentlichen Sinne bezieht, die vom Arbeitgeber nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59 vorgenommen werden.

D –    Zur dritten Frage

47.      Die dritte Frage des vorlegenden Gerichts zielt darauf ab, zu erfahren, ob eine einvernehmliche Vertragsbeendigung, die zwar auf Verlangen der betroffenen Arbeitnehmerin erfolgte, aber in Wirklichkeit nur eine Reaktion auf eine Änderung ihrer Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber darstellte und schließlich mit einer Entschädigung abgefunden wurde, als eine einer Entlassung gleichzustellende Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von Art. 1 Abs. 1 letzter Unterabsatz der Richtlinie 98/59 anzusehen ist.

48.      Wenngleich also mit dieser Frage lediglich geklärt werden soll, ob eine Vertragsbeendigung unter den beschriebenen Umständen als eine einer Entlassung gleichzustellende Beendigung qualifiziert werden kann, halte ich es für geboten, vorab zu prüfen, ob nicht in einer wesentlichen Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Arbeitgeberseite bereits eine Entlassung im Sinne der Richtlinie 98/59 zu sehen ist. Nur so kann dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort gegeben werden.(18)

49.      Ob es sich um eine Entlassung handelt oder lediglich um eine der Entlassung gleichzustellende Vertragsbeendigung, hat erhebliche praktische Auswirkungen. Denn nur für Entlassungen gelten die in der Richtlinie 98/59 zugunsten der Arbeitnehmer vorgesehenen Schutzvorschriften bei Massenentlassungen. Hingegen werden gleichzustellende Vertragsbeendigungen lediglich bei der Berechnung der Schwellenwerte für die Anwendung der Richtlinie mit berücksichtigt, ohne dass aber die betroffenen Arbeitnehmer selbst in den Genuss der Schutzvorschriften der Richtlinie kämen.

50.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist dem Begriff der Entlassung im Sinne der Richtlinie 98/59 eine unionsrechtliche Bedeutung beizumessen. Er umfasst jede vom Arbeitnehmer nicht gewollte, also ohne seine Zustimmung erfolgte Beendigung des Arbeitsvertrags.(19) Für eine Entlassung wesentlich ist damit zum einen, dass ein bislang bestehendes Arbeitsverhältnis beendet wird, sowie zum anderen, dass diese Beendigung nicht vom Willen des betroffenen Arbeitnehmers gedeckt ist.

51.      Das spanische Arbeitsrecht zeichnet sich dadurch aus, dass ein Arbeitgeber gemäß Art. 41 des Arbeitnehmerstatuts einseitig bestimmte wesentliche Änderungen der Arbeitsbedingungen seiner Beschäftigten vornehmen kann, wenn hierfür objektive Gründe bestehen. Erleidet der Arbeitnehmer dadurch allerdings einen Schaden, ist er seinerseits zur Kündigung berechtigt (Austrittsrecht) und hat Anspruch auf eine Entschädigung.

52.      Formal betrachtet besteht damit in solchen Fällen das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, der dieses Austrittsrecht nicht wahrnimmt, ununterbrochen fort. Dementsprechend wäre bei vordergründiger Betrachtung in einem solchen Fall auch das Vorliegen einer „echten“ Entlassung im Sinne der Richtlinie 98/59 mangels einer Beendigung des Arbeitsvertrags zu verneinen.

53.      Eine solche Betrachtungsweise greift allerdings bereits deshalb zu kurz, weil kein Zweifel daran bestehen kann, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls in der Form endet, in der es ursprünglich ausgestaltet war. Eine Fortsetzung findet es nur zu den vom Arbeitgeber einseitig festgelegten, wesentlich veränderten Bedingungen.(20)

54.      Unter Umständen, unter denen ein Arbeitnehmer ohne sein Zutun oder Einverständnis mit einer erheblichen Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen konfrontiert ist, die wesentliche Elemente seines Arbeitsvertrags betrifft, ist er aber im Hinblick auf die in der Richtlinie 98/59 vorgesehenen Informations- und Konsultationspflichten des Arbeitgebers nicht weniger schutzwürdig als ein entlassener Arbeitnehmer.

55.      Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Regelung des Art. 41 des Arbeitnehmerstatuts vor dem Hintergrund fundamentaler vertragsrechtlicher Erwägungen eine Besonderheit darstellt. Denn streng nach dem Prinzip pacta sunt servanda, das einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt(21) und auch im spanischen Zivilrecht Verankerung findet(22), kann ein Arbeitgeber ohne die Zustimmung seines Arbeitnehmers die zwischen ihnen bestehende Vertragsbeziehung grundsätzlich nicht einseitig verändern, es sei denn, im Arbeitsvertrag selbst wurde etwas anderes festgelegt. Normalerweise können einem Arbeitnehmer von Arbeitgeberseite gewünschte wesentliche Änderungen des Arbeitsverhältnisses in Ermangelung gegenseitigen Einvernehmens allenfalls in Form einer Änderungskündigung auferlegt werden, d. h. in Form einer Entlassung, die mit dem gleichzeitigen Angebot verbunden ist, das Arbeitsverhältnis unter geänderten Bedingungen im Rahmen eines entsprechend angepassten Vertrags fortzusetzen.

56.      Zweifelsohne steht es den Mitgliedstaaten frei, vom Prinzip der Vertragstreue abweichend eine einseitige Änderung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber gesetzlich zuzulassen und vorzusehen, dass sich der Arbeitnehmer einer solchen Änderung erst ausdrücklich wiedersetzen muss. Dies darf jedoch nicht zu einer Beeinträchtigung des Schutzes und der Rechte führen, die dem Arbeitnehmer nach der Richtlinie 98/59 zustehen. Alles andere würde dem vom Gerichtshof bereits mehrfach betonten, grundlegenden Richtlinienziel zuwiderlaufen, im Fall von Massenentlassungen einen vergleichbaren Schutz der Rechte der Arbeitnehmer in der gesamten Union zu gewährleisten.(23) Diesen Schutz zu verstärken, ist gerade das Ziel der Richtlinie 98/59.(24)

57.      Führt daher ein Arbeitgeber einseitig eine Änderung der Arbeitsbedingungen herbei, die auf nicht in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen beruht und die eine erhebliche, wesentliche Elemente des Arbeitsvertrags betreffende Verschlechterung für den Arbeitnehmer bewirkt, so stellt dieser Vorgang eine Entlassung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59 dar. Mit der Kommission stimme ich darin überein, dass man einen solchen Vorgang als indirekte Entlassung bezeichnen kann, für die nach der Richtlinie 98/59 der gleiche Arbeitnehmerschutz zu gewährleisten ist wie für eine vom Arbeitgeber ausdrücklich ausgesprochene Entlassung.

58.      Sollte der Gerichtshof jedoch im Rahmen dieser dritten Vorlagefrage – entgegen meinen bisherigen Ausführungen – das Vorliegen einer (indirekten) Entlassung verneinen, wäre anzumerken, dass dann auf jeden Fall von einer der Entlassung gleichzustellenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von Art. 1 Abs. 1 letzter Unterabsatz der Richtlinie 98/59 auszugehen wäre.

59.      Denn diese Bestimmung erfasst ihrem Wortlaut nach Beendigungen des Arbeitsvertrags, die auf Veranlassung des Arbeitgebers und aus nicht in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen erfolgen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs unterscheiden sich derartige Beendigungen von Entlassungen dadurch, dass Letztere ohne Zustimmung des Arbeitnehmers erfolgen.(25) Eine der Entlassung gleichzustellende Vertragsbeendigung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 letzter Unterabsatz der Richtlinie 98/59 ist damit jede durch den Arbeitgeber veranlasste, auf objektiven Gründen – d. h. auf nicht in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen – beruhende Vertragsbeendigung, die mit dem Einverständnis des betroffenen Arbeitnehmers erfolgt.

60.      In einem Fall wie der hier in Rede stehenden einvernehmlichen Vertragsbeendigung, die auf Verlangen der betroffenen Arbeitnehmerin erfolgte, aber letztlich eine Reaktion auf die einseitige wesentliche Änderung ihrer Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber darstellt, besteht an der Zustimmung des Arbeitnehmers kein Zweifel. Es bereitet darüber hinaus auch keine Schwierigkeiten, die Beendigung als vom Arbeitgeber veranlasst anzusehen, da von diesem die ursprüngliche Initiative zur Änderung der Arbeitsbedingungen ausgegangen war. Denkt man sich sein Handeln weg, so ist davon auszugehen, dass es nicht zur Vertragsbeendigung gekommen wäre. Die Änderung wurzelte ferner, soweit ersichtlich, auch nicht in personenbedingten Motiven.

61.      Auf die dritte Vorlagefrage ist folglich zu antworten, dass dem Begriff der Entlassung nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59 ein Vorgang unterfällt, in dem ein Arbeitgeber einseitig eine wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen eines Arbeitnehmers vornimmt, die auf nicht in dessen Person liegenden Gründen beruht und die eine erhebliche, wesentliche Elemente des Arbeitsvertrags betreffende Verschlechterung für ihn bewirkt.

V –    Ergebnis

62.      Im Lichte der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof daher vor, das Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de lo Social de Barcelona wie folgt zu beantworten:

Die Richtlinie 98/59/EG ist dahin auszulegen, dass

–        bei der Bestimmung der Zahl der in der Regel in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit zu berücksichtigen sind;

–        sich die in Art. 1 Abs. 1 letzter Unterabsatz der Richtlinie enthaltene Wendung „sofern die Zahl der Entlassungen mindestens fünf beträgt“ auf die Zahl der Entlassungen im eigentlichen Sinne bezieht, die vom Arbeitgeber nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie vorgenommen werden;

–        dem Begriff der „Entlassung“ nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie ein Vorgang unterfällt, in dem ein Arbeitgeber einseitig eine wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen eines Arbeitnehmers vornimmt, die auf nicht in dessen Person liegenden Gründen beruht und die eine erhebliche, wesentliche Elemente des Arbeitsvertrags betreffende Verschlechterung für ihn bewirkt.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2 – Richtlinie des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. L 225, S. 16).


3 – Siehe nur die hierzu allein in diesem Jahr bereits ergangenen Urteile USDAW und Wilson (C‑80/14, EU:C:2015:291), Lyttle u. a. (C‑182/13, EU:C:2015:317), Rabal Cañas (C‑392/13, EU:C:2015:318) und Balkaya (C‑229/14, EU:C:2015:455).


4 – Richtlinie des Rates vom 17. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. L 48, S. 29).


5 – Richtlinie des Rates vom 24. Juni 1992 zur Änderung der Richtlinie 75/129/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. L 245, S. 3).


6 – Real Decreto Legislativo 1/1995 vom 24. März 1995.


7 –      Gesetz 36/2011 über die Arbeits- und Sozialgerichtsordnung.


8 – Vgl. Urteile Cilfit u. a. (283/81, EU:C:1982:335, Rn. 13 bis 15), Boxus u. a. (C‑128/09 bis C‑131/09, C‑134/09 und C‑135/09, EU:C:2011:667, Rn. 32) und Torresi (C‑58/13 und C‑59/13, EU:C:2014:2088, Rn. 32).


9 – Urteile Kommission/Italien (C‑596/12, EU:C:2014:77, Rn. 16) und Balkaya (C‑229/14, EU:C:2015:455, Rn. 33); vgl. auch Urteil Kommission/Portugal (C‑55/02, EU:C:2004:605, Rn. 49).


10 –      Urteile Confédération générale du travail u. a. (C‑385/05, EU:C:2007:37, Rn. 47) und Balkaya (C-229,14, EU:C:2015:455, Rn. 33).


11 –      Urteile Lawrie-Blum (66/85, EU:C:1986:284, Rn. 16 und 17), Allonby (C‑256/01, EU:C:2004:18, Rn. 67), Kiiski (C‑116/06, EU:C:2007:536, Rn. 25), Danosa (C‑232/09, EU:C:2010:674, Rn. 39), Kommission/Italien (C‑596/12, EU:C:2014:77, Rn. 17) und Balkaya (C‑229/14, EU:C:2015:455, Rn. 34).


12 –      Urteil Confédération générale du travail u. a. (C‑385/05, EU:C:2007:37, Rn. 49).


13 –      Diese Erwägungen werden durch die Entstehungsgeschichte der Richtlinie untermauert. Nach dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission für die spätere Richtlinie 75/129/EWG sollte eine Massenentlassung stets dann vorliegen, wenn ein Arbeitgeber, unabhängig von jeder Betriebsgröße, mehr als zehn Arbeitnehmer entlässt (vgl. Vorschlag der Kommission vom 8. November 1972, KOM[72] 1400 endg., S. 5). Die schließlich eingeführte und noch heute geltende Struktur der Schwellenwertberechnung nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie ging auf eine Anregung des Wirtschafts- und Sozialausschusses zurück, der das Abstellen auf eine „starre Mindestzahl von Entlassungen“ kritisiert hatte, weil eine „Entlassung von 10 Arbeitnehmern … in Anbetracht der unterschiedlichen Unternehmensgröße je nach der Gesamtbeschäftigtenanzahl von unterschiedlichem Gewicht“ sein kann (vgl. Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 27. Juni 1973, ABl. C 100, S. 13 und 14).


14 – Vgl. dazu den zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 98/59, wonach der Schutz der Arbeitnehmer bei Massenentlassungen verstärkt werden soll.


15 – Vgl. insbesondere die spanische („siempre y cuando los despidos sean al menos 5“), englische („provided that there are at least five redundancies“) und französische Sprachfassung („à condition que les licenciements soient au moins au nombre de cinq“) von Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2 letzter Halbsatz der Richtlinie 98/59.


16 –      Die Kommission wollte in ihrem Vorschlag, der der Richtlinie 92/56/EWG vorausgegangen ist, den Begriff der Massenentlassung weiter fassen. Als Massenentlassung sollte jede von einem Arbeitgeber ausgehende Beendigung von Arbeitsverträgen anzusehen sein, die aus Gründen erfolgt, die nicht in der Person der Arbeitnehmer liegen, und die die entsprechenden Schwellenwerte überschreitet (vgl. Vorschlag der Kommission vom 31. März 1992, KOM[92] 127 endg., S. 8). Der Richtliniengeber folgte diesem Vorschlag jedoch nicht. Es blieb daher bei der ursprünglichen und noch heute geltenden Definition der Massenentlassung nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie, doch wurde Art. 1 Abs. 1 ein letzter Unterabsatz in Bezug auf Entlassungen gleichzustellende Vertragsbeendigungen hinzugefügt.


17 – Vgl. dazu nochmals den zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 98/59, wonach der Schutz der Arbeitnehmer bei Massenentlassungen verstärkt werden soll.


18 – Zur Notwendigkeit, dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, vgl. Urteile SARPP (C‑241/89, EU:C:1990:459, Rn. 8), Aventis Pasteur (C‑358/08, EU:C:2009:744, Rn. 50), Fuß (C‑243/09, EU:C:2010:609, Rn. 39) und Centre public d’action sociale d’Ottignies-Louvain-La-Neuve (C‑562/13, EU:C:2014:2453, Rn. 37).


19 –      Vgl. Urteile Kommission/Portugal (C‑55/02, EU:C:2004:605, Rn. 49 und 50) und Agorastoudis u. a. (C‑187/05 bis C‑190/05, EU:C:2006:535, Rn. 28).


20 – Dementsprechend sieht das spanische Recht bestimmte Änderungen der Arbeitsbedingungen als derart gravierend an, dass einem betroffenen Arbeitnehmer in diesem Fall ein außerordentliches Austrittsrecht und ein Entschädigungsanspruch zugebilligt wird.


21 – Vgl. etwa die Urteile Racke (C‑162/96, EU:C:1998:293, Rn. 49) und Distilleria Palma/Kommission (T‑154/01, EU:T:2004:154, Rn. 45).


22 –      Siehe Art. 1258 des spanischen Zivilgesetzbuchs.


23 – Vgl. Urteile Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑383/92, EU:C:1994:234, Rn. 16), Kommission/Portugal (C‑55/02, EU:C:2004:605, Rn. 48), Confédération générale du travail u. a. (C‑385/05, EU:C:2007:37, Rn. 43) und USDAW und Wilson (C‑80/14, EU:C:2015:291, Rn. 62).


24 – Vgl. nochmals den zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 98/59.


25 –      Vgl. Urteil Kommission/Portugal (C‑55/02, EU:C:2004:605, Rn. 56).