Language of document : ECLI:EU:C:2016:30

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

21. Januar 2016(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Freizügigkeit – Arbeitnehmer – Art. 45 AEUV und 48 AEUV – Leistungen bei Alter – Ungleichbehandlung aufgrund des Alters – Beamte eines Mitgliedstaats, die das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und diesen Mitgliedstaat verlassen, um eine berufliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat oder bei einem Organ der Europäischen Union auszuüben“

In der Rechtssache C‑515/14

betreffend ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 14. November 2014,

Europäische Kommission, vertreten durch H. Tserepa‑Lacombe und D. Martin als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Zypern, vertreten durch N. Ioannou und D. Kalli als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter A. Arabadjiev, J.‑C. Bonichot, S. Rodin und E. Regan,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Republik Zypern dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 45 AEUV und 48 AEUV sowie Art. 4 Abs. 3 EUV verstoßen hat, dass sie nicht rückwirkend zum 1. Mai 2004 die an das Lebensalter geknüpfte Voraussetzung in Art. 27 des Gesetzes 97 (I)/1997 über die Altersruhegelder aufgehoben hat, die bewirkt, dass Arbeitnehmer davon absehen, ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, um eine berufliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat oder bei einem Organ der Europäischen Union oder einer anderen internationalen Organisation aufzunehmen, und die eine Ungleichbehandlung zwischen Wanderarbeitnehmern einschließlich der bei den Unionsorganen oder in einer anderen internationalen Organisation beschäftigten auf der einen Seite und den Beamten, die ihre Tätigkeit in Zypern ausgeübt haben, auf der anderen Seite zur Folge hat.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 24 Abs. 1 des Gesetzes 97 (I)/1997 lautet:

„Gibt ein Beamter seine Beschäftigung auf, um eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst auszuüben, die mit der Position oder dem Dienstposten, die er zuvor innegehabt hat, unvereinbar ist, erhält er in allen Fällen für seine Tätigkeit:

a)      ein Ruhegehalt gemäß Art. 8 (Pensionskoeffizient und Pauschalbetrag), ohne dass die Voraussetzung der fünfjährigen Tätigkeit erfüllt sein muss, und

b)      ein zusätzliches Ruhegehalt in Höhe des Betrags, den der Ministerrat für angemessen und vernünftig erachtet.“

3        In Art. 25 Abs. 1 dieses Gesetzes heißt es:

„Wird einem Beamten, der einen Dienstposten innehat, der Anspruch auf Ruhegehalt eröffnet, gestattet, diesen Posten im Hinblick auf seine bevorstehende Ernennung bei einer Körperschaft zu verlassen, zahlt die Regierung der Republik Zypern der Körperschaft in dem Zeitpunkt, in dem der Beamte aus dem öffentlichen Dienst ausscheidet, einen Pauschalbetrag, der einem Zwölftel der am Tag seines Ausscheidens ruhegehaltsfähigen monatlichen Bezüge für jeden Monat, in dem er im Dienst war, und einen Betrag, der der Höhe der von dem Beamten für die Übertragung des Ruhegehalts auf seine Witwe und seine Kinder entrichteten Beiträge zuzüglich Zinsen in vom Finanzminister festgelegter Höhe entspricht. In diesem Fall wird seine Tätigkeit im öffentlichen Dienst von der Körperschaft bei der Berechnung der Dauer der Tätigkeit berücksichtigt, die ihm einen Anspruch auf Vergünstigungen gibt, und bei der Berechnung der Vergünstigungen beim Ausscheiden aus dem Dienst, auf die er nach der für die Körperschaft geltenden Regelung über Vorteile beim Ausscheiden, die mit dem staatlichen Rentensystem vergleichbar ist, einen Anspruch gegen die Körperschaft hat.“

4        Art. 27 Abs. 1 des Gesetzes 97 (I)/1997 bestimmt:

„a)      Stellt ein Beamter, der das 45. Lebensjahr vollendet hat und einen Dienstposten innehat, der Anspruch auf Ruhegehalt eröffnet, sowie mindestens fünf Dienstjahre zurückgelegt hat …, einen Antrag auf frühzeitiges Ausscheiden aus dem Dienst, der von der zuständigen Stelle angenommen wird, erhält er unmittelbar den Pauschalbetrag, auf den er für seinen Dienst Anspruch hat, während sein Ruhegehalt konsolidiert und dann gezahlt wird, wenn er das 55. Lebensjahr vollendet hat … Das Ruhegehalt und der Pauschalbetrag werden gemäß Art. 8 (Pensionskoeffizient und Pauschalbetrag) auf der Grundlage seiner Bezüge berechnet, die am Tag seines frühzeitigen Ausscheidens ruhegehaltsfähig sind. Das Ruhegehalt, das von dem Zeitpunkt an gezahlt wird, in dem der Betreffende das 55. Lebensjahr vollendet hat, wird um den Prozentsatz erhöht, um den die Ruhegehälter zwischen dem Zeitpunkt seines Ausscheidens und dem Zeitpunkt der Zahlung des Ruhegehalts gegebenenfalls gestiegen sind …

b)      Scheidet ein Beamter, der einen Dienstposten innehat, der Anspruch auf Ruhegehalt eröffnet, und nicht die weiteren in Buchstabe a genannten Voraussetzungen erfüllt, aber mindestens drei ruhegehaltsfähige Dienstjahre zurückgelegt hat, mit Genehmigung der zuständigen Stelle aus dem Dienst aus, erhält er unmittelbar nach seinem Ausscheiden einen Pauschalbetrag, der einem Zwölftel der am Tag seines Ausscheidens ruhegehaltsfähigen monatlichen Bezüge für jeden Monat, in dem er im Dienst war, entspricht.“

5        Art. 26A des (Änderungs-)Gesetzes 31 (I)/2012 über die Altersruhegelder sieht vor, dass die Beamten, die einen Dienstposten innehaben, der einen Anspruch auf Ruhegehalt im öffentlichen Dienst eröffnet, und aus dem Dienst ausscheiden, um eine Dauerstelle bei einem Organ der Union anzutreten, Anspruch gegen die zyprische Regierung auf Zahlung des Betrags an die Union hat, der dem Kapitalwert der Vorteile entspricht, die sie nach der Regelung über das Ruhegehalt der Beamten erworben haben, wobei der zum Zeitpunkt der tatsächlichen Übertragung bestehende Kapitalwert zugrunde gelegt wird. Art. 26B dieses Gesetzes sieht einen entsprechenden Anspruch hinsichtlich der Übertragung der Ruhegehaltsansprüche des Versorgungssystems der Union auf das Altersruhegeldsystem des nationalen öffentlichen Dienstes vor, wenn ein Beamter der Union, der Ruhegehaltsansprüche erworben hat, auf einen Dienstposten des öffentlichen Dienstes, der Anspruch auf Ruhegehalt eröffnet, ernannt wird. Diese Bestimmungen, die diejenigen des Gesetzes 97 (I)/1997 ändern, sind rückwirkend zum 1. Mai 2004 in Kraft getreten.

6        Das Gesetz 113 (I)]/2011 über die Altersruhegeldvorteile der Beamten und der Bediensteten des öffentlichen Sektors im weiten Sinne einschließlich der Gebietskörperschaften (allgemein anwendbare Bestimmungen) sieht vor, dass die neuen Beamten, d. h. diejenigen, die nach dem am 1. Oktober 2011 erfolgten Inkrafttreten dieses Gesetzes ernannt werden, einem anderen Altersruhegeldsystem unterliegen, das keine Ungleichbehandlung aufgrund des Alters enthält.

 Vorverfahren

7        Nachdem die Kommission die Republik Zypern zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert hatte, richtete sie am 26. März 2012 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an sie, in der sie ihr vorwarf, seit dem 1. Mai 2004 auf das Lebensalter abstellende Vorschriften, die in der zyprischen Altersruhegeldregelung vorgesehen seien, nicht aufgehoben und daher gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 45 AEUV, 48 AEUV sowie Art. 4 Abs. 3 EUV in Verbindung mit Art. 11 Abs. 2 des Anhangs VIII des Statuts der Beamten der Europäischen Union verstoßen zu haben. Die Kommission forderte diesen Mitgliedstaat auf, die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Erhalt nachzukommen.

8        In ihrer Antwort vom 28. Mai 2012 auf die mit Gründen versehene Stellungnahme machte die Republik Zypern geltend, dass eine Gesetzesänderung erfolgt sei, um die Übertragung der Ruhegehaltsansprüche der Beamten zu ermöglichen, die diesen Mitgliedstaat verließen, um eine Tätigkeit bei einem Unionsorgan aufzunehmen, wodurch jeder etwaige Verstoß gegen diese Bestimmungen des Unionsrechts beseitigt worden sei.

9        Da die Kommission diese Antwort für unzureichend hielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

 Zur Zulässigkeit

10      Die Republik Zypern trägt vor, die Klage sei unzulässig, soweit sie dadurch, dass in der Klageschrift erstmals Argumente zur Situation von Beamten vorgebracht würden, die in einem anderen Mitgliedstaat bei einer anderen internationalen Organisation als den Unionsorganen, ernannt würden, den durch das Vorverfahren umschriebenen Streitgegenstand erweitere.

11      Außerdem seien die Rügen in Bezug auf Wanderarbeitnehmer im Allgemeinen unzulässig, da sie nicht hinreichend genau seien und sich das Mahnschreiben sowie die mit Gründen versehene Stellungnahme nur auf die Unionsbeamten als Wanderarbeitnehmer bezögen.

12      Es ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gegenstand der nach Art. 258 AEUV erhobenen Klage durch das in dieser Vorschrift vorgesehene vorprozessuale Verfahren umschrieben wird, weshalb die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission und die Klage auf dieselben Rügen gestützt werden müssen, dass dieses Erfordernis aber nicht so weit gehen kann, dass sie in jedem Fall völlig übereinstimmend formuliert sein müssen, sofern nur der Streitgegenstand nicht erweitert oder geändert worden ist (vgl. insbesondere Urteile Kommission/Deutschland, C‑433/03, EU:C:2005:462, Rn. 28, Kommission/Finnland, C‑195/04, EU:C:2007:248, Rn. 18, und Kommission/Niederlande, C‑576/10, EU:C:2013:510, Rn. 34).

13      Die Kommission kann somit ihre ursprünglichen Rügen in der Klageschrift präzisieren, sofern sie nicht den Streitgegenstand ändert (vgl. Urteil Kommission/Finnland, C‑195/04, EU:C:2007:248, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

14      Im vorliegenden Fall hat die Kommission den Gegenstand der Klage, wie er durch das Vorverfahren umschrieben wurde, weder erweitert noch geändert.

15      Denn wie die Kommission in ihrer Erwiderung angegeben hat, sollte zum einen mit der Bezugnahme auf die Situation von Beamten, die bei einer anderen internationalen Organisation als der Union mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Zypern ernannt sind, nicht der Gegenstand der Klage erweitert, sondern nur die Anwendbarkeit von Art. 45 AEUV auf die Situation eines Unionsbürgers, der Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation mit Sitz im Hoheitsgebiet eines solchen Mitgliedstaats zurückgelegt hat, unter dem Gesichtspunkt des Entstehens eines Anspruchs auf ein Ruhegehalt veranschaulicht werden.

16      Insoweit ist festzustellen, dass die Kommission sowohl in ihrem Mahnschreiben als auch in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme und in ihrer Klageschrift einen Verstoß gegen Art. 45 AEUV wegen eines Hindernisses für die Freizügigkeit der Wanderarbeitnehmer, zu denen diese Beamten gehören, geltend gemacht hat.

17      Zum anderen hat die Kommission, auch wenn das Mahnschreiben, die mit Gründen versehene Stellungnahme und die Klageschrift Ausführungen zur besonderen Situation der bei den Unionsorganen beschäftigten Wanderarbeitnehmer enthalten, sowohl im Vorverfahren als auch in ihrer Klageschrift geltend gemacht, dass die zyprische Regelung zur Folge habe, dass die Freizügigkeit der Wanderarbeitnehmer in ihrem allgemeinen Sinne behindert werde, ohne ihre Rüge nur auf die Wanderarbeitnehmer zu beschränken, die Zypern verlassen, um bei den Unionsorganen zu arbeiten.

18      Daher ist die Klage der Kommission in vollem Umfang zulässig.

 Zur Klage

 Vorbringen der Parteien

19      Die Kommission trägt vor, dass Art. 27 Abs. 1 des Gesetzes 97 (I)/1997 Wanderarbeitnehmer gegenüber Arbeitnehmern, die ihre berufliche Tätigkeit nur in Zypern ausübten, insofern benachteilige, als ein Beamter, der, ohne das 45. Lebensjahr vollendet zu haben, aus dem zyprischen öffentlichen Dienst ausscheide, um eine berufliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Zypern auszuüben oder eine Tätigkeit bei einem Unionsorgan oder einer anderen internationalen Organisation aufzunehmen, nur einen Pauschalbetrag erhalte und seine Anwartschaften auf das Altersruhegeld verliere, während ein Beamter, der weiter in Zypern einer Berufstätigkeit nachgehe oder der seine Stelle im öffentlichen Dienst dieses Mitgliedstaats aufgebe, um bestimmte öffentliche Funktionen in diesem Mitgliedstaat wahrzunehmen, oder der bei einer zyprischen öffentlich-rechtlichen Körperschaft eingestellt werde, seine Anwartschaften behalte.

20      Die genannte Bestimmung führe eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern, die nicht von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätten, und Wanderarbeitnehmern zulasten der Letztgenannten ein, da der Verlust der Altersruhegeldansprüche nur diejenigen Arbeitnehmer betreffe, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hätten.

21      Selbst wenn eine solche Bestimmung unterschiedslos gelten würde, könnte sie bewirken, dass Arbeitnehmer davon absähen, ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, um eine wirtschaftliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat oder bei einem Unionsorgan auszuüben, und stellte daher ein nach Art. 45 AEUV verbotenes Hindernis für die Freizügigkeit dieser Arbeitnehmer dar.

22      Auch nehme Art. 27 Abs. 1 des Gesetzes 97 (I)/1997 dem Wanderarbeitnehmer die Möglichkeit der Zusammenrechnung aller seiner Versicherungszeiten und gewährleiste nicht die Einheit der beruflichen Laufbahn dieses Arbeitnehmers im Bereich der sozialen Sicherheit, wie Art. 48 AEUV dies vorschreibe.

23      Der Erlass des Gesetzes 113 (I)/2011 habe keinen Einfluss darauf, dass der genannte Art. 27 Abs. 1 weiterhin für Beamte gelte, die vor dem 1. Oktober 2011, dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes, eingestellt worden seien.

24      Außerdem könne die Voraussetzung in Art. 27 des Gesetzes 97 (I)/1997, die auf das Lebensalter abstelle, bewirken, dass zyprische Beamte davon absähen, den nationalen öffentlichen Dienst vor der Vollendung des 45. Lebensjahrs zu verlassen, um eine berufliche Tätigkeit bei einem Unionsorgan aufzunehmen, da sie durch die Aufnahme einer Beschäftigung bei einem Unionsorgan die Möglichkeit verlören, nach dem nationalen System der sozialen Sicherheit eine Altersruhegeld zu erhalten, auf das sie Anspruch gehabt hätten, wenn sie diese Beschäftigung nicht angenommen hätten, was im Hinblick auf Art. 45 AEUV und Art. 4 Abs. 3 EUV nicht zulässig sei.

25      Der von der Republik Zypern geltend gemachte Rechtfertigungsgrund stehe in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Altersdiskriminierung. Der Mitgliedstaat liefere nichts, was sein Vorbringen stützen könnte, und im Übrigen könnten rein wirtschaftliche Erwägungen keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses darstellen, die eine Beschränkung einer vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheit rechtfertigen könnten.

26      Die Republik Zypern trägt vor, Art. 48 AEUV sei nicht anwendbar und könne nicht als Grundlage für die Klage der Kommission dienen, was sie sinngemäß damit begründet, dass dieser Artikel zwar die Rechtsgrundlage für den Erlass von Maßnahmen darstelle, mit denen die Berücksichtigung aller in verschiedenen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten geregelt werde, als solcher aber keinen Anspruch auf Berücksichtigung dieser Zeiten schaffe.

27      Seit dem Erlass des Gesetzes 31 (I)/2012, das rückwirkend zum 1. Mai 2004 in Kraft getreten sei, gelte die auf das Lebensalter abstellende Voraussetzung in Art. 27 des Gesetzes 97 (I)/1997 nicht mehr in dem Fall, dass ein nationaler Beamter aus dem Dienst ausscheide, um eine Beamtenstelle bei einem Unionsorgan zu besetzen, und umgekehrt.

28      Ein Beamter, der den zyprischen öffentlichen Dienst verlasse, um einen Dienstposten bei den Unionsorganen zu besetzen, werde nicht nur nicht ungleich behandelt, sondern ihm werde im Gegenteil eine günstigere Behandlung zuteil als einem Beamten, der den zyprischen öffentlichen Dienst verlasse, um eine berufliche Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber in Zypern auszuüben, da dieser Beamte nicht die Möglichkeit habe, seine Ruhegehaltsansprüche übertragen zu lassen.

29      Außerdem gelte Art. 27 des Gesetzes 97 (I)/1997 unterschiedslos für Arbeitnehmer, die ihre gesamte berufliche Laufbahn im Inland zurückgelegt hätten, und für Arbeitnehmer, die sich dafür entschieden hätten, in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten, und zwar unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft.

30      Dieser Artikel führe nicht wegen der Ausübung des Freizügigkeitsrechts zum Verlust eines Vorteils, sondern aufgrund der Entscheidung eines Arbeitnehmers, aus dem nationalen öffentlichen Dienst auszuscheiden und das entsprechende berufsständische System der sozialen Sicherheit zu verlassen.

31      Schließlich ist die Republik Zypern der Ansicht, dass Änderungen bei den Voraussetzungen für die Gewährung von Vergünstigungen der sozialen Sicherheit das Gleichgewicht des zyprischen Systems gefährden könnten, so dass, selbst wenn der genannte Artikel ein Hindernis für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer darstellen sollte, ein solches Hindernis gerechtfertigt sei, da es das Gleichgewicht des Versorgungssystems der Beamten unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gewährleisten solle.

 Würdigung durch den Gerichtshof

32      Zunächst ist das Argument der Republik Zypern, dass Art. 48 AEUV nicht als Grundlage für die Klage der Kommission dienen könne, zurückzuweisen.

33      Entgegen dem Vorbringen dieses Mitgliedstaats bedeutet nämlich der Umstand, dass dieser Artikel eine Rechtsgrundlage für den Erlass von Maßnahmen darstellt, die die Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit – insbesondere durch Einführung eines Systems, das es ermöglicht, den Arbeitnehmern die Berücksichtigung aller in verschiedenen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten zu sichern – zum Gegenstand haben, nicht, dass die Berufung auf diesen Artikel im Rahmen der vorliegenden Klage nicht relevant wäre.

34      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass Art. 48 AEUV, dessen Ziel in der Herstellung größtmöglicher Freizügigkeit für die Wanderarbeitnehmer besteht (vgl. Urteil da Silva Martins, C‑388/09, EU:C:2011:439, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung), u. a. impliziert, dass Wanderarbeitnehmer nicht deshalb Ansprüche auf Leistungen der sozialen Sicherheit verlieren oder geringere Leistungen erhalten dürfen, weil sie das ihnen durch den Vertrag verliehene Recht auf Freizügigkeit ausgeübt haben (vgl. Urteile Nemec, C‑205/05, EU:C:2006:705, Rn. 38, und Bouman, C‑114/13, EU:C:2015:81, Rn. 39).

35      Weiter hat der Gerichtshof entschieden, dass einem Antrag auf Zusammenrechnung von Beschäftigungszeiten unmittelbar gemäß den Art. 45 AEUV bis 48 AEUV stattgegeben werden kann, ohne dass auf die vom Rat gemäß dem letztgenannten Artikel erlassenen Koordinierungsvorschriften zurückgegriffen werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteil Vougioukas, C‑443/93, EU:C:1995:394, Rn. 36).

36      Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Klage der Kommission nicht ausschließlich, hauptsächlich oder überwiegend auf Art. 48 AEUV gestützt ist, sondern auf eine Verletzung des in Art. 45 AEUV in Verbindung mit Art. 48 AEUV und Art. 4 Abs. 3 EUV vorgesehenen Freizügigkeitsrechts der Arbeitnehmer.

37      Daher ist die Vereinbarkeit der in der Klageschrift der Kommission genannten zyprischen Regelung mit diesen drei Bestimmungen zu prüfen.

38      Die Mitgliedstaaten sind zwar weiterhin für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit zuständig, doch müssen sie dabei das Unionsrecht und insbesondere die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die Niederlassungsfreiheit beachten (vgl. Urteil Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon, C‑212/06, EU:C:2008:178, Rn. 43).

39      Insoweit ist zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit den Unionsbürgern die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Union erleichtern sollen und Maßnahmen entgegenstehen, die die Unionsbürger benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen. In diesem Zusammenhang haben die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten insbesondere das unmittelbar aus dem Vertrag abgeleitete Recht, ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, um sich zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu begeben und sich dort aufzuhalten (vgl. u. a. Urteile Bosman, C‑415/93, EU:C:1995:463, Rn. 94 und 95, Ritter-Coulais, C‑152/03, EU:C:2006:123, Rn. 33, Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon, C‑212/06, EU:C:2008:178, Rn. 44, Casteels C‑379/09, EU:C:2011:131, Rn. 21, und Las, C‑202/11, EU:C:2013:239, Rn. 19).

40      Zwar kann das Primärrecht der Union einem Versicherten nicht garantieren, dass ein Umzug in einen anderen Mitgliedstaat hinsichtlich der sozialen Sicherheit, insbesondere in Bezug auf Leistungen bei Krankheit und Altersrenten, neutral ist, da ein solcher Umzug aufgrund der Unterschiede, die in diesem Bereich zwischen den Systemen und den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bestehen, für die betreffende Person je nach Einzelfall Vorteile oder Nachteile in Bezug auf den sozialen Schutz haben kann, doch ist nach ständiger Rechtsprechung eine nationale Regelung für den Fall, dass ihre Anwendung weniger vorteilhaft ist, nur mit dem Unionsrecht vereinbar, soweit u. a. diese nationale Regelung den betreffenden Erwerbstätigen im Vergleich zu Personen, die ihre gesamten Tätigkeiten in dem Mitgliedstaat ausüben, in dem diese Regelung gilt, nicht benachteiligt und nicht nur dazu führt, dass Beitragsleistungen erbracht werden, denen kein Anspruch auf Gegenleistungen gegenübersteht (vgl. Urteil Mulders, C‑548/11, EU:C:2013:249, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, würde der Zweck der Art. 45 AEUV und 48 AEUV verfehlt, wenn Wanderarbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, die Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlieren würden, die ihnen allein die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats sichern (vgl. u. a. Urteile Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon, C‑212/06, EU:C:2008:178, Rn. 46, da Silva Martins, C‑388/09, EU:C:2011:439, Rn. 74, und Mulders, C‑548/11, EU:C:2013:249, Rn. 46).

42      Ferner soll nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs mit den Art. 45 AEUV bis 48 AEUV insbesondere verhindert werden, dass ein Arbeitnehmer, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat und in mehr als einem Mitgliedstaat beschäftigt war, ohne objektiven Grund schlechter gestellt wird als ein Arbeitnehmer, der seine gesamte berufliche Laufbahn in einem einzigen Mitgliedstaat zurückgelegt hat (vgl. Urteil da Silva Martins, C‑388/09, EU:C:2011:439, Rn. 76).

43      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten, dass gemäß Art. 27 Abs. 1 des Gesetzes 97 (I)/1997 in Verbindung mit den Art. 24 und 25 dieses Gesetzes ein Beamter, der vor Vollendung des 45. Lebensjahrs aus dem zyprischen öffentlichen Dienst ausscheidet, um eine berufliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat, bei einem Unionsorgan oder einer anderen internationalen Organisation, aufzunehmen, unmittelbar einen Pauschalbetrag erhält und das Recht verliert, dass sein Altersruhegeld konsolidiert, festgestellt und gezahlt wird, wenn er das 55. Lebensjahr vollendet, während ein Beamter, der diese Tätigkeit weiterhin ausübt oder aus dem Dienst ausscheidet, um andere öffentliche Funktionen in Zypern wahrzunehmen, unmittelbar den Pauschalbetrag erhält und dieses Recht behält.

44      Auch wenn das Gesetz 113 (I)/2011 vorsieht, dass die „neuen Beamten“, d. h. diejenigen, die nach dem 1. Oktober 2011 ernannt wurden, einer anderen Altersruhegeldregelung unterliegen, die keine solche Ungleichbehandlung mehr enthält, so findet doch, wie die Kommission vorträgt, ohne dass ihr die Republik Zypern insoweit widersprochen hätte, das vorherige System – das des Gesetzes 97 (I)/1997 – auf die vor diesem Zeitpunkt ernannten Beamten einschließlich derjenigen, die bereits ausgeschieden sind, weiterhin Anwendung.

45      Daraus folgt, dass die vorliegend in Rede stehende zyprische Regelung der Ausübung des Freizügigkeitsrechts durch die betroffenen zyprischen Beamten entgegenstehen oder sie weniger attraktiv erscheinen lassen kann. Denn die Regelung kann bewirken, dass diese Beamten davon absehen, ihre Beschäftigung im öffentlichen Dienst ihres Herkunftsmitgliedstaats aufzugeben, um in einem anderen Mitgliedstaat, bei einem Unionsorgan oder einer anderen internationalen Organisation, eine berufliche Tätigkeit auszuüben, und stellt daher ein nach Art. 45 AEUV grundsätzlich verbotenes Hindernis für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer dar.

46      Zum Argument der Republik Zypern, wonach die vorliegend in Rede stehende Regelung Wanderarbeitnehmer nicht benachteilige, weil sie unterschiedslos für alle Arbeitnehmer gelte, die sich dafür entschieden, aus dem zyprischen öffentlichen Dienst auszuscheiden, um in ihrem Herkunftsmitgliedstaat oder in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten, ist darauf hinzuweisen, dass es für eine Beschränkung der Freizügigkeit durch eine Maßnahme weder erforderlich ist, dass diese Maßnahme auf der Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen beruht, noch, dass sie zur Folge hat, dass alle inländischen Arbeitnehmer begünstigt oder nur Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten und nicht inländische Arbeitnehmer benachteiligt werden. Es genügt, dass die begünstigende Maßnahme bestimmten Gruppen von Personen, die eine Berufstätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat ausüben, zugutekommt (vgl. Urteil Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon, C‑212/06, EU:C:2008:178, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Es trifft zwar zu, dass die betreffende Regelung sowohl für zyprische Beamte gilt, die sich dazu entschließen, aus dem Dienst auszuscheiden, um im Privatsektor in ihrem Herkunftsmitgliedstaat zu arbeiten, als auch für diejenigen, die aus dem Dienst ausscheiden und diesen Mitgliedstaat verlassen, um in einem anderen Mitgliedstaat, bei einem Unionsorgan oder einer anderen internationalen Organisation, zu arbeiten. Diese Regelung ist jedoch geeignet, die Freizügigkeit der letztgenannten Gruppe von Beamten dadurch einzuschränken, dass sie sie daran hindert oder sie davon absehen lässt, ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, um eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat, bei einem Unionsorgan oder einer anderen internationalen Organisation, anzunehmen. Eine solche Regelung beeinflusst unmittelbar den Zugang der zyprischen Beamten zum Arbeitsmarkt in den anderen Mitgliedstaaten als der Republik Zypern und ist somit geeignet, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu behindern (vgl. in diesem Sinne Urteil Bosman, C‑415/93, EU:C:1995:463, Rn. 98 bis 100 und 103).

48      Außerdem wird durch die mit dem Gesetz 31 (I)/2012 eingeführten und rückwirkend zum 1. Mai 2004 in Kraft getretenen Änderungen des Gesetzes 97 (I)/1997 – die u. a. vorsehen, dass die Beamten, die einen Dienstposten innehaben, der einen Anspruch auf Ruhegehalt im zyprischen öffentlichen Dienst eröffnet, und aus dem Dienst ausscheiden, um eine Dauerstelle bei einem Unionsorgan anzutreten, Anspruch gegen die zyprische Regierung auf Zahlung des Betrags an die Union haben, der dem Kapitalwert der Vergünstigungen entspricht, die sie nach der Regelung über das Ruhegehalt der Beamten erworben haben – nicht jede Form der Beeinträchtigung der Freizügigkeit der betreffenden Beamten beseitigt, da mit ihnen nicht die Situation derjenigen erfasst wird, die sich dafür entscheiden, ihre Ruhegehaltsansprüche nicht übertragen zu lassen. Wenn diese Beamten aus dem zyprischen öffentlichen Dienst ausscheiden oder ausgeschieden sind, bevor sie das 45. Lebensjahr vollendet haben, verlieren sie nämlich ihre Altersruhegeldansprüche.

49      Insoweit ist der von der Republik Zypern angeführte Umstand, dass diese Beamten neben einem Pauschalbeitrag nach dem Gesetz 97 (I)/1997 ein Altersruhegeld nach dem Gesetz 59 (I)/2010 über die Sozialversicherung erhalten können, wenn sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, nicht dazu angetan, das Vorliegen der in der vorstehenden Randnummer festgestellten Beeinträchtigung in Frage zu stellen.

50      In ihrer Erwiderung hat die Kommission nämlich, ohne dass ihr die Republik Zypern insoweit widersprochen hätte, darauf hingewiesen, dass im Unterschied zu einem Beamten, der nach Vollendung des 45. Lebensjahrs aus dem Dienst ausscheide und der sowohl nach dem Gesetz 97 (I)/1997 als auch nach dem Gesetz 59 (I)/2010 einen Ruhegehaltsanspruch habe, ein Beamter, der einen Dienstposten innehabe, der ihm im zyprischen öffentlichen Dienst einen Anspruch auf Ruhegehalt eröffne, und der vor Vollendung des 45. Lebensjahrs aus dem Dienst auszuscheiden gedenke, um eine Beschäftigung bei einem Unionsorgan auszuüben, ohne sich deswegen seine Ruhegehaltsansprüche übertragen zu lassen, keinen Anspruch auf ein Ruhegehalt nach dem Gesetz 97 (I)/1997 habe.

51      Die zyprische Regelung ist daher geeignet, die letztgenannte Gruppe von Beamten davon abzuhalten, Zypern zu verlassen, um eine Berufstätigkeit bei einem Unionsorgan auszuüben, weil diese Beamten mit der Annahme einer Stelle bei einem solchen Organ die Möglichkeit verlören, ein Altersruhegeld nach dem nationalen System der sozialen Sicherheit zu erhalten, auf das sie Anspruch gehabt hätten, wenn sie diese Stelle nicht angenommen hätten (vgl. in diesem Sinne Urteile My, C‑293/03, EU:C:2004:821, Rn. 47, Rockler, C‑137/04, EU:C:2006:106, Rn. 19, und Öberg, C‑185/04, EU:C:2006:107, Rn. 16).

52      Abgesehen davon, dass diese Konsequenz ein nach Art. 45 AEUV verbotenes Hindernis darstellt, kann sie angesichts der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit und Unterstützung, die den Mitgliedstaaten gegenüber der Union obliegt und die in der Verpflichtung des Art. 4 Abs. 3 EUV, der Union die Erfüllung ihrer Aufgabe zu erleichtern, zum Ausdruck kommt, nicht hingenommen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil My, C‑293/03, EU:C:2004:821, Rn. 48).

53      Was das von der Republik Zypern vorgetragene Argument betrifft, wonach die sich aus den Bestimmungen von Art. 27 des Gesetzes 97 (I)/1997 ergebende Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer dadurch gerechtfertigt sei, dass Änderungen bei den Voraussetzungen für die Gewährung von Vergünstigungen der Sozialversicherung das Gleichgewicht des Systems gefährden könnten und dass diese Bestimmungen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit das Gleichgewicht gewährleisten sollten, ist darauf hinzuweisen, dass, auch wenn rein wirtschaftliche Motive keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen können, der eine Beschränkung einer vom Vertrag garantierten Grundfreiheit rechtfertigen könnte (vgl. Urteile Verkooijen, C‑35/98, EU:C:2000:294, Rn. 48, Kranemann, C‑109/04, EU:C:2005:187, Rn. 34, und Thiele Meneses, C‑220/12, EU:C:2013:683, Rn. 43), eine nationale Regelung ein gerechtfertigtes Hindernis für eine Grundfreiheit darstellen kann, wenn sie durch wirtschaftliche Überlegungen vorgegeben wird, mit denen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird (vgl. Urteil Essent u. a., C‑105/12 bis C‑107/12, EU:C:2013:677, Rn. 52). Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellt, der einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Vertrags zum Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer rechtfertigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Kohll, C‑158/96, EU:C:1998:171, Rn. 41).

54      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs obliegt es jedoch den zuständigen nationalen Stellen, wenn sie eine Maßnahme erlassen, die von einem im Unionsrecht verankerten Grundsatz abweicht, in jedem Einzelfall nachzuweisen, dass diese Maßnahme geeignet ist, die Erreichung des mit ihr angestrebten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hierfür Erforderliche hinausgeht. Ein Mitgliedstaat muss neben den Rechtfertigungsgründen, die er geltend machen kann, geeignete Beweise oder eine Untersuchung zur Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der von ihm erlassenen beschränkenden Maßnahme vorlegen sowie genaue Angaben zur Stützung seines Vorbringens machen. Anhand einer solchen objektiven, eingehenden und auf Zahlenangaben gestützten Untersuchung muss sich mittels zuverlässiger, übereinstimmender und beweiskräftiger Daten nachweisen lassen, dass das Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit tatsächlich gefährdet ist (vgl. u. a. Urteile Kommission/Belgien, C‑254/05, EU:C:2007:319, Rn. 36, und Bressol u. a., C‑73/08, EU:C:2010:181, Rn. 71).

55      Es ist jedoch festzustellen, dass es im vorliegenden Fall an einer solchen Beweisführung fehlt. Die zyprische Regierung beschränkt sich darauf, auf die Gefahr eines Ungleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit hinzuweisen und zu behaupten, dass die fragliche Regelung die in der vorstehenden Randnummer genannte Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit erfülle.

56      Infolgedessen ist das im vorliegenden Fall in Rede stehende Hindernis für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht gerechtfertigt.

57      Die Klage der Kommission ist daher begründet.

58      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Republik Zypern dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 45 AEUV und 48 AEUV sowie Art. 4 Abs. 3 EUV verstoßen hat, dass sie nicht rückwirkend zum 1. Mai 2004 die auf das Lebensalter abstellende Voraussetzung in Art. 27 des Gesetzes 97 (I)/1997 aufgehoben hat, die bewirkt, dass Arbeitnehmer davon absehen, ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, um eine berufliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat oder bei einem Unionsorgan oder einer anderen internationalen Organisation aufzunehmen, und die eine Ungleichbehandlung zwischen Wanderarbeitnehmern einschließlich der bei den Unionsorganen oder bei einer anderen internationalen Organisation Beschäftigten auf der einen Seite und den Beamten, die ihre Tätigkeit in Zypern ausgeübt haben, auf der anderen Seite zur Folge hat.

 Kosten

59      Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Republik Zypern beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Republik Zypern hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 45 AEUV und 48 AEUV sowie Art. 4 Abs. 3 EUV verstoßen, dass sie nicht rückwirkend zum 1. Mai 2004 die auf das Lebensalter abstellende Voraussetzung in Art. 27 des Gesetzes 97 (I)/1997 über die Altersruhegelder aufgehoben hat, die bewirkt, dass Arbeitnehmer davon absehen, ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, um eine berufliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat oder bei einem Organ der Europäischen Union oder einer anderen internationalen Organisation aufzunehmen, und die eine Ungleichbehandlung zwischen Wanderarbeitnehmern einschließlich der bei den Organen der Europäischen Union oder bei einer anderen internationalen Organisation Beschäftigten auf der einen Seite und den Beamten, die ihre Tätigkeit in Zypern ausgeübt haben, auf der anderen Seite zur Folge hat.

2.      Die Republik Zypern trägt die Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Griechisch.